Mit Extra-Reisekarte und 10 Entdeckungstouren!

Transcrição

Mit Extra-Reisekarte und 10 Entdeckungstouren!
Reise-Taschenbuch
Kreta
»Wer das wahre Gesicht der Insel entdecken will, muss die stillen
Gebirgsdörfer aufsuchen, die man auf endlosen Kehren erreicht …«
Mit Extra-Reisekarte und 10 Entdeckungstouren!
Inhalt
Schnellüberblick
Strände und Hochgebirge
Lieblingsorte
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10
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Reiseinfos, Adressen, Websites
Information
Wetter und Reisezeit
Rundreisen planen
Anreise und Verkehrsmittel
Übernachten
Essen und Trinken
Aktivurlaub
Feste und Unterhaltung
Reiseinfos von A-Z
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Panorama –
Daten, Essays, Hintergründe
Steckbrief Kreta
Geschichte im Überblick
Eine Insel als Kontinent
Im Reich der Wildziege
Die Minoische Kultur
Venezianische Architektur
Kretische Gastfreundschaft
Die soziale Lage der Kreter
Patronat und Klientel
Kretische Feste, kretische Bräuche
Sirtaki, Bouzouki und die Lyra
Nikos Kazantzakis – der Autor von »Alexis Sorbas«
Allgegenwärtig – Eleftherios Venizelos
Das Kafenio
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Inhalt
Unterwegs auf Kreta
Iráklio und sein Hinterland
Kretas Hauptstadt
Iráklio
Knossós
Archánes
Vathípetro
Mirtiá
Thrapsanó
Am Nordhang des Ida-Gebirges
Koumpedes und Arolíthos
Minoische Villa von Tílisos
Anógia
Axós und Zonianá
Nída-Hochebene
Westlich von Iráklio
Rodiá und Moní Savathíana
Fódele
Zwischen Ida-Gebirge und Südküste
Badeorte und antike Ruinen südlich von Iráklio
Ins Ida-Gebirge
Zarós und Roúvas-Schlucht
Kloster Vrondisíou
Kloster Valsamónerou
Friedenskapelle in Grigoría
Die Messará-Ebene
Gortis
Míres
Festós (Phaitos)
Minoische ›Villa‹ von Agía Triáda
Vóri
Die Südküste Zentralkretas
Agía Galíni
Kókkinos Pírgos
Mátala
Agiofárango
Léndas
Kapetanianá
Bucht von Mália und Lassíthi-Ebene
Zwischen Urlaubsküste und Díkti-Gebirge
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Inhalt
Amnisós und Nírou Cháni
CretAquarium
Chersónisos, Stalída, Mália
Minoischer Palast von Mália
Sisi
Mílatos
Kloster Kerá Kardiótissa
Lassithi-Ebene
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Ágios Nikólaos und der Mirabello-Golf
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Sympathische Stadt am malerischen Golf
Ágios Nikólaos
Eloúnda
Fort Spinalónga
Pláka
Kritsá
Lató
Gourniá
Kavoúsi und Thólos
Chamézi
Móchlos
Sitía und der äußerste Osten
Trockenes, sonniges Land
Sitía
Kloster Toploú
Vái
Ítanos
Palékastro
Zákros
Der minoische Palast von Káto Zákros
Wanderung durch das ›Tal der Toten‹
Xerókambos
Ierápetra und der Südosten
Ein Hauch von Afrika
Ierápetra
Koutsonári
Makrígialos
Inseln Chrisí und Koufonísi
Mírtos und die Küste im Westen
Tértsa und Sidonía
Arví
Keratókambos und Kastrí
Tsoútsouros
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Inhalt
Réthimno und Umgebung
Reiches Erbe der Geschichte
Réthimno
Die Nordküste um Réthimno
Pánormo
Balí
Georgioúpoli
Ausflüge rund um Réthimno
Archéa Eléftherna
Margarítes
Melidóni-Höhle
Argiroúpoli
Nekropole Arméni
Spilí
An der Südküste
Préveli
Plakiás
Káto Rodákino und Koráka
Frangokástello
Chaniá und der Nordwesten
Alte Hauptstadt, stille Dörfer
Chaniá
Halbinsel Akrotíri
Kloster Agía Triáda
Klöster Gouvernéto und Katholikó
Stavrós
Souda-Bucht
Halbinsel Drápano
Kalíves und Almirída
Vámos und Gavalochóri
Die Weißen Berge
Thériso
Zoúrva, Mesklá
Die Küste westlich von Chaniá
Kloster Goniás
Spiliá
Kíssamos
Bálos
Falásarna
Polirrinía
Topólia-Schlucht
Der Südwesten
An Kretas wilder Küste
Kloster Chrisoskalítissa
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Schnellüberblick
Chaniá und der Nordwesten
Hübscher Hafenort mit
venezianisch-türkischen
Bauten, im Umland kleine
Badeorte an den Küsten.
S. 238
Réthimno und Umgebung
Reizvolle Altstadt mit
einem Bilderbuchhafen.
Arkádi, Kretas bedeutendstes Kloster. An der Südküste der Palmenstrand
von Préveli. S. 210
Der Südwesten
Die Weißen Berge mit der
majestätischen SamariáSchlucht. Keine bedeutenden Sehenswürdigkeiten,
aber Wandermöglichkeiten
und gute Badeorte. S. 262
Zwischen Ida-Gebirge und
Südküste
Uralte Kulturlandschaft mit
dem minoischen Festós und
der römischen Stadt Górtis.
Herrliche Strände, kleine
Badeorte, viel Individualtourismus. S. 122
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Iráklio und sein Hinterland
Kretas einzige Großstadt,
lebendig, quirlig, aufregend. Das Archäologische
Museum und Knossós sind
die Top-Sehenswürdigkeiten. S. 84
Ierápetra und der Südosten
Wie die Ostküste heiß und
trocken, nur in den Tälern
Waldbestände. Keine großen Sehenswürdigkeiten,
aber gute Badehotels und
Wandermöglichkeiten.
S. 198
Bucht von Mália und
Lassíthi-Ebene
Pauschaltourismus entlang
der Küste, dazu das einsame Hinterland mit der
reizvollen Lassíthi-Hochebene. S. 142
Ágios Nikólaos und der
Mirabéllo-Golf
Herrliche Buchten und
Inseln; Luxus-Hotelerie bei
Eloúnda. Krítsa ist ein
Höhepunkt der byzantinischen Wandmalerei. S. 158
Sitía und der Osten
Trockene, steinige Landschaft, hübsche Kleinstadt
Sitía. Herrliche, einsame
Strände an der Ostküste.
Gute Wandermöglichkeiten. S. 178
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Die verkehrsberuhigten Altstadtgassen
von Iráklio. S. 92
Stausee bei Záros mit einfachen
Forellenrestaurants. S. 126
Einsamer Traumstrand bei Xerokámbos
ganz im Südosten. S. 196
Taverna Sarakas im Bergdorf Póros bei
Argiroúpoli. S. 232
Minoischer Palast von Mália, ganz nah
am Meer. S. 148
Der kleine Urlaubsort Mochlós zwischen
Ágios Nikólaos und Sitía, S. 176
Die Reiseführer von DuMont werden von Autoren geschrieben, die ihr Buch
ständig aktualisieren und daher immer wieder dieselben Orte besuchen. Irgendwann entdeckt dabei jeder Autor seine ganz persönlichen Lieblingsorte. Dörfer,
die abseits des touristischen Mainstreams liegen, eine ganz besondere Strandbucht, Plätze, die zum Entspannen einladen, ein Stückchen ursprünglicher
Natur, eben Wohlfühlorte, an die man immer wiederkehren möchte.
Das alte Dorf Kókkino Chorió auf der
Drápano-Halbinsel. S. 251
Hochgebirgsgipfel Gíngilos über der
Samariá-Schlucht. S. 274
Eine Insel als Kontinent
Kreta ist die größte Insel Griechenlands und nach Sizilien, Sardinien,
Zypern und Korsika die fünftgrößte
des Mittelmeers. Megalonissos,
Großinsel, nennen viele Kreter ihre
Heimat stolz und halten sie für einen
eigenen kleinen Kontinent.
In der Tat hat dieser ›Kontinent‹ allerlei Superlative und Besonderheiten zu
bieten. So ist Kreta die südlichste Region Europas, der südlichste Zipfel
Griechenlands – nur hier können innerhalb Griechenlands Bananen angebaut werden.
Mehr als zwei Drittel der Insel sind
von Gebirgen bedeckt. Im Laufe ihrer
Geschichte waren die Kreter mehr den
Bergen als dem Meer zugewandt. Die
Berge waren Lebensgrundlage und Zu-
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flucht der Widerstandskämpfer in den
Jahrhunderten der Fremdherrschaft.
Wegen ihrer Tapferkeit in diesen
Kämpfen gelten die Kreter gleichsam
als ›Super-Griechen‹.
Insel der Gebirge
Von Westen nach Osten lassen sich vier
Hochgebirgsgruppen unterscheiden:
die Weißen Berge (Lefká Óri) mit den
2452 m hohen Páchnes-Spitzen, das
Ida-Massiv (Óros Idí) mit dem 4 m höheren Psilorítis (2456 m), das DíktiMassiv (Lassithiótika Óri) mit dem
2148 m hohen Diktí und schließlich in
Ostkreta das Orno- und Thriptí-Massiv
(Óri Thriptís) mit dem 1476 m hohen
Aféndis Stavroménos.
Die Erde lebt
Wie die Alpen und auch der Dinarische
und Taurische Gebirgsbogen (Balkan,
Griechenland, Südtürkei) faltete sich
Kreta als ein Teilstück dieses Bogens
erst in der Erdneuzeit, im Tertiär, zur
heutigen Form auf. Dabei ist die Gebirgsbildung bis heute nicht abgeschlossen. »Unsere Felsen wachsen, alles bewegt sich, alles lebt«, wissen die
Berghirten Kretas zu erzählen. Jährlich
treibt die Insel um fünf Zentimeter
nach Süden.
Und wie oft haben Erdbeben die Insel heimgesucht! Schon die Minoer
suchten sich zu schützen, indem sie
ihre Häuser als Fachwerkkonstruktionen bauten. Daten und Zahlen liegen
erst ab dem 19. Jh. vor: 1810 waren bei
einem Erdbeben 2000 Tote zu beklagen und 1856 blieben in Iráklio von
3620 Häusern lediglich 18 stehen! Iráklio wurde außerdem 1926 und 1970
von Erdbeben erschüttert.
Die labile Lage Kretas zwischen den
Dinarischen Alpen und dem TaurusGebirge bewirkte in historischer Zeit
ein wellblechartiges Auf und Ab der
Küstenlinie, wobei sich der Westen
Kretas hob und der Osten absank.
Fährt man zum Beispiel nach Durchwanderung der Samariá-Schlucht mit
der Fähre von Agía Rouméli nach
Chóra Sfakíon, so ist die alte Küstenlinie etwa 50 m über dem heutigen
Meeresspiegel deutlich zu erkennen.
Die antiken Hafenanlagen von Falásarna und das Kloster Chrisoskalítissa
im Westen liegen heute in 6–7 m Höhe
auf dem Trockenen.
Im Osten dagegen sind aus einstigen Halbinseln Inseln geworden, z. B.
die kleinen Eilande in der Bucht von
Mália oder die Insel Móchlos zwischen
Sitía und Ágios Nikólaos mit ihren
heute unter Wasser liegenden minoischen Mauern. Umgekehrt war im
Westen die Halbinsel Paleochóra vormals eine Insel.
Unabhängig von diesen Bewegungen betrug der Anstieg der Meeresoberfläche seit der Zeitenwende
durchschnittlich 1 mm pro Jahr, also
1 m in tausend Jahren, Beträge, die von
der Erhebung im Westen abzuziehen
und zur Senkung im Osten hinzuzuzählen sind. Die Zeitgenossen des Minos jedenfalls würden vermutlich
heute ihre kretischen Küsten nicht
mehr wiedererkennen. Und der aktuelle Anstieg von 7–8 cm pro Jahr (2008)
wird diese Entwicklung noch deutlich
verschärfen.
Schluchten und Höhlen
Reißende Flüsse, die im Winter durch
Regen und Schneeschmelze gebildet
werden, haben die Schluchten Kretas
geschaffen: cañonartige Einschnitte,
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die vor allem die steil abfallende Südküste gliedern und dort jeden Straßenbau am Meer entlang erschweren.
Am bekanntesten ist die SamariáSchlucht der Weißen Berge, ein Naturschutzpark, dessen Vegetation nicht
den Abholzungen des Menschen und
dem Hunger seiner Ziegen- und Schafherden zum Opfer gefallen ist.
Zum anderen haben Regen und
Schneeschmelze den Kalkstein der
Berge zu Höhlen ausgewaschen. Etwa
3000 Grotten hat man gezählt, hin und
wieder werden neue entdeckt. Viele
der Höhlen waren zugleich Zufluchtsorte, Wohn- und Kultstätten. Leicht erreichbar und zur Besichtigung am besten geeignet ist die Zeushöhle Diktéo
Ándro auf der Lassíthi-Ebene.
Die Hochebenen
Hoch gelegene Schwemmlandebenen
sind eine weitere Besonderheit der
kretischen Landschaft. Sie haben sich
durch Erosion gebildet; die Erdkrume
der Berghänge ist im Lauf der Jahrhunderte in ein geschlossenes Tal ge-
›Nationalgetränk‹ Wasser
Eisgekühltes Wasser (neró) aus der
Leitung wird traditionell zu allen
Gelegenheiten gereicht. Zum Kaffee, zum Kuchen, zum Essen, zum
Wein, manchmal sogar zum Bier.
In den Touristenzentren verliert
sich diese Sitte immer mehr. In einfachen Tavernen kann man bis
heute ohne weiteres, auch ohne
zu konsumieren, um ein Glas Wasser bitten. Das kretische Wasser ist
ohne Probleme trinkbar, in den
Städten schmeckt es jedoch leicht
nach Chlor.
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spült und dort abgelagert worden.
Diese Poljen sind sehr fruchtbar, ihr
Grundwasser wird hochgepumpt und
zur Bewässerung genutzt. Die ganzjährig bewirtschaftete Lassíthi-Ebene
war berühmt für ihre segelbespannte
Windräder als Antrieb für Wasserpumpen. Andere Hochebenen werden nur
in den heißen Monaten bewirtschaftet, z. B. die Omalós-Ebene in den Weißen Bergen oder die Katharó-Ebene
über Krítsa.
Mangelware: Wasser
Kreta liegt zwei bis drei Breitengrade
südlicher als Tunis und auch noch etwas südlicher als Gibraltar. Wasser ist,
wie vielerorts im mediterranen Raum
und überall in Griechenland, auch auf
Kreta rar. Regen fällt eigentlich nur im
Winter, und er verteilt sich zudem
nicht gleichmäßig über die Insel: In
Chaniá regnet es mit ungefähr 100 Tagen im Jahr doppelt so häufig wie in Sitía – die Weißen Berge fangen die Wolken ab und lassen sie ausregnen. Dementsprechend grün ist auch die
Landschaft Westkretas.
Etliche Wasserläufe, die in früheren
Jahrhunderten reichlich flossen, sind
heute ausgetrocknet. Die Venezianer
zählten im 17. Jh. immerhin noch 47
kretische Flüsse. Und ältere Leute auf
Kreta erinnern sich, dass der Fluss
durch das ›Tal der Toten‹ bei Zákros früher auch im Sommer durchgehend
Wasser führte.
Als Tourist erfährt man heute jedoch, dass es in den letzten Jahren auf
Kreta viel zu selten geregnet hat. Hingegen ist der Wasserverbrauch durch
die zahlreichen Hotels und durch die
Bewässerungen der Gemüsebauern in
den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen.
Im Reich der Wildziege
Die schönste Jahreszeit für Pflanzenfreunde ist zweifellos der Frühling.
Dann lassen die letzten Regenfälle
vor den heißen Sommermonaten alle
Pflanzen ersprießen. Ein bunter Blütenteppich überzieht selbst Schuttflächen. Angesichts dieser leuchtenden
Pracht darf jedoch nicht vergessen
werden, dass im Ganzen Wasserarmut und Verkarstung die Vegetation
Kretas prägen ...
Niedrige Pflanzen, die in der dünnen
Erdkrume Halt finden, überwiegen auf
Kreta. Sie haben Hartlaub, um die Verdunstung zu begrenzen, und Zwiebeln, Knollen oder Pfahlwurzeln, um
Wasser aus tieferen Schründen aufnehmen und speichern zu können. Neben der mediterranen Macchia-Flora
wie Ölbaum, Johannisbrot, Aleppokiefer, Steineiche, Zistrose, Mastixbaum
und Terpentinpistazie finden wir eine
spezielle ostmediterrane Flora mit der
immergrünen Kermeseiche, der blattabwerfenden Walloneneiche sowie
dem Erdbeerbaum.
Wildblumen & Kräuter
Kreta ist aber auch reich an endemischen Pflanzen, die nur auf dieser Mittelmeerinsel beheimatet sind. Dazu
gehört die Sternnarzisse, eine Strandpflanze, die schon auf einem minoischen Fresko aus Thíra (Santorini)
abgebildet ist, ebenso wie die Iris cretica auf einem Fresko aus Knossós.
Beide Malereien bezeugen die Naturverbundenheit der Minoer.
Die interessanteste Route für botanische Studien führt wohl durch die Samariá-Schlucht (s. S. 272). Hier kann
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Das Beste auf einen Blick
Iráklio und sein
Hinterland
Highlight!
Auf Entdeckungstour
Archäologisches Museum Iráklio: Eines
der Top-Museen der Welt mit einzigartiger Sammlung. Nirgendwo sonst
kann man die rätselhafte Welt der ›minoischen‹ Kultur des 2. Jt. v. Chr. besser
erleben. S. 99
El Greco und die Kretische Malschule:
Der berühmte spanische Maler heißt
eigentlich Domenikos Theotokopoulos. Er stammt aus dem Orangendorf
Fódele und hat sein Handwerk auf
Kreta gelernt. Zwei Gemälde im Historischen Museum werden ihm zugeschrieben. S. 96
Knossós: Die labyrinthische Palastanlage ist eine Top-Sehenswürdigkeit
Kretas. Gebaut wurde sie von der ersten Hochkultur Europas. S. 106
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Knossós – die Rätsel der minoischen
Kultur: Wer durch das Archäologische
Museum oder durch die Palastanlagen
von Knossós bummelt, begegnet auf
Wandmalereien schönen, weißhäutigen Frauen, die augenscheinlich bedeutender waren als die kleinen, rothäutigen Männer. War der minoische
Staat von Frauen beherrscht? S. 108
Kretisches Meer
Fódele
Iráklio
Archäologisches
Museum
El Greco und die
Kretische Malschule
Knossós
Néa Alikarnassos
Flughafen
Iráklio
Die Rätsel der
minoischen Kultur
Id
Nída-Hochebene
a
-
G
eb
irg
e
Kultur & Sehenswertes
Genießen & Atmosphäre
Venezianisches Iráklio: Hinter gewaltigen Stadtmauern entdeckt man venezianische Bauten wie die Loggia und
den Morosinibrunnen. S. 90
Tavernen am Hafen: In den Gassen gegenüber dem alten Hafen gibt es viele
kleine, lauschige Restaurants. S. 103
Ikonenmuseum: Hier werden wichtige
Gemälde der ›kretischen Schule‹ gezeigt. S. 95
Aktiv & Kreativ
Spaziergang auf der Hafenmole: Neben dem verkehrsberuhigten Norden
der Altstadt eine weitere Ruhezone.
Fast bis zum Flughafen zieht sich die
lange Hafenmole hin. S. 87
Fischessen im Vorort Néa Alikarnassós:
Unverfälschte kretische Küche mit
Fisch und Mezedes. S. 104
Abends & Nachts
Milatou-Straße: Szeneviertel hinter
dem Rathaus von Iráklio. S. 105
Musiktaverne Kritikon Alas: Hier kann
man unter Einheimischen Musik hören
und kretische Spezialitäten probieren.
S. 105
Wanderung auf der Stadtmauer: Man
kann auf dem Wall zum Meer gehen
und schöne Ausblicke genießen. S. 100
Ausflug ins Ida-Gebirge: Um der Sommerhitze zu entfliehen, fährt man auf
die Nída-Hochebene. S. 116
85
Kretas Hauptstadt
Ob von See her oder aus der Luft – der
überwiegende Teil aller Besucher
kommt in Kretas geschäftiger Hauptstadt Iráklio an. Die meisten von ihnen
sind im ersten Moment ziemlich enttäuscht: Iráklio ist von gesichtslosen
Neubauten geprägt. Es ist eine wild in
die Außenbezirke wuchernde Stadt,
die zu einem erheblichen Teil aus halbfertigen Betonskeletten zu bestehen
scheint. Auf dem Weg vom Flughafen
in die Innenstadt staut sich der dichte
Verkehr in engen, mit Auspuffgasen
geschwängerten Straßen.
Infobox
Tourist Information
EOT: Odos Xanthoudidou 1 (gegenüber dem Archäologischen Museum),
Infostelle für die ganze Insel, Tel. 28 10
24 62 99, Fax 28 10 24 62 95, dtkritis
@otenet.gr, Mo–Fr 8–14.30 Uhr.
Tel. Flughafenbüro: 28 10 39 73 05.
Ankommen & Rumkommen
Busstationen A, B, C: Zwei Genossenschaften teilen sich auf Kreta den gesamten Fernverkehr. Die ostkretische
unterhält die Busstationen A und B, die
für Westkreta besitzt in der Busstation
A eine eigene Abteilung C.
Flughafen s. S. 105
Parken: Es ist schwierig, in der Altstadt
einen kostenlosen Parkplatz zu finden.
Am besten parkt man an der langen
Hafenstraße östlich der Busstation
›Harbour‹.
Ausflüge ab Iráklio: Die Busse ins IdaGebirge fahren nur bis Anógia. Für die
Nída-Ebene braucht man einen Mietwagen.
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Doch Iráklio kann mehr sein als ein
verkehrstechnisch
unvermeidbarer
Einstieg in den Kreta-Urlaub. Die Stadt
ist in den letzten Jahren durch Fußgängerzonen erheblich attraktiver geworden. Auf der Straße 25. Avgoustou,
durch die einst der Verkehr brauste,
schlendern heute Einheimische und
Touristen. Links und rechts dieser
Straße findet man lauschige, ruhige
Ecken mit netten Cafés.
Für kulturhistorisch Interessierte beginnt in Iráklio die Zeitreise in die erste
Hochkultur auf europäischem Boden.
Außerdem spricht für Iráklio, dass man
am normalen kretischen Leben abseits
aller Folklore teilnehmen kann. Die
Einheimischen, die tagsüber ihren Einkäufen und Geschäften nachgehen
und sich abends geduscht und in
Schale geworfen bei der volta, dem
Abendbummel, zeigen, prägen das
städtische Leben.
Reizvoll ist das hügelige, relativ
grüne Hinterland mit dem Weindorf
Archánes, dem Orangendorf Fódele
und dem Ida-Gebirge mit den beiden
kretischen Zeus-Höhlen. Archäologisch
interessant ist Tílisos, ein ursprünglich
gebliebenes Weinbauerndorf mit drei
minoischen Villen im Ortsgebiet. Auch
ein Besuch im CretAquarium im Vorort
Goúrnes, einem mediterranen Meereszoo, kann einen Iráklio-Aufenthalt
aufwerten. Selbst Baden ist an den
Stränden östlich und westlich der Stadt
gut möglich – es gibt auf Kreta jedoch
weit bessere Badestrände.
Iráklio
K/L 3
Mit etwa 140 000 Einwohnern ist Iráklio nach Athen, Thessaloníki und Pátra nicht nur die viertgrößte Stadt Grie-
Iráklio: Hafen
chenlands und die größte Kretas, sondern auch das wirtschaftliche, politische, kulturelle Zentrum der Insel.
Touristen sind hier deutlich in der Minderzahl, insofern darf Iráklio als authentischste Stadt Kretas gelten.
Wirtschaftlich spielt Iráklio für Kreta
die Rolle, die Athen für Griechenland
spielt: Ballungsraum von Industrie, Gewerbe und Handel und damit Ziel der
Landflüchtigen und Hoffnung für zahllose Menschen, die Arbeitslosigkeit
oder unrentable Landarbeit von den
Dörfern in die Städte treibt. Traum der
meisten ist es, sich hier einmal mit einem magazi, einem Geschäft, selbstständig zu machen.
Iráklios Namensgeschichte spiegelt
zugleich das wechselvolle Geschick der
Stadt wider. Der Name leitet sich von
Herakles her, was die altgriechische
Schreibung ›Herakleion‹ noch besser
erkennen lässt. Während der arabischen Herrschaft hieß der Ort Rabd al
Khandak (›Grabenfestung‹), doch an
jene frühmittelalterliche Zeit erinnert
so gut wie nichts mehr. Die Byzantiner,
die die Insel 961 zurückeroberten,
nannten die Stadt Chandax. Als sie
dann 1204 zu Venedig kam, wurde
Chandax zu Candia, pars pro toto hieß
für die Venezianer dann ganz Kreta
Candia. Die Griechen nannten ihre
Stadt zur Türkenzeit allerdings nicht
Candia, sondern Megalo Kastro (›Großes Kastell‹), und so heißt sie auch in
Kazantzakis’ Romanen. Nach der Befreiung 1898 erhielt Herakleion/Iráklio
dann seinen alten Namen wieder zurück.
Hauptstadt war Iráklio sowohl unter
den Venezianern wie unter den Türken, und zwar bis 1852. Hier standen
der Palazzo Ducale und der Amtssitz
des türkischen Paschas, von denen
nichts erhalten ist. Dann wurde Chaniá
eine Weile Hauptstadt der Insel; erst ab
1972 wieder Iráklio.
Beim Hafen
Kastro Koules
1
Di–So 8.30–19 Uhr, im Winter teils nur
vormittags geöffnet, teils geschl.
Wer Iráklio mit dem Bus besucht, steigt
an den Termini A oder C aus. Dann beginnt man einen Rundgang am besten
am Hafen. Schöner Blickfang ist dort
das Kastro Koules, die Festung auf der
Mole. An drei Außenseiten trägt sie
noch das venezianische Wappen, den
Markuslöwen. Im Innern erwarten den
Besucher schwach beleuchtete Gänge,
in denen Amphoren und Kanonenkugeln ausgestellt sind, oben kann man
an den Zinnen entlanglaufen und hat
einen schönen Blick auf die Stadt, den
Hafen und die venezianischen Arsenale, die als Trockendocks für Reparaturen dienten.
Hafenmole
Die weit ins Meer reichende Hafenmole bietet sich als Spazierweg an –
eine Oase der Ruhe im lärmigen Iráklio. Man kann sich von den Steinen
des Wellenbrechers sogar ins Meer
gleiten lassen (Warnung: nur bei absolut ruhigem Seegang!); Badeschuhe
empfehlen sich dabei jedoch unbedingt.
Ein Abstecher nach Westen am Meer
entlang führt zur Kirche Agios Petros
2 . Sie entstand ursprünglich im 14. Jh.
als venezianische Dominikaner-Kirche
San Pietro. Wiederaufbau und Restaurierung dieser großen Basilika sind
schon recht weit gediehen.
Historisches Museum
3
Odos Sofokli Venizelou, Mo–Sa 9–17
Uhr, So geschl., Tel. 28 10 28 32 19,
www.historical-museum.gr
In einem prächtigen klassizistischen
Wohnhaus, das die alteingesessene Familie Kalokairinos der Stadt vermacht
hat, ist das Historische Museum unter-
87
Iráklio
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Abends & Nachts
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2 Kritikon Alas
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Essen & Trinken
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Übernachten
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Sehenswert
1 Kastro Koules (Festung)
2 Kirche Agios Petros
3 Historisches Museum
4 Kirche Agios Titos
5 Venezianische Loggia
6 Morosini-Brunnen
7 Kirche Agios Markos
8 Ikonenmuseum
9 Kleine und Große Minaskirche (Kathedrale)
10 Marktgasse Odos 1866
11 Bembo-Brunnen
12 Archäologisches Museum
13 Battle of Crete Museum
14 Kazantzakis-Grab
Rhodos, Karpathos,
Pireas, Thira
Kretisches Meer
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Iráklio und sein Hinterland
gebracht. Ein Sohn der Familie namens
Minos (!) hatte 1878 als Erster die Ruinen von Knossós entdeckt. In den
1990ern wurde das Museum um einen
Glasanbau erweitert.
Die Exponate schließen zeitlich an
die des Archäologischen Museums an,
ihr Schwerpunkt liegt allerdings auf
dem 19. Jh. mit den großen Befreiungskriegen gegen die Türken. Im Erdgeschoss lässt ein Holzmodell von Iráklio im Maßstab 1 : 500 die venezianische Zeit um 1645 lebendig werden.
Des weiteren gibt es eine Keramikabteilung. Besondere Attraktion des ersten Obergeschosses sind zwei kleine
Gemälde, die dem frühen El Greco zugeschrieben werden, eine Ansicht des
Katharinenklosters auf dem Sinai von
1570/72 und eine Darstellung der
Taufe von 1567/70. Beide zeigen die
Stilmittel der Kretischen Schule: Raumtiefe, Bewegung und naturalistische
Körper. Für El Greco typisch ist der HellDunkel-Gegensatz (s. S. 96).
Im zweiten Stock sieht man vor allem Webarbeiten sowie eine Vitrine
mit kretischen Lyren, außerdem die Rekonstruktion eines bäuerlichen Wohnraums. Im Neubau sind Fotos und Dokumente zur ›Schlacht um Kreta‹ 1941
und das nachgestellte Arbeitszimmer
von Nikos Kazantzakis zu sehen (s.
auch S. 78). Hier befindet sich auch
eine Gedenkstätte für die ›erschossenen 62‹, die am 3. 6. 1942 von der
Wehrmacht hingerichtet wurden.
Altstadt-Zentrum
Kirche Agios Titos
4
Vom Hafen führt die Straße 25. Avgoustou in die Innenstadt, zum El
Greco-Park. In seiner Nähe liegt die Kirche Agios Titos, die dem Patron Kretas
geweiht ist. Sie geht auf eine Zentralkuppelmoschee zurück, welche die
90
kretischen Türken noch bis 1923 benutzten. Die Außenmauern sind daher
islamisch ornamentiert mit Arabesken
und ›Eselsrücken‹. Der Bau ist nach
Mekka ausgerichtet, im Narthex befinden sich noch zwei ehemalige Gebetsnischen mit islamischen Stalaktitgewölben (Muqarnas).
Die ursprüngliche Tituskirche errichtete man, als der orthodoxe Bischofssitz nach der Befreiung von der arabischen Herrschaft 961 von Górtis nach
Iráklio verlegt wurde. Titus, bekannt
aus dem Titusbrief der Bibel, war vom
Apostel Paulus auf Kreta zurückgelassen worden, um die Bevölkerung zu
christianisieren. Diese Episode wird in
der Kirche auf monumentalen Ikonen
aus dem 20. Jh. geschildert.
Im 15. Jh. bauten die Venezianer
nach einem Erdbeben die Bischofskirche neu auf. Nach der Niederlage 1669
nahmen sie jedoch den Schädel des hl.
Titus mit nach Venedig. Von dort sollte
die Reliquie erst 300 Jahre später in
einem feierlichen Festakt nach Iráklio
zurückkehren. Heute wird sie in der
linken Seitenkapelle des Narthex verwahrt.
Die neuen türkischen Herren Kretas
bauten die Kirche zur Moschee (Vezir
Tzami) um. Sie wurde durch ein Erdbeben 1856 nahezu vollständig vernichtet. 1856–1872 errichtete man unter
Einbeziehung der alten Bausubstanz
eine neue Moschee, der die heutige
Tituskirche weitgehend entspricht.
Mitte der 1920er-Jahre wurde das türkische Gotteshaus in eine orthodoxe
Kirche zurückverwandelt, u. a. durch
Anbau von drei Apsiden anstelle der
Gebetsnische. Orthodoxe Kathedrale
war zwischenzeitlich jedoch die MinasKirche geworden (s. S. 95).
Venezianische Loggia
5
Die venezianische Loggia von 1626–28
ist ein gutes Beispiel der kolonialen ve-
Iráklio: Altstadt
Fischerhafen von Iráklio mit dem Kastro Koules
nezianischen Repräsentationsarchitektur, die vom Stil Palladios inspiriert ist.
Ursprünglich war sie eine Art Clubhaus
für die Venezianer in der Stadt. Im Erdgeschoss verläuft über Arkaden ein dorisches Gesims und im Obergeschoss
eine ionische Säulenordnung. Zwischen den Geschossen zeugt ein Fries
mit Kriegstrophäen und Markuslöwen
vom Machtanspruch Venedigs. Bei der
Weltausstellung von 1911 in Rom bauten die Italiener übrigens die Loggia
von Iráklio exakt nach – eine historistische Erinnerung an vergangene Größe. Und auch Réthimno besitzt eine
Loggia.
Die Innenwände der Vorhalle
schmücken moderne Reliefs berühmter Männer aus Iráklio und Kreta, darunter der Knossós-Entdecker Minos
91
Hafenviertel von Iráklio
Zwischen dem Löwenbrunnen und
der Küstenstraße ist die Altstadt
von Iráklio seit einigen Jahren verkehrsberuhigt. Aus vielen Gassen
und Winkeln ist der Autoverkehr
sogar völlig verbannt. In der Straße
25 Avgoustou, an der bedeutende
Sehenswürdigkeiten wie die venezianische Loggia, die Titus- und die
Markuskirche sowie der Löwenbrunnen liegen, staute sich regelmäßig der Verkehr und verpestete
die Luft. Heute ist sie für Autos
komplett gesperrt. Auf den Plätzen und in den schmalen Gassen
links und rechts von ihr haben sich
kleine, preiswerte Ouzerien und
Cafés angesiedelt, in der echte
Altstadtatmosphäre aufkommt.

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