Reisebericht KOLUMBIEN - Lateinamerika-Blog

Transcrição

Reisebericht KOLUMBIEN - Lateinamerika-Blog
Kolumbien
auf der Suche nach Macondo
„Kolumbien?“ fragten unsere Bekannten, als wir von den
neuen Reiseplänen erzählten. „Aber da seid Ihr doch schon
gewesen!“ Ja, richtig, vor zwei Jahren hatten wir neben der
Hauptstadt Bogotá die Kaffeezone des Landes und die
Ausgrabungen bei San Agustin kennengelernt. Diesmal
wollten wir den karibischen Norden Kolumbiens besuchen
und Orte wie Valledupar, Barranquilla und Aracataca ansehen.
Sie finden kaum Erwähnung im Reisekatalog, stellen aber
Stationen im Leben des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García Márques dar. Und da wir
sein Buch „100 Jahre Einsamkeit“ gelesen hatten, wollten wir vor allen Dingen das legendäre
Städtchen Macondo kennenlernen.
Glücklicherweise konnten wir einen Direktflug von Frankfurt/Main nach Bogotá buchen, so dass
wir keinen Zwischenaufenthalt in Madrid hatten. Nach etwas mehr als 11 Stunden erreichten wir
unser Ziel. Es war inzwischen früher Abend und in Bogotá wurde es gerade dunkel. Reiseleiterin
Anita erwartete uns. Wir verabredeten uns zur Stadtrundfahrt am nächsten Morgen.
Bogotá und Guatavita
Am Morgen zeigte der erste Blick aus dem Fenster
nasse Straßen. Der Cerro Monserrate, den wir
eigentlich mit der Seilbahn besuchen sollten, hüllte sich
in dichte Wolken. Anita schlug vor, den Besuch der
Lagune Guatavita vorzuverlegen und vorher noch den
Künstlermarkt im Stadtteil Usaquén zu besuchen, der
jeden Sonntag stattfindet und immer unzählige
Wochenendbesucher anzieht, sowohl Einheimische
als auch Touristen. Wir waren sehr früh dran, die
Stände wurden erst aufgebaut, aber das Angebot
überraschte uns doch. Es gab Kunsthandwerk in jeder
Form, Schmuck, Spielzeug, Süßigkeiten, verschiedene
Teesorten, Zimmerpflanzen. Man sah die von Indianern
angefertigten Molas, zum Teil zu Handtaschen oder Kissen verarbeitet. Man bestaunte zierliches
Puppengeschirr und winzige Weihnachtskrippen, die selbst in einer Eierschale Platz fanden.
Es regnete leicht, als wir Bogotá in Richtung Guatavita verließen. Anita nutzte die Zeit, uns mit der
Geschichte der Lagune und der Sage des „El Dorado“ bekannt zu machen. „Die Lagune,“ begann
sie, „war für die Ureinwohner des Landes, die Muisca-Indianer, eine heilige Stätte. Jeder neu
gewählte Häuptling, der sogenannte Zipa, ruderte vor Amtsantritt mit seinen Getreuen auf einem
Floß hinaus auf den See und reinigte sich in dem klaren Wasser von dem Goldstaub, den man auf
seine Haut aufgetragen hatte. So brachte er den Göttern ein Opfer, während seine Begleiter goldene
Gegenstände im See versenkten. Wahrscheinlich entstand daraus die Legende von „el Dorado“, dem
goldenen Menschen. Man vermutete in der Lagune einen unermesslichen Goldschatz. Schon im
16.Jahrhundert versuchten die Konquistadores diesen Schatz zu heben und ließen Sklaven in
monatelanger Arbeit das Wasser des Sees ausschöpfen. Man fand zwar einiges Gold, war aber eher
enttäuscht. Ein reicher Kaufmann versuchte um 1560, das Seeufer sozusagen aufzuschneiden, um
das Wasser abzulassen. Acht Jahre lang beschäftigte er Tausende von Indianern, aber die Wände des
Grabens stürzten ein und blockierten den Abflusskanal. Man sieht den V-förmigen Einschnitt am
Ufer noch heute. Es gab im Laufe der Zeit noch mehrere Versuche, den See trockenzulegen, aber
der vermutete Schatz wurde bis heute nicht gefunden.“
Die Lagune Guatavita, ein beinahe kreisrunder Bergsee von ca 350 m Durchmesser, entstand durch
einen Meteoriteneinschlag. Berge und dichte Wälder
umrahmen das Gewässer. Man kann verstehen, dass hier
für die einstigen Ureinwohner, dem Volk der MuiscaIndianer, ein heiliger Ort war, der „Nabel des
Universums.“ Heute führt ein befestigter Wanderweg
rund um den See, immer wieder unterbrochen von
sogenannten Miradores, wo man einen besonders
sehenswerten Ausblick auf die Lagune geniesst. Leider
lag Guatavita heute im Schatten. Graue Wolken am
Horizont verhinderten das leuchtende Blau des Wassers,
das wir von Bildern kannten.
Wir waren etwas atemlos, die für uns ungewohnten 3.000 Meter Höhe machten uns doch zu
schaffen. „Hurra, der Gipfel!“ pustete ich nach der letzten kurzen Steigung. „Na, die sind aber auch
überall,“ hörte man eine Stimme aus der Gruppe von Jugendlichen vor uns. So kamen wir mit
sieben jungen Deutschen, fünf Damen und zwei Herren, ins Gespräch, die in Bogotá ein soziales
Jahr absolvierten. Sie waren schon seit sieben Monaten in Kolumbien, waren begeistert von Land
und Leuten und bedauerten, dass schon mehr als die Hälfte ihres Aufenthaltes verstrichen war.
Nach dieser Anstrengung hatten wir uns das Mittagessen im Ort „Guatavita la Nueva“ redlich
verdient. Anita schlug Ajiaco vor, die typische Kartoffel- oder Hühnersuppe Kolumbiens. Wir
machten große Augen, als aufgetragen wurde: neben der erwarteten und ziemlich großen Schüssel
Suppe erhielt jeder noch: ein Schälchen Reis, einen Hähnchenschenkel, ein Stück Avocado, ein
Stück Mais, Kapern und saure Sahne. Die Mischung schmeckte hervorragend, und wir waren mehr
als satt. Zum Glück schloss sich noch ein kurzer Rundgang durch das malerische Städtchen an.
Dann war es aber allerhöchste Zeit, nach Bogotá zurückzufahren.
Wir schafften den Einlass ins Goldmuseum gerade noch rechtzeitig. Zwar blieb uns zur
Besichtigung nur eine gute Stunde, ehe um 17 Uhr
die Lichter ausgingen, aber wir hatten dafür diese
wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt fast ganz für
uns. In den hell erleuchteten Vitrinen sind etwa
35.000 Artefakte aus der vorspanischen Zeit
ausgestellt. Man sieht Figuren und Gegenstände aus
Gold, Silber und Platin, darunter auch die Objekte,
die in der Lagune Guatavita gefunden wurden. Wir
bewunderten aufs neue die unwahrscheinliche
Geschicklichkeit der Ureinwohner Kolumbiens, die
diese filigranen Dinge herstellen konnten.
Die Sammlung ist sortiert nach ihrer kulturellen Herkunft. Das kleine Floß aus Gold, das Balsa
Muisca, steht in einer eigenen Vitrine. Es ist sozusagen das wichtigste Stück der Sammlung und
belegt mit seinen winzigen goldenen Figuren den Mythos des El Dorado.
Zipaquirá
Das Städtchen Zipaquirá liegt nur etwa 1 Autostunde von Bogotá entfernt. Seine Hauptattraktion ist
natürlich die berühmte Salzkathedrale, zu der Anita folgendes erzählte: „Schon die Muisca-Indianer
bauten lange vor Ankunft der Spanier das Salz in den Bergen rund um Zipaquirá ab. Es war für sie
ein wertvolles Handelsgut, mit dem sie einigen Wohlstand erwarben. Die Geschichte der
Salzkathedrale begann allerdings mit Alexander von Humboldt. Er empfahl seinerzeit, zum Abbau
des wertvollen Salzes Stollen in die Berge zu treiben. In den leergeräumten Gängen entstand in den
50er Jahren des letzten Jahrhunderts die sogenannte „alte Kathedrale“, die allerdings vor einigen
Jahren wegen Einsturzgefahr geschlossen werden musste. Man baute an ihrer Stelle unsere heutige
Catedral de Sal, die eines der größten religiösen Bauwerke der Welt ist. Sie bedeckt eine Fläche von
ca 8.500 Quadratmeter, ist 120 Meter lang, 16 Meter hoch und dreischiffig. Der tiefste Punkt liegt
80 Meter unter der Erde.“
Schon bei unserem Besuch in Kolumbien vor
zwei Jahren hatten wir die Salzkathedrale
gesehen. Damals allerdings fand in den Räumen
eine Feier der Polizei statt. Die Gänge waren
voller Menschen, technische Geräte und
Beleuchtung verstopften das riesige
Kirchenschiff. Trotzdem waren wir beeindruckt.
Der diesjährige Besuch zeigte uns eine völlig
veränderte Kirche. Schon am Eingang
überraschten uns bunte Lichterbögen an der
Decke, die die Rundung des Stollens
nachzeichneten. An den 14 Stationen des Kreuzweges begegneten wir nur wenigen Menschen. Die
geheimnisvollen blauen und silbernen Lichter hinter den Kreuzen und seitlichen Tunnelsystemen
verbreiteten eine unwirkliche und feierliche Stimmung. Bänke luden zum Verweilen ein. Die
Salzkristalle an den Wänden glitzerten weiß oder bunt. Man blickte vom Kreuzweg hinunter in die
Kathedrale. Ein riesiges Kreuz aus Salz beherrschte den Raum. „Schaut mal,“ fragte Anita, „steht es
auf dem Boden oder schwebt es?“ Wir konnten uns nicht entscheiden. Erst als wir am Altar
vorbeigingen sahen wir, dass es aus einem gigantischen Salzblock herausgearbeitet war.
Der Weg führte in einer sanften Steigung wieder
nach oben, wo zahlreiche Händler ihre Stände
aufgebaut hatten. Devotionalien und Schmuck,
insbesondere Smaragde, konnte man kaufen, die
lt. Anita sogar von guter Qualität waren. Eine
zumindest für uns neue Höhle mit der Darstellung
der einstigen Ureinwohner, der Muisca, fiel uns
auf. Dem Anschein nach handelt es sich um einen
Häuptling mit seinem Gefolge. Zu ihren Füßen
schimmern „Smaragde“. Uns erinnerte die Gruppe
an die Lagune Guatavita und die Sage von El
Dorado.
Eine weitere Attraktion hinter all den Verkaufsständen und Cafés ist der Salzspiegel, espejo de sal.
Einst war es eine Sole, heute spiegelt sich in dem Wasser die glitzernde Decke des Stollens, eine
verblüffende Wirkung. Auf der anderen Seite des Raumes ist das „Kino“. Natürlich sahen wir auch
heute den netten 3-D-Film, der eine Reise durch die verschiedenen Etappen des Salzabbaues zeigte.
Meist vergisst man beim Besuch der Salzkathedrale die „andere Kirche“ Zipaquirás, die im
klassischen Kolonialstil erbaute Kathedrale de San Antonio de Padua aus dem Jahre 1880. Man
findet sie an der idyllischen Plaza de los Comuneros. Der Platz ist umgeben von historischen
Gebäuden in unterschiedlichen Stilrichtungen mit auffallend malerischen Balkonen. Der Palacio
Municipal steht hier, und die Casa de Gobierno. Und es gab ein kleines Café, in dem man uns
Kuchen in typisch kolumbianischen Portionen servierte. Wir hatten anschließend den Eindruck, für
mindestens 24 Stunden satt zu sein.
Auf dem Weg zurück nach Bogotá machten wir noch einen Abstecher zum „Liceo Nacional de
Varones“, einer ehemaligen Schule, die Gabriel García Márques besucht hatte. Heute befindet sich
in dem Gebäude ein Kulturzentrum mit Fotos und Erinnerungsstücken des Nobelpreisträgers. Die
interessierten Besucher aus Europa konnten die Ausstellung leider nicht sehen. Man hatte die
Kartons mit den wertvollen Unterlagen noch nicht ausgepackt.
Neu für uns war im historischen Zentrum Bogotás das Museo Botero, das seit 2000 existiert und
von der Banco de Republica gesponsert wird. Die eigenwilligen Werke des bekanntesten
zeitgenössischen bildenden Künstlers Kolumbiens sind unverwechselbar. Er stellt mit Vorliebe gut
genährte Menschen dar, sowohl in Bildern als auch als Skulpturen. Sogar die Mona Lisa kam nicht
ungeschoren davon. Ihr erstaunliches neues Portrait hängt im Museum neben den Werken anderer
internationaler Künstler wie z.B. Picasso, Miró, Degas und Monet, die die Ausstellung ergänzen.
Zum Abschluss unseres Rundganges führte uns Anita noch durch das „Callejón del Embudo“, die
wahrscheinlich älteste Straße in Bogotá. Die
groben Pflastersteine und hohen Bürgersteige
sprechen dafür. In dem engen Gässchen findet
man die zur Zeit angesagtesten Kneipen der
Jugend Bogotás. Und wir bemerkten, dass
schon reichlich Alkohol konsumiert wurde.
Das war auch der Grund, weshalb wir den
Abend nicht im „El Gato Gris“ verbrachten.
Das Lokal lag einfach zu nahe am Callejón.
Wir suchten uns ein kleines gemütliches
Restaurant nahe am Hotel und aßen bei
Kaminfeuer und kolumbianischer Musik.
Valledupar
Heute klingelte der Wecker schon um 5 Uhr. Kofferpacken war angesagt, denn für uns war ein Flug
nach Valledupar gebucht, um 8 Uhr in der Frühe! Anita holte uns pünktlich am Hotel ab und half
beim Einchecken. Dann verabschiedeten wir uns von ihr und ihrem Sohn Gil, der uns zwei Tage
lang getreulich von Ort zu Ort gefahren hat.
In Valledupar begrüßte uns Reiseleiter Eduardo. Mit ihm sollten wir die nächsten 10 Tage
verbringen. Nach dem kühlen und gelegentlich regnerischen Wetter in Bogotá war die Hitze in
Valledupar der reinste Temperaturschock. Wir waren froh, dass Eduardo uns zunächst ins Hotel am
Rande der Stadt brachte und uns erst gegen 15 Uhr zu einem Stadtrundgang treffen wollte.
Das Hotel Sonesta ist ein großes, modernes und zweckmäßiges Gebäude. Hier wohnen
vornehmlich Tagungsteilnehmer und Geschäftsreisende. Natürlich fielen zwei Rundreise-Touristen
aus Europa sofort auf. Besonders die junge Dame, die während des Mittagessens an unserem Tisch
saß, hatte unzählige Fragen.
Eduardo führte uns zunächst in die idyllische Umgebung der
Stadt. Wir unternahmen einen Spaziergang am Fluss Guatapurí.
„Kaltes Wasser“ heißt der Name auf Deutsch. Unzählige kleine
Kneipen gab es am Ufer, Tische standen unter schattigen
Bäumen, man spielte Cumbiamusik. Familien badeten in dem
kühlen Wasser, die jungen Burschen übten Kopfsprünge,
manche wuschen auch mal schnell das Fahrrad im Fluss. Wir
schielten ob der Hitze neidisch auf die Badeszene.
Valledupar ist die Hauptstadt des Departamentos de Cesar am
Rio Guatapurí und die Stadt des Vallenatos, der jährlich Ende
März mit großen Musikveranstaltungen und Straßenumzügen gefeiert wird. Das riesige Wandbild
„Mural Leyenda Vallenato“ in der Stadt und die Statue einer Tänzerin gegenüber unserem Hotel
geben Zeugnis davon.
Es wurde unerträglich heiß, als wir mit Eduardo durch die engen Straßen der Altstadt gingen. Man
sah noch reetgedeckte alte Häuser mit Wänden aus Lehm, die vor vielen Jahren gebaut wurden
und die auch in den kleinen Dörfern noch zu finden sind. Wir bewunderten malerische Balkone und
kleine Geschäfte. Aber welcher Tourist kann sich schon die Namen aller Kirchen merken, die man
während einer Rundreise besichtigt? Wir sahen die moderne Kathedrale und die alten Kirchen und
fotografierten eifrig. Aber wer heißt wie?
An der Plaza Alfonso López mit dem interessanten
Revolutionsdenkmal „La revolución en marcha“
ruhten wir schließlich auf einer Bank unter dem
großen Mangobaum aus, sahen den Passanten zu und
hörten Eduardos Vortrag über die Geschichte der
Entstehung Kolumbiens und die verschiedenen
politischen und wirtschaftlichen Strömungen im Land.
Ein Polizist kam vorbei, begrüßte uns mit Handschlag,
fragte, woher wir denn kommen und wünschte uns
viel Spaß für die weitere Reise.
Die Hitze des Tages war wohl der Grund, weshalb wir am Abend noch das riesige Einkaufszentrum
gegenüber dem Hotel besuchten und uns mit einer Menge Selterswasser versorgten. Damit waren
wir bestens gerüstet für die Fahrt nach Riohacha am nächsten Tag.
Riohacha
Riohacha, unser nächstes Ziel, ist die Hauptstadt der Provinz Guajira. Es ist ein trockenes Land,
durch das wir fahren. Trotz Fischerei, Kohle- und Erdgasvorkommen ist die Bevölkerung in diesem
Grenzgebiet zwischen Kolumbien und Venezuela sehr arm und muss jede Möglichkeit nutzen, den
Lebensunterhalt zu bestreiten.Immer wieder sahen wir am Straßenrand Verkaufsstände mit 20 oder
30 Kanistern voller Benzin. „Se vende Gasolina“ las man auf dem Pappschild an der Straße.
Jugendliche, mit einem Schlauch in der Hand, winkten Autos zum Betanken heran. In Wikipedia
lasen wir später: “Durch die Nachbarschaft zu Venezuela hat sich eine zwar illegale, jedoch
weitgehend geduldete Schattenwirtschaft entwickelt.“ Unser Reiseleiter drückte es so aus: „Die
Menschen der Guajira leben zum großen Teil vom Schmuggel. Benzin z.B. ist in Venezuela äußerst
billig, bei uns in Kolumbien aber sehr teuer. Große Tankwagen fahren täglich über die Grenze und
verkaufen den Treibstoff an die kleinen Straßenhändler, die zu günstigem Preis weiterverkaufen.
Tankstellen können da nicht mithalten und müssen schließen.“ Wir haben so manche verfallene
Tankstelle am Straßenrand gesehen.
Die Ureinwohner der Provinz Guajira waren die Arhuacos und die
Wayúu. Diese Indianerstämme wohnen in eigenen kleinen
Siedlungen, genannt Rancherias, und haben ihre ursprüngliche
Lebensweise bis heute bewahrt. Sie betreiben Landwirtschaft,
verkaufen aber auch Kunstgewerbliches wie z.B. farbenfrohe
gestrickte Taschen, Gürtel, Schals , Mützen und
Freundschaftsbänder. An der Uferpromenade in Riohacha sahen
wir Dutzende indianischer Händler, die ihre Waren präsentierten.
Am Nachmittag hatten wir Gelegenheit, eine Rancheria der
Wayúu zu besuchen. Vanessa, die Tochter der Kazikin des Dorfes,
empfing uns. Von ihr erfuhren wir viel über die Bräuche des
Stammes. „Bei uns Wayúu gibt es das Matriarchat,“ erzählte sie
uns. „Meine Mutter ist die Kazikin, also nicht die Frau des
Häuptlings, sondern das Oberhaupt des Dorfes. Mädchen stehen
im Rang höher als Jungen, denn sie sorgen für das Fortbestehen
unserer Gemeinschaft und erben auch den Besitz der Familie.“
Wir erfuhren viel über den Zusammenhalt der Familien in den Dörfern, über Hochzeits- und
Bestattungsriten. Vanessa selbst war gerade aus Berlin zurückgekehrt, wo sie auf der
Internationalen Tourismusbörse Botschafterin der Wayúu gewesen ist.
Natürlich lernten wir auch die Tänze der Wayúu
kennen, vorgeführt von einigen Kindern in der
traditionellen Tracht, und natürlich wurden auch wir
Touristen mit einbezogen, sehr zur Belustigung der
Kids. Die Frauen der Rancheria überraschten uns mit
einem schmackhaften Ziegengulasch und mit
Chicha. Nun ja, Chicha ist für uns Europäer etwas
gewöhnungsbedürftig, aber probieren sollte man sie
doch.
Nach der Hitze des Tages war der abendliche Spaziergang mit Eduardo am Malecon sehr erholsam.
Wir sahen Familien am Strand, begutachteten das Warenangebot der Wayúuhändler, warfen einen
Blick auf die frischgefangenen Fische, bekamen Appetit und aßen Fisch in einem Restaurant am
Strand.
Tayrona Nationalpark
Die Plaza mit der gotischen Kathedrale Nuestra Señora de los Remedios lag direkt hinter unserem
Hotel und zählt zum kolumbianischen Nationalerbe. Wir besichtigten sie am frühen Morgen vor
unserer Fahrt zum Nationalpark Tayrona. Auf der Plaza erwachte zu dieser Zeit erst das Leben.
Händler bauten ihre Stände auf, ein fleißiger Schuhputzer hatte schon einen Kunden gefunden,
Menschen standen wartend vor einem Amt. Wir schlenderten weiter zu dem Kolossalgemälde
„Mural Francisco el Hombre“, das dem legendären Akkordeonspieler und Sohn Riohachas
gewidmet ist. Die Farben sind ein wenig verblasst und könnten eine Auffrischung vertragen.
Etwa drei Stunden dauerte anschließend die Fahrt zum Tayrona Nationalpark. Bananenplantagen
säumten unseren Weg, es regnete streckenweise. Eduardo hielt an einem der zahreichen Obststände
am Straßenrand. Bananen, Papayas, Pflaumen, Orangen und mehr gab es hier. Er kaufte eine
Frucht, die einer riesigen grünen Bohne glich und etwa einen halben Meter lang war. Die Kerne im
Inneren hatten ein süßes weißes Fruchtfleisch. Leider haben wir ihren Namen vergessen.
Der Tayrona Nationalpark, so hatten wir unterwegs von Eduardo erfahren, ist Teil der Sierra Nevada
de Santa Marta und umfasst etwa 12.000 Hektar ursprünglichen Regenwald. Als wir ankamen,
standen am Eingang schon unzählige Besucher, meistens jüngere Wanderer mit Rucksack. Wir
mussten uns anmelden und ließen das Auto mit dem überzähligen Gepäck auf dem Parkplatz
zurück. Die restlichen Taschen und Jacken vertrauten wir einem Muli an, das schwer beladen
davonzog. Voll Spannung begannen wir unsere Wanderung zum Strandabschnitt von Arrecifes.
Die Gegend war malerisch. Der Weg führte durch
Regenwald, man sah Bäume mit Bretterwurzeln,
Lianen, Palmen und vor allen Dingen viele
unbekannte Büsche und Pflanzen. Zwischendrin
verstreut lagen riesige Felsen mit merkwürdig glatter
Oberfläche, bewachsen mit Moos. Sie erinnerten an
überdimensionale Kieselsteine am Strand, die
jahrelang von Wasser und Wellen abgeschliffen
wurden.
Durch die Mittagshitze und hohe Luftfeuchtigkeit
gestaltete sich das Laufen und Klettern über die Riesensteine doch ziemlich stressig. Für den Weg
hatte ich am Morgen eine leichte Sommerjeans ausgesucht. Ich wurde eines besseren belehrt, denn
alle anderen Wanderer trugen Shorts. Ich beneidete sie. Ziemlich ausgepowert erreichte ich
schließlich unser Häuschen im Park, Cabaña 6. Es war zweistöckig, hatte insgesamt 5 Betten,
außerdem eine geräumige Terrasse mit großer Hängematte, die ich sofort besetzte.
Pacho, ein halbwildes junges Äffchen, besuchte uns auf der Terrasse. Es sprang ohne Scheu auf den
Tisch und untersuchte mit lautem Brummen und
Schmatzen leere Bierdosen, die Karlheinz und
Eduardo dort abgestellt hatten. Wir tauschten sie
schnellstens gegen einige Kekse aus, die Pachito
gerne knabberte. Anschließend kuschelte er sich
auf meinen Schoß, ließ sich kraulen und machte
keine Anstalten, jemals wieder auf seinen Baum zu
klettern. Zwei Gärtner, die Pachos Aktivitäten aus
einiger Entfernung immer im Auge behalten
hatten, wollten ihn schließlich in den Park
zurückbringen. Er fletschte unwillig die Zähne und
zeigte ein zwar kleines, aber recht kräftiges
Gebiss. Erst auf ein energisches Wort des Chefs
trollte er sich.
Die schönen Strände des Tayrona-Nationalparkes bzw. einen kleinen Teil davon, lernten wir am
nächsten Tag kennen. Am Strandabschnitt von Arrecifes war wegen des starken Wellenganges und
unberechenbarer Meeresströmungen das Baden verboten. In der Bucht von „La Piscina“, die man
nach kurzer Wanderung erreicht, konnte man jedoch unbesorgt schwimmen und unter einem Baum
im Schatten relaxen. Wanderer zogen vorbei und fragten Eduardo nach dem Weg zu den Ruinen von
„El Pueblito“, dem uralten Indianerdorf. Andere überkletterten die riesigen Felsen zum nächsten
Strand.
Auch der Nachmittag war sehr erholsam. Wir
schlenderten durch die Parkanlage rund um die
Cabañas, sahen uns das Hängemattenlager und
den Campingplatz näher an, schossen Fotos und
sahen auch Pacho wieder, der gerade eine Banane
verspeiste.
Die Wanderung am nächsten Morgen zurück zum
Haupteingang des Parkes war einfach traumhaft.
Wir liefen heute auf dem Mulipfad, den man
lediglich bei trockenem Wetter begehen kann. Zu
dieser frühen Stunde waren nur wenige Wanderer
unterwegs. Man hatte den Eindruck, ganz allein
im Regenwald zu sein. Vogelstimmen waren zu hören und auch das Konzert einer Brüllaffenfamilie.
Gelegentlich säumten hohe Felsen den Weg. Nach einiger Zeit kamen uns Mulis entgegen. Sie
trugen unermüdlich Gepäck, Baumaterial oder Fensterscheiben für das neue Informationszentrum
bei Arrecifes nach oben. Viel zu schnell erreichten wir den Haupteingang, wo wir auf dem
Sammelplatz der Mulis unsere Koffer und Taschen wiederfanden. Vor dem kleinen Bürogebäude, in
dem wir uns vor zwei Tagen angemeldet hatten, stand eine lange Reihe neuer Besucher. Sie wollten
das Wochenende im Tayrona-Nationalpark verbringen. Um die Wahrheit zu sagen: Ein wenig
neidisch waren wir schon, denn wir wären gerne noch geblieben.
Santa Marta
Santa Marta, die Hauptstadt der Provinz Magdalena, wurde
1525 gegründet, ist eine der ältesten Siedlungen auf dem
südamerikanischen Kontinent und hat eine wechselvolle
Geschichte. Gold, das die Konquistadores den Indianern
geraubt hatten, wurde von hier nach Spanien verschifft. Von
hier starteten die Eroberungszüge ins Hinterland. Die Stadt
wurde von Piraten, Freibeutern und Indianern angegriffen.
Heute ist Santa Marta eine große Hafenstadt mit modernen
Hotels und Vergnügungsstätten, vom alten historischen
Stadtkern ist jedoch nicht viel geblieben.
Die wichtigste Sehenswürdigkeit ist natürlich die Quinta de
San Pedro Alejandrino. Hier verbrachte der südamerikanische
Freiheitskämpfer und Nationalheld Simon Bolívar die letzten
Tage seines Lebens, ehe er am 17. Dezember 1830 starb.
Ursprünglich zur Produktion von Zucker, Honig und Rum
gebaut – eine alte Zuckerrohrmühle erninnert noch heute
daran - , wurde die Quinta nach dem Tod des „Libertador“ zu
einer riesigen Erinnerungsstätte für Bolívar. Seine
Marmorstatue steht am Weg. Die Räume der Lodge, in der er starb, sind originalgetreu erhalten.
Noch heute wachsen im Park vor dem Herrenhaus die riesenhaften Samanbäume und Tamarinden,
zwischen denen Bolívars Hängematte aufgespannt war. Ein riesiges Mausoleum aus weißem
Marmor wurde ihm errichtet, zu dem die Besucher der Quinta pilgern und die Statue Bolívars
betrachten. „Colombia al Libertador“ steht über dem Eingang.
Ein Rundgang durch die Gassen der Altstadt schloss sich an. Wir besichtigten die Kathedrale, die
die älteste Kolumbiens sein soll und fanden zur Mittagszeit ein einfaches, aber sehr nettes Lokal an
der Uferpromenade.
Ein Paradies für Taucher und Surfer ist das kleine Städtchen Taganga in der Nähe von Santa Marta.
Ehemals ein verschlafenes Fischerdorf, wurde es zu einem Treffpunkt von Rucksacktouristen und
Hippies aus aller Welt. Rund um die Bucht findet man am Malecon kleine Buden und Kneipen.
Händler bieten ihre Souvenirs an. Wir spazierten mit Eduardo durch die Menge, genossen die
Stimmung und warteten auf den Sonnenuntergang. Ein sogenannter Althippie lag in seiner
Hängematte unter einem Baum an der Straße und trank in aller Ruhe sein Bier. Sein Rucksack hing
an einem Ast über ihm. Musiker spielten auf der Strandpromenade, die Leute tanzten dazu. Es
herrschte Partystimmung die ganze Nacht.
Aracataca und Barranquilla
Unsere Rundreise folgte den Spuren des
kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García
Márquez, und heute sollten wir Aracataca sehen, wo er
am 6. März 1927 geboren wurde und als Kind im Hause
seiner Großeltern lebte. Bananenplantagen säumten
unseren Weg, wir passierten eine Eisenbahnlinie und
kamen in ein kleines verschlafenes Dorf. Die
farbenfrohen Häuser sahen sehr gepflegt aus, es gab
eine kleine Plaza mit blendend weißer Kirche.
Auffallend viele Fahrradrikschas fuhren durch die
Straßen. Dies also war Aracataca, das legendäre Vorbild
für den fiktiven Ort Macondo aus dem Buch „Hundert Jahre Einsamkeit“, das die Geschichte der
Familie Buendia erzählt, die von aller Welt abgeschnitten in einem kleinen Dorf im Dschungel
Kolumbiens lebt.
Interessierte Touristen wollen natürlich vor allem das „Casa Museo
de Gabriel García Márquez“ sehen, das im historischen Zentrum
Aracatacas liegt. Ursprünglich stand an dieser Stelle das Haus der
Großeltern des Schriftstellers, in dem er seine ersten zehn
Lebensjahre verbrachte. Allerdings wurde dieses Gebäude vor mehr
als 40 Jahren abgerissen. Nach dem Vorbild des alten Hauses entstand
das Anwesen neu und ist heute Museum. Zitate aus dem Büchern von
Márquez zieren die blendend weißen Wände. Wer „100 Jahre
Einsamkeit“ gelesen hat, erkennt das Haus wieder: die Veranda mit
den Blumentöpfen, den Speiseraum, die Küche, die KaramellTierfiguren. Sogar die kleine Werkstatt, in der im Buch die
unzähligen Fische aus Golddrähtchen entstanden, wurde
nachempfunden. Das Telegrafenamt, in dem der Großvater des
Dichters arbeitet, ist ebenfalls ein Museum mit den alten Apparaten
und Schreibmaschinen.
Das Bahnhofsgebäude mit der goldfarbenen Aufschrift „Aracataca“ ist groß
und gut erhalten. Allerdings hält hier kein Zug mehr. Es fährt lediglich
zweimal am Tag ein Güterzug mit Kohle durch den Ort, endlos lang und von
zwei Lokomotiven gezogen. 96 Wagen waren es nach Auskunft des
Schaffners. Im Buch war dies der Bahnhof von Macondo, von dem aus ein
Güterzug mit Tausenden erschossener Plantagenarbeiter ans Meer fuhr, um
diese Menschen einfach verschwinden zu lassen.
Der Bürgermeister von Aracataca plante vor einigen Jahren, den Namen der
Stadt zu ändern in „Aracataca-Macondo“. Allerdings scheiterte dies am
Widerstand der Bürger. Trotzdem ist der Name des legendären Ortes erhalten.
Der Billardclub des Städtchens heißt „Billares de Macondo“.
Barranquilla, unser nächstes Ziel, ist ebenfalls mit dem Schriftsteller García Márquez verbunden. Er
besuchte hier die Schule und arbeitete eine Zeitlang bei der Tageszeitung „El Heraldo“. Er war
zudem Mitglied der sogenannten Barranquilla-Gruppe, einem Freundeskreis von Künstlern, die sich
regelmäßig in der Bar „La Cueva“ trafen. Das La Cueva ehrt diese speziellen Gäste noch heute.
Große Fotografien der Gruppe zieren die Wände. Für uns war ein Abendessen in dem legendären
Lokal vorgesehen.
Ein „Muss“ für jeden, der Barranquilla besucht, ist das Museum der Karibik. Mitten im historischen
Zentrum der Stadt entstand ein moderner Komplex, in dem es ingesamt fünf thematische Räume zu
Natur, Kultur und Geschichte der kolumbianischen Karibik gibt. Man kann sich Filme zu diversen
Themen ansehen, eine Sammlung von Werkzeugen der verschiedenen Epochen wurde ausgestellt,
in besonderen Boxen kann man die Sprachen der Indianerstämme des Landes hören. Besonders nett
ist der letzte Raum. Musik empfing uns schon an der Tür, feurige Tänzer und grazile Tänzerinnen
bewegten sich zu heißen Rhythmen. Aber es waren leider nur Hologramme, die kolumbianische
Volkstänze zeigten.
Neu eröffnet wurde die Macondo-Mediathek. Der Raum ist dem Redaktionsbüro nachempfunden,
in dem Gabriel García Márquez seinerzeit arbeitete. Im Viertelstundentakt zeigt man hier einen
Film mit modern und witzig dargestellten Szenen aus den Romanen des Schriftstellers.
Wir wohnten im Hotel Prado im Stadtteil Bellavista, einem prächtigen Bau aus den 30-er Jahren, in
dem seinerzeit die High Society residierte. Seinen Charme hat das Haus bis heute bewahrt. Man
blickt von der Terasse in einen tropischen Garten, findet dort den Swimmingpool unter Palmen und
sieht flinke Kellner Drinks servieren. Selbst der nostalgische Aufzug, den ein Hotelboy bedienen
musste, ist etwas besonderes. Wegen seiner Architektur wurde das Hotel zum „Nationalen
Monument“ erklärt und ist staatlich. Man sucht einen Käufer.
Eduardo ist in Barranquilla zu Hause und wohnte bei seiner Familie. Wir wollten seine Frau Yvonne
gerne kennenlernen und waren zu viert zum Abendessen im „La Cueva“ verabredet. Leider war das
Lokal ausgerechnet an diesem Abend geschlossen. Wir fanden ein anderes Restaurant und
verbrachten einen netten und unterhaltsamen Abend. Das „Innenleben“ des La Cueva sahen wir in
einem Bildband, den Eduardo am nächsten Tag mitbrachte.
Cartagena de Indias
Cartagena de Indias ist die Hauptstadt des Departamentos Bolívar und das Ziel unzähliger
Kreuzfahrtschiffe aus aller Welt. Zur Zeit der Eroberung Südamerikas durch die Spanier waren es
die Schiffe von Piraten und Freibeutern, die Cartagena ansteuerten, lagerte doch hier das geraubte
Gold der Ureinwohner, das nach Europa verschifft werden sollte. Den zahlreiche Überfällen sowohl
der Piraten als auch der einheimischen Bevölkerung verdankt Cartagena seine mächtige Stadtmauer
und die Festungsanlagen. Selbst Klöster wurden zu wehrhaften Burgen. Die Stadt galt als
uneinnehmbar.
Schon von weitem sahen wir die Mauern des
ehemaligen Augustinerklosters Convento de La
Popa, das auf der Ruine eines zerstörten
indianischen Tempels errichtet wurde und heute ein
Museum ist. Eine enge kurvenreiche Straße führt
nach oben. Vor dem Tor standen statt der ehemaligen
Piraten die Händler mit Souvenirs, um den Touristen
das Geld aus der Tasche zu locken. Wir besichtigten
das Museum, die Klosterkirche „Nuestro Señora de
la Candelaria de la Popa“ und genossen die Aussicht
auf die Stadt.
Ebenso wehrhaft wie La Popa ist das Castello San
Felipe. Von den Wachttürmen blickt man weit ins Land und übers Meer. Einige der alten Kanonen
drohen ins Tal. Ein labyrinthartiges Tunnelsystem und unterirdische Pulverkammern machten das
Kastell uneinnehmbar. Die engen Tunnel zu begehen ist natürlich eine Herausforderung für
neugierige Touristen. Wir tasteten uns vorsichtig an den Wänden entlang. „Wenn Ihr auf
Grundwasser stoßt solltet Ihr umkehren,“ scherzte ein entgegenkommender Wanderer. Nach einiger
Zeit wurden Weg und Stufen wirklich so nass, dass wir lieber den Rückweg antraten.
Zum Rundgang durch die Altstadt verabredeten wir uns mit
Eduardo der Hitze wegen für den späteren Nachmittag. Unser
Reiseleiter wollte in der Zwischenzeit seinen Vater besuchen, der
in Cartagena wohnt. Wir bezogen unser Zimmer im Hotel
Monterrey, das am Paseo de Los Mártires liegt. Die Kaimauer
Muelle de los Pegasos mit den beiden schwarzen Rössern und
der bekannte Uhrturm Torre del Reloj lagen direkt vor unserer
Tür.
Am Paseo oder Camellón de los Mártires stehen die
Marmorbüsten der wichtigsten Freiheitskämpfer, die während der
Unabhängigkeitskriege ums Leben kamen. Eduardo las uns
gewissenhaft die eingravierten Namen und Daten vor. Durch den
Torbogen mit dem Uhrturm gelangten wir zum Portal de los
Dulces, schielten begehrlich nach den Köstlichkeiten aus
Schokolade, Kokos, Zucker und kandierten Früchten aller Art.
Weiter ging es zur Plaza de los Coches, wo früher Sklaven verkauft wurden. Heute fahren von hier
aus die Pferdekutschen Touristen aus aller Welt durch die engen Gassen.Auf dem Platz steht die
Statue des Stadtgründers Pedro de Heredia. Man sieht gepflegte Kolonialhäuser mit wunderschönen
Balkonen voller Blumen, besichtigt die Kathedrale und geht durch die Calle de las Damas, wo nach
einer Legende die Jungfrau von Candelaria erschienen ist. Es gibt unendlich viele schöne Plätze,
Parks und Gebäude in Cartagena. Unsere Stadtführung dauerte bis nach Anbruch der Dunkelheit.
Der nächste Tag war für uns frei. Wir nutzten ihn, um uns
nochmals die malerische Altstadt anzusehen, gelangten zur
Plaza de Santo Domingo mit der gleichnamigen Kirche.
Glücklicherweise war sie heute geöffnet. Vor den beiden
Restaurants am Platz wurden gerade die Tische eingedeckt.
Wir besuchten Boteros Gertrude und lächelten über die
modernen Metallskulpturen rund um den Platz, die „ganz
normale Menschen“ darstellen, einen Straßenmusikanten,
Schachspieler, eine Näherin usw. Das Goldmuseum
Cartagenas war leider geschlossen. „Kommen Sie morgen um
10Uhr wieder,“ meinte der Aufsichtsbeamte. Wir fanden
einen Souvenirladen, in dem es Ansichtskarten und
Briefmarken gab, schrieben unsere Grüße gleich an Ort und
Stelle und warfen die Post in den vorgesehenen blauen Kasten.
Die heiße Mittagszeit verbrachten wir auf der Dachterrasse des Hotels unter einem Sonnenschirm
am Pool. Und natürlich mussten wir am Nachmittag die traditionelle Kutschfahrt durch die Altstadt
nachholen, die wir bei unserem ersten Besuch verpasst hatten.Wir saßen danach lange in einem
kleinen Park, hörten der Musik aus einem Restaurant zu und schlenderten anschließend zurück ins
Hotel. Wir mussten eine kleine Reisetasche für die Übernachtung in Mompox packen. Die Koffer
sollten bis zu unserer Rückkehr am übernächsten Tag im Kofferraum stehen bleiben.
Mompox
Mompox liegt, ca 6 Stunden Autofahrt von Cartagena entfernt, auf einer Insel am Unterlauf des
Río Madgalena. Dank der guten Schiffbarkeit des Magdalena zur Zeit der Kolonisation, und weil es
nicht wie Cartagena den Angriffen der Piraten ausgesetzt war, entwickelte sich Mompox zu einem
wichtigen Handelszentrum. Dann aber änderte der Magdalenastrom seinen Lauf, versandete und
wurde für große Schiffe unpassierbar. Die Stadt verlor an Bedeutung. Sie blieb sozusagen im
Mittelalter stecken. Damals war das für die Bewohner eine Katastrophe, heute ist es der Grund für
das Interesse der Touristen an Mompox.
Das Auto ließen wir in einem bewachten Hof im
kleinen Ort Magangúe stehen. Rund um die sehr
abenteuerliche Anlegestelle der Personenfähre
herrschte Hochbetrieb. Kofferträger und Ticketkäufer
wuselten durcheinander, die Passagiere eroberten sich
einen Sitzplatz, die kleine Fähre war bis auf den
letzten Platz belegt. Man reichte uns
Schwimmwesten, aber in der Enge wäre es
unmöglich gewesen, sie anzuziehen. Das Boot
machte gute Fahrt. Wer an der Seite saß, erhielt
gelegentlich eine Dusche mit Magdalenawasser. Nach
etwa 20 Minuten legte man beim Ort La Bodega an.
Von hier aus ging es mit dem Taxi weiter.
In dem sehr schönen und neuen Hotel, in dem wir heute Nacht wohnten, brachte man uns gleich
einen Begrüßungsdrink, den wir gerne annahmen. Ehe wir allerdings ins Zimmer entlassen wurden,
hatte der Besitzer des Biomá noch etwas auf dem Herzen. „Wie lange bleibt Ihr?“ fragte er. „Es ist
so schade, dass Touristen die lange Fahrt von Cartagena nach hier unternehmen und nur einen Tag
bleiben können. Ihr habt viel zu wenig Zeit für die Stadt und für den Besuch des Jardín Botánico
mit seinen unzähligen Pflanzen, ganz zu schweigen von einer Bootsfahrt zur Tierbeobachtung.
Schade, schade, aber da kann man nichts machen.“
Eine Viertelstunde später klopfte Eduardo an unsere Tür.
Strahlend berichtete er von einer Bootsfahrt auf dem Brazo
Mompós, die in einer Viertelstunde beginnen sollte. „Seid Ihr
sehr müde,“ fragte er, „oder soll ich uns anmelden? Das Boot
fährt nur, wenn mindestens zehn Leute kommen.“ Wir
schlüpften wieder in die Schuhe, holten die Kamera und
liefen durch das Dorf zum Ufer. Die Fahrt durch die Kanäle
und Lagunen rund um Mompox lohnte sich. Wir sahen
Leguane und Vögel, Fischer kontrollierten ihre Angeln, die
am Ufer im Boden steckten, kleine Buben badeten
splitternackt im Fluss. An einem kleinen Dorf machten wir
halt. Die Bewohner sind anscheinend an Besucher gewöhnt.
Man saß vor dem Haus, Frauen boten frische Arepas direkt vom Herd an, Männer saßen im
Schaukelstuhl und tranken Bier. Mehrere Leute liefen fein herausgeputzt zur kleinen Kirche. Nur
die Schulkinder kamen neugierig heran und begleiteten uns ein Stück. An Hauswänden und Zäunen
waren noch die Spuren der letzten großen Überschwemmung zu sehen. „Während der Regenzeit
gibt es hier auf der Insel regelmäßig Hochwasser,“ erklärte der Bootsmann. „Im vergangenen Jahr
war es besonders schlimm.“ Jetzt konnten wir uns auch die
hohen Bürgersteige in Mompox erklären. Ohne Anstrengung
erklimmt man sie nur über ein oder zwei Stufen, die in
regelmäßigen Abständen zu finden sind. Während der
Rückfahrt wurde es dunkel. In Mompox gingen die Lichter an.
Die Kirche Santa Barbara, die man vom Ufer aus sah, war hell
beleuchtet.
Am nächsten Morgen mussten wir ziemlich früh aus den
Federn. Der Rundgang durch das Städtchen stand noch aus,
und das Taxi für die Rückfahrt zur Fähre war für 10 Uhr
bestellt. Ein Stadtführer, der uns zu den Sehenwürdigkeiten
bringen sollte, holte uns am Hotel ab. Er begann seinen
Vortrag aber erst an der Plaza mit einem Gedicht. Ein Mitglied
der Touristenpolizei begrüßte uns und wünschte einen netten
Aufenthalt in der Stadt.
Santa Cruz de Mompox, so der offizielle Name des Ortes, besteht eigentlich nur aus drei
Hauptstraßen und kleinen Seitengässchen, hat aber immerhin 6 Kirchen, denn jeder christliche
Orden, Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner usw. erbaute ein Gotteshaus. Unser Stadtführer nannte
uns die Namen: San Agustín, Santa Barbara, San Francisco, Santo Domingo, San Juan de Dios und
die Kathedrale La Concepción. Sie alle wurden für die bevorstehende Karwoche renoviert und
herausgeputzt. Wir sahen die alten Herrenhäuser mit schmiedeeisernen Gittern, im speziellen Stil
der arquitectura momposina erbaut. Es ergab sich die Möglichkeit zu einem spontanen Besuch einer
der prächtigen Villen. Die Besitzerin versicherte uns, dass das Haus wirklich bewohnt wurde. Aber
es hätte ebenso gut ein Museum sein können mit den erlesenen Stilmöbeln. Unbedingt ansehen
sollte man sich auch den städtischen Friedhof. Weiß und makellos leuchten die marmornen
Mausoleen und imposanten Grabstätten rechts und links des rosa gepflasterten Weges, der durch
den Torbogen hindurch direkt zur Kapelle führt. Auch hier wurde mit großem Fleiß alles für die
Karwoche vorbereitet.
Im Zentrum der Stadt besichtigten wir das Colegio Pinillos, das vor etwa zweihundert Jahren
gegründet wurde und die älteste Universität der Küstenregion war. Sein berühmtester Schüler war
der kolumbianische Schriftsteller Candelario Obeso (1849). Jugendliche in Schuluniformen laufen
heute durch den Patio und um den weißen Pavillon. Das historische Gebäude macht einen sehr
gepflegten Eindruck.
Wofür ist Mompox sonst noch bekannt? Die muebles
momposino sind begehrt in Kolumbien, insbesondere die
Schaukelstühle. Es gibt außerdem immer noch die
traditionelle Gold- und Silberschmiedekunst. Wir
besichtigten eine Künstlerwerkstatt, in der aus
hauchdünnen Drähten filigrane Schmuckstücke entstanden.
Sie erinnerten an die unzähligen Fische aus Goldfäden, die
Gabriel García Marquéz in seinem Roman „Hundert Jahre
Einsamkeit“ entstehen ließ. Lag hier der Ursprung der
Idee?
In der Umgebung von Mompox findet man immer wieder
Artefakte der ursprünglichen indianischen Bevölkerung.
Eduardo führte uns in eine Werkstatt, in der man solche Stücke reinigt. Anscheinend werden sie
auch gelegentlich illegal verkauft. Warum sonst hätte uns die Touristenpolizei heute morgen
zusammen mit einem Stadtplan die Postkarte überreicht mit der Aufschrift: „Por favor no viaje con
nuestro patrimonio. Robar patrimonio se paga con
cárcel.“ Recht so, solche Funde gehören ins
Museum.
Am Hotel wartete bereits das Taxi. Eduardo hatte
es ein wenig eilig, denn der Weg zurück nach
Cartagena war lang und seine Frau hatte heute
Geburtstag. Wir mussten am Fährhafen jedoch
etwas warten, es fehlten noch neun Passagiere für
die Überfahrt. Das Problem löste sich aber
schneller als erwartet. In Magangúe fanden wir das
Auto unversehrt vor, und dann hatte Eduardo freie
Bahn. Halt machten wir um die Mittagszeit an
einer Tankstelle, in deren Nachbarschaft sich Händler mit indianischem Kunstgewerbe
niedergelassen hatten, ähnlich wie in Riohacha. Während wir noch um eine Tasche handelten, ging
draußen ein sintflutartiger Regen nieder. Hatte der Hotelier in Mompox nicht gesagt, dass der
Frosch im Garten mit seinem Quaken Regen ankündigt? Eduardo erklärte uns, dass dieser erste
Niederschlag „Lavar techos“ genannt wird, weil er die Dächer und Pflanzen vom Staub der
Trockenzeit reinigt.
In Cartagena herrschte allerdings wieder eitel Sonnenschein. Eduardo musste sich ziemlich schnell
von uns verabschieden, nachdem wir im Monterrey wieder eingecheckt hatten. Sein Auto stand im
absoluten Halteverbot. Es blieb kaum Zeit, ihm Glückwünsche an seine Frau Yvonne aufzutragen.
Am Abend unternahmen wir noch einen kurzen Rundgang durch die Altstadt. Der Uhrturm
verabschiedete sich mit einem Wechselspiel aus bunter Beleuchtung.
Unsere Rundreise durch die karibische Zone Kolumbiens war
beendet. Wir haben einen faszinierenden Teil des Landes
kennen gelernt, waren in gepflegten Städten und kleinen
staubigen Dörfern. Im Gegensatz zu Cartagena de Indias sind
in Städten wir Valledupar, Riohacha, Aracataca oder
Barranquilla die Kolumbianer noch unter sich. Man sah, wie die
Leute außerhalb der touristischen Gebiete leben, wie die
Familien das Wochenende am Ufer des Flusses verbringen und
hörten die karibische Musik aus den kleinen Kneipen. Wir
bemerkten aber auch mehr von der Armut, die in einigen
Landesteilen herrscht. Besonders im Gedächtnis geblieben ist
uns dazu das Departamento Guajira, wo manche Familien ihren
Lebensunterhalt mit dem Verkauf von geschmuggeltem Benzin
verdienen. Kolumbien ist ein faszinierendes Land voller
Gegensätze. Wir haben viel gesehen und gelernt in diesen zwei
Wochen.
Royal Decameron Barú
Pünktlich um 10.30 Uhr holte uns ein Taxi am Hotel ab,
wie es telefonisch am Vorabend angekündigt war. Der
Hotelbus wartete am Flughafen auf uns. Es gab also noch
einmal eine kleine Stadtrundfahrt durch Cartagena, vorbei
an der Stadtmauer und dem Hafen. Wir erfuhren, dass hier
am folgenden Wochenende ein Treffen aller
amerikanischen Präsidenten stattfinden würde. Auch
Obama wurde erwartet. Seine Sicherheitsleute, so erzählte
der Taxifahrer, hielten sich schon seit zwei Wochen in der
Stadt auf. Sie waren aber sicher nicht der Grund für den
Verkehrsstau rund um Cartagena.
Es dauerte ein wenig länger als vorgesehen, ehe wir bei den Bussen zum Decameron Barú
ankamen. Bevor wir aber einsteigen konnten, mussten wir noch den Voucher für den Transfer im
Flughafengebäude bestätigen lassen. Es gab ein leicht nervendes Hin und Her in der heißen
Mittagssonne, aber dann war unser Gepäck verstaut und wir hatten einen Sitzplatz im Bus. Etwa
eine knappe Stunde dauerte die Fahrt bis zur Fähre.
Die Isla Barú ist vom Festland getrennt durch den Canal del Dique, einem Verbindungskanal vom
Río Magdalena zum Meer. Sowohl die Busse zum Hotel als auch Privatfahrzeuge sind auf die
kleine Fähre angewiesen. Die Überfahrt ist nur kurz. Auf der Insel Barú gibt es lediglich drei kleine
Dörfer: Santa Ana, Ararca und Barú. Die
Landschaft war karg und staubig. Man merkte,
dass die Natur auf die bevorstehende
Regenzeit wartete.
Im Hotel Royal Decameron Barú haben wir ein
kleines Paradies gefunden. Es liegt oberhalb
eines weißen Sandstrandes, umgeben von
einem Park voller tropischer Pflanzen.
Bougainvilleen in zahlreichen Farben standen
in voller Blüte. Außerhalb des Gartens ist der
ursprüngliche urwaldähnliche Bewuchs erhalten. Zum Strand hinunter führt eine Treppe. Man fand
immer einen passenden Liegestuhl im Schatten an einem der Pools. Besonders am Nachmittag
bevölkerten kleine grüne Papageien die Bäume. Dann musste man gelegentlich vor den Futterresten
flüchten, die die Vögel herunterwarfen.
Als ideal empfanden wir die offene Bauweise der Rezeption und des Buffetrestaurants. Die riesigen
Deckenventilatoren sorgten für angenehme Kühlung, so dass auf lästige und nervende KlimaAnlagen verzichtet werden konnte. Abends saß man im Freien an der Bar oder besuchte auch mal
die Abendveranstaltungen der Animation. Man kam mit anderen Gästen ins Gespräch, die natürlich
viele Fragen über Deutschland und Europa stellten. Die Zeit verging uns viel zu schnell. Obwohl
sich an einem der letzten Tage die beginnende Regenzeit mit hoher Luftfeuchtigkeit ankündigte,
wären wir gerne noch geblieben. Es stimmt schon: „El riesgo es que te quieras quedar.“
März 2012
Edith Rompf
Bilder KH. und E. Rompf

Documentos relacionados