„Die singende Gemeinde“ „Die singende Gemeinde“ Musikalischer

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„Die singende Gemeinde“ „Die singende Gemeinde“ Musikalischer
„Die singende Gemeinde“
Musikalischer Gottesdienst mit Auszügen aus Duke Ellingtons Sacred
Concert
Universitätsgottesdienst am 8. Mai 2011
Isa-Dorothe Gardiewski und Eckart Stief
I.
Begrüßung (Eckart Stief)
Edward Kennedy Ellington, genannt „Duke“ – auf Deutsch „Herzog“ – wäre heute fast auf den
Tag genau 112 Jahre alt. Gestorben ist er schon 1974. Sein legendärer Ruf als schwarzer USamerikanischer Musiker, Pianist und Komponist bleibt.
In den letzten zehn Jahren seines Lebens komponierte er drei „Sacred Concerts“ und meinte
dazu: „The most important thing I have ever done.“
Freude am Gesang und am Singen! Besinnliche Minuten und gute Gedanken!
II.
Hinführung (Isa-Dorothe Gardiewski)
Liebe Gemeinde, der heutige Sonntag steht unter dem Motto „Die singende Gemeinde“, denn
das Lied der Gemeinde nimmt seine Berechtigung und seinen Inhalt aus dem, was wir bisher
im Kirchenjahr gefeiert haben: Geburt Jesu, Passion, Ostern.
Die christliche Kirche ist von Anfang an eine singende Kirche, die christliche Gemeinde eine
singende Gemeinde. Schon vor knapp 2000 Jahren versammelten sich Christen bei
Sonnenaufgang, um ihrem Gott Lob zu singen. Das also zeichnete unsere Vorfahren aus: Sie
sangen Christus als ihrem Gott Lieder.
Die erste, von der wir ein Lied kennen, ist Maria. Sie singt zu Gott, als sie vom Engel erfährt,
dass sie den Heiland zur Welt bringen soll. Liebe singende Gemeinde, lassen Sie uns jetzt
gleich zu Beginn gemeinsam einstimmen in diesen uns bekannten Lobgesang.
„Magnificat, magnificat,
magnificat anima mea Dominum.
Magnificat, magnificat,
magnificat anima mea.“
Innerlich auf das Singen, den Lobgesang, eingestimmt, hören wir als Predigttext für den
heutigen Sonntag Worte aus dem zwölften Kapitel des Propheten Jesaja, auch als „Danklied
des Erlösten“ bezeichnet:
Zu der Zeit wirst Du sagen:
Ich danke Dir, HERR, dass Du bist zornig gewesen über mich
und Dein Zorn sich gewendet hat
und Du mich tröstest.
Siehe, Gott ist mein Heil,
ich bin sicher und fürchte mich nicht;
denn Gott der HERR ist meine Stärke
und mein Psalm
und ist mein Heil.
Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen.
Und Ihr werdet sagen zu der Zeit:
Danket dem HERRN, ruft an seinen Namen!
Machet kund unter den Völkern sein Tun,
verkündiget, wie sein Name so hoch ist!
Lobsinget dem HERRN, denn er hat
sich herrlich bewiesen.
Solches sei kund in allen Landen!
Jauchze und rühme, du Tochter Zion;
denn der Heilige Israels ist groß bei dir!
(Jesaja 12, 1-6 / Luther-Übersetzung 1984)
Liebe Gemeinde,
genau so gehören Glauben und Singen zusammen! Inzwischen wird die Gemeinde bei ihrem
Singen unterstützt und angeleitet von Chören und instrumentaler Kirchenmusik. Aber so
schön die Chormusik samt Chorgemeinschaft auch ist, sie kann das eigene Singen nicht ganz
ersetzen. „Doppelt betet, wer singt“, so hat es der Kirchenvater Augustinus auf den Punkt
gebracht. Singen ist eine Einladung, unseren Herrn mit Liedern zu loben. Es ist nicht
entscheidend, ob jemand gut oder weniger gut singen kann. Es kommt vielmehr darauf an,
dass wir singen, dass wir überhaupt singen.
Eine singende Kirche ist die christliche Kirche bis zum heutigen Tag geblieben. Ja, jede neue
geistliche Bewegung hat sich auch musikalisch ausgewirkt und neues geistliches Liedgut
hervorgebracht. Damit schließt sich die christliche Kirche an das Gottesvolk des Alten Bundes
an. Die Psalmen bilden eine Art Gesangbuch. Und wenn wir in das letzte Buch der Bibel
schauen, dann lesen wir dort, dass die vollendete Gemeinde auch eine singende Gemeinde
sein wird.
Unser Predigttext, unser Danklied aus dem Jesajabuch, spricht vom Adressaten unseres
Lobgesangs, spricht vom Grund, vom Inhalt unserer Lieder und davon, was unser Singen
bewirken kann.
III.
Narrative Meditation (Eckart Stief)
Immer wenn sie es sehr ernst meint, diese Frau, nennt sie mich mit vollem Namen.
„Jeschajahu“ – ihr sagt „Jesaja“.
In eurer Sprache bedeutet das etwa „Jahwe, also ‚Gott’, ist Hilfe“. Ist er das?
„Jeschajahu“, sagt diese meine Frau – wir haben zwei Söhne und wohnen in Jerusalem –, „die
Leute wollen deine ewige Nörgelei und deine pessimistischen Worte nicht mehr hören.“
Meine pessimistischen Worte.
Als ob ich sie freiwillig wählen würde. Ob ihr’s glaubt oder nicht: ich habe mich für diesen Job,
diese undankbare Aufgabe, nicht beworben. Ich wurde berufen. Keine Ahnung warum.
Und ich soll den Leuten die Wahrheit sagen:
„Höret, ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren,
denn der HERR redet!
Ich habe Kinder großgezogen und hochgebracht,
und sie sind von mit abgefallen!“ (Jes. 1, 2)
Ewige Nörgelei?
Aber schaut euch doch um! Die Welt ist doch nicht in Ordnung.
Reiche regen sich fürchterlich auf über ein paar Euro mehr für Hartz IV-Empfängerinnen und Empfänger, Mächtige töten Leute, seien es auch Verbrecher, ohne Gerichtsurteil. Entrechtung,
Unterdrückung, Machtpolitik und Krieg sind Begriffe, die ständig aktuell bleiben. In meiner
Zeit – in eurer Zeit.
Ewige Nörgelei. Was will diese Frau?
„Mache ihnen Mut, schenke ihnen auch mal ermunternde Worte“, sagt sie. Sie ist klug, das
weiß ich. Ich sollte auf sie hören.
Jemand, dem man ständig nur Versagen und Untergang an den Kopf wirft, hört selbst bei
bester Wortwahl irgendwann nicht mehr zu. Er braucht auch mal Aufmunterung – danach
geht’s vielleicht besser.
„Du kannst doch gut schreiben und dichten“, sagt sie und lächelt. „Schreibe ein Mut-machLied, ich singe.“ Ja, singen kann sie.
„Aber kein Wort von Krieg“, fügt sie schnell hinzu, „wir singen von Frieden! Hör auf, den
Weltuntergang zu predigen und singe vom neuen Leben, hör auf, den Teufel an die Wand zu
malen und singe das Lob Gottes!“
Schon schlägt sie den Rhythmus und summt eine Melodie.
Und mir kommen die Worte: über den Zorn, der sich wendet, über Gott, der tröstet. Über die
Überwindung von Furcht, über neue Stärke, über Freude.
„Jauchze und rühme, du Tochter Zion;
denn der Heilige Israels ist groß bei dir!“
IV.
Entfaltung (Isa-Dorothe Gardiewski)
Unsere Lieder können etwas bewirken!
Liebe Gemeine, was bedeutet es, dass wir als Kirche entgegen vielen gesellschaftlichen
Trends am Singen in unseren Gottesdiensten festhalten? Kann unser gemeinsames Singen
Kraft verleihen? Zu neuen Wegen ermutigen? Rückenstärkung in manchen
Auseinandersetzungen geben?
Das Singen ist aus dem Gottesdienst nicht wegzudenken.
Unsere Lieder gründen in der Liebe und Güte Gottes, die er uns in Jesus Christus schenkt.
Unsere Lieder besingen das, was Gott in Jesus für uns getan hat.
Wo eine Gemeinde so aus dem Herzen singt, wo wir also nicht anders können, als diesen
großartigen Gott zu loben, da wird unser Lob gehört, da fallen unsere Lieder unter anderen
Gesängen auf.
Allerdings: im Alltag spielt das eigene laute Singen kaum noch eine Rolle. Wer singt schon laut
in der Öffentlichkeit? Das Radio im Hintergrund hat in den Betrieben schon lange das
gemeinsame Singen beim Arbeiten abgelöst. Vielen Jugendlichen erscheint unser
gottesdienstliches Singen wie eine Zeitreise in längst vergangene Jahrhunderte, in der – sind
wir ehrlich – die meisten der hier gesungenen Lieder auch tatsächlich entstanden sind.
Und dennoch: auch heute lässt sich die Kraft gesungener Lieder nachvollziehen. Viele von uns
spüren – hoffentlich – heute Morgen diese Kraft bei den Liedern aus dem Gesangbuch oder
spüren die Kraft in der Chorgemeinschaft. Und ganz besonders im gemeinschaftlichen Singen,
wenn wir jetzt nochmals gemeinsam singen, als singende Kirchengemeinde das so genannte
Myriamlied anstimmen:
„Im Lande der Knechtschaft, da lebten sie lang,
in fremde Gefilde verbannt,
vergessen die Freiheit, verstummt ihr Gesang,
und die Hoffnung vergraben im Sand.
Nur heimlich im Herzen, da hegten sie bang
den Traum vom gelobten Land. Doch:
Mirjam, Mirjam schlug auf die Pauke
und Mirjam tanzte vor ihnen her.
Alle, alle fingen zu tanzen an:
Groß war Gottes Tat am Meer.
Frauen tanzten, tanzten die Männer,
und Wellen, Wolken, alles tanzt mit.
Mirjam, Mirjam hob ihre Stimme
sie sang für Gott,
sie sang ihr Lied.“
Wie wir gerade selbst im Singen erfahren haben, geben Lieder Hoffnung und können gerade
auch in Konfliktsituationen Kraft geben! Und aus so manchem Lied klingt noch die
Auseinandersetzung deutlich heraus, die ihm zugrunde liegt.
Ich denke da auch an Martin Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, das von Luthers
theologischer Auseinandersetzung mit dem Glauben erzählt. Ein weiteres Beispiel kennen Sie
auch alle: „We shall overcome“. Es ist das Lied der unterdrückten Farbigen in Amerika, „We
shall overcome“, zu Deutsch: „Wir werden siegen!“ Jung, rhythmisch und frisch präsentiert
sich das Lied, das zur US-Studenten- und Bürgerrechtsbewegung gehört, wie kaum ein
anderes. Wer es singt, kann noch etwas von dem Protest spüren, der in diesem Lied
mitschwingt. Ein Lied, das die Menschen auf die Straßen gezogen hat, ein Lied, das von
Amerika ausgehend den Freiheitsbewegungen auf der ganzen Welt Mut gemacht hat.
Das „Myriamlied“, „Ein feste Burg“ und „We shall overcome” – sie alle haben eine
ansteckende Wirkung und haben mit dazu beigetragen, dass sich die Welt verändert hat. Sie
haben Menschen den Mut gegeben, für ihre Freiheit und ihre Überzeugungen einzustehen und
wurden letztendlich zu Markenzeichen protestantischer Christen.
Wer in diese Lieder einstimmte, gehörte dazu. Es war ermutigend zu singen, aber nicht immer
ungefährlich. Und wenn wir heute über „Die singende Gemeinde“ sprechen, geht es nicht nur
um unsere Freude daran oder die Schönheit der Musik, sondern auch immer um das Wissen,
dass das Singen Menschen und Situationen verändern kann.
Liebe Gemeinde, wir haben also keinen Grund, uns mit unseren Liedern zu verstecken. Wir
haben aber allen Grund, Gotteslob zu singen und ihn kundtun „vor den Völkern“, „in allen
Landen“. Uns allen gilt die Aufforderung: Singet! Auch dann, wenn uns nicht gerade nach
Singen zumute ist, wir uns anders fühlen.
Aber Singet! Wenn ihr singt, kann daraus ein Loblied werden. Weil Lieder Kraft haben und
Veränderungen bewirken können. Weil Lieder die Welt verändern können. Weil das Singen uns
verändert und uns, Sie und mich, zu fröhlichen, offenen Menschen machen kann. Lassen Sie
uns der Verheißung des Singens folgen: wer weiß, was das Singen dann aus uns macht?
Amen.
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Gottesdienst in der protestantischen Pauluskirche, Kaiserslautern.
Musikalische Gestaltung: Moderner Chor der TU Kaiserslautern „Haste Töne“
Leitung: Alexis Wagner