Schloss - Auenstein

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Schloss - Auenstein
Schloss Auenstein
Abbildung 1: Wasserburg auf Fahne des Turnvereins nach Vorlage von Heinrich Müller; 1955
Von der Wasserburg zum Schloss
Geschichtliches und Wissenswertes
Verfasst von Martin Joho
1. Oktober 2010
2
1.
Entstehung von Burgen und Schlössern mit ihrer Bedeutung
Der Aargau gehört zu den burgenreichen Landschaften der Schweiz. Wie mannigfaltig ist
doch das Inventar dieser Bauwerke, die in der Geschichte des Wohnens und der Baukunst
überhaupt etwas Einmaliges darstellen! Die Burg war ein Vielzweckbau: Sie diente als
Festung und Wohnsitz einer Adelsfamilie; sie war aber auch Zentrum der Politik und der
grundherrschaftlichen Verwaltung. Der mittelalterliche Mensch sah sich von einer Vielzahl
von Gefahren bedroht: durch ungebändigte Naturkräfte, räuberische Horden, aber auch
durch Hungersnot und Seuchen. All dies zwang den Menschen, Geborgenheit zu suchen, in
der Kirche, im Gefolge eines starken Herrn oder eben in einer Behausung, wo er sich
geschützt fühlte.
Im frühen Mittelalter lebten nicht nur die Bauern, sondern auch die grundherrschaftliche
Oberschicht, der Adel, in unbefestigten Höfen (ein Gutshof heisst in den lateinischen
Urkunden des Mittelalters curtis). Als bewehrte Anlagen kannte man auf unzugänglichen
Höhen gelegene Fluchtburgen, die in Zeiten der Gefahr von der Bevölkerung einer weiteren
Region aufgesucht werden konnten. Im Aargau lässt sich keine derartige Anlage mit Sicherheit nachweisen.
Grösse und Erhaltungszustand der Burgen sind äusserst vielfältig, ebenso ihre topographische Lage. Anfänglich erbauten die Adligen ihren Wohnsitz in der Nähe des Dorfes, auf
einer leicht erreichbaren Anhöhe oder im Schutze eines Gewässers, mit Ausblick auf die
Wasserstrassen oder Flussübergänge. So reihen sich auf dem Nordufer der Aare Biberstein,
Auenstein, Wildenstein, Lichtenau (Gemeinde Villnachern), Villigen und Böttstein ein.
Mit der Entwicklung im Burgenbau stieg man in immer unzugänglichere Höhen hinauf, wo ein
Angreifer nur mit grosser Mühe einen Angriff wagen konnte.
Viele der Burgen blieben auch nach dem späteren Mittelalter noch Wohnsitz. Sie wurden der
Zeit gemäss umgebaut, vergrössert, oft so sehr verändert, dass der mittelalterliche Kern nur
noch schwer zu erahnen ist. So erhielten sie ein herrschaftliches Aussehen, das man ausländischen - vor allem deutschen - Vorbildern nachzuahmen versuchte - freilich in bescheidenerem Massstab. Solche Anlagen pflegte man als Schloss zu bezeichnen. Andere Wehrbauten, vor allem kleine oder abgelegene, haben oft nur Spuren an Gemäuer hinterlassen. In
zahlreichen Fällen sind es nur noch Geländemerkmale oder Flurnamen, die am einstigen
Standort haften geblieben sind. Manch eine in den Urkunden genannte Burg ist deshalb
kaum zu lokalisieren. Gerade solche geheimnisumwitterte, von Gestrüpp überwucherte
Überreste lockten zur Sagenbildung, die oft üppig ins Kraut schoss: Man weiss von Schatzgräbern, von unterirdischen Gängen und von hängenden Brücken von einem Burghügel zum
andern. Auch in Auenstein kennt man hierzu eine Legende eines unterirdischen Ganges vom
Schloss zur Kirche (vgl. Kirchengeschichte).
Ausgrabungen in neuerer Zeit, vor allem in Nachbarkantonen haben deutlich gezeigt, dass
bereits im 9. und 10. Jahrhundert Burgen entstanden sind. Allerdings waren es noch nicht
Anlagen, die unseren üblichen Vorstellungen von trutzigen Wehrbauten entsprachen. Als
Ersatz oder Nachfolgeanlage einer "curtis" wurde an geschützter Lage ein Holz-Erde-Wehrbau errichtet. Als Bauplatz wählte man häufig einen unzugänglichen Bergsporn, der durch
einen Erdwall und vorgelegten Graben vom übrigen Gelände abgetrennt und dadurch
geschützt war. Steinhäuser innerhalb der einfachen Wehranlage treten nicht vor dem
11. Jahrhundert auf. Allmählich wurde auch der Wehrring aus einfachem Mauerwerk
aufgeführt.
Die frühen Adelsburgen des 10. und 11. Jahrhunderts erheben sich - im Gegensatz zu den
frühmittelalterlichen Herrenhöfen - als isolierte Rodungszentren ausserhalb des altbesiedelten Landes. Dies gilt jedoch auch für die Frühzeit des Steinbaus.
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Nebst den Grafen waren es vor allem die Edelfreien (nobiles), die im Zuge des Landausbaus
Burgen errichteten.
Die Aufgabe und Bedeutung einer Burg war im Mittelalter das überaus grosse Schutzbedürfnis der Bevölkerung. Damals waren die Leute doch unzähligen Bedrohungen ausgesetzt
wie durch eine feindliche Umwelt, die damals noch völlig ungebändigten Naturgewalten,
durch fehdelustige Marodeure, Plünderungszüge, die schon aus der Ferne ihr Kommen
durch Rauchfahnen ankündigten, häufige Hungersnöte und Seuchen. Kirche und Burg boten
Schutz. Mit der Entstehung neuer Adelsherrschaften und eines wirtschaftlichen Aufschwungs
in Mitteleuropa, begleitet von einer Verdichtung des Verkehrs und der Verkehrswege, nahm
auch der Burgenbau zu. So ist die Grosszahl der Burgen und Bürglein in den etwa anderthalb Jahrhunderten bis um 1300 entstanden. Herrschaftliche Güter und Rechte galten als
Zubehör (pertinenz) der Burg. So gehörte beispielsweise der Küttiger Zoll ursprünglich der
Burg Königstein. Der Besitzer einer Feste war also gleichzeitig auch Inhaber und Nutzniesser der zur Burg gehörigen Güter und Rechte.
2.
Schlossgeschichte im Überblick
1212
1300
1389
1465
1487
1491
1648
1732
1777
1803
1841
1853
1858
1878
1927
1928/29
1956
1970
1992
seit 2005
Erste urkundliche Erwähnung von Mangolt von Gowenstein und dessen Erben
in einem Rodel des Klosters St. Urban.
Verbriefung der Herzöge von Österreich an die Ritter von Rinach zum
Eigengut.
Wasserburg wird von den Bernern erstürmt und gebrochen.
Albrecht von Rinach verkauft die Besitzung Gowenstein an den Schultheissen
Heinrich Hasfurter von Luzern.
Verkauf der Herrschaft Gowenstein an Ritter Hans-Rudolf von Luternau.
Handänderung an die Ritter Henman von Mülinen und dessen Bruder Hans
Albrecht als Lehen von Bern.
General Hans Ludwig von Erlach zu Kasteln kauft Herrschaft mit Ruine
Gauenstein (Namenswechsel).
Herrschaft und Burg gelangen wieder an Bern.
Sämtliche zur Herrschaft Gauenstein gehörenden Grundstücke mit Burgruine
werden versteigert.
Mit der Bildung des neuen Kantons kommt die Ruine an den Aargau, in der
Folge in Privatbesitz.
Die Burg steht im Besitz des Auensteiner Notars Kirchhofer.
Einfache Aufstockung des Turms mit Dach.
Kauf von Frau Frey-Bär, Aarau. Erstellen von Stockwerkaufbau auf Turm und
Anbau von Wohnung und Küche.
Das Schlösschen erwirbt Pfarrer Urech-Imhof, Aarau, dem es als
Sommerwohnung dient.
Sohn Dr. Fritz Urech ist nächster Besitzer.
Eigentum von Frau Alice Hoffmann von Zürich.
Die Burgruine wird durch Auf- und Anbauten wieder bewohnbar und zum
Schloss gemacht.
Erwerb der Schlossanlage durch den Industriellen Rudolf Hug.
Verkauf des Schlossbesitzes an den Dübendorfer Baumeister Hermann Reller.
Eingreifende Renovations- und Anbauten der Schlossanlage.
im Besitz von Sohn Roger Reller.
4
3.
Schloss Auenstein und seine Geschichte, Rechte und Besitzungen
Abbildung 2: Schloss Auenstein im Mai 2010; Foto Esther Joho
3.1
Geschichtliches
Im Zusammenhang mit dem Aufstreben des Adelsgeschlechts der Habsburger wurden im
12. Jahrhundert verschiedene Burganlagen im Raume des unteren und mittleren Aaretals als
strategisch-militärische Anlagen gebaut. Von grosser Bedeutung waren die Burgen auf dem
Kestenberg, die Brunegg und die Wildegg, ebenso die Schenkenberg. Zur Überwachung der
Schifffahrtswege auf der Aare wurden Wasserburgen errichtet, wie zu Auenstein, Lichtenau
zu Villnachern oder die Burg Freudenau bei Stilli. Die einstige Wasserburg zu Auenstein
wurde im 12. Jahrhundert errichtet und soll ursprünglich einen eigenen Adel gehabt haben.
Dieser Adel wurde den Herren von Gowenstein zugeschrieben, denn es ist die Rede von
einem Mangolt von Gowenstein, dessen Erben 1212/26 dem Kloster St. Urban einen Acker
zu Entfelden schenkten.
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Abbildung 3: Ältestes Dokument mit Erwähnung des Geschlechts Gowenstein in der
viertuntersten Linie; Staatsarchiv des Kantons Luzern. Foto von Heinz Alber
Das Jahr 1212 ist auch die frühste chronistische Nennung unseres Dorfes.
Abbildung 4: Foto/Bild von Wappen Herren von Gowenstein
Die Nachfahren von Mangolt von Gowenstein hatten wahrscheinlich nie Beziehungen zu
Auenstein.
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Die Herrschaft Auenstein mit Wasserburg wurde am 4. November 1300 von Herzog Leopold
von Österreich seinem lieben und getreuen Berchtold von Rinach verbrieft. Auenstein war
fortan Eigengut des Hauses Rinach. Ritter Berchtold liess sich denn am 11. Januar 1307, als
Herzog Albrecht von Österreich zu Baden weilte, auch von ihm beurkundet, dass er und
seine Nachkommen die Schlösser Gauwenstein (merke Namensänderung) und Wildenstein
und die zugehörenden Güter, Leute und Gerichte als Eigengut besitzen, nutzen und
beherrschen dürfe.
Auf der Burg zu Gauwenstein sass in den Tagen des Sempacherkrieges, 1386, den die
Adligen zu Österreich verloren hatten, Ritter Henman von Rinach, ein eifriger Diener der
Herrschaften von Habsburg. Als nun die Herzoge von Österreich, um Rache zu nehmen für
Sempach, mit dem seit dem Guglerkrieg in schweizerischen Landen verhassten Enguerrand
von Coucy einen Dienstvertrag abschlossen (31. August 1386) und im folgenden Jahr
(20. September1387) erneuerten, ihm auch für die Erledigung seiner Erbansprüche einige
der wichtigsten Plätze und Herrschaften im Seelande übergaben, so dass sich die Bande
des fremden Abenteurers in unmittelbarer Nachbarschaft der Berner festsetzen konnte,
mussten diese naturgemäss ihre dort bereits begründete Machtstellung zu behaupten
suchen und eröffneten daher sofort den Kampf gegen das Haus Österreich. Vom Glück
begünstigt, unternahmen sie verwegene Fahrten bis tief in den Aargau und über den
Bözberg ins Fricktal. Dabei wurde auch Auenstein erstürmt und gebrochen.
Zum Bernersturm vom 6. April 1389 ist folgender Text aufgezeichnet (Quelle: Walther Merz;
Die mittelalterlichen Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau):
"A.d. 1389 jar an dem sunnentag, der da war der 10. tag genners, do zugen unser guten
fründ und lieben aidgnossen us, die von Bern, und kamen des selben tags unz gen Solotern.
Und morndes zugen si die Ar ab unz gen Olten und wüstent dazwischen, was si fundent.
Dannan zugen si gen Göwenstein und gewunnen dieselben vesti mit gewalt, und verdurbent
uf derselben vesti bi hunderten. Von dannan zugent si unz gen Brugg und verwüsten ouch
dazwischent, was sie funden."
Auch hat sich Henman von Rinach einen besonderen Zorn der Berner auf sich geladen, weil
er bernische Schiffe auf der Aare laufend ausgeraubte und die Berner stets schikanierte.
Daraus entstand wohl der alte Spruch:
"Zu Auwenstein ein Veste war
Auf einem Felsen in der Aar
Daraus vor Zeit Bärn ward getrazt
Drum auch der Bär dz Schloss zerkrazt."
Bemerkenswert ist auch, dass bei der Brandmarkung der Burg 100 Mann drinnen gefangen
waren und getötet wurden. Zum Bernersturm gibt es auch eine Legende (Goldene Retter),
wonach der Burgherrin Ursula von Rinach-von Homburg bei der Einnahme der Burg von den
Bernern erlaubt wurde, neben ihrem Söhnlein Ulrich und ihren Mägden alles, was sie über
die Zugbrücke tragen mochte, in Sicherheit bringen durfte. Zum Erstaunen der Berner trug
sie auf ihrem Rücken ihren Ehemann, Henman von Rinach, über die Brücke und rettete dem
Twingherrn das Leben. Nach der "Goldenen Rettung" brachte sich Henman von Rinach im
Schloss Bernau im Süddeutschen in Sicherheit.
Die Burg erhob sich nicht mehr aus der Asche. Am 1. März 1406 aber verbriefte Herzog
Friedrich der ältere von Österreich dem Henman von Rinach und seinen Erben die freie
Verfügung über die Schlösser und Gerichte (ausgenommen das Blutgericht), Leute und Gut
zu Wildenstein und Göwenstein (neuer Name). Henmans Söhne Albrecht und Ulrich
empfingen jedoch nach des Vaters Tod Auenstein vom Herzog als Lehen und entdeckten
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den Irrtum erst nach langen Jahren. Allein Herzog Friedrich der ältere, dem sie ihre Briefe
vorlegten, nahm keinen Anstand, die Belehnung zu widerrufen. Er bestätigte zu Thann am
23. September 1437 den beiden Brüdern die Urkunde von 1300 und entliess sie der Lehenschaft und Gelübde, die sie wegen des Burgstalls, der Gerichte, Twinge und Bänne zu
Göwenstein getan hatten, indem nach ihren Briefen diese Stücke ihr Eigen und nicht Lehen
seien. Bemerkenswert ist, dass die Urkunde ausdrücklich von Burgstall, d.h. einer Burgruine
spricht. Um 1465 verkaufte Albrecht von Rinach Wildenstein und Auenstein dem Schultheissen Heinrich Hasfurter von Luzern. Der Verkauf war aber erst am 17. Mai 1473 vor dem
Schultheissen Lazarus Göldli in Zürich beurkundet. Bei der Erbteilung unter den Söhnen
Hasfurters fiel Wildenstein mit Auenstein dem Sohn Heinrich zu. Er verkaufte die Herrschaften am 26. Oktober 1487 an Ritter Hans Rudolf von Luternau, und dieser gab mit
Zustimmung seiner Gemahlin Barbara von Mülinen am 20. Juni 1491 dem Ritter Hermann
von Mülinen und seinem Bruder Hans Albrecht um 3800 Gulden (Wert heute: 30.4 Mio Fr.;
Umrechnungstabellen von Dr. A. Colombi, Basel/Luzern und Martin Körner - Währungen
und Sortenkurse in der Schweiz) Schloss und Herrschaft Wildenstein, das Burgstall
Gauwenstein mit den Dörfern und Twing und Bann samt andern Gerechtigkeiten als Lehen
von Bern. Im Jahre 1648 erwarb General Hans Ludwig von Erlach zu Kasteln die Herrschaft
Auenstein und nannte sich fortan Herr zu Kasteln und Gauenstein. Seine Erben verkauften
sie 1732 mit Kasteln an Bern. Dann kam sie an den Kanton Aargau, worauf die Ruine in
Privatbesitz überging.
1841 gehörte die Ruine dem im Dorf ansässigen Notar Johann Kirchhofer, welcher über dem
Turm ein Ziegeldach anbrachte, so dass der sogenannte Rittersaal und der darunterliegende
Keller wieder benützt werden konnten. Er liess die Umgebung von Schutt und Gestrüpp
säubern und auf der Nordseite eine Freitreppe erstellen, während auf der andern Seite des
Turmes ein Garten mit Stützmauern angelegt wurde. Später kaufte Gemeindeschreiber
Brugger von Auenstein den Besitztum, den er 1858 an Frau Witwe
Frey-Bär von Aarau veräusserte. Diese liess auf dem Turm ein Stockwerk aufsetzen mit
einer kleinen Wohnung und Küche. Im Rittersaal wurde der wahrscheinlich schon im Mittelalter gebaute offene Kamin (Cheminee) in Stand gesetzt. Das zu einem kleinen Sommersitz
ausgebaute Schlösschen erbte der Schwiegersohn von Frau Frey-Bär, Oberst Wydler-Frey,
Apotheker in Aarau. Es kamen die Jahre, in welchen überall Flussverbauungen der Aare
vorgenommen wurden. In dieser Zeit diente das Schlösschen Auenstein dem Wasserbauingenieur Hürsch als Unterkunft, der hier die Entwürfe zur Eindämmung der Aare zeichnete.
Abbildung 5: Federzeichnung von Burg mit Sternwarte 1899; Quelle: Burgen und Schlösser
des Kantons Aargau, Reinhold Bosch
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1878 ging das Schlösschen an Pfarrer Urech-Imhof von Aarau über, dem es als Sommerwohnung diente. Dieser liess den verlandeten Weiher, ein ehemaliger Arm der Aare, ausgraben und mit Giessenwasser durchfliessen. Sein Sohn, Dr. Fritz Urech, war der nächste
Besitzer, der jahrelang jeweils im Sommer hier wohnte. Als Hobby-Astrologe richtete er auf
dem Dach auch eine bescheidene Sternwarte ein. Ihn nannten die Auensteiner auch den
"Schlosschappi". Nach seinem Tode kam die Besitzung an seine Schwester, Frau Professor
Jakoby-Urech in Berlin, die sie kurz darauf im Jahr 1927, ihrer Verwandten, Frau Alice
Hoffmann in Zürich verkaufte.
Abbildung 6: Foto von Schloss Auenstein von Süden; 1903; Dr. W. Merz
Durch eingreifende Um- und Anbauten in den Jahren 1928/29 erlangte die Burg den
heutigen Charakter eines Schlosses.
1956 kaufte der Industrielle A. Hug von der Erbschaft der am 17. Oktober 1954 verstorbenen
Frau Alice Hoffmann (geb. 13.11.1872) die Schlossanlage.
1970 erwarb der Dübendorfer Baumeister und nachmalige Gemeinderat Hermann Reller das
Schloss mit ca. 1.5 ha grossem Park.
1992 erfuhr das Schloss nochmals eine gründliche Innen- und Aussenrenovation. Das
Schloss ist heute im Besitze von Roger Reller.
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3.2
Beschreibung der Schlossanlage
Die "Gowenstein" war als Wasserburg auf einem Felsen in der Aare gebaut. Der heutige
Schlossweiher erinnert noch an die vergangenen Tage, als die Burg von der Aare umspült
wurde; der Weiher ist also ein natürlicher Seitenarm der Aare. Heute steht die ganze
Schlossanlage in der Kellermatt abseits der Aare.
Abbildung 7: Schlossweiher; Mai 2010; Foto Esther Joho
Abbildung 8: Wasserbaukarte mit Ruine Auenstein von 1861; Staatsarchiv Kanton Aargau
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Der noch vom Bernersturm erhaltene untere Teil des Burgturmes erhebt sich auf griffigem
Felsen in einer Höhe von etwa 7 m. Die Aussenmasse des Gevierts betragen ca. 11 m auf
11,5 m, die Mauerstärke 2,75 bis 3,1 m.
Das Mauerwerk besteht aus zyklopischen Kalk- und Tuff-Bruchsteinen bis zu 1,4 m Länge,
ohne Kantenbeschlag an den Ecken.
Das Kellergeschoss ist nordseitig teilweise aus dem Felsen gehauen und eignete sich wegen
den kühlen Temperaturen in früheren Zeiten als Weinkeller.
Abbildung 9: Südansicht von Schloss Auenstein mit Turmaufbau; Mai 2010; Foto Esther Joho
Über dem Kellergeschoss befindet sich das Turmzimmer oder auch Rittersaal genannt. Über
dem Kaminplatz erinnern farbige Wappen an frühere Besitzer.
Abbildung 10: Foto Wappen über Holzcheminée; Foto Esther Joho; 2010
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Das Turmzimmer ist der einzige Wohnraum innerhalb des alten Jurakalksteingemäuers.
Dieses wird heute als Besprechungszimmer genutzt.
Abbildung 11: Turmzimmer mit Cheminée und verschiedenen Wappen; Foto Roger Reller; 2007
Abbildung 12: Südflügel Turmzimmer; Foto Roger Reller; 2007
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Eine Wand zieren kostbare Ikonen. Auch eine Memorientafel erinnert an die Schlacht von
Sempach 1386 und die daran teilgenommenen Rittern mit Herzog Leopold III von Österreich.
Dargestellt sind im Bild in der Mitte Herzog Leopold, flankiert vom Grafen Johann von
Ochsenstein und vom Markgrafen Otto von Hachberg (Hachberg = Baden), alle mit ihren
Wappenschilden, kniend und betend, hinter den Grafen ihre Banner. 25 Wappen von Rittern,
die mit Leopold vor Sempach 1386 gefallen waren, umringen das Bildfeld. Auf dem Podium
die Aufschrift "Male gerture / quidquid geritur / fortuna fide / 1592." Am obern Bildrand:
"Warhafte und Eigentliche Abconterfethung des Hertzog Lüpolds von Oesterrych sampt
Räthen Wapen und Paneren der alten Kriegsrüstung, welches er ANNO 1386 gebrucht hat."
Am untern Rand in 6 Kolonnen die weitern Namen von 31 Rittern.
Abbildung 13: Foto von Memorientafel; Öl auf Leinwand, H. 102 cm, Br. 140 cm;
Denkmalpflege Kanton Aargau
Leider ist dieses wertvolle Bild nicht mehr im Schloss Auenstein auffindbar. Im Archiv der
kantonalen Denkmalpflege ist eine Foto aus dem Jahr 1951 vorhanden, aber niemand weiss,
wohin dieses Ölgemälde gekommen ist.
An den Wänden des Verbindungsgangs zwischen dem Turmzimmer und dem Ess-Salon
sind links und rechts sämtliche Wappen der Schlossbesitzer von 1469 bis zum Jahr 2003
aufgemalt. Das letzte Wappen stammt von der Familie Reller , die heutigen Besitzer.
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Abbildung 14: Linke Wandseite Verbindungsgang; Foto Esther Joho; 2010
Abbildung 15: Rechte Wandseite Verbindungsgang; Foto Esther Joho; 2010
Abbildung 16: Rechte Stirnseite Verbindungsgang; Foto Esther Joho; 2010
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Der Ess-Salon ist mit einem gedrechselten Eichentisch mit dazugehörendem Gestühl
möbliert. Eine antike Eichenholzkommode, ein kostbarer Perserteppich, ein kunstvoller
Hängleuchter und eine kostbare Standuhren geben dem Raum eine besondere Ambiance.
Abbildung 17: Salon rechte Seite; Foto Esther Joho; 2010
Abbildung 18: Salon linke Seite; Foto Esther Joho; 2010
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Bemerkenswert sind die auf einem Pult aufgelegten Schlossbibeln. Die älteste trägt die Jahrzahl 1671 und ist in lateinischer Schrift abgefasst. Die andern beiden sind mit den Jahrzahlen 1772 und 1890 datiert und in deutscher Schrift abgefasst.
Abbildung 19: Schlossbibeln; Foto Esther Joho 2010
Über dem Turmzimmer folgen noch zwei Wohngeschosse und ein Attikageschoss, ebenso
ostseitig ein Wohntrakt. Das heutige Schloss ist mit 19 Wohnzimmern, zwei Küchen und
zwei Badezimmern ausgestattet.
Abbildung 20: Eingangsbereich zu den Wohnräumen; Foto Roger Reller; 2007
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Abbildung 21: Wohnzimmer erster Stock; Foto Roger Reller; 2007
Abbildung 22: Badezimmer erster Stock; Foto Roger Reller; 2007
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Abbildung 23: Küche zweiter Stock; Foto Roger Reller; 2007
Abbildung 24: Schlafzimmer zweiter Stock; Foto Roger Reller; 2007
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Abbildung 25: Schlafzimmer im zweiten Stock; Foto Roger Reller; 2007
Abbildung 26: Attika- Wohnzimmer im dritten Stock; Foto Roger Reller; 2007
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Abbildung 27: Pyramidaler Dachstuhl; Foto Roger Reller; 2007
Abbildung 28: Eingangstor zum Schloss; Mai 2010; Foto Esther Joho
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Die Parkanlage wurde von Rudolf Hug 1956 mit Garten und Treibhäusern neu angelegt.
Auch der Weiher wurde damals durch eine Ausbaggerung vor der Verlandung gerettet.
1992 wurde der Schlosspark neu eingezäunt und nordseits mit einem Eingangstor versehen.
2009 wurde anstelle des Tierparks eine Autoeinstellhalle für Oldtimer erstellt.
Abbildung 29: Westansicht Schloss mit Autoeinstellhalle für Oldtimer; Mai 2010;
Foto Esther Joho
3.3
Unterirdischer Gang Schloss-Kirche
In den frühesten Zeiten gehörte die Kirche zum Schloss, das seit 1300 Eigentum der Herren
von Rinach war. Vielleicht aufgrund dieser einstigen engen Verbundenheit der beiden Wahrzeichen unseres Dorfes ist man unter den Leuten überzeugt, dass ein geheimer unterirdischer Gang Schloss und Kirche miteinander verbinde. Bis heute kann jedoch ein solcher
nicht nachgewiesen werden.
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Abbildung 30: Einstieg für den sagenumwobenen, unterirdischen Gang;
Foto Roger Reller; 2007
Kurioserweise befindet sich im Kellerboden des Schlosses ein aufgeschüttetes Loch. Hier
meint man, sei der Einstieg in den Geheimgang zur Kirche. Es wird unter den älteren Dorfbewohnern gemunkelt, dass in diesem geheimnisvollen Stollen noch ein Schatz vergraben
liege. Mit diesem Hinweis beharrte der vormalige Besitzer, A. Hug, beim Verkauf an
Hermann Reller auf einem höheren Kaufpreis.
3.4
Rechte der Herrschaften zu Auenstein
Im früheren Mittelalter waren die Dorfgemeinschaften vielerorts geprägt durch den Adel. Es
gab damals mehrheitlich nur sogenannte Leibeigene oder Untertanen, die keine Rechte
hatten und nur dem Adel verpflichtet waren. Ob es zu einem früheren Zeitpunkt in Auenstein
auch Bauern freien Standes gegeben hat, lässt sich nicht nachweisen, hingegen deutet der
Geschlechtsname Frey oder Frei auf einen freien Bauernstand hin. Es gibt aber auch
Brugger, die in ihrem Wappen drei grüne Kleeblätter tragen, die sich damals als Freie
bezeichnet haben sollen. Generell lässt sich aber daraus schliessen, dass die
Gebietsschaften mit allen Infrastrukturen im Eigentum des Adels waren. Ein Zeugnis dazu
stellt die erste urkundliche Verbriefung vom 4. November des Jahres 1300 dar: Herzog
Leopolt von Österreich verbriefte (zu Eigenmachen) Ritter Berchtold von Rinach und seinen
Erben die freie Verfügung über die Schlösser und Gerichte, Leute und Güter zu Auenstein
und Wildenstein mit alleiniger Ausnahme der Blutgerichte, ferner das Strassenrecht, die
Schifffahrt auf der Aare sowie die Jagd- und Weidegerechtigkeit. Diese Rechte waren
damals immer noch in den Händen des Hochadels.
Die Adligen - in unserem Fall die Herren von Rinach und ihre Nachfolger - bezogen im 13.
und 14. Jahrhundert ihre Einkommen durch Verleihung von Boden und verschiedenen
Rechten. Die Bauern entrichteten ihnen Zins für Landstücke, die sie nutzten. Die Zinsabgaben erfolgten bis etwa ins 14. Jahrhundert in Naturalien. Diese Naturalien betrugen
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damals 1/10 der jeweiligen Ernte. Dies war auch der Grund, weshalb landauf, landab, vom
Adel Zehntenhäuser mit Kellerungen, Zehntenstöcke und Zehntenscheunen errichtet
wurden.
Die Herren von Mülinen erbauten zu diesem Zweck 1567 das Zehntenhaus mit Keller und
Weintrotte. Über der Haustür der Erbengemeinschaft Hochstrasser-Leibundgut sind die
Wappen der von Mülinen heute noch gut sichtbar.
Abbildung 31: Zehntenhaus; Mai 2010; Foto Esther Joho
Abbildung 32: Wappen der Herren von Mülinen; Foto Esther Joho
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1576 wurde noch eine Scheune mit Trotte nebenan als eigenständiger Bau erstellt. Diese
diente wahrscheinlich für das für die Zehntenabgabe zu klein gewordene Zehntenhaus als
sogenannte Zehntenscheune. Zur Rettung dieses einzigartigen Bauwerks stimmte die
Einwohnergemeindeversammlung vom 12. Juni 1998 einem Landabtausch zu. Gegen
diesen Beschluss wurde das Referendum ergriffen. An der Urnenabstimmung vom 27.
September 1998 wurde der Landabtausch klar verworfen. Zur allerletzten Rettung dieser
Scheune konnten auch keine Privaten gefunden werden, sodass der Gemeinderat am 3.
März 1999 die Abbruchbewilligung erteilte. In der Folg wurde der Rückbau der Scheune
eingeleitet.
Abbildung 33: Zehntenscheune Südseite; Foto Martin Joho; 1996
Abbildung 34: Zehntenscheune Nordseite; Martin Joho; 1996
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Die Zinsabgaben erfolgten ab ca. 15. Jahrhundert in Form von Geld. Mit dem Einmarsch der
Eidgenossen 1415 in den Aargau wurden Landvogteien errichtet, die wie zu Habsburger
Zeiten, die Zinsen von der Bevölkerung einforderten. Die damaligen Adeligen haben sich
vielerorts mit den neuen Machthabern, den Eidgenossen, arrangiert und amteten fortan auch
als Landvögte. Unser Dorf gehörte zuerst zur Landvogtei Lenzburg, dann zu Kasteln. Mit
Beginn der Helvetik, 1798, war es mit Adel und Landvogtei vorbei und ein Rechtsstaat wurde
eingerichtet.
3.5
Gerichtsbarkeit
Auenstein und Wildenstein bildeten zusammen eine "Niedere Gerichtsbarkeit".
Das Niedergericht behandelte leichtere Straffälle und Klagen im Zusammenhang mit Bodenentzug, Weidegang, Vieh, Gerätschaften oder Waffen. Darüber hinaus war es als Vorläufer
des Notariatswesens für Handänderungen zuständig.
Das Niedergericht tagte anfänglich im Schloss Wildenstein unter dem Vorsitz des sogenannten "Meiers". Im Verlauf des 15. Jahrhunderts bildete sich in Auenstein und Veltheim je
ein eigenes Dorfgericht.
Das Veltheimer Gericht bestand im 16. Jahrhundert aus 9 Richtern und tagte im Wirtshaus.
Dies dürfte in Auenstein ebenfalls der Fall gewesen sein. Mit der Einführung der Helvetik
bzw. Gründung des Kantons Aargau 1803 änderte sich auch die Gerichtsrechtsform, so wie
sie heute grundsätzlich noch besteht.
Stellvertretend für zu behandelnde Gerichtsfälle sei ein Weidegangstreit zwischen
Auensteinern und Veltheimern um 1541 angeführt:
"Vor Kleinhanss Ryniker, undervogt zue Schinznacht, der im Namen Hanss Wilhelms von
Müllinen zue Wildenstein als thwingherr zue Gauwenstein … dasselbt zue Gauwenstein an
offentlicher gewohnlicher richtstatt zue gricht sitzt, klagt die gmeind Veltheim gegen die von
Gauwenstein … wegen eines spans, zwüschen ihnen ihr beider anstossenden zelgen halber
sich zuetragen .".
Auch über die Nutzung der Schachenwälder und -matten sowie über das "houwen von
Bäumen" musste das Niedergericht Recht sprechen. Eine Streitigkeit über die Nutzung der
Hölzer wurde in einem Protokoll vom 1. Mai 1582 geregelt. Es heisst dort unter anderem: "
Im Streit des Twingherrn zu Wildenstein gegen die Brüder Bastian Oth und Mithafte hat das
Gericht zu Gauenstein am 23. März 1582 das verbot des "schwendens, verkolns, verschenkens und verkouffens wegen hölzer,.so zu des Twingherrn zinsgüterer gehörent, nicht
geschützt…". Ein Streit zwischen dem Twingherrn zu Wildenstein gegen Hanss Kilchhoffer
uss der Ouw under Gauenstein hat dasselbe Gericht gleichzeitig das Verbot, das der
Twingherr diesem getan, "kein holz ab synem steckhoff, noch us desselben gütere zu verkauffen, ze verkolen noch sonst an anderen gestalten hinzegäben", nicht geschützt.
Weitere interessante Gerichtsprotokolle können in den Rodeln des Oberamts Schenkenberg
und Lenzburg; Landrecht und Marchen von 1307 - 1736, im Staatsarchiv des Kantons
Aargau eingesehen werden.
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3.6
Besitzungen und Nutzungsrechte
Das Fahr zu Auenstein
Die älteste gefundene urkundliche Erwähnung einer Aar-Fähre datiert aus dem Jahre 1300.
Am 4. November 1300 verbriefte Herzog Leopolt von Österreich dem lieben getreuen Freund
Ritter Berchtold von Rinach und seinen Nachfolgern u.a. die Fähre über die Aare. Ihnen
standen alle Nutzungen auf der Aare und Strasse zu; sie konnten Zölle erheben. Jedoch alle
in der Twingherrschaft Auenstein und Wildenstein sowie alle in den Ämtern Schenkenberg
und Lenzburg wohnenden Leute waren vom Zoll befreit. Alle andern Benützer, z.B. aus
Aarau oder Brugg, mussten damals einen Zoll entrichten. Die ursprüngliche Fähre befand
sich wahrscheinlich an einem andern Ort an der Aare. In einer Urkunde von 1307 wird
berichtet (Inventar Historischer Verkehrswege der Schweiz; Oktober 1994), dass die Herren
über das Fahrrecht die bestehende Fähre an einen ihnen günstig erscheinenden Ort verlegten.
Die neue Lage der Fähre wurde an den uns bekannten Standort im heutigen Ortsteil "Fahr"
als gute Nord-Süd-Verbindung und als Fortsetzung der "Herrengasse Niederlenz" durchs
Hard Rupperswil festgesetzt. Mit dieser Fähre konnte auch der Einzugsbereich des
Lenzburger Marktes in die Herrschaften und Ämter auf dem linken Aareufer erweitert
werden. Die Fähre gab nicht nur dem Ortsteil "Fahr" den Namen, sondern erwuchs zu einer
grossen wirtschaftlichen Bedeutung für die Region. Wie zu erwarten, gab es in den damaligen Jahrhunderten immer wieder Rechtsstreite über das Nutzungsrecht und die Kompetenzen der Warentransporte.
Am 16. Januar 1469 fand unter Leitung von ehrenwerten Luzerner Bürgern ein Schiedsgericht zwischen der Berner Obrigkeit und Heinrich Hasfurter, Alt-Schultheiss von Luzern,
statt. Dort wurde festgelegt, dass das Nutzungsrecht mit Einschränkungen Heinrich Hasfurter
zugesprochen wurde. Fortan durften nur Leute, Ross und Karren (einachsige Gefährte), aber
keine Wagen (2-achsige Gefährte) und keine verdächtigen Personen über die Aare transportiert werden. Gerade deswegen musste der Fähr-Mann einen Eid ablegen, dass keine
Delinquente überschifft wurden. Gegen diese lange Jahre dauernde Einschränkung stellten
die Abgeordneten der Stadt und Grafschaft Lenzburg und Oberamt Schenkenberg am 27.
Januar 1610 ein Widererwägungsgesuch an die Obrigkeit in Bern, in dem sie ein grösseres
Schiff zum Transport von Grosswagen forderten. Der Rat zu Bern lehnte das Gesuch mit
Rücksicht auf allfällig entfallende Zölle der Städte Aarau und Brugg ab. Grosswagen mit
Pferdegespann mussten weiterhin in Aarau oder Brugg über die dortigen Brücken zollpflichtig geführt werden. Auch ein gleichlautender Versuch die Sache bei den Bernern zu
ändern, blieb mit Protokoll vom 21. März 1618 erfolglos.
26
Abbildung 35: Kartenausschnitt aus Michaeliskarte 1843
Die einzufordernden Zölle und Tarife für die zu befördernden Wagen wurden von der Berner
Obrigkeit festgelegt. Im "Lenzburger Standrecht" ist der bernische Zollrodel unter den
aargauischen Zollordnungen vom 13. - 18. Jahrhundert auch der Zollrodel "am Fahr zu
Gauenstein 1595" im Detail umschieben.
Abbildung 36: Foto von Fähre auf "Alter Aare"* zwischen Rupperswil-Auenstein um 1920; Blick
von Auensteiner auf Rupperswiler Ufer
(Willy Pfister, Traugott Berner; Ortsgeschichte Rupperswil, Band IV, S. 41; 1977)
27
Ganz verschwunden ist die Fähre erst um 1870. Sie wurde wegen des Baus der Wildegger
Brücke überflüssig. Heute erinnert uns nur noch das Fahrhaus an die vergangenen Zeiten.
Im Fahrhaus wohnten die jeweiligen Fährleute. Die letzten Fährleute hiessen Frey, im Dorfnamen "s'Isache".
Abbildung 37: Fahrhaus im Sommer 2010; Foto Esther Joho
Die Schiffmühle an der Aare
Eine Schiffmühle an der Aare wurde bereits bei der Verbriefung von Herzog Leopolt von
Österreich an den Ritter Berchtolt von Rinach vom 4. November 1300 erwähnt.
Im Aktenbuch Nr. 1503 des Oberamts Kasteln wurde in einem Brief (S. 119 - 132) die revisionsbedürftige Schiffmühle zu Auenstein zur Versteigerung ausgeschrieben. Der Bärenwirt
Martin Dietiker zu Thalheim erhielt für 450 Gulden rh. (rheinische Gulden) den Zuschlag. Aus
den erwähnten Quellen geht nicht klar hervor, ob Dietiker die Mühle revidiert und weiterbetrieben hat. Im Mühleverzeichnis 1798/1799 des Kantons Aargau ist die Schiffmühle zu
Auenstein nicht mehr aufgeführt.
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Der Standort der Schiffmühle konnte in den zur Verfügung stehenden Rechtsquellen nicht
eruiert werden.
Abbildung 38; Zeichnung von Schiffmühler Stilli; 1821; (Max Baumann, Stilli; 1977; S. 256)
Funktion von Schiffmühlen
Eine Schiffmühle ist eine Sonderform einer unterschächtigen Wassermühle. Es gab bereits
im Mittelalter verschiedene Typen von Schiffmühlen. Es gab solche, bei denen sich zwischen
zwei starr miteinander verbunden Pontons ein breites Wellrad (Walzenrad) drehte und
andere, bei denen beidseits des Schiffsrumpfs weniger breite Räder angebracht waren
(Radschiffmühlen). Beim ersteren, dem " deutschen Typ" der Schiffmühle, war auf dem
breiteren der Pontons, dem Hausschiff, das Mahlwerk untergebracht, während der kleinere
Ponton, das Wellschiff, das Gegenlager der Welle trug. In jedem Fall war der Arbeitsbereich
eingehaust und überdacht, um das Mahlwerk und das Mahlgut vor Regen und Schnee zu
schützen. Schiffmühlen wurden ufernah verankert und man gelangte über Stege zum Mühlhaus oder umgekehrt an Land. Schiffmühlen waren auf allen grösseren Flüssen Europas in
unterschiedlichen, ortstypischen Formen anzutreffen und wurden nicht nur als Getreidemahlmühlen, sondern auch als Werkmühlen verschiedener Art genutzt.
Die bekanntesten Schiffmühlen standen in der Schweiz an der Limmat in der Stadt Zürich,
am Rhein zu Basel und in unserem Kanton an der Reuss, an der Limmat, an der Aare und
am Rhein in Betrieb. In Untersiggenthal heisst noch heute ein Ortsteil "Schiffmüli".
Gipsmühle im Auschachen
Im Wasserbauplan des Kantons von 1812 ist im Auschachen eine Gipsmühle eingetragen.
Diese stand an einem damals existierenden Seitenarm der Aare, welcher kurz nach dem
Fahr durchs Schachenland gezogen war und etwa im Bereich der Liegenschaft der Ortsbürgergemeinde (Austrasse 9) wieder in den Hauptstrom der Aare einmündete. Das Mühlgebäude befand sich unterhalb der heutigen Liegenschaft Max Joho-Hoi im Auschachen.
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Abbildung 39: Gipsmühle auf Wasserbaukarte von 1861; Staatsarchiv Kanton Aargau
Ortsname
Der Ortsname leitet sich nicht etwa von einem ehemaligen alemannischen Weiler, erbaut auf
einem Felsen am Wasser der Aare ab. Der Ortsname bezieht sich auf das Stammhaus der
Edlen von Gowenstein.
Urkundliche Belege:
um 1212
1299
1307
1303 - 1308
1361
um 1390
1441
1593
1645 - 1804
seither
Gowenstein
Gowenstein
Gauwenstein
Gowensteins
Göwenstein
Gôwenstein
Göwenstein
Gauenstein
Gauenstein
Auenstein
30
4.
Wissens- und Bemerkenswertes rund um das Schloss und die
Twingherrschaft Auenstein
Theologenstreit zwischen Karl Barth, Uni Basel, und Emil Brunner, Uni Zürich
Um 1930 entbrannte ein Theologenstreit wegen der damals populären "Oxforder Gruppenbewegung " zwischen Prof. Karl Barth von der Uni Basel und Prof. Emil Brunner von der Uni
Zürich. Es fand eine "Spezialauseinandersetzung" unter Vermittlung der Schlossherrin Alice
Hoffmann im Januar 1936 im Schloss Auenstein statt. Das Streitgespräch wurde vom
Münsterpfarrer Gottlob Spörri zu Zürich geleitet. Das Gespräch endete mit einem kummervollen Abschiednehmen. Seine Bedenken gegenüber der "Oxfordbewegung" fixierte Barth
damals gleich in einem Aufsatz mit dem Titel "Kirche oder Gruppe". Er spricht entschieden
dagegen, dass sie eine Erneuerung des Christentums sein will, die nun darin besteht, die
Freiheit der Gnade und Heiligkeit des Namens Gottes nicht respektiert, sondern unter allen
möglichen Vorwänden und Titeln auf der ganzen Linie in Humanität und Moral umgedeutet
wird. Der Streit endete erst am Sterbebett von Emil Brunner (geb. 23.12.1889, gest.
6.4.1966), als sich die beiden Streithähne Brunner und Barth (geb. 10.5.1886, gest.
10.12.1968) versöhnlich die Hände reichten.
Sonderbarer Kaufvertrag
Der Dübendorfer Baumeister und nachmalige Schlossbesitzer von Auenstein, Hermann
Reller, pflegte schon in jungen Jahren die Gesangskunst. Er sang jeweils abends in der
"Öpfelkammer" von Gottfried Keller in Begleitung eines Pianisten verschiedene Lieder aus
Opern und Operetten im Niederdorf in Zürch. Auch Rudolf Hug, Schlossherr zu Auenstein,
lauschte öfters den Liedervorträgen von Hermann Reller. So habe es sich eines Tages
zugetragen, dass Rudolf Hug seinen Schlossbesitz in Auenstein an Hermann Reller veräussern wollte. Die beiden hatten vereinbart, über den Kaufvertrag vor Ort zu verhandeln.
Deshalb begab sich Hermann Reller im Frühjahr 1970 nach Auenstein zu Rudolf Hug. Dieser
machte ihm die kurz vorher herausgeputzte Schlossanlage derart schmackhaft, dass
Hermann Reller richtiggehend kauffreudig wurde. Rudolf Hug verlangte einen Kaufpreis von
Fr. 850'000.-, deshalb so viel, weil im Keller ein Schatz vergraben sei. Der veranschlagte
Kaufpreis schien Hermann Reller doch etwas zu hoch und für ihn unerschwinglich. Er
machte dann Rudolf Hug den listigen Vorschlag, die Tausenderziffern zu tauschen; die Acht
gegen die Fünf, die Fünf gegen die Acht, also statt achthundertfünfzigtausend nur noch
fünfhundertachzigtausend Franken für das Schloss mit Parkanlage zu bezahlen. Zum
grossen Erstaunen von Hermann Reller willigte Rudolf Hug dem Zahlentausch ein. So wurde
Hermann Reller mit seiner Frau Anna im Sommer 1970 neuer Schlossbesitzer.
Landvogt und Untervogt; wer waren diese ehrbaren Leute?
Landvogt
Als Landvogt (lat. advocatus = Rechtsbeistand, Verteidiger) bezeichnet wird ein Herrschaftsvertreter in einem Bezirkskreis mit umfassenden Kompetenzen in der Verwaltung, im
Steuerwesen, im Gerichts- und Militärwesen. Zu unterscheiden sind Reichslandvogteien zur
Verwaltung von Reichsgut (13. - 15. Jahrhundert) und Landvogteien, Obervogteien oder
Ämter in der Territorialverwaltung eidgenössischer und zugewandter Orte (14. Jahrhundert
bis 1798).
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König Rudolf I. von Habsburg und seine Nachfolger errichteten Reichslandvogteien. Im
Gebiet der heutigen Schweiz schufen die Habsburger Vogteien um Baden und Kyburg, aus
denen zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Landvogteien Aargau und Thurgau entstanden. In
diesen Gebieten nahm der Landvogt, eigentlich als Statthalter Habsburgs, auch die Reichsrechte wahr.
Die vom 14. bis 16. Jahrhundert entstehenden Territorialherrschaften der eidgenössischen
und zugewandten Orte übernahmen die Organisation der habsburgischen Landesherrschaft
für ihre Untertanengebiete wie auch für die "Gemeinen Herrschaften". In der Regel wählte
die höchste Instanz des Ortes den Landvogt aus dem Rat für eine bestimmte Amtsdauer. In
der Verwaltung der "Gemeinen Herrschaften" hielten sich die jeweils regierenden Orte an
einen festgesetzten Turnus. Zu den Aufgaben des Landvogts gehörten die Gerichtsbarkeit
sowie die staatliche Domänen-, Finanz- und Militärverwaltung. Er hatte in seiner Vogtei die
obrigkeitlichen Mandate durchzusetzen und nahm die Huldigung der Untertanen entgegen.
Die Helvetik schaffte 1798 mit den Landvogteien auch das Amt des Landvogts ab. In den
kantonalen Bezirken wurde seit 1803 der diskreditierte Amtstitel "Landvogt" nicht mehr
verwendet.
Untervogt
Der Untervogt wurde nicht vom Volk gewählt, sondern von den "Gnädigen Herren" (Kleiner
Rat) eines Landvogteibezirks eingesetzt. Das Volk hatte aber ein Vorschlagsrecht und durfte
drei Kandidaten benennen (sogenannter Dreiervorschlag). Die Amtszeit eines Untervogts
betrug in der Regel 6 Jahre, wobei er sich aber keiner Wiederwahl durch den "Kleinen Rat"
stellen musste. Zu Beginn einer neuen Amtsperiode wurden ihm zum Zeichen der Bestätigung im Amt lediglich Stoff für eine neue Amtstracht ausgehändigt. Untervögte blieben oft
bis zu ihrem Tode im Amt. Nachfolger wurde sehr oft ein Sohn; das Amt war quasi in der
Familien vererblich.
Die Untervögte haben damals Aufgaben des heutigen Gemeindeammanns wahrgenommen.
In erster Linie aber hatten sie richterliche Kompetenzen. Sie standen dem lokalen Gericht
ihrer Gemeinde oder ihres Amtes (Amtsuntervögte) vor und oft auch in Vertretung des Landvogtes dem Landgericht der Vogtei. Ausserdem leiteten sie strafrechtliche Untersuchungen,
vergleichbar mit Aufgaben der späteren Bezirksamtmänner, zudem waren sie zuständig für
die Durchsetzung der Sittenmandate. Diese wurden jeweils sonntags in der Kirche verlesen.
Allfällige Sünder wurden vor versammelter Gemeinde zur Rede gestellt.
Untervögte bildeten zusammen mit weiteren Gemeindevorgesetzten - wie Sekelmeister,
Richter, Geschworene - die lokale Oberschicht und führten sich mancherorts als "Dorfkönige"
auf.
Nach der Suche von Untervögten zu Auenstein wurde in einem Gerichtsprotokoll vom 14.
Dezember 1618 des Oberamts Schenkenberg der Name eines Hans Brugger erwähnt. Nebst
ihm sind die Namen Hans Fry, Statthalter, Jocob Joho, Jacob Ott, Caspar Kilchhoffer, Hans
Ott der Träyer, Niclaus Engel und Hans Knäblin als Gerichtsherren aufgeführt. Später amtete
von 1705 bis 1716 ein Johann Frey (geb. 1660). Ihm folgte ein Jacob Ott , dann Jacob Joho
und wahrscheinlich hiess der letzte Untervogt Jacob Kirchhofer (geb. 1738, gest. 1826).
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Anhang
Einige Foto-Impressionen zum Schloss Auenstein
Sämtliche Fotos wurden von Roger Reller 2007 erstellt.
Zum Wohnteil
Antike Eichenholzkommode mit Schnitzereien
Blick in den Ess-Salon
Holzcheminée im Turmzimmer
Kinderzimmer im Ostanbau
Jagdzimmer im 1. Stock
Büro im Ostanbau
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Elternschlafzimmer 2. Stock
Wohnstube im 1. Stock
Schlafzimmer im 2. Stock
Wohnstube im 1. Stock
Pyramidaler Dachstock
Blick von Attikawohnung auf Dorf
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Badezimmer 2. Stock
Kinderzimmer im Ostanbau
Wohnstube 2. Stock
Kammerzimmer in Attikawohnung
Zur Parkanlage
Schlossweiher mit Spiegelbild
Stuhl im Park
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Schlosspark von Süden
Im Schlosswäldchen
Nordansicht mit Treppenaufgang
Schlossterrasse Südseite
Auslauf von Schlossweiher gegen Aare
Parkplatz mit Schlossbrunnen
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Parkanlage auf der Südostseite
Schlossweiher mit Entenhaus
Herzlichen Dank
Roger Reller, heutiger Besitzer des Schlosses Auenstein, danke ich für die mehrmalige
Erlaubnis zur Besichtigung der Schlossanlage und die mir für meine Arbeit zur Verfügung
gestellten Fotos.
Für die Lektorenarbeit bedanke ich mich bei Heinz Alber, Alt-Gemeindeammann Auenstein,
herzlichst.
Ein herzliches Dankeschön gebührt meiner Frau, Esther Joho - Burkhalter, für die Mithilfe bei
den Fotoaufnahmen der Schlossanlagen und deren PC-Bearbeitung.
37
Literatur/Quellen
−
Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau; Band II; Michael Stettler und Ernst Maurer;
Verlag Birkhäuser Basel, 1953.
−
Jean Jacques Siegrist, Hans Weber; Burgen, Schlösser und Landsitze im Aargau.
Aarau: AT Verlag 1984
−
Reinhold Bosch; Die Burgen und Schlösser des Kantons Aargau.
Aarau: Verlag der AT-Presse Aargau, 1949
−
Fontes rerum Bernensium; Berns Geschichtsquellen 1883 - 1956,
Bände II, VI, VII,VIII
−
Walther Merz; Ritter von Rinach; Aarau: Verlag H.R. Sauerländer, 1890
−
Werner J. Frei; Vom Gouwenstein zum Auenstein, Streifzug durch seine alte
Geschichte; ok Winterthur 1985
−
Lenzburg; Landrecht und Marchen von 1307 - 1736; Seiten 267 - 273; Staatsarchiv
des Kantons Aargau
−
Walther Merz; Die mittelalterlichen Burganlagen und Wehrbauten des Kantons
Aargau; Aarau: Verlag H.R. Sauerländer, 1905
−
K. Ramseyer; Aus der Geschichte des Schlosses Auenstein; Brugger Neujahrsblätter
1932
−
Walther Merz. Rechtsquellen des Kantons Aargau; 3. Band
Das Oberamt Schenkenberg; 1927
−
Walther Merz; Inventare Aargauischer Archive; 1. Teil; Der bernische Aargau und die
Grafschaft Baden; Aarau: Verlag H.R.Sauerländer Aarau, 1935
−
Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz; Erster Band 1921
−
Thomas Schärli; Veltheim von den Anfängen bis zur Gegenwart; herausgegeben von
der Gemeinde Veltheim 1992
−
Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz; IVS Dokumentation Kanton Aargau;
Stand 1994
−
Beat Zehnder; Die Gemeindenamen des Kantons Aargau; Jahresschrift der
Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau; Band 100/II; Sauerländer Verlag
1991
−
Währungen und Sortenkurse in der Schweiz von 1600 - 1799; Martin Körner, Norbert
Furrer, Niklaus Bartlome; édition du zébre, Lausanne 1988
−
Anne-Marie Dubler; Masse und Gewichte im Staat Luzern und in der alten
Eidgenossenschaft; Luzern: Luzerner Kantonalbank, 1975
−
Eberhard Busch; Karls Barths Lebenslauf; München: Chr. Kaiser Verlag, 1975

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