Pred Markus 16.2

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Pred Markus 16.2
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Pred Markus 16, 1-8, WH, 12.4.09, Ostern 2009
„Ihr seid alle verstockte Sünder,“ schimpft der Pfarrer bei den
Abkündigungen. „Ihr hört nicht auf meine Worte, denn ihr gebt bei
der Kollekte so gut wie nichts. Ihr liebt einander nicht, denn in
dieser Gemeinde heiratet niemand. Und Gott selbst will von euch
auch nichts wissen, denn hier stirbt ja auch keiner.“
Schön, wenn der Tod so begriffen wird: Als ein Nachhauseholen
Gottes! Das sehen nur wenige Menschen so. Den Tod nehmen wir
eher als etwas Bedrohliches wahr. So muss es auch den Jüngern
und Jüngerinnen Jesu gegangen sein. Für sie war es nur einfach
grausam, was geschehen war: Folter und Hinrichtung ihres Herrn
Jesus Christus.
Manche Wissenschaftler wollen uns ja glauben machen, dass die
Jünger ihren Schmerz damit zu verdecken suchten, dass sie
einfach den Tod Jesu verdrängt haben und deshalb schon bald
nach der Kreuzigung von der Auferstehung geredet haben. Nur,
weil sie nicht wahrhaben wollten, was geschehen war.
Mein Kollege Martin Quaas wünschte mir vor einigen Tagen per
Mail „entsetzliche“ Ostern. Er hatte den Predigttext für heute
schon gelesen. Darin wird vom Entsetzen der Frauen gesprochen.
Sie gehen traurig zum Grab. Jesus, dem sie nachgefolgt sind, ist
tot, gekreuzigt worden. Jetzt wollen sie ihm die letzte Ehre
erweisen, indem sie seinen Leichnam einbalsamieren. Damit die
Verwesung ein wenig hinaus gezögert wird. Sie haben keine
Perspektive mehr.
Sie versuchen, mit dem Tod umzugehen, ihn zu verarbeiten. Und
gerade dabei wird es jetzt erst richtig entsetzlich für sie. Ihnen wird
das letzte genommen, was sie noch zu haben glaubten: Der
Leichnam Jesu, den sie mit Salbe und Öl einreiben wollten.
Wenn heute Autoren behaupten, die Jünger und Jüngerinnen Jesu
hätten die Auferstehung nur erfunden, um über den Schmerz
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hinweg zu kommen, entspricht dieses Denken eher heutiger
Kultur, in der der Tod verdrängt wird.
So entstehen in unserer Zeit manche Legenden über einen noch
lebenden Elvis Presley oder Jim Morrison. Tausende Menschen
pilgern zu seinem Grab in Paris. Andere gehen angeblich zu
Ostern zum Grab von Ernst Kuzorra in Gelsenkirchen, dem
berühmten Schalker Spieler aus der Zeit als sie noch Meister
wurden, und singen da die Vereinshymne: „Steh auf, wenn du ein
Schalker bist“. Da soll mal einer sagen, Christen seien verrrückt.
Damals wollten die drei Frauen, Maria von Magdala, Maria, die
Mutter von Jakobus und Salome trauern und nichts verdrängen.
Und gerade diese Trauer wurde ihnen zu einer entsetzlichen
Erfahrung, denn der Leichnam war weg. Die Auferstehung war für
sie und alle Jünger ein Schock und überhaupt kein billiger Trost.
Es hat lange gedauert, bis sie verstanden haben, was passiert ist.
In den Evangelien wird beschrieben, wie einzelne länger
brauchten als andere. Erstaunlicherweise sehen vor allem die
Männer nicht besonders gut dabei aus. Sie brauchen etwas
länger. Soll bei Männern schon mal so sein...
Deshalb braucht sich heute niemand zu schämen, der die
Auferstehung noch nicht ganz glauben kann. Das war auch
damals so.
Und nehmt die Auferstehung nicht als billigen Trost, so als wenn
es den Tod nicht mehr gäbe, nach dem Motto: Alles halb so
schlimm, es kommt ja die Ewigkeit...
Auch mit der Auferstehung bleibt der Tod grausam. Die Welt ist
nicht besser geworden und Menschen sterben. Der Tod bedeutet
einen Schnitt, mitten im Leben, ob jemand durch plötzlichen
Herztod stirbt, einen Verkehrsunfall, gepanschten Alkohol oder
einen Amoklauf oder nach langer Krankheit
Den Tod gibt es auch nach Ostern noch. Aber beim Kampf um
Leben und Tod gibt es einen Sieger: Jesus Christus. Er ist durch
den Tod hindurch gegangen (hinab gestiegen ins Reich des
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Todes, wie wir im Glaubensbekenntnis sagen) und auferweckt
worden von Gott, dem Schöpfer.
Deshalb können wir lachen und der Teufel hat nichts mehr zu
lachen. Die Auferstehung verändert deshalb auch das Leben vor
dem Tod.
Die Frauen haben sich auf dem Weg zum Grab Gedanken
gemacht, wie sie den Stein da weg bekommen. „Wer wälzt uns
den Stein von des Grabes Tür?“ fragen sie. Sie wussten ja, dass
es sich um eine riesige Steinplatte handelte, die sie allein nicht
bewegen konnten. Eigentlich ist es unlogisch, dass sie trotzdem
weiter zum Grab gingen. Waren sie in diesem Moment so verpeilt,
dachten sie einfach den Gedanken nicht zuende oder hatte sie die
Trauer verwirrt?
Sie gingen, weil sie spürten, dass sie gehen mussten. Und als sie
zum Grab kamen, war es offen.
Mir kommt es so vor als wenn sie auf dieses Grab zugingen wie
wir täglich auf sich selbst öffnende Türen eines Kaufhauses zu
gehen. Wir wissen, dass sich die Tür spätestens öffnet, wenn wir
kurz davor sind. Dumm nur, wenn wir uns zu sicher sind und uns
in der Öffnungszeit geirrt haben...Aber normalerweise sind wir in
Bezug auf die moderne Technik ja ganz vertrauensvoll.
Wie aber hätten wir es anstelle der Frauen gemacht?
Wahrscheinlich hätten wir, bevor wir los gegangen wären, erst
einmal diskutiert, wie schwer so ein Stein ist und dann theoretisch
erörtert, wie viel Leute man brauchen würde, um den Stein
wegzurollen. Und ich hätte ehrlich gesagt, wenn ich eine der
Frauen gewesen wäre, auch noch darüber geschimpft, wie feige
doch die Männer sind. Denn die elf Jünger hätten den Stein
gemeinsam schon wegbekommen, wenn sie gewollt hätten. Aber
die Männer blieben lieber zuhause sitzen.
Deshalb faszinieren mich diese Frauen: Weil sie los gegangen
sind, mit Öl und Salbe, eigentlich ohne eine realistische Chance
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zu haben ins Grab zu kommen und den Leichnam zu berühren.
Sie sind losgegangen - und das Grab war offen.
In Trauer und Hoffnungslosigkeit schließen sie sich nicht ein,
sondern gehen los. Sie verdrängen nichts, ertragen ihr eigenes
Entsetzen und ihre Angst. Und dann sind sie die ersten Zeuginnen
für den Sieg des Lebens über den Tod.
Die drei Frauen machen uns was vor: Auch wir können in
hoffnungsloser Situation, der Realität ins Auge sehen und
gleichzeitig doch Unmögliches für möglich halten.
In der Krise, in Zeiten der Angst und der Traurigkeit losgehen und
hoffen, dass der Herr uns die Tür öffnet. Und er wird sie öffnen.
Wenn wir Feindschaft spüren, wenn wir keine Zukunft sehen,
wenn alles sinnlos erscheint...
Macht auch auf den Weg, wie die Frauen. Und ihr werdet
Hoffnung erleben.
Hoffnung, wo einem Menschen fehlen, die gerade noch da waren,
Hoffnung, wo die Perspektive fehlt, weil das was ich sicher
glaubte, mir durch die Finger rinnt und Hoffnung, wo ich gerade
noch an Gottes Wegen mit mir zweifele.
Gott wird es anders machen als ich erwarte. Und es ist nicht die
Vermeidung von Leid, sondern der Weg durch das Leid hindurch.
Deshalb gibt es die lange Tradition des Osterlachens in der
Kirche. Es ist ein „Trotzdem-Lachen“.
Jesus verspricht: „Ihr werdet Lachen.“ Der Glaube bringt uns zum
Lachen. Was manche gar nicht glauben....
Deshalb noch eine Geschichte zum Schluß:
Ein Pfarrer macht einen Krankenbesuch und möchte sein
Gemeindeglied etwas aufheitern. Deshalb bringt er ihm eine
Sammlung mit Geschichten von Loriot mit.
Ein paar Tage später kommt er zu einem weiteren Besuch und er
fragt den Kranken, wie ihm denn das Buch gefallen habe, das er
letztes Mal mitgebracht habe?
Da antwortet sein Schäflein: "Also wenn ich nicht gewusst hätte,
dass es Gottes Wort ist, hätte ich ja ziemlich lachen müssen ..."