Laborschule Bielefeld

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Laborschule Bielefeld
Laborschule Bielefeld
Definition
Die Laborschule in Bielefeld ist Versuchsschule des Landes
Nordrhein-Westfalen. An der Laborschule werden Schüler der
Jahrgänge 0 (Vorschuljahr) bis 10 unterrichtet, wobei die
Übergänge von einem Jahrgang zum nächsten fließend sind.
Die Schule unterteilt nicht nach Jahrgängen, sondern nach
Stufen, die mehrere Jahrgänge zusammenfassen, sich
teilweise überschneiden und altersgemischte Gruppen bilden.
Notenzeugnisse werden erst in den Jahrgängen 9 und 10
erteilt.
Konzept
Pädagogische Leitlinien
Die Laborschule Bielefeld soll ein Ort sein, wo Kinder und
Jugendliche gerne leben, lernen und hingehen. Sie soll viele
Erfahrungen ermöglichen, die die Kinder an einer anderen
Schule sonst nicht machen könnten. Der Schwerpunkt des
Konzepts liegt darin, dass das Leben und Lernen eng
aufeinander bezogen sein sollen. Der Unterricht folgt dem
Prinzip, lernen an und aus der Erfahrung, keinesfalls die
Belehrung. Außerdem versteht sich die Laborschule Bielefeld
als In-die-Stadt-hinein-Schule, die die nähere und auch
weitere Umgebung, die Natur, die Kommune und die Region
als Lernmöglichkeiten mit in ihre Arbeit einbezieht.
Ein weitere wichtige Haltung der Laborschule Bielefeld ist,
dass diese bewusst die Heterogenität jedes einzelnen
Schülers bejaht und diese auch als Bereicherung sieht. Daraus
ergibt sich eine Individualisierung des Unterrichts, die
Rücksicht auf das unterschiedliche Lerntempo und die
individuell verschiedenen Bedürfnisse und Fähigkeiten
nimmt. Schüler lernen gemeinsam in leistungs-, teilweise
auch altersheterogenen Gruppen. Die Schule will niemanden
aussondern, es gibt kein „Sitzenbleiben“ und auch keine
Leistungsdifferenzierung. Es gibt keine Differenzierung der
Schüler nach Fachleistungen, sondern Schüler mit
besonderem Lernbedarf werden in derselben Lerngruppe
unterrichtet, genauso wie die Schüler, die später eine
gymnasiale Oberstufe besuchen werden. Ein weiterer
interessanter Punkt ist, dass es in der Laborschule Bielefeld
auch keine Klassenzimmer vorfindet. Die verschiedenen
Lerngruppen haben sogenannte Stammgruppenflächen, sind
aber nicht völlig voneinander abgeschirmt. Es gibt keine
Schulfächer, die Schüler lernen in Erfahrungsbereichen, z.B.
der Umgang mit anderen Menschen. Außerdem werden bis
zur 9. Klassenstufe keine Noten vergeben.
Die Laborschule Bielefeld versteht sich als Gemeinschaft aller
in ihr tätigen Personen, die einander in ihrer
Unterschiedlichkeit
akzeptieren
und
achten.
Verhaltensweisen, die von erwachsenen Bürgern in unserer
Gesellschaft erwartet werden, sollen hier im Alltag gelernt
werden wie z.B. friedliche und vernünftige Konfliktlösung.
Gruppenfahrten sind ein wichtiger Bestandteil der
pädagogischen Arbeit in dieser Schule. In jedem Schuljahr
wird eine Reise angeboten, in die Umgebung, Sportreisen
oder auch Auslandsreisen nach Skandinavien oder Italien
werden angeboten.
Des weiteren müssen die SchülerInnen der Laborschule
Bielefeld diverse Praktika durchlaufen. Im 7. Schuljahr
müssen die Kinder ein einwöchiges Praktikum in einem
Kindergarten absolvieren. In der 8. Klasse ein 2-wöchiges
Praktikum in einem Produktionsbetrieb und im 9. Schuljahr
ein 3-wöchiges im Dienstleistungssektor. Im 10. Jahr dürfen
die Jugendlichen ein Praktikum ihrer Wahl zur eigenen
Berufsfindung machen. Eine einwöchige Hospitation an
weiterführenden Schulen im letzten Schuljahr dient der
Information über die in Zukunft zu erwartenden
Anforderungen. Wichtig bei der Arbeit ist, dass die Praktika
zusammen mit den Schülern und Schülerinnen intensiv vorund nachbereitet werden, um ihnen eine Hilfe zu geben sich
realitätsnah auf die Arbeitswelt einzustellen und um die
Berufswahl zu erleichtern.
Gründer
1974 wurde die Schule nach Ideen des Pädagogen Hartmut
von Hentig gegründet. Hartmut von Hentig (geboren 23.
September 1925) gilt als Initiator des Gesamtvorhaben;
wichtig ist ihm eine gemeinsame Grundüberzeugung, da die
Schule vorrangig ein Gemeinschaftswerk sein soll – ebenfalls
betont er, dass die Laborschule „sich und ihre Ordnungen und
Wandlungen selbst hervor“1 bringt; die Schule befindet sich
demnach immer in „Bewegung“, sie verändert sich immer
weiter.
Schülerschaft
1
Mein Leben, Schule, Polis, Gartenhaus 2007, S. 277.
Insgesamt fasst die Laborschule Bielefeld 660 Schüler. Pro
Jahr werden jeweils 60 Schüler eingeschult. Als „Schule für
alle“ ist es Ziel, Kinder aus allen Schichten entsprechend ihrer
Verteilung in der Gesellschaft zu erreichen; verstärkt versucht
man die Kinder aus bildungsfernen Schichten hinzu zu ziehen
(dieses Ziel wird jedoch nicht erreicht. Vorrangig sind Kindern
aus einem akademischen Milieu an der Schule vertreten).
Die Schule ist in vier Stufen gegliedert (Stufe I: Jahrgänge 0 –
2; Stufe II: Jahrgänge 3 – 5; Stufe III: Jahrgänge 5 – 7; Stufe IV:
Jahrgänge 8-10).
PISA-Test
Im Jahr 2002 wurden die Schüler an der Laborschule Bielefeld
gesondert getestet.
Im Bereich „Lesen und Naturwissenschaften“ sind die
Ergebnisse vergleichbar mit denen von Kindern ähnlicher
sozialer Herkunft sowie der Gymnasialschüler.
Im Bereich „Mathematik“ liegen die Laborschüler jedoch
zurück (zu beachten ist, dass zu Beginn kein Fach Mathematik
angeboten wurde, da Hentig davon ausging, dass man etwas,
dass man überall (im täglichen Alltag) lernt, auch gut lernt –
Irrtum.)
In „Charakterbildung“ schnitt die Laborschule herausragend
ab; die Schüler sind bereit, Verantwortung zu übernehmen
und sich zu engagieren.
Letztendlich stellte sich heraus, dass die gleichen
Selektionsmechanismen wie im Regelschulsystem wirken:
Kinder aus höheren sozialen Schichten erzielen bessere
Ergebnisse, als die aus einfacheren Verhältnissen. Jedoch
schafft es die Laborschule, Kinder aus einfacheren
Verhältnissen bis zum Schulabschluss zu bringen.
Personal
Auf 660 Schüler kommen 60 Lehrer sowie 40 weitere
Fachkräfte (Sozialpädagoisches-, Handwerkliches- und
Verwaltungspersonal).
Inklusion an der Laborschule Bielefeld
Susann Thurn war langjährige Leiterin der Laborschule und
hat viele Erfahrungen im Bereich der Inklusion gesammelt.
Für sie ist die Inklusion der einzig gangbare Weg, niemand
dürfe im Schulsystem ausgeschlossen werden. Frau Thurn
hatte in der Laborschule Bielefeld die Aufgabe neue Lehr- und
Lernmethoden und neue Formen des Zusammenseins zu
entwickeln. Sie ist der Meinung, um eine neue Schule für alle
zu schaffen, bedarf es einem längeren Prozess, der sowohl
Schüler, Lehrkräfte und Eltern fordert. Außerdem sagt sie,
dass alle Beteiligten von einer inklusiven Schule profitieren
würden, dennoch dürften an solch einer Schule nicht mehr
als 10% der Kinder mit Förderbedarf unterrichtet werden, um
effektiv arbeiten zu können.
Kritik
Die Laborschule Bielefeld kann sich fast frei jeglicher Kritik
sehen. Wie häufig leidet auch ihr Konzept an fehlenden
finanziellen Mitteln, aber trotzdem schafft sie es, sich zu
behaupten und den Leitfaden konsequent zu folgen.
Die Schule selbst kritisiert das fehlende Gleichgewicht
zwischen bildungsfernen und bildungsnahen Schichten in der
Schülergemeinschaft.