In Frankreich am Jakobsweg
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In Frankreich am Jakobsweg
In Frankreich am Jakobsweg Wenn im Mittelalter ein Pilger dem heiß ersehnten Ziel Santiago de Compostela zustrebte, so musste er durch Frankreich, wenn er nicht den kürzeren Seeweg wählte, den sich die Schiffe gut bezahlen ließen. Auch verhießen die Mühen des steinigen Fußweges größere Erleichterung von Sünden. In den Herbergen durfte man auf etwas zum Beißen rechnen und auf ein Lager. Die Scharen der Pilger, die zum Apostel Jakob strebten, bewegten sich auf vier Hauptwegen, die heute aufs neue entdeckt werden. Die zahllosen Wunder, die von der Grabstätte des Heiligen bekannt wurden, bewahrten ihr den Rang, zu den drei wichtigsten Wallfahrtszentren der alten Welt zu zählen. Die Kathedrale von Santiago gab die Architektur Cahors Pont de Valentré vor, die man in der Romanik am Weg wieder findet: Le Puy-enVelay, Conques und Toulouse sind Beispiele hierfür. Den Hauptweg in Spanien kannte ich aus dem heiligen Jahr 1999, von der Fahrt, die Dr. Franz Kassel organisiert hatte, wobei ich ihm ein wenig helfen konnte. Damals nistete sich bei mir der Gedanke ein, jenen französischen Weg einmal zu gehen, der mir nach Bildern der schönste zu sein schien, nämlich die Via Podensis, 192 Der Gebirgsfreund 6/2001 von Le Puy-en-Velay aus, in der Auvergne. In der Kathedrale Notre-Dame in Le Puy erhielten wir drei, meine Frau Roswitha, ihre Schwester und ich, schon früh um 7 Uhr den feierlichen Segen und die Stempel in die Pilgerausweise. Dann machten wir uns auf den Weg. Die Stadt liegt auf einem vulkanischen Kegel, alle Straßen sind steil und wir stiegen die Treppen vor der Kathedrale hinunter, genossen den Postkartenblick und mischten uns ins Marktgewühl. Hier besorgten wir Proviant und erhielten von der Marktfrau Käse und Reisetipps. Wir kauften sparsam ein, denn wir mussten alles im Rucksack tragen. Unser Stolz verbot es, Transbagages in Anspruch zu nehmen. Dieses Service sammelt Kathedrale von Le Puy: St. Jacques die schweren Rucksäcke ein und bringt sie in die nächste Herberge. Pannen werden mit charmanter Entschuldigung ausgebügelt. Bald haben wir Höhe gewonnen und sehen auf die Stadt zurück, deren Kirchen und Madonnen-Statuen auf spitzen Vulkannadeln stehen. Für den ersten Tag hatten wir uns wenig vorgenommen. Schließlich drücken nicht nur die Rucksäcke sondern auch schon eine Reihe von Jahren. Aber wir stiegen munter auf 1100 m hinauf und übernachteten in einer der Herbergen, die für Pilger preiswert organisiert sind. Den Schlafsack bringt man mit. Eine schöne Erfahrung war hier in Montbonnet das Abendessen, das die Wirtsleute bereiteten und mit uns einnahmen. Die Unterhaltung war angeregt. Weniger als vier Gänge gab es nie. Im allgemeinen ist ein guter Tischwein inbegriffen oder kostet eine Bagatelle. Auch viele Hotels am Chemin Saint-Jacques haben sich mit ihrer Kalkulation den Pilgerbörsen angepasst. Das Wetter war anfangs trüb und es spritzte manchmal. Aber der dichte Regen fiel eigentlich nur in den Nächten. Der zweite Tag war von Abstiegen und steilen Anstiegen geprägt. Wir wanderten über Schluchten und stiegen auf Hochebenen. Jeder Ort hatte sein Schloss, eine sehenswerte Kirche oder eine Kapelle. Eine Totenkapelle, enfeu genannt, diente im Winter, wenn der Boden steinhart gefroren war, zur Aufbewahrung der Toten, die erst nach Einsetzen des Tauwetters im Frühling der Erde übergeben werden konnten. Wir trafen eine Herde, die friedlich graste und ihrem Schäfer einen Nachmittagsschlaf gönnte. Dann waren wir froh, als wir unsere Flaschen nachfüllen konnten, was mit einem Plausch verbunden war. www.oeav-events.at www.alpenverein.at Fotos: Mag. Hans Petrovitsch Überhaupt entwickelt sich schnell ein Gespräch, man erfährt vieles, was nicht im guide steht. Die Leute sind hilfsbereit und liebenswert. Durchfroren trafen wir in einer Herberge ein, die in einem behäbigen Gutshof untergebracht war. Ein prasselndes Kaminfeuer empfing uns. Die Wirtin von Le Sauvage thronte hinter ihrem Tisch und kassierte für Lebensmittel, mit denen wir dann das Abendessen bereiteten. Die besten Betten im Schlafsaal waren brauchbar, die Dusche etwas verdächtig. Aber wir plauderten, tranken, schlossen Bekanntschaften, trafen andere Pilger wieder und verbrachten einen stimmungsvollen Abend. Das Wetter wurde heiß und an den kommenden Tagen war die Mittagszeit einer Siesta im kühlenden Schatten vorbehalten. Weiler und Dörfer wechselten mit kleinen Städten. Am besten waren wir in Klöstern aufgehoben, wo wir als Pilger gerne gesehen waren und an Gottesdiensten teilnahmen. In Conques feierten wir eine bénédiction, die von den schönen Stimmen der Brüder und der Orgel getragen wurde. In Vaillats sangen die Töchter Jesu eine Vesper nach uralten Melodien. Und natürlich wurden wir urtotal-super verpflegt, erhielten Brot auf den Weg, wenn am kommenden Tag die GeEin Pilger-Kreuz schäfte in weiter Ferne lagen. Ein Pilger war mit seinem Esel Igor unterwegs, der viel mehr schleppen musste als zwei von uns. Sein Herr nannte Igor tétu (stur), lobte aber seinen aufrechten Charakter. Eine Schweizerin mit zwei Pferden und Hund trafen wir nicht jeden Tag, da sie für ihre Tiere eigene Unterkunft und Weide brauchte. Und immer wieder neue landschaftliche Schönheiten. Vom vulkanischen Gebiet ging es in Gegenden mit riesigen Granitfelsen, über Almweiden auf Wegen zwischen uralten Steinmauern in 1300 m Höhe mit unendlich weitem Blick und die Schlingen des Flusses Lot entlang. Es gab auch viele Asphaltstraßen, doch wenig Verkehr. Dörfer waren zum Teil unbewohnt oder bestanden in dieser armen Gegend aus Ruinen. In den breiten, tiefer liegenden Tälern kamen wir aber auch durch reiche Siedlungen, wie wir sie aus unseren Nobelbezirken kennen. Und das Wetter wurde heißer, zuletzt 33 Grad im Schatten, wenn es einen gab. Nach den baulichen Höhepunkten Le Puy und Conques erreichten wir Cahors, dessen sagenumwobene Brücke über den Fluss Lot die Titelseite aller Prospekte schmückt, aber bei weitem nicht die einzige Sehenswürdigkeit ist. Fast drei Wochen standen uns zur Verfügung und die waren nun zu Ende. Wir setzten uns in den Zug, genossen noch einen Tag in Toulouse, dem schönen Tolosa des Altertums. Dann flogen wir über Paris zurück und freuten uns, nach diesem intensiven Erleben wieder zu Hause zu sein. Mag. Hans Petrovitsch Diavortrag über den Jakobsweg von Mag. Hans Petrovitsch am Mittwoch, 12. Dezember 2001 um 18:30 Uhr im Gebirgsvereinshaus 1080 Wien, Lerchenfelder Str. 28 www.alpinschule-peilstein.at e-mail: [email protected] Edition Sonnenuhrhaus Ein alpines Heimatbuch, das für jeden Gebirgsfreund wichtig ist Schneeberg Rax Schneealpe Von Karl Kolar Am Beispiel der östlichsten Zweitausender der Alpen erhält der Bergfreund nicht nur Hinweise auf interessante Klettersteige und Wanderungen. In einer bisher noch nie versuchten Weise gibt der Autor naturwissenschaftliche und kulturelle Informationen. Philosophische Aussagen beleuchten das Schicksal der Landschaft. Die Sehnsucht nach der unberührten Natur kann allzu oft im Bergraum nicht mehr erfüllt werden, da Eingriffe zu Veränderungen des Bildes der schönen Berge führen und das Erlebnis banal machen. Dies ist ein furchtbarer Verlust. Das Verschwinden der gewaltigen Schönheit unberührter Hochalpen und Gletscher macht uns bewusst, dass Naturschutz eine Bildungssache ist. 3. Auflage, S 495, / 35,97, in der Vereinskanzlei oder bei der Edition Sonnenuhrhaus Reichenau, Tel. 02666/54 876 Diavorträge von Hans Thurner www.hans-thurner.at Aktuelle Alpininfos und interessante Tourenvorschläge www.bergsteigen.at Der Gebirgsfreund 6/2001 193