Fallbeispiel Happy Slapping
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Fallbeispiel Happy Slapping
Fallbeispiel im Schulumfeld für Happy Slapping Die Jugendlichen Tim, Sebastian und Frank schlagen auf dem Schulhof ihren Mitschüler Kai gewalttätig zusammen. Tim hat ein Mobiltelefon mit Kamerafunktion und filmt die Tat. Auf dem Video sind eindeutig Frank und Sebastian zu erkennen, wie diese auf Kai einschlagen. Tim postet das Video in einem sozialen Netzwerk auf seinem Nutzerprofil mit dem Titel „Unser heutiges Opfer“. Frau Schulze, Geschichtslehrerin an der Schule, sieht den Vorfall bzw. kennt auch den Online-Eintrag mit dem Video. Was kann sie unternehmen? Falllösung: Frau Schulze sollte unbedingt die Schulleitung über den Vorfall informieren und über den Schulleiter auch den Kontakt zu den Eltern von Kai sowie zu den Eltern der Täter suchen. Darüber hinaus sollte Frau Schulze als Zeugin von dem gewalttätigen Übergriff die Polizei informieren und aussagen. Nur so können die Täter verfolgt und die Taten geahndet werden. Sebastian und Frank haben sich zunächst wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) strafbar gemacht. Darüber hinaus kann jedenfalls Tim wegen Verbreitung oder öffentlicher Zurschaustellung der Aufnahme bestraft werden (§§ 22, 33 KunstUrhG). Die Schulleitung könnte zudem prüfen, ob Ordnungsmaßnahmen nach dem Schulgesetz gegen die drei Schüler verhängt werden sollen. Dies gilt gerade auch für den Schüler Tim. So hat etwa das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 11.05.2011, gerichtliches Aktenzeichen 18 L 669/11, entschieden, dass ein Ausschluss vom Unterricht für zwei Wochen entsprechend § 39 Abs. 2 Nr. 4 SchulG (Sachsen) in einem vergleichbaren Fall rechtmäßig war (Zusammenfassung der Entscheidung in der Zeitschrift „Schulrecht“ 2012, S. 128). Hier hatte der Schüler die (einvernehmliche) Schlägerei zweier Mitschüler gefilmt und das Video ins Internet gestellt. Das Verwaltungsgericht sah darin eine Verletzung der schulischen Bildungsziele, welche auf ein friedliches, sozial verantwortliches und gewaltvermeidendes Zusammenleben abzielen. Da der Film zudem durch die Veröffentlichung vielen weiteren Personen der Schule bekannt wurde, bejahte das Verwaltungsgericht auch den notwendigen Schulbezug, weil auf diese Weise „den Schulfrieden tangierende Diskussionen innerhalb der Schülerschaft“ über das Fehlverhalten der sich prügelnden Mitschüler ausgelöst wurden und in der Folge einer der Schläger sich von anderen Mitschülern bedroht fühlte, die für einen seiner Kontrahenten Partei ergriffen. Als Präventionsmaßnahme sollten alle Schüler der Schule über die rechtlichen und moralischen Aspekte des Happy Slappings aufgeklärt werden. Hierzu wäre es empfehlenswert, für die Schule Regeln im Umgang mit dem Handy zu vereinbaren bzw. welche Sanktionen bei Nichteinhaltung der Regeln folgen müssen, die in einem erneuten Fall dann auch konsequent umgesetzt werden müssten. Dabei spielen auch jugendgefährdende Inhalte wie Pornographie, Gewaltverherrlichung und Extremismus, sowohl pädagogisch als auch strafrechtlich, eine wesentliche Rolle. In Betracht kommt auch, einen Elternabend über die Gefahren und Risiken im Umgang mit neuen Medien durchzuführen. Download diese Dokuments: http://www.schule.sachsen.de/16218.htm 1 Rechtslage im Detail und weiterführende Hinweise: Zur Rechtslage Auf Grund der schwierigen Zuordnung von Handygewalt zu jeweils konkret normierten Straftatbeständen müssen alle bekannt werdenden Fälle als Einzelbeispiele darauf untersucht werden, welche Straftatbestände jeweils konkret in Betracht kommen könnten. Diese Beurteilung kann nicht pauschal erfolgen, sondern muss durch die Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) vorgenommen werden. Wenn ein solcher Fall der Schule / Schulleitung bekannt wird, sollte unter Einbezug der Sächsischen Bildungsagentur eine Strafanzeige und ggf. ein Strafantrag bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erstattet werden. Beide, Schule sowie Schulaufsichtsbehörde, sollten sich über das geplante Vorgehen abstimmen. Voraussetzung für eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch ist das Vorliegen einer Rechtsverletzung. Handygewalt ist im deutschen Strafgesetzbuch nicht als Straftatbestand festgeschrieben. Vielmehr zeigt sich hier ein Verhalten des einzelnen Täters oder einer Gruppe von Tätern, welches durch eine Aneinanderreihung von Straftatbeständen wie beispielsweise Beleidigung, Verleumdung, Androhung von Gewalt, Körperverletzung sowie der Verletzung verschiedener Persönlichkeitsrechte strafbar ist und somit polizeilich verfolgt werden kann. . Um jemanden strafrechtlich für dieses Handeln verantwortlich zu machen, muss dessen Schuldfähigkeit nach dem Gesetz geprüft werden. Jede Person ab 14 Jahren ist schuldfähig (§ 19 StGB). Kinder unter 14 Jahren sind strafunmündig und können nicht strafrechtlich verfolgt bzw. zur Verantwortung gezogen werden. Kommt es aber zur polizeilichen Anzeige gegenüber Kindern unter 14 Jahren, prüft die Polizei i.d.R. (nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft) die Einbeziehung des zuständigen Jugendamtes in den Vorgang. Das Jugendamt prüft daraufhin, ob Jugendhilfemaßnahmen nach dem Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) für das betroffene Kind und dessen weitere soziale Entwicklung sinnvoll sein könnten. Dabei sind verschiedene Sanktionen gegenüber dem kindlichen Täter, wie z.B. sozialer Trainingskurs oder Gruppenarbeit bis hin zu kurzzeitiger Unterbringung in Erziehungseinrichtungen (§ 34 SGB VIII) bei besonders schweren Fällen, denkbar. Jugendliche im Alter von 14 bis einschließlich 17 Jahren hingegen sind für ihr Handeln ebenso wie für ihre eventuellen Rechtsverletzungen strafrechtlich verantwortlich. Hier greift das Jugendstrafrecht mit seinem in erster Linie präventiven Erziehungsgedanken (§ 2 JGG). Aber auch hier wird das zuständige Jugendamt über den Vorgang informiert und in die Fallanalyse einbezogen. Der Richter kann von Erziehungsmaßnahmen wie Trainingskurs und Arbeitsstunden bis hin zur Jugendstrafe und Bewährungsaktionen /-zeiten je nach der Schwere der Tat entscheiden. Die Bestrafung eines Heranwachsenden von 18 bis 21 Jahren fällt nur dann unter das Jugendstrafrecht, wenn die geistige sowie sittliche Entwicklung des Täters noch einem Jugendlichen (im Altersbereich von 14-17 Jahren) entspricht. Andernfalls unterliegen die Heranwachsenden mit ihren Rechtsverletzungen den Vorschriften des allgemeinen (Erwachsenen-)Strafrechts und werden dementsprechend auch mit Sanktionen in Form von Bewährungsstrafe, Freiheitsentzug oder Geldstrafe bestraft. Download diese Dokuments: http://www.schule.sachsen.de/16218.htm 2 Weiterführende Hinweise (auch auf Materialien für den Unterricht) Die Polizei bietet mit ihrem Medienpaket „Abseits“ die Möglichkeit, bestimmte Problem- bzw. Konfliktsituationen in kurzen Filmepisoden im Umfeld Schule darzustellen und mit Hilfe von passenden Arbeitsmaterialien anschließend gemeinsam mit den Jugendlichen eine Filmdiskussion durchzuführen. Eine Episode handelt von Handygewalt und zeigt exemplarisch die Folgen und Konsequenzen für den Täter. Der Schwerpunkt des Films liegt beim Thema Opferschutz. Neben diesen genannten Medien gibt es auch noch die Broschüre „Im Netz der neuen Medien“ für die Zielgruppe Lehrer und pädagogische Fachkräfte, welche Basisinformationen mit Präventionstipps zum Umgang mit jugendgefährdenden Inhalten zum Gegenstand hat. Die sächsische Polizei bietet darüber hinaus eine Präventionsveranstaltung für Lehrer und Eltern zur Förderung eines kompetenten und verantwortungsvollen Umgangs mit neuen Medien an. Umfassende Informationsportale bzgl. Nutzungsverhalten und Gefahren im Umgang mit neuen Medien für Kinder, Jugendliche, Eltern oder aber auch pädagogische Fachkräfte (im Unterricht) bietet zum einen die Europainitiative Klicksafe. Eine weitere sinnvolle Plattform stellt die „polizeiliche Beratung“ im Internet dar, die neben allgemeinen Hinweisen auch die Möglichkeit bietet, polizeiliche Präventionsmaterialien zu verschiedenen Themenschwerpunkten zu bestellen. Der Text für dieses Dokument wurde in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für polizeiliche Prävention beim Landeskriminalamt Sachsen erstellt. Die Veröffentlichung durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus erfolgt mit deren freundlicher Genehmigung. Stand: August 2013 Download diese Dokuments: http://www.schule.sachsen.de/16218.htm 3