Leander Haußmann Herr Lehmann

Transcrição

Leander Haußmann Herr Lehmann
Leander Haußmann
Herr Lehmann
Drehbuch
Kamera
Schnitt
Musik
Ton
Ausstattung
Kostüm
Produktion
Produzent
Mit
Sven Regener
nach seinem gleichnamigen Roman
Frank Griebe
Peter R. Adam
Anita Lane
Cake
Calexico
Element of Crime
Eels
Fad Gadget
Violent Femmes
Ween
Nick Cave and the Bad Seeds
The Jazz Butcher
Laibach
Wolfgang Schukrafft
Thomas Stammer
Nina von Mechow
Boje Buck
Claus Boje
Christian Ulmen
Katja Danowski
Detlev Buck
Janek Rieke
Uwe-Dag Berlin
Hartmut Lange
Margit Bendokat
Annika Kuhl
Michael Gwisdek
Fabian Oscar Wien
Heidi Züger
Christoph Waltz
Thomas Brussig
Steffi Kühnert
SCHULE
Deutschland 2003
105 Minuten, Farbe, 35 mm/Cinemascope
KINO macht
Herr Lehmann
HERR LEHMANN ist die kongeniale
Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers
von Sven Regener, ein authentisches
Porträt der Kreuzberger Szene vor dem
Mauerfall.
in der Markthallen-Kneipe lernt Herr Lehmann
die „schöne Köchin“ Kathrin kennen (und
lieben), eine Reise nach Ost-Berlin steht bevor,
und nicht zuletzt benötigt sein bester Freund
Karl dringend Herrn Lehmanns Zuwendung.
„Herr Lehmann“, den jene zärtliche
Nonchalance auszeichnet, die wir an den
besten Songs von „Element of Crime“ so
schätzen, ist ein Entwicklungsroman zu
Kreuzberger Bedingungen – immerhin muss
sich der Held am Ende des Romans damit auseinandersetzen, dass es auch auf der anderen
Seite der Oberbaumbrücke noch Menschen
gibt.
Alles beginnt mit einem Hund, der Herrn
Lehmann daran hindert, seinen Heimweg nach
vollbrachter Arbeit fortzusetzen. Wenig später
kündigen seine Eltern ihren Besuch in Berlin an,
Leander
Haußmann,
einst
jüngster
Theaterintendant Deutschlands und mit
„Sonnenallee“ auch als Kinoregisseur erfolgreich, hatte das Glück, als Freund Sven
SCHULE
Mit „Herr Lehmann“ gelang Sven Regener,
Sänger, Texter und Trompeter der Berliner
Band „Element of Crime“, vor zwei Jahren ein
erfrischendes Romandebüt, das Kritik und
Publikum
gleichermaßen
begeisterte.
Regeners eigenwilliger Held heißt Frank, „aber
da es sich herumgesprochen hatte, dass er
bald dreißig Jahre alt sein würde, nannte man
ihn neuerdings nur noch Herr Lehmann.“ Es ist
der Spätsommer des Jahres 1989, Herr
Lehmann arbeitet als Barkeeper in Kreuzberg
und ist gleichzeitig der stille Chronist einer
übersichtlichen,
kleinen
Welt
voller
Philosophen, Künstler und Biertrinker, in die
sich unaufhaltsam Störungen einschleichen. In
zwanzig Kapiteln erzählt Regener mit
sprühendem Witz und großem Respekt vor
seinen Figuren von den Widrigkeiten, denen
sich sein Held ausgesetzt sieht, während sich
gleichzeitig im Osten Berlins und in der ganzen
DDR gewaltige Umbrüche ankündigen.
KINO macht
Herr Lehmann
Regeners den Roman als
erster lesen zu dürfen.
„Nach kurzer Lektüre war
mir klar: Das muss man
verfilmen.“
Es
ist
erstaunlich, mit welcher
Leichtigkeit Haußmann
die
Herausforderung
meisterte, ein Buch, in
dem wenig passiert, für
das Kino zu adaptieren.
Vielleicht liegt es daran,
dass Haußmann „Filme
mag, deren Handlung ich
nicht genau nacherzählen
kann, Filme mit AbhängerCharakteren, die in den
Tag hineinschauen und
immer erstaunt sind, wie
das Leben an ihnen vorbeigeht und die Frechheit
besitzt, sie ein wenig zu
fordern.“
begleitet
den
einsam
unter
den
Hochbahnpfeilern des Görlitzer Bahnhofs
dahinstolpernden Herrn Lehmann, während die
ironische „I Will Survive“-Coverversion von
„Cake“ die distanzierte Begleitmusik zum
Mauerfall abgibt.
Dazu kommt ein Soundtrack mit
allerfeinsten Popsongs aus den 80er
und 90er Jahren, die die Bilder eher
kommentieren denn verstärken.
Anita Lanes grandios-traurige
„Bella
Ciao“-Interpretation
Am Ende des Films finden Herr Lehmann und
der Hund, von dem er sich in der
Eingangssequenz so bedroht fühlte, wieder
zueinander. Gemeinsam ziehen sie eine
ungewisse, aber nicht perspektivelose
Zukunft. Bis denn dann, Herr Lehmann!
SCHULE
In
von
Tom-TykwerKameramann
Frank
Griebe in warmes, sattes
Licht
getauchten
Cinemascope-Bildern
fängt der Film die heitermelancholische Stimmung
des Romans ebenso ein
wie die Atmosphäre
Kreuzbergs.
HERR
LEHMANN ist bis in die
kleinsten Nebenrollen hervorragend
besetzt,
Michael Gwisdek und Steffie Kühnert haben
grandiose Kurzauftritte als hartgesottene
Zecher, und MTV-Moderator Christian Ulmen
kann als Titelfigur genauso überzeugen wie
Detlev Buck als Herrn Lehmanns bester Freund
Karl.
KINO macht
Herr Lehmann
Leander Haußmanns Debütfilm „Sonnenallee“,
eine groteske Nummernrevue über eine Gruppe
Jugendlicher im Ost-Berlin der 70-er Jahre,
sahen 1999 mehr als zwei Millionen Zuschauer;
der Roman, den Drehbuchautor Thomas
Brussig dem Film hinterherschickte, wurde zum
Bestseller. Einen solchen hat sich Haußmann
auch für sein neues Filmprojekt vorgenommen:
„Herr Lehmann“, den im vergangenen Jahr
erschienenen, viel beachteten Erstlingsroman
des „Element of Crime“-Sängers Sven Regener.
Die Titelfigur des Werks ist der knapp 30 Jahre
alte Frank Lehmann, ein Oblomow aus
Kreuzberg, der mit seinen Freunden im
beschaulichen West-Berliner Biotop vor sich
hinlebt - bis zu dem Tag, als die Mauer fällt.
Ende September sollen die Dreharbeiten
beginnen; gefilmt wird in Berlin und in
Nordrhein-Westfalen, dessen Filmförderanstalt
„Herrn Lehmann“ soeben mit einem großzügigen Zuschuss von 660.000 Euro bedacht
hat. Die FAZ sprach mit Leander Haußmann
über seinen cineastischen Seitenwechsel, die
Zusammenarbeit mit Sven Regener und den 30.
Geburtstag als Punkt, an dem jeder Mensch
eine (Lebens-)Entscheidung treffen muss.
Wie verfilmt man ein Buch, in dem eigentlich
gar nichts passiert? Der Roman lebt ja vor allem
davon, was sich in Herrn Lehmanns Kopf
abspielt.
Ja, das ist das Problem. Hier ist es aber so, dass der
Autor auch das Drehbuch geschrieben hat, was
manchmal gut ist und manchmal schlecht. In
unserem Fall war es gut. Und ich persönlich mag
Filme, wo nichts passiert, wo ich nicht genau die
Handlung nacherzählen kann, zum Beispiel „Last
Picture Show“ von Bogdanovich oder „Alice’s
Restaurant“ von Arthur Penn, „Diner“ von Barry
Levinson oder auch François Truffauts „Der Mann,
der die Frauen liebte“. Filme mit AbhängerCharakteren, die in den Tag hineinschauen und
immer erstaunt sind, wie das Leben an ihnen vorbeigeht und oft die Frechheit besitzt, sie irgendwie
ein wenig zu fordern.
Wie kamen Sie auf „Herr Lehmann“?
SCHULE
Kreuzberg ist überall
KINO macht
Herr Lehmann
Wie „Sonnenallee“ lebt auch HERR LEHMANN
von der atmosphärisch genauen Schilderung
eines mehr oder weniger geschlossenen Milieus:
hier das Ost-Berlin der siebziger Jahre, dort das
Kreuzberg der achtziger Jahre. Sehen Sie
Parallelen?
Vielleicht bin ich ja jemand, auch wenn ich es nicht
hoffe, der nur diese Filme macht: Solche Filme, wo
komische Typen im Mittelpunkt stehen, die mir
natürlich irgendwo ziemlich nahe sind, die
scheinbar sehr unpolitisch sind und nicht in gesellschaftliche Prozesse eingreifen, eigentlich eher
Spielball dieser Prozesse sind, am Ende so eine Art
Läuterung durchmachen und möglicherweise
später vielleicht noch ein sinnvolles Mitglied der
Gesellschaft werden. Und das ist ja auch ein bisschen so beim Herrn Lehmann. Aber das Problem
haben wir ja alle: Entweder wir werden dreißig,
oder wir sind dreißig geworden. Das ist, glaube
ich, ein internationales Problem, dass man irgendwann eine Zeit erreicht, wo man sagt: Jetzt muss
irgendwas passieren, irgendwas Neues. Dreißig ist
ein entscheidendes Alter: Man muss sich entscheiden, ob man verkommt oder ob man - lebt.
Nach der Jugend nun die Dreißigjährigen: Sie
scheinen in Ihren Filmen der Reihe nach verschiedene Lebensphasen aufzuarbeiten.
Es sieht so aus. Man kann es sich leider nicht aussuchen. Wenn man mich, bevor ich überhaupt ins
Filmgeschäft gekommen bin, gefragt hätte, was
mich interessiert, dann hätte ich sicherlich gesagt:
SCHULE
Das ist relativ einfach. Ich bin mit Sven Regener
befreundet; bei meiner Arbeit am Theaterstück
„Peter Pan“, für das er die Musik und die Texte
geschrieben hat, lernten wir uns kennen und
schätzen. Und dadurch kam ich in den Genuss, das
Buch als erster lesen zu dürfen, und habe mir
gesagt: Eigentlich eine interessante Geschichte
auch für mich - mir nach dem Osten, nach
„Sonnenallee“, mal die andere Seite anzuschauen.
Das, dachte ich, passt ganz gut in mein Oeuvre.
Auf der anderen Seite hat mich auch der
Charakter sehr interessiert, von dem ich glaube,
dass es den sehr oft gibt - und die verkauften
Exemplare haben mir da schon mal Recht
gegeben. Dann habe ich eine Kritik für den
„Spiegel“ geschrieben, die sicherlich auch dazu
beigetragen hat, dass das Buch bekannt wurde.
Man kann sagen: Endlich mal, wenn auch nicht
zum ersten Mal in meinem Leben, war ich als
Entdecker da.
KINO macht
Herr Lehmann
Bei der „Sonnenallee“ spielte die Musik eine
große Rolle. Bei HERR LEHMANN dürfte das
nicht anders sein. Wird die Musik ebenfalls von
Sven Regener stammen?
Nein. Er wird vielleicht eine Trompete einspielen
oder so etwas. Er wird aber auch jetzt, wo er das
Drehbuch abgeschlossen hat, nicht mehr maßgeblich in diese Arbeit einbezogen, das will er auch
nicht. Der Film soll ja auch kein Sven-Regener-Film
werden, sondern am Ende doch ein LeanderHaußmann-Film sein. Ich werde sehr darum
bemüht sein, nicht Pop zu machen. Ich hasse Pop.
Und das ist eigentlich immer der beste Weg, dass
man Pop wird.
Bei einem Film über die achtziger Jahre ist Pop
schwer zu vermeiden.
Es ist kein Film über die achtziger Jahre. Darauf
lege ich großen Wert. Es ist ein Film, der sich aus
vielen Versatzstücken zusammensetzt, die international sind. Es wird ein Ort geschaffen, der sich
Kreuzberg nennt. So, wie es mal einen Ort gab,
der sich DDR nannte und der in „Sonnenallee“
komprimiert dargestellt wurde. So wird es hier
einen Ort geben, der praktisch identisch ist mit
Orten wie Greenwich Village oder Montparnasse
oder Soho: etwas, wo man sich wiederfinden
kann.
Es ist kein Film, der sich in irgendeiner Weise an
dieses Achtziger-Jahre-Revival heranhängen will,
sondern der eine ganz eigene Aussage haben
wird. Die Zeit könnte auch heute sein. Der Punkt
ist der, dass diese historischen und gesellschaftlichen Ereignisse über unsere Figuren
hinwegspülen, wenn sie nicht sogar von ihrem Ort,
aus ihrem Village rausgespült werden. Man könnte
es vergleichen mit Tschechow: eine untergehende
Gesellschaft, eine Bohème, die bis in die neunziger
Jahre geduldet wurde, weil es noch so etwas wie
Ideale gab - welche Ideale auch immer: ob das nun
Post-Hippie war oder Marxismus, irgendwas war ja
da. Das ist mit dem Fall der Mauer natürlich alles
weggespült worden. Und daran soll der Film
erinnern.
Und weil der Film demnach kein Berlin-Film
werden soll, ist es auch egal, dass wegen der
Auflagen der Filmförderung Teile davon in
Nordrhein-Westfalen gedreht werden müssen?
SCHULE
Thriller, Horrorfilme, Science Fiction. Ich hätte nicht
gesagt, ich würde gerne Filme machen wie
„Manhattan“. Aber irgendwie hat es sich so
ergeben, man kann es sich oft nicht aussuchen.
Die Themen kommen zu einem, man kann es nicht
erzwingen.
KINO macht
Herr Lehmann
Mir wäre es sowieso am liebsten,
wir würden am allerwenigsten in
Berlin drehen, damit der Ort kosmopolitisch wird. Ich bin ja kein
Kreuzberger. Ich habe auch nie an
der Sonnenallee und an der Mauer
gelebt, sondern in Friedrichshagen
am Müggelsee - kann mir das aber
sehr gut vorstellen. Was ich mir
erschaffe, sind Traumwelten:
Möglichkeiten, Familien, Freunde,
die ich vielleicht mal hatte und
gerne wieder hätte, frühere Zeiten
und ein Leben, wie ich es gerne
wieder hätte.
Haben Sie schon eine Besetzung für
Herrn Lehmann im Auge?
Nein. Das heißt, im Auge schon aber noch nichts, was man an die
große Glocke hängen könnte.
Das Interview führte Jörg Thomann.
© Frankfurter Allgemeine Zeitung
„In HERR LEHMANN gelingt Leander Haußmann ein intensives,
detailliertes Milieu-Studium, der Blick auf eine Zeit, die lange
vorbei ist und die doch eine ganze Generation geprägt hat.
Was Haußmann beherrscht, ist dieser im deutschen Kino so
seltene Balanceakt zwischen Komik und Tragik, zwischen
ernsten Momenten und heiteren Episoden. Die vielen Leser, die
das Buch gelesen haben, werden von Haußmanns
Interpretation nicht enttäuscht sein.“
(Bayrischer Rundfunk)
Herr Lehmann
[Klappentext]
Durch
jahrelange,
ausgefuchste
Ausweichmanöver und heroische Trägheit hat
der arglistfreie, bis ins Mark ambitionslose
Bierzapfer Herr Lehmann erfolgreich Ansprüche
von Eltern, Vermieter, Nachbarn und Frauen
ausgesessen. Nun, wir schreiben das Jahr 1989,
lebt er weitgehend störungsfrei in seiner
Eineinhalbzimmerwohnung in Kreuzberg,
wenn er nicht in die nächste Kneipe geht. Doch
plötzlich bricht eine unvorhergesehene Störung
nach der anderen in seinen heißgeliebten Alltagstrott ...
[amazon.de]
Kreuzberger sind schon komische Vögel. Sie
sitzen Abend für Abend am Tresen, trinken
Kristallweizen ohne Zitrone und gehen erst ins
Bett, wenn Mutti in Bremen schon wieder aufsteht. Und wenn draußen die Mauer fällt,
bestellen sie erst mal in Ruhe noch ein Bier.
Denn was ist schon das Ende der Geschichte
(denkt sich der Leser am Ende dieser
Geschichte) gegen die Frage, ob die Zeit
schneller oder langsamer vergeht, wenn man
betrunken ist?
Herr Lehmann ist Kreuzberger. Kreuzberger
sind Menschen, die irgendwann einmal aus
Schwaben, Achim oder Herford nach Berlin
gekommen und dort „hängen geblieben“ sind.
Herr Lehmann kommt ursprünglich aus Bremen
und möchte eigentlich Frank genannt werden,
aber das ignorieren seine Freunde: denn bald
ist Herrn Lehmanns dreißigster Geburtstag.
Und 30 Jahre alt zu werden, weiß Herr
SCHULE
Sven Regener: „Herr Lehmann“
Ein Roman
Eichborn Berlin Verlag, Berlin 2001
ISBN 3821807059, gebunden, 300 Seiten
KINO macht
Herr Lehmann
[Frankfurter Rundschau vom 30.08.2001]
Den medial ausgerufenen „literarischen
Sommerhit 2001“ will Marius Meller mal auf
Herz und Nieren resp. auf den Text hin überprüfen. Das Buch aber, muss man sagen, hält
stand. Nach anfänglichen Bedenken („eine
ziemlich behäbige Intro“), findet der Rezensent
derart Gefallen am Charme des so
unspektakulären Helden, an der alles andere als
umständlichen Art des Autors, Figuren zu etablieren, und an den „anspruchslosen, aber wirklich gut geschriebenen und intensiven
Dialogen,“ dass er dem Buch sogar das Zeug
Sven Regener kennt, wovon er schreibt. Als zum übersaisonalen Hit zutraut. Und gespannt
Sänger und Texter der Berliner Band Element of auf Zukünftiges von diesem Autor ist er auch.
Crime ist er seit genau jenen Spätachtzigern, in
denen die Romanhandlung spielt, immer auch [Die Tageszeitung vom 21.08.2001]
genauer
Chronist
eines
Kreuzberger Flauschiges Buch, das, vermeldet unser
Lebensgefühls jenseits von „Kreuzberger Rezensent. Seltsames Epitheton, meinen wir.
Nächte sind lang“ gewesen. Mit Herr Lehmann Was Gerrit Bartels indessen meint, ist ein
ist ihm das erstaunliche Kunststück gelungen, Unspektakuläres, das uns ganz sanft mitnimmt,
jene zärtlich-rotzige Nonchalance, die seine bis wir, huch, schon auf der letzten Seite angeLieder auszeichnet, umstandslos in die lange kommen sind. „So weit, so unspektakulär.“
Form zu überführen – und das gleich in seinem Oder so „wohnlich“ eben. Das Flauschigliterarischen Erstlingswerk!
Behagliche des Buches hat für Bartels vor allem
damit zu tun, dass es Kreuzberg als
Mit seinem Roman setzt Regener jenem Handlungsort und den „sympathischen und
merkwürdig
zeitlosen
Kreuzberg
der gezielt planlosen Herrn Lehmann, der keiner
Vorwendezeit, das einem heute so weit weg Fliege was zu Leide tun kann“, als Helden hat.
erscheinen will, so etwas wie ein Denkmal – für Kann sich der Kreuzberger mitunter hübsch
die Zeit „Damals hinterm Mond“. Doch trotz so spiegeln. Weniger gefällt Bartels da schon das
schöner Einsichten wie „Der Elekrolytmangel ist effekthascherische Hinschreiben auf den 9.
der größte Feind des Trinkers. Von der November 1989. Wirkungspotential, findet er,
Dehydrierung einmal abgesehen“, geht es hier hätte das Buch auch ohne das genug gehabt.
keineswegs nur ums Bohème-Leben im Und aufs Literarische Quartett, das just darauf
Allgemeinen und ums Trinken im Besonderen. ansprang, hätte es sowieso verzichten können.
Das Ganze ist nämlich auch eine Art
Entwicklungsroman – freilich zu Kreuzberger [Süddeutsche Zeitung vom 17.08.2001]
Bedingungen: Muss doch der Held – für den es Thomas Steinfeld hält diesen Band für ein
anfangs noch eine Qual ist, wenn er auf dem „freundliches, leichtes und gekonnt belangWeg von Kreuzberg nach Kreuzberg durch loses Buch“, bei dem ihm offenbar besonders
Neukölln muss – gegen Ende des Romans gut gefällt, dass der Autor hier einen „unerbittimmerhin zur Kenntnis nehmen, dass es auch lichen Konservatismus“ der alternativen Szene
hinter der Oberbaumbrücke noch Menschen ins Visier nimmt, in der vor allem eines wichtig
gibt. Das Ende der Geschichte? Erst mal ist: dass man nicht gestört wird in seinem
losgehen, denkt sich Herr Lehmann. eingerichteten Leben. Steinfeld ist der Ansicht,
„Der Rest wird sich schon irgendwie dass dieses Buch beinahe genauso gut in den
ergeben.“ Pflichtlektüre für die zwanziger Jahren hätte geschrieben werden
Jahrgänge
1959-1969,
für können, vor allem wegen der „Milde, (...) dem
Kreuzberger sowieso. Axel Henrici
betulichen Ton eines ebenso langmütigen wie
SCHULE
Lehmann, ist Scheiße, weil man da langsam
„beginnt, eine Vergangenheit zu haben, eine
gute alte Zeit und den ganzen Scheiß.“ Und
weil auf einmal alle anfangen zu fragen, was
man denn bitte schön anfangen wolle mit dem
eigenen Leben. Denn dass jemand zufrieden
damit ist, Kellner zu sein, ist in dieser Stadt, in
der alle „eigentlich Künstler“ sind, nicht vorgesehen – „aber was ist das für ein trauriger
Umgang mit dem, was man tut, wenn man es
immer nur als Zwischenlösung ansieht, als
nichts Richtiges?“
KINO macht
Herr Lehmann
[Die Zeit vom 16.08.2001]
Hochgradig beglückt ist Evelyn Finger von
diesem „urkomischen“ Buch. „Sternstunden
farcenhaften Humors“ wurden ihr beschieden.
Sie stellt fest, dass die Komik scheinbar „wider
Willen“
entsteht
und
in
diesem
„Unabsichtlichen läge die erzählerische
Eleganz“. Evelyn Finger ist verblüfft und lacht
sich
schief.
Der
Autor
malt
den
Lebensüberdruss in einem „frischen Grau“,
schreibt sie. Das „abgegriffene Sujet des
Weltschmerzes“ finde durch dieses Buch einen
festen Platz in der jüngsten Literatur. Das ist es,
was sie so schätzt an diesem „Erbauungsbuch,
nicht nur für Stadtbewohner“, das für sie das
Gegenteil zum „popkulturellem BerlinGeschwätz“ darstellt. Sie findet die
Schachtelsätze „beachtenswert“ und die
Abschweifungen „wunderbar“. Selbstironisch
sei der Ton des Erzählers, und trotz der deftigen
Prosa hört Evelyn Finger die „sentimentale
Geige“ und den „sarkastischen Unterton der
Trompete“ heraus. Eine durchweg begeisterte
Rezension.
[Neue Zürcher Zeitung vom 14.08.2001]
Martin Krumbholz rezensierte offenbar mit
Vergnügen das Romandebüt des Sängers und
Songtexters der Rockgruppe „Element of
Crime“. Er beschreibt die Rahmenbedingungen
der Geschichte des Herrn Lehmann, die sich
nicht aus dem Kreuzberger Viertel SO 36
herausbewegt und die am 9. November 1989
ihren Endpunkt findet: Sie sei „in hohem Maß
vergangen“, und das sei gerade eine günstige
Vorraussetzung, erzählt zu werden. Krumbholz
benennt die wichtigsten Eckdaten: Der
Protagonist ist ein noch nicht dreißigjähriger
Barmann, und zwar nicht Barmann, der
eigentlich wirklich Künstler oder sonst irgendetwas ganz anderes ist, sondern Barmann und
weiter nichts, und dieser Herr Lehmann kämpft
kapitelweise gegen die Widrigkeiten eines ganz
normalen Lebens in SO 36. Die handelnden
Figuren und ihre Beziehungen sind
differenziert gezeichnet, die Dialoge
entfalten sprühenden Witz, sie wirken,
bei
aller
Absurdität,
bemerkenswert
authentisch und vor allem entwickelt der Leser
eine starke Sympathie für Herrn Lehmann,
SCHULE
teilnehmenden Beobachters, den man sich
eigentlich immer als dicken Mann mit
Hosenträgern vorgestellt hat“. Dass der Roman
letztlich aus zwanzig Anekdoten besteht, hat
zwar nach Steinfeld seinen Reiz, doch findet er,
das zwölf durchaus gereicht hätten.
Irgendwann bei der Lektüre schien es Steinfeld
so, als ob man einem Partygast zuhört, der
lustige Dinge erzählt, einem jedoch ab einem
gewissen Punkt nur noch auf die Nerven geht.
Auch ein bisschen mehr „literarische Seele“
hätte dem Herrn Lehmann nicht geschadet,
findet Steinfeld. Doch insgesamt überwiegt das
positive Urteil in der Rezension, zumal Steinfeld
zum Schluss noch lobend auf die „Originalität
und Kraft“ dieses Buch hinweist.
KINO macht
Herr Lehmann
was wiederum daran liegt, dass Herr
Lehmann starke Sympathien auch für
schwache Mitmenschen entwickelt, findet
der Rezensent. Wenn’s denn doch zu hart
wird, mutiert Herr Lehman auch schon mal
„zum menschlichen Nagetier“, so Krumbholz.
Das Fazit der Rezension scheint eindeutig:
Selber lesen!
„Die Kombination aus Herr Lehmann und
duzen ist das Übelste, was es gibt.“
[Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
11.08.2001]
Fraglos „eine kleine Welt“, in der sich der Herr
Lehmann im Debütroman von Element-ofCrime-Sänger Sven Regener bewegt: Kreuzberg
1989, kurz vor dem Mauerfall. Da ist es nur
wenig erstaunlich, dass von der bevorstehenden Zeitenwende so gar nichts zu
bemerken ist und dass die Protagonisten, fest
eingemummt in ihren kleinen Berliner Westen,
von dem was zu bemerken wäre, so gar keine
Notiz nehmen wollen. Gerade darum aber, so
der Rezensent Tilman Spreckelsen, handelt es
sich um einen „glänzenden Wenderoman aus
westlicher Sicht“. Herrn Lehmann beschreibt
Spreckelsen als „sympathische OblomowGestalt“ und lobt den Autor dafür, dass er
zwar auf Distanz zu seiner Figur setzt, das
Abdriften ins allzu Skurrile aber vermeidet.
Lobend erwähnt werden die „hohe
Komik“ einiger der stets „in sich abgerundeten“ Szenen, aus denen der Roman
besteht, außerdem noch die sehr gelungenen „vielstimmigen Diskussionen“.
SCHULE
Zusammenstellung der Kritiken:
perlentaucher.de
KINO macht
Herr Lehmann
Statements der Macher
„Das Besondere an Herrn Lehmann ist das Normale.“
Leander Haußmann:
„Autobiographisches? Das Biertrinken.“
Frank Griebe:
„Leander wollte einen Tresen ganz ins Bild – und ein Tresen ist lang.
Also drehten wir Cinemascope.“
Sven Regener:
„Ich bin nicht gruppenarbeitsfähig. Ich kann das eigentlich nicht leiden,
wenn andere Leute mir in das, was ich da mache, reinpfuschen.
Und das musste ich dann lernen auszuhalten. Schön ist was anderes...“
Detlev Buck:
„Ich habe tagelang eine schwarze Jeans angehabt. Immer und immer.
Das muss schon wirklich ein bisschen riechen, sonst ist es nicht
authentisch. Waschen war doch Luxus – fast schon was Kommerzielles.
Und kommerziell – das wollte damals keiner sein.“
Christian Ulmen:
„Am 9.11. 1989 war ich 14 Jahre alt und saß beim Frühstück, als mein
Vater nackt aus der Dusche kam und sagte: „Die Mauer ist auf“.
Das war das erste Mal, dass ich meinen Vater nackt sah.“
Christian Ulmen:
„Ende der 80er Jahre war ich noch so jung – die Dreharbeiten waren für
mich wie ein zwei Monate andauernder Museumsbesuch.“
Leander Haußmann:
„Der private Moment ist immer stärker als der politische Moment.“
Claus Boje:
„Ich habe was ähnliches gemacht wie Lehmann. Nicht einer Tagarbeit
nachgegangen, sondern einer Nachtarbeit, im Kino. Ich habe
gearbeitet, während die Leute sich vergnügt haben.“
Charlotte Goltermann:
„Fad Gadgets „Collapsing New People“ ist für mich das Herzstück des
Films. Es taucht in der Original-Fassung und später in der grandios von
Westbam geremixten Version als Hauptmotiv auf und ist für mich eine
ganz wichtige Lehmann-Musik. Stampfend, böse, vorwärtstreibend. Ein
Stück, das einen durch die Nacht treibt und blinzelnd und einsam im
fahlen Morgenlicht zurücklässt...“
SCHULE
Leander Haußmann:
KINO macht

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