A Tribute to Mass Effect (keine Spoilergefahr!)
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A Tribute to Mass Effect (keine Spoilergefahr!)
A Tribute to Mass Effect (keine Spoilergefahr!) Es gibt Videospiele und es gibt Mass Effect. Zu diesem Schluss bin ich gekommen, nachdem ich am 15. Juli 2012 gegen 22.30 Uhr das Ende von Mass Effect genießen durfte und mir dabei die ein oder andere Träne nicht verdrücken konnte. Ganz klar, Mass Effect ist das beste Spiel, das ich bisher je spielen durfte. Alles andere ist dagegen nur ein langweiliger Ponyhof. Und nachdem die Trilogie ihr Ende fand, kam in mir eine Leere auf. Zum einen natürlich, weil man am Ende einer Geschichte ist und das Ganze erst einmal sacken lassen muss. Zum anderen aber auch, weil ich mich frage „Was soll denn jetzt noch kommen?“ Alles vor Mass Effect diente nur dazu, um diesen Meisterwerk die Straße zu ebnen und alles nach Mass Effect wird sich mit diesem Meilenstein messen müssen und kläglich versagen. Denn es ist mehr als zweifelhaft, dass mich noch einmal ein Spiel erreicht, das mich in einer so langen aber auch so perfekt erzählten Geschichte, mit unzähligen kleinen Variablen und extrem guten Charakteren, in einer solch riesigen Spielewelt voller Möglichkeiten so zum lachen, nachdenken und auch zum weinen bringt. Und damit ist noch nichts über das geniale Kampfsystem, die Rollenspielelemente oder die Entscheidungsmöglichkeiten gesagt, die dieses Spiel abrunden. Ich habe in Shining Force mein Leben gelassen, um meine Welt vor einer todbringenden Prophezeiung zu retten, habe Conrad Hart in Flashback geholfen sein Gedächtnis wieder zu erlangen, habe Schlachten mit Nod und der GDI geführt, war einmal für und einmal gegen Kane, habe mich zu Tode erschreckt als ich in Resident Evil das Herrenhaus erforscht habe und geweint als Sephiroth das Blumenmädchen Aeris getötet hat, ohne dass ich eingreifen konnte. Ich bin in Maniac Mansion durch die Zeit gereist, bin mit Guybrush Threepwood auf Monkey Island gelandet, habe die Weltgeschichte in Age of Empires geprägt und den Emperator von Dune vertrieben. Zusammen mit Jim Raynor habe ich Terraner und Protoss gegen die Zerg in den Kampf geführt und in der Schlacht von Mittelerde Sauron besiegt und mir als Christopher „Maverick“ Blair unzählige Luftgefechte gegen die Kilrathi geliefert. Getarnt als Kiste bin ich in Metal Gear Solid meinen Feinden aus dem Weg gegangen, habe Dead Space mit zittrigen Händen nahe am Herzinfarkt gespielt und forderte mit Kratos die Götter heraus. Horden von Zombies habe ich in Left 4 Dead wieder zurück in die Hölle geschickt, in Warhammer meine Marines gegen die Orks geschleudert und in Spellforce Runenkrieger der unterschiedlichsten Rassen kommandiert. All diese Spiele waren großartig und legendär doch schafften sie nicht das, was Mass Effect geschafft hat. Ein Universum zu erstellen, das ich mit jeder Faser aufsaugen wollte (und das das auch zu ließ) und in dem ich mich zu Hause gefühlt habe. Kein Spiel konnte mich derart motivieren alles zu erforschen, um nichts zu verpassen und kein Crew-Mitglied zu vernachlässigen. Nicht umsonst umfasst meine Nettospielzeit insgesamt 160 Stunden. Kein anderes Spiel verbindet Humor, Action, Trauer, Erotik, Freundschaft, Liebe und Emotionen so gekonnt in einer der epischsten Geschichten – wenn nicht sogar der epischsten Geschichte – überhaupt. Aber was macht Mass Effect nun so speziell, so einzigartig? Mass Effect verlangt dem Spieler einiges ab. Weniger das spielerische Können oder knackige Rätsel, sondern eher ein Appell an die Eigenmotivation gepaart mit der inneren Zerissenheit bei Entscheidungen. Nach einer ersten Kampfszene in Teil 1 geht es auf die Raumstation, die Citadel. Dort verbringt man 3-8 Stunden – ohne einen ernsthaften Kampf zu absolvieren. Sondern hier geht es um Kontakte knüpfen, Botengänge zu absolvieren, Informationen sammeln und vor allem Entscheidungen treffen. Das Spiel stellt einem gleich zu Beginn die Frage „Bist du bereit dich darauf einzulassen? Willst du dieses Universum wirklich erkunden?“ Und diese Frage wird einem oft gestellt. Will ich wirklich wissen, in welchem Verhältnis die Volus zu den Turianern stehen? Will ich wirklich noch die 27. Basis auf irgendeinem Planet absuchen? Soll ich echt noch das 12. Gespräch mit einem meiner Crewmitglieder machen? Mit Sicherheit kommt man irgendwann an einen Punkt, an dem man sich am liebsten sagen würde: „Mir doch scheißegal, ob der vermisste Schwippschwager eines Allianzmitgliedes auf einem verschissen Planten im Pferdekopfnebel noch gerettet werden will oder nicht!“ aber nach einer kurzen Denkpause ruft man sich in Erinnerung, dass man zum einen eine Mission zu erfüllen hat und da vielleicht jede Hilfe willkommen ist und zum anderen haben unsere Taten (und vor allem die Nicht-Taten), einen entscheidenden Einfluss darauf, wie die Geschichte weitergeht. Wer darf leben, wer muss sterben? Oder vernichte ich mit meiner Entscheidung vielleicht eine komplette Rasse? Und wenn der Spieler diesen steilen Anfangsberg geschafft hat, sich alle Infos aus dem Kodex durchgelesen hat und die Grundstruktur des Universums verinnerlicht hat und sich davon einsaugen lässt, dann hat einen das Spiel und der Spieler wird von diesem Megablockbuster der Extraklasse auf eine wundersame Reise genommen und dafür belohnt. Dass ich – nachdem ich 2008 den ersten Teil durchgespielt habe und davon so begeistert war gewartet habe, bis auch der dritte Teil der Saga veröffentlich wurde, um dann das Abenteuer von vorne und in einem Stück zu spielen, hat sicherlich noch einmal eine tiefere Verbindung zu dem Spiel und den Charakteren ermöglicht. Und die Tatsache, dass ich mich nach Teil 1 gegen jede Information rund um das Mass Effect Universum verschlossen habe, um mir die Überraschungsmomente zu bewahren, hat den letzten Tick zur Perfektion gegeben. Hält man sich in Mass Effect nur an die Hauptstory kann man die Trilogie vielleicht in 40-50 Stunden durchspielen und hat ein tolles Game gespielt. Allerdings hat man dann aber auch die Chance verpasst etwas wirklich Großes zu erleben. Ein zentraler Baustein der Faszination sind auch die Entscheidungen, die der Spieler in den Dialogen zur Auswahl hat. Gut, Neutral oder Böse. Oder mal so und mal so. Muss ich mit einer Rasse schroffer umgehen, als mit einer anderen? Kann ich meinen Emotionen mal freien Lauf lassen und den Herrschern der freien Völker so richtig die Meinung geigen, um mir mal Gehör zu verschaffen oder kusche ich lieber und hoffe auf ihre Gunst? Und natürlich auch die brennende Frage: „Welches meiner Crew-Mitgliedern soll ich denn nun abschleppen?“ will beantwortet werden. Mass Effect bedient sich dabei aus den verschiedensten Elementen erfolgreicher Geschichtserzählungen. Man nehme das Konstrukt von Babylon 5, füge eine Prise Bullet-Time aus Max Payne hinzu, streue Konflikte mit ein, die in Battlestar Galactica vorkommen, würze mit ausgefeilten Charakteren der Serie LOST, füge revolutionäre Szenen wie einst in Wing Commander hinzu und verfeinere das Ganze mit ausgefeilten Dialogen ala Matrix und mit Machtkräften von Star Wars. Und als Hauptdarsteller wählen wir einen Bruce Willis in Hochform (also den guten Bruce den man aus Last Boy Scout oder Stirb Langsam kennt) – sowohl in Sachen „coole Sprüche“ als auch Action – und stellen ihm eine Truppe wie die Gefährten in Herr der Ringe zur Verfügung. Fertig ist das Meisterstück. Wie gesagt bietet Mass Effect eine Vielzahl von Variablen, so dass man die Möglichkeit hat das Spiel einfach noch einmal durchzuspielen und es auf eine ganz andere Art und Weise anzugehen und neu zu erleben. Aber will ich das? Ich habe John Shepard mit meinen Entscheidungen zu dem gemacht, was er ist. Damit habe ich meinen Frieden und alles hat gepasst. Warum sollte ich da noch etwas ändern wollen?....Wobei diese eine Entscheidung am Ende von Teil 1 hätte ich rückblickend betrachtet wohl anders entschieden….vielleicht sollte ich mein altes Savegame doch noch einmal herauskramen?