Schloss - Auenstein
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Schloss Auenstein Abbildung 1: Wasserburg auf Fahne des Turnvereins nach Vorlage von Heinrich Müller; 1955 Von der Wasserburg zum Schloss Geschichtliches und Wissenswertes Verfasst von Martin Joho 1. Oktober 2010 2 1. Entstehung von Burgen und Schlössern mit ihrer Bedeutung Der Aargau gehört zu den burgenreichen Landschaften der Schweiz. Wie mannigfaltig ist doch das Inventar dieser Bauwerke, die in der Geschichte des Wohnens und der Baukunst überhaupt etwas Einmaliges darstellen! Die Burg war ein Vielzweckbau: Sie diente als Festung und Wohnsitz einer Adelsfamilie; sie war aber auch Zentrum der Politik und der grundherrschaftlichen Verwaltung. Der mittelalterliche Mensch sah sich von einer Vielzahl von Gefahren bedroht: durch ungebändigte Naturkräfte, räuberische Horden, aber auch durch Hungersnot und Seuchen. All dies zwang den Menschen, Geborgenheit zu suchen, in der Kirche, im Gefolge eines starken Herrn oder eben in einer Behausung, wo er sich geschützt fühlte. Im frühen Mittelalter lebten nicht nur die Bauern, sondern auch die grundherrschaftliche Oberschicht, der Adel, in unbefestigten Höfen (ein Gutshof heisst in den lateinischen Urkunden des Mittelalters curtis). Als bewehrte Anlagen kannte man auf unzugänglichen Höhen gelegene Fluchtburgen, die in Zeiten der Gefahr von der Bevölkerung einer weiteren Region aufgesucht werden konnten. Im Aargau lässt sich keine derartige Anlage mit Sicherheit nachweisen. Grösse und Erhaltungszustand der Burgen sind äusserst vielfältig, ebenso ihre topographische Lage. Anfänglich erbauten die Adligen ihren Wohnsitz in der Nähe des Dorfes, auf einer leicht erreichbaren Anhöhe oder im Schutze eines Gewässers, mit Ausblick auf die Wasserstrassen oder Flussübergänge. So reihen sich auf dem Nordufer der Aare Biberstein, Auenstein, Wildenstein, Lichtenau (Gemeinde Villnachern), Villigen und Böttstein ein. Mit der Entwicklung im Burgenbau stieg man in immer unzugänglichere Höhen hinauf, wo ein Angreifer nur mit grosser Mühe einen Angriff wagen konnte. Viele der Burgen blieben auch nach dem späteren Mittelalter noch Wohnsitz. Sie wurden der Zeit gemäss umgebaut, vergrössert, oft so sehr verändert, dass der mittelalterliche Kern nur noch schwer zu erahnen ist. So erhielten sie ein herrschaftliches Aussehen, das man ausländischen - vor allem deutschen - Vorbildern nachzuahmen versuchte - freilich in bescheidenerem Massstab. Solche Anlagen pflegte man als Schloss zu bezeichnen. Andere Wehrbauten, vor allem kleine oder abgelegene, haben oft nur Spuren an Gemäuer hinterlassen. In zahlreichen Fällen sind es nur noch Geländemerkmale oder Flurnamen, die am einstigen Standort haften geblieben sind. Manch eine in den Urkunden genannte Burg ist deshalb kaum zu lokalisieren. Gerade solche geheimnisumwitterte, von Gestrüpp überwucherte Überreste lockten zur Sagenbildung, die oft üppig ins Kraut schoss: Man weiss von Schatzgräbern, von unterirdischen Gängen und von hängenden Brücken von einem Burghügel zum andern. Auch in Auenstein kennt man hierzu eine Legende eines unterirdischen Ganges vom Schloss zur Kirche (vgl. Kirchengeschichte). Ausgrabungen in neuerer Zeit, vor allem in Nachbarkantonen haben deutlich gezeigt, dass bereits im 9. und 10. Jahrhundert Burgen entstanden sind. Allerdings waren es noch nicht Anlagen, die unseren üblichen Vorstellungen von trutzigen Wehrbauten entsprachen. Als Ersatz oder Nachfolgeanlage einer "curtis" wurde an geschützter Lage ein Holz-Erde-Wehrbau errichtet. Als Bauplatz wählte man häufig einen unzugänglichen Bergsporn, der durch einen Erdwall und vorgelegten Graben vom übrigen Gelände abgetrennt und dadurch geschützt war. Steinhäuser innerhalb der einfachen Wehranlage treten nicht vor dem 11. Jahrhundert auf. Allmählich wurde auch der Wehrring aus einfachem Mauerwerk aufgeführt. Die frühen Adelsburgen des 10. und 11. Jahrhunderts erheben sich - im Gegensatz zu den frühmittelalterlichen Herrenhöfen - als isolierte Rodungszentren ausserhalb des altbesiedelten Landes. Dies gilt jedoch auch für die Frühzeit des Steinbaus. 3 Nebst den Grafen waren es vor allem die Edelfreien (nobiles), die im Zuge des Landausbaus Burgen errichteten. Die Aufgabe und Bedeutung einer Burg war im Mittelalter das überaus grosse Schutzbedürfnis der Bevölkerung. Damals waren die Leute doch unzähligen Bedrohungen ausgesetzt wie durch eine feindliche Umwelt, die damals noch völlig ungebändigten Naturgewalten, durch fehdelustige Marodeure, Plünderungszüge, die schon aus der Ferne ihr Kommen durch Rauchfahnen ankündigten, häufige Hungersnöte und Seuchen. Kirche und Burg boten Schutz. Mit der Entstehung neuer Adelsherrschaften und eines wirtschaftlichen Aufschwungs in Mitteleuropa, begleitet von einer Verdichtung des Verkehrs und der Verkehrswege, nahm auch der Burgenbau zu. So ist die Grosszahl der Burgen und Bürglein in den etwa anderthalb Jahrhunderten bis um 1300 entstanden. Herrschaftliche Güter und Rechte galten als Zubehör (pertinenz) der Burg. So gehörte beispielsweise der Küttiger Zoll ursprünglich der Burg Königstein. Der Besitzer einer Feste war also gleichzeitig auch Inhaber und Nutzniesser der zur Burg gehörigen Güter und Rechte. 2. Schlossgeschichte im Überblick 1212 1300 1389 1465 1487 1491 1648 1732 1777 1803 1841 1853 1858 1878 1927 1928/29 1956 1970 1992 seit 2005 Erste urkundliche Erwähnung von Mangolt von Gowenstein und dessen Erben in einem Rodel des Klosters St. Urban. Verbriefung der Herzöge von Österreich an die Ritter von Rinach zum Eigengut. Wasserburg wird von den Bernern erstürmt und gebrochen. Albrecht von Rinach verkauft die Besitzung Gowenstein an den Schultheissen Heinrich Hasfurter von Luzern. Verkauf der Herrschaft Gowenstein an Ritter Hans-Rudolf von Luternau. Handänderung an die Ritter Henman von Mülinen und dessen Bruder Hans Albrecht als Lehen von Bern. General Hans Ludwig von Erlach zu Kasteln kauft Herrschaft mit Ruine Gauenstein (Namenswechsel). Herrschaft und Burg gelangen wieder an Bern. Sämtliche zur Herrschaft Gauenstein gehörenden Grundstücke mit Burgruine werden versteigert. Mit der Bildung des neuen Kantons kommt die Ruine an den Aargau, in der Folge in Privatbesitz. Die Burg steht im Besitz des Auensteiner Notars Kirchhofer. Einfache Aufstockung des Turms mit Dach. Kauf von Frau Frey-Bär, Aarau. Erstellen von Stockwerkaufbau auf Turm und Anbau von Wohnung und Küche. Das Schlösschen erwirbt Pfarrer Urech-Imhof, Aarau, dem es als Sommerwohnung dient. Sohn Dr. Fritz Urech ist nächster Besitzer. Eigentum von Frau Alice Hoffmann von Zürich. Die Burgruine wird durch Auf- und Anbauten wieder bewohnbar und zum Schloss gemacht. Erwerb der Schlossanlage durch den Industriellen Rudolf Hug. Verkauf des Schlossbesitzes an den Dübendorfer Baumeister Hermann Reller. Eingreifende Renovations- und Anbauten der Schlossanlage. im Besitz von Sohn Roger Reller. 4 3. Schloss Auenstein und seine Geschichte, Rechte und Besitzungen Abbildung 2: Schloss Auenstein im Mai 2010; Foto Esther Joho 3.1 Geschichtliches Im Zusammenhang mit dem Aufstreben des Adelsgeschlechts der Habsburger wurden im 12. Jahrhundert verschiedene Burganlagen im Raume des unteren und mittleren Aaretals als strategisch-militärische Anlagen gebaut. Von grosser Bedeutung waren die Burgen auf dem Kestenberg, die Brunegg und die Wildegg, ebenso die Schenkenberg. Zur Überwachung der Schifffahrtswege auf der Aare wurden Wasserburgen errichtet, wie zu Auenstein, Lichtenau zu Villnachern oder die Burg Freudenau bei Stilli. Die einstige Wasserburg zu Auenstein wurde im 12. Jahrhundert errichtet und soll ursprünglich einen eigenen Adel gehabt haben. Dieser Adel wurde den Herren von Gowenstein zugeschrieben, denn es ist die Rede von einem Mangolt von Gowenstein, dessen Erben 1212/26 dem Kloster St. Urban einen Acker zu Entfelden schenkten. 5 Abbildung 3: Ältestes Dokument mit Erwähnung des Geschlechts Gowenstein in der viertuntersten Linie; Staatsarchiv des Kantons Luzern. Foto von Heinz Alber Das Jahr 1212 ist auch die frühste chronistische Nennung unseres Dorfes. Abbildung 4: Foto/Bild von Wappen Herren von Gowenstein Die Nachfahren von Mangolt von Gowenstein hatten wahrscheinlich nie Beziehungen zu Auenstein. 6 Die Herrschaft Auenstein mit Wasserburg wurde am 4. November 1300 von Herzog Leopold von Österreich seinem lieben und getreuen Berchtold von Rinach verbrieft. Auenstein war fortan Eigengut des Hauses Rinach. Ritter Berchtold liess sich denn am 11. Januar 1307, als Herzog Albrecht von Österreich zu Baden weilte, auch von ihm beurkundet, dass er und seine Nachkommen die Schlösser Gauwenstein (merke Namensänderung) und Wildenstein und die zugehörenden Güter, Leute und Gerichte als Eigengut besitzen, nutzen und beherrschen dürfe. Auf der Burg zu Gauwenstein sass in den Tagen des Sempacherkrieges, 1386, den die Adligen zu Österreich verloren hatten, Ritter Henman von Rinach, ein eifriger Diener der Herrschaften von Habsburg. Als nun die Herzoge von Österreich, um Rache zu nehmen für Sempach, mit dem seit dem Guglerkrieg in schweizerischen Landen verhassten Enguerrand von Coucy einen Dienstvertrag abschlossen (31. August 1386) und im folgenden Jahr (20. September1387) erneuerten, ihm auch für die Erledigung seiner Erbansprüche einige der wichtigsten Plätze und Herrschaften im Seelande übergaben, so dass sich die Bande des fremden Abenteurers in unmittelbarer Nachbarschaft der Berner festsetzen konnte, mussten diese naturgemäss ihre dort bereits begründete Machtstellung zu behaupten suchen und eröffneten daher sofort den Kampf gegen das Haus Österreich. Vom Glück begünstigt, unternahmen sie verwegene Fahrten bis tief in den Aargau und über den Bözberg ins Fricktal. Dabei wurde auch Auenstein erstürmt und gebrochen. Zum Bernersturm vom 6. April 1389 ist folgender Text aufgezeichnet (Quelle: Walther Merz; Die mittelalterlichen Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau): "A.d. 1389 jar an dem sunnentag, der da war der 10. tag genners, do zugen unser guten fründ und lieben aidgnossen us, die von Bern, und kamen des selben tags unz gen Solotern. Und morndes zugen si die Ar ab unz gen Olten und wüstent dazwischen, was si fundent. Dannan zugen si gen Göwenstein und gewunnen dieselben vesti mit gewalt, und verdurbent uf derselben vesti bi hunderten. Von dannan zugent si unz gen Brugg und verwüsten ouch dazwischent, was sie funden." Auch hat sich Henman von Rinach einen besonderen Zorn der Berner auf sich geladen, weil er bernische Schiffe auf der Aare laufend ausgeraubte und die Berner stets schikanierte. Daraus entstand wohl der alte Spruch: "Zu Auwenstein ein Veste war Auf einem Felsen in der Aar Daraus vor Zeit Bärn ward getrazt Drum auch der Bär dz Schloss zerkrazt." Bemerkenswert ist auch, dass bei der Brandmarkung der Burg 100 Mann drinnen gefangen waren und getötet wurden. Zum Bernersturm gibt es auch eine Legende (Goldene Retter), wonach der Burgherrin Ursula von Rinach-von Homburg bei der Einnahme der Burg von den Bernern erlaubt wurde, neben ihrem Söhnlein Ulrich und ihren Mägden alles, was sie über die Zugbrücke tragen mochte, in Sicherheit bringen durfte. Zum Erstaunen der Berner trug sie auf ihrem Rücken ihren Ehemann, Henman von Rinach, über die Brücke und rettete dem Twingherrn das Leben. Nach der "Goldenen Rettung" brachte sich Henman von Rinach im Schloss Bernau im Süddeutschen in Sicherheit. Die Burg erhob sich nicht mehr aus der Asche. Am 1. März 1406 aber verbriefte Herzog Friedrich der ältere von Österreich dem Henman von Rinach und seinen Erben die freie Verfügung über die Schlösser und Gerichte (ausgenommen das Blutgericht), Leute und Gut zu Wildenstein und Göwenstein (neuer Name). Henmans Söhne Albrecht und Ulrich empfingen jedoch nach des Vaters Tod Auenstein vom Herzog als Lehen und entdeckten 7 den Irrtum erst nach langen Jahren. Allein Herzog Friedrich der ältere, dem sie ihre Briefe vorlegten, nahm keinen Anstand, die Belehnung zu widerrufen. Er bestätigte zu Thann am 23. September 1437 den beiden Brüdern die Urkunde von 1300 und entliess sie der Lehenschaft und Gelübde, die sie wegen des Burgstalls, der Gerichte, Twinge und Bänne zu Göwenstein getan hatten, indem nach ihren Briefen diese Stücke ihr Eigen und nicht Lehen seien. Bemerkenswert ist, dass die Urkunde ausdrücklich von Burgstall, d.h. einer Burgruine spricht. Um 1465 verkaufte Albrecht von Rinach Wildenstein und Auenstein dem Schultheissen Heinrich Hasfurter von Luzern. Der Verkauf war aber erst am 17. Mai 1473 vor dem Schultheissen Lazarus Göldli in Zürich beurkundet. Bei der Erbteilung unter den Söhnen Hasfurters fiel Wildenstein mit Auenstein dem Sohn Heinrich zu. Er verkaufte die Herrschaften am 26. Oktober 1487 an Ritter Hans Rudolf von Luternau, und dieser gab mit Zustimmung seiner Gemahlin Barbara von Mülinen am 20. Juni 1491 dem Ritter Hermann von Mülinen und seinem Bruder Hans Albrecht um 3800 Gulden (Wert heute: 30.4 Mio Fr.; Umrechnungstabellen von Dr. A. Colombi, Basel/Luzern und Martin Körner - Währungen und Sortenkurse in der Schweiz) Schloss und Herrschaft Wildenstein, das Burgstall Gauwenstein mit den Dörfern und Twing und Bann samt andern Gerechtigkeiten als Lehen von Bern. Im Jahre 1648 erwarb General Hans Ludwig von Erlach zu Kasteln die Herrschaft Auenstein und nannte sich fortan Herr zu Kasteln und Gauenstein. Seine Erben verkauften sie 1732 mit Kasteln an Bern. Dann kam sie an den Kanton Aargau, worauf die Ruine in Privatbesitz überging. 1841 gehörte die Ruine dem im Dorf ansässigen Notar Johann Kirchhofer, welcher über dem Turm ein Ziegeldach anbrachte, so dass der sogenannte Rittersaal und der darunterliegende Keller wieder benützt werden konnten. Er liess die Umgebung von Schutt und Gestrüpp säubern und auf der Nordseite eine Freitreppe erstellen, während auf der andern Seite des Turmes ein Garten mit Stützmauern angelegt wurde. Später kaufte Gemeindeschreiber Brugger von Auenstein den Besitztum, den er 1858 an Frau Witwe Frey-Bär von Aarau veräusserte. Diese liess auf dem Turm ein Stockwerk aufsetzen mit einer kleinen Wohnung und Küche. Im Rittersaal wurde der wahrscheinlich schon im Mittelalter gebaute offene Kamin (Cheminee) in Stand gesetzt. Das zu einem kleinen Sommersitz ausgebaute Schlösschen erbte der Schwiegersohn von Frau Frey-Bär, Oberst Wydler-Frey, Apotheker in Aarau. Es kamen die Jahre, in welchen überall Flussverbauungen der Aare vorgenommen wurden. In dieser Zeit diente das Schlösschen Auenstein dem Wasserbauingenieur Hürsch als Unterkunft, der hier die Entwürfe zur Eindämmung der Aare zeichnete. Abbildung 5: Federzeichnung von Burg mit Sternwarte 1899; Quelle: Burgen und Schlösser des Kantons Aargau, Reinhold Bosch 8 1878 ging das Schlösschen an Pfarrer Urech-Imhof von Aarau über, dem es als Sommerwohnung diente. Dieser liess den verlandeten Weiher, ein ehemaliger Arm der Aare, ausgraben und mit Giessenwasser durchfliessen. Sein Sohn, Dr. Fritz Urech, war der nächste Besitzer, der jahrelang jeweils im Sommer hier wohnte. Als Hobby-Astrologe richtete er auf dem Dach auch eine bescheidene Sternwarte ein. Ihn nannten die Auensteiner auch den "Schlosschappi". Nach seinem Tode kam die Besitzung an seine Schwester, Frau Professor Jakoby-Urech in Berlin, die sie kurz darauf im Jahr 1927, ihrer Verwandten, Frau Alice Hoffmann in Zürich verkaufte. Abbildung 6: Foto von Schloss Auenstein von Süden; 1903; Dr. W. Merz Durch eingreifende Um- und Anbauten in den Jahren 1928/29 erlangte die Burg den heutigen Charakter eines Schlosses. 1956 kaufte der Industrielle A. Hug von der Erbschaft der am 17. Oktober 1954 verstorbenen Frau Alice Hoffmann (geb. 13.11.1872) die Schlossanlage. 1970 erwarb der Dübendorfer Baumeister und nachmalige Gemeinderat Hermann Reller das Schloss mit ca. 1.5 ha grossem Park. 1992 erfuhr das Schloss nochmals eine gründliche Innen- und Aussenrenovation. Das Schloss ist heute im Besitze von Roger Reller. 9 3.2 Beschreibung der Schlossanlage Die "Gowenstein" war als Wasserburg auf einem Felsen in der Aare gebaut. Der heutige Schlossweiher erinnert noch an die vergangenen Tage, als die Burg von der Aare umspült wurde; der Weiher ist also ein natürlicher Seitenarm der Aare. Heute steht die ganze Schlossanlage in der Kellermatt abseits der Aare. Abbildung 7: Schlossweiher; Mai 2010; Foto Esther Joho Abbildung 8: Wasserbaukarte mit Ruine Auenstein von 1861; Staatsarchiv Kanton Aargau 10 Der noch vom Bernersturm erhaltene untere Teil des Burgturmes erhebt sich auf griffigem Felsen in einer Höhe von etwa 7 m. Die Aussenmasse des Gevierts betragen ca. 11 m auf 11,5 m, die Mauerstärke 2,75 bis 3,1 m. Das Mauerwerk besteht aus zyklopischen Kalk- und Tuff-Bruchsteinen bis zu 1,4 m Länge, ohne Kantenbeschlag an den Ecken. Das Kellergeschoss ist nordseitig teilweise aus dem Felsen gehauen und eignete sich wegen den kühlen Temperaturen in früheren Zeiten als Weinkeller. Abbildung 9: Südansicht von Schloss Auenstein mit Turmaufbau; Mai 2010; Foto Esther Joho Über dem Kellergeschoss befindet sich das Turmzimmer oder auch Rittersaal genannt. Über dem Kaminplatz erinnern farbige Wappen an frühere Besitzer. Abbildung 10: Foto Wappen über Holzcheminée; Foto Esther Joho; 2010 11 Das Turmzimmer ist der einzige Wohnraum innerhalb des alten Jurakalksteingemäuers. Dieses wird heute als Besprechungszimmer genutzt. Abbildung 11: Turmzimmer mit Cheminée und verschiedenen Wappen; Foto Roger Reller; 2007 Abbildung 12: Südflügel Turmzimmer; Foto Roger Reller; 2007 12 Eine Wand zieren kostbare Ikonen. Auch eine Memorientafel erinnert an die Schlacht von Sempach 1386 und die daran teilgenommenen Rittern mit Herzog Leopold III von Österreich. Dargestellt sind im Bild in der Mitte Herzog Leopold, flankiert vom Grafen Johann von Ochsenstein und vom Markgrafen Otto von Hachberg (Hachberg = Baden), alle mit ihren Wappenschilden, kniend und betend, hinter den Grafen ihre Banner. 25 Wappen von Rittern, die mit Leopold vor Sempach 1386 gefallen waren, umringen das Bildfeld. Auf dem Podium die Aufschrift "Male gerture / quidquid geritur / fortuna fide / 1592." Am obern Bildrand: "Warhafte und Eigentliche Abconterfethung des Hertzog Lüpolds von Oesterrych sampt Räthen Wapen und Paneren der alten Kriegsrüstung, welches er ANNO 1386 gebrucht hat." Am untern Rand in 6 Kolonnen die weitern Namen von 31 Rittern. Abbildung 13: Foto von Memorientafel; Öl auf Leinwand, H. 102 cm, Br. 140 cm; Denkmalpflege Kanton Aargau Leider ist dieses wertvolle Bild nicht mehr im Schloss Auenstein auffindbar. Im Archiv der kantonalen Denkmalpflege ist eine Foto aus dem Jahr 1951 vorhanden, aber niemand weiss, wohin dieses Ölgemälde gekommen ist. An den Wänden des Verbindungsgangs zwischen dem Turmzimmer und dem Ess-Salon sind links und rechts sämtliche Wappen der Schlossbesitzer von 1469 bis zum Jahr 2003 aufgemalt. Das letzte Wappen stammt von der Familie Reller , die heutigen Besitzer. 13 Abbildung 14: Linke Wandseite Verbindungsgang; Foto Esther Joho; 2010 Abbildung 15: Rechte Wandseite Verbindungsgang; Foto Esther Joho; 2010 Abbildung 16: Rechte Stirnseite Verbindungsgang; Foto Esther Joho; 2010 14 Der Ess-Salon ist mit einem gedrechselten Eichentisch mit dazugehörendem Gestühl möbliert. Eine antike Eichenholzkommode, ein kostbarer Perserteppich, ein kunstvoller Hängleuchter und eine kostbare Standuhren geben dem Raum eine besondere Ambiance. Abbildung 17: Salon rechte Seite; Foto Esther Joho; 2010 Abbildung 18: Salon linke Seite; Foto Esther Joho; 2010 15 Bemerkenswert sind die auf einem Pult aufgelegten Schlossbibeln. Die älteste trägt die Jahrzahl 1671 und ist in lateinischer Schrift abgefasst. Die andern beiden sind mit den Jahrzahlen 1772 und 1890 datiert und in deutscher Schrift abgefasst. Abbildung 19: Schlossbibeln; Foto Esther Joho 2010 Über dem Turmzimmer folgen noch zwei Wohngeschosse und ein Attikageschoss, ebenso ostseitig ein Wohntrakt. Das heutige Schloss ist mit 19 Wohnzimmern, zwei Küchen und zwei Badezimmern ausgestattet. Abbildung 20: Eingangsbereich zu den Wohnräumen; Foto Roger Reller; 2007 16 Abbildung 21: Wohnzimmer erster Stock; Foto Roger Reller; 2007 Abbildung 22: Badezimmer erster Stock; Foto Roger Reller; 2007 17 Abbildung 23: Küche zweiter Stock; Foto Roger Reller; 2007 Abbildung 24: Schlafzimmer zweiter Stock; Foto Roger Reller; 2007 18 Abbildung 25: Schlafzimmer im zweiten Stock; Foto Roger Reller; 2007 Abbildung 26: Attika- Wohnzimmer im dritten Stock; Foto Roger Reller; 2007 19 Abbildung 27: Pyramidaler Dachstuhl; Foto Roger Reller; 2007 Abbildung 28: Eingangstor zum Schloss; Mai 2010; Foto Esther Joho 20 Die Parkanlage wurde von Rudolf Hug 1956 mit Garten und Treibhäusern neu angelegt. Auch der Weiher wurde damals durch eine Ausbaggerung vor der Verlandung gerettet. 1992 wurde der Schlosspark neu eingezäunt und nordseits mit einem Eingangstor versehen. 2009 wurde anstelle des Tierparks eine Autoeinstellhalle für Oldtimer erstellt. Abbildung 29: Westansicht Schloss mit Autoeinstellhalle für Oldtimer; Mai 2010; Foto Esther Joho 3.3 Unterirdischer Gang Schloss-Kirche In den frühesten Zeiten gehörte die Kirche zum Schloss, das seit 1300 Eigentum der Herren von Rinach war. Vielleicht aufgrund dieser einstigen engen Verbundenheit der beiden Wahrzeichen unseres Dorfes ist man unter den Leuten überzeugt, dass ein geheimer unterirdischer Gang Schloss und Kirche miteinander verbinde. Bis heute kann jedoch ein solcher nicht nachgewiesen werden. 21 Abbildung 30: Einstieg für den sagenumwobenen, unterirdischen Gang; Foto Roger Reller; 2007 Kurioserweise befindet sich im Kellerboden des Schlosses ein aufgeschüttetes Loch. Hier meint man, sei der Einstieg in den Geheimgang zur Kirche. Es wird unter den älteren Dorfbewohnern gemunkelt, dass in diesem geheimnisvollen Stollen noch ein Schatz vergraben liege. Mit diesem Hinweis beharrte der vormalige Besitzer, A. Hug, beim Verkauf an Hermann Reller auf einem höheren Kaufpreis. 3.4 Rechte der Herrschaften zu Auenstein Im früheren Mittelalter waren die Dorfgemeinschaften vielerorts geprägt durch den Adel. Es gab damals mehrheitlich nur sogenannte Leibeigene oder Untertanen, die keine Rechte hatten und nur dem Adel verpflichtet waren. Ob es zu einem früheren Zeitpunkt in Auenstein auch Bauern freien Standes gegeben hat, lässt sich nicht nachweisen, hingegen deutet der Geschlechtsname Frey oder Frei auf einen freien Bauernstand hin. Es gibt aber auch Brugger, die in ihrem Wappen drei grüne Kleeblätter tragen, die sich damals als Freie bezeichnet haben sollen. Generell lässt sich aber daraus schliessen, dass die Gebietsschaften mit allen Infrastrukturen im Eigentum des Adels waren. Ein Zeugnis dazu stellt die erste urkundliche Verbriefung vom 4. November des Jahres 1300 dar: Herzog Leopolt von Österreich verbriefte (zu Eigenmachen) Ritter Berchtold von Rinach und seinen Erben die freie Verfügung über die Schlösser und Gerichte, Leute und Güter zu Auenstein und Wildenstein mit alleiniger Ausnahme der Blutgerichte, ferner das Strassenrecht, die Schifffahrt auf der Aare sowie die Jagd- und Weidegerechtigkeit. Diese Rechte waren damals immer noch in den Händen des Hochadels. Die Adligen - in unserem Fall die Herren von Rinach und ihre Nachfolger - bezogen im 13. und 14. Jahrhundert ihre Einkommen durch Verleihung von Boden und verschiedenen Rechten. Die Bauern entrichteten ihnen Zins für Landstücke, die sie nutzten. Die Zinsabgaben erfolgten bis etwa ins 14. Jahrhundert in Naturalien. Diese Naturalien betrugen 22 damals 1/10 der jeweiligen Ernte. Dies war auch der Grund, weshalb landauf, landab, vom Adel Zehntenhäuser mit Kellerungen, Zehntenstöcke und Zehntenscheunen errichtet wurden. Die Herren von Mülinen erbauten zu diesem Zweck 1567 das Zehntenhaus mit Keller und Weintrotte. Über der Haustür der Erbengemeinschaft Hochstrasser-Leibundgut sind die Wappen der von Mülinen heute noch gut sichtbar. Abbildung 31: Zehntenhaus; Mai 2010; Foto Esther Joho Abbildung 32: Wappen der Herren von Mülinen; Foto Esther Joho 23 1576 wurde noch eine Scheune mit Trotte nebenan als eigenständiger Bau erstellt. Diese diente wahrscheinlich für das für die Zehntenabgabe zu klein gewordene Zehntenhaus als sogenannte Zehntenscheune. Zur Rettung dieses einzigartigen Bauwerks stimmte die Einwohnergemeindeversammlung vom 12. Juni 1998 einem Landabtausch zu. Gegen diesen Beschluss wurde das Referendum ergriffen. An der Urnenabstimmung vom 27. September 1998 wurde der Landabtausch klar verworfen. Zur allerletzten Rettung dieser Scheune konnten auch keine Privaten gefunden werden, sodass der Gemeinderat am 3. März 1999 die Abbruchbewilligung erteilte. In der Folg wurde der Rückbau der Scheune eingeleitet. Abbildung 33: Zehntenscheune Südseite; Foto Martin Joho; 1996 Abbildung 34: Zehntenscheune Nordseite; Martin Joho; 1996 24 Die Zinsabgaben erfolgten ab ca. 15. Jahrhundert in Form von Geld. Mit dem Einmarsch der Eidgenossen 1415 in den Aargau wurden Landvogteien errichtet, die wie zu Habsburger Zeiten, die Zinsen von der Bevölkerung einforderten. Die damaligen Adeligen haben sich vielerorts mit den neuen Machthabern, den Eidgenossen, arrangiert und amteten fortan auch als Landvögte. Unser Dorf gehörte zuerst zur Landvogtei Lenzburg, dann zu Kasteln. Mit Beginn der Helvetik, 1798, war es mit Adel und Landvogtei vorbei und ein Rechtsstaat wurde eingerichtet. 3.5 Gerichtsbarkeit Auenstein und Wildenstein bildeten zusammen eine "Niedere Gerichtsbarkeit". Das Niedergericht behandelte leichtere Straffälle und Klagen im Zusammenhang mit Bodenentzug, Weidegang, Vieh, Gerätschaften oder Waffen. Darüber hinaus war es als Vorläufer des Notariatswesens für Handänderungen zuständig. Das Niedergericht tagte anfänglich im Schloss Wildenstein unter dem Vorsitz des sogenannten "Meiers". Im Verlauf des 15. Jahrhunderts bildete sich in Auenstein und Veltheim je ein eigenes Dorfgericht. Das Veltheimer Gericht bestand im 16. Jahrhundert aus 9 Richtern und tagte im Wirtshaus. Dies dürfte in Auenstein ebenfalls der Fall gewesen sein. Mit der Einführung der Helvetik bzw. Gründung des Kantons Aargau 1803 änderte sich auch die Gerichtsrechtsform, so wie sie heute grundsätzlich noch besteht. Stellvertretend für zu behandelnde Gerichtsfälle sei ein Weidegangstreit zwischen Auensteinern und Veltheimern um 1541 angeführt: "Vor Kleinhanss Ryniker, undervogt zue Schinznacht, der im Namen Hanss Wilhelms von Müllinen zue Wildenstein als thwingherr zue Gauwenstein … dasselbt zue Gauwenstein an offentlicher gewohnlicher richtstatt zue gricht sitzt, klagt die gmeind Veltheim gegen die von Gauwenstein … wegen eines spans, zwüschen ihnen ihr beider anstossenden zelgen halber sich zuetragen .". Auch über die Nutzung der Schachenwälder und -matten sowie über das "houwen von Bäumen" musste das Niedergericht Recht sprechen. Eine Streitigkeit über die Nutzung der Hölzer wurde in einem Protokoll vom 1. Mai 1582 geregelt. Es heisst dort unter anderem: " Im Streit des Twingherrn zu Wildenstein gegen die Brüder Bastian Oth und Mithafte hat das Gericht zu Gauenstein am 23. März 1582 das verbot des "schwendens, verkolns, verschenkens und verkouffens wegen hölzer,.so zu des Twingherrn zinsgüterer gehörent, nicht geschützt…". Ein Streit zwischen dem Twingherrn zu Wildenstein gegen Hanss Kilchhoffer uss der Ouw under Gauenstein hat dasselbe Gericht gleichzeitig das Verbot, das der Twingherr diesem getan, "kein holz ab synem steckhoff, noch us desselben gütere zu verkauffen, ze verkolen noch sonst an anderen gestalten hinzegäben", nicht geschützt. Weitere interessante Gerichtsprotokolle können in den Rodeln des Oberamts Schenkenberg und Lenzburg; Landrecht und Marchen von 1307 - 1736, im Staatsarchiv des Kantons Aargau eingesehen werden. 25 3.6 Besitzungen und Nutzungsrechte Das Fahr zu Auenstein Die älteste gefundene urkundliche Erwähnung einer Aar-Fähre datiert aus dem Jahre 1300. Am 4. November 1300 verbriefte Herzog Leopolt von Österreich dem lieben getreuen Freund Ritter Berchtold von Rinach und seinen Nachfolgern u.a. die Fähre über die Aare. Ihnen standen alle Nutzungen auf der Aare und Strasse zu; sie konnten Zölle erheben. Jedoch alle in der Twingherrschaft Auenstein und Wildenstein sowie alle in den Ämtern Schenkenberg und Lenzburg wohnenden Leute waren vom Zoll befreit. Alle andern Benützer, z.B. aus Aarau oder Brugg, mussten damals einen Zoll entrichten. Die ursprüngliche Fähre befand sich wahrscheinlich an einem andern Ort an der Aare. In einer Urkunde von 1307 wird berichtet (Inventar Historischer Verkehrswege der Schweiz; Oktober 1994), dass die Herren über das Fahrrecht die bestehende Fähre an einen ihnen günstig erscheinenden Ort verlegten. Die neue Lage der Fähre wurde an den uns bekannten Standort im heutigen Ortsteil "Fahr" als gute Nord-Süd-Verbindung und als Fortsetzung der "Herrengasse Niederlenz" durchs Hard Rupperswil festgesetzt. Mit dieser Fähre konnte auch der Einzugsbereich des Lenzburger Marktes in die Herrschaften und Ämter auf dem linken Aareufer erweitert werden. Die Fähre gab nicht nur dem Ortsteil "Fahr" den Namen, sondern erwuchs zu einer grossen wirtschaftlichen Bedeutung für die Region. Wie zu erwarten, gab es in den damaligen Jahrhunderten immer wieder Rechtsstreite über das Nutzungsrecht und die Kompetenzen der Warentransporte. Am 16. Januar 1469 fand unter Leitung von ehrenwerten Luzerner Bürgern ein Schiedsgericht zwischen der Berner Obrigkeit und Heinrich Hasfurter, Alt-Schultheiss von Luzern, statt. Dort wurde festgelegt, dass das Nutzungsrecht mit Einschränkungen Heinrich Hasfurter zugesprochen wurde. Fortan durften nur Leute, Ross und Karren (einachsige Gefährte), aber keine Wagen (2-achsige Gefährte) und keine verdächtigen Personen über die Aare transportiert werden. Gerade deswegen musste der Fähr-Mann einen Eid ablegen, dass keine Delinquente überschifft wurden. Gegen diese lange Jahre dauernde Einschränkung stellten die Abgeordneten der Stadt und Grafschaft Lenzburg und Oberamt Schenkenberg am 27. Januar 1610 ein Widererwägungsgesuch an die Obrigkeit in Bern, in dem sie ein grösseres Schiff zum Transport von Grosswagen forderten. Der Rat zu Bern lehnte das Gesuch mit Rücksicht auf allfällig entfallende Zölle der Städte Aarau und Brugg ab. Grosswagen mit Pferdegespann mussten weiterhin in Aarau oder Brugg über die dortigen Brücken zollpflichtig geführt werden. Auch ein gleichlautender Versuch die Sache bei den Bernern zu ändern, blieb mit Protokoll vom 21. März 1618 erfolglos. 26 Abbildung 35: Kartenausschnitt aus Michaeliskarte 1843 Die einzufordernden Zölle und Tarife für die zu befördernden Wagen wurden von der Berner Obrigkeit festgelegt. Im "Lenzburger Standrecht" ist der bernische Zollrodel unter den aargauischen Zollordnungen vom 13. - 18. Jahrhundert auch der Zollrodel "am Fahr zu Gauenstein 1595" im Detail umschieben. Abbildung 36: Foto von Fähre auf "Alter Aare"* zwischen Rupperswil-Auenstein um 1920; Blick von Auensteiner auf Rupperswiler Ufer (Willy Pfister, Traugott Berner; Ortsgeschichte Rupperswil, Band IV, S. 41; 1977) 27 Ganz verschwunden ist die Fähre erst um 1870. Sie wurde wegen des Baus der Wildegger Brücke überflüssig. Heute erinnert uns nur noch das Fahrhaus an die vergangenen Zeiten. Im Fahrhaus wohnten die jeweiligen Fährleute. Die letzten Fährleute hiessen Frey, im Dorfnamen "s'Isache". Abbildung 37: Fahrhaus im Sommer 2010; Foto Esther Joho Die Schiffmühle an der Aare Eine Schiffmühle an der Aare wurde bereits bei der Verbriefung von Herzog Leopolt von Österreich an den Ritter Berchtolt von Rinach vom 4. November 1300 erwähnt. Im Aktenbuch Nr. 1503 des Oberamts Kasteln wurde in einem Brief (S. 119 - 132) die revisionsbedürftige Schiffmühle zu Auenstein zur Versteigerung ausgeschrieben. Der Bärenwirt Martin Dietiker zu Thalheim erhielt für 450 Gulden rh. (rheinische Gulden) den Zuschlag. Aus den erwähnten Quellen geht nicht klar hervor, ob Dietiker die Mühle revidiert und weiterbetrieben hat. Im Mühleverzeichnis 1798/1799 des Kantons Aargau ist die Schiffmühle zu Auenstein nicht mehr aufgeführt. 28 Der Standort der Schiffmühle konnte in den zur Verfügung stehenden Rechtsquellen nicht eruiert werden. Abbildung 38; Zeichnung von Schiffmühler Stilli; 1821; (Max Baumann, Stilli; 1977; S. 256) Funktion von Schiffmühlen Eine Schiffmühle ist eine Sonderform einer unterschächtigen Wassermühle. Es gab bereits im Mittelalter verschiedene Typen von Schiffmühlen. Es gab solche, bei denen sich zwischen zwei starr miteinander verbunden Pontons ein breites Wellrad (Walzenrad) drehte und andere, bei denen beidseits des Schiffsrumpfs weniger breite Räder angebracht waren (Radschiffmühlen). Beim ersteren, dem " deutschen Typ" der Schiffmühle, war auf dem breiteren der Pontons, dem Hausschiff, das Mahlwerk untergebracht, während der kleinere Ponton, das Wellschiff, das Gegenlager der Welle trug. In jedem Fall war der Arbeitsbereich eingehaust und überdacht, um das Mahlwerk und das Mahlgut vor Regen und Schnee zu schützen. Schiffmühlen wurden ufernah verankert und man gelangte über Stege zum Mühlhaus oder umgekehrt an Land. Schiffmühlen waren auf allen grösseren Flüssen Europas in unterschiedlichen, ortstypischen Formen anzutreffen und wurden nicht nur als Getreidemahlmühlen, sondern auch als Werkmühlen verschiedener Art genutzt. Die bekanntesten Schiffmühlen standen in der Schweiz an der Limmat in der Stadt Zürich, am Rhein zu Basel und in unserem Kanton an der Reuss, an der Limmat, an der Aare und am Rhein in Betrieb. In Untersiggenthal heisst noch heute ein Ortsteil "Schiffmüli". Gipsmühle im Auschachen Im Wasserbauplan des Kantons von 1812 ist im Auschachen eine Gipsmühle eingetragen. Diese stand an einem damals existierenden Seitenarm der Aare, welcher kurz nach dem Fahr durchs Schachenland gezogen war und etwa im Bereich der Liegenschaft der Ortsbürgergemeinde (Austrasse 9) wieder in den Hauptstrom der Aare einmündete. Das Mühlgebäude befand sich unterhalb der heutigen Liegenschaft Max Joho-Hoi im Auschachen. 29 Abbildung 39: Gipsmühle auf Wasserbaukarte von 1861; Staatsarchiv Kanton Aargau Ortsname Der Ortsname leitet sich nicht etwa von einem ehemaligen alemannischen Weiler, erbaut auf einem Felsen am Wasser der Aare ab. Der Ortsname bezieht sich auf das Stammhaus der Edlen von Gowenstein. Urkundliche Belege: um 1212 1299 1307 1303 - 1308 1361 um 1390 1441 1593 1645 - 1804 seither Gowenstein Gowenstein Gauwenstein Gowensteins Göwenstein Gôwenstein Göwenstein Gauenstein Gauenstein Auenstein 30 4. Wissens- und Bemerkenswertes rund um das Schloss und die Twingherrschaft Auenstein Theologenstreit zwischen Karl Barth, Uni Basel, und Emil Brunner, Uni Zürich Um 1930 entbrannte ein Theologenstreit wegen der damals populären "Oxforder Gruppenbewegung " zwischen Prof. Karl Barth von der Uni Basel und Prof. Emil Brunner von der Uni Zürich. Es fand eine "Spezialauseinandersetzung" unter Vermittlung der Schlossherrin Alice Hoffmann im Januar 1936 im Schloss Auenstein statt. Das Streitgespräch wurde vom Münsterpfarrer Gottlob Spörri zu Zürich geleitet. Das Gespräch endete mit einem kummervollen Abschiednehmen. Seine Bedenken gegenüber der "Oxfordbewegung" fixierte Barth damals gleich in einem Aufsatz mit dem Titel "Kirche oder Gruppe". Er spricht entschieden dagegen, dass sie eine Erneuerung des Christentums sein will, die nun darin besteht, die Freiheit der Gnade und Heiligkeit des Namens Gottes nicht respektiert, sondern unter allen möglichen Vorwänden und Titeln auf der ganzen Linie in Humanität und Moral umgedeutet wird. Der Streit endete erst am Sterbebett von Emil Brunner (geb. 23.12.1889, gest. 6.4.1966), als sich die beiden Streithähne Brunner und Barth (geb. 10.5.1886, gest. 10.12.1968) versöhnlich die Hände reichten. Sonderbarer Kaufvertrag Der Dübendorfer Baumeister und nachmalige Schlossbesitzer von Auenstein, Hermann Reller, pflegte schon in jungen Jahren die Gesangskunst. Er sang jeweils abends in der "Öpfelkammer" von Gottfried Keller in Begleitung eines Pianisten verschiedene Lieder aus Opern und Operetten im Niederdorf in Zürch. Auch Rudolf Hug, Schlossherr zu Auenstein, lauschte öfters den Liedervorträgen von Hermann Reller. So habe es sich eines Tages zugetragen, dass Rudolf Hug seinen Schlossbesitz in Auenstein an Hermann Reller veräussern wollte. Die beiden hatten vereinbart, über den Kaufvertrag vor Ort zu verhandeln. Deshalb begab sich Hermann Reller im Frühjahr 1970 nach Auenstein zu Rudolf Hug. Dieser machte ihm die kurz vorher herausgeputzte Schlossanlage derart schmackhaft, dass Hermann Reller richtiggehend kauffreudig wurde. Rudolf Hug verlangte einen Kaufpreis von Fr. 850'000.-, deshalb so viel, weil im Keller ein Schatz vergraben sei. Der veranschlagte Kaufpreis schien Hermann Reller doch etwas zu hoch und für ihn unerschwinglich. Er machte dann Rudolf Hug den listigen Vorschlag, die Tausenderziffern zu tauschen; die Acht gegen die Fünf, die Fünf gegen die Acht, also statt achthundertfünfzigtausend nur noch fünfhundertachzigtausend Franken für das Schloss mit Parkanlage zu bezahlen. Zum grossen Erstaunen von Hermann Reller willigte Rudolf Hug dem Zahlentausch ein. So wurde Hermann Reller mit seiner Frau Anna im Sommer 1970 neuer Schlossbesitzer. Landvogt und Untervogt; wer waren diese ehrbaren Leute? Landvogt Als Landvogt (lat. advocatus = Rechtsbeistand, Verteidiger) bezeichnet wird ein Herrschaftsvertreter in einem Bezirkskreis mit umfassenden Kompetenzen in der Verwaltung, im Steuerwesen, im Gerichts- und Militärwesen. Zu unterscheiden sind Reichslandvogteien zur Verwaltung von Reichsgut (13. - 15. Jahrhundert) und Landvogteien, Obervogteien oder Ämter in der Territorialverwaltung eidgenössischer und zugewandter Orte (14. Jahrhundert bis 1798). 31 König Rudolf I. von Habsburg und seine Nachfolger errichteten Reichslandvogteien. Im Gebiet der heutigen Schweiz schufen die Habsburger Vogteien um Baden und Kyburg, aus denen zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Landvogteien Aargau und Thurgau entstanden. In diesen Gebieten nahm der Landvogt, eigentlich als Statthalter Habsburgs, auch die Reichsrechte wahr. Die vom 14. bis 16. Jahrhundert entstehenden Territorialherrschaften der eidgenössischen und zugewandten Orte übernahmen die Organisation der habsburgischen Landesherrschaft für ihre Untertanengebiete wie auch für die "Gemeinen Herrschaften". In der Regel wählte die höchste Instanz des Ortes den Landvogt aus dem Rat für eine bestimmte Amtsdauer. In der Verwaltung der "Gemeinen Herrschaften" hielten sich die jeweils regierenden Orte an einen festgesetzten Turnus. Zu den Aufgaben des Landvogts gehörten die Gerichtsbarkeit sowie die staatliche Domänen-, Finanz- und Militärverwaltung. Er hatte in seiner Vogtei die obrigkeitlichen Mandate durchzusetzen und nahm die Huldigung der Untertanen entgegen. Die Helvetik schaffte 1798 mit den Landvogteien auch das Amt des Landvogts ab. In den kantonalen Bezirken wurde seit 1803 der diskreditierte Amtstitel "Landvogt" nicht mehr verwendet. Untervogt Der Untervogt wurde nicht vom Volk gewählt, sondern von den "Gnädigen Herren" (Kleiner Rat) eines Landvogteibezirks eingesetzt. Das Volk hatte aber ein Vorschlagsrecht und durfte drei Kandidaten benennen (sogenannter Dreiervorschlag). Die Amtszeit eines Untervogts betrug in der Regel 6 Jahre, wobei er sich aber keiner Wiederwahl durch den "Kleinen Rat" stellen musste. Zu Beginn einer neuen Amtsperiode wurden ihm zum Zeichen der Bestätigung im Amt lediglich Stoff für eine neue Amtstracht ausgehändigt. Untervögte blieben oft bis zu ihrem Tode im Amt. Nachfolger wurde sehr oft ein Sohn; das Amt war quasi in der Familien vererblich. Die Untervögte haben damals Aufgaben des heutigen Gemeindeammanns wahrgenommen. In erster Linie aber hatten sie richterliche Kompetenzen. Sie standen dem lokalen Gericht ihrer Gemeinde oder ihres Amtes (Amtsuntervögte) vor und oft auch in Vertretung des Landvogtes dem Landgericht der Vogtei. Ausserdem leiteten sie strafrechtliche Untersuchungen, vergleichbar mit Aufgaben der späteren Bezirksamtmänner, zudem waren sie zuständig für die Durchsetzung der Sittenmandate. Diese wurden jeweils sonntags in der Kirche verlesen. Allfällige Sünder wurden vor versammelter Gemeinde zur Rede gestellt. Untervögte bildeten zusammen mit weiteren Gemeindevorgesetzten - wie Sekelmeister, Richter, Geschworene - die lokale Oberschicht und führten sich mancherorts als "Dorfkönige" auf. Nach der Suche von Untervögten zu Auenstein wurde in einem Gerichtsprotokoll vom 14. Dezember 1618 des Oberamts Schenkenberg der Name eines Hans Brugger erwähnt. Nebst ihm sind die Namen Hans Fry, Statthalter, Jocob Joho, Jacob Ott, Caspar Kilchhoffer, Hans Ott der Träyer, Niclaus Engel und Hans Knäblin als Gerichtsherren aufgeführt. Später amtete von 1705 bis 1716 ein Johann Frey (geb. 1660). Ihm folgte ein Jacob Ott , dann Jacob Joho und wahrscheinlich hiess der letzte Untervogt Jacob Kirchhofer (geb. 1738, gest. 1826). 32 Anhang Einige Foto-Impressionen zum Schloss Auenstein Sämtliche Fotos wurden von Roger Reller 2007 erstellt. Zum Wohnteil Antike Eichenholzkommode mit Schnitzereien Blick in den Ess-Salon Holzcheminée im Turmzimmer Kinderzimmer im Ostanbau Jagdzimmer im 1. Stock Büro im Ostanbau 33 Elternschlafzimmer 2. Stock Wohnstube im 1. Stock Schlafzimmer im 2. Stock Wohnstube im 1. Stock Pyramidaler Dachstock Blick von Attikawohnung auf Dorf 34 Badezimmer 2. Stock Kinderzimmer im Ostanbau Wohnstube 2. Stock Kammerzimmer in Attikawohnung Zur Parkanlage Schlossweiher mit Spiegelbild Stuhl im Park 35 Schlosspark von Süden Im Schlosswäldchen Nordansicht mit Treppenaufgang Schlossterrasse Südseite Auslauf von Schlossweiher gegen Aare Parkplatz mit Schlossbrunnen 36 Parkanlage auf der Südostseite Schlossweiher mit Entenhaus Herzlichen Dank Roger Reller, heutiger Besitzer des Schlosses Auenstein, danke ich für die mehrmalige Erlaubnis zur Besichtigung der Schlossanlage und die mir für meine Arbeit zur Verfügung gestellten Fotos. Für die Lektorenarbeit bedanke ich mich bei Heinz Alber, Alt-Gemeindeammann Auenstein, herzlichst. Ein herzliches Dankeschön gebührt meiner Frau, Esther Joho - Burkhalter, für die Mithilfe bei den Fotoaufnahmen der Schlossanlagen und deren PC-Bearbeitung. 37 Literatur/Quellen − Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau; Band II; Michael Stettler und Ernst Maurer; Verlag Birkhäuser Basel, 1953. − Jean Jacques Siegrist, Hans Weber; Burgen, Schlösser und Landsitze im Aargau. Aarau: AT Verlag 1984 − Reinhold Bosch; Die Burgen und Schlösser des Kantons Aargau. Aarau: Verlag der AT-Presse Aargau, 1949 − Fontes rerum Bernensium; Berns Geschichtsquellen 1883 - 1956, Bände II, VI, VII,VIII − Walther Merz; Ritter von Rinach; Aarau: Verlag H.R. Sauerländer, 1890 − Werner J. Frei; Vom Gouwenstein zum Auenstein, Streifzug durch seine alte Geschichte; ok Winterthur 1985 − Lenzburg; Landrecht und Marchen von 1307 - 1736; Seiten 267 - 273; Staatsarchiv des Kantons Aargau − Walther Merz; Die mittelalterlichen Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau; Aarau: Verlag H.R. Sauerländer, 1905 − K. Ramseyer; Aus der Geschichte des Schlosses Auenstein; Brugger Neujahrsblätter 1932 − Walther Merz. Rechtsquellen des Kantons Aargau; 3. Band Das Oberamt Schenkenberg; 1927 − Walther Merz; Inventare Aargauischer Archive; 1. Teil; Der bernische Aargau und die Grafschaft Baden; Aarau: Verlag H.R.Sauerländer Aarau, 1935 − Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz; Erster Band 1921 − Thomas Schärli; Veltheim von den Anfängen bis zur Gegenwart; herausgegeben von der Gemeinde Veltheim 1992 − Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz; IVS Dokumentation Kanton Aargau; Stand 1994 − Beat Zehnder; Die Gemeindenamen des Kantons Aargau; Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau; Band 100/II; Sauerländer Verlag 1991 − Währungen und Sortenkurse in der Schweiz von 1600 - 1799; Martin Körner, Norbert Furrer, Niklaus Bartlome; édition du zébre, Lausanne 1988 − Anne-Marie Dubler; Masse und Gewichte im Staat Luzern und in der alten Eidgenossenschaft; Luzern: Luzerner Kantonalbank, 1975 − Eberhard Busch; Karls Barths Lebenslauf; München: Chr. Kaiser Verlag, 1975