Einsatzhärten von Stahl - Lehrstuhl Metallische Werkstoffe
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Einsatzhärten von Stahl - Lehrstuhl Metallische Werkstoffe
Einsatzhärten von Stahl Inhalt 1 Diffusion ............................................................................................................................ 1 2 Grundlagen zu Stahl und dessen Härtevorgang ............................................................... 2 3 Einsatzhärten .................................................................................................................... 6 4 Tätigkeiten im Praktikum ................................................................................................... 7 5 Hinweise zur Vorbereitung ................................................................................................ 8 6 Literaturverzeichnis ........................................................................................................... 8 1 Diffusion Diffusion beschreibt die Ausbreitung von Teilchen (Atome, Moleküle) durch eine zufällige Bewegung, gewöhnlich von Bereichen mit erhöhter Konzentration zu einer geringeren. Der Teilchenstrom J [mol/(m²s)] zu einem Konzentrationsgradienten kann dabei mit dem ersten Fick’schen Gesetz über die Proportionalitätskonstante, den Diffusionskoeffizienten D [m²/s] beschrieben werden (Gleichung 1). Das 2. Fick‘sche Gesetz besagt, dass die Konzentrationsänderung in einem Gebiet gleich der Divergenz des über die Oberfläche abfließenden Teilchenstromes ist (Gleichung 2). Der Diffusionskoeffizient kann dabei über Gleichung 3 abgeschätzt werden. Gleichung 1 Gleichung 2 Gleichung 3 In kristallinen Festkörpern findet die Diffusion dabei entweder über interstitielle (über Zwischengitterplätze) oder substitutionelle (über Gitterplätze) Mechanismen statt [1]. 2 Grundlagen zu Stahl und dessen Härtevorgang Als Stahl werden im Allgemeinen Eisen-Kohlenstoff-Legierungen bezeichnet mit einem Kohlenstoffgehalt <2,06%. Bei Abkühlung im metastabilen Zustand ergibt sich das Phasendiagramm in Abbildung 1. Die „Stahlgrenze“ wird dabei durch die maximale Kohlenstofflöslichkeit definiert. Abbildung 1: Eisen-Kohlenstoff-Diagramm [2] Die wichtigsten Phasen im Zusammenhang mit Stahl werden im Folgenden kurz aufgeführt. Bei Austenit handelt es sich um einen γ-Mischkristall mit einem kfz-Gitter, Ferrit wird als αMischkristall mit krz-Gitter bezeichnet. Die unterschiedlichen Kristallstrukturen beinhalten im Gitter unterschiedliche Lückenarten und –größen (siehe Tabelle 1). Diese Differenzen verursachen unterschiedliche maximale Löslichkeiten und Diffusionsgeschwindigkeiten. Durch die großen Oktaederlücken im Austenit ist die maximale Köhlenstofflöslichkeit in diesem Gitter mit 2,06% (1147°C) deutlich höher als beim Ferrit (0,02% bei 723°C). Die unterschiedlichen Diffusionskoeffizienten verschiedener Elemente in Ferrit und Austenit sind in Abbildung 2 dargestellt. [3] Tabelle 1: Eigenschaften von Austenit und Ferrit [3] Abbildung 2: Diffusionskoeffizienten verschiedener Elemente in Eisen Beim Härten von Stahl werden im Allgemeinen die unterschiedlichen Löslichkeiten von Kohlenstoff ausgenutzt. Als Austenit kann der Stahl einen großen Anteil an Kohlenstoff aufnehmen (bis 2,06%). Bei „normaler“ Abkühlung (z.B. Ofenabkühlung) bildet der Stahl ein Gefüge aus Ferrit und Zementit (intermetallische Phase Fe3C). Eutektoider Stahl bildet dabei ein rein perlitisches, untereutektoider Stahl ein ferritisch-perlitisches und übereutektoider Stahl ein perlitisches Gefüge mit Korngrenzenzementit. Bei sehr „rascher“ Abkühlung (z.B. Abschrecken mit Wasser) können die dazugehörigen Diffusionsprozesse nicht erfolgen. Die Folge ist eine zunehmende Unterkühlung, welche die treibende Kraft für einen „Umklappvorgang“ vom austenitschen kfz-Gitter zu einem tetragonal verzerrten, raumzentrierten Gitter bildet. Bei diesem Vorgang bleiben die nächsten Nachbarn eines Atoms vorhanden, deren Positionen und Abstände zueinander ändern sich jedoch. Der diffusionslose Umklappvorgang kann als Scherung entlang der Habitusebene H verstanden werden und ist in Abbildung 3 verdeutlicht. Die damit einhergehende Volumenzunahme ist bedingt durch die Abkehr von der dichtesten Kugelpackung. Das Modell zur Martensitischen Umwandlung nach Bain (Abbildung 4) zeigt die Orientierungsbeziehungen zwischen dem Austenit- und Martensitgitter. In Abbildung 5 sind noch einmal eine Übersicht über die Gitterstrukturen und deren Eigenschaften gegeben. Abbildung 3: Zweidimensionales Modell zur Veranschaulichung der Martensitbildung [3] Abbildung 4: Orientierungsbeziehungen von Martensit und Austenit nach dem Modell von Bain a) tetragonal raumzentrierte Zelle im kfz-Gitter b, Orientierungsbeziehung der Fitter und Deformation der Zelle um η [4] Abbildung 5: Übersicht über die Gitterstrukturen und deren Eigenschaften [4] Bainit oder Zwischenstufengefüge ist ein Gefüge das bei Abkühlgeschwindigkeiten zwischen „normaler“ und „rascher“ Abkühlung entsteht. Dabei kommt es zu Umklapp- und Diffusionsprozessen. Bainit besteht wie Perlit aus Ferrit und Zementit. Beim Abkühlen kommt es dabei zu einem Umklappen des Austenits in Ferrit und zur Bildung feinst verteilter Karbidausscheidung. Oberer Bainit (bei hohen Temperaturen gebildet) ähnelt dabei feinstlamellaren Perlit, unter Bainit (bei niedrigen Temperaturen gebildet) ähnelt angelassenem Martensit. In der Praxis lassen sich die bei definierter Abkühlung entstehenden Phasen in einem ZTU-Diagramm ablesen (Zeit-Temperatur- Umwandlungsschaubild). Ein kontinuierliches ZTU-Diagramm ist für einen C45-Stahl beispielhaft in Abbildung 6 dargestellt. Abbildung 6 kontinuierliches ZTU-Diagramm für C45 3 Einsatzhärten Ziel des Einsatzhärtens ist die Herstellung eines Bauteils mit harter Randschicht bei gleichzeitig duktilem Kern. Dadurch kann der Verschleißwiderstand erhöht werden. Die beim Härten im Rand entstehenden Druckeigenspannungen führen zu einer Erhöhung der Dauerschwingfestigkeit [5]. Das Einsatzhärten ist ein thermochemisches Verfahren und besteht aus drei Schritten: - Aufkohlen (Einsetzen, Zementieren) - Härten - Entspannendes Anlassen Geeignete Stähle sind dabei unlegierte oder niedriglegierte Einsatzstähle mit geringen Kohlenstoffgehalten <0,2% Kohlenstoff. Beim Aufkohlen über ein Pulverbett, Salzbad oder mit Gas kommt es zu einer Anreicherung mit Kohlenstoff in der Randzone eines Werkstoffs. Das Aufkohlen findet dabei bei Temperaturen von 880 bis 950°C, also im Austenitgebiet, statt. Die hohe Kohlenstofflöslichkeit der γ-Phase ist dabei die Voraussetzung für die Anreicherung. Über Diffusionsvorgang wird der Kohlenstoff von der Umgebung des Bauteils in das Probeninnere transportiert. Diese Vorgänge sind zeit- und temperaturabhängig. Die Obergrenze bei der Temperatur ist dabei durch die Grobkornbildung beschränkt. Die mittlere Eindringtiefe ̅ kann dabei mit folgender Formel berechnet werden: ̅ √ Gleichung 4 Der nachfolgende Härtevorgang kann in verschiedenen Medien wie Wasser, Öl etc. erfolgen. Durch den erhöhten Kohlenstoffgehalt im Randbereich kommt es hier durch den Abschreckvorgang zu einer Martensitbildung. Der geringe Kohlenstoffgehalt in Werkstückinneren verhindert eine Martensitbildung, d.h. das Bauteil behält seine Duktilität. Wichtige Kennwerte im Zusammenhang mit Einsatzhärten sind die Aufkohlungstiefe, die Einsatzhärtungstiefe CHD sowie der Randkohlenstoffgehalt cc,Rand. Die Aufkohlungstiefe sowie der Randkohlenstoffgehalt sind in Abbildung 7 eingezeichnet. Typische Werte liegen hier bei 0,1-4 mm bzw. 0,5-0,85%. Die Einsatzhärtungstiefe CHD (case hardening depth) ist der senkrechte Abstand von der Bauteiloberfläche bis zu einer, nach DIN EN ISO 2639 (willkürlich) festgelegten, Härte von 550 HV1. Abbildung 7: Kohlenstoffprofil nach der Aufkohlung [6] Andere Möglichkeiten zum Randschichthärten sind zum Beispiel Elektronen-, Laserstrahlhärten oder Induktivhärten [3] [4] [5]. 4 Tätigkeiten im Praktikum - Einsatzhärten von St37/ S 235 bei verschiedenen Zeiten (und Temperaturen?) o Aufkohlen o Härten - Probenpräparation zur Härtemessung - Härtemessung - LM-Untersuchung unterschiedlich wärmebehandelter Stähle 5 Hinweise zur Vorbereitung - Fe-C-Diagramm - Diffusion - ZTU-Diagramm - Martensitische Umwandlung - Einsatzhärten 6 Literaturverzeichnis [1] A. Virkar, Lecture notes and other materials for MSE 5034 & 6034. [2] "http://maschinenbau-student.de/eisenkohlenstoffdiagramm.php," [Online]. [3] U. Glatzel, "Metalle bzw. Metalle 2 Vorlesung". [4] D. Müller, Vorlesung Die Wärmebehandlung metallischer Werkstoffe, 2013. [5] W. Seidel and F. Hahn, Werkstofftechnik, Hanser, 2010. [6] "http://ceb.ebi.kit.edu/288_459.php," [Online]. [Accessed 16 Juli 2014]. [7] Grosch, Einsatzhärten, Renningen: Expert-Verlag, 2007. [8] U. Wolfstieg, "Ursachen und Bewertungen von Eigenspannungen," Chemie Ingenieur Technik, pp. 760-770, 1973.