Reisebericht: Radtour durch Nord

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Reisebericht: Radtour durch Nord
Eine Radtour durch Nord-Italien
Lago Maggiore - Via Emilia - Adriaküste - Verona
Erfahrungen und Tipps von einer Fahrradtour im Juli 2011
rot = Route (gestrichelte Linie von Padova nach Verona: Zugtransfer)
Eine detailliertere Karte ist auf Anfrage beim Autor erhältlich (Email-Adresse siehe oben)
Gesamtresümee
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Sehr nette Tour mit schönen Landschaften und Städten, netten Italienern und gutem Essen.
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Zu empfehlen für alle, die nicht unbedingt ständig perfekte Fahrradwege brauchen, die auch streckenweise einige Schlaglöcher auf den Straßen mal ertragen können und die es auch aushalten,
immer wieder mal die Straße mit vielen Autos und LKW zu teilen (Fahrer waren aber weitgehend
sehr rücksichtsvoll). Hinsichtlich der Straßen und Radwege sind die Niederlande sowie die
deutschsprachigen und skandinavischen Länder und einige Regionen Frankreichs aber sicherlich
deutlich besser für Langstrecken-Radler geeignet.
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Besonders sehenswert fanden wir Verona sowie die Region rund um Asti und die Strecke entlang
der Via Emilia mit ihren vielen schönen Städten. Die Via Emilia ist eine alte Römerstraße von Piacenza nach Rimini, die heute eine leider sehr stark befahrene Hauptverkehrsstraße ist. Wenn man
ihr (mehr oder weniger) folgt, fährt man mit relativ wenigen Steigungen, hat aber ständig den
schönen Blick aufs Gebirge und kann auch immer wieder mal einen Abstecher und/oder eine Nebenroute am Fuße dieses Gebirges machen, was landschaftlich sehr reizvoll und verkehrstechnisch
deutlich ruhiger ist. Die Adria-Küste zwischen Rimini und Chioggia ist massentouristisch geprägt
und weniger sehenswert, aber letztlich auch OK und die Stadt Chioggia (liegt südlich von Venedig
und wird auch oft als "Klein-Venedig" bezeichnet) fanden wir hier besonders nett.
Radfahren in Italien
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Italiener fahren recht viel Fahrrad, sowohl innerorts (dann oft mit museumsreifen Vehikeln) als
auch Touren, dann aber praktisch immer mit dem Rennrad. Dementsprechend gibt es auch relativ
viele Fahrradgeschäfte und -werkstätten, so dass wir bei zwei kleineren Pannen sehr schnell Hilfe
fanden. Das Radwandern hingegen scheint in Norditalien weitgehend unbekannt zu sein - sowohl
bei Einheimischen als auch bei Touristen. Auf unserer elftägigen Route von Locarno nach Padova
(= Padua) begegneten wir lediglich zweimal Radwanderern mit mehr als Tagesgepäck, in beiden
Fällen Deutsche. Erst in Verona trafen wir dann eine größere Gruppe von Langstrecken-Radlern.
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Wir wurden sehr oft und freundlich von Einheimischen gegrüßt (vielleicht weil wir eine so seltene
Spezies waren?). Autofahrer hupten oft zum Grüßen und beglückwünschten uns mit einem lauten
"Bravi" oder einem aufgestellten Daumen (erst auf dem nordöstlichen Teil der Route gab es wieder den Typus "ungeduldige Huper", wenn wir nicht weit genug rechts auf der Straße fuhren - im
Süden waren die Italiener da entspannter).
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Dass wir meist mit ausreichend Abstand überholt wurden, lag möglicherweise auch an meiner sehr
breiten, querliegenden Tasche auf dem Gepäckträger, die gute Dienste als "Abstandshalter" leistete und deutlich signalisierte, dass hier kein schmales Rad unterwegs ist, das man ohne Ausscheren
überholen kann.
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Der Zustand der Straßen und Radwege (wenn es letztere überhaupt gibt) war insgesamt oftmals
sehr dürftig (siehe weiter unten).
Route
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Die Route (siehe Karte oben) war ca. 1000 km lang und wir sind sie in 11 Tagen gefahren.
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Das Höhenprofil war insgesamt relativ flach, außer den "selbstgewählten" hügeligen Abschnitten
(ohne die es landschaftlich aber relativ langweilig gewesen wäre und ohne die wir noch mehr verkehrsreiche Straßen hätten nutzen müssen).
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Wir sind an den meisten Tagen zwischen fünf und sieben Stunden gefahren, jeweils in recht zügigem Tempo. Wer es weniger sportlich angehen und etwas mehr Zeit für Sightseeing oder andere
Aktivitäten einplanen möchte, sollte sicher ein paar Tage mehr für die Tour einplanen oder die
Tour kürzer gestalten. Wer sich bei der Zeitplanung nicht so sicher ist, hat natürlich immer noch
die Möglichkeit in der Hinterhand, den einen oder anderen Abschnitt mit der Bahn zu überbrücken
- dies wäre v.a. entlang der Via Emilia sicherlich möglich, oder - was noch eher zu empfehlen wäre - auf der relativ langweiligen Passage von Rimini nach Norden (z.B. nach Verona, Vicenza oder
Padua).
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Der Beginn in Locarno (Schweiz, kurz vor der ital. Grenze) war sehr günstig: Die Stadt ist sehr
gut mit der Bahn zu erreichen (Zug ab Basel), ohne Reservierungspflicht für Räder (großer Gepäckwagen).
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Die Tour in Verona zu beenden war verkehrstechnisch nicht optimal. Die Stadt ist auf jeden Fall
wunderschön und sehenswert, aber für den Bahntransfer mit Fahrrad nach Deutschland liegt sie
ungünstig. Wir haben es aber trotzdem gut hinbekommen.
Straßen / Radwege / Karten-Material
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Ein italienischer Fahrradhändler sagte zu den Radwegen in seinem Land: Sie sind leider nicht wie
ein Zebra, sondern eher wie ein Leopard - ein Fleckchen hier, ein Fleckchen dort, aber nichts Zusammenhängendes.
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Einer der längsten zusammenhängenden Radwege in Italien (vielleicht sogar der längste überhaupt) ist der Po-Radweg. Den haben wir wegen der dort recht zahlreichen Mücken (und weil die
Po-Ebene landschaftlich nur begrenzt spannend ist) aber nicht benutzt.
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Bei Radwegen, die parallel zu Straßen verliefen, haben wir in sehr vielen Fällen trotzdem die
Straße benutzt, da die Radwege oft eine einzige Schlagloch-Buckelpiste und schlicht unbenutzbar
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waren. Die Autofahrer hat dies offenbar wenig gestört. In Deutschland hätte man sich da sicherlich viel Hupen und Belehrungen von Fahrern fetter Geländewagen anhören müssen...
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Bei Radwegen, die nicht parallel zu einer Straße verliefen, war das größte Manko (neben ihrer oft
dürftigen Qualität), dass wir in keinem einzigen Fall einen Ortswegweiser daran finden konnten.
Wenn man nicht weiß, wo ein Weg hinführt, dann wird deren Benutzung für Nicht-Ortskundige
z.T. völlig unmöglich. Schade, dass hier viel Geld (EU-Fördermittel?) in Radwege gesteckt wird
und dann die paar Euro für eine Beschilderung gespart werden.
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Nicht nur die Radwege, sondern auch die Straßen waren (im Vergleich zu Deutschland) insgesamt
von relativ schlechter Qualität: sowohl Fernverkehrsstraßen als auch die übrigen Landstraßen waren oftmals ziemliche Buckelpisten. Fernverkehrsstraßen waren aber im Durchschnitt etwas besser.
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Auf den Fernverkehrsstraßen (z.B. der Via Emilia) herrschte extrem viel Verkehr. V.a. die Menge
der Lastwagen (z.T. war jedes dritte Fahrzeug ein LKW) überraschte uns, und dies trotz einer parallel laufenden Autobahn (offenbar wollen die meisten LKW-Fahrer die Maut sparen - dass sie
mit ihren Brummis die Straßen ruinieren, zahlt ja dann der Steuerzahler und nicht der Spediteur).
Wir haben die Fernverkehrsstraßen daher so oft wie möglich gemieden (dies geht aber in vielen
Fällen nicht, z.B. wenn diese die einzige Brücke über einen Fluß hat). Auf den übrigen Straßen
war die Verkehrsdichte meistens deutlich geringer, manchmal herrschte dort geradezu Ruhe. Und
im Bereich der Städte ist die Via Emilia meist gut zu fahren, da dort oftmals der Hauptverkehr auf
Umgehungsstraßen umgeleitet wird und man mit dem Fahrrad geradeaus durch die (meist sehr
schönen) Ortszentren fahren kann.
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Wir haben Straßenkarten im Maßstab 1:200.000 verwendet, was völlig OK war, nur gestaltete sich
ihre Beschaffung als sehr aufwändig: Fast keine Tankstelle, Buchhandlung, Kiosk etc. hatte eine
Straßenkarte im Sortiment (schon gar nicht für benachbarte Regionen). Man kaufe sich diese also
besser in Deutschland. Spezielle Radfahrer-Karten (wie z.B. die IGN-Karten in Frankreich)
scheint es in Italien nicht zu geben. Und noch eine Bemerkung zum Thema "Karten": Auch Postkarten waren in den meisten Orten - selbst in sehr schönen Städten entlang der Via Emilia, wo ein
fotogenes Bauwerk neben dem nächsten steht - bemerkenswerter Weise praktisch nicht zu finden!
Generell zum Thema Einkaufen: Während der Siesta (ca. 13-15:30, teils auch länger) haben praktisch alle Läden zu. Und auch die Touristen-Informationen sowie viele Sehenswürdigkeiten.
Zugfahren in Italien
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Mit dem Service im Zug und an den Schaltern haben wir überwiegend schlechte Erfahrungen gemacht. In Padua (nicht gerade eine Kleinstadt) konnte (wollte?) man uns nur Tickets bis Verona
verkaufen und nicht für die am nächsten Tag geplante Weiterfahrt ab Verona. In Verona konnte
(wollte?) man uns für Züge jenseits der italienischen Grenze keinerlei Fahrplanauskünfte geben
(zum Glück hatte ich ein internetfähiges Handy, mit dem ich dann unter www.bahn.de für alle
Länder alle Verbindungen prima finden konnte). Im Zug von Verona zum Brenner wurden uns
schließlich vom Schaffner 50 Euro Strafe abgeknöpft, weil wir die Tickets im Bahnhof nicht entwertet hatten. Dass wir sie entwerten müssen, hatte man uns am Schalter allerdings nicht gesagt.
Dass dies für Ausländer mitunter keine Selbstverständlichkeit ist, musste der routinierten (um
nicht zu sagen: abgebrühten) Mitarbeiterin am Schalter ganz sicher bekannt sein. Anderen Reisenden in unserem Zug (die ebenfalls Strafe zahlen mussten) wurden die Tickets sogar am Schalter so
zusammengetackert, dass ein Einführen in die Entwerter-Automaten fast unmöglich war - dies
macht schon den Eindruck, dass man hier Touristen gerne absichtlich abzocken möchte.
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Immerhin sprachen die meisten Bahnmitarbeiter Englisch und im Endeffekt hat dann auch alles
geklappt.
Wetter und Jahreszeit
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Wir sind im Juli gereist - da ist es in Italien auch hinsichtlich Tourismus noch relativ ruhig - die
Hochsaison ist im August.
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Die Temperaturen lagen in der Regel bei 28-35 Grad, was meist wegen des Windes (der kam normalerweise als Südwind, d.h. von den Bergen) gut erträglich war, selten war es schwül.
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Es war weitgehend sonnig, gelegentlich etwas bewölkt. Auf der 11-tägigen Reise war es nur am
Anfang (am Lago Maggiore) für einen Tag regnerisch, dann hatten wir zwischendurch einen Regentag und einen am Ende (der den Beginn einer längeren Regenphase darstellte, weshalb wir unsere Route dann mit dem Zug fortgesetzt haben).
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Hinsichtlich Mücken war es einigermaßen erträglich, da wir die Po-Ebene weitgehend gemieden
haben. Einige Stiche haben wir dann aber doch abbekommen, v.a. im Po-Delta-Abschnitt an der
Adria-Küste.
Unterkunft / Camping-Plätze
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Abgesehen von den Küsten gibt es sehr wenige Zeltplätze in Italien, so dass wir häufig auf Hotels
/ Pensionen / B+Bs ausgewichen sind. Deren Preise lagen normalerweise bei 70-100 Euro für ein
DZ inkl. Frühstück (wobei es kaum Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Unterkünften gab).
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Normale Camping-Plätze waren relativ teuer (meist ca. 35 Euro für 2 Personen inkl. Zelt), selbst
im Inland. Dies lag sicherlich v.a. an den für uns irrelevanten Features wie Swimming Pool, Programm mit Animation etc. Alle Camping-Plätze waren sehr sauber und hatten sehr gute sanitäre
Anlagen.
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Am schönsten (und zugleich billigsten: einmal kostenlos, einmal 5 Euro) war das Zelten bei "Agriturismo-Bauernhöfen", dann jedoch nur mit sehr einfachen sanitären Anlagen. Diese Bauernhöfe
waren inkl. Camping-Platz-Symbol mit Wegweisen an den Straßen ausgeschildert. Vermutlich
kann man aber auch bei anderen Bauernhöfen rumfragen, ob man bei ihnen das Zelt aufstellen
darf...
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Wir haben nie reserviert und immer einen Zeltplatz, bei schlechtem Wetter auch immer eine Pension / ein Hotelzimmer gefunden, obwohl wir meistens erst gegen ca. 18-20 h eine Unterkunft angesteuert haben.
Verpflegung
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Die schmackhaften Lebensmittel und die gute Küche sind auf jeden Fall ein großes Highlight in
Italien.
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Lebensmittel sind ähnlich vom Preis wie in Deutschland, sind dafür aber deutlich schmackhafter
(v.a. bei Gemüse und Aufschnitt).
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Das beste Essen haben wir in Agriturismo-Bauerhöfen bekommen. Sehr zu empfehlen!
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Trinkwasser aus der Leitung war auf unserer Route praktisch überall sehr lecker, auch an den vielen öffentlichen Trinkwasserfontänen.
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Isola Superiore im Lago Maggiore
im Parco Naturale Sacro Monte di Crea
Das Rathaus von Parma
Auf einer ruhigen Nebenstraße
Camping beim Agriturismo-Bauern
Eine "Casa Cantoniera" an der Via Emilia
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Blick auf den Kleinstaat San Marino
Adria-Küste: Sonnenschirme bis zum Horizont
Im Po-Delta
Beladenes Fahrrad
Im Hafen von Chioggia
Abends am Amphiteater von Verona
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