Die Magna Charta des internationalen Flüchtlingsrechts. 50

Transcrição

Die Magna Charta des internationalen Flüchtlingsrechts. 50
V N
O RL .U M2 E- J 2U L •I
N2 U
0 0M 1B E- R A 1 29 31 1 •3 F 2 0 0 1
5 0
J A H R E
DIE MAGNA CHARTA
DES INTERNATIONALEN
FLÜCHTLINGSRECHTS
GENFER FLÜCHTLINGSKONVENTION
Der Hohe
Flüchtlingskommissar
der Vereinten
Nationen
EDITORIAL
50 Jahre
Genfer Flüchtlingskonvention.
A
© S . S A L G A D O / BIH•1994
ls sich 1951 in Genf Delegierte aus 26 so
unterschiedlichen Staaten wie den USA,
Israel und dem Irak versammelten, hatten
sie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Der Zweite
Weltkrieg war längst beendet. Doch noch immer irrten
Hunderttausende von Flüchtlingen ziellos auf dem
europäischen Kontinent umher oder hausten in Behelfslagern. Bereits in den Jahrzehnten zuvor gab es zwischenstaatliche Abkommen zum Schutz von Flüchtlingen. Sie sicherten jedoch keinen individuellen Rechtsanspruch.
Nach über drei Wochen zäher Verhandlungen verabschiedeten die Delegierten am 28. Juli 1951 die Genfer
Flüchtlingskonvention. Sie gilt bis heute als die Magna
Charta des internationalen Flüchtlingsrechts.
Das Abkommen war ein Rechtskompromiss, das,
wie ein Experte es ausgedrückt hat, „in aufgeklärtem
Eigeninteresse“ entstand. Die Regierungen wollten
keinen „Blankoscheck“ für die Zukunft ausstellen und
begrenzten den Geltungsbereich der Flüchtlingskonvention hauptsächlich auf Flüchtlinge in Europa und auf
Ereignisse, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten waren.
Man hoffte, die „Flüchtlingskrise“ würde rasch
vorübergehen. Das kurz zuvor eingerichtete Amt des
Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
wurde explizit zum Hüter der Flüchtlingskonvention
2
erklärt, ausgestattet mit einem Mandat für die Dauer
von drei Jahren.
Fünfzig Jahre danach ist die Genfer Flüchtlingskonvention für den Schutz von Flüchtlingen immer noch
von zentraler Bedeutung. In der Zwischenzeit ist
Großes erreicht worden, aber es hat sich auch viel
geändert. Nach dem Modell der Flüchtlingskonvention
sind regionale Übereinkommen geschaffen worden.
Eine Reihe von Bestimmungen wie die Definition
des Begriffs „Flüchtling“ und das Prinzip des NonRefoulement, das Verbot der Abschiebung in ein Gebiet,
in dem ein Flüchtling der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt ist, sind zu einem Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts geworden. UNHCR hat auf Grundlage der Flüchtlingskonvention schätzungsweise 50
Millionen Menschen geholfen, ein neues Leben zu
beginnen.
In einem Protokoll zur Flüchtlingskonvention von
1967 wurden deren zeitliche und geographische
Beschränkungen aufgehoben. Später rückten auch Fragen wie die der geschlechtsspezifischen Verfolgung in
den Vordergrund – Fragen, die von den damals ausschließlich männlichen Delegierten überhaupt nicht
wahrgenommen wurden.
Vor dem Hintergrund kompletter Flucht- und
Migrationsbewegungen ist die Frage nach der Relevanz
der Konvention gestellt worden.
Dem britischen Premierminister Tony Blair zufolge
sind die „Werte“ der Flüchtlingskonvention zwar einerseits „zeitlos“, andererseits sei es an der Zeit, „innezuhalten und ihre Anwendung in der heutigen Welt zu
prüfen.“ Ganz im Gegenteil dazu gibt es die verbreitete
Auffassung, die Flüchtlingskonvention habe sich
angesichts von vorhersehbaren wie unvorhergesehenen
Herausforderungen als ausgesprochen dauerhaft und
flexibel erwiesen.
Wie auch immer: Sicher ist jedenfalls, dass Millionen
von entwurzelten Menschen weiter auf den Schutz der
Konvention angewiesen sein werden.
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
N R .
2 / J U L I
2 0 0 1
Der Hohe
Flüchtlingskommissar der
Vereinten Nationen (UNHCR)
Karte:
UNHCR - Kartenabteilung
Historische Dokumente:
UNHCR-Archiv
„FLÜCHTLINGE“ wird in deutscher,
englischer, französischer, spanischer,
italienischer, japanischer, arabischer und
russischer Sprache von der Informationsabteilung des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
herausgegeben.
ISSN 0252-791 X
Bestellungen der deutschen Ausgabe bei:
UNHCR, Wallstr. 9-13, 10179 Berlin
Tel.: 030/202202-26, Fax: 030/202202-23
Spendenkonto: Deutsche Stiftung für
UNO-Flüchtlingshilfe e.V.
Commerzbank Bonn, BLZ 380 400 07,
Kto.-Nr. 258266601
TITEL
Die Genfer Flüchtlingskonvention steht auf dem
Prüfstand, ist sie immer noch relevant?
Von Marilyn Achiron
4
Die internationale Gemeinschaft verabschiedete die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 vor
allem wegen der Verbrechen
des Zweiten Weltkriegs und
um Millionen von Menschen
zu helfen, die durch diesen
Konflikt entwurzelt worden
waren. In den folgenden Jahrzehnten weiteten Flüchtlingskrisen sich auf die gesamte
Welt aus.
Standpunkt
Die Genfer Flüchtlingskonvention.
Von Jack Straw, Außenminister von Großbritannien
Neue Probleme
Geschlechtsspezifische Verfolgung wird nicht
mehr ausgeblendet.
Von Judith Kumin
Beendigung
Wenn die Flüchtlingskonvention ihre Gültigkeit
verliert.
16
FRAGEN UND ANT WORTEN
Die häufigsten Fragen zur Genfer
Flüchtlingskonvention.
Ausschluss
Wer NICHT von der Genfer Flüchtlingskonvention geschützt wird.
16
Ein Kernstück der
Genfer Flüchtlingskonvention ist das
Verbot der Abschiebung von
Zivilisten in Staaten, in denen
ihnen Verfolgung droht.
Andere Fragen und Antworten
zur Flüchtlingskonvention.
BBC
Rundfunk für die Welt.
In vorderster Front
Die Flüchtlingskonvention in die Praxis
umsetzen.
Von Peter Showler
24
©D. DRENNER/L.A. TIMES
Abzüge der mit einer UNHCR-Referenznummer versehenen Photographien sind
von der UNHCR-Informationsabteilung
erhältlich.
Gesamtauflage: 226.000
Druck: (dt. Ausgabe)
Greven & Bechtold, Hürth
EDITORIAL
50 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention.
4
Die von beitragenden Autoren ausgedrückte Meinung entspricht nicht
unbedingt der Meinung UNHCRs. Die
in dieser Veröffentlichung verwendeten
Bezeichnungen und Darstellungen
drücken in keiner Weise die Meinung
UNHCRs über den rechtlichen Status
eines Gebietes oder seiner Behörde aus.
Artikel und Photographien, die nicht
mit dem Vermerk Copyright versehen
sind, können ohne vorherige Anfrage
unter Erwähnung UNHCRs abgedruckt werden.
2
U N H C R / L . T A Y L O R / C.S.•GIN•2001
Redaktion:
Ray Wilkinson
Deutsche Ausgabe:
Stefan Telöken
Andreas Kirchhof
Angelika Emmelmann
Redaktionelle Mitarbeit:
Walter Brill, Nathalie Karsenty,
Patrick Tigere
Redaktionsassistenz:
Virginia Zekrya
Photoredaktion:
Suzy Hopper, Anne Kellner
Layout:
Vincent Winter Associés
Produktion:
Françoise Peyroux
Verwaltung:
Anne-Marie Le Galliard
Vertrieb
John O’Connor, Frédéric Tissot
© B P K / DEU•1945
Postfach 2500
CH-1211 Genf 2 Depot
www.unhcr.ch
ASYL
Der Kampf eines Einzelnen um Asyl.
Von Lisa Getter
Vertragsstaaten
24
Selbst wenn Zivilisten
auf der Flucht in
Sicherheit scheinen,
ist die Prüfung oft noch nicht
überstanden. Eine Geschichte
über einen langen Kampf um
Asyl.
Unterzeichner der Flüchtlingskonvention und
des Protokolls.
30
31
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
MENSCHEN UND LÄNDER
ERLESENES
3
© R . V E N T U R I / DEU•1992
Schutz: Reisedokumente
oder Personalausweise für
Flüchtlinge bedeuten
Glück und neue Chancen.
|
TITEL
|
„ZEITLOSES“
ABKOMMEN UNTER
DRUCK
Die Genfer Flüchtlingskonvention ist
50 Jahre alt. Sie hat Millionen von
Schutzsuchenden auf der ganzen Welt
geholfen. Dennoch steht sie auf dem
Prüfstand der Kritik.
Fortsetzung auf Seite 6 Ã
|
Ã
TITEL
|
„ZEITLOSES“
ABKOMMEN UNTER
DRUCK
Von Marilyn Achiron
ie Bilder waren düster und
erschreckend: Mitten im
Herzen von Europa waren Zehntausende auf der
Flucht vor Terror und Mord,
von ihrer eigenen Regierung wegen ihrer
ethnischen Herkunft verfolgt. In Decken
gehüllte Männer, Frauen und Kinder
schleppten in Tüten und Taschen, was sie
tragen konnten. Andere hatten einen alten Karren oder einen rostenden Traktor
für ihre Habe gefunden. Ihr Ziel: die Sicherheit eines der angrenzenden Länder zu erreichen.
Die Bilder erinnerten in fast unheimlicher Weise an Schwarz-Weiß-Bilder aus
den 40-er Jahren. Doch sie waren in Farbe
und wurden vor zwei Jahren aus dem Kosovo
und dem Balkan live weltweit übertragen.
Vor fünf Jahrzehnten hatte die internationale Gemeinschaft im Gefolge des Zweiten Weltkriegs eine ähnliche Katastrophe
erlebt, als Millionen von entwurzelten
Menschen hungernd und ziellos über das
Land und durch die Städte zogen. Im Geist
des Mitgefühls und der Menschlichkeit,
aber auch der Hoffnung, so viel Leid in
Zukunft verhindern zu können, traten die
Nationen der Welt in Genf zusammen, wo
sie bindende internationale Standards für
die Behandlung von Flüchtlingen und
die Pflichten der Staaten ihnen gegenüber
kodifizierten.
Das von ihnen verfasste Abkommen
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
war bahnbrechend. Es half Millionen von
© B P K / DEU•1945
D
Szenen wie diese haben zur Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 geführt.
EIN FLÜCHTLING IST EINE PERSON MIT DER „BEGRÜNDETEN FURCHT VOR VERFOLGUNG
WEGEN IHRER RASSE, RELIGION, NATIONALITÄT, ZUGEHÖRIGKEIT ZU EINER BESTIMMTEN
SOZIALEN GRUPPE ODER WEGEN IHRER POLITISCHEN ÜBERZEUGUNG ...“Artikel 1A (2)
Flüchtlingen dabei, sich ein neues Dasein
aufzubauen, und wurde zu dem „Wall, hinter dem Flüchtlinge eine Zuflucht finden
konnten“, sagt Erika Feller, die Direktorin
der UNHCR-Abteilung für internationalen
Rechtsschutz. „Auf internationaler Ebene
ist es das beste Instrument, über das wir zur
Mäßigung des Verhaltens von Staaten verfügen.“
6
Dennoch soll die Genfer Flüchtlingskonvention am fünfzigsten Jahrestag ihrer
Verabschiedung keineswegs in bester Verfassung sein. So jedenfalls klingt es aus einigen jener Staaten, die vor einem halben
Jahrhundert entscheidend dazu beigetragen haben, das Schutzsystem für Flüchtlinge aufzubauen. Krisen wie die im Kosovo,
die Millionen von Menschen auf der Suche
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
nach einer sicheren Zuflucht kopfüber in
die Flucht treiben, sind häufiger geworden. Interkontinentale Reisen sind heute
jedermann zugänglich und die Zahl illegaler Immigranten ist mit dem blühenden
Geschäft von Menschenschleusern gestiegen. Einige dieser Staaten sehen ihre Asylsysteme deshalb mit der daraus resultierenden Mischung von Flüchtlingen und
|
TITEL
|
„Es ist ein wirkliches Problem, dass die Europäer ihre Verpflichtungen gegenüber
Flüchtlingen reduzieren... Doch wird keine
Mauer hoch genug sein, um die Menschen
davon abzuhalten, zu kommen.“
Diese Debatte wird zurzeit auch im
Kontext einer Reihe von Gesprächen geführt, den so genannten „Globalen Konsultationen“, die UNHCR als Hüter der
Flüchtlingskonvention mit den 140 Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und ihrem Protokoll und mit anderen interessierten Parteien abhält. Wohin
sie führen wird, ist offen.
SCHUTZSYSTEME AUFBAUEN
Das Phänomen der Flucht gibt es seit
den ersten Tagen der Menschheit. Fast
gleichzeitig entwickelte sich eine Tradition des Asyls. Als sich in der Staatenwelt
zu Anfang des 20. Jahrhunderts ein internationales Verantwortungsbewusstsein
Wirtschaftsmigranten überfordert. Sie
drängen auf Änderungen. Die Flüchtlingskonvention ist ihrer Ansicht nach überholt, nicht praktikabel und überflüssig.
Erst vor kurzem betonte der britische
Premierminister Tony Blair, die Werte der
Flüchtlingskonvention seien „zeitlos“.
Gleichzeitig fügte er aber hinzu, dass „angesichts der auf der ganzen Welt und besonders in Europa in ungeheurem Ausmaß wachsenden Wirtschaftsmigration
ein offensichtlicher Bedarf besteht, angemessene Regeln und Verfahren festzulegen... Großbritannien stellt sich bei
dem Plädoyer für eine Reform an die Spitze der Bewegung, nicht im Sinne einer
Reform der Werte der
Flüchtlingskonvention,
aber im Sinne ihrer Verwirklichung.“
Ruud Lubbers, der ehemalige niederländische Ministerpräsident, der unlängst sein Amt als Hoher
Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen angetreten hat, warnte dagegen,
dass „viele wohlhabende Länder mit einer
starken Wirtschaft zwar über zu hohe
Zahlen von Asylsuchenden klagen, aber
zu wenig zur Prävention von Flüchtlingskrisen beitragen, z.B. indem sie in Konfliktprävention, Rückkehr und Reintegration investieren. Zu Europa sagte Lubbers:
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
herausbildete, wurden auch die Anstrengungen zur Unterstützung von Flüchtlingen internationalisiert. 1921 wurde Fridtjof Nansen vom Völkerbund zum ersten
Hohen Flüchtlingskommissar ernannt.
Während des Zweiten Weltkriegs und
danach unterstützte die United Nations Relief and Rehabilitation Agency (UNRRA)
sieben Millionen Menschen. Als dritte
Organisation für die Flüchtlingshilfe wurde 1946 die Internationale Flüchtlings- Ã
7
TITEL
|
© A R N I / U N A R C H I V E S / CHE•2265
|
Der Anfang: Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde am 28. Juli 1951 angenommen und zur Unterzeichnung aufgelegt.
à organisation (International Refugee Organization - IRO) gegründet, die über einer
Million Europäer auf der gesamten Welt
zur Weiterwanderung in ein Drittland verhalf und 73.000 Zivilisten bei der Rückkehr in ihr Heimatland.
Krieges“ zu bewahren, waren überzeugt,
dass es eines effizienteren Schutzsystems
bedurfte.
1950 wurde das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
gegründet. Im Jahr darauf wurde die Gen-
fer Flüchtlingskonvention verabschiedet.
Sie bildet die grundlegende rechtliche Basis für die Arbeit von UNHCR. Die 26
beteiligten Staaten waren dezidiert westlich oder liberal orientiert, obwohl sich ihnen andere Länder – wie der Irak, Ägypten
Zudem setzte die rechtliche Verankerung zum Schutz von Flüchtlingen ein.
Ein Völkerbunds-Abkommen von 1933 und
ein weiteres Abkommen von 1938 zugunsten deutscher Flüchtlinge boten entwurzelten Menschen in begrenztem Maße
Schutz. Mit dem Instrument von 1933 war
der Grundsatz eingeführt worden, dass die
Signatarstaaten anerkannte Flüchtlinge
nicht aus ihrem Gebiet ausweisen durften
und dass es zu vermeiden sei, Flüchtlinge
„an den Grenzen abzuweisen“. Doch fehlte
dem Abkommen die erforderliche Umsetzung, denn es wurde nur von acht Staaten
ratifiziert, von denen einige ihre Verpflichtungen vorher zudem noch substanziell reduziert hatten.
Keines dieser frühen Abkommen für
den Flüchtlingsschutz war deshalb wirklich erfolgreich. Der Rechtsschutz blieb
lückenhaft und führende Mitglieder der
neu geschaffenen Vereinten Nationen, die
sich das Ziel gesetzt hatten, die „nachfolgenden Generationen vor der Geißel des
8
Nach der Hilfe für Flüchtlinge aus
dem Zweiten Weltkrieg wurde Ungarn
zur ersten Herausforderung für UNHCR
und die Flüchtlingskonvention. Ein
Flüchtling winkt Mitte der fünfziger
Jahre in Österreich Schicksalsgenossen
zu.
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
U N H C R / U N / AUT•11
„DIE VERTRAGSCHLIEßENDEN STAATEN WERDEN DIE BESTIMMUNGEN DIESES ABKOMMENS
AUF FLÜCHTLINGE OHNE UNTERSCHIEDLICHE BEHANDLUNG ... ANWENDEN.“ Artikel 3
und Kolumbien – anschlossen. Augenfällig war mit Ausnahme von Jugoslawien die
Abwesenheit des von der Sowjetunion dominierten kommunistischen Blocks.
Drei Wochen feilten die Delegierten im
europäischen UN-Büro am Genfer See an
dem Entwurf eines Rechtskodex zum
Schutz von Flüchtlingen. Zu diesem Prozess gehörten langwierige und harte Verhandlungen, zähe juristische Debatten und
der stetige Blick auf die Wahrung der staatlichen Souveränität. „Das moderne System
des Flüchtlingsrechts entstand in aufgeklärtem Eigeninteresse“, so der Kommentar von James C. Hathaway, der als Professor für Jura und Leiter des Programms für
Flüchtlings- und Asylrecht an der Universität von Michigan lehrt.
Die Weigerung von einigen Delegierten, sich auf unbegrenzte Verpflichtungen
einzulassen, löste eine hitzige Debatte aus.
In der genauen Ausformulierung einer
Schlüsseldefinition der Flüchtlingskonvention – wer als Flüchtling gelten kann – Ã
|
STA N D P U N K T
|
Die Flüchtlingskonvention der britische Standpunkt
Wir brauchen die Debatte jetzt
Von Jack Straw
D
ie Unmenschlichkeit des Menschen
gegenüber dem Menschen. Eine banale, oft wiederholte Phrase. Sie
bringt die Gründe für die Existenz der Genfer Flüchtlingskonvention aber dennoch auf
den Punkt. Und 50 Jahre später – 50 Jahre
der Folter, Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen – ist die Flüchtlingskonvention für den Schutz von Menschen, die sonst niemand schützt, von unverminderter Bedeutung.
Immer wieder wird zu Recht gesagt, dass
die Welt sich in den 50 Jahren seit der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention verändert hat. Sie ist heute im
wahrsten Sinne des Wortes kleiner als 1951.
In Sekunden kann man Informationen von
Kontinent zu Kontinent schicken und die
Technologien, die das möglich machen, sind
immer mehr Menschen zugänglich. Jeder
kann von der bunten Mischung der Kulturen profitieren, die eine Folge der Globalisierung ist.
Die Einwohner von Entwicklungsländern werden sich der Vorteile eines Lebens
in den Industrieländern jedoch in demselben Maß bewusst, in dem wir uns anderer
Kulturen bewusst werden.
Die komplexe Gesamtheit technologischer, institutioneller, organisatorischer,
sozialer und kultureller Veränderungen,
die der Begriff „Globalisierung“ umfasst,
hat eine neue Welt geschaffen, in der eine
Fernreise kein unrealistischer Traum mehr
ist, sondern etwas, das man verwirklichen
kann.
Deshalb kann ich verstehen, dass so viele
Menschen ihr Heimatland in der Hoffnung
auf ein besseres Leben für sich und ihre
Familien verlassen und nach Großbritannien oder in andere westliche Länder gehen
wollen.
Diese Menschen sind jedoch keine Flüchtlinge. Unsere Asylverfahren sind geschaffen worden, um Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention internationalen
Schutz zu gewähren. Alle, die keine wirklichen Flüchtlinge sind, richten mit dem
Versuch, die Einwanderungskontrollen zu
unterlaufen, nur Schaden an. Es liegt im
Interesse der wirklichen Flüchtlinge und
des Gesamtwohls, dass Großbritannien und
alle anderen Länder strikte Maßnahmen
zur Aufrechterhaltung ihrer Asylsysteme
ergreifen.
MAßNAHMEN ERGREIFEN
Deshalb haben wir Maßnahmen zur administrativen Verbesserung unseres nationalen Asylsystems ergriffen, unter anderem durch die Beschleunigung der
Erstentscheidungsprozesse und der Berufungsverfahren sowie die
Aufarbeitung anhängiger
Fälle, durch die der Bearbeitungsrückstand auf den
niedrigsten Stand seit einem Jahrzehnt gesenkt
werden konnte. Es gibt in
Großbritannien zwar noch
viel zu tun, aber wir haben
einen guten Anfang gemacht, wieder Ordnung zu
schaffen.
Abgesehen von den nationalen Systemen müssen
wir uns aber ebenso grundlegend mit dem internationalen Schutzsystem auseinander setzen.
Wir müssen uns kritisch mit der Art und
Weise beschäftigen, in der wir wirklich
Schutzbedürftigen helfen wollen. Während
Industrieländer wie Großbritannien ihre
Energien auf die Bearbeitung von Asylanträgen verwenden, von denen viele unbegründet sind, erhalten die zahlreichen
Flüchtlinge nicht genug Aufmerksamkeit,
die in ihren Herkunftsgebieten in Not und
oft in Gefahr sind. Wenn wir das erkannt
haben, müssen wir jedoch auch entsprechend handeln.
Die meisten Flüchtlinge wollen nicht
mehr als die Möglichkeit, in Sicherheit und
in Würde in ihre Heimat zurückzukehren.
Sie wollen sich und ihre Familien keineswegs an Schleuser und Vermittler ausliefern, aber irrtümlich glauben sie oft, ihr
Ziel nur so erreichen zu können.
Ich habe dazu eine Reihe von grundlegenden Vorschlägen gemacht, in deren
Zentrum die Unterstützung von Flüchtlingen in ihren Herkunftsgebieten steht,
wobei der Minderheit, die dort nicht in
Sicherheit bleiben kann, der Zugang zum
internationalen Schutzsystem wieder offen stehen soll. Zudem begrüße ich den
Vorschlag der Europäischen Kommission
zu einer Studie über die Durchführung
eines EU-Programms zur Weiterwanderung. Diese Vorschläge sind in Europa
insgesamt auf mehr Zustimmung gestoßen, als
ich erwartet habe.
Es ist noch ein weiter
Weg, bis wir ein wirklich
gerechtes und wirksames
Schutzsystem geschaffen
haben, das nicht von kriminellen Schleusern ausgehöhlt wird. Das ist nur
durch eine offene und
ehrliche Debatte über
diese Fragen möglich. Für
diese Debatte brauchen
wir den Beitrag von allen
involvierten Parteien –
der Herkunftsländer der Flüchtlinge, der
Aufnahmeländer, der Erstasylländer sowie
den Beitrag von UNHCR und anderen interessierten Organisationen.
Zum 50. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention ist die Zeit reif für eine
Debatte. Ich bin sehr froh, dass UNHCR
dies erkannt und mit seiner Initiative der
Globalen Konsultationen entsprechend
gehandelt hat. Großbritannien ist bereit,
sich mit aller Kraft an den Gesprächen zu
beteiligen, die einen Schritt in Richtung
eines modernen internationalen SchutzsysB
tems darstellen.
Jack Straw
Außenminister von Großbritannien.
„Es ist noch ein
weiter Weg, bis
wir ein wirklich
gerechtes und
wirksames
Schutzsystem
geschaffen
haben ...“
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
9
TITEL
à befürworteten bestimmte Länder eine allgemeine Definition, die generell auf Flüchtlinge der Zukunft anwendbar sein sollte.
Andere favorisierten dagegen eine Eingrenzung der Definition auf die Kategorien
von Flüchtlingen, die es zu diesem konkreten Zeitpunkt gab.
Am Ende stand unausweichlich ein
Kompromiss. Man einigte sich auf eine allgemeine Definition auf der Grundlage
einer „begründeten Furcht vor Verfolgung“, die aber auf solche Personen beschränkt wurde, die „infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten
sind“, Flüchtlinge geworden waren.
Die zeitliche Beschränkung – und die
Möglichkeit zur Einführung einer geographischen Beschränkung durch die offene Interpretation des Wortes „Ereignisse“,
das sowohl im Sinne von „Ereignisse in Europa“ als auch von „Ereignisse in Europa
oder anderswo“ verstanden werden konnte – wurde aufgenommen, weil die Verfasser der Meinung waren, „dass die Regierungen schwerlich einen Blankoscheck
ausstellen und Verpflichtungen für zukünftige Flüchtlinge eingehen können,
deren Herkunft und Zahl niemand kennt.“
Die wohl wichtigste Bestimmung – die
|
Verpflichtung der Regierungen, Asylsuchende nicht in ein Gebiet auszuweisen
oder zurückzuweisen, in dem sie der
Gefahr der Verfolgung ausgesetzt sind –
war ebenfalls hoch umstritten. Diplomaten
warfen die Frage auf, ob das Abschiebungsverbot, das Prinzip des Non-Refoulement,
auch für Personen gilt, die noch gar nicht
in ein Land eingereist sind, und ob die Regierungen damit irgendeiner Verpflichtung unterlägen, großen Zahlen von Asylsuchenden die Überschreitung ihrer Grenzen zu gestatten.
Obwohl das Prinzip des Non-Refoulement inzwischen generell als so grundlegend anerkannt wird, dass es als ein Teil
des Völkergewohnheitsrechts betrachtet
wird, dauert die Debatte darüber bis zum
heutigen Tage an. In einer kontroversen
Entscheidung des Obersten US-Gerichtshofs von 1993 kam dieser zu dem Schluss,
Einwanderungsbeamte würden nicht
gegen die Flüchtlingskonvention verstoßen, wenn sie in Gewässern außerhalb
des Hoheitsgebiets der USA ganze Boote
voller Asylsuchender aus Haiti aufgreifen
und zurückführen. Gleichzeitig erklärte
der Oberste Gerichtshof mit einer juristischen Argumentationskette, die wohl je-
© S . S A L G A D O / ZAI•1997
|
Ein Kernstück ist das Verbot der Abschiebung
den außer einen Juristen verblüffen würde, die Verfasser der Flüchtlingskonvention hätten „möglicherweise nicht bedacht,
dass irgendein Land der Welt Flüchtlinge
auf der Flucht einsammeln und sie gerade
in das Land zurückbringen würde, dem sie
verzweifelt zu entkommen suchen; solche
Handlungen könnten möglicherweise
sogar den Geist von Artikel 33 [der Flüchtlingskonvention] verletzen“, der die erzwungene Rückkehr verbietet.
Die Konferenz endete am 25. Juli 1951.
Drei Tage später wurde die Flüchtlingskonvention offiziell verabschiedet, doch
gab es noch viel zu tun. Es folgten langwierige Feinabstimmungen und harte Verhandlungen. Noch 1959 telegrafierte der
von Menschen in Staaten, in denen ihnen Verfolgung droht.
UNHCR-Vertreter in Griechenland voller
Verzweiflung nach Genf: „Ich glaube nicht,
dass ich mich jemals in meinem ganzen
Leben so oft bei den verschiedensten Personen für ein und dieselbe Sache, nämlich
die Ratifizierung der Flüchtlingskonven-
der oben genannten Flüchtlingskonvention beizutreten.“ Noch heute ist Indien, in
dem die zweitgrößte Bevölkerung der Welt
lebt, kein Vertragsstaat, obwohl es paradoxerweise Mitglied im UNHCR-Exekutivkomitee ist.
waren, trat sie am 22. April 1954 offiziell in
Kraft.
Zum ersten Mal in der Geschichte gab
es damit ein globales Instrument, das im
Vergleich zu den Abkommen aus der Zeit
vor dem Zweiten Weltkrieg einen bedeu-
„JEDER FLÜCHTLING HAT ... FREIEN ... ZUGANG ZU DEN GERICHTEN.“ Artikel 16
tion, eingesetzt habe. Die Aussichten sind
dennoch nicht gerade viel versprechend.“
Indien erläuterte UNHCR in einem
Brief von 1956 seine innenpolitischen Vorbehalte in der Flüchtlingsfrage und schloss:
„Deshalb beabsichtigt die Regierung von
Indien zum derzeitigen Zeitpunkt nicht,
Trotz aller Hürden und Verzögerungen
ratifizierte Dänemark schließlich im
Dezember 1952 als erster Staat die Genfer
Flüchtlingskonvention. Nachdem fünf
weitere Staaten – Norwegen, Belgien, Luxemburg, die Bundesrepublik Deutschland
und Australien – ihr ebenfalls beigetreten
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
tenden Fortschritt darstellte und mit dem
das Völkerrecht in mehreren Beziehungen wesentlich vorangetrieben wurde.
Die Genfer Flüchtlingskonvention von
1951 umfasst eine allgemein gültige Definition des Begriffs „Flüchtling“ und räumt
Flüchtlingen umfassende Mindestrechte Ã
11
à ein. Nach dem Vorbild des Ab-
U N H C R / B . P R E S S / GTM•1996
hielten“, argumentierte ein frankommens von 1933 und der Allzösischer Delegierter bei den Vergemeinen Erklärung der Menhandlungen in Genf. „Häufig geschenrechte von 1948 gewährt die
nug kam es vor, dass ein FlüchtKonvention Flüchtlingen die Freiling die Gemeinschaft ausnützte.“
heit der Religionsausübung und
Die Genfer Flüchtlingskonvendes Religionsunterrichts, Zugang Die Flüchtlingskonvention soll schützen. UNHCR-Mitar- tion sieht in ihren „Ausschlusszu den Gerichten, das Recht auf beiter helfen einem gerade zurückgekehrten Ehepaar in
klauseln“ vor, welche Personen
Unterricht in Grundschulen und Guatemala bei den Formalitäten, um Personaldokumente
von der Anerkennung als Flüchtauf öffentliche Fürsorge. Im Hin- zu erhalten.
ling ausgeschlossen sind (beispielblick auf Unterkunft und Arbeit
sweise wenn sie Kriegsverbrechen
sollte Flüchtlingen zumindest die gleiche vention aber auch Pflichten von Flüchtlin- begangen haben) und in ihren „BeenBehandlung wie anderen Ausländern gen gegenüber dem Aufnahmeland fest- digungsklauseln“, unter welchen Umgewährt werden.
gelegt. „Nur zu oft gab es Flüchtlinge, die ständen sie ihre Gültigkeit verliert.
Umgekehrt hat die Flüchtlingskon- sich nicht an die Regeln der Gemeinschaft
GESCHLECHT: Verfolgung
genauer betrachtet
„Wo fangen schließlich die allgemeinen Menschenrechte an?
Im Alltag, zuhause.“ – Eleanor Roosevelt
Von Judith Kumin
I
m Mai 1989 sind Mihai und Maria vor
dem grausamen Regime des rumänischen Diktators Ceausescu geflohen.
Im UNHCR-Büro in Belgrad stellten sie
einen Antrag auf Asyl. „Ich kann keinen
Grund zur Anerkennung finden“, sagte
mir ein besorgter männlicher Kollege, „aber
ich glaube, Sie sollten mal mit der Ehefrau
sprechen. Ich habe das Gefühl, sie hat etwas zu sagen, was sie mir aber nicht sagen
wird. Sie sieht mich nicht einmal an.“
Bei einer Tasse Kaffee und außerhalb der
Hörweite ihres Mannes berichtete Maria
von schrecklichen Demütigungen und
sexuellen Misshandlungen durch die
rumänische Geheimpolizei Securitate, die
ihren Mann verdächtigte, Mitglied einer
geheimen Oppositionsgruppe zu sein und
Maria zu einem Geständnis zwingen wollte.
Schon bald nach der Befragung von Maria
konnte das Ehepaar in die USA weiterwandern. Wir sind in all den Jahren in Kontakt
geblieben und ich habe oft daran gedacht,
wie nahe wir daran waren, ihren Antrag
abzulehnen und sie an die jugoslawische
Polizei zu übergeben, die sie ihrerseits an
die Securitate ausgeliefert hätte.
12
Als die Väter der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 das verfassten, was zur
Magna Charta des internationalen Flüchtlingsrechts wurde, entwickelten sie eine
Definition des Begriffs Flüchtling, die eine
begründete Furcht vor Verfolgung wegen
Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
politischen Überzeugung voraussetzt. Verfolgung aus Gründen des Geschlechts ließen
sie nicht bewusst aus – darüber wurde gar
nicht gesprochen.
Obwohl anerkannt wurde, dass Frauen
spezifische Fluchtgründe haben können,
haben sie mit ihren Anträgen in der Praxis
oft Schwierigkeiten gehabt. Oft wurde Ehefrauen keine Gelegenheit gegeben, von
ihren Erlebnissen zu berichten. Manchmal
zögerten Frauen wie im Fall von Maria, das
in Anwesenheit eines männlichen Mitarbeiters zu tun. Wenig wurde über Formen
von Verfolgung nachgedacht, die nur Frauen
betreffen könnten.
In den achtziger Jahren – in der ersten
UN-Dekade für Frauen – begann man sich
erstmals mit geschlechtsspezifischer Verfolgung zu beschäftigen. 1984 verabschiedete das Europaparlament eine damals
revolutionäre Resolution, mit der die Staaten
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
aufgefordert wurden, Frauen, die religiöse
oder gesellschaftliche Verhaltensweisen
durchbrechen, zum Zweck der Feststellung
der Flüchtlingseigenschaft als eine „bestimmte soziale Gruppe“ zu betrachten.
Einige Kritiker haben dies als westliche
Einflussnahme auf kulturelle Traditionen
nichtwestlicher Gesellschaften bewertet.
Andere waren der Meinung, dieser Ansatz
sei zu umfassend und argumentierten, dass
Verfolgung persönlich und spezifisch sein
muss. 1985 verabschiedete das UNHCRExekutivkomitee seinen ersten Beschluss
zu Flüchtlingsfrauen und Internationalem
Schutz und 1988 veranstaltete UNHCR
seine erste Konsultation zu Flüchtlingsfrauen.
WENDEPUNKT
Der eigentliche Wendepunkt kam jedoch
erst in den neunziger Jahren. Menschenrechtsverletzungen bei Frauen wurden zunehmend wahrgenommen und das Bestreben, die Universalität der Menschenrechte anzuerkennen, gewann an immer
stärkerer Überzeugungskraft. Es bildete
sich ein wachsender Konsens darüber,
dass bestimmte Anträge, die mit der Geschlechtszugehörigkeit in Zusammenhang
|
TITEL
|
„DIE VERTRAGSCHLIEßENDEN STAATEN WERDEN DEN FLÜCHTLINGEN
DIESELBE BEHANDLUNG WIE IHREN STAATSANGEHÖRIGEN
HINSICHTLICH DES UNTERRICHTS IN GRUNDSCHULEN GEWÄHREN.“ Artikel 22
U N H C R / W . S T O N E / ETH•1996
Zudem wurde zum ersten Mal eine formale Verbindung zwischen einer Flüchtlingskonvention und einem internationalen Amt hergestellt. UNHCR erhielt
das Mandat, ihre Durchführung zu überwachen.
Trotz aller Kompromisse und Einschränkungen war „das, was durch die
Flüchtlingskonvention für Flüchtlinge er-
Somalische Flüchtlinge bei einer Kampagne gegen Genitalverstümmelung,
ein Fluchtgrund, an den in der Flüchtlingskonvention nicht gedacht wurde.
stehen, unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen können. Im Jahr 1991 gab
UNHCR die „Richtlinien zum Schutz von
Flüchtlingsfrauen“ heraus. 1993 veröffentlichte die kanadische Einwanderungsund Flüchtlingsbehörde bahnbrechende
Richtlinien zu „Asylbewerberinnen mit
Furcht vor Verfolgung aus Gründen des
Geschlechts”. Die USA, Australien und
Großbritannien gaben bald ebenfalls eigene
Richtlinien heraus. Heutzutage zögern die
Staaten zunehmend, Anträge von Frauen
mit dem uralten Argument des „Kulturrelativismus“ abzuweisen, wonach die Verletzung der Rechte von Frauen in die Privatsphäre gehört, die eine bestimmte Religion oder Kultur kennzeichnet.
reicht wurde, eine großartige Leistung im
humanitären Bereich“, so Ivor C. Jackson.
Er war 30 Jahre lang für UNHCR tätig,
unter anderem als stellvertretender Direktor der Abteilung für internationalen
Rechtsschutz.
EIN NEUER ABSCHNITT
Die ursprünglichen Verfasser der Gen-
Einige wenige Länder, Deutschland an
ihrer Spitze, vertreten immer noch den
Standpunkt, dass Verfolgungshandlungen
einem Staat zurechenbar sein müssen, um
als Flüchtling nach der Konvention anerkannt zu werden. UNHCR und die große
Mehrheit der Unterzeichnerstaaten vertreten dagegen nachdrücklich, es sei nicht erheblich, wer der Täter ist, sondern ob die
Betroffenen national Schutz finden können.
Ein weiteres umstrittenes Thema ist die
Frage, ob bei der Tat notwendig eine böswillige Absicht gegeben sein muss. Das ist
besonders mit Blick auf traditionelle Praktiken wie die Verstümmelung der weiblichen Genitalien von Bedeutung, bei der
es gewiss nicht in der Absicht der Täter
liegt, den Mädchen Schaden zuzufügen.
Dennoch wird allgemein anerkannt, dass
diese Praxis zu schwerem Schaden führt.
Die politische Überzeugung ist ein komplexes Feld. Frauen werden unter Umständen nicht nur wegen ihrer eigenen Meinungen verfolgt, sondern auch wegen denen ihrer Männer. Frauen werden durch
religiöse Vorschriften über Reisen, Kleidung oder Erwerbstätigkeit stärker als
Männer diskriminiert.
Doch hat vor allem das Konventionsmerkmal „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ eine Debatte
entfacht. Auch wenn weithin akzeptiert
wird, dass Frauen als Teil einer „bestimmten
sozialen Gruppe” verfolgt werden können,
herrscht schon weniger Übereinstimmung
in der Frage, wie weit man mit diesem Argument gehen kann. Das trifft besonders
auf Frauen zu, die Opfer häuslicher Gewalt
sind – Hauptursache der Verletzung von
Frauen weltweit. Ist es in diesem Fall erforderlich, dass der Staat die Frau nicht
schützen will? Oder einfach nicht in der
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
fer Flüchtlingskonvention gingen nicht
davon aus, dass Flüchtlingsfragen für lange
Zeit zu den zentralen internationalen Problemen zählen würden. Das Mandat von
UNHCR wurde auf den Zeitraum von drei
Jahren begrenzt, um Flüchtlingen aus der
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu helfen.
Danach sollte das Amt sich erwartungsgemäß auflösen. Stattdessen weiteten Ã
Lage ist, sie zu schützen? Wie wirksam
muss staatlicher Schutz sein?
Die ehemalige amerikanische Justizministerin Janet Reno hat sich mit diesem
Thema noch in ihren letzten Stunden im
Amt beschäftigt. Sie ordnete im Januar 2001
die Prüfung einer Entscheidung über die
Ablehnung des Asylantrags einer schwer
misshandelten Frau aus Guatemala durch
das Einwanderungsberufungsgericht
(Board of Immigration Appeals) an. Die Frau
hatte in den USA Schutz vor ihrem ehemaligen Ehemann gesucht, der sie misshandelte.
Ein historischer Einschnitt war die Annahme des Statuts des Internationalen
Strafgerichtshofs in Rom im Juli 1998,
der über ein breites Spektrum von geschlechtsspezifischen Verbrechen urteilen
wird: Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei,
Zwangsprostitution, Zwangsschwangerschaft, Zwangssterilisation. Im Februar 2001
verkündete der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wegen Vergewaltigungen die ersten Urteile
über bosnisch-serbische Offiziere, die als
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
erkannt wurden.
50 Jahre nach der Verabschiedung der
Genfer Flüchtlingskonvention umfasst
diese nach wie vor nur fünf Gründe für die
Feststellung der Flüchtlingseigenschaft.
Man hat den Vorschlag gemacht, dem einen
sechsten Grund – das Geschlecht – hinzuzufügen. Rechtsentscheidungen auf der
ganzen Welt beweisen aber hinlänglich, dass
Anträge aus Gründen des Geschlechts auf
der Basis des vorliegenden Textes behandelt werden können. Die Verfolgung aus
Gründen des Geschlechts und die Verfolgung von Frauen im Besonderen werden
B
nicht länger ausgeblendet.
13
|
à Flüchtlingskrisen sich vom Europa der
fünfziger in das Afrika der sechziger Jahre
und schließlich nach Asien aus, bis sie in
den neunziger Jahren wieder zur Realität
in Europa wurden.
Offenkundig musste die Flüchtlingskonvention gestärkt werden, um wirksam zu
bleiben. Im Jahr 1967 verabschiedete die
UN-Generalversammlung ein Protokoll
zur Konvention, das die zeitliche Begrenzung und die geographischen Beschränkungen wirksam aufhob, während deren wesentlichen anderen Bestimmungen beibehalten wurden.
Die Zahl der Menschen auf der Suche
nach Sicherheit stieg von unter einer Million auf den absoluten Höchststand von
TITEL
|
in den neunziger Jahren angesichts des
Massenexodus aus Bosnien und später aus
dem Kosovo, nach eigenen Maßstäben „vorläufigen Schutz“ zu gewähren.
Diese Verfahrensweise hatte Vor- und
Nachteile. Zivilisten konnten durch sie
rasch und mit einem Minimum an bürokratischen Hindernissen in einem Land
aufgenommen werden. Da für vorläufigen
Schutz aber keine allgemein bindenden
Standards existierten, wurden den Schutzsuchenden oft auch geringere und weniger
großzügige Rechte eingeräumt als im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention.
Zudem wurde Hilfeempfängern im Allgemeinen auch nur ein „vorläufiges“ Aufenthaltsrecht gewährt. Die Regierungen konn-
Ersatz für diese und sollte auch nicht in
dieser Weise eingesetzt werden.
Es gab auch zahlreiche negative Entwicklungen. Länder, die Flüchtlinge früher
in begrenzter Zahl willkommen geheißen
oder große Gruppen von ihnen sowohl aus
politischen als auch humanitären Gründen aufgenommen hatten (wie die Flüchtlinge, die aus den kommunistischen
Staaten Europas in den Westen kamen),
begannen ihre Tore zu schließen. Der Begriff „Festung Europa“ wurde geprägt.
Unausweichlich geriet damit auch die
Flüchtlingskonvention in die Kritik. Gewundene juristische Argumentationen
wurden vorgetragen, um den Strom der
Asylsuchenden einzudämmen, wann immer dies politisch opportun schien.
Da die Flüchtlingskonvention von 1951
den Begriff der „Verfolgung“ nicht definiert, wurde dieser den unterschiedlichsten
– und immer restriktiveren – Interpretationen unterworfen. Nach Meinung mancher Staaten hat der Charakter von Verfolgung sich in den letzten 50 Jahren verändert. Menschen, die vor Bürgerkriegen,
allgemeiner Gewalt und verschiedensten
Formen von Menschenrechtsverletzungen
aus ihren Herkunftsländern fliehen – und
das meist in großer Zahl -, fliehen danach
nicht vor Verfolgung.
UNHCR vertritt hingegen den Standpunkt, dass Kriege und Gewalt zunehmend zu Instrumenten der Verfolgung im
Sinne der Flüchtlingskonvention geworden sind. In den Konflikten im ehemaligen
Jugoslawien, im ostafrikanischen Seenhochland oder im Kosovo ist Gewalt gezielt
zur Verfolgung von bestimmten Bevölkerungsgruppen eingesetzt worden. Ethnische oder religiöse „Säuberungen“ waren
das Endziel dieser Konflikte.
DIE TÄTER
1951 ging man allgemein davon aus, dass
Staaten die „Urheber von Verfolgung“ sind.
Heute fliehen Flüchtlinge oft aus Gebieten,
in denen es gar keine funktionsfähige Re-
„DIE VERTRAGSCHLIEßENDEN STAATEN WERDEN JEDEM FLÜCHTLING, DER SICH IN IHREM
GEBIET BEFINDET ..., EINEN PERSONALAUSWEIS AUSSTELLEN.“ Artikel 27
über 27 Millionen im Jahr 1997. Neue Kategorien von Schutzsuchenden tauchten auf
wie z.B. die so genannten Binnenvertriebenen.
In einem innovativen und relativ wohl
wollenden Ansatz begannen einige Länder
14
ten ihre Schutzmaßnahmen jederzeit nach
eigenem Ermessen beenden. Deshalb kann
vorläufiger Schutz zwar als praxisorientierte Ergänzung zur Genfer Flüchtlingskonvention betrachtet werden, doch
ist er nach Einschätzung von UNHCR kein
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
gierung mehr gibt und in denen sie zu
Opfern von parastaatlichen Organisationen, Rebellenbewegungen oder örtlichen
Milizen werden. Einige Staaten wollen Verfolgungshandlungen von solchen „nichtFortsetzung auf Seite 18 Ã
|
TITEL
|
BEENDIGUNG: Wann hört ein Flüchtling
auf, ein Flüchtling zu sein?
Die Anwendung der „Beendigungsklauseln“ der Genfer
Flüchtlingskonvention
ZWEI BEREICHE
Die Beendigungsklauseln decken zwei
große Bereiche ab. Vier Klauseln beziehen
sich auf einschneidende Veränderungen in
der persönlichen Situation eines Flüchtlings, beispielsweise wenn er oder sie freiwillig in sein Herkunftsland zurückkehrt,
einen Pass in einem anderen Land erhält
oder sich dort niederlässt.
Der zweite Bereich der Beendigungsklauseln wird bei einer grundlegenden Veränderung der Bedingungen angewandt, die
einen Zivilisten ursprünglich zur Flucht
gezwungen haben, etwa wenn das Herkunftsland nach einem Krieg in eine Demokratie überführt wird.
Im Rahmen dieses letzteren Bereichs hat
UNHCR in den vergangenen 20 Jahren für
U N H C R / B . N E E L E M A N / C.S.•ETH•2001
A
ls eine radikale Gruppe junger Offiziere 1974 Haile Selassie, den Kaiser
von Äthiopien, stürzte, läutete sie
zwei Jahrzehnte der brutalen Gewalt ein.
Tausende von Menschen wurden in Terrorkampagnen getötet und Hunderttausende
flohen in die umliegenden ostafrikanischen
Staaten.
Das diskreditierte Militär wurde seinerseits im Jahr 1991 gestürzt. Die Mehrheit
der Flüchtlinge kehrte freiwillig in die Heimat zurück, als eine neue Zivilregierung
eine demokratische Reform durchführte.
Im Jahr 2000 wandte UNHCR die so
genannten „Beendigungsklauseln“ der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 auf
einige Tausend Äthiopier an, die ihr Land
vor 1991 verlassen hatten.
Den Flüchtlingen wurde mitgeteilt, ihr
Anspruch auf internationalen Schutz sei
erloschen, weil sie in ihr Herkunftsland
zurückkehren konnten, ohne Verfolgung
in irgendeiner Form fürchten zu müssen.
In Krisensituationen richtet sich die Aufmerksamkeit der Welt im Allgemeinen auf
die spektakulären Seiten des Problems, die
Flucht von Zivilisten, ihre Versuche, Asyl
zu finden, und das Verhalten der Staaten.
Die Beendigungsklauseln werden wesentlich weniger beachtet, die kurz- und langfristige Lösungen nach dem Ende von Krisen finden sollen.
Bei der Ausarbeitung der Genfer Flüchtlingskonvention machte der erste Hohe
Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, G.J. van Heuven Goedhart, deutlich,
dass beides erforderlich ist. Schutz war offenkundig notwendig, aber er sollte nur so
lange gewährt werden wie absolut erforderlich. „Asyl“, sagte er, „sollte nicht
einen Tag länger gewährt werden, als dies
wirklich zwingend ist.“
Äthiopier bei der Rückkehr aus dem
Sudan.
15 nationale Gruppen die Beendigung der
Flüchtlingseigenschaft erklärt, unter anderem für die Äthiopier, die vor 1991 aus
ihrem Land geflohen sind, für die Chilenen
nach dem Demokratisierungsprozess Chiles
und die Namibier im Anschluss an die Ausrufung der staatlichen Unabhängigkeit
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
ihres Landes.
Unterdessen ist eine Debatte darüber im
Gang, wann und in welcher Form die Klauseln angewandt werden sollen, vor allem
in Massenfluchtsituationen oder in Fällen,
in denen Staaten fliehenden Zivilisten so
genannten „vorläufigen Schutz“ statt der
vollen Rechte nach der Konvention gewähren.
Diese Art von „vorläufigem Schutz“ haben die europäischen und andere Staaten
Hunderttausenden von Zivilisten geboten,
die in den neunziger Jahren aus der Balkanregion geflohen sind. Damit die Regierungen diese Politik der „offenen Tür“ auch in
der Zukunft verfolgen, plädieren Regierungsbeamte für eine schnelle und großzügige Anwendung der Beendigungsklauseln.
Gegner tragen hingegen den Einwand
vor, die Staaten würden ohnehin zögern,
die vollen Konventionsrechte in Situationen „vorläufigen Schutzes“ zu gewähren.
Sie könnten eine derartige „Flexibilität“ als
Signal für die willkürliche Anwendung der
Beendigungsklauseln missdeuten.
Das sind nicht die einzigen offenen Fragen. Könnten nicht beispielsweise viele der
schätzungsweise 3,5 Millionen afghanischen
Flüchtlinge, die derselben ethnischen
Gruppe angehören wie die Taliban, in
Sicherheit in die friedlichen Gebiete dieses
verwüsteten Landes zurückkehren, nachdem sie jahrelang im Exil gelebt haben?
UNHCR hat in dieser Frage engagiert den
Standpunkt vertreten, „dass von Beendigung nicht die Rede sein kann, wenn auf
eine Form von Bürgerkrieg eine andere
folgt, wie das in Afghanistan der Fall ist.“
Manchen Beamten schaudert jedoch vor
den Konsequenzen eines solchen Ansatzes.
„Das System hat bis jetzt gut funktioniert
und muss vorsichtig angewandt werden“,
sagt ein Experte. „Wir können nicht das Risiko eingehen, die Büchse der Pandora zu
öffnen, aus der einige unangenehme Überraschungen hervorspringen könnten.“ B
15
|
FRAGEN & ANT WORTEN
|
Die häufigsten Fragen zur
Genfer Flüchtlingskonvention
Warum ist die Genfer Flüchtlingskonvention
wichtig?
zeitlichen Begrenzungen auf, nach der hauptsächlich Europäer infolge von Ereignissen, die
vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, Asyl
beantragen konnten.
Sie ist das einzige universell geltende Abkommen, das sich ausschließlich und umfassend
Flüchtlingen widmet. Sie legt eine Reihe von
grundlegenden Rechten fest, die zumindest denen von Ausländern, die sich rechtmäßig in
einem bestimmten Land aufhalten, und oftmals denen der Staatsangehörigen des Aufnahmelandes entsprechen. Sie trägt der internationalen Dimension von Flüchtlingskrisen
und der Notwendigkeit der internationalen
Zusammenarbeit Rechnung, einschließlich
einer Lastenteilung zwischen den Staaten.
Wer ist ein Flüchtling?
Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention
definiert einen Flüchtling als Person, die sich
außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren
ständigen Wohnsitz hat, und die wegen ihrer
Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu
einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen
ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat und
den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch
nehmen kann oder wegen dieser Furcht
vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren
kann.
Was ist Schutz?
Eine Regierung ist dafür verantwortlich, die
Gesetze ihres Landes durchzusetzen. Ist sie
dazu nicht in der Lage oder gegenüber bestimmten Gruppen oder Personen nicht willens, was häufig im Fall von Konflikten oder
öffentlichen Unruhen geschieht, verlassen Personen, deren grundlegende Menschenrechte
bedroht sind, ihren Wohnort. Viele fliehen in
ein anderes Land, wo sie als Flüchtlinge anerkannt und ihnen Grundrechte garantiert
werden können.
Was ist das Protokoll von 1967?
Es hebt die im ursprünglichen Abkommen von
1951 festgeschriebenen geographischen und
© S . S A L G A D O / ALB•1999
©CORBIS
Was bietet die Genfer Flüchtlingskonvention?
Sie definiert, was der Begriff „Flüchtling“ bedeutet. Sie bestimmt die Rechte von Flüchtlingen, zu denen Religions- und Bewegungsfreiheit sowie das Recht zu arbeiten, das Recht auf
Bildung und das Recht auf den Erhalt von
Reisedokumenten gehören. Doch sie unterstreicht auch die Pflichten von Flüchtlingen
gegenüber ihrem Aufnahmeland. Ein Kernstück ist das Prinzip des Non-Refoulement, d.h.
des Verbots der Zurückweisung in ein Land,
in dem ein Flüchtling Verfolgung fürchtet. Sie
nennt zudem Personen oder Gruppen von Personen, auf die die Genfer Flüchtlingskonvention nicht Anwendung findet.
16
Wer schützt Flüchtlinge?
Für den Schutz von Flüchtlingen sind in erster
Linie die Regierungen der Aufnahmeländer
verantwortlich. Die 140 Vertragsstaaten des
Abkommens und/oder des Protokolls über die
Rechtsstellung der Flüchtlinge sind verpflichtet, ihre Bestimmungen auszuführen. UNHCR
übt eine Kontrollfunktion aus und greift gegebenenfalls ein, um sicherzustellen, dass bonafide-Flüchtlinge Asyl erhalten und nicht zur
Rückkehr in Länder gezwungen werden, in
denen ihr Leben in Gefahr sein könnte. Das
Amt sucht nach Wegen, um Flüchtlingen beim
Neuanfang zu helfen, entweder durch Integration in den Aufnahmeländern oder freiwillige Rückkehr in ihre Herkunftsländer;
wenn dies nicht möglich ist, auch durch die
dauerhafte Ansiedlung in Drittländern.
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
Ist die Genfer Flüchtlingskonvention im
neuen Jahrtausend noch aktuell?
Ja. Sie wurde im Gefolge des Zweiten Weltkriegs und angesichts der wachsenden politischen Spannungen zwischen Ost und West verabschiedet. Doch obwohl sich der Charakter
von Konflikten und Migration seither teilweise
verändert hat, erweist sich die Konvention als
außerordentlich geeignet, auf Dauer zum
Schutz von schätzungsweise 50 Millionen Menschen in den verschiedensten Situationen beizutragen. Solange es Verfolgung von Einzelpersonen und Gruppen gibt, wird man die Genfer
Flüchtlingskonvention brauchen.
Soll das Abkommen Migrationsbewegungen steuern?
Nein. Millionen von Migranten haben die in
den letzten Jahrzehnten verbesserten Kommunikations- und Transportmöglichkeiten
dazu genutzt, ein neues Leben in einem anderen, meist westlichen Land zu beginnen.
Doch sollten sie nicht mit bona-fide-Flüchtlingen verwechselt werden, was gelegentlich
geschieht. Solche Personen fliehen vor lebensbedrohender Verfolgung und nicht nur aus
wirtschaftlicher Not. Migrationsbewegungen
sind sehr komplex und können auch wirkliche
Flüchtlinge umfassen. Für Regierungen ist es
eine sehr schwierige Aufgabe, die verschiedenen Gruppen voneinander zu unterscheiden
und wirkliche Flüchtlinge durch bewährte und
faire Asylverfahren angemessen zu behandeln.
Worin unterscheiden sich Flüchtlinge von
Migranten?
Im Allgemeinen verlassen Migranten ihr
Herkunftsland freiwillig auf der Suche nach
einem besseren Leben. Wenn sie sich zur Rückkehr dorthin entschließen, werden sie weiterhin unter dem Schutz der Regierung stehen.
Flüchtlinge fliehen angesichts drohender Verfolgung und können unter den zu diesem Zeitpunkt herrschenden Bedingungen nicht in Sicherheit in ihre Herkunftsländer zurückkehren.
Findet die Genfer Flüchtlingskonvention
Anwendung auf Binnenvertriebene?
Nicht ausdrücklich. Flüchtlinge sind Personen,
die auf der Suche nach Zuflucht eine internationale Grenze überquert haben. Binnenver-
|
FRAGEN & ANT WORTEN
triebene können aus den gleichen Gründen
geflohen sein, doch sind sie auf dem Territorium ihres Herkunftslandes geblieben und
damit dessen Gesetzen nach wie vor verpflichtet. In einigen Konfliktgebieten unterstützt UNHCR einen Teil der weltweit geschätzten 20 bis 25 Millionen Binnenvertriebenen. Derzeit wird eine breite internationale
Debatte über die Frage geführt, wie und von
wem diese entwurzelten Menschen besser
geschützt werden können.
Kann die Genfer Flüchtlingskonvention
Flüchtlingsprobleme lösen?
Menschen werden individuell oder im Rahmen eines Massenexodus zu Flüchtlingen, weil
in ihrer Heimat politische, religiöse, militärische und andere Probleme herrschen. Die
Genfer Flüchtlingskonvention war nicht darauf angelegt, diese Ursachen zu beseitigen,
sondern ihre Folgen zu lindern, indem den
Opfern ein bestimmter Grad an völkerrechtlichem Schutz und andere Unterstützung
angeboten und ihnen letztlich beim Aufbau
eines neuen Lebens geholfen wird. Schutz kann
zu einer Gesamtlösung beitragen, doch angesichts des dramatischen Anstiegs der Flüchtlingszahlen in den letzten Jahrzehnten ist deutlich geworden, dass humanitäre Arbeit kein
Ersatz für politisches Handeln zur Vermeidung
von zukünftigen Krisen oder zu ihrer Lösung
sein kann.
Welche Pflichten haben Flüchtlinge?
Flüchtlinge müssen die Gesetze und Vorschriften ihres Asyllandes achten.
Ist ein Signatarstaat der Genfer
Flüchtlingskonvention verpflichtet, allen
Flüchtlingen auf Dauer Asyl zu gewähren?
Die Genfer Flüchtlingskonvention bietet keinen automatischen oder dauerhaften Schutz.
Es gibt Fälle, in denen sich Flüchtlinge auf
Dauer in ihrem Asylland integrieren. Doch es
kann auch der Fall eintreten, dass eine Person
kein Flüchtling mehr ist, weil die Grundlage
für die Rechtsstellung von Flüchtlingen erlischt. UNHCR „bevorzugt“ die Lösung der
freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen in ihr
Herkunftsland, aber nur dann, wenn die Bedingungen in diesem Staat ihre sichere Rückkehr erlauben.
Auf welche Personen findet die Genfer
Flüchtlingskonvention keine Anwendung?
Personen, die Verbrechen gegen den Frieden
oder ein Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen
die Menschlichkeit oder ein schweres nicht
politisches Verbrechen außerhalb des Zufluchtslandes begangen haben.
Kann ein Soldat ein Flüchtling sein?
Ein Flüchtling ist ein Zivilist. Ehemalige Soldaten können die Flüchtlingseigenschaft
haben, aber Personen, die weiterhin an militärischen Aktionen beteiligt sind, können für
die Gewährung von Asyl nicht in Frage kommen.
Können Länder, die nicht Vertragsstaaten
der Genfer Flüchtlingskonvention sind,
Asylsuchenden die Einreise verweigern?
Das Prinzip des Non-Refoulement – des Verbots der erzwungenen Rückkehr in ein Land,
in denen einer Person Verfolgung droht – ist
ein Teil des allgemeinen Völkerrechts und
somit für jeden Staat bindend. Deshalb sollte
keine Regierung eine Person unter solchen
Umständen ausweisen.
Wer oder was ist ein „Urheber von Verfolgung“?
Die Formulierung bezieht sich auf Personen
oder Institutionen wie Regierungen, Rebellen
oder andere Gruppen, die Menschen zur Flucht
aus ihrer Heimat zwingen. Für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sollte der
Urheber der Verfolgung jedoch nicht entscheidend sein. Wichtig ist, ob eine Person internationalen Schutz verdient, weil ihr Schutz im
Herkunftsland nicht gegeben ist.
Was ist „temporärer Schutz”?
Staaten räumen gelegentlich „temporären
Schutz“ ein, wenn sie mit einem plötzlichen
Massenzustrom von Menschen konfrontiert
werden, der ihre regulären Asylsysteme überfordert, wie dies beispielsweise bei dem Konflikt im ehemaligen Jugoslawien Anfang der
neunziger Jahre der Fall war. Unter solchen
Bedingungen können Personen schnelle Aufnahme in sicheren Ländern finden, aber ohne
Garantie auf dauerhaftes Asyl. Deshalb kann
„temporärer Schutz“ unter bestimmten Bedingungen sowohl für Regierungen als auch
für Asylsuchende von Vorteil sein. Er ist
jedoch nur eine Ergänzung und kein Ersatz
für die umfassenden Schutzmaßnahmen
einschließlich des Asyls für Flüchtlinge
auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention.
Werden manche Länder wie die europäischen Staaten von Asylsuchenden „überflutet"?
Auf der ganzen Welt und auch in einigen Ländern Europas gibt es die Vorstellung, dass sie
von Asylsuchenden „überflutet“ werden. Es
trifft zwar zu, dass in den letzten Jahrzehnten
die Flüchtlingszahlen in vielen Gebieten massiv gestiegen sind, doch sind alle diese Klagen
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
|
relativ. Letzten Endes nehmen einige Nationen in Afrika und Asien mit wesentlich geringeren wirtschaftlichen Ressourcen als die Industrieländer mitunter größere Zahlen von
Flüchtlingen für wesentlich längere Zeiträume auf.
Werden allein durch den Beitritt zur Genfer Flüchtlingskonvention immer mehr
Asylsuchende angezogen?
Nein. Einige Staaten, die besonders viele
Flüchtlinge aufgenommen haben, sind den
völkerrechtlichen Instrumenten zum Flüchtlingsschutz nicht beigetreten. Geographische
Gesichtspunkte oder Familienbande haben
einen wesentlich höheren Stellenwert, wenn es
um die „Attraktivität“ eines Zielorts geht.
Beeinträchtigt der Beitritt die staatliche
Souveränität?
Souveränität ist nie absolut. Die internationalen Beziehungen umfassen ein vernünftiges und annehmbares Maß an Kompromissen, und die Instrumente für den Flüchtlingsschutz schaffen einen Ausgleich zwischen den
staatlichen Interessen und dem Flüchtlingsschutz. Beispielsweise ist die Gewährung von
Asyl in der Konvention nicht geregelt und unterliegt weiterhin dem Ermessen der einzelnen Regierungen.
Wie kann einer besorgten Regierung oder
einheimischen Bevölkerung der Beitritt
vermittelt werden?
Manche in einem Land gehegten Bedenken
beruhen auf einer Fehlinterpretation oder
einem Missverständnis. Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das Protokoll
von 1967 sind nicht mehr als ein allgemeiner
rechtlicher Rahmen, auf dem Staaten ihre
Flüchtlingspolitik aufbauen können. Die den
Regierungen auferlegten Pflichten sind wiederum nicht so einengend, wie oft angenommen
wird. Flüchtlinge lediglich zu tolerieren, statt
ihnen einen rechtlich abgesicherten Status zu
verleihen, könnte dagegen zur Entstehung
einer „Grauzone“ führen, die Komplikationen
schafft und sich zu einem wirklichen Problem
entwickelt.
Kann irgendein Land als „sicheres“ Land
in dem Sinn gelten, dass es nicht Herkunftsland von Flüchtlingen sein kann?
Nein. Selbst Anträge der Bürger von Staaten,
in denen im Allgemeinen keine ernsthafte
Gefahr der Verfolgung besteht, müssen geprüft
werden. Diese können unter der Voraussetzung, dass alle Asylsuchenden eine faire Anhörung bekommen, in einem „beschleunigten
B
Verfahren“ geprüft werden, .
17
|
TITEL
|
à Fortsetzung von Seite 14
staatlichen Urhebern“ nicht als Verfolgung
im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gelten lassen. Andere vertreten hingegen den Standpunkt, den Opfern müsse die
Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden,
wenn ein Land die Verfolgung durch nichtstaatliche Urheber toleriert, an ihr beteiligt
ist oder sie nicht verhindern kann.
Da die Flüchtlingskonvention zu diesem Punkt keine explizite Aussage enthält,
geht UNHCR davon aus, dass für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft weniger der Urheber der Verfolgung als vielmehr die Frage entscheidend ist, ob die
Rechtsverletzung auf eine der Ursachen
zurückgeht, die in der Flüchtlingskonvention aufgeführt werden. Im vergangenen
Jahr hat der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte entschieden, dass die
Rückführung von Asylsuchenden in Situationen, in denen die Gefahr der Verfolgung
besteht, eine Verletzung der Europäischen
Menschenrechtskonvention darstellt. Mit
dieser Entscheidung hat er zugleich bestätigt, dass Verfolgung auch vonseiten
nichtstaatlicher Urheber ausgehen kann.
Innovative Programme wie der „temporäre Schutz“ werden in Massenfluchtsituationen angewandt. Hier treffen Zivilisten auf der Flucht aus dem Kosovo in
den USA ein.
AUSSCHLUSS:
Ausschließen oder nicht ausschließen?
Wann kann jemand vom Schutz ausgeschlossen werden?
A
ls Anfang des Jahres 2000 auf dem
Londoner Flughafen Stansted ein entführtes afghanisches Flugzeug landete, erregte der Fall internationales Aufsehen.
Zunächst wurden die afghanischen Passagiere
von den britischen Medien als unschuldige
Opfer begrüßt, die es geschafft hatten, der Wut
der rachsüchtigen Taliban zu entkommen.
In einer Atmosphäre wachsender Fremdenfeindlichkeit schlug das Willkommen jedoch
schnell in Verurteilung um. Manche Zeitungen brandmarkten selbst Frauen und Kinder
als Betrüger, als „Scheinflüchtlinge“, die sich
auf Kosten des Steuerzahlers in Luxushotels
einquartiert hatten.
Die britische Regierung betonte, kein
Afghane würde auch nur einen Moment länger
im Land bleiben als unbedingt erforderlich. Die
europäischen Regierungen schauten zu, wie
sich das Drama zu einer Art Testfall in Sachen
Flüchtlingsschutz entwickelte.
18
Die Entführer sagten, sie seien den Taliban in
Afghanistan nur knapp entkommen und einige
von ihnen seien bereits gefoltert worden. Die
Regierung fror die Asylanträge der Entführer
ein und stellte zwölf von ihnen vor Gericht. Fast
80 Zivilisten, einige davon Familienangehörige
der Entführer, stellten einen Asylantrag. Zwei
Anträge wurden anerkannt und 37 abgewiesene
Fälle befinden sich zurzeit in der Berufung. Die
Besatzung und andere Passagiere kehrten in die
Heimat zurück.
An dieser Stelle wird die Geschichte interessant. Personen, die in Entführungen verwickelt sind, können nach den so genannten
„Ausschlussklauseln“ der Genfer Flüchtlingskonvention behandelt werden. Trotz wachsenden Drucks vonseiten der Regierungen, die
wegen des zunehmenden Terrorismus besorgt
sind, hat UNHCR jedoch den Standpunkt
vertreten, selbst scheinbar eindeutige Fälle
müssten mit größtmöglicher Vorsicht behan-
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
delt werden – ein Ansatz, der sich in dem Entführungsdrama als berechtigt bestätigt hat.
Obwohl die Mitglieder der Flugzeugbesatzung in Afghanistan anfänglich als Helden
gefeiert wurden, wurden sie später schikaniert
und bedroht. Zwei Besatzungsmitglieder sind in
das benachbarte Pakistan geflohen. Das Schicksal der zurückgekehrten Passagiere ist unbekannt.
ANTRAGSTELLER AUSSCHLIEßEN
Die Ausschlussklauseln der Genfer Flüchtlingskonvention schließen bestimmte Personengruppen aus verschiedenen Gründen von
der Anerkennung als Flüchtling aus. Dazu gehören Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
Kriegsverbrechen, schwere nichtpolitische Verbrechen, die außerhalb des Aufnahmelandes
begangen wurden, und Handlungen, die den
Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Diese umfassen ein breites
© B L A C K S T A R / L . Q U I N O N E S / USA•1999
|
Einige Staaten haben argumentiert, die
Flüchtlingskonvention beziehe sich ausschließlich auf einzelne Individuen („ ... findet der Ausdruck 'Flüchtling' auf jede Person Anwendung ...“). Somit würden die Bestimmungen der Flüchtlingskonvention
nicht auf Gruppen zutreffen, die in Massenfluchtsituationen in einem anderen
Land Asyl suchen – ein Fall, der aber immer häufiger eintritt. In der Flüchtlingskonvention indes ist jedoch kein Hinweis
darauf enthalten, dass sie sich nur auf Einzelpersonen bezieht. Sie weisen zudem darauf hin, dass die Flüchtlingskonvention,
die im historischen Kontext ihrer Entstehung zu betrachten ist, ja gerade der großen
Zahl von Menschen helfen sollte, die infolge des Zweiten Weltkriegs vertrieben
worden waren.
Die Bestimmungen der Flüchtlingskonvention stellen eine große juristische Herausforderung dar. Während einige Artikel
vollkommen eindeutig sind, sind die meisten von ihnen so flexibel, dass sie im Wandel der Zeiten und Rahmenbedingungen
durch neue Interpretationen verändert und
weiterentwickelt werden können. Die Tat-
TITEL
|
sache, dass die Flüchtlingskonvention zu
einer Reihe von Fragen wie Asyl, Geschlecht oder Lastenteilung nichts aussagt,
hat in den letzten Jahren in Regierungen,
unter Rechtswissenschaftlern und bei
UNHCR intensive Debatten ausgelöst.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte kennt nur das Recht, Asyl zu
suchen und zu genießen. In der Flüchtlingskonvention ist mit dem Non-Refoulement-Gebot auch der Übergang zum
individuellen Schutzanspruch vollzogen
worden. Die Flüchtlingskonvention schützt
Flüchtlinge, die ihre Personal- oder
Reiseausweise zurückgelassen haben oder
dieselben nicht erhalten konnten und
somit unrechtmäßig in ein potenzielles
Asylland eingereist sind. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, keine Strafen
gegen solche Personen zu verhängen, vorausgesetzt, „dass sie sich unverzüglich bei
den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise
oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt
rechtfertigen.“
Ein Hinweis auf die Verantwortlichkeit
der Staaten zur Aufnahme von Flüchtlin-
gen findet sich auch in der Schlussakte:
Diese empfahl „den Regierungen, weiterhin Flüchtlinge auf ihrem Staatsgebiet
aufzunehmen und hierbei ... im Geiste internationaler Zusammenarbeit zu handeln,
sodass diesen Flüchtlingen Asyl gewährt
und die Möglichkeit, sich neu anzusiedeln,
gegeben wird.“
während des Völkermords von Ruanda begangen wurden, haben der Sorge über mögliche
Lücken im Völkerrecht jedoch neue Nahrung
gegeben. Manche Regierungen sind besorgt,
dass die Genfer Flüchtlingskonvention von Terroristen als Schutzschild missbraucht werden
könnte. Sie setzen zunehmend auf internationale Antiterrorismus-Instrumente, um die von
ihnen gefürchtete Bedrohung zu bekämpfen.
UNHCR hat hervorgehoben, die Genfer
Flüchtlingskonvention und ihre Ausschlussklauseln seien umfassend und flexibel genug,
um unerwünschte Personen von der Anerkennung als
Flüchtling auszuschließen. Das
Amt zeigt sich
vielmehr darüber
besorgt, „dass die
Ausschlussklauseln in einem Klima, in dem die Institution des Asyls
auf dem Prüfstand steht, nicht
dazu dienen dürfen, auch in anerkennungswürdigen Fällen internationalen Schutz
zu verweigern.“
„Bring uns nach Stansted!“
Selbst wenn jemand ein so schweres Verbrechen begangen hat, dass der Ausschluss
gerechtfertigt ist, sollte nach Meinung von
Völkerrechtlern die Schwere des Verbrechens
in Relation zum wahrscheinlichen Schicksal
der antragstellenden Person betrachtet werden, das sie im Fall eines Ausschlusses erwartet. Wenn einem Drogenhändler bei seiner
Rückkehr beispielsweise Folter oder die Hinrichtung drohen, kann ihm Asyl gewährt werden.
Eine Reihe von ungeklärten Fragen ist im
Rahmen der globalen Konsultationen angesprochen worden. Dazu gehören unter anderem
die Konsequenzen des Ausschlusses – soll eine
Person, die ausgeschlossen worden ist, von den
Behörden des Aufnahmelandes strafrechtlich
verfolgt werden oder soll man sie in ihr Herkunftsland zurückschicken?
Mitarbeiter humanitärer Organisationen
zeigen sich indes angesichts der Abschiebung
von unerwünschten Personen in Länder besorgt, die den internationalen Menschenrechtsinstrumenten nicht beigetreten sind.
„Das gesamte Thema ist sehr heikel“, sagt
ein Rechtsanwalt, „weil wir im Allgemeinen
mit einem potenziellen Flüchtling umgehen,
der kriminell sein könnte. Abschließend muss
man jedoch sagen, das die Anwendung der
Ausschlussklauseln die Ausnahme von der
B
Regel bleiben muss.“
Spektrum von Verbrechen, von Mord und Vergewaltigung bis hin zur mutwilligen Zerstörung von Städten.
Die Klauseln wurden geschaffen, um Tätern,
die Verbrechen begangen haben, den Flüchtlingsschutz vorzuenthalten und das Aufnahmeland vor Straftätern zu schützen, die eine
Gefahr für die Sicherheit dieses Landes darstellen. Die Ausschlussklauseln sollen dazu
beitragen, die Integrität des Asylkonzepts aufrecht zu erhalten.
Die Häufigkeit der Gräueltaten, die in den
neunziger Jahren in der Balkanregion und
COURTESY OF THE DAILY MAIL
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
GESCHLECHTSSPEZIFISCHE
VERFOLGUNG
Geschlechtsspezifische Verfolgung wird
in der Konventionsliste der Merkmale zur
Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
nicht erwähnt. Dennoch erkennt man zunehmend an, dass die Flüchtlingsdefinition (siehe Kasten) auch bei geschlechtsspezifischer Gewalt angewendet werden
kann. Das britische Oberhaus kam 1999 in
einer Debatte zu dem Ergebnis, dass Frauen
als „spezifische soziale Gruppe“ gelten können, wenn sie aufgrund von Verhaltensweisen oder Einstellungen verfolgt werden, die nicht der herrschenden sozialen
Ethik entsprechen – Einstellungen, mit denen Frauen beispielsweise diskriminiert
oder mit denen ihnen geringerer Rechts- Ã
19
|
TITEL
|
© L A I F / G . U L U T U N Ç O K / C.S.•LBR•1995
Rhetorik auch gegen die Flüchtlingskonvention selbst.
Es ist unumstritten, dass die
Zahl der Asylsuchenden in den Industrieländern in den beiden letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist. Im Jahr 2000 haben in 15
Ländern der Europäischen Union
etwas mehr als 400.000 Personen
einen Antrag auf Asyl gestellt –
doppelt so viele wie im Jahr 1980,
aber schon wesentlich weniger als
1992 mit der Höchstzahl von
700.000. Mit der wachsenden Zahl
der Asylsuchenden nehmen die
Kosten für Asylverfahren und die
soziale Unterstützung zu. Einer
Schätzung zufolge sind die Kosten
dafür in den Industrieländern im
Jahr 2000 auf zehn Milliarden USDollar gestiegen. Wenn dann nur
Die Flüchtlingskonvention nennt die Personengruppen, denen die Flüchtlingseigenschaft
einem Viertel aller AsylsuchenNICHT zuerkannt wird, z.B. Soldaten.
den letztlich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, wie
mer noch unter dem Rechtsschutz ihrer dies 1999 in der EU der Fall war, stellen die
à schutz zuteil wird als Männern.
Die Flüchtlingskonvention beruht zwar Regierung, weil sie keine internationale Regierungen sich quer.
auf dem Gedanken der internationalen Grenze überschritten haben und damit
Zusammenarbeit und der Erkenntnis, dass nicht unter die Genfer Flüchtlingskon- DIE FLÜCHTLINGSKONVENTION IN
die Lasten und Pflichten, die aus dem vention fallen. Angesichts des minimalen FRAGE STELLEN
Dem britischen Premierminister Tony
Flüchtlingsschutz entstehen, gerecht oder sogar völlig fehlenden Schutzes für
geteilt werden müssen. Sie umfasst aber die Mehrzahl der Binnenvertriebenen setzt Blair zufolge ist die Zeit gekommen,
keine Vorgaben, wie das zu geschehen hat. sich die internationale Gemeinschaft nun „innezuhalten und die Anwendung [der
Unter den Aufnahmeländern ist gerade die mit der Frage auseinander, wie man ihre Flüchtlingskonvention] in der heutigen
Welt zu prüfen.“ Die Politik GroßbritanLastenteilung zu einer der umstrittensten Rechte besser schützen kann.
Fragen geworden, bei der es nicht nur um
Die zunehmende Tendenz mancher niens werde sich in Zukunft an der Maxime
Menschen und Geld, sondern auch um Regierungen, die Bestimmungen der orientieren, „denen Asyl zu gewähren, die
Nahrung, Gesundheitsversorgung, Ar- Flüchtlingskonvention immer restriktiver nach den Bestimmungen Anspruch darauf
beitsplätze, Unterkünfte und Umweltres- auszulegen, ist eine Reaktion auf eine haben und mit denen „kurzen Prozess“ zu
„JEDER FLÜCHTLING HAT GEGENÜBER DEM LAND,
IN DEM ER SICH BEFINDET, PFLICHTEN ...“ Artikel 2
sourcen geht. Wenn sie nicht gelöst wird,
könnte das gesamte internationale System
zum Schutz von Flüchtlingen ins Wanken
geraten.
Mit Blick auf das Problem der Binnenvertriebenen – Menschen, die durch Kriege
und allgemeine Gewalt vertrieben worden,
aber innerhalb der Grenzen ihres Herkunftslandes geblieben sind – besteht dringender Handlungsbedarf. Ihre Zahl beläuft
sich inzwischen in mindestens 40 Ländern
auf 20 bis 25 Millionen, während es schätzungsweise zwölf Millionen Flüchtlinge
gibt. Sie sind nicht selten aus denselben
Gründen geflohen wie Flüchtlinge. Gleichwohl stehen sie zumindest theoretisch im-
20
höhere Belastung der Asylsysteme durch
den Anstieg illegaler Migration und beruht
sowohl auf tatsächlichem wie vermeintlichem Missbrauch. Billige internationale
Reisemöglichkeiten und globale Kommunikation veranlassen immer mehr Menschen dazu, ihren Wohnort zu verlassen
und woanders ein besseres Leben zu suchen.
Schleuser und Menschenhändler haben
daraus ein millionenschweres Geschäft
gemacht. Im Wettlauf auf der Suche nach
einem „gelobten Land“ vermischen sich
Migranten mit Flüchtlingen. Je mehr die
Unterschiede zwischen ihnen verwischt
werden, desto schärfer wird die AbwehrFLÜCHTLINGE NR. 2/2001
machen, auf die das nicht zutrifft.“ Beipflichtend sagte der ehemalige britische
Innenminister Jack Straw, „dass die Flüchtlingskonvention nicht mehr in der Weise
wirksam ist, wie ihre Gestalter es beabsichtigt haben.“ Mit dem Verweis auf den
zehnfachen Anstieg der Zahl von Asylsuchenden in Großbritannien seit 1988
fügte Straw hinzu, „dass Migrationswillige
einen bestimmten Aspekt der Flüchtlingskonvention ausnutzen – nämlich die Verpflichtung, die den Vertragsstaaten zur
Prüfung jedes Asylantrags in ihrem Land
auferlegt wird, wie unbegründet er auch
sein mag.“
Der australische Minister für Immi-
|
gration und Multikulturelle Angelegenheiten, Philipp Ruddock, hat sich zu einem
entschiedenen Kritiker der Flüchtlingskonvention und der gesamten Arbeit von
UNHCR entwickelt. Das Amt, meinte
Ruddock vor kurzem, „gibt jeden Tag Pfennige für die Versorgung von Menschen in
Afrika aus, während wir in den Industrieländern Zehntausende von Dollar für
diejenigen brauchen, die frei genug waren,
um zu reisen, und die genug Geld hatten,
TITEL
|
dermann – von Terroristen über Massenmörder bis hin zu Drogenhändlern – als
Schutzschirm missbraucht werden. Völkerrechtler halten die existierenden Bestimmungen hingegen für ausreichend
und flexibel genug, um diese Probleme zu
bewältigen. Sie betonen, dass solche Personen ohnehin bereits von der Konvention
ausgeschlossen seien.
Zahlreiche Argumente der Kritiker
übersehen oder missachten eine grundle-
besser hätte formulieren können. Die
Sprache und die Begriffe haben sich in der
Gegenwart in gewissem Maß zum Nachteil des Instruments ausgewirkt“, erklärt
sie. „Man kann Völkerrecht jedoch nicht
wie staatliches Recht auslegen. Die Flüchtlingskonvention ist in bestimmten Beziehungen ein Instrument eines Kompromisses, das von Diplomaten verfasst worden
ist. Ihre Grundlage ist zeitlos.“
Während die Regierungen mancher In-
DIE BESTIMMUNGEN DER FLÜCHTLINGSKONVENTION „FINDEN KEINE ANWENDUNG AUF
PERSONEN ..., [DIE] EIN VERBRECHEN GEGEN DEN FRIEDEN, EIN KRIEGSVERBRECHEN
ODER EIN VERBRECHEN GEGEN DIE MENSCHLICHKEIT ... BEGANGEN HABEN ...“ Artikel 1F (a)
um Schleuser zu bezahlen.“ Scheinbar gebe
es „einen Standard für UNHCR und einen
anderen Standard für die Industrieländer,
der ihnen durch UNHCR auferlegt wird.
Das kann meiner Meinung nach nicht so
weitergehen.“ Eine Konsequenz könne
sein, so der Minister, die Zahl der Flüchtlinge zu verringern, die per Kontingent
nach Australien kommen.
Von Gesetzgebern in Washington wie
Berlin ist die Befürchtung laut geworden,
die Flüchtlingskonvention könne von je-
gende Tatsache: Die Flüchtlingskonvention war zu keinem Zeitpunkt als Instrument zur Steuerung von Migrationsbewegungen gedacht. „Man kann der
Flüchtlingskonvention nicht vorwerfen,
dass sie Probleme nicht löst, die sie gar
nicht lösen sollte“, sagt Feller.
Es steht der Diskussion offen, aber nach
Ansicht von Feller ist eine restriktive Lesart der Flüchtlingskonvention keine angemessene Reaktion. „Es gibt Bestimmungen in der Flüchtlingskonvention, die man
dustrieländer die Flüchtlingskonvention
immer restriktiver auslegen und damit die
Sicherheit von Flüchtlingen gefährden,
hat sich in den Entwicklungsländern die
Qualität des Asyls verschlechtert. Flüchtlingslager sind angegriffen worden und bewaffnete Milizen konnten sich scheinbar
ungestraft unter Flüchtlinge mischen und
sie einschüchtern. Zivilisten, darunter
Zehntausende von Kindern, sind zwangsrekrutiert worden.
Viele Entwicklungsländer nehmen für Ã
Weltweiter Rundfunk ...
Die BBC sendet eine außergewöhnliche Serie zur Welt der Flüchtlinge
D
er internationale Rundfunksender BBC
(British Broadcasting Corporation) produziert zum 50. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 eine der anspruchsvollsten Rundfunkserien seiner Geschichte.
Unter dem Titel „The Right to Refuge“ wird
die außergewöhnliche Serie alle Aspekte im
komplexen Universum eines Flüchtlingsdaseins behandeln – von der Flucht über das Asyl
bis hin zur Rückkehr in das Heimatland.
Die Teams der BBC haben viele Wochen auf
der ganzen Welt recherchiert, um Material zu
sammeln. Die Sendungen werden ab Juni in einem Zeitraum von mehreren Monaten in insgesamt neun Sprachen ausgestrahlt, zum Teil
weltweit.
Eine eigene Internetseite bietet Audiomaterial zu den Serien, Analysen, Zeugenberichte
von Flüchtlingen und interaktive Karten.
Außerdem können Hörer von BBC World in
der Sendung „Talking Point“ direkte Fragen an
Ruud Lubbers stellen, den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen.
Die BBC hat die Flüchtlinge „als besonders
missverstandene und verzerrt dargestellte
Gruppe“ charakterisiert. Die Rundfunkserie
will eine „sachliche und klare Auseinandersetzung mit einer Frage“ bieten, die von Legendenbildungen belastet und durch die wachsende
Kontroverse um so genannte „Scheinasylanten“
verdunkelt wird. Die Sendungen sollen das Bewusstsein in Flüchtlingsfragen steigern und
„Behauptungen und Gegenbehauptungen
durchbrechen“. Sie geben entwurzelten Menschen in der öffentlichen Debatte über ihr
Leben eine eigene Stimme und sollen zur
Förderung des Dialogs zwischen Flüchtlingen
und Vertretern von staatlichen Behörden sowie
von Organisationen beitragen.
Die sechs Hauptsendungen von je 30 Minu-
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
ten Länge werden in englischer Sprache ausgestrahlt. In ihnen wird unter anderem ein historischer Überblick über den Wandel in der
Welt der Flüchtlinge, über die weltweit wachsende Gefährdung des Flüchtlingsschutzes,
„vergessene“ Flüchtlinge in Entwicklungsländern und Asylsuchende im Westen geboten.
Andere Sendungen beschäftigen sich mit der
Frage, wann Flüchtlinge in ihr Herkunftsland
zurückkehren sollten und welche Zukunft die
Genfer Flüchtlingskonvention hat.
Zwölf kürzere Sendungen von jeweils 15 Minuten Länge, die besonders für den Bildungsbereich gedacht sind, behandeln Schlüsselthemen und -probleme. Außerdem werden acht
Reihen von bis zu zehn Sendungen in Persisch/Paschtun, Französisch, Indonesisch, Albanisch, Serbisch/Kroatisch, Urdu, Russisch
und Spanisch für den amerikanischen KontiB
nent ausgestrahlt.
21
|
à lange Zeit eine große Zahl von Flüchtlingen auf, mit verheerenden Konsequenzen
für ihre ohnehin knappen wirtschaftlichen
und natürlichen Ressourcen. Dennoch,
sagen sie, bekommen sie von den Industrieländern nur wenig Unterstützung. Zwei
Länder Südwestasiens – der Iran und Pakistan – haben allein doppelt so viele Flücht-
TITEL
|
linge aufgenommen wie ganz Westeuropa
zusammen. Dennoch haben die wohlhabendsten Länder der Welt im Jahr 2000
weniger als eine Milliarde US-Dollar dem
UNHCR für seine Arbeit bereitgestellt –
ein Zehntel des Betrags, den sie für die
Aufrechterhaltung ihrer eigenen Asylsysteme ausgeben.
SCHUTZ VERWIRKLICHEN
Der Ausgleich zwischen den Interessen
der Regierungen und den Bedürfnissen
von Flüchtlingen ist eine schwierige, aber
notwendige Aufgabe. „Wir teilen die Sorge
der Staaten über die Kosten und den Missbrauch des Asylsystems, über die unverhältnismäßige und dauerhafte Belastung
Verzweifelt auf der
Das tägliche Drama der Asylsuche aus der Perspektive der Behörden
Von Peter Showler
F
lüchtlinge haben die Macht, Gesetze zu
verändern. In den frühen achtziger
Jahren stellte ein Mann namens Singh
in Kanada einen Asylantrag, weil er in Indien
Verfolgung fürchtete. Er wurde von einem
Beamten einer Einwanderungsbehörde befragt.
Einem Prüfungsgremium, das in einer anderen
Stadt sitzt, wurde ein Wortprotokoll zugeschickt. Die Entscheidungsträger bekamen ihn
zu keinem Zeitpunkt zu Gesicht. Sie haben
nicht ein einziges Mal gehört, wie er seine Erfahrungen schilderte oder
über seine Furcht vor Verfolgung sprach, falls er nach
Indien zurückgeschickt werden sollte. Sein Asylantrag
wurde ausschließlich auf der
Grundlage des Gesprächs
und anderer Unterlagen abgelehnt.
Die Geschichte von
Herrn Singh ist damit noch
nicht zu Ende. Er legte gegen
die Ablehnung Berufung ein.
Der Oberste Gerichtshof von
Kanada entschied im Jahr
1985, dass einem Asylsuchenden im Sinne der Verfahrensgerechtigkeit die Chance zu einem
persönlichen Gespräch mit dem Prüfungsgremium gegeben werden muss. Das treffe
besonders dann zu, wenn die Glaubwürdigkeit
der antragstellenden Person in Frage steht.
Damals war es üblich (und in vielen westlichen Demokratien ist das bis heute so), dass
die Antragsteller von Einwanderungs- oder Justizbeamten befragt wurden, die anschließend
über den Asylantrag entschieden. Gerichte oder
Verwaltungsgerichte waren nur für die Prü-
fung dieser amtlichen Entscheidungen in späteren Berufungsverfahren zuständig. Manche Berufungsinstanzen konnten die persönliche Anhörung des Antragstellers anordnen, andere
mussten sich mit den schriftlichen Unterlagen
begnügen.
Nach diesem Urteil im Fall Singh hat Kanada
sich für einen radikal anderen Weg entschieden.
Alle in Frage kommenden Antragsteller erhielten nun vor einem zweiköpfigen Gremium
der kanadischen Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde (Immigration and Refugee Board –
IRB) eine Anhörung. Jede Person sollte ausreichend Gelegenheit haben
darzulegen, aus welchen Gründen sie Verfolgung fürchtet.
Wenn die beiden Mitglieder
des Gremiums sich nicht einigen konnten, wirkte sich dies
zu Gunsten des Antragstellers
aus.
Antragstellern wurde ein
breites Spektrum von Verfahrensrechten garantiert. Sie
erhielten unter anderem das
Recht auf einen Rechtsbeistand und einen Dolmetscher,
das Recht auf Anhörung, auf
vorherige Offenlegung der
schriftlichen Beweisstücke
und eine schriftliche Begründung im Fall der
Ablehnung.
Nicht festgelegt wurde die institutionelle
Rolle dessen, der gegen den Antrag Partei ergreift, wie dies ein Staatsanwalt tun würde. Ein
neutraler Anhörungsbeamter sollte die Mitarbeiter des Amtes bei der Vorbereitung der
schriftlichen Unterlagen und der Befragung
des Antragstellers unterstützen. Sowohl dem
Antragsteller als auch dem Anhörungsbeamten
musste der Zugang zu einem Dokumentations-
„Die erschrekkendste Tatsache:
Oft lässt sich nur
sehr schwer
zwischen einem
wirklichen und
einem scheinbaren Flüchtling
unterscheiden.“
22
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
zentrum mit Menschenrechts- und Länderinformationen offen stehen. Beide, der Asylbewerber und der staatliche Berater, sollten aufgrund der Beweismaterialien vom Erfolg des
Asylantrags überzeugt sein.
ERFOLGE
Insgesamt gesehen war das kanadische System erfolgreich. Trotz aller Schutzmechanismen, die dem Verfahren eingefügt wurden, ist
die Situation von Flüchtlingen aber dennoch
durch ganz besondere Eigenschaften gekennzeichnet, die selbst für den aufmerksamsten
und gewissenhaftesten Entscheidungsträger
immer eine Herausforderung bleiben werden.
Abgesehen von der ständigen Belastung
durch die wachsende Zahl der Fälle, die eine
schnelle und gewissenhafte Anhörung verlangen, muss der Entscheider sich mit der Besonderheit jedes einzelnen Asylantrags auseinander setzen.
Täglich hören die Mitarbeiter des Amts
Berichte von menschlichem Leid. Manchmal
sind sie grauenvoll: Vergewaltigung, Schläge,
Haft, Folter, Todesdrohungen gegen die antragstellende Person oder ihre Familie. Für das Erlebte finden sich oft keine Worte, es entzieht
sich der Vorstellungskraft. Ich erinnere mich
an eine Tutsi, die den Völkermord von Ruanda
überlebt hat. Männer mit Macheten waren in
ihre Wohnung eingedrungen und ließen sie
zurück, weil sie sie tot glaubten. Als sie das Bewusstsein wiedererlangte, lag ihre Familie tot
um sie herum.
Es ist die Aufgabe der Mitarbeiter, über die
Glaubwürdigkeit und Wahrheit jedes Berichts
zu entscheiden und auch, ob die Furcht eines
Antragstellers vor Verfolgung der Definition
eines Konventionsflüchtlings entspricht.
Ein großartiges Privileg der Mitarbeiter des
Amtes ist es, nachdem die Wahrheit der Aus-
|
von manchen Staaten und über das Fehlen
von rechtzeitigen und angemessenen Lösungen für die Probleme von Flüchtlingen“, erklärt Feller. „Selbstverständlich
kann Lastenteilung nie eine Vorbedingung
für die Erfüllung von Verantwortlichkeiten
sein. Dennoch müssen diese rationalisiert
werden. Wir müssen uns zusammenset-
TITEL
|
zen und darüber nachdenken, wie wir
Schutz verwirklichen und die Flüchtlingskonvention weiter in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen können.“
UNHCR hat deshalb globale Konsultationen mit Regierungen, Rechtswissenschaftlern, Nichtregierungsorganisationen und Flüchtlingen eingeleitet. Die
Gespräche sollen dazu dienen, das Engagement der Regierungen für die Flüchtlingskonvention zu bestätigen und zentrale
Fragen des Schutzes zu prüfen, die im Text
von 1951 nicht explizit angesprochen worden sind.
„Die Konsultationen sollen eine gemeinFortsetzung auf Seite 29 Ã
U N H C R / V . B O Y D / CAN•1989
Suche nach Schutz
Ein kanadisches Einwanderungsgericht verhandelt.
sage eines Antragstellers festgestellt worden
ist, jemandem mit echter Furcht vor Verfolgung sagen zu können, er oder sie sei in Sicherheit und habe Asyl gefunden.
Viele Flüchtlinge erwerben sich auch den
Respekt der Beamten. Sie berichten von Unterdrückung. Ihre Geschichte ist oft genug die
vom Sieg der Menschlichkeit, vom Willen zu
überleben, stark zu bleiben, sich die eigene
Würde selbst unter den demütigendsten Bedingungen zu bewahren.
Eine andere Seite dieses alltäglichen Dramas ist weniger angenehm, nämlich dann,
wenn ein Mitarbeiter die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung nicht für begründet hält.
In manchen Fällen passt die Geschichte
nicht auf die Definition eines Flüchtlings.
Manchmal haben sich die Umstände geändert
oder die Definition von Verfolgung ist auf das
nicht anwendbar, wovor der Antragsteller sich
fürchtet. Manchmal ist die Geschichte übertrieben und der Antragsteller flieht schlicht vor
Armut, Elend und allgemeiner Unterdrückung.
Manchmal ist die Geschichte erfunden, klingt
aber zum Teil wahr, weil der Antragsteller der
Verfolger und nicht der Verfolgte ist. Und
manchmal stimmt die Geschichte ganz einfach
nicht.
ERSCHRECKENDE TATSACHE
Die erschreckendste Tatsache: Es lässt sich
nur sehr schwer zwischen einem wirklichen
und einem scheinbaren Flüchtling unterscheiden. Darin liegt die große Herausforderung.
Die meisten Anträge bewegen sich in einem
Mittelfeld, in dem die Beweislage nicht eindeutig und Gewissheit nicht möglich ist. Den
Mitarbeitern des Amts stehen verschiedene
Mittel zur Verfügung, um ihre Glaubwürdigkeit
zu prüfen: Sie sind gut ausgebildet, verfügen
über Länderkenntnisse und -informationen
und haben Zugang zu einem Zentrum, in dem
bei besonderen Angaben der Antragsteller
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
nachgeforscht werden kann.
Dennoch bleiben die Herausforderungen
gewaltig. Die Antragsteller sind häufig keine
guten Zeugen. Manche haben eine schlechte
Schulbildung oder sind verwirrt, traumatisiert,
unfähig, sich zu artikulieren, und eingeschüchtert. Ihre kulturellen und sozialen Prägungen
sind möglicherweise oft vollkommen andere
als die der Mitarbeiter des Amts.
Sie verstehen Fragen nicht und scheinen
auszuweichen. Sie sprechen mit Hilfe eines Dolmetschers, was die Genauigkeit ihrer Aussage
immer beeinträchtigt und bisweilen zu echter
Verwirrung führt. Die Ereignisse, die sie beschreiben, haben inmitten von Bürgerkriegen
in fernen Ländern stattgefunden und lassen
sich oft gar nicht dokumentieren.
Sowohl wirkliche als auch angebliche Flüchtlinge bedienen sich illegaler Methoden, um
nach Kanada einzureisen. Paradoxerweise fehlt
es vielen an den erforderlichen Papieren,
während einige reiche „illegale“ Antragsteller
über alle Unterlagen verfügen können, weil sie
korrupte Beamte oder Menschenschleuser in
ihrem Herkunftsland bestochen haben.
Kurz gesagt: Die Mitarbeiter des Amts sind
jeden Tag mit Menschen konfrontiert, die ungenaue Geschichten von schrecklichen persönlichen Erlebnissen erzählen, die manchmal
wahr sind und manchmal nicht und die sich
nicht ohne weiteres auf den üblichen objektiven
Wegen verifizieren lassen. Es ist ihre Aufgabe,
zuzuhören, und sofort eine gut begründete
Entscheidung zu fällen, die den Gesetzen und
dem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden entspricht. Das ist eine Aufgabe, die zur Bescheidenheit zwingt und schwer zu lösen ist. Ich bin
mir aber sicher, Herr Singh würde mir darin
B
zustimmen, dass sie der Mühe wert ist.
Peter Showler ist Direktor der kanadischen Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde (Immigration and Refugee Board –
IRB).
23
|
TITEL
|
ASYL IM „LAND DER FREIHEIT“
Eine Reise von 642 Tagen durch die amerikanischen
Einwanderungsgerichte
Asylantrag einreicht, bis zur Verkündung
des richterlichen Urteilsspruchs werden 642
Tage vergehen. In diesen 21 Monaten gehen
Dokumente verloren, Anwälte kommen
und gehen und der Gerichtskalender wird
immer wieder neue Verschiebungen verlangen.
Und die Entscheidung, wenn sie endlich
gefallen ist, wird vielem widersprechen, was
man im Gericht gehört hat. Der Fall Zathang
ist vielleicht ungewöhnlich, aber sein
schwieriger Verlauf legt grundlegende Probleme im System der US-Einwanderungsgerichte offen. Der Kongress beschreibt den
Auftrag dieser Gerichte als „zügige, gerechte
und angemessene Lösung der Fälle, die vor
die Einwanderungsrichter gelangen.“ In der
Realität geraten die Gerichte jedoch oft in
einen Rückstand. Es ist schwierig, gute Dolmetscher zu finden. Und die Persönlichkeit
jedes und jeder Einzelnen der 219 Richter
und Richterinnen kann das Ergebnis beeinflussen. Schon die Statistiken sind aufschlussreich: Nur 20 von ihnen haben in
über 30 Prozent ihrer Fälle Asyl bewilligt,
während 69 Richter sogar weniger als zehn
Prozent bewilligt haben.
Für die Flüchtlinge, die aus politischen
oder religiösen Gründen verfolgt worden
sind, ist die Institution des Asyls unlösbar
mit ihrem Amerikabild verknüpft – Amerika, das Land der Freiheit und Reich der
Tapferen. Dennoch erhalten nur verhältnismäßig wenige jemals Asyl. Eine computergestützte Analyse der Los Angeles
Times zu den Statistiken der Einwanderungsgerichte zeigt, dass die Richter in
den Jahren 1994 - 2000 rund 14 Prozent der
Asylanträge anerkennen.
Hier wird die Geschichte eines Schutzsuchenden vor Gericht erzählt, der von nur
einem der Einwanderungsrichter entschieden wurde, die jedes Jahr über das Schicksal von Zehntausenden von Asylsuchenden
entscheiden.
Von Lisa Getter
E
iner nach dem anderen stellen sich
zehn Männer in einem Raum des
Bundesgerichts in Virginia vor einem
Holzgeländer auf. Sie heben die rechte Hand
und schwören, die Wahrheit zu sagen, die
ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
„Ich schwöre“, antwortet jeder – immer der
Reihe nach.
Diese Männer, acht von ihnen anerkannte Flüchtlinge, sollen einem Einwanderungsrichter erzählen, was sie über Tialhei
Zathang wissen, einen Mathematiklehrer
aus Myanmar, der einen Antrag auf politisches Asyl gestellt hat.
Der Einwanderungsgerichtshof der USA
ist im amerikanischen Rechtssystem einzigartig. Es gibt keinen Gerichtsreporter und
niemanden, der die Anhörungen aufzeichnet, außer der Richterin, Joan V. Churchill,
die einen Kassettenrecorder hat, den sie nach
Belieben an- und abschalten kann. Für den
Fall Zathang ist nicht einmal ein ganzer Tag
vorgesehen. Das heißt, die Zeugen müssen
immer wieder kommen, Arbeitstag für Arbeitstag. Manche werden letzten Endes nie
die Gelegenheit zur Aussage erhalten.
Für Zathang und seine Unterstützer
wird die Wartezeit nervenzermürbend. Von
dem Augenblick, in dem Zathang seinen
©D. DRENNER/L.A. TIMES
Zathang (links) ) betet in seiner
Muttersprache Tschin in einer Kirche
in Maryland.
24
ERSTER TAG: 4. Dezember 1998
Tialhei Zathang meldet sich bei einer
Stelle der Einwanderungs- und EinbürgeFLÜCHTLINGE NR. 2/2001
rungsbehörde (INS) in Arlington im Bundesstaat Virginia und reicht einen Asylantrag ein. Er gibt an, er sei in Myanmar verfolgt worden, dem südostasiatischen Staat,
der früher Birma hieß.
Er ist ein kleiner, angespannter Mann
mit einer Kerbe auf der linken Stirnseite.
Zathang sagt, die Verletzung sei ihm von
Angehörigen des myanmarischen Militärs
zugefügt worden, die ihn 1988 elf Tage lang
fest hielten und bis zur Bewusstlosigkeit
schlugen, weil er ein praktizierender Christ
in einem buddhistischen Land war, der aktiv für die Demokratie kämpfte.
Zathang verließ Myanmar am 27. Februar 1998, als er vor einer bevorstehenden
Wiederverhaftung gewarnt wurde. Er erzählt, er und seine Familie seien nach einem
schrecklichen, 16 Tage langen Marsch durch
den Dschungel, bei dem sie sich ihren Weg
mit einer Machete bahnen mussten, nach
Indien gelangt. Seine fünfjährige Tochter
trug er auf dem Rücken, während sein
sechsjähriger Sohn allein ging und sein fünfzehnjähriger Sohn half, die Verpflegung zu
tragen. Wenn er in sein Herkunftsland zurückgehen muss, wird er getötet, sagt er.
Freunde und ein baptistischer Geistlicher
haben in Indien Geld gesammelt, um ein
Flugticket und einen indischen Pass für ihn
zu bezahlen. Der Pass wurde illegal von
einem Beamten ausgestellt, obwohl Zathang
nicht die indische Staatsangehörigkeit besaß. Er kam am 1. November 1998 in die USA.
Um in den Staaten Asyl zu erhalten,
müssen die Antragsteller nachweisen, dass
sie „wegen Verfolgung oder aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer
Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
wegen ihrer politischen Überzeugung“ nicht
in ihr Land zurückkehren können.
Die meisten Antragsteller haben nicht
viele Beweisstücke für eine wohlbegründete
Furcht vor Verfolgung. Oft ist die Geschichte, die sie zu erzählen haben, ihr einziger Beweis. Die Anhörung Zathangs ist für den 4.
Januar 1999 festgesetzt. Wenn der INSBeamte, der Zathang befragt, seinen Bericht
für überzeugend hält, könnte ihm sofort
|
Asyl gewährt werden. Der Beamte lehnt den
Antrag jedoch ab. Er wird an das Einwanderungsgericht überwiesen.
Sechs Monate vergehen. Ein INS-Anwalt
verlegt Zathangs Geburtsurkunde und findet sie etwas später wieder. Nur wenige Tage
vor dem ersten Gerichtstermin im April gibt
der INS seine Strategie bekannt, wonach Zathang des Betrugs beschuldigt wird. Das
Team Zathangs bittet um Zeitaufschub, um
sich darauf vorbereiten zu können.
TAG 206: 28. Juni 1999
Der Fall soll um 13.00 Uhr verhandelt
werden. Um 13.05 betritt Richterin Churchill
den Gerichtssaal und sagt, sie könne „frühestens um 14.30 Uhr“ beginnen. Es ist bereits
nach 15.30 Uhr, bis es schließlich so weit ist.
Richter und Richterinnen wie Churchill
verfügen in der Auslegung des Einwanderungsgesetzes über einen enormen Spielraum. Das Einwanderungsberufungsgericht
(Board of Immigration Appeals) hat selbst in
TITEL
|
Pflichtverteidiger, der vom Staat bezahlt wird.
Universitäten und juristische Hochschulen
versuchen die Lücke zu füllen, indem sie so
genannte „Immigration Law Clinics“ unterstützen, die den Studierenden Gelegenheit
geben, sich in der Praxis zu üben.
Zathangs juristisches Team kommt von
der nahe gelegenen Georgetown University.
Zwei Studentinnen im zweiten Jahr, Jessica
Attie und Grace Lou, haben Hunderte von
Stunden damit verbracht, den Fall vorzubereiten. An dem Wochenende vor dem für
seine Verhandlung angesetzten Termin
haben sie 72 Stunden ohne Pause gearbeitet.
Der Dolmetscher, dem der Fall zugewiesen
wurde, spricht nicht denselben Dialekt wie
Zathang. Obwohl die beiden Männer offensichtlich Verständigungsschwierigkeiten
haben, wird die Verhandlung fortgesetzt.
Karl Klauck, der INS-Anwalt, ist bereits der
dritte Anwalt in diesem Fall, der den Staat
vertritt. Diese Fluktuation ist bei Asylfällen
durchaus nicht ungewöhnlich.
Klauck vertritt den Standpunkt, dass Za-
Myanmar beschäftigt, zu denen auch Zathang
gehört. Zathang stammt aus dem Bundesstaat Tschin nahe der Grenze zu Indien.
In seiner eidesstattlichen Erklärung
plädiert Silverstein dringend dafür, Zathang
Asyl zu gewähren. „Auf der Grundlage meiner fachlichen und persönlichen Erfahrungen kann ich bezeugen, dass Herrn Zathang
im Fall einer Deportation nach Myanmar
mit größter Wahrscheinlichkeit Haft, Folter
und sogar Hinrichtung erwarten.“
Im Lautsprecher knistern immer wieder
Störgeräusche. Man versteht nur schlecht,
was Silverstein sagt. Churchill verliert die
Geduld und bricht das Gespräch schnell ab.
Es ist fast 18.00 Uhr. Die Richterin legt die
Fortsetzung der Verhandlung auf einen Tag
im nächsten Monat fest.
TAG 238: 30. Juli 1999
Bei der Fortsetzung der Verhandlung ist
die Hoffnung bei Zathangs Freunden groß.
Richterin Churchill wollte sich heute aus-
DER EINWANDERUNGSGERICHTSHOF DER VEREINIGTEN STAATEN IST IM AMERIKANISCHEN
RECHTSSYSTEM EINZIGARTIG. ES GIBT KEINEN GERICHTSREPORTER UND NIEMANDEN, DER DIE ANHÖRUNGEN AUFZEICHNET AUßER DER RICHTERIN, JOAN V. CHURCHILL,
DIE EINEN KASSETTENRECORDER HAT, DEN SIE NACH BELIEBEN AN- UND ABSCHALTEN KANN.
solchen Fällen gezögert, Urteile aufzuheben,
in denen es sie für falsch hielt. Richterin
Churchill ist die strengste Einwanderungsrichterin in Washington D.C. Sie entschedet
weniger Asylanträge positiv als der Bundesdurchschnitt und hat seit Oktober 1994
nur 233 von 2.302 Fällen bewilligt.
Richterin Churchill versinkt in Papierbergen. Während Einwanderer ihre Aussage machen, adressiert sie einen Brief, legt
ein Blatt ein und klebt ihn zu. Sie schichtet
Unterlagen um. Sie legt Termine für zukünftige Anhörungen fest. Sie fotokopiert
Dokumente auf dem Gerät in der Nähe ihres
Schreibtisches.
Zathangs Akte ist mehr als fünf Zentimeter dick. Seine Zeugen, von denen einige
selbst Asyl erhalten haben, warten ungeduldig darauf, für ihn aussagen zu können –
darüber, wie Zathang eine Demonstration
anführte, die den Zorn des Militärs erregte,
und über seine elftägige Haft in seiner Heimat. Die meiste Zeit warten die Zeugen in
der Lobby. Als Zeugen dürfen sie die anderen Aussagen nicht mit anhören.
Asylsuchende haben nach der amerikanischen Verfassung kein Recht auf einen
thangs Antrag wegen Betrugs abgewiesen
werden sollte. Zathang sei nicht aus Myanmar, weil er mit einem indischen Pass in die
USA eingereist ist. Er behauptet, dass Zathang nur Anspruch auf die Staatsangehörigkeit von Myanmar erhebt, weil er sich
davon für seinen Asylantrag Erfolg erhofft.
Seine Geschichte sei ein reines „Kartenhaus“.
Obwohl der Nachmittag schon weit fortgeschritten ist, wollen die Jurastudentinnen
Josef Silverstein als Zeugen aufrufen, einen
emeritierten Professor für Politische Wissenschaft der Rutgers University. Sie haben
seine Zeugenaussage per Telefon vorbereitet,
ein nicht unübliches Verfahren am Einwanderungsgericht, weil nur wenige Asylsuchende die Reisekosten der Zeugen tragen
können. Richterin Churchill zögert. „Warum
muss ich den Zeugen unbedingt heute
hören?“, fragt sie.
Silverstein wartet seit Stunden in seiner
Wohnung in New Jersey auf den Anruf. Er
hat bereits vor dem Kongress zum Thema
Myanmar ausgesagt und auch vor dem Einwanderungsgericht Zeugnis abgelegt. In
seiner Forschungsarbeit hat er sich ausführlich mit den ethnischen Minderheiten von
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
reichend Zeit nehmen, um den Fall zu Ende
zu hören. Trotzdem hat sie für den Nachmittag bereits wieder andere Fälle angesetzt.
Der Fall wird wieder von einer anderen Anwältin vertreten, Lora Ries.
Die Richterin will wissen, ob der INS den
Asylantrag unterstützen würde, wenn
Zathang seine myanmarische Staatsangehörigkeit nachweist. Ries sagt, der INS „hat
mit dem Fall noch Schwierigkeiten“ und
würde sich selbst dann gegen das Asyl aussprechen.
Dieses Mal ist Silverstein mit dem Zug
aus New Jersey angereist, um persönlich
auszusagen. Die Fahrtkosten hat die Hochschule übernommen. Dennoch gelingt es
ihm immer noch nicht, seine Argumente
klar zu machen. Die Richterin unterbricht
Ries und belehrt sie darüber, wie sie ihre Fragen zu formulieren hat. Frederic K. Lehman,
der als Professor für Anthropologie und
Sprachwissenschaft an der Universität von
Illinois lehrt, tritt in den Zeugenstand.
Lehman trägt etwas vor, was die Argumentation des INS sofort zu Fall zu bringen
scheint: Er kannte Zathang schon in Myanmar. Sie sind sich an der Universität von
25
| TITEL |
Mandalay begegnet, wo Lehman 1981 als
Gastprofessor gelehrt hat.
Doch damit nicht genug: Zathang spricht
auch einen Dialekt, der nur im Bundesstaat
Tschin gesprochen wird, aus dem er nach
eigener Aussage stammt. Die Richterin verspricht auf den Fall zurückzukommen, sobald sie einige andere Angelegenheiten geklärt hat, die in ihrem Gerichtskalender eingetragen sind.
Die Stunden verstreichen. Schließlich ist
Zathang an der Reihe, seine Geschichte zu
erzählen. Er sitzt neben seinen Jurastudentinnen vor der Richterin und macht seine
Aussage mit Hilfe eines anderen Dolmetschers, der dieses Mal tatsächlich seinen Dialekt beherrscht. Churchill weist Zathang an,
sie direkt anzusehen, während er spricht.
Dann aber schaut die Richterin nur selten
in seine Richtung.
„Ich bin geschlagen und gefoltert worden, nur weil ich Demokratie für mein Land
wollte“, sagt Zathang. „Ich kann gar nicht in
Worte fassen, wie sehr ich das Militär in
meinem Land hasse.“
Richterin Churchill fragt, weshalb er
nicht damit einverstanden sei, nach Indien
zurückgeschickt zu werden. Zathang nimmt
seine Brille ab, hält sie in den Händen und
schaut starr nach vorn. Er versteht ein wenig
Englisch und weiß, dass das kein gutes Zeichen ist. Er sagt, er habe Angst, nach Indien
zurückzukehren, weil die Behörden vor kurzem mit der Abschiebung von Flüchtlingen
aus Myanmar in ihr Herkunftsland begonnen hätten.
Die Richterin unterbricht die Verhandlung erneut, um sich mit einer anderen
Sache zu beschäftigen. Der INS-Anwalt hat
inzwischen Kopfschmerzen. Die Mutter von
Attie, einer der beiden Jurastudentinnen, die
Zathang vertreten, gibt ihm Aspirin. Nach
der Unterbrechung beschreibt Zathang weiter sein Leben in Myanmar.
Er berichtet, wie er Mitglied der Tschin
National Front wurde, einer Gruppe, die sich
für die Demokratie einsetzt, wie er dazu
gezwungen wurde, mehr als zehn Stunden
täglich die Ausrüstung von Soldaten zu tragen und wie er schließlich von der Frau des
Dorfführers davor gewarnt wurde, dass er
wieder verhaftet werden sollte. Also floh er
nach Indien. Dort konnte er gegen Geld einen Pass bekommen, den Pass, der zum
Schlüsselargument der Gegenposition des
INS geworden ist.
Als er mit seinem Bericht am Ende ist,
sagt sein Cousin Philip Hrengling für ihn
aus. Hrengling, der Pfarrer ist, hat bereits
Asyl erhalten. Er ist wie Zathang über In-
26
dien aus Myanmar geflohen, wo auch er einen Pass auf dem Schwarzmarkt gekauft hat.
Richterin Churchill möchte wissen, weshalb Hrengling nicht denselben Nachnamen
hat wie Zathang. Hinten im Gerichtssaal
schüttelt Professor Lehman den Kopf. Er
weiß, dass nur wenige Myanmare einen
Nachnamen benutzen. „Ich kann Ihnen mit
Sicherheit sagen, dass er kein indischer
Staatsbürger ist. Wir sind in demselben Dorf
geboren worden und sein Vater und mein
Vater sind Brüder“, sagt Hrengling aus.
Die Anhörung ist noch nicht vorbei, aber
es war ein langer Tag. Der einzige freie Tag,
den die Richterin in ihrem Kalender entdecken kann, ist der Tag, an dem die Jurastudentinnen nicht in der Stadt sind. Sie setzt
die Verhandlung trotzdem auf diesen Tag
fest.
TAG 245: 6. August 1999
Die an der Georgetown University lehrende Juraprofessorin Mary Brittingham
bricht ihren Urlaub ab, um den Fall für ihre
beiden Studentinnen fortzusetzen.
Auch INS-Anwältin Ries ist nicht anwesend. An ihrer Stelle ist Sandra Czaykowsky
da, die mit dem Fall nicht vertraut ist.
Die INS-Anwältin trägt einen weiteren
Einwand vor. Ihren Angaben zufolge hat Zathang den Dolmetscher bei einem Gottesdienst getroffen. Die Begegnung wurde vor
dem Gericht nicht offen gelegt. Sie sagt, dass
die Jurastudentinnen zur Auswahl des Dolmetschers beigetragen haben, wodurch seine
Übersetzung der Aussage Zathangs verdächtig sei. Es ist jedoch zu spät, um daran etwas zu ändern.
Zathang tritt erneut in den Zeugenstand.
Er spricht angeregt von einer fünfzehnminütigen Rede, die er vor Tausenden bei einer
Ganztagsdemonstration hielt: „Ich sagte:
Nieder mit der Militärregierung!“
„Zu einem bestimmten Zeitpunkt haben
Sie Myanmar aber verlassen, ja oder nein?“,
fragt ihn die INS-Anwältin.
„Er ist hier“, fällt ihr Richterin Churchill
ins Wort. „Welchen Grund gibt es für eine
derartige Frage?“
Die Richterin unterbricht zur Mittagspause und fordert alle auf, sich um 13.15 Uhr
wieder im Gerichtssaal einzufinden. Dann
hat sie ihren Gerichtskalender aber schon
wieder doppelt belegt und nimmt bei der
Rückkehr andere Fälle auf.
Es ist fast 15.00 Uhr, als Zathangs Verhandlung fortgesetzt wird. Der Hauptzeuge
des INS, ein Spezialist für die Analyse von
Dokumenten, ist bereits gegangen. Die RichFLÜCHTLINGE NR. 2/2001
terin ist erzürnt. Die Verhandlung wird
trotzdem fortgesetzt.
Zo T. Hmung, der Onkel von Zathangs
Ehefrau, berichtet über einen Artikel, der in
einer indischen Zeitung über die Flucht
Zathangs aus Myanmar erschienen ist. Die
Richterin möchte eine Kopie des Artikels
sehen.
Der Artikel erschien am 7. Juli 1998. Ihm
zufolge war Zathang, der in Myanmar geboren wurde und „festgenommen, gefoltert
und inhaftiert“ worden war, nach Indien geflohen. „Die Polizei sucht ihn für eine Befragung“, heißt es in dem Artikel. Lian Uk,
der in das Parlament von Myanmar gewählt,
aber von der Regierung daran gehindert
wurde, seinen Sitz in Anspruch zu nehmen,
sagt aus, er kenne Zathang seit über zwanzig
Jahren.
„Natürlich besitzt er die Staatsangehörigkeit von Myanmar“, sagt Uk. „Nein, nein,
nein, er kann kein indischer Staatsbürger
sein. In Indien ist die doppelte Staatsbürgerschaft verboten.“
Inzwischen scheinen die Beweise eindeutig für Zathang zu sprechen. „Ich frage mich,
ob der Staat bereit ist einzuräumen, dass ich
diesem Asylantrag stattgeben soll?“, fragt
Richterin Churchill. Czaykowsky antwortet
darauf mit Nein. „Wir werden in die Berufung gehen. Es gibt in diesem Fall noch eine
Reihe offener Fragen.“
TAG 250: 11. August 1999
Nach Aussage von John Ross, dem Spezialisten für die Analyse von Dokumenten,
ist der indische Pass echt. Er kann aber nichts
darüber sagen, ob dieser von Zathang auf
dem Schwarzmarkt gekauft worden ist. Er
kann auch nichts über Zathangs Geburtsurkunde auf blauem Papier sagen, weil der
INS über keine vergleichbaren Dokumente
zur Verifizierung verfügt.
Attie hält ihr Schlussplädoyer. Sie sagt,
dass Zathang einen indischen Pass kaufen
musste, „um sein Leben zu retten“. Sie hebt
hervor, sein Weg in die Freiheit sei der gleiche gewesen wie der von anderen, deren
Antrag auf Asyl bewilligt worden ist.
Jetzt ist die INS-Anwältin an der Reihe.
Heute ist es wieder Ries. Sie argumentiert,
„dass es durchaus möglich ist, dass der Antragsteller ein indischer Staatsbürger ist.“ Sie
spekuliert darüber, dass Zathang eventuell
in Myanmar gelebt hat, aber nach Indien gezogen ist. Seine Rolle in der Demokratiebewegung weist sie von der Hand. Wenn Indien kein sicheres Land ist, sagt sie, würde er
dann seine Frau und seine Kinder dort lassen?
| TITEL |
Die Richterin befragt Zathang ausführlich und gibt bekannt, dass sie ihre Entscheidung nach der Mittagspause verkünden
wird. Ein paar Minuten später ändert sie ihre
Meinung und sagt, sie werde sich in dem
Fall beraten lassen und ihr Urteil später verkünden.
„Später“ ist mehr als ein ganzes Jahr.
die Entscheidung der Richterin weder vom
Gesetz noch den Beweisstücken getragen
wird und dass sie „wesentliche sachliche
Irrtümer und Unterlassungen“ enthält.
Die Berufung befindet sich zurzeit vor
dem Einwanderungsberufungsgericht in
der Schwebe. Es könnte noch Jahre dauern,
bis eine Entscheidung fällt.
TAG 642: 6. September 2000
Beinahe 13 Monate nach der letzten Anhörung verkündet Churchill ihr Urteil, ohne
eine Erklärung für die Verzögerung abzugeben. Sie lehnt Zathangs Antrag auf Asyl
ab. Trotz ihrer eigenen Bemerkungen im
Gerichtssaal, trotz der Zeugenaussagen zu
Gunsten von Zathang, trotz des Zeitungsberichts über seine Flucht aus Myanmar
und der mageren Beweislage des INS lässt
Churchill wissen, dass Zathang ihrer Meinung nach wegen seines indischen Passes
Inder ist. Sie räumt ein, „dass er auch die
Staatsangehörigkeit von Myanmar besitzen
könnte“, kommt aber zu dem Ergebnis,
durch seinen Aufenthalt in Indien sei bewiesen, dass er dort ohne Furcht vor Verfolgung leben und deshalb in Sicherheit
dorthin zurückkehren kann.
„Der Beweislage nach können wir Wahrheit und Erfindung nicht vollständig voneinander trennen“, schreibt sie. „Es ist unsere Schlussfolgerung nach den hier vorgelegten Beweisstücken, dass er die indische
Staatsangehörigkeit besitzt, auch wenn er
EPILOG
Zathang, inzwischen 42 Jahre alt, kann
während des anhängigen Berufungsverfahrens in den USA bleiben. Er lebt bei
Freunden in Maryland und sucht einen Arbeitsplatz. Im letzten Juni hat er vom INS
schließlich eine Arbeitserlaubnis erhalten.
In der Arbeitserlaubnis wird er als Myanmare geführt.
Als er von der Entscheidung der Richterin erfuhr, war er so erschüttert, dass er
tagelang nicht schlafen konnte. Er sagt, er
wisse wirklich nicht, was er der Richterin
sonst noch hätte sagen können. „Ich habe
sämtliche Beweise für meine Staatsangehörigkeit vorgelegt“, sagt er. „Wenn sie das
nicht akzeptieren konnten, weiß ich nicht,
was ich noch hätte tun können.“
Die Los Angeles Times fand heraus, dass
Zathang auf einer Internetseite als in den
USA lebender myanmarischer Tschin aufgeführt wird. Seinen Anwälten war diese
Quelle, die seine Staatsangehörigkeit
bestätigt, nicht bekannt.
Die Los Angeles Times hat außerdem
ten Staaten nachzuholen.
Zathang hat im August 2000 an jenem
Tag zehn Minuten mit seiner Frau telefoniert, an dem Amnesty International davor
gewarnt hat, dass viele ethnische Tschin im
Nordosten von Indien von der Abschiebung
bedroht sind.
Attie, inzwischen 27 Jahre alt, hat im Mai
2000 ihr Examen gemacht. Sie ist als Assistentin für einen Bundesrichter tätig. Ihren
Idealismus im Hinblick auf das amerikanische Asylverfahren hatte sie nach eigener
Aussage schon lange verloren, bevor Richterin Churchill im Fall Zathang entschieden
hat. INS-Anwältin Ries arbeitet mittlerweile
für einen Unterausschuss des Kongresses
für Einwanderung. Ihrer Ansicht nach hat
Churchill die richtige Entscheidung getroffen. „Die Glaubwürdigkeit stand in Frage“,
sagt sie.
Mit den 13 Monaten, die Churchill für
ihre Entscheidung gebraucht hat, hat sie
eine 60-Tage-Frist überschritten, die durch
den Obersten Einwanderungsrichter
Michael J. Creppy festgelegt worden ist. „Gerechtigkeit verzögern heißt Gerechtigkeit
verweigern“, sagt Creppy in einem Interview.
Churchill hat es abgelehnt, sich direkt
zum Fall Zathang zu äußern. Über einen
Sprecher des Gerichtes ließ sie jedoch verlauten, „dass sie diese Zeit gebraucht hat. Der
Fall bedurfte gründlicher Überlegung.“
Nach dem Ende des Verfahrens lud die
Einwanderungsbehörde einen der Zeugen
von Zathang ein, um anlässlich einer Fest-
MIT DEN 13 MONATEN, DIE CHURCHILL FÜR IHRE ENTSCHEIDUNG GEBRAUCHT HAT,
HAT SIE EINE 60-TAGE-FRIST ÜBERSCHRITTEN. DIE RICHTERIN LIEß VERLAUTEN, DASS SIE DIESE
ZEIT GEBRAUCHT HAT. DER FALL HÄTTE GRÜNDLICHER ÜBERLEGUNG BEDURFT.
das Gegenteil behauptet. Es besteht kein Anlass, andere Beweisstücke zu suchen. Wir
stellen jedoch fest, dass seine allgemeine
Glaubwürdigkeit in Zweifel steht.“
Sie verfügt Zathangs Ausreise nach Indien, doch gewährt sie ihm eine besondere
Ausnahmebewilligung für die so genannte
freiwillige Ausreise, durch die er die USA
auf eigene Kosten mit einer unbelasteten
Einwanderungsakte verlassen könnte.
TAG 688: Oktober 2000
Zathangs Anwälte reichen die Berufung
ein. Dabei weist Virgil Wiebe, Dozent an der
Georgetown University, darauf hin, dass die
Richterin Zathangs Zeugen als „überzeugend“ bezeichnet hat. Er argumentiert, dass
andere myanmarische Tschin ausfindig
gemacht, die Zathangs ethnische Zugehörigkeit bestätigt haben. „Er ist nicht nur
der älteste Freund meines Bruders, sondern
er war auch mit ihm zusammen auf der
Universität von Mandalay“, sagt Siang Dun,
der Myanmar 1995 verlassen hat. Nach Aussage von Zapeng Sakhong, der an der Universität von Mandalay gelehrt hat, stammen
er und Zathang aus Nachbardörfern in
Myanmar. Er kannte ihn an der Universität
und hat von seinen politischen Aktivitäten
gehört. „Er kommt wirklich aus Myanmar“,
bestätigt Sakhong.
Zathangs Familie ist in Indien geblieben.
Sie wechselt alle paar Tage den Aufenthaltsort. Hätte Zathang Asyl erhalten, hätte er
versuchen können, sie legal in die VereinigFLÜCHTLINGE NR. 2/2001
veranstaltung zur Asylreform eine Ansprache zu halten. Der Zeuge bedankte sich in
seiner Ansprache beim amerikanischen
Staat für das ihm gewährte Asyl. Dann erwähnte er jedoch den Fall eines Lehrers aus
seinem Dorf, eines Mannes, der zunächst
nach Indien floh, als er von seiner bevorstehenden Verhaftung erfuhr.
„Der INS hat das unwahrscheinliche Argument vorgetragen, er sei Inder... obwohl
zehn Personen, unter anderem Professoren
und Parlamentsmitglieder, bezeugt haben,
dass er Myanmare ist“, sagte der Zeuge.
Der INS hat diese Ansprache von Hmung
– samt des Hinweises auf Zathang – auf seine
B
Internetseite gestellt.
Mit freundlicher Genehmigung der
27
| TITEL |
Das Abkommen über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge von 1951 und das Protokoll von 1967
In Kraft getreten am:
22. April 1954 [Genfer Flüchtlingskonvention], 4. Oktober 1967 [Protokoll]
Am 1. Mai 2001:
B Gesamtzahl der Vertragsstaaten der Genfer
Flüchtlingskonvention von 1951: 137
B
Gesamtzahl der Vertragsstaaten des
Protokolls von 1967: 136
B
Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und des Protokolls: 133
B
Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und/oder des Protokolls: 140
B
Vertragsstaaten, die nur der Flüchtlingskonvention von 1951 beigetreten sind:
Madagaskar, Monaco, Namibia sowie
St. Vincent und die Grenadinen
B
Vertragsstaaten, die nur dem Protokoll von
1967 beigetreten sind: Kap Verde, Vereinigte
Staaten von Amerika und Venezuela
LISTE DER 140 VERTRAGSSTAATEN DES ABKOMMENS VON 1951 UND/ODER
DES PROTOKOLLS VON 1967 ÜBER DIE RECHTSSTELLUNG DER FLÜCHTLINGE (Stand: 1. Mai 2001)
28
Ägypten
Frankreich
Liberia
São Tomé und Príncipe
Äquatorialguinea
Gabun
Liechtenstein
Schweden
Äthiopien
Gambia
Litauen
Schweiz
Albanien
Georgien
Luxemburg
Senegal
Algerien
Ghana
Madagaskar
Angola
Griechenland
Seychellen
Malawi
Antigua und Barbuda
Großbritannien
Mali
Argentinien
Guatemala
Malta
Armenien
Guinea
Marokko
Aserbaidschan
Guinea-Bissau
Mauretanien
Australien
Haiti
Somalia
Bahamas
Heiliger Stuhl
Mazedonien, (ehemalige
jugoslawische Republik)
Belgien
Honduras
Mexiko
St. Vincent und die Grenadinen
Belize
Iran, Islamische Republik
Monaco
Benin
Irland
Mosambik
Bolivien
Island
Namibia
Bosnien und Herzegowina
Israel
Neuseeland
Botswana
Italien
Nicaragua
Brasilien
Jamaika
Niederlande
Tadschikistan
Bulgarien
Japan
Niger
Tansania (Vereinigte Republik)
Burkina Faso
Jemen
Nigeria
Togo
Burundi
Jugoslawien BR
Norwegen
Trinidad und Tobago
Chile
Kambodscha
Österreich
Tschad
China
Kamerun
Panama
Tschechische Republik
Costa Rica
Kanada
Papua-Neuguinea
Tunesien
Côte d’Ivoire
Kap Verde
Paraguay
Türkei
Dänemark
Kasachstan
Peru
Deutschland
Kenia
Philippinen
Dominica
Kirgisistan
Polen
Dominikanische Republik
Kolumbien
Portugal
Dschibuti
Kongo
Ruanda
Ecuador
Kongo, Demokratische Republik
Rumänien
Uruguay
El Salvador
Korea, Republik
Russische Föderation
Venezuela
Estland
Kroatien
Salomonen
Vereinigte Staaten von Amerika
Fidschi
Lesotho
Sambia
Zentralafrikanische Republik
Finnland
Lettland
Samoa
Zypern
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
Sierra Leone
Simbabwe
Slowakei
Slowenien
Spanien
Südafrika
Sudan
Surinam
Swasiland
Turkmenistan
Tuvalu
Uganda
Ungarn
|
TITEL
|
U N H C R / S . G I R A R D / C.S.•MEX•1993
Das glückliche Ende einer Flüchtlingstragödie: Rückkehr in das Heimatland.
Fortsetzung von Seite 23
à same Sicht der Probleme fördern, die mit
dem Flüchtlingsschutz verbunden sind, und
die Zusammenarbeit im Umgang mit ihnen verbessern. Außerdem sollen sie zu
neuen Ansätzen führen, die den veränderten Anforderungen und Rahmenbedingungen entsprechen“, erläutert Feller.
Die Gespräche werden bis zum Jahr 2002
dauern und auf drei Ebenen geführt, den so
genannten „Three Tracks“. Auf der ersten
Ebene wird im Dezember in Genf ein Treffen der Vertragsstaaten der Flüchtlings-
der Flüchtlingskonvention mit Sachverständigen der Regierungen, Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen,
Wissenschaftlern sowie UNHCR-Vertretern
stattfinden. Diese Gespräche sollen sich auf
Themen wie die Ausschluss- und Beendigungsklauseln, das Prinzip des Non-Refoulement, Familieneinheit, die Definition
des Begriffs Flüchtling in der Flüchtlingskonvention und die Frage der unrechtmäßigen Einreise in ein Asylland konzentrieren.
internationale Standards zu setzen. In den
vergangenen 50 Jahren hat sich viel verändert. Die Welt ist viel komplexer als 1951. Die
Mobilität der Menschen hat sich um ein
Vielfaches erhöht und Grauschattierungen
entziehen sich den einfachen Kategorisierungen, mit denen früher Schwarz-WeißSchemata auf hart erkämpfte Definitionen
zu passen schienen. Menschlichkeit scheint
durch skrupellosen Pragmatismus verdrängt worden zu sein, Mitgefühl durch
Misstrauen.
„KEINER DER VERTRAGSCHLIEßENDEN STAATEN WIRD EINEN FLÜCHTLING ...
ÜBER DIE GRENZEN VON GEBIETEN AUSWEISEN ODER ZURÜCKWEISEN
IN DENEN SEIN LEBEN ... BEDROHT SEIN WÜRDE.“ Artikel 33
konvention stattfinden. Die von UNHCR
und der Schweizer Regierung gemeinsam
einberufene Ministerkonferenz soll eine
Erklärung verabschieden, mit der die Signatarstaaten zur vollständigen und wirksamen Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention und ihres Protokolls verpflichtet
werden.
Zudem werden auf zweiter Ebene an
„Runden Tischen“ Gespräche über die Auslegung von verschiedenen Bestimmungen
In gesonderten Sitzungen finden im
Rahmen des UNHCR-Exekutivkomitees
Gespräche auf der dritten Ebene statt. Sie
werden sich mit Themen wie dem Schutz
von Flüchtlingen in Situationen eines Massenexodus, dem Schutz von Flüchtlingen
in einzelnen Asylsystemen, schutzorientierten Lösungen für Probleme von Flüchtlingen sowie dem Schutz von Flüchtlingsfrauen und -kindern auseinander setzen.
Diese Gespräche sollen u.a. dazu führen,
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
Eines aber hat sich nicht geändert: Menschen müssen immer noch vor Verfolgung,
Krieg und Menschenrechtsverletzungen
fliehen und in anderen Ländern Zuflucht
suchen. Für Flüchtlinge ist die Flüchtlingskonvention heute wie vor einem halben
Jahrhundert das einzige universale humanitäre Abkommen, das eine Garantie
dafür bietet, dass jemand über ihre Rechte
als Menschen wacht.
■
29
|
MENSCHEN UND LÄNDER
|
Die Not nimmt kein Ende
ie weltweite Not entwurzelter Völker –
und die Not derjenigen, die ihnen
helfen wollen – nimmt kein Ende. Nsakala
Tshiama, ein einheimischer UNHCR-Mitarbeiter in der Stadt Kimpese in der Demokratischen Republik Kongo, wurde
Ende März nahe der Grenze zu Angola niedergeschossen. Er war allein unterwegs, als
er von vier bewaffneten Männern angehalten wurde, die sein Fahrzeug von ihm verlangten und ihn dann zweimal in den Rücken schossen. Er verstarb später in einem
Krankenhaus. Drei UNHCR-Mitarbeiter
wurden im September 2000 in Atambua in
Westtimor ermordet, ein weiterer wenige
Wochen später in Macenta in Guinea
niedergeschossen (siehe FLÜCHTLINGE
Nr. 4/2000). Sechs Männer wurden für die
Morde in Timor zu Haftstrafen von 10 bis
20 Monaten verurteilt. UNHCR zeigte sich
„zutiefst erschüttert“ angesichts dieser
Urteile. Diese seien eine „Verhöhnung“ des
Gerechtigkeitsgefühls der internationalen
UNHCR/KOKOLO
D
UNHCR-Fahrer Nsakala Tshiama.
Gemeinschaft. UNHCR-Mitarbeiter
drückten sich weniger zurückhaltend aus
und sagten, sie seien „empört“ angesichts
dieser „Farce“ eines Gerichtsverfahrens
und der milden Strafen. Einige Wochen
nach dem Mord an Tshiama wurden sechs
Mitarbeiter des Internationalen Komitees
vom Roten Kreuz (IKRK) im Nordosten der
Demokratischen Republik Kongo ermordet. Das Team war auf einer als sicher
geltenden Straße in deutlich mit dem Roten
Kreuz gekennzeichneten Fahrzeugen unterwegs, als es überfallen und die Mitarbeiter von unbekannten Angreifern ermordet
wurden. Auch ein holländischer Pilot, der
für das Rote Kreuz unterwegs war, wurde
getötet. Sein Flugzeug wurde im südlichen
Sudan von einem Bodenfeuer erfasst. Angesichts immer neuer Morde und Schikanen, die sich gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen richten, ist die
Forderung immer lauter geworden, die
globale Sicherheit für die Mitarbeiter der
Vereinten Nationen und anderer humanitärer Organisationen deutlich zu verstärken. Den jüngsten Zahlen nach ist
UNHCR nach wie vor für eine gewaltige
Zahl von Menschen tätig – schätzungsweise
21,1 Millionen weltweit. Dazu gehören 8,4
Millionen Menschen in Asien, 5,6 Millionen in Europa und 5,3 Millionen in Afrika. B
Wie Alles begann
r ist der Mann, mit dem
Alles begann. Im Jahre
1921 wurde Dr. Fridtjof
Nansen, der zu der Zeit schon
als bedeutender Wissenschaftler und Forscher aus
Norwegen bekannt war, vom
Völkerbund zum Hohen
Flüchtlingskommissar ernannt. Dies war der Beginn
des modernen internationalen Systems des Flüchtlingsschutzes. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, der in der Nachfolge Nansens steht, hält die
Verbindung zu diesen Ursprüngen wach. Jedes Jahr
vergibt das Amt den NansenPreis an Einzelpersonen oder
30
Organisationen, die
nationales Zenthervorragende Arbeit
rum für Zoologie
für Flüchtlinge geleisund Meeresfortet haben. Die Verschung begrünbindung zwischen Verdet hat. Nansen
gangenheit und Gegenhatte dort im Jahr
wart wurde unlängst
1876 gearbeitet.
noch lebendiger. Die
Die Büste blieb im
italienische Künstlerin
Familienbesitz
Fausta Mengarini schuf
und wird nun von
für den Völkerbund
dem 83-jährigen
eine Bronzebüste NanPietro Dohrn, eisens. Noch bevor
nem Arzt und
dieser sie in Empfang Nansen sitzt für die Bildhauerin Fausta
Neffen des Grünnehmen konnte, wur- Mengarini Modell.
ders des urde der Völkerbund
s p r ü n gl i c h e n
aufgelöst. Mengarini ver- wirtschaft eingezogen wur- Forschungszentrums, an
steckte die Büste während des den. Sie übergab sie schließlich UNHCR übergeben. Sie wird
Zweiten Weltkriegs, als wert- der Familie Dohrn, die in in der Zentrale des Amtes in
B
volle Metalle für die Kriegs- Neapel ein berühmtes inter- Genf aufgestellt.
©AP/WIDE WORLD
E
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
|
ERLESENES
|
CARTOON BY BORISLAV SAJTINAC. REPRODUCED WITH PERMISSION
UNHCR reduzieren oder sogar von der internationalen
Flüchtlingskonvention zurücktreten könnten. Das
wäre eine Tragödie.“
Der australische Minister für
Immigration über die Auswirkungen des Menschenschmuggels auf die Flüchtlingshilfe.
FFF
„Das Exil ist grausam, ein
totaler Absturz. Man braucht
Zeit, um sich von diesem
Schicksalsschlag zu erholen.“
Die afghanische Schriftstellerin
Spojmai Zariab, die in Frankreich im Exil lebt.
FFF
„Wir wollen wieder bei unseren Eltern sein und auf die
Schule gehen. Das Leben ist
hier besser als im Dschungel.“
Die jugendlichen Zwillinge
Johnny und Luthern Htoo, die
im Dschungel von Myanmar die
Guerilla der „Gottesarmee“
angeführt haben, bis sie sich in
Thailand stellten.
FFF
„Keine Mauer wird hoch genug sein,
um die Menschen davon abzuhalten,
zu kommen ...“
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen Ruud Lubbers in seinem Appell an die
europäischen Staaten, ihre Tore nicht vor Asylsuchenden zu verschließen.
„Ihre Werte sind zeitlos, aber
es ist an der Zeit innezuhalten und ihre Anwendung in
der heutigen Welt zu prüfen.”
Der britische Premierminister
Tony Blair zum 50. Jahrestag der
Genfer Flüchtlingskonvention
von 1951.
FFF
„Sie ist der Wall, hinter dem
Flüchtlinge eine Zuflucht
finden können.“
Erika Feller, UNHCR-Direktorin der Abteilung für interna-
tionalen Rechtsschutz, über die
Genfer Flüchtlingskonvention.
FFF
„Die Regierungen können
schwerlich einen Blankoscheck ausstellen und Verpflichtungen für zukünftige
Flüchtlinge eingehen, deren
Herkunft und Zahl niemand
kennt.“
Zitat der Verfasser der Genfer
Flüchtlingskonvention, die die
Gründe für die verschiedenen Beschränkungen erklären.
FFF
„Das moderne System des
Flüchtlingsrechts entstand in
aufgeklärtem Eigeninteresse“ der Staaten.
James C. Hathaway, amerikanischer Jura-Professor.
FFF
„Die Gefahr liegt darin, dass
Länder, die sich mit einer
wachsenden Zahl von Flüchtlingen konfrontiert sehen,
ihre Unterstützung von
FLÜCHTLINGE NR. 2/2001
„Es ist ein wirkliches Problem,
dass die Europäer ... ihre
Verpflichtungen gegenüber
Flüchtlingen reduzieren
wollen. Sie müssen die
Verpflichtung, Asyl zu
gewähren, ernst nehmen.“
Der Hohe Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers.
FFF
„Es gibt eine Reihe von Anzeichen dafür, dass Europa
seine Pflicht aus den Augen
verliert, Flüchtlinge im Sinne
des Völkerrechts zu schützen, wie es in der Genfer
Flüchtlingskonvention festgelegt wurde. Das birgt das
Risiko, dass andere Regionen
sich am Beispiel Europas
orientieren.“
UN-Generalsekretär Kofi Annan.
FFF
„Ist das ein Aprilscherz?“
Reaktion eines Ehepaars mittleren Alters auf die Nachricht,
dass der jugoslawische Präsident
Slobodan Milosevic verhaftet
wurde.
31
BESTELLUNG VON INFORMATIONSUND UNTERRICHTSMATERIALIEN:
GENFER FLÜCHTLINGSKONVENTION
UNHCR Berlin
Tel. 030-202 202-26
UNHCR Wien
Tel. 01-260 60-4049
www.unhcr.de
ANSPRECHPARTNER FÜR SPENDEN:
Deutsche Stiftung für
UNO-Flüchtlingshilfe e.V.
Tel. 0228-355 057
www.dsuf.de
UNHCR Wien
Erika Bettstein
Tel. 01-260 60-4545
[email protected]
Der Hohe
Flüchtlingskommissar
der Vereinten
Nationen