hurra, sie leben noch

Transcrição

hurra, sie leben noch
FOCUS
HURRA, SIE LEBEN NOCH
MULTIBRAND STORES IM RAMPENLICHT
hier läuft multibrand (v. l. n. r.): yeans halle in koblenz, tayler in leipzig, trendfabrik in brühl
D
ie wohl spektakulärste Eröffnung war im Herbst letzten Jahres
in Berlin, als Karl-Heinz Müller im Haus Cumberland am
Ku’damm seinen 600 qm großen 14 oz. Store eröffnete. Mit dem
Multilabel-Tempel hat er einen Meilenstein gesetzt und der Branche eine
neue Pilgerstätte geschaffen. Die Modekarawane sollte sich aber auch auf
den Pilgerweg quer durch die Republik machen: Die Yeans Halle hat ihr
Filialnetz um zwei neue Läden in Darmstadt und Koblenz mit je 1.300 qm
Verkaufsfläche auf nunmehr 18 Stores erweitert. Für die weitere Expansion
ist der Filialist auf der Suche nach neuen Standorten. Die bestehenden
älteren Läden werden nach und nach auf Vordermann gebracht. Jeans by
Kaltenbach eröffnete eine Filiale in München in der Sendlinger Straße. Der
Leipziger Filialist Tayler hat sich mit einem 1.800 qm großen Flagship Store in
den neuen „Höfen am Brühl“ ein Denkmal gesetzt. Das Familienunternehmen
Trendfabrik in Brühl hat ihr siebtes Haus in der Region auf der grünen Wiese
eröffnet. Geschäftsführer Kerem Özcelik ist auf der Suche nach weiteren
Standorten. Es gibt sie, die erfolgreichen Multibrand Stores, die ihren Focus
auf Jeans setzen. Crämer & Co. in Nürnberg ist mit seinem hervorragenden
Markenmix sicherlich der Vorzeigeshop in der Jeans- und Fashion-Branche.
Auch Maingold in Würzburg, die fünf hochwertigen Stores von Diana und
Lutz Sponsel, lässt sich in die Liste einreihen. Und natürlich More Jades
in Düsseldorf mit seinem hochkarätigen Jeansangebot aus Kalifornien.
Anspruchsvoll und elitär gestalten sich die Sortimente der Premium-Liga. Im
breiten Mainstream-Markt sind es die vielen kleinen, ganz normalen Jeans
Stores wie Jeans Project in Hamburg, die Jeans Disco in Bremen, Paradise auf
Sylt oder My Jeans in Darmstadt, um nur einige zu nennen. Hurra, sie leben
noch. Die „letzten Mohikaner“ werden oft belächelt, aber viele dieser Shops
existieren seit mehr als 30 Jahren und machen kontinuierlich gute Geschäfte.
Sie pflegen ihr tiefes Jeanssortiment und bieten Service und Beratung.
Wer hier einkauft, findet mit Garantie die passende Jeans. Das bindet
Stammkunden. So viele neue Multibrandkonzepte und Expansionspläne,
sieht das nach einem Comeback aus? Hoffentlich. Es lebe die Individualität.
Ewig diese monotonen Markenwelten der Vertikalen. Alles sieht gleich aus,
vom Ladenbau bis zur Klamotte, klagen viele Konsumenten. Die Innenstädte
ähneln sich von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen. „Es gibt junge
Leute, die waren noch nie in einem Multibrand Store und sind überrascht
von der Vielfalt und Auswahl“, erklärt Susanne Märksch, Yeans Halle
Sindelfingen, deren Filialunternehmen seit über 35 Jahren besteht. „Wir sind
Markensammler. Die große Jeansauswahl macht das Business spannend“, sagt
sie weiter. Kontinuierlicher Service, Beratung und die Nähe zum Kunden,
das alles sind Tugenden, die auch den jungen Leuten wieder näher gebracht
werden müssen. Der hohe Personaleinsatz verursacht natürlich entsprechend
hohe Kosten. Bei Jeans Kaltenbach in München werden selbst die Aushilfen,
die am Samstag kommen, geschult. Das Erfolgsgeheimnis: das tief sortierte
Jeanssortiment in riesiger Auswahl. Norbert Kaltenbach: „Gerade dann, wenn
Denim aus der Mode kommt und andere den Anteil in den Kollektionen
reduzieren, steigt bei uns Spezialisten der Umsatz.“ Aber Kaltenbach nimmt
nur Jeansmarken auf, die mindestens zwei Längen und einen repräsentativen
Größenspiegel anbieten. Für das Stammhaus ist Kaltenbach immer auf der
Suche nach neuen Marken, die diesen Größenservice (am besten im NOS)
bieten. „Viele gibt es aber nicht“, schränkt er ein.
Nur mit so einer ausgefeilten Spezialisierung können sich die Individualisten
von den großen anonymen Mitbewerbern abheben. Klaus Dickhöfer, Jeans
Project Hamburg: „Wir haben sehr gutes Personal und bekommen von
unseren Kunden viel Lob dafür.“ Martin Kügel, Jeans Disco Bremen: „Wir
machen unsere Arbeit mit Begeisterung und werden weiter empfohlen.“ Auf
diese Strategie setzt der Jeanser seit 1975 und ist in Bremen eines der wenigen
verbliebenen Fachgeschäfte. Hinzu kommt die große Markenvielfalt, nicht
nur modisch, sondern tief sortiert für jede Figur in allen Weiten und Längen.
Das können die Vertikalen nicht bieten, zumal hier die Jeans oft nur in einer
Länge angeboten werden. Paradise in List auf Sylt mit 750 qm Verkaufsfläche
existiert seit 1985. Angefangen als Surfshop, führt der Store heute modische
Oberteile und Jeansmarken wie LTB, One Green Elephant, Khujo, Maison
Scotch oder Timezone. Das Sortiment ist ein individueller Markenmix,
„bloß keine Shop-in-Shops.“ „Wir sprühen vor Energie und lassen uns
immer wieder neue Dinge einfallen“, so die Inhaberin Kim Benck. Die
Trendfabrik Brühl startete 1975 mit einem Jeansladen in Mannheim. Heute
führt der Multibrand-Filialist in seinen sieben Filialen über 300 Modelabels.
Das Erfolgsgeheimnis hier: „Wir wollen unseren Kunden ein besonderes
Einkaufserlebnis im sympathischem Ambiente bieten. Der wichtigste Faktor
hierfür sind die engagierten Mitarbeiter. Sie haben nicht nur einen Blick
dafür, welcher Stil zu wem passt, sondern pflegen ein herzliches Verhältnis zu
unseren Kunden“, erklärt Kadir Bilir. Taylers Erfolgsgeschichte begann vor 17
Jahren mit dem ersten Jeansgeschäft in der Karl-Liebknecht-Straße im Süden
von Leipzig. Die 13 Filialen befinden sich in Leipzig, Dresden, Chemnitz,
Gera, Erfurt, Dessau und Magdeburg. Im neuen Leipziger Flagship Store
in der „Blechbüchse“ – so heißt die Shoppingmall am Brühl im Volksmund
– gibt es erstmals eine Premiumabteilung mit Marken wie Boss Orange, Liu
Jo, Blauer, Drykorn, Diesel oder Napapijri. In der Denim Area dominiert
Vintage-Holzoptik mit mattgoldenen Leuchten. „In unserem Flagship Store
können wir bei den Marken mehr in die Tiefe gehen und sie individueller in
Szene setzen“, sagt Geschäftsführer Sylvio Oehme.
SEITE 17 / 10. januar 2013 / SPORTSWEAR INTERNATIONAL NEWS