Studium, Forschung und Lehre machen Europa

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Studium, Forschung und Lehre machen Europa
Februar 2007
Heft 1/2007
ISSN 1860-6709
Der Codex Sinaiticus – Internationale
Forschergruppe ermittelt in Sachen Bibel
Buchmesseakademie trägt neues
Wissen nach außen
Der Euro ist kein UFO –
Eine Erfolgsgeschichte
Kunst–Wissen/Wissens-Kunst:
das Institut für Theaterwissenschaft
Jubiläum 2009 – Neuer Bildband zeigt
die Universität in unruhigen Dekaden
Ende einer Ära: Zentralmensa
macht Platz für Campus-Neubau
journal
Internationalisierung als Querschnittsaufgabe
Studium, Forschung und Lehre machen Europa (be)greifbar
EDITORIAL
UNIVERSITAT LEIPZIG
Inhalt
UniVersum
Bert Rürup spricht an alter Wirkungsstätte
Die Universität präsentiert sich auf der
Leipziger Buchmesse
Mediziner auf Dienstreise in Afrika
Die Zentralmensa schließt – Ende einer Ära
Droht der Abstieg? Bemerkungen zu
Exzellenzinitiative und Förderranking
Interview mit Prof. Frank Emmrich
50 Jahre Herder-Institut
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Gremien
Sitzungen des Senats im Dezember/Januar
Rektoratskollegium wieder komplett
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Forschung
Leipzig wird als erste ostdeutsche Uni
ICAM-Mitglied
Forschungsprojekt zum Codex Sinaiticus
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UniCentral
Die Erfolgsgeschichte des Euro
Die Universität wird bei ausländischen
Studierenden und Forschern immer beliebter
Erasmus-Erfahrungen einer Studentin
Forschungswerkstatt für Juristen
Fakultäten und Institute
Institut für Theaterwissenschaft setzt auf
interdisziplinäre Kooperationen
Fulbright-Professor John Paxton überzeugt
mit neuem Lehrkonzept
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Studiosi
E-Learning auf Spanisch
Symbiose von Leistungssport und Studium
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Personalia
Ehrenpromotionen verliehen
Neu berufen
Nachruf für Holger Preißler
Kurz gefasst
Geburtstage
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Jubiläum 2009
Rekonstruktion des Jurastudiums um 1880
Gesichter der Uni: Bartholomäus Walther
Neuer Bildband zur Universitätsgeschichte
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Habilitationen und Promotionen
Am Rande
Nomen
Impressum
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Titelfoto: Dietmar Fischer
EU wertet Forschungsund Studienstandort
Leipzig auf
„Europa! Diese drei Silben wurden mir zum Inbegriff des Schönen, Erstrebenswerten, zum inspirierenden Antrieb, zum politischen Glaubensbekenntnis und moralisch-geistigen Postulat.“
Die Zeilen aus dem Lebensbericht „Der Wendepunkt“ von Klaus
Mann, Sohn von Thomas Mann, könnten aktueller nicht sein.
Zum 1. Januar hat Deutschland für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, und auch die Fakultäten und Institute der Universität Leipzig haben sich der kontinuierlichen
und konsequenten Internationalisierung als Querschnittsaufgabe verschrieben, die Hand in Hand mit der Sicherung von
Lehre und Foschung geht.
In den vergangenen Jahren haben wir auf diesem
Terrain wegweisende Etappenziele erreicht. Ein
Viertel unserer Studierenden verbringt mittlerweile
einen Teil des Studiums im Ausland. Die Universität behauptet seit Jahren den dritten Platz im
DAAD-Ranking aller deutschen Hochschulen hinter
Berlin. Im Ranking der mobilen Lehrenden innerhalb des Sokrates/Erasmus-Programms rangiert
die Alma mater auf Platz fünf. Die Studienreform
soll dem Austausch neuen Aufwind geben. Damit
wird Leipzig als Gast-Studienstandort noch attraktiver. Modularisierte Strukturen, strukturierte Promotionsprogramme, Alumni, Drittmitteleinwerbung sind weitere
Mosaiksteinchen der Europäisierung an unserer Hochschule,
fern der Brüsseler Tagespolitik.
Nur ein Beispiel: Die Universität Leipzig konnte in den zurückliegenden drei Jahren beachtliche Ergebnisse bei der Drittmitteleinwerbung vom Deutschen Akademischen Austauschdienst
(DAAD) vorweisen. 2005 kam sie mit mehr als 3,6 Millionen
Euro auf den siebten Platz. 321 Partnerhochschulen innerhalb
des Sokrates-Programms, 17 weitere innerhalb den Grenzen
Europas (beispielsweise in Slowenien, Norwegen, Bulgarien
oder Spanien) sowie in fernen Ländern (wie in Äthiopien, Indonesien, Kuba, China, Japan und natürlich den Vereinigten
Staaten von Amerika) sind eindrucksvolles Zeugnis der Zusammenarbeit über Sprach- und kulturelle sowie politische Grenzen hinweg. Die Erfahrungen unserer Studenten, aber auch die
Eindrücke der Leipziger Gaststudenten dokumentieren dies
(siehe Umfrage auf den Seiten 19 – 26).
Europa hat in seiner Vielgestaltigkeit auch eine Magnetwirkung
auf die Forschung. Mit seinem Beitrag über die Erfolgsgeschichte des Euro nimmt Prof. Dr. Gunther Schnabl vom Institut
für Wirtschaftspolitik der oft polarisierenden Teuro-Diskussion
den Wind aus den Segeln (s. S. 18/19), Prof. Dr. Markus Kotzur LL.M., Institut für Völkerrecht, Europarecht und ausländisches Öffentliches Recht, erinnert an das 50-jährige Bestehen
der Römischen Verträge und das Engagement der Leipziger Juristen fern des unreflektierenden Eurozentrismus (s. S.25/26).
Zwei Beiträge, die das Motto der deutschen EU-Ratspräsidentschaft „Europa gelingt gemeinsam“ widerspiegeln und in Leipzig seit Anfang der Neustrukturierung 1990 in vielen Facetten
mit Leben erfüllt werden.
Prof. Dr. Franz Häuser, Rektor
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UniVersum
Bert Rürups lehrreiche Jahre
Vorsitzender des Sachverständigenrates zu Gast an
ehemaliger Wirkungsstätte
„Wenn es in der Regierung klemmt, dann
wird Professor Bert Rürup gerufen.“ Mit
diesen Worten stellte Professor Thomas
Lenk vom Institut für Finanzen im vollbesetzten Großen Hörsaal des Campus in der
Jahnallee einen ganz besonderen Gast vor:
Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Für Rürup, der den Studenten das
jüngste Jahresgutachten des Gremiums
vorstellen wollte, war es die Rückkehr an
eine alte Wirkungsstätte. Von Februar 1991
bis Oktober 1993 war er als Gründungsdekan für den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule
Leipzig (aufgegangen in der Hochschule
für Technik, Wirtschaft und Kultur,
Journal
Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen
und Freunde der Universität Leipzig
Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig,
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Redakteur: Tobias D. Höhn
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die Redaktion wird erbeten.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 15. 1. 2007
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HTWK) und in gleicher
Funktion bei der Wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät der Universität
Leipzig tätig.
„Ich komme immer gerne
nach Leipzig“, sagte Rürup
und fügte hinzu, dass dies
auch für ihn „drei sehr
lehrreiche Jahre“ gewesen
seien. Doch auch schmerzliche Erinnerungen verbindet er nach eigenen Worten
mit der sächsischen Metropole: Als er – „damals noch
30 Kilo schwerer“ – in jungen Jahren Kugelstoßer war
(er schaffte es sogar bis in
den Olympiaauswahlkader
der BRD), musste er bei Prof. Dr. Bert Rürup zu Gast an seiner alten WirkungsFoto: Jörg Aberger
Ausscheidungswettkämp- stätte in Leipzig.
fen oft auch gegen die Kugelstoßer aus der DDR antreten. „Da haben eine Seite der Medaille. „Eigentlich ist der
wir immer verloren“, gestand Rürup – und Sachverständigenrat nämlich kein politiseine Zuhörer schmunzelten mit ihm. Kein sches Beratungsgremium für die RegieWunder, war doch die Deutsche Hoch- rung.“ Das regelmäßige Jahresgutachten
schule für Körperkultur und Sport (DHfK), zur wirtschaftlichen Entwicklung sei nicht
wo die wissenschaftlichen Grundlagen für dazu gedacht, dem „normalen Politiker“
die großen Erfolge nicht nur der DDR-Ku- als Entscheidungshilfe zu dienen. Vielgelstoßer gelegt wurden, ausgerechnet auf mehr sollten die Fachpresse, weitere
dem Gelände beheimatet, wo jetztunter an- Forschungsinstitute und nicht zuletzt die
derem die Wirtschaftswissenschaftler ihr Spezialisten in den Verwaltungen HandreiDomizil haben.Rürup hätte es als Sportler chungen zur Einschätzung der Lage und
fast bis zu den Olympischen Spielen 1968 daraus abzuleitender Strategien geben.
in Mexiko geschafft, doch eine schwere „Eine Beratungsfunktion für die Regierung
Verletzung bedeutete das abrupte Aus sei- übernehmen wir nur dann, wenn ein Sonner Sportlerkarriere. Für Lenk ist klar, dass dergutachten angefordert wird“, erläuterte
sich das Bild des Sachverständigenrates in Rürup. Derzeit arbeite man an einer Experder Öffentlichkeit stark verändert hat, seit tise, in der Wege zum Schuldenstopp aufRürup dessen Vorsitzender ist. Hätte frü- gezeigt werden sollen. Viel Lob mochte
her, so Lenk, der Eindruck einer Altherren- Rürup der Bundesregierung bei seinem Beriege in einem wissenschaftlichen Elfen- such in Leipzig nicht angedeihen lassen.
beinturm vorgeherrscht, so habe Rürup Vor allem die Gesundheitsreform kritidieses Bild mit „seiner Omnipräsenz in den sierte er heftig. Als nächstes müsse die
Medien“ gründlich durcheinander gewir- Neuregelung des Kündigungsschutzes in
belt. Aktuellstes Beispiel sei der Streit um Angriff genommen werden. „Allerdings
die Gesundheitsreform. Das Gutachten, darf es weiterhin keine willkürlichen Kündas der Sachverständigenrat zu diesem digungen geben“, machte Rürup deutlich.
Thema erstellt hatte, zeigte laut Rürup nur
Jörg Aberger
journal
Die Universität
auf der Buchmesse
Die Buchmesseakademie ist seit acht Jahren ein etabliertes Forum, welches neu entstandenes Wissen der Universität Leipzig
nach außen trägt und einer breiten
Öffentlichkeit vorstellt. Hier zeigen die
Leipziger Wissenschaftler ihre neuesten
Leistungen und stellen sich den Fragen der
Bürger Leipzigs und der Gäste der Buchmesse. In Vorträgen, Präsentationen und
Diskussionsrunden werden ebenso Fachwissenschaftler wie Laien angesprochen
und zum Zuhören, Mitdenken und Mitdiskutieren animiert.
In diesem Jahr präsentieren sich die Profilbildenden Forschungsbereiche und die
neugegründete Research Academy Leipzig
durch ausgewählte Einblicke in ihr Forschungsprogramm. Besonders hervorzuheben sind die Veranstaltungen aus dem
Bereich „Gehirn, Kognition und Sprache“,
die sich der Informationsverarbeitung, zum
Beispiel von Auge und Ohr im Gehirn widmen und erklären wollen, warum wir was
sehen und hören und denken.
Ein weiterer Höhepunkt ist der Länderschwerpunkt Chile, der zusammen mit dem
Ibero-Amerikanischen Forschungsseminar
der Universität Leipzig gestaltet wurde.
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Von besonderem Interesse sind die Leseabende mit bekannten chilenischen Autoren und eine Kooperationsveranstaltung
mit dem chilenischen Kulturministerium,
die auf dem Forum ihr Literaturprogramm
vorstellen wird.
Die Buchmesseakademie ist eine Kooperationsveranstaltung der Universität Leipzig
und der Leipziger Messe GmbH.
Wenn nicht anders angegeben, finden die
Veranstaltungen auf der Buchmesseakademie statt, Halle 3, Stand: H202/G209.
Donnerstag, 22. März
11.00 Uhr
Von Gehirn, Seele und Körper: Wie das
Gehirn Musik verarbeitet
Stefan Koelsch, Sebastian Jentschke,
Nikolaus Steinbeis, Tom Fritz
In der Veranstaltung von Mitarbeitern des
Max-Planck-Instituts für Kognitions- und
Neurowissenschaften werden drei zentrale
Aspekte der Musikverarbeitung im Gehirn
dargestellt: die Verarbeitung von musikalischen Regeln, die Verarbeitung der Bedeutung der Musik und die Verarbeitung der
Emotionen, die beim Hören von Musik entstehen. Anhand von Beispieldaten zeigen
die Wissenschaftler, was diese einzelnen
Aspekte der Musikwahrnehmung im Gehirn miteinander zu tun haben und wie sich
diese Verarbeitungsprozesse in der Kindheit entwickeln. Dabei können sie auch
zeigen, dass und inwieweit diese Verarbeitungsprozesse kulturspezifisch sind.
16.00 Uhr
Das Buch als kultureller Reichtum oder die
Magie der Lektüre
Paulina Urrutia, Ministerin für Kultur der
Republik Chile,
Alfonso de Toro (Moderation)
Das chilenische Kultusministerium, dem
die bekannte Schauspielerin Paulina Urrutia vorsteht, stellt einem breiten Publikum
seine Buchpolitik vor: In deren Mittelpunkt stehen die Förderung des Lesens als
gesamtgesellschaftliches Vorhaben sowie
die Förderung junger Autorinnen und Autoren und einer Vielfalt von Gattungen, die
sowohl Kinderliteratur, Kurzerzählungen,
Romane aller Schattierungen und Regionen Chiles umfasst.
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Fotos: photocase.de / Randy Kühn
Heft 1/2007
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UniVersum
Freitag, 23. März
12.00 Uhr
Verantwortung kulturelles Erbe: Valparaíso
Burkhard Pahl, Ingolf Schulze, Wolfgang
Schuster, Rolf Höhmann
Gegenstand der Veranstaltung ist die Frage
nach dem Umgang und dem Erhalt des kulturellen Erbes in Deutschland und Chile.
Valparaíso (Unesco World Heritage seit
Juli 2003) ist ein bedeutendes Zeugnis und
Anschauungsobjekt der Baukultur, welches in seinem Bestand bedroht ist. Ähnliche Fragestellungen stellen sich aktuell
auch in Deutschland. Erfahrungsaustausch
und neue Formen der Zusammenarbeit
werden benötigt, welche nicht nur einen
Weg in tieferes Verständnis in die Problematik und die ökonomischen Risiken aufzeigen, sondern Wege für ein zukunftsgerichtetes Monitoring sind.
tigt die Gesundheit in viel stärkerem Maße
als bisher vermutet. Eine Untersuchung
Leipziger Psychologen zeigt, dass Arbeitslose früher sterben als Personen, die sich
keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen. Sie werden depressiv und neigen zu
Suchtkrankheiten. Und selbst wenn wieder
Arbeit gefunden wird: die Angst bleibt und
die frühere Zufriedenheit kehrt nicht wieder ganz zurück.
14.00 Uhr
Medizin zwischen Geld, Macht und
Gesundheit
Charlotte Schubert, Wieland Kiess,
Matthias Middell (Moderation)
Samstag, 24. März
10.30 Uhr
Regenerative Medizin – die Zukunft des
Heilens?
Frank Emmrich, Jan Matthias Braun
Seit jeher sind Mediziner auf der Suche
nach immer besseren und wirksameren
Therapien. Immer tiefer sind sie in die molekularbiologischen Mechanismen unseres
Körpers eingedrungen, die sie für den
Heilungsprozess zu nutzen versuchen. Die
ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
In Bioreaktoren gewachsene Zellen und
Zellverbünde etwa nutzt man zur Reparatur defekter Gewebe. Herzklappen, Haut,
Knochen scheinen schon heute kein Problem mehr zu sein. Die regenerative Medizin, die sich mit der Entwicklung von Verfahren zum Gewebsersatz oder zur natürlichen Organerneuerung befasst, zeigt therapeutische Perspektiven, die es bisher nur
im Märchen zu geben schien: den biologischen Ersatz von Organteilen und Organen.
Wo wir stehen und wohin es geht, zeigt der
Vortrag des Translationszentrums für Regenerative Medizin.
15.00 Uhr
Arbeitslosigkeit und Gesundheit
Elmar Brähler, Hendrik Berth
In Ostdeutschland haben viele die Hoffnung aufgegeben, wieder Arbeit zu finden,
oder bangen um ihre Arbeitsplätze. Diese
Angst und Hoffnungslosigkeit beeinträch4
vorliegenden Werk stellt eine internationale Forscher-Equipe nun das kulturelle
und künstlerische Geschehen Mitteleuropas im 14. und in den ersten Jahrzehnten
des 15. Jahrhunderts im Zusammenhang
mit der europäischen Politik anschaulich
dar. Schon beim Durchblättern des Buches
leuchtet die fesselnde Geschichte der Dynastie der Luxemburger auf, der es gelang,
Mitteleuropa zu einigen und ihren unverwechselbaren Stempel aufzuprägen.
Der Titel „Karl IV. Kaiser von Gottes
Gnaden. Kunst und Repräsentation des
Hauses Luxemburg 1347–1437“ steht
im Mittelpunkt einer der Veranstaltungen der Buchmesseakademie.
Sonntag, 25. März
13.00 Uhr
Das kulturelle und künstlerische Geschehen Mitteleuropas im 14. und 15. Jahrhundert im Kontext der europäischen Politik.
Buchpräsentation: „Karl IV. Kaiser von
Gottes Gnaden. Kunst und Repräsentation
des Hauses Luxemburg 1347–1437“
Jifií Fajt, Andrea Langer (Moderation)
Von seiner Hauptstadt Prag aus gelang es
Kaiser Karl IV. im 14. Jahrhundert, ein
komplexes Machtgefüge in der Mitte
Europas zu etablieren. Dabei bedienten
sich er und seine Dynastie der Luxemburger systematisch der Kunst und nutzten sie
als Mittel herrschaftlicher Ambitionen. So
sind der Bau des Veitsdoms und der Karlsbrücke eng mit Karl IV. verbunden. Der
Kaiser holte Künstler und Gelehrte aus
ganz Europa an den Prager Hof. In ihren
Goldschmiedearbeiten, Buchmalereien,
Skulpturen und Tafelbildern manifestierte
sich ein kaiserlicher Stil, der zu den sichtbaren Zeichen der Macht zählte. Mit dem
Neue Medikamente, teure Apparate, die
hohe Qualifikation der Ärzte – alles kostet
Geld. Zumindest wird alles immer teurer.
Die Krankenkassen erhöhen die Beiträge
fast jährlich, auch die Einführung der Praxisgebühr löste das Problem nur vorübergehend. Woran liegt das? Werden wir immer kränker? Verdienen die Ärzte immer
mehr Geld? Nutzen die großen Pharmakonzerne die Bedürftigkeit und Hilflosigkeit der Patienten schamlos aus? Wir diskutieren über umstrittene Entwicklungen
in einem Gebiet, mit dem jeder in Berührung ist. Als Beitragszahler, als Patient
oder als Angehöriger.
Zusammengestellt von Anja Landsmann
Leseabende außerhalb
der Messehallen:
Weltliteratur aus Chile und die Rückkehr
der Lust am Erzählen: Das Ibero-Amerikanische Forschungsseminar der Universität Leipzig – in Zusammenarbeit mit
der Buchmesse-Akademie der Universität Leipzig und dem Kuratorium Haus
des Buches Leipzig e. V. – hat sieben
Bestseller-Romanciers aus Chile zu Gast,
die in ihren Romanen ein spannendes
Panorama von Migrations-, Familien, Individual- und Kollektivgeschichten im
Chile des 19. und 20. Jahrhunderts bieten, Romane, die sich wie Krimis lesen.
Im Haus des Buches lesen am 22. März,
19.00 Uhr, Arturo Fontaine, Carla Guelfenbein und Carlos Franz.
In einer weiteren Veranstaltung im Rahmen von „Leipzig liest“ lesen am
23. März, 19.00 Uhr im Berlitz Center
Leipzig, Stentzlers Hof, Gonzalo Contreras, Andrea Maturana und Pablo
Simonetti.
journal
UniVersum
Am
Rande
Knockin’ on
Europe’s door
Die EU-Grenzsicherungspolitik
Von Dr. Monika Eigmüller, Institut für Soziologie
Fragen der Grenzsicherung und insbesondere der Kontrolle der Migrationsströme in
und nach Europa gehören mittlerweile zu
den prioritären Themen europäischer Politik.
So hatauch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft eine Verbesserung der Zusammenarbeit in diesen Fragen angekündigt; speziell
Europol und die europäische Polizeibehörde sollen gestärkt werden, um den zunehmenden Herausforderungen des internationalen Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität zu begegnen und
dadurch ein „sicheres Europa“ zu schaffen,
so der deutsche Innenminister jüngst.
Um die Migration nach Europa zu steuern,
soll zudem die europäische Grenzagentur
Frontex weiter ausgebaut, sowie die Zusammenarbeit der Polizei an den „Brennpunkten illegaler Migration“ und den
Grenzübergängen selbst intensiviert werden. Hierfür steht der Union ein beachtliches Budget zur Verfügung – allein für
das Haushaltsjahr 2007 werden rund 591
Millionen Euro für die Durchsetzung des
gemeinsamen Rechtsraums bereitgestellt,
ein Großteil davon für die Sicherung der
Grenzen vor illegaler Migration.
Dem gegenüber stehen die Zahlen von versuchten und erfolgten illegalen Grenzübertritten: Trotz der Schwierigkeiten, hierzu
gesicherte Angaben zu treffen, sprechen
einige plausible Zahlen doch für sich. So
schätzte die International Organization on
Migration (IOM) die Zahl illegaler Migranten in Europa für 1998 auf wenigstens
zwei Millionen, im Jahr 2000 ging sie bereits von mehr als drei Millionen Menschen aus. Dieser Trend bestätigt sich auch
durch die Legalisierungsstatistiken einiger
europäischer Staaten: So bewarb sich 1998
jeder dritte Migrant in Spanien um eine
Legalisierung seines Aufenthaltsstatus, bei
der letzten Legalisierungskampagne bemühten sich rund 35 Prozent aller Migranten um gültige Papiere.
Warum also, so eine nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs zunehmend gestellte
Heft 1/2007
Frage, betreibt die EU einen so immensen
finanziellen und auch politisch-administrativen Aufwand, wenngleich doch die Ergebnisse diese Politik nachhaltig in Frage
stellen?
Diese Frage lässt sich auf unterschiedliche
Weise bearbeiten. Zum einen lohnt es
sich, sozialwissenschaftliche Überlegungen zum Gegenstand politischer Grenzen,
ihrer Funktion und Wirkung anzustellen
(vgl. Monika Eigmüller/Georg Vobruba
2006, Grenzsoziologie. Die politische
Strukturierung des Raums. Wiesbaden:
VS). Zum anderen erscheinen empirische
Analysen angebracht, die den Fokus sowohl
auf die Frage der Implementation europäischer Grenzsicherungspolitik, als auch auf
die Wirkungen dieser Politik – und dies insbesondere im Kontext der Interessen beteiligter politischer Akteure richtet (Monika
Eigmüller 2007, Grenzsicherungspolitik.
Funktion und Wirkung der europäischen
Außengrenze. Wiesbaden: VS). Dann nämlich wird deutlich, dass neben den vordergründig intendierten Effekten dieser
Grenzsicherungspolitik andere Funktionen
in den Vordergrund rücken.
Diese Fragen werden am 23. März um
15 Uhr auf der Buchmesseakademie, Halle
3, Stand H202/G209 diskutiert. Hierzu eingeladen ist Dr. Paolo Cuttitta, Universität
Palermo, der sich in verschiedenen Publikationen vornehmlich mit dem Thema der
europäischen Flüchtlingspolitik auseinandergesetzt hat. Die Moderation übernimmt
Dr. Daniel Schmidt, Universität Leipzig.
Die Forschungsergebnisse von Frau Dr.
Monika Eigmüller sind unter anderem in
zwei Büchern veröffentlicht worden:
„Grenzsoziologie“ von Monika Eigmüller
und Georg Vobruba, 352 Seiten, VS Verlag
für Sozialwissenschaften; 1. Auflage (Mai
2006), ISBN-10: 3-53114-606-8
„Grenzsicherungspolitik“ von Monika
Eigmüller, 300 Seiten, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1. Auflage (Februar
2007), ISBN-10: 3-53115-331-5
„Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel:
Im Tunnel bleibt es immer dunkel“,
schrieb der einstige Leipziger Student
Erich Kästner in „Kurz und bündig.
Epirgramme“. Der Zweizeiler aus der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist
schärfste Form der Gedankenlyrik und
könnte zugleich posthum ein augenzwinkernder Kommentar des Satirikers
zum aktuellen Leipziger Baugeschehen sein. Denn seit nahezu 100 Jahren wird hier ein Tunnel geplant, verschoben, neu geplant, wieder vertagt,
bis er nun endlich Realität werden soll:
der City-Tunnel.
Vier Kilometer Gleistrecke in zwei Röhren. Seit 2003 rollen die Bagger, wie
lange es noch gehen wird, ist ungewiss, denn der Leipziger Untergrund
bot Bauleuten und Geologen schon so
manche Überraschung. Nun könnte
man einfach eins und eins zusammenzählen und kombinieren Riesen-Baustelle – Universitätsstadt – Geologenausbildung und würde herausbekommen, dass die hiesige Fakultät einbezogen ist, Studenten Praktika und
Übungen vor Ort absolvieren, sich Firmen um das Know-How der Experten
vor Ort reißen. Doch das wäre zu logisch. Was, wenn Wissenschaftler
plötzlich von riesigen Kohleflözen und
Granitblöcken berichteten?
Muss die Wegstrecke dann verlegt
werden? Vielleicht unter Augustusplatz
und Ritterstraße hindurch? Bekäme
dann die Uni ihre eigene Bahn-Station,
was nur angemessen wäre?
Dumm nur für die Studenten von außerhalb, deren Fahrzeit sich dank Tunnel
um 20 Minuten verringern soll. Referate morgens im Zug ausarbeiten und
mantramäßiges Repetieren der letzten
Vorlesung ist dann perdu. Dafür soll
nach der Vision der Bauherren die
Zentralität Leipzigs gestärkt werden.
Die Alma mater mutiert zum geistigen
Zentrum Ostdeutschlands, Deutschlands, Europas.
Nur gut, dass der Campus-Neubau bereits 2009 eröffnet wird. Zwei Jahre
bevor die ersten Züge durch den Tunnel düsen. Wobei auch das noch unklar ist, vielleicht bleibt es nur beim Regionalverkehr. 643 Millionen Euro für
einen Bummel-Tunnel? Bei so viel Tunnel-Blick ist der Campus-Neubau glatt
ein Schnäppchen.
Tobias D. Höhn
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UniVersum
Dienstreise nach Afrika
Uni-Mediziner spenden Untersuchungsmaterial und
Zubehörteile – Wiedersehen mit Kollegen
Die Mikrobiologin Doz. Dr. Rosemarie
Blatz, der Gastroenterologe Prof. Dr. Joachim Mössner und der Tropenmediziner
Prof. Dr. Stefan Schubert der Universität
Leipzig besuchten Ende 2006 Äthiopien
und Tansania. Diese Reise gehörte zu einem Programm des DAAD für Zusammenarbeit mit Hochschulen in den Tropen, das
bereits seit mehreren Jahren unter der Leitung von Prof. Schubert steht und auch
von der Universität unterstützt wird. Auf
dem Reise-Kalender standen gemeinsame
Laborarbeiten, Patientenuntersuchungen,
Stationsvisiten, Vorträge und Arbeitsbesprechungen.
Mit der Universität Addis Abeba verbindet
die Leipziger Universität ein Vertrag, der
1997 im Rahmen eines Kulturabkommens
zwischen Äthiopien und der Bundesrepublik geschlossen wurde und die seit Jahrzehnten bestehenden Kontakte fortführt.m
Von der Dekanin der Medizinischen Fakultät, Frau Zufan Lakew MD, wurde ein
großer Dank für die bisher geleistete Hilfe
auf den verschiedenen Fachgebieten wie
HNO-Heilkunde, Virologie, Mikrobiologie,
Immunologie, Gynäkologie und Geburtshilfe ausgesprochen – im vergangenen Jahr
besonders für die Subspezialisierungen der
beiden äthiopischen Internisten Dr. Bekele
für Kardiologie (bei Prof. Pfeiffer) und
Dr. Abate für Gastroenterologie (bei Prof.
Mössner). Dr. Bekele, der dienstlich in
Schweden weilte, wird seine in Leipzig erworbenen Spezialkenntnisse im Herzzentrum von Addis einbringen können, dessen
Einweihung noch in diesem Jahr vorgesehen ist. Bei Dr. Abate, mit dem es ein
herzliches Wiedersehen gab, konnte sich
Prof. Mössner überzeugen, welch wertvolle Arbeit er dort auf seinem gastroenterologischen Spezialgebiet leistet.
Nicht weniger herzlich verlief der Arbeitsbesuch im Armauer Hansen Research Institut (AHRI – benannt nach dem norwegischen Entdecker der Leprabakterien).
Die Leipziger hatten medizinische Untersuchungsmaterialien und Zubehörteile
mitgebracht, welche für bestimmte bakte6
Personal der Saint Luke Foundation in Tansania bei der Herstellung von Arzneien.
Foto: Mössner/Schubert
riologische Untersuchungen sowie für die
endoskopische Behandlung von Patienten
mit schweren gastroenterologischen Erkrankungen wie akuten Magen-Darm-Blutungen eine wertvolle Hilfe darstellen.
Durch eingehende Verhandlungen von
Prof. Schubert mit den Kontrollbehörden
konnten sie noch rechtzeitig vom Flughafen ausgelöst und den äthiopischen Kollegen übergeben werden.
Einige Tage vor ihrem Aufenthalt in Addis
Abeba waren Prof. Mössner und Prof.
Schubert auf Einladung des Würzburger
Tropenarztes Dr. Bernhard Köhler in
Moshi (Tansania) in der Saint Luke Foundation (SLF) und am Kilimanjaro Christian
Medical Center (KCMC). Köhler ist Direktor der Saint Luke Foundation, einer Einrichtung, in welcher unter anderem Trainingskurse für medizinische Technologien
durchgeführt werden, die an die Bedingungen in afrikanischen Landkrankenhäusern
angepasst sind und dadurch eine sehr effektive und gleichzeitig kostengünstige
Betreibung ermöglichen.
Dies stellt in besonderer Weise eine Hilfe
zur Selbsthilfe für afrikanische Kranken-
häuser dar. Vorträge von Mössner und
Schubert zu aktuellen gastroenterologischen und infektiologischen Problemen
wurden interessiert verfolgt und diskutiert.
Der Präsident des Medical College des
KMCM Prof. Shao brachte in einem Arbeitsgespräch zum Ausdruck, dass Studenten aus dem Ausland für spezielle Ausbildungsabschnitte jerderzeit gern gesehen
sind. – Und überall ist Leipzig gegenwärtig: Der ärztliche Direktor des KCMC, Dr.
Swai, hatte vor vielen Jahren am HerderInstitut Deutsch gelernt, bevor er in Rostock Medizin studierte. Und Leipzig ist für
viele Menschen am Kilimandscharo durch
die Arbeit der Leipziger Mission seit etwa
100 Jahren (auch gegenwärtig vor allem in
der Mitbetreuung von AIDS-Kranken und
-Waisenkindern) bekannter als beispielsweise Berlin.
Insgesamt zeigte auch diese Reise wieder
einmal sehr deutlich, dass eine Nord-SüdZusammenarbeit keine Einbahnstraße ist,
sondern ein Voneinander-Lernen hinsichtlich ärztlicher und akademischer Arbeit unter ganz unterschiedlichen Bedingungen.
Marlis Heinz
journal
Adieu,
alte
Mensa!
Eine Hommage
mit Augenzwinkern
Von Tobias D. Höhn
Einmal noch Spaghetti Montanara. Einmal
noch den auf sonnengelb gedrucktem Papier ausgebreiteten Speiseplan durchforsten, wenn der Magen knurrt. Sich um kurz
vor 13 Uhr in die Schlange einreihen, Wissensbrocken aus Seminaren und Klatsch
aus Instituten erlauschen, Schrittfür Schritt
hin zur Essensausgabe. Die Augen fokussieren den Teller mit dem leckeren Mittagsmahl, der kein Teller ist. Eher eine Platte
mit asymmetrisch angerichteten Ausbuchtungen für Fleisch, Beilagen und Dessert.
Welcher Erstsemester stutzte nicht, als er
das weiße Essensblech durch die Mensa
bugsierte, war es doch etwas anderes als
Nicht stapeln, und das Besteckfach voran. Auch nach Jahren
schaut Uni-Journal-Redakteur
Tobias D. Höhn immer noch auf
das Schild, bevor er die „Platte“,
wie das unterteilte Essenstablett
im Küchenjargon heißt, auf das
Förderband stellt.
Foto: Dietmar Fischer
Heft 1/2007
Muttis feine Meißner-Porzellan-Kollektion. Doch auch er
gewöhnte sich daran, während die Spaghetti – neben
Schnitzel das meistverkaufte
Gericht über Dekaden hinweg
– munter revoltierten. Sie
schlängelten sich quer über
das Tablett, ein Haufen gekrönt mit einem ordentlichen
Schöpfer roter Soße – und
Reibekäse als i-Tüpfelchen.
Beikoch Uwe Wernicke (45) schwitzt in den Küchen3000 Essen wanderten an gut Katakomben der Zentralmensa. In dem Kochkessel
verkauften Tagen über die schwimmen rund 40 Kilo Nudeln.
Foto: T. D. Höhn
Tresen, der Wok wurde vom
Geheimtipp zum Bestseller und eroberte weisschild an. Kommt zuerst das Besteckdie Mägen im Sturm.
fach oder zuerst die Dessertsektion? Zu
Einmal noch den Hürdenlauf durch lange spät: Denn die Platte – eine westdeutsche
Reihen von Stühlen, der Zick-Zack-Kurs Errungenschaft aus den ersten Jahren der
über Rucksäcke, hin zum erspähten Platz. Wiedervereinigung – wird abgeschafft. Ja,
Ob sengender Sonnenschein oder grauer es wird richtige Teller geben. Und das wird
Winterhimmel, irgendwie war es immer dann wohl auch am legendären Ruf der
dunkel in der Zentralmensa (ZM). Doch Mensa in der Jahnallee enden, wo die Pordie bodenlangen Gardinen im Erdgeschoss tionen so gigantisch sein sollen, dass sich
machten die Uni-Kantine ebenso zur Insti- Teller vor der Last der Steaks biegen und
tution wie das DDR-Gestühl, auf dem Stu- ausgehungerte Geisteswissenschaftler zu
denten wie Professoren mehr schlecht als stillen Mit-Essern zählen. Alles nur ein
recht Platz nahmen.
Trick: Die Psychologie der kleinen Teller.
Nicht zu vergessen jene Mitarbeiter, die Die Tage der Keimzelle studentischen Allmit strengem Auge darauf wachten, dass tags waren seit langem gezählt. Da weder
die dreckige Essenplatte beim Hinausge- das Zeitgeschichtliche Forum Interesse für
hen in die richtige Richtung auf das För- die Alltagsreliquien von Studentengeneraderband gelegt wurde. Jetzt kann ich es ja tionen angemeldet hatte und auch keine
zugeben: Auch nach Jahren schaue ich mir engagierte Bürgerschar für Erhalt oder gar
noch heute jedes Mal das riesengroße Hin- Wiederaufbau eintrat, bleibt die Trauer.
Bei den 20 Mitarbeitern in den KüchenKatakomben hingegen macht sich alles andere als Wehmut breit. Von 6.30 Uhr an
standen sie an Pfannen, Töpfen und Kochkesseln, in denen gut und gerne 40 Kilo
Nudeln Platz fanden. Und das alles fern
von Tageslicht, dem Duft des Frühlings
oder dem Schneeflockentreiben im Winter.
Kompliment an die Kombüsen-Crew um
Küchenchef Jochen Gottschlich, der einst
auf dem DDR-Traumschiff MS Arkona
auftischte. Auch wenn das EdelstahlEquipment nicht mehr aus den Anfangstagen aus dem August 1973 stammt, ist vieles technisch überholt.
Und auch wenn der Sextant für das nächste
Jahr erstmal ins Interim in die Katharinenstraße 15 weist, heißt der Kurs „Volle Fahrt
voraus Richtung Neue Mensa“. 2008 soll
die neue Zentralmensa (veranschlagte
Bausumme 17,6 Millionen Euro; 920 Sitzplätze) eröffnen. Und das Beste daran:
Auch künftig wird es neben mehr und mehr
Biokost auch Nudeln in allen Formen und
(Namens-)Kreationen geben.
7
UniVersum
Abstieg in die
Mittelmäßigkeit?
Bemerkungen zu Exzellenzinitiative und Förderranking
Von Prof. Dr. Hubert Seiwert, Religionswissenschaftliches Institut
Die Exzellenzinitiative hat dem Wettbewerb zwischen den deutschen Universitäten eine bisher unbekannte öffentliche Aufmerksamkeit beschert. Mit dem Geld werden auch Ansehen und Prestige neu verteilt. Von den rund 100 Universitäten in
Deutschland haben im ersten Durchgang
der Exzellenzinitiative 21 den Sprung in
die erste Liga geschafft. Die Universität
Leipzig ist nicht dabei. Nicht viel besser
sieht es im „Förderranking“ der DFG aus:
Unter den gelisteten 40 forschungsstärksten Hochschulen nimmt die Universität
Leipzig den letzten Platz ein.
Natürlich besteht die Hoffnung, in der
zweiten Runde der Exzellenzinitiative
noch einen Achtungserfolg zu erringen.
Immerhin waren unter den 84 Anträgen,
die die erste Hürde der Vorauswahl genommen haben, zwei aus Leipzig. Aber das
Ziel, die Universität Leipzig in den kleinen
Kreis der „Eliteuniversitäten“ aufsteigen
zu lassen, ist in weite Ferne gerückt. Gegenwärtig sind wir von einem Spitzenplatz
in der Bundesliga weit entfernt und bewegen uns im Mittelfeld der Regionalliga.
Das ist ein Abstieg, jedenfalls gemessen
am bisher gepflegten Selbstverständnis.
Nun wissen wir vom Fußball, dass beim
Abstieg zwar in der Regel die Trainer als
Verantwortliche herhalten müssen, dass
aber ein Trainerwechsel nicht den zukünftigen Erfolg verbürgt. Es kommt schon
noch auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mannschaft im Ganzen an.m
Der bisher geringe Erfolg im bundesweiten
Wettbewerb gibt Anlass zu Fragen: Ist die
Forschungskompetenz an der Universität
Leipzig tatsächlich nur mittelmäßig oder
bestehen organisatorische Defizite, die
ihre Entfaltung behindern? Haben wir ungenügende Ressourcen oder werden zu
viele Ressourcen ineffizient gebunden?
Gibt es hinreichende Anreize, große Energien in die Forschung zu investieren, oder
8
droht ein Klima der Frustration und Resignation? Wie lösen wir den Zielkonflikt
zwischen Engagement in der Forschung
und den Erfordernissen einer überreglementierten Lehre?
Das enttäuschende Abschneiden in der
Exzellenzinitiative kam nicht völlig unerwartet. Eine Woche vor Bekanntgabe der
Ergebnisse der ersten Runde veröffentlichte die DFG ihr aktuelles „Förderranking“ der 40 forschungsstärksten Universitäten. Es ist sicher kein Zufall, dass die
21 Universitäten, die bei der Exzellenzinitiative bisher erfolgreich waren, bis auf
drei auch im DFG Forschungsrankings
unter den besten 25 gelistet werden. Zu
erwarten, dass die Universität Leipzig, die
den 40. Rang einnimmt, mit ihrem Zukunftskonzept in den elitären Kreis der
fünf bis zehn Spitzenuniversitäten vorstoßen würde, hätte schon eines gewissen
Wunderglaubens bedurft.
Müssen wir uns also damit abfinden, dass
die Alma mater Lipsiensis keine Forschungsuniversität mehr ist und sich als
Lehruniversität auf die Durchschleusung
studentischer Massen beschränken soll?
Dies widerspräche nicht nur dem Selbstverständnis und der respektablen Tradition
unserer Universität, sondern würde auch
die aktuelle Realität verkennen. Es ist ja
nicht so, dass keine oder nur mittelmäßige
Forschung betrieben würde. Der mäßige
Erfolg bei Exzellenzinitiative und Förderranking belegt nur, dass die strukturellen
Bedingungen der Forschung alles andere
als hervorragend sind. Denn gemessen
wird nicht die Qualität der Forschung einzelner Disziplinen oder Wissenschaftler,
sondern die synergetische Mobilisierung
von Forschungskompetenz zu sichtbaren
Projekten und Kohärenzen.
Ob die Mobilisierung der vorhandenen
Forschungskompetenz dadurch gelingen
kann, dass die Alma mater eine For-
schungsakademie gebiert und nährt und
ihre übrigen Kinder mit dem trockenen
Brot des Lehrbetriebes abspeist, sei dahingestellt. Jedenfalls gilt es, die bestehenden
Potenziale selbstorganisierter und kooperativer Forschung zur Entfaltung zu bringen. Ein transparentes und nachhaltiges
System von Anreizen, Unterstützung und
Honorierung des Erfolgs könnte vielleicht
größere Wirkung entfalten als zusätzliche
Hierarchieebenen und administrative
Strukturen. Die Steuerung einer so komplexen Institution wie der Universität, deren Dynamik von der Motivation hunderter
von Wissenschaftlern mit berufsbedingt
ausgeprägtem Individualismus abhängt,
wird durch Zentralisierung schwerlich
große Kräfte freisetzen. Dynamik der Forschung lässt sich nicht administrativ lenken, sondern allenfalls durch geeignete
Rahmenbedingungen ermöglichen. The art
of governance ist nicht nur ein Thema politikwissenschaftlicher Theorie, sondern
auch der universitären Praxis.
Als Ausgangspunkt für eine illusionslose
Bestandsaufnahme mag das DFG Forschungsranking dienen. Es bietet ein
durchaus differenziertes Bild der Stärken
und Schwächen einzelner Universitäten.
Zwar nimmt die Universität Leipzig insgesamt den letzten Rang der 40 gelisteten
Hochschulen ein, jedoch ist die gemessene
Leistungsfähigkeit recht unterschiedlich
gestreut verteilt. Die nach Fachgruppen
differenzierten Übersichten führen nur die
jeweils 20 besten Universitäten auf. Immerhin in drei Bereichen gehört unsere
Universität zur Spitzengruppe: in den
Geisteswissenschaften (Rang 15), der Chemie und im Bauwesen (jeweils Rang 19).
Nimmt man die hoffnungsvollen Erfolge
der Nano-Forschung und Mathematik in
der zweiten Vorrunde der Exzellenzinitiative hinzu, wird deutlich, dass es entwicklungsfähige Potenziale gibt.
Unsere Universität mag zwar gegenwärtig
etwas schwächeln, doch sie ist nicht unheilbar krank. Eine 600-jährige Tradition
mit Höhen und Tiefen gibt das nötige
Selbstvertrauen, dass die Universität Leipzig ihren Platz unter den Besten zurückerobern kann. Die vorhandenen Kapazitäten
werden nur mobilisiert werden können,
wenn Entscheidungsprozesse transparent
sind und das Kapital an dezentralem Sachverstand klug genutzt wird. Die Mobilisierung einer akademischen Institution ist
ohne öffentlichen offenen Diskurs nicht
möglich. Vielleicht ist „weiter so!“ nicht
die einzig mögliche Reaktion.
journal
UniVersum
Exzellenzinitiative
Universität in
der Endrunde
Die Universität Leipzig hat mit ihrem Exzellenzcluster Felix Klein Center for Mathematical Sciences and their Application
sowie mit der Graduiertenschule BuildMoNa. Leipzig School of Natural Sciences
– Building with Molecules and Nano-objects in der zweiten Auflage der von Bund
und Ländern initiierten Exzellenzinitiative
die Endrunde erreicht. „Damit hat sich
Leipzig in Sachsen als einzige Universität
in dieser Stufe des Verfahrens durchgesetzt“, kommentiert Rektor Prof. Dr. Franz
Häuser den Erfolg.
Die Universität gehört damit zu 35 Hochschulen bundesweit, die zur Antragstellung
durch die Gemeinsame Kommission der
Exzellenzinitiative von DFG und Wissenschaftsrat aufgefordert wurden. „Für die
Universität Leipzig ist diese erste Hürde
ein wichtiger Schritt und beweist einmal
mehr ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung“, so Häuser. Die Universität hatte
sich mit Antragsskizzen für zwei Exzellenzcluster, drei Graduiertenschulen sowie
für ein Zukunftskonzept beworben.m
Der Antrag für das Exzellenzcluster Felix
Klein Center for Mathematical Sciences
and their Application hat die mathematische Forschung und ihre Anwendungen in
den Naturwissenschaften zum Gegenstand.
Die Antragsteller kommen aus der Mathematik, der Theoretischen Physik und der
Informatik.
Numerisch-algorithmische
und strukturelle Forschung wird als Einheit betrachtet. Der Antrag für die Graduiertenschule BuildMoNa. Leipzig School of
Natural Sciences – Building with Molecules and Nano-objects konzentriert sich auf
die interdisziplinäre Ausbildung von jungen Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern, basierend auf fachübergreifender interdisziplinärer Forschung
und bezogen auf die Entwicklung neuer
Materialien. Aus geeigneten Bausteinen
wie Nanoteilchen und veränderbaren Molekülen werden vorzugsweise über Mechanismen der Selbstorganisation neue intelligente Materalien hergestellt, die umweltfreundlich und kostengünstig sind.
Bereits in der ersten Runde des Forschungswettbewerbs konnte die Universität
mit dem Exzellenzcluster Molecules and
Cells for Tissue Regeneration einen Erfolg
verbuchen und die Endrunde erreichen. r.
Heft 1/2007
Medizin für die
dritte Lebensphase
Prof. Emmrich zum Aufbau des
neues Exzellenzzentrums
In Leipzig wird ein interdisziplinäres
Translationszentrum für Regenerative Medizin (TRM) aufgebaut. Koordinator dafür
ist Prof. Dr. Frank Emmrich, Direktor des
Instituts für Immunologie und Transfusionsmedizin an der Universität Leipzig
und Direktor des Fraunhofer Instituts für
Zelltherapie und Immunologie.
Er freut sich über den Erfolg des zukunftsfähigen Konzepts, das von internationalen
Gutachtern bestätigt wurde. Zugleich ist
ihm bewusst, dass sich die neue Einrichtung im internationalen Wettbewerb behaupten muss.
Herr Professor Dr. Emmrich, das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat grünes Licht für das Leipziger TRM-Projekt gegeben. Gemeinsam
mit dem Freistaat sind erhebliche Finanzmittel freigegeben worden.
Ja, 20 Millionen Euro für vier Jahre und
dann – darüber sind wir sehr froh – noch
einmal 17 Millionen für Baumaßnahmen
und Ersteinrichtungen. 11 Millionen Euro
fließen in Umbaumaßnahmen in Forschungslabors eines Teiles der Universitätsfrauenklinik in Leipzig, die im Herbst
in das neue MutterKind-Zentrum in
die
Liebigstraße
umzieht, wodurch
Gebäude frei werden. Dort können
wir die aufwändige
Klimatechnik und
die
technische
Ausrüstung
der
OP-Säle für das Translationszentrum, für
unsere Einheit für Mikrochirurgie und für
Qualitätssicherung, nachnutzen. Da freut
sich natürlich das Wissenschaftsministerium, das in den 90er Jahren den Neubau
der Operationssäle in der Frauenklinik
finanziert hat, dass das nicht umsonst
„
war, sondern in einem sehr forschungsund bildungsnahen Bereich weitergenutzt
wird.
Neben der Forschung und Bildung soll
das TRM aber auch sehr anwendungsnah arbeiten.
Translation heißt ja, dass Forschungskonzepte klinisch umgesetzt werden. Wer die
klinische Entwicklung und Forschung in
den letzten Jahrzehnten betrachtet hat,
hatte manchmal den Eindruck, dass bei
vielen Themen sehr lange gebastelt und
gegrübelt wurde, ohne dass daraus neue
diagnostische und therapeutische Produkte
entstanden sind. Wir wollen bei den konzeptionellen Ansätzen in Zukunft etwas intensiver darauf achten, dass wir eine Auswahl- und Bewertungsstrategie verfolgen,
bei der die Umsetzung in klinische Anwendungen besser kontrolliert wird. Gerade in
der Regenerativen Medizin ist in den letzten Jahren ein Umsetzungsstau aufgelaufen.
Warum ist die Regenerative Medizin ein
so wichtiges Thema?
Das muss man im Kontext mit dem Stichwort der „alternden
Gesellschaft“ sehen. Wir haben jetzt
einen fast vollen
dritten Lebensabschnitt: Nach Jugend- oder Ausbildungsphase kommt
die Phase der Berufstätigkeit und
dann noch einmal mit mittlerweile einer
Dauer von etwa 30 Jahren die Phase des Alterns. In diesem Zusammenhang wachsen
natürlich auch die Ansprüche, dies in einer
Lebensqualität zu erleben, die mit anderen
Lebensabschnitten vergleichbar ist. Da
muss es auch zu einem Paradigmenwech-
Es muss zu einem
Paradigmenwechsel
kommen.
“
9
UniVersum
sel kommen. Heute wird oft zu lange gewartet, bis schwere gesundheitliche Schäden entstehen, die dann mit Apparatemedizin behandelt werden, die den alten Menschen nicht angemessen ist. Die Frage ist
zum Beispiel, ob man nicht die Regenerationssysteme des Körpers, sofern wir sie
verstehen, stimuliert und dadurch etwas
organischer dafür sorgt, dass untergegangenes Gewebe ersetzt wird.
Schon heute gibt es rund 40 Projekte, die
verfolgt werden. Haben Sie ein, zwei
konkrete Beispiele, wo man schon weiter
vorangeschritten ist?
Da wäre einmal in der Neurologie ein Projekt zur Zelltherapie bei der Schüttellähmung, bei Morbus Parkinson zu nennen,
das Professor Johannes Schwarz betreut.
Dort werden Zelllinien durch kleine Löchlein in der Schädeldecke gezielt in die betroffenen Gehirnregionen injiziert. Diese
Zellen produzieren dann Dopamin, den
Stoff, der bei den Erkrankten fehlt. Die
Entwicklung der therapeutischen Zelllinien steht kurz vor dem medizinischen
Einsatz.
Ein anderes Beispiel ist eine der technischen Disziplinen, etwa die Materialwissenschaften. So beschäftigt sich beispielsweise das Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) mit der Struktur von Materialoberflächen. Das ist unter anderem
wichtig für die Entwicklung neuer Prothesen, wie etwa Endoprothesen, die ganz in
den Körper eingebaut werden. Diese müssen dann natürlich vom Körper vertragen
werden, so dass die Zellen, die damit in
Kontakt kommen, nicht beschädigt oder
vergiftet werden, sondern dass diese sich
im Gegenteil richtig in die Oberfläche „hineinkrallen“. Das IOM hat es auch geschafft, bei bestimmten Metalllegierungen
die Abgabe von Nickel zu unterbinden.
Auch das ist Regenerative Medizin, weil
man verhindert, dass eine schädliche Entzündung durch Überempfindlichkeit eintritt.
Diese Beispiele zeigen das breite Anwendungsspektrum der Leipziger Projekte.
Ich nehme an, dass die Politiker auch
diese Förderentscheidung gefällt haben,
weil sie dies besonders beeindruckt hat.
Man kann sich kaum ein anderes Gebiet
vorstellen, wo so viele Fachdisziplinen zusammenarbeiten. In der Kombination vieler kluger Gehirne erscheinen Probleme
auf einmal lösbar, die der Einzelne allein
nie lösen konnte.
10
Prof. Dr. Frank Emmrich, Direktor des Instituts für Immunologie und Transfusionsmedizin an der Universität Leipzig, ist Koordinator für den Aufbau des
interdisziplinären Translationszentrums für Regenerative Medizin.
Foto: Dietmar Fischer
Wenn man einen Ausblick wagt, sind
dann auch privatwirtschaftliche Ausgründungen von Firmen denkbar, die
am TRM-Zentrum entwickelte Produkte vermarkten und so vielleicht sogar zur teilweisen Finanzierung von Forschung beitragen?
Ja, mittelfristig könnten dadurch tatsächlich Gelder in das Zentrum zurückfließen.
In Zukunft ist das für uns zunehmend
wichtig, weil irgendwann die öffentliche
Förderung ausläuft. Dann muss das Zentrum sich andere Wege suchen. Der Zuwendungsgeber hat von uns verlangt, dass
wir darauf achten, dass Schutzrechte im
Zentrum bleiben und gegebenenfalls in
eine solche Ausgründung hineingegeben
werden können oder Lizenzen erteilt werden. Eine komplett selbsttragende Forschung wird es vermutlich nie geben, aber
bestimmte Deckungsbeiträge kann man
von solchen anwendungsnahen Konzepten
schon erwarten.
Neben Leipzig werden ja auch Zentren
in Berlin, Hannover und Dresden gefördert. Kommt man sich da nicht ins Gehege?
Nein, ganz im Gegenteil, denn alle haben
andere Schwerpunkte. Wenn man sich die
beiden sächsischen Zentren ansieht, dann
ist Dresden mehr grundlagenorientiert,
während wir in Leipzig uns stärker anwendungsorientiert aufstellen. Die vier Zentren befinden sich derzeit auf einem Weg
der gedanklichen Abstimmung untereinander, wie man eine gemeinsame Strategie
für Deutschland entwickeln kann. Man
darf nicht vergessen, dass die Konkurrenz
im europäischen und außereuropäischen
Raum groß ist. Der asiatische Stadtstaat
Singapur gibt allein rund eine Milliarde
US-Dollar (knapp 772.000 Euro) für Regenerative Medizin aus und stampft einen
neuen Stadtteil nur dafür aus dem Boden.
Da erwartet die Forschungspolitik schon,
dass wir darauf Antworten finden.
Interview: Jörg Aberger
journal
UniVersum
50 Jahre Herder-Institut
Die Nachfolger feierten „bewährte Konstellation“
Im Dezember 2006 beging das HerderInstitut der Universität Leipzig gemeinsam
mit interDAF e.V. sowie dem Studienkolleg Sachsen das 50-jährige Bestehen. Im
Jahr 1956 wurde das Institutfür Ausländerstudium gegründet, fünf Jahre später erhielt es den Namen Herder-Institut, Vorstudienanstalt für ausländische Studierende in
der DDR und Stätte zur Förderung deutscher Sprachkenntnisse im Ausland. Bis zu
500 ausländische Studienbewerber bereiteten sich bis 1990 jährlich in Leipzig auf ihr
Studium vor. Unter anderem gehörte zu
diesen Studierenden auch die heutige chilenische Staatspräsidentin Michelle Bachelet, seit vergangenem Jahr Trägerin der
Universitätsmedaille der Universität Leipzig (siehe Uni-Journal 6/2006).
Wesentlicher Bestandteil dieser Vorbereitungszeit war das Erlernen der deutschen
Sprache, so dass es auch vor diesem Hintergrund nicht verwundert, dass gerade an
der Universität Leipzig deutschlandweit
der erste Lehrstuhl Deutsch als Fremdsprache im Jahr 1969 gegründet wurde.
Nach der Wende kristallisierte sich die
dreiteilige Struktur heraus: Das heutige
Herder-Institut ist ein Teil der Philologischen Fakultät und hat seinen Magisterstudiengang Deutsch als Fremdsprache mit
diesem Semester auf Bachelor umgestellt,
ab Wintersemester 2007/2008 gibt es zudem ein Masterstudienangebot.
Inzwischen studieren etwa 1400 Studierende in diesem Fach, das Inhalte in den
Bereichen Linguistik/Angewandte Linguistik, Phonologie und Phonetik, Didaktik/Methodik sowie Landeskunde und
Kulturstudien umfasst. Das Studienkolleg
Sachsen setzt als Zentrale Einrichtung der
Universität Leipzig die Tätigkeit der früheren Unterrichtsabteilung fort und bereitet
ausländische Studienbewerber sprachlich
und fachlich auf ein Hochschulstudium im
Freistaat Sachsen vor. Darüber hinaus bietet es ausländischen Hörern aller Fakultäten studienbegleitenden Deutschunterricht
an.
Der Verein interDaF e.V. am Herder-Institut bietet auf kommerzieller Basis Sprach-
kurse für Studierende aus dem Ausland und
Interessenten weltweit an. Außerdem können sich in unterschiedlich ausgerichteten
Fortbildungskursen ausländische Wissenschaftler sowie Deutschlehrer im Gebiet
Deutsch als Fremdsprache weiterbilden.
„Die dreiteilige Konstellation hat sich in
den vergangenen Jahren bewährt, weil sie
den teilweise doch sehr unterschiedlichen
Aufgabenbereichen der drei Institutionen
entspricht und dennoch auch ein wechselseitiges Geben und Nehmen ermöglicht“,
erklärt der Geschäftsführende Direktor des
„neuen“ Herder-Instituts, Prof. Dr. Claus
Altmayer.
Zu den Gratulanten der Festveranstaltung
am 8. Dezember 2006, im Alten Senatssaal
gehörte auch Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Meyer, Staatsminister a.D., der sich
in einem Festvortrag die Historie des Instituts würdigte. Außerdem fand anlässlich
des Jubiläums ein eintägiges Kolloquium
zum Thema „Deutsch als Fremdsprache –
Zwischen Wissenschaft und Praxis“ statt.
r.
Den Auftakt der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des Herder-Instituts bildete ein Länderabend unter dem Motto
„Stimmen der Völker” in der „moritzbastei“, gestaltet von Studierenden der drei Einrichtungen.
Foto: Dietmar Fischer
Heft 1/2007
11
UniVersum | Gremien
Sitzung des Senats am 12. Dezember
Senat beschließt Berufungen und diskutiert
Datensicherheit
1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten und stimmte den Denominationsänderungen sowie den jeweiligen
Ausschreibungstexten und Berufungskommissionen für folgende Professuren zu:
W3-Professur „Kirchengeschichte mit
Schwerpunkt Spätmittelalter und Reformationsgeschichte“, W2-Professur „Theaterwissenschaft – Gegenwartstheater/Theatergeschichte“, W3-Professur „Kultur und
Geschichte Chinas“, die W2-Professur
„Gesellschaft Chinas“.
2. Weiterhin stimmte der Senat für Ausschreibungstext und Zusammensetzung
der Berufungskommission für die W2-Professur „Sportbiomechanik“, für die W2Professur „Sportmanagement“ sowie die
Verfahrenseinstellung für die W2-Professur „Allgemeine Pädiatrie/Neontologie“.
3. Die Listenvorschläge für die W2-Professur „Organische Chemie/Katalyse“ sowie die W3-Professur „Großtierchirurgie“
bestätigte der Senat.
4. Der Senat diskutierte Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der Einführung der Software HIS-LSF.
5. Die studentischen Senatsmitglieder
wählten Daniel Fochtmann (FS Institut für
KMW) sowie Torsten Preuß (FS Politikwissenschaft) als studentische Mitglieder
des Wahlausschusses; Eleni Andrianopulu
(FS Romanistik/Klassische Philologie/Komparatistik) sowie Fabian Keppler (FS Chemie und Mineralogie) als Ersatzmitglieder.
6. Der Senat beschloss weiterhin vorgelegte Studiendokumente der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, der Fakultät
für Mathematik und Informatik, der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und
Psychologie sowie der Fakultät für Physik
und Geowissenschaften.
7. Der Senat beschloss eine vorgelegte
Korrektur im Ablauf des Akademischen
Jahres 2007/2008.
8. Aus aktuellem Anlass eines „Hack-Versuchs“ diskutierte der Senat auf Anfrage
der studentischen Senatoren die Datensicherheit an der Universität Leipzig.
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
600 Gäste
beim Tanzfest
des Hochschulsports
Das Tanzfest des Hochschulsports hat
Mitte Januar mehr als 600 Zuschauer in
den „Anker“ gelockt. Begeistert feierten
sie mit den über 280 Aktiven ein Fest
der Bewegung. Das zum 16. Mal vom
Zentrum für Hochschulsport ausgetragene Tanzfest bot Einblicke in unterschiedliche Genres und die multikulturelle Vielfalt des Tanzbereiches an der
Universität Leipzig. Erstmals wurde
auch Line Dance in das Programm aufgenommen. Mehr als 30 Übungsleiter
haben während des Wintersemesters
die Studenten auf ihren Auftritt vorbereitet.
Fotos: Dietmar Fischer
12
journal
Das Rektoratskollegium ist komplett: Rektor Franz Häuser (3. v. l.) sowie die Prorektoren Wolfgang Fach, Martin Schlegel und
Robert Holländer (von links). Auf dem Bild fehlt Kanzler Frank Nolden.
Foto: Dietmar Fischer
Rektoratskollegium komplett
Prof. Fach neuer Prorektor für Lehre und Studium
Das Rektoratskollegium der Universität
Leipzig ist wieder komplett. Das Konzil
wählte am 19. Dezember Prof. Dr. Wolfgang Fach nach vorläufigem Ergebnis mit
133 Ja-Stimmen (12 Nein-Stimmen, 2 ungültige Stimmen) zum neuen Prorektor für
Lehre und Studium. Die Wahlbeteiligung
lag bei 66,2 Prozent. Prof. Fach tritt damit
die Nachfolge von Prof. Dr. Charlotte
Schubert an. Seine Amtszeit geht bis zum
1. Dezember 2009.
Professor Fach hatte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaft studiert
und war bis 1992 als wissenschaftlicher
Assistent, Universitätsdozent sowie Professor für Politische Wissenschaft an der
Universität Konstanz tätig. Seit 1992 hat
der Politikwissenschaftler die Professur für
Politische Theorie an der Universität Leipzig inne. Seit dem Jahr 2002 engagiert sich
Fach als Dekan für die Fakultät Sozialwissenschaft und Philosophie.
Das Rektoratskollegium besteht nunmehr
aus dem Rektor, Professor Dr. Franz
Häuser, dem Prorektor für Forschung und
wissenschaftlichen Nachwuchs, Professor
Dr. Martin Schlegel, dem Prorektor für
strukturelle Entwicklung, Professor Dr.
Robert Holländer, dem Prorektor für Lehre
und Studium, Professor Dr. Wolfgang
Fach, sowie Kanzler Dr. Frank Nolden.
r.
Sitzung des Senats am 16. Januar
Wichtiger Etappensieg im Exzellenzwettbewerb
1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten; dies betraf den Ausschreibungstext und die Zusammensetzung der Berufungskommission für die
W3-Professur „Entwicklungsbiologie mit
Schwerpunkt endogene Gewebs- und Organentwicklung und Regeneration“ und für
die W3-Professur „Bodenökologie“, die
gemeinsam mit dem UFZ Leipzig-Halle
GmbH besetzt wird. Weiterhin bestätigte
der Senat den Ausschreibungstext und die
Zusammensetzung der Berufungskommission für die W2-Professur „Geologie“.
2. In seiner Sitzung stimmte der Senat
der Verleihung der Ehrendoktorwürde an
den Literaturwissenschaftler Professor Dr.
Charles Bonn (Université de Lyon 2) durch
die Philologische Fakultät zu.
3. Entsprechend der Vorlage des Kanzlers
beschloss der Senat nun die Ordnung des
Translationszentrums für Regenerative
Medizin (TRM), das bereits im vergangeHeft 1/2007
nen Jahr zum 1. Oktober 2006 gegründet
wurde.
4. Zur Kenntnis gegeben wurde dem Senat die aktuelle Zusammensetzung der
Research Academy Leipzig (RAL) mit
ihren Graduiertenzentren „Mathematik/
Informatik und Naturwissenschaften“,
„Lebenswissenschaften“ sowie „Geistesund Sozialwissenschaften“. (www.unileipzig.de/~ ral)
5. In einem zusätzlichen Tagesordnungspunkt berichtete Kanzler Dr. Nolden über
den aktuellen Stand der Einführung der
Software HIS LSF.
6. Rektor Prof. Dr. Franz Häuser informierte den Senat über den aktuellen Erfolg
in der Exzellenzinitiative von DFG und
Wissenschaftsrat. Die Universität Leipzig
hat mit ihrem Exzellenzcluster „Felix
Klein Center for Mathematical Sciences
and their Application“ sowie mit der
Graduiertenschule „BuildMoNa. Leipzig
School of Natural Sciences – Building with
Molecules and Nano-objects“ die Endrunde erreicht. Professor Häuser übermittelte dem Senat die Gratulation der
Ministerin Dr. Eva-Maria Stange (SMWK)
und die ihrerseits erklärte Bereitschaft, die
Universität auf ihrem Weg deutlich zu unterstützen (siehe auch Beitrag S. 9).
7. Außerdem berichtete Rektor Häuser
über den aktuellen Stand zum Campusneubau am Augustusplatz und die Ergebnisse
der Großen Baukommission im Dezember
2006: Um die rechtzeitige Fertigstellung zu
gewährleisten sei der Bauabschnitt IV
(neues Hauptgebäude mit Aula und Audimax) vom Gesamtbau entkoppelt. Professor Häuser berichtete dem Senat über die
ausführlichen Besprechungen zur Ausgestaltung der Aula.
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
13
Forschung
„Eine Ansammlung von
Molekülen kann beißen
oder liebenswürdig sein“
Leipzig als erste ostdeutsche Uni Mitglied des
Institute for Complex Adaptive Matter (ICAM)
Von Dr. Bärbel Adams
Wissenschaftler dringen immer tiefer in die
Gesetzmäßigkeiten der Welt ein, um vielleicht eines Tages des Pudels Kern zu finden, mit dem sich alles erklären lässt.
Wenn, ja wenn da nicht etwas wäre, was
sich derartigen Erklärungsversuchen entzöge.
„Der Reduktionismus in der Wissenschaft
(beispielsweise die Suche nach der Weltformel in der Physik) hat uns in Westeuropa sehr voran gebracht, das ist in der
Tat das, was unsere Gesellschaften prägt.
Dieses Streben wirkt aber der Einheit der
Wissenschaften entgegen, auch das ist
nichts Neues, wird jedoch in den letzten
Jahrzehnten oft unter den Teppich gekehrt“, erklärt Prof. Dr. Jürgen
Haase, Leiter der Arbeitsgruppe Magnetische Resonanz
Komplexer
Quantenfestkörper am
Institut für Experimentelle Physik II.
„Wir können heute
schon mit großer Sicherheit die Anzahl
und die Art der Atome,
aus denen ein Mensch aufgebaut ist, angeben, daraus
unter anderem sein Gewicht ableiten und vielleicht sogar auf gewisse
Krankheiten schließen, aber über viele
andere, sehr wichtige Eigenschaften der
Person können wir fast gar nichts sagen.
Eine höhere Präzision bei der Bestimmung
der Bestandteile wird Fortschritte bringen, aber niemals ausreichen, um alle
anderen wichtigen Eigenschaften zu charakterisieren. Eine Ansammlung von Molekülen kann beißen oder liebenswürdig
sein. “
14
Eben weil das Ganze mehr ist als die
Summe seiner Teilchen, haben sich exzellente Wissenschaftler aus aller Welt zusammengefunden, um die vereinigenden Elemente der Wissenschaften wieder mehr zu
betonen, das Ganze im Auge zu haben,
ohne das Einzelne zu unterschätzen.
Mit Substanz spinnen
ICAM – das Institute for Complex Adaptive Matter – wurde geboren, zunächst
1999 in Los Alamos National Laboratory;
ins Leben gerufen von renommierten
amerikanischen Wissenschaftlern der Universität von Kalifornien, hat es sich bis
heute zu einem multizentrischen Forschungsprogramm mit interdisziplinärer
Ausrichtung auf dem Gebiet der physikalischen, chemischen und biologischen Wissenschaften entwickelt.
ICAM unterstützt Forschungsprojekte
und Ausbildungsprogramme, organisiert
Workshops, Symposien Fellowships, For-
schungs- und Ausbildungsnetzwerke. Eine
ausgeprägte Kommunikations- und Leitungsstruktur trägt zur erfolgreichen Arbeit
von ICAM bei, die zum Beispiel von der
National Science Foundation und der Richard P. Lounsbery Foundation unterstützt
wird.
Charakteristisches Merkmal von ICAM ist
die Unterstützung wissenschaftlicher Forschung und vor allem junger Wissenschaftler außerhalb bestehender Strukturen. Gefördert werden außerdem nicht nur ICAMMitglieder. „Wir wollen junge, fähige
Menschen fördern, egal aus welchem
Land. Wir glauben an sie, sie sollen unbürokratische Hilfe bekommen. Wir
sind der Meinung, dass junge, interessierte Menschen nicht
nur auf Grund von bereits
vorhandenen Veröffentlichungen oder weil
sie ein Poster vorbereitet haben, zu einer
Konferenz
fahren
dürfen. Wenn sie die
ernste Absicht haben,
und die will unser Netzwerk unbürokratisch feststellen, dann bekommen sie
ihr Geld. 70 Prozent diesbezüglicher Ausgaben gehen an junge Leute,
solche, die noch keine feste Stelle haben.
Nicht mehr als 30 Prozent kann an ältere
gehen“, sagt Prof. Haase.
Studenten und junge Wissenschaftler sollen ausdrücklich ermutigt werden, eigene,
tragfähige Ideen zu verfolgen, auch „mit
Substanz zu spinnen“, meint Prof. Dr. Josef Käs, Leiter der Abteilung Physik der
weichen Materie.
Beide Professoren, Haase und Käs, sehen
in ICAM nicht nur eine Möglichkeit, Netzjournal
Forschung
Prof. Dr. Daniel Cox, University of
California und Co-Direktor von ICAM
hielt das 1. Leipziger ICAM-Kolloquium.
werke zu bilden und junge Wissenschaftler
zu fördern – das ist auch auf andere Weise
möglich. Sie sehen vielmehr hinter den
Ideen, die durch ICAM realisiert werden,
einen notwendigen Schritt, den die Wissenschaft gehen muss.
„Wir wollen ICAM lokal auch zu einer
Sache der Universität machen“, erläutern
beide die Zielstellung, mit der sie erfolgreich eine Mitgliedschaft der Universität
Leipzig am Institute for Complex Adaptive
Matter beantragten. Damit ist die Universität Leipzig die erste ostdeutsche Universität in diesem Verbund, in dem sie sich
mit so namhaften Einrichtungen wie der
Princeton University, der University of
California, der Boston University, der
University of Chicago, der Stanford University, der University of Cambridge, einigen deutschen Max-Planck-Instituten, um
nur einige zu nennen, in einer Reihe befinden.
Exzellenz einbinden und
sichtbar machen
Beide sind stolz auf diesen Erfolg, der
schon eine gehörige Portion wissenschaftliche Kompetenz erfordert, die dem entscheidenden Gremium bekannt sein muss.
Kurz: Ohne Exzellenz kein Beitritt. Prof.
Käs arbeitet jetzt im Science Steering
Committee des ICAM, das über die wissenschaftliche Tragfähigkeit eingereichter
Anträge entscheidet und u. U. wissenschaftliche Auflagen erteilt. Prof. Haase
arbeitet am Board of Governors, das die
Gesamtleitung überwacht etc. Beide vertreten sich gegenseitig und werden ihr Amt
auch einmal austauschen.
Jedes Mitglied zahlt zunächst 10.000 USDollar in die zentrale ICAM-Kasse ein,
Heft 1/2007
weitere 10.000 Dollar werden vor Ort, also
in unserem Falle an der Universität Leipzig, deponiert. Hinzu kommen Mittelzuweisungen, für die Uni Leipzig zum Beispiel 3,5 Millionen US-Dollar für die
nächsten fünf Jahre von der National
Science Foundation, einer Einrichtung in
den USA, die vergleichbar mit der DFG bei
uns ist. Grund: die gezeigte Exzellenz. Zugleich versuchen die Wissenschaftler von
den wissenschaftsfördernden Einrichtungen in Deutschland und der EU Mittel zu
bekommen, die dem gleichen Anliegen
dienen sollen.
Türkische
Gastprofessur
für Hey-Hawkins
Bürokratie ist zweiter Sieger
Lokal haben Haase und Käs ein ICAMKolloquium eingerichtet, mit dem sie sich
an die zweimal jährlich stattfindenden
ICAM-Sitzungen anlehnen. „Die Anzahl
der Stunden, die wir mit Bürokratie (Leitungsaufgaben) verbringen, ist immer kleiner als die Anzahl der Stunden während
derer wir Vorträgen von der wissenschaftlichen vordersten Front lauschen und selbst
unsere wissenschaftlichen Aktivitäten darstellen“, kommentiert Prof. Haase.
Der Hauptvortrag des 1. Leipziger ICAMKolloquiums wurde gehalten von Prof. Dr.
Daniel Cox, University of California und
Co-Direktor von ICAM, zum Thema „Physik amyloider Erkrankungen“. Das sind
degenerative Erkrankungen wie Alzheimer. Ein weiterer kleiner Vortrag mit anschließender Diskussion zum International
Institute for Complex Adaptive Matter
schloss sich an. Ein nächster Vortrag ist geplant. Die Wissenschaftler hoffen auf rege
Beteiligung.
2. ICAM-Kolloquium
Frau Prof. Ka Yee Lee, Department of
Chemistry University of Chicago. Mitglied des Science Steering Committees
von ICAM
Datum: 12. Februar
Ort: Hörsaal für Theoretische Physik,
Linnéstraße 5
14.30 Uhr: Eröffnungsdiskussion
„Frauen und Naturwissenschaften in
den USA“
15.15 Uhr: Hauptvortrag über Wechselwirkungen zwischen Lipiden und
Proteinen
In Anerkennung ihrer wissenschaftlichen
Leistungen auf den Gebieten der Anorganischen Chemie hat die Leipziger ChemieProfessorin Evamarie Hey-Hawkins eine
Gastprofessur an der türkischen Pamukkale University in Kinikli erhalten. Die
Professur wird durch den Scientific and
Technical Research Council of Turkey
(TÜBİTAK) gefördert, bei dem es sich um
die der Deutschen Forschungsgemeinschaft entsprechende Organisation in der
Türkei handelt.
Gastgebender Professor an der Pamukkale
University ist Assist. Prof. Dr. Mehmet
Karakuş. Im Februar wird die Leipziger
Anorganikerin im Department of Chemistry, Faculty of Arts and Sciences für etwa
zwei Wochen als Gastprofessorin Fachvorträge sowie Vorlesungen für Doktoranden
halten.
Prof. Hey-Hawkins engagiert sich als Sprecherin eines Graduiertenkollegs des Internationalen Promotionsprogramms Forschung in Grenzgebieten der Chemie und
einen der sechs Profilbildenden Forschungsbereiche der Universität Leipzig
(PbF 1, gemeinsam mit Professor
M. Grundmann) in hohem Maße für die
Forschungs- und Studienbedingungen an
der Fakultät für Chemie und Mineralogie.
Ihre wissenschaftlichen Interessen liegen
insbesondere im Bereich von Phosphorund Übergangsmetallverbindungen und
deren Anwendung in Katalyse und Materialwissenschaften, aber auch bei biologisch aktiven Borverbindungen.
Die Pamukkale University wurde 1992 gegründet und ist somit eine junge, moderne
Einrichtung. Gegenwärtig studieren etwa
18 000 Studierende in den sechs Fakultäten
der Pamukkale University.
Dr. Ulrike Helmstedt
15
Forschung
In Sachen Bibel wird immer
noch ermittelt
Leipziger untersuchen in einem internationalen
Forschungsprojekt den Codex Sinaiticus
Von Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, Universitätsbibliothek
Es hört sich immer wieder wie ein Krimi
an, wenn man die Geschichte des Codex
Sinaiticus oder der „Sinai-Bibel“, wie der
Entdecker der Handschrift sie nannte, erzählt. Konstantin von Tischendorf brach
1844 von Leipzig auf, um das Kloster am
Fuße des Sinai zu besuchen. Und er brachte
damals 43 Blätter des äußerst wertvollen
Manuskriptes mit, die bis heute in der
Universitätsbibliothek Leipzig aufbewahrt
werden. Dieser Schatz – war er im 19. Jahrhundert den Mönchen des Katharinenklosters nichts wert? Wir wissen es nicht, nur
eines steht fest: Die Blätter aus feinstem
Pergament wurden einem Theologen und
Bibelforscher gegeben, der wie kaum ein
anderer dessen würdig war.
Tischendorfs Gelehrsamkeit erstaunt bis
heute. Er bewegte sich wie selbstverständlich in der Geisteswelt des 4. Jahrhunderts,
er las, verstand und identifizierte problem-
los griechische Handschriften aus dieser
Zeit, und er war erfüllt von der selbstgestellten Aufgabe, die ältesten Zeugnisse
des Bibeltextes zu finden. 1844 hatte er
Glück, nicht zum letzten Mal, und seine
Zeitgenossen fieberten mit ihm.
In der Augsburger Allgemeinen Zeitung
bekamen sie am 2. Oktober 1844 „Tischendorfs paläographischen Fund“ vermeldet,
wie drei Monate später seine Rückkehr
nach Sachsen am 20. Dezember. Im Gepäck hatte Tischendorf außer den Blättern
der Sinai-Bibel noch viele andere wertvolle
Handschriften. Der Gelehrte edierte seine
Funde, und so besitzen wir eine Lithographie aus dem Jahre 1846, welche in bewunderswerter Genauigkeit das Original der
Leipziger Bibelhandschrift abbildet.
Dieser erste Teil des Krimis zeigt uns Tischendorf gewissermaßen als Kommissar,
als Ermittler, der etwas findet und doku-
Konstantin von Tischendorf brach 1844 von Leipzig auf, um das Kloster am Fuße
des Sinai zu besuchen. Er brachte damals 43 Blätter des äußerst wertvollen Manuskriptes mit, die bis heute in der Universitätsbibliothek Leipzig aufbewahrt werden.
Foto (Ausschnitt): Universitätsbibliothek
16
mentiert. Zwar gab es die Nachricht von
der Existenz des (heute so genannten)
Codex Sinaiticus schon im 18. Jahrhundert, aber erstTischendorf ordnete ihn zeitlich genauer ein, transkribierte und kommentierte seinen Fund. Der zweite Teil des
Krimis ist nicht so eindeutig erzählbar,
denn dafür kursieren zwei Versionen.
Fakt ist, dass Tischendorf noch zweimal ins
Katharinenkloster fuhr und weitere Teile
der alten Handschrift zu finden hoffte. Auf
seiner dritten Reise 1859 war es soweit: Er
hielt das gesamte Neue Testament in Händen, 347 Blätter. Überliefert ist seine Erschütterung in Zeilen, die er seiner Frau
zukommen ließ: „Ich hatte die Tränen im
Auge, und das Herz war mir ergriffen wie
noch nie. […] ich fühlte es im tiefsten,
tiefsten Herzen: Was mir nicht Ruhe gelassen hat zu Hause, so sehr es auch an das
menschliche Trachten und Verlangen sich
anlehnte, das war der Ruf des Herrn. Hatte
ich mir’s schon immer gesagt: ich gehe im
Namen des Herrn und suche nach Schätzen, die seiner Kirche Frucht tragen sollten: jetztwußt’ ich’s und erschrak wahrhaftig vor der Wahrheit selber. Die ganze
Handschrift, so wie sie nun ist, ist ein unvergleichliches Kleinod für die Wissenschaft und die Kirche. […] Was wird das
für Sensation überall und natürlich in
besonderstem Maße in Leipzig erregen.“
(Brief aus Kairo vom 15. Februar 1859)
Tischendorf hat diesen zweiten Fund im
Auftrag des russischen Zaren Alexander II.,
der seine Reise finanzierte, nach Kairo und
dann nach St. Petersburg mitgenommen;
ein Schenkungsvertrag wurde erst zehn
Jahre später unterzeichnet. Das Katharinenkloster bezweifelt bis heute die Rechtmäßigkeit der Abgabe, aber die Mönche
wirken nun doch mit in einem Projekt zur
Erschließung der Handschrift im Internet.m
Und das ist die neue frohe Botschaft des
21. Jahrhunderts: Auch wenn Täter und
journal
Forschung
Opfer beim Transfer der 347 Blätter im
Jahre 1859 nicht mit Bestimmtheit auszumachen sind, arbeiten die besitzenden Institutionen zusammen, um das zusammenzuführen, was die Geschichte der Entdeckung auseinandergerissen hat.
Wie ist die Lage heute? Die Petersburger
Blätter wurden 1933 nach London verkauft
und liegen jetzt in der British Library, die
Leipziger Blätter bilden den zweitgrößten
Teilbestand der Handschrift. Im Kloster
selbst wurden 1975 noch zwölf ganze Blätter und elf Fragmente gefunden, dazu kommen einige wenige und sehr kleine Fragmente, die in der Sammlung byzantinischer
Handschriften der Russischen Nationalbibliothek liegen. Alle diese Institutionen
haben im Jahr 2005 eine Kooperation unterschrieben mit dem Ziel, ein virtuelles
und ein reales Faksimile herzustellen und
dazu die Blätter eingehend konservatorisch
zu analysieren, sie zu fotografieren und
geschlossen zu transkribieren.
Bibelwissenschaftler aus Münster und Birmingham wirken an diesem komplexen
Projekt mit, für das die British Library
allein fast eine Million Pfund eingeworben
hat. Stiftungen und private Geldgeber sind
beteiligt, auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat Gelder bewilligt, die für die
Technik der Homepage beantragt wurden.
Konservatoren in London und Leipzig sind
augenblicklich dabei, die einzelnen Blätter
sehr genau zu untersuchen, weil man kleinere Schäden protokollieren will, vor allem
aber, weil man der Geschichte des Textes
auf die Spur kommen möchte.
Die Blätter der Sinai-Bibel geben wesentlich mehr als den Text des Alten und des
Neuen Testaments (das bis heute im Codex
Sinaiticus am frühesten vollständig überliefert ist), sie geben auch Korrekturen, Ergänzungen und Kommentare aus etwa
1000 Jahren: Man hat ganz offenbar mit
der Handschrift seit dem 4. Jahrhundert gearbeitet. Das ist verständlich, wenn man
sich die Anstrengung zur Kostbarkeit vor
Augen hält, die dem Text ablesbar ist. Geschrieben auf Pergament, angelegt als
Buch und nicht als Rolle: das sind schon
zwei buchhistorische Besonderheiten, zumal angesichts des ungewöhnlich großen
Formats und der daraus resultierenden Anordnung des Texts in vier Spalten pro Seite.
Feinstes Pergament, vermutlich Kalb (vielleicht auch Gazelle), sehr schöne Schrift,
erkennbar um Einheitlichkeit bemüht, auch
wenn man inzwischen drei oder vier verschiedene Schreiber mit Sicherheit ausmachen kann.
Heft 1/2007
Wo diese Bibel hergestellt wurde, ist nicht
bekannt, aber man vermutet, dass der
Codex Sinaiticus eine der 50 Niederschriften der Bibel ist, die von Kaiser Konstantin kurz nach der formellen Einweihung
von Konstantinopel am 11. Mai 330 in Auftrag gegeben wurden. In einem Brief an
den berühmten frühchristlichen Gelehrten
Eusebius, Bischof von Caesarea, hatte
Konstantin verlangt, dass Exemplare der
Bibel von professionellen Schreibern hergestellt und leicht zu lesen sein müssten.
Ein Kleinod für die Forschung
In jedem Falle spiegelt der Codex den steigenden Status der christlichen Kirche und
ihre zunehmende Unterstützung und Verbreitung unter den Reichen und Mächtigen
während des 4. Jahrhunderts wider. Nicht
zuletzt verdankt sich die Herstellung dieses Buches der Bemühung, eine abschließende Sammlung von Texten zu etablieren,
welche die christliche Bibel definierten.
Aus der Zeit vor dem Codex Sinaiticus
(und dem vermutlich zeitgenössischen
Codex Vaticanus, dessen Neues Testament
unvollständig ist) sind zwar einzelne Pergamentblätter erhalten, sie lassen sich aber
auf nur sieben Handschriften von Teilen
der Bibeln zurückführen; eine ganze Bibel
ist aus der Zeit vor dem Codex Sinaiticus
nicht überliefert und hat vermutlich nicht
existiert.
Das laufende und bis 2009 oder 2010 geplante Codex-Sinaiticus-Projekt, zu dem
sich die Universitätsbibliothek Leipzig, die
British Library, die Russische Nationalbibliothek und das Katharinenkloster auf
dem Sinai verpflichtet haben, umfasst vier
Arbeitsbereiche: konservatorische Behandlung, Digitalisierung, Transkription
mit wissenschaftlicher Kommentierung
und Verbreitung der Projektergebnisse.
Dazu kommt die historische Erforschung
der Geschichte des Codex. Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse ist Bestandteil des Projektes. Unter den angestrebten Resultaten ist die frei zugängliche
Internet-Präsentation am wichtigsten, beruhend auf digitalen Bildern der gesamten
Handschrift und einer wissenschaftlichen
Transkription des gesamten Textes einschließlich der im Manuskript verzeichneten Korrekturen. Die Leipziger Projektgruppe, unter der Gesamtverantwortung
des Direktors der Universitätsbibliothek
Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, besteht aus Mustafa Dogan (technischer
Koordinator für das gesamte Projekt bis
2008), Ute Feller (Restauratorin) und Elisabeth Fritsch (Fotografin); mitwirkende
UB-Mitarbeiter sind (in betreuender und
beratender Funktion) Dr. Christoph Mackert, Dr. Almuth Märker und Dr. Sophia
Manns.
Übrigens: Die Universitätsbibliothek hat
eine reich bebilderte Broschüre (48 Seiten,
7 Euro) zur Sinai-Bibel herausgegeben, deren erste Auflage von 1000 Stück nach vier
Wochen ausverkauft war; die zweite Auflage ist in der Albertina (Ausleihtheke) und
gegen schriftliche Bestellung mit Rechnung erhältlich.
Die Leipziger Blätter bilden den zweitgrößten Teilbestand der Handschrift. Sie werden derzeit von Leipziger Wissenschaftlern in einem internationalen Forschungsprojekt untersucht.
Foto: Dietmar Fischer
17
UniCentral
Der Euro ist kein UFO
Eine Erfolgsgeschichte zu Beginn der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft
Prof. Dr. Gunther Schnabl, Institut für Wirtschaftspolitik
Am 1. Januar 2007 konnte der Euro nicht
nur seinen achten Geburtstag feiern (immerhin bestand er schon drei Jahre vor der
Bargeldeinführung als unwiderrufliche
Wechselkursfixierung), sondern es wurde
auch Slowenien als 13. Mitglied in die
Eurozone aufgenommen. Weitere Länder
wie die Baltischen Staaten, die Slowakei,
Malta, Zypern und Bulgarien schicken sich
an, den Euro als offizielles Zahlungsmittel
einzuführen.
Das kontinuierliche Anwachsen der
Eurozone ist Zeichen des Erfolgs. Trotz anhaltender
Teuro-Diskussion,
die
wohl das subjektive
Empfinden von Preissteigerungen in einzelnen Teilmärkten wie
der Gastronomie widerspiegelt,
können
die Währungshüter in
Frankfurt mit Stolz auf
eine historisch niedrige Inflation im Eurogebiet verweisen.
Die Stabilität der europäischen Währung
ist auch international anerkannt. Der Euro
wächst zum weltweiten Zahlungsmittel für
Unternehmen und Privatpersonen heran.
Es steigt auch die Bedeutung des Euro als
offizielle Anker- und Reservewährung für
die Zentralbanken. Immer mehr Länder
binden ihren Wechselkurs an den Euro.
Wachsende Anteile der Devisenreserven
Russlands, des Mittleren Ostens und Ostasiens werden in Euro gehalten. Der Euro
zeigt sich stark auf den Weltdevisenmärkten gegenüber Dollar, Franken und Yen.
Dieser Erfolg war nicht immer abzusehen
und ist nicht unumstritten. Vor seiner Einführung hatte der Euro viele Befürworter
und viele Gegner. Die Argumente für den
Euro waren und sind evident: Wenn Europa
sich zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum zusammenfinden wollte (will), dann
war (ist) auf lange Frist eine „Balkanisie18
rung“, also Zersplitterung des europäischen Währungsraums nicht denkbar.
Eine Studie der Europäischen Kommission
mit dem Titel „one market, one money“
zeigte Anfang der 1990er Jahre sehr plastisch, dass ein Reisender, der an einem Tag
alle Länder der Europäischen Union bereisen wollte, durch die Wechselgebühren fast
die Hälfte seines Reisebudgets verlieren
würde. Kurz: Eine gemeinsame Währung
senkt die Kosten für den Handel, Tourismus und Kapitalverkehr in der
Union.
Trotz dieser Vorteile, gab es
Konflikte, weil in einer
Währungsunion
nur
eine Geldpolitik für
alle möglich ist. Die
geldpolitischen Philosophien in Europa waren aber traditionell
unterschiedlich.
sehr
Deutschland hatte einschneidende Erfahrungen
mit Inflation gemacht. Es verpflichtete seine Zentralbank zur
Geldwertstabilität und machte sie unabhängig vom Zugriff der Politik.
Kleine Nachbarländer wie
die Niederlande, Österreich oder Dänemark
teilten diese Sicht und
hielten ihre Währungen gegenüber der DMark stabil, indem sie
den Zinsentscheidungen der Bundesbank
folgten.
Die Deutschen und deren
kleine Nachbarn profitierten
von stabilen Preisen, niedrigen
Zinsen und einer hohen Kaufkraft der
D-Mark im Ausland. Allerdings verteuert
eine starke Währung auch die Exporte. Die
deutschen Unternehmen mussten lernen
mit der starken Mark zu leben, indem sie
auf Qualität setzten und sich so gegen
wechselkursbedingte Preiserhöhungen absicherten.
Hingegen tendierten Länder wie Frankreich und Italien dazu, Staatsausgaben über
Inflation zu finanzieren. Die Inflationsraten waren deutlich höher als in Deutschland. Die daraus resultierenden schwachen
Währungen begünstigten die Exporte. Italien war nicht nur ein sonniges, sondern
auch ein günstiges Reiseziel für die Deutschen.
Die unterschiedlichen Geldpolitiken führten zu Spannungen innerhalb des Europäischen Währungssystems, das seit Ende der
70er Jahre auf Initiative von Bundeskanzler Schmidt und des französischen Präsidenten Giscard d’Estaing versuchte die
europäischen Wechselkurse stabil zu halten. Schwachwährungsländer waren gezwungen entweder der deutschen Geldpolitik zu folgen oder Abwertungen hinzunehmen, die für eine „Grande Nation“
wenig prestigeträchtig waren.
Die Unzufriedenheit mit der „Diktatur der
DM“ im Europäischen Währungssystem
kann als Grund dafür gesehen werden, dass
Frankreich den Euro forcierte. In einem
paritätisch besetzten Europäischen Zentralbankrat werden
geldpolitische Entscheidungen
demokratisch
gefällt, da jedem Land
unabhängig von dem
wirtschaftlichen Gewicht eine Stimme zusteht.
Das politische Interesse
Deutschlands am Euro
war vergleichsweise gering, da man ohnehin die
Geldpolitik in Europa dominierte.
Eurokritiker befürchteten, dass der Einfluss von ehemaligen Schwachwährungsländern die gemeinsame Währung weicher
als die DM machen würde. Zudem gab es
die Angst, dass in der „Haftungsgemeinschaft Währungsunion“ Länder mit niedrijournal
UniCentral
Die Fragestellungen sind vielfältig. Welchen Einfluss haben Wechselkursbindungen an den Euro auf das Wachstum in Mittel- und Osteuropa? Wie stellt sich das
(noch) dollarisierte Russland auf den Euro
ein? Welche Rolle spielen die europäischen
Erfahrungen für die Währungsintegration
in Ostasien? Wie beeinflusst der Euro die
Reformbemühungen in Deutschland und
Europa?
Die Forschung des Instituts für Wirtschaftspolitik, die empirisch und wirtschaftspolitisch ausgerichtet ist, geht direkt
in die Lehre ein. Im Sommersemester in
die Vorlesungen „International Finance“
und „European Integration“ sowie in das
Hauptseminar „Emerging Markets“.
www.uni-leipzig.de/~wipo
Das kontinuierliche Anwachsen der Eurozone ist Zeichen des Erfolgs, trotz anhaltender Teuro-Diskussion. Die Währung löste zum 1. Januar 2002 die D-Mark ab.
Fotos: Bundesbank
ger Verschuldung (wie Deutschland) gezwungen sein würden, für die Schulden
von hoch verschuldeten Ländern (beispielsweise Italien) aufzukommen.
Man sagt, dass Deutschland zu Beginn der
1990er Jahre dem Euro nur zustimmte, da
es im Gegenzug die Einwilligung der europäischen Partner zur Wiedervereinigung
erhielt. Dennoch blieb die deutsche Verhandlungsposition stark, da eine Währungsunion ohne Deutschland als Zentrum
des europäischen Wirtschafts- und Währungssystems unmöglich gewesen wäre.m
So wurde die Europäische Zentralbank
nach dem Modell der Deutschen Bundesbank gestrickt, in Frankfurt angesiedelt
und wie keine andere Zentralbank der Welt
der Preisstabilität verpflichtet. Die Maastrichtkriterien und der Stabilitäts- und
Wachstumspakt sollten sicherstellen, dass
sich vor Eintritt in die Währungsunion die
Geldpolitiken angleichen und die Staatsfinanzen auch nach Eintritt in die Währungsunion unter Kontrolle bleiben.
Diese Verankerung des Euro in den europäischen Verträgen als stabile Währung ist
bis heute Ursache für Unzufriedenheit.
Französische und italienische Unternehmen haben seit der Einführung des Euro an
internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren, da Preiserhöhungen für Exportgüter
nicht mehr durch eine schwächere Währung ausgeglichen werden konnten. Für die
Deutschen ist Urlaub in Italien teuer geworden und die Leistungsbilanzdefizite
Italiens und Frankreichs sind deutlich anHeft 1/2007
gestiegen. Es ist Disziplin bei den Staatsfinanzen gefragt, die Länder wie Polen
oder Ungarn scheuen und deshalb ihre
Europläne deutlich nach hinten verschoben
haben.
Der politische Druck gegen einen stabilen
Euro, der derzeit vor allem aus Frankreich
und Italien kommt, aber auch in Polen
deutlich ist, ist nicht zu unterschätzen. Dies
hinterlässt Unsicherheit bezüglich der Zukunft des Euro. Die Stabilität des Euro
bleibt eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Aufgaben in Europa, um die auch
heute noch gerungen wird.
Die Wissenschaft ist dem
Teuro auf der Spur
Der Euro ist kein Unbekanntes Forschungsobjekt (UFO). Auch die Wissenschaft diskutiert das Pro and Contra einer
starken Währung und versucht dem Teuro
statistisch auf die Spur zu kommen, (was
nicht einfach ist). Das Institut für Wirtschaftspolitik der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig hat
einen wichtigen Forschungsschwerpunkt
auf die internationale Rolle des Euro gelegt. Wir erforschen – unter anderem in
Kooperation mit Wissenschaftlern an der
Universität Stanford, der Katholischen
Universität Leuven und der Deutschen
Bundesbank – die steigende Bedeutung des
Euro in Mittel- und Osteuropa, in Russland
und Ostasien.
Was bedeutet
Europa?
Eine Umfrage von Ulrike Thiele
Kasia Marks (25)
aus Lodz (Polen),
studiert Deutsch
als Fremdsprache,
Kulturwissenschaft und Polonistik an der Universität in Leipzig:
Ich bin vor viereinhalb Jahren als Erasmus-Studentin nach Leipzig gekommen
und habe dann beschlossen, gleich hier
zu bleiben und mein Studium hier zu beenden. So kann ich die deutsche Sprache und Land und Leute besser kennen
lernen als in Polen. Ich finde es toll, dass
man sich innerhalb Europas frei bewegen und so die vielen Kulturen erleben
kann. Das baut Vorurteile ab und Toleranz auf. Europa bedeutet für mich eine
große kulturelle Vielfalt, die dennoch
zusammen gehört. Die Europäer sind
sich ähnlich in dem, wie sie leben, worüber sie reden und was sie bewegt. Das
merke ich, wenn ich mich mit Franzosen, Deutschen, Italienern oder Spaniern unterhalte. An Leipzig gefällt mir,
dass es so viele Studenten gibt. Was ich
nicht so mag, ist die Anonymität in den
Vorlesungen und Seminaren. Das war
bei mir zu Hause in Lodz anders, da
kannten sich alle.
19
UniCentral
ERASMUS
Das Erasmus-Programm der Europäischen Union soll die Zusammenarbeit
von Hochschulen innerhalb der EU und
anderen europäischen Ländern wie der
Türkei, Schweiz, Norwegen und EUBeitrittskandidaten fördern und ermöglicht Studenten und Dozenten Gastsemester in diesen Ländern. Ins Leben
gerufen wurde das Erasmus-Programm
1987. Die Abkürzung Erasmus bedeutet
European Region Action Scheme for the
Mobility of University Students. Namensgeber ist der im 15. Jahrhundert geborne niederländische Humanist Erasmus von Rotterdam.
Erasmus ist Teil des Sokrates-Programms, das neben der Hochschulbildung auch Schul- und Erwachsenenbildung fördert. Zentraler Bestandteil sind
die Anerkennung von Studienleistungen
im Ausland anhand des European Credit
Transfer Systems (ECTS) und die finanzielle Unterstützung von Austauschstudenten.
www.esn.org
ECTS
Hinter dem Akronym verbirgt sich das
Europäische System zur Übertragung
und Akkumulierung von Studienleistungen (European Credit Transfer System),
welches sicherstellen soll, dass die von
Studenten erbrachten Leistungen an
Hochschulen des europäischen Hochschulraumes vergleichbar sind und bei
einem Wechsel von einer zur anderen
Hochschule auch grenzüberschreitend
angerechnet werden. Ermöglicht wird
dies durch den Erwerb von Leistungspunkten (credit points). Basis ist das Arbeitspensum, das die Studierenden absolvieren müssen, um die Ziele eines
Studienprogrammes/Moduls zu erreichen. Die ECTS werden seit 1989 in weiten Teilen Europas auf Leistungsscheinen ausgewiesen, doch erst mit dem Bologna-Prozess ist es zu einer „harten
Währung“ geworden. An der Universität
Leipzig wurde ECTS für den Austausch
nach Angaben des Akademischen Auslandsamtes bislang umfassend genutzt.
Es ist mittlerweile eine heimische Messgröße für akademische Leistungen.
http://ec.europa.eu/education/
programmes/socrates/ects/
index_de.html
T. D. H.
20
Von Leipzig in die
Reger Austausch: Die Universität
Studierenden und Forschern mehr
Von Tobias D. Höhn
Die internationalen Beziehungen der Universität Leipzig haben in den vergangenen
Jahren einen deutlichen Schub erfahren.
„Im Osten Deutschlands führen wir sogar
in einigen Spielarten die Liga an“, bilanziert Dr. Svend Poller, Leiter des Akademischen Auslandsamtes (AAA). Im Studienjahr 2004/2005 (neuere Statistiken sind
bislang nicht verfügbar) entsandte die Universität Leipzig 575 Studenten im Rahmen
des Erasmus-Programms ins Ausland –
mehr als jede andere ostdeutsche Hochschule außerhalb Berlins.
Mindestens ein Viertel der deutschen Studierenden an der Universität Leipzig verbringt einen Teil seines Studiums im Ausland, der Großteil nutzt dafür insbesondere
das Erasmus-Programm der EU. Der Austausch wird dabei mit 321 Hochschulen
gepflegt. Im gleichen Zeitraum nutzen
43 Dozenten die Chance eines Auslandssemesters für Forschung und Lehre.
„Das Interesse der deutschen Studenten für
ein Auslandssemester wächst von Jahr zu
Jahr“, sagt Jane Moros. Die Diplom-Arabistin und Volkswirtin berät Studierende
bei geplanten Auslandsvisiten und führt sie
durch den Dschungel von Antragsformularen und Fördermöglichkeiten. „Heute geht
es vielen nicht mehr darum, irgendwo weit
weg zu fahren, sondern sie wollen gleichzeitig Leistungen erwerben, die sie sich in
Leipzig anrechnen lassen können“, erklärt
Moros. Zwar zählen Frankreich und Spanien immer noch zu den beliebtesten Zielen
der Leipziger Studenten, doch auch osteuropäische Destinationen wie Prag (Platz 5)
und das polnische Krakow rücken auf.
Übrigens: Gebündeltes Wissen ehemaliger
Austausch-Studenten und Berichte über
die Leipziger Partnerhochschulen sind in
der Internetdatenbank KISS übersichtlich
zusammengestellt. Mit wenigen Mausklicks kann nach Land, Stadt oder dem gewünschten Fachbereich gesucht werden.
Die Suchabfrage gibt auch Auskunft über
die für den Austausch verantwortlichen
Ansprechpartner an den Fakultäten der
Universität Leipzig und Erfahrungsberichte ehemaliger Erasmus-Studenten, mit
denen man in Kontakt treten kann. (siehe:
http://db.uni-leipzig.de/kiss)
„Seit der EU-Osterweiterung ist Leipzig
noch attraktiver für Studenten aus Polen,
Tschechien oder Bulgarien“, weiß Poller.
Initiativen wie das vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst seit 2002 initiierte Projekt „Go East“ – Ziel ist die Förderung des akademischen Austausches mit
den Ländern Mittel-, Südost- und Osteuropas sowie den Ländern der GUS, um so das
bisherige Ungleichgewicht im Austausch
abzubauen – unterstützen dies. Ein im Vergleich zu anderen Universitätsstädten moderates Lebenshaltungsniveau und die Umsetzung der Studienreform tun ihr Übriges.
Aber auch außerhalb des Erasmus-Programms werden die Fühler ausgestreckt.
Internationalisierung als
Gradmesser der Qualität
Die Partnerschaften reichen neben den
europäischen Ländern Bulgarien, Finnland, Russland, Ukraine auch in außereuropäische Staaten wie Äthiopien, Argentinien, Brasilien, Chile, China, Japan, Kuba,
Mexiko, Peru, Südafrika, Syrien, Tansania
und natürlich Amerika.
„Internationalisierung ist Bedingung und
zugleich eine Erscheinungsform der Qualität in Lehre, Weiterbildung und Forschung“, sagt AAA-Chef Poller. Gute und
modularisierte Lehre und exzellente Forschung allein führten aber weder zu international ausgerichteten Curricula, noch
steigerten sie die Mobilitätszahlen. „Es bedarf zusätzlicher Faktoren: einer kompetenten Beratungsstruktur für deutsche wie
ausländische Hochschulangehörige, ein effizientes Management der Auslandsbeziehungen und ein hohes Maß an Engagement
und gestalterischer Phantasie der Wissenschaftler wie der Mitarbeiter im Akademischen Auslandsamt.“
journal
UniCentral
Welt und zurück
Leipzig wird bei ausländischen
und mehr beliebt
Und wie attraktiv ist Leipzig für ausländische Studierende? Rund 400 junge Leute
kommen pro Studienjahr befristet für einen
Austausch an die Alma mater, die Mehrzahl der insgesamt 2600 ausländischen
Studierenden schreibt sich jedoch ein, um
einen hiesigen Abschluss zu erwerben.
„Absolut hat sich die Zahl der ausländischen Studierenden in der letzten Dekade
auf etwa 2600 verdoppelt. Sie kommen aus
129 Ländern, was ebenso bemerkenswert
ist, wie der im Vergleich zu westdeutschen
Hochschulen hohe Anteil von Bildungsausländern, also Bewerbern ohne deutsches Abitur. Immerhin sind das zirka 90
Prozent“, erklärt Poller.
Dies bringt für das Akademische Auslandsamt hohe Anforderungen mit sich, um die
Studenten in einer ihnen akademisch und
oft kulturell fremden Welt zum erfolgreichen Abschluss zu führen. „Eine Aufgabe, die nur gemeinsam mit vielen Mitstreitern gelingen kann. Es braucht die
Verbindung von einerseits zentraler Betreuung und Administration durch das Akademische Auslandsamt und andererseits
einer Vielzahl studentischer Initiativen“,
sagt Poller und verweist damit auf die Internationale Studentische Woche, den
DAAD Freundeskreis, Fachschaften oder
WILMA, die Willkommensinitiative für in
Leipzig Mitstudierende Ausländer.
Aber auch für ausländische Nachwuchswissenschaftler ist Leipzig gut gerüstet.
Mit drei geförderten PHD-Programmen
(Promotion an Hochschulen in Deutschland) belegt die Uni im Erasmus-MundusProgramm nach der Universität Göttingen
einen Spitzenplatz im Wettbewerb der
deutschen Hochschulen. Eramus-Mundus
zielt auf die Einrichtung multinationaler
Master-Programme und deren Vermarktung außerhalb Europas. Seit 2005 führt
die Universität Leipzig ein europäisches
Erasmus-Mundus-Konsortium an und errichtete unter anderem den M.A.-Studiengang Global Studies – A European Perspective. Im Rahmen des europäischen
Heft 1/2007
Universitätsnetzwerkes Utrecht Network
wurde zudem 2005 erfolgreich ein Antrag
zum Marketing für international ausgerichtete Master-Programme gestellt.
Abgerundet wird das Portfolio durch international ausgerichtete Studienprogramme
wie der MBA Small Enterprise promotion
and Training – ein gemeinsamer Studiengang von Leipzig und Hanoi – oder internationale Studien- und Ausbildungspartnerschaften in der Chemie mit der Ohio
University in Athens (USA), und der Monash University (Australien).
Was bedeutet
Europa?
Nadine Lindner
(26), Studentin
der Politikwissenschaft, Afrikanistik
und Journalistik
an der
Uni Leipzig:
Ich sehe das europäische Projekt sehr
positiv. Im weiteren Rahmen ist es ein
großer Schrittzu mehr Frieden und Völkerverständigung und ein Symbol für
die Aussöhnung nach dem Zweiten
Weltkrieg. Für mich persönlich bedeutet
die EU Freiheit und Mobilität, die ich
oft und gerne nutze. Ich konnte dank des
Erasmus-Programms ein Semester in
Lissabon studieren. Das ging ohne großen bürokratischen Aufwand und war
eine schöne Erfahrung, denn hier habe
ich ein anderes Land und seine Leute
auch mal im Alltag kennen gelernt. Ich
reise viel in Europa und kann davon profitieren, dass die Grenzen offen sind und
in den Euro-Ländern mit einheitlichem
Geld bezahlt wird.
Auslands-BaföG
Für deutsche Studierende besteht grundsätzlich ein Anspruch auf eine Teilförderung des Studiums im Ausland über das
Bundesausbildungsförderungsgesetz
(BAföG). Grundlegende Voraussetzungen für die Förderung sind bereits zwei
Semester Studium, Unabhängigkeit von
inländischer Ausbildungsphase sowie
Anrechenbarkeit auf Inlandsförderung.
Die Anträge für Auslands-BAföG müssen sechs Monate (bei einem Teilstudium
in den Vereinigten Staaten zwölf Monate) vor Beginn des Auslandsaufenthalts gestellt werden. Weitere Informationen beim Amt für Ausbildungsförderung.
www.studentenwerk-leipzig.de
DAAD Freundeskreis Leipzig
Wie aufregend und spannend das Leben
in einem fremden Land sein kann und
wie nützlich es ist, schnell Kontakt zu
Einheimischen aufzunehmen, wissen die
Mitglieder der Regionalgruppe Leipzig
des DAAD Freundeskreises, allesamt
ehemalige DAAD-Stipendiaten. Ihr Ziel
ist es, aktuelle und künftige DAAD-Stipendiaten zusammenzubringen, ihnen
mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, bürokratische Hürden zu nehmen und
Sprachbarrieren zu überwinden. Gesprochen wird neben Deutsch Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch und Russisch.
www.uni-leipzig.de/~daadfk
Fünf Jahre apropos polen:
Der Studententreff apropos polen: bereichtert seit fünf Jahren die Leipziger
Kulturlandschaft. Ehrenamtlich organisierten seither Studenten der Leipziger
Polonistik mehr als 40 Veranstaltungen,
in den sie einem aufgeschlossenen Publikum das „terra incognita“ näherbrachten. Neben kulinarischen Leckereien aus
dem Nachbarland gab es unter anderem
ein Fußball-Turnier mit Mannschaften
slawischer Länder, zu Weihnachten wurden Sitten und Bräuche vorgestellt und
zum sommerlichen Johannesfest übers
Feuer gesprungen. Zur Jubiläumsveranstaltung im Januar las André Hille aus
seinen Reiseerzählungen „Begengungen
im Land der Birken“.
www.apropospolen.de.vu
T. D. H.
21
UniCentral
Studium, Streik und Sonne
Mit Erasmus in Spanien und Frankreich
Chemiker gehen für ihre Übungen in Labore, Journalisten hospitieren bei Zeitungen und Radiosendern – dann muss ich für
mein Französistik- und Hispanistikstudium
nach Frankreich und Spanien. Gesagt, beantragt, getan. So reizvoll die Vorstellung
von fremden Ländern und Menschen war,
so unterschiedlich waren meine Erlebnisse
bei zwei Auslandssemestern.
Granada war das beste, was mir passieren
konnte. Ich konnte meine Sprachkenntnisse enorm verbessern (auch heute denke
ich noch mehr auf Spanisch, als auf
Deutsch), unterschiedliche Kulturen kennen lernen, einige Leistungsscheine anerkannt bekommen, Kontakte durch ein
Fernsehpraktikum in Spanien knüpfen und
sehr viel Spaß haben.
Was bedeutet
Europa?
Der Anfang für meine Zeit in Spanien war
mit einem Sommersprachkurs im „Centro
de Lenguas Modernas de Granada“ (CLM)
gemacht. Unvergesslich bleibt der schauspielerisch-kreative und aufheiternde Unterricht bei José Plácido. Wir sollten uns in
die spanische Sprache bei Tempi- und Modiwahl hineindenken, anstatt unreflektiert
auswendig zu lernen wie es hierzulande
seit Generationen betrieben wird. Dieser
neue Lehransatz hat mir langfristig einen
Vorteil gegenüber anderen Hispanistikstudenten gegeben. Wir Schüler sollten oft
selbst Lehrer spielen; und wer Fehler
machte, bekam einen Punkt auf die Nase
gemalt. Und das Beste: Da mir für diesen
Kurs schon ECTS-Credits angerechnet
wurden, musste ich im Unisemester weniger Kurse belegen.
Dieser vorzeitige Sprachkurs bereitete
mich also nicht nur sprachlich auf das Studium fern der Heimat vor, sondern gab mir
auch die Möglichkeit schon vor Ort die or-
ganisatorischen Aufgaben vor Unibeginn
zu erledigen (Achtung: Institutionen haben
nur vormittags geöffnet), die Stadt zu erkunden, die spanische Küche kennen zu
lernen.
Wohnungsanzeigen kleben in Granada an
jeder Telefonzelle. Schwierig ist jedoch,
ein Zimmer für nur ein Semester zu finden,
da die Wohnungen in der Regel für das gesamte Studienjahr von September bis Juni
vermietet werden.
Die ersten Kontakte in Spanien waren
schnell aufgetan. Heimweh? Fehlanzeige!
Man muss nur in die Straßen der lebendigen Stadt spazieren: Es gibt so viele schöne
Plätze, Brunnen, Berge, geheimnisvolle
Stadtviertel und viele fröhliche Menschen
in den Straßen.
Sobald man seine WG gefunden hat, wird
alles einfacher und dann so schön, dass
man nicht mehr fort möchte. Die WG kann
zum Erlebnis werden – auch wenn sich
schmutzige Töpfe und Teller in der Küche
Arminé Vardanian
(22), Studentin für
dt.-frz.-engl. Übersetzung an der
Universität Lyon
(Frankreich), derzeit Erasmus-Studentin in Leipzig:
So genau habe ich mir über das Thema
noch keine Gedanken gemacht. Auf jeden Fall hat mir das Erasmus-Programm
erlaubt, in Deutschland zu studieren und
das ist sehr gut. Denn so kann ich die
Sprache besser lernen, als in Frankreich.
Es ist nur ein bisschen schade, dass ich
noch nicht so viele Deutsche kennen gelernt habe, denn sie sind meistens unter
sich. Ich glaube, dass die Leute in Lyon
ein bisschen offener sind, als die Leipziger. Meine Meinung über Deutschland
hat sich bestätigt: Deutschland ist sehr
sauber und die Deutschen sind immer
pünktlich.
22
Die Leipziger ERASMUS-Studentin Antje Lempart und Kommillitonin Silvia vor der
Puento Nuevo in Ronda.
journal
UniCentral
stapeln, andere einem das Kühlschrankfach leer futtern, Spaß gibt es zum Nulltarif.
Die immer schon möblierten Wohnungen
mit TV (in Spanien verpasst man nichts,
wenn man keinen Fernseher hat – aber zum
Sprachenlernen ist er ganz gut), Waschmaschine, Herd, und und und kosten zwischen
130 und 180 Euro. Um den Winter halbwegs ohne Erkältung zu überstehen, empfiehlt sich im Wintersemester eine Wohnung mit Heizung, was keineswegs selbstverständlich im Süden ist. An die technischen Einrichtungen sollte man nicht zu
hohe Erwartungen stellen und sehr wachsam sein. Und: Wenn man aber über längere Zeit eiskalt duschen muss, sollte man
einen Techniker kommen lassen, denn es
wird auch schon mal Warm- und Kaltwasseranschluss vertauscht: dann duscht man,
wie gesagt, kalt und spült in der Toilette mit
kochend heißem Wasser.
Doch auch Studieren will gelernt sein. Den
Stundenplan musste ich mir selbst zusammenbasteln und beim Erasmusbüro melden
– einen Erasmusberater gibt es in Granada
leider nicht. Welchen Luxus wir doch in
Leipzig haben. Stattdessen musste ich
drängeln, bis sich jemand bereiterklärte,
die deutschen Erasmusdokumente auszufüllen.
Die Seminare sind eher wie Vorlesungen
gestaltet, und dem Dozenten sollte man
besser nicht widersprechen. Spanische
Unis leben in Hierarchien. Da bin ich oft
bei Dozenten angeeckt, da ich von Leipzig
gewöhnt bin, als gleichberechtigte Komillitonin behandelt zu werden, mitzudenken
und mich einzubringen.
Die Computersituation war mangelhaft.
Der Computerraum in der Philologischen
Fakultät verfügt nur über 15 Computer. Hat
man einen Platz ergattert, darf man nach
Abgabe des Personalausweises nur eine
halbe Stunde pro Tag in den Raum. Wer
eine Hausarbeit schreiben möchte, sollte
sich unbedingt Laptop und USB-Stick mitbringen.
Da meine Fakultät in Leipzig nur Scheine
als Leistungsscheine anerkennt, zu denen
eine Hausarbeit notwendig ist, sollte man
sich in Leipzig vorher beurlauben lassen.
Mein Tipp: Mit dem spanischen Dozenten
und dem Dozenten der Heimat-Hochschule eine Hausarbeit absprechen, so ist
der Schein sicher.
Granada ist stark von islamischer Kultur
beeinflusst. Dies erkennt man am Baustil,
den engen Gassen, Bögen und detaillierten
Mustern im Stadtviertel Albaycín und der
Heft 1/2007
mittelalterlichen islamischen Palastanlage
Alhambra. Besonders typisch ist für Andalusien der Flamenco. Diesen von Tanz und
Musik geprägten Lebensstil führen meist
die Gitanos, das sind andalusische Zigeuner. Sie leben im Stadtteil des Berges Sacromonte, zumeist in Höhlen. Die nahegelegene Sierra Nevada lädt zu Wandern
und Skifahren.
Außerdem sollte man unbedingt Reisen zur
Moschee von Córdoba, zum Museum und
Geburtshaus Picassos in Málaga, zum „Europabalkon“ in Nerja, nach Sevilla, in das
weiße Städtchen Ronda, in die ländliche
Region Alpujarra, sowie zum Karneval im
schönen Fischerstädchen Cádiz einplanen.
Auch das Mittelmeer ist nach einstündiger
Busfahrt schnell zu erreichen.
Im Sommer kann man sich dann auf die
Städte Tarifa (Surferparadis), Bolonia (mit
der höchsten Düne Europas) und die
Strände von Cádiz (mit der kleinen Bucht
Caleta, in der der vorletzte James-BondFilm gedreht wurde) konzentrieren.
Doch ohne das nötige Kleingeld geht es
auch hier nicht. Mein Erasmusstipendium
von monatlich 100 Euro wurde leider erst
Ende Dezember, also fast am Ende meines
Aufenthaltes, ausbezahlt.
Nicht zu vergessen die unzähligen ERASMUS-Partys. Spätestens am Donnerstag
geht das Wochenende los. Vor Mitternacht
treffen sich die Studenten zu „botellones“
Was bedeutet
Europa?
Therne Rémi (20),
studiert Politikwissenschaft an der
Universität von
Aix-en-Provence
(Frankreich), derzeit Erasmus-Student in Leipzig:
Für mich ist Europa sehr wichtig geworden, seit ich in Deutschland bin. Hier
habe ich viele Studenten aus anderen
Ländern, zum Beispiel Spanier oder Italiener, kennengelernt und gemerkt, dass
sich die Europäer alle ziemlich gleichen. Das hat mich schon überrascht.
Ich habe das Gefühl, dass alle Europäer
zusammen gehören. Die kleinen kulturellen Unterschiede, die dennoch da
sind, bereichern das Ganze. Am Studium in Leipzig gefällt mir besonders,
dass ich in einer WG mit zwei Deutschen und einem Mexikaner wohne. In
Frankreich wohne ich bei meinen Eltern, da gibt es natürlich nicht so viele
Partys wie hier.
Ein „verlorenes“ Semster: Monatelang war die Universität Aix-Marseille I während
des Streiks verbarrikadiert.
Fotos: privat
23
UniCentral
(man mischt selbst mitgebrachte Getränke
und läuft damit durch die Stadt), ab 1 Uhr
morgens geht man in die „bares“ (oft gibt
es das erste Getränk umsonst, wenn man
sich ein Zettelchen auf der Straße unweit
der Bar geben lässt) oder „chupiterias“
(hier gibt es gemischte Liköre: phantasievoll auch mit Schlagsahne), ab 3 Uhr
geht’s dann in die Discos (bis 8 Uhr morgens oder auch noch ein paar Stündchen
länger). Danach kann man sich noch einen
Schawarma (ein arabisch beeinflusster
Döner) kaufen oder geht in eine WG und
kocht Spaghetti. Da wird selbst der fleißigste Student schwach.
Als mein Semester in Spanien im Februar
2006 zu Ende ging, war ich tottraurig. Ich
musste ja auch noch nach Frankreich, um
Französisch zu lernen. Einen so gravierenden Unterschied, dass ich sogar lieber
zurück nach Deutschland geflogen wäre,
hatte ich nicht erwartet. Und dann noch das
Übergewicht meines 80 Kilo schweren Gepäcks! Wieder waren fast 100 Euro weg.m
„Auslandsaufenthalte sollten
Pflicht sein“
Durch den Streik und die Unterbringung in
dem abgelegenen unpersönlichen Wohnheim „Cuques“ (eine WG kann man sich
in Frankreich nur schwer leisten) für
135 Euro im Monat, hätte ich mir dieses
Erasmus-Semester sparen können. Ich
habe wegen des Streiks weder die Sprache
gelernt (Kontakte im Wohnheim zu knüpfen ist sehr schwierig und die Franzosen
habe ich eher als verschlossen und wenig
ausgehfreudig erlebt), noch lohnende Seminare besuchen können. Alles in allem
hatten wir etwa vier Wochen Uni.
Es war jedoch sehr interessant zu erleben,
was die französischen Studenten erreichen
konnten. Gleich zu Beginn des Streiks wenige Tage nach Semesterbeginn wurde die
Uni mit Stühlen und Tischen verbarrikadiert. Täglich wurde demonstriert und regelmäßig über die Fortführung des Streiks
entschieden. Lehrer und Schulleitung demonstrierten mit. Wenn wir in Deutschland
streiken und nicht zu den Seminaren gehen,
haben wir letztendlich Probleme mit den
Scheinen. Deshalb können Streiks hier
nicht erfolgreich und langfristig durchgeführt werden. In Frankreich wurde nach
dem Streik für die Studenten alles möglich
gemacht, die Scheine doch noch zu erhalten – indem der Unibetrieb auf die Sommerferien verlegt wurde.
24
Vor meinem Frankreichaufenthalt, wollte
ich gern für längere Zeit nach Frankreich
gehen. Die menschlich kühle Atmosphäre
und mein Pech bezüglich des misslungenen
Unisemesters haben an meinem idyllischen Frankreichbild massiv gekratzt.
Es kam mir ganz gelegen, dass ich diesen
Aufenthalt mit einer kurzen Forschungsreise nach Mexiko – im Rahmen der Magisterarbeit – mit 15 anderen Studenten der
Uni Leipzig unter der Leitung Prof. Dr.
Alfonso de Toros unterbrechen konnte.
Als Ausgleich für das „verlorene“ Semester organisierte ich mir ein Fernsehpraktikum im spanischen Cádiz, wo ich dann
„wirkliches“ Spanisch gelernt habe. Denn
bei Interviews muss man die Leute auf der
Straße und ihren Dialekt wirklich verstehen.
Fazit: Ich empfehle jedem Studenten einen
Erasmus-Aufenthalt mit anschließendem
Praktikum wahrzunehmen. Für Sprachstundenten sollte dieser sogar Pflicht sein
– am besten schon relativ zeitig im Studium! Außerdem kann man nur auf diese
Art und Weise andere Kulturen kennen und
verstehen lernen. Jetzt möchte ich mein
Studium so schnell wie möglich erfolgreich beenden, um dann in Spanien leben
und arbeiten zu können.
Antje Lempart studiert Hispanistik, Französistik und Journalistik und möchte nach
ihrem Abschluss in Spanien leben und arbeiten.
Was bedeutet
Europa?
Adrian Briggs
(24), Doktorand
Molekularbiologie
am Max-PlanckInstitut für Evolutionäre Anthropologie, Bedford
(Großbritannien):
Europa ist ein beeindruckendes Beispiel
dafür, dass sich Länder, die in ihrer
Geschichte oft verfeindet waren, zusammengeschlossen haben. Persönlich
finde ich es toll, so einfach von einem
Land zum anderen zu reisen und woanders zu studieren und zu forschen. Das
Max-Planck-Institut ist ein typisches
Beispiel dafür, wie sich Menschen aus
den unterschiedlichsten Ländern bereichern können. Die Forschung kommt
nur voran, wenn man sein Wissen teilt.
An Deutschland gefällt mir, dass hier
alles so gut organisiert ist. Und ich habe
den Eindruck, dass besonders die Ostdeutschen sehr loyale, ehrliche Menschen sind. Ich fühle mich wohl hier in
Leipzig und in meinem Institut. Und ich
mag das deutsche Bier. Es ist billig und
schmeckt gut.
Praktikum in Spanien: Interviews und Produktionen auf Spanisch für das Nachrichtenmagazin des Senders „Canal Cádiz Televisión“.
journal
UniCentral
Forschungswerkstatt für
„europäische Juristen“
Wissenschaft über den Tellerrand verlangt auch
Kooperationen zu außeruniversitären Einrichtungen
Von Prof. Dr. Markus Kotzur, LL.M., Institut für Völkerrecht, Europarecht und ausländisches Öffentliches Recht
Wenn zum 1. Januar 2007 die Bundesrepublik Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und Europa sich anschickt, den 50. Geburtstag der Römischen
Verträge zu feiern, so geschieht das in einer global vernetzten Welt, die auch der
kühnste Visionär des Jahres 1957 wohl
kaum hätte vorhersehen können. Neben
dem Nationalstaat als die klassisch ordnungsstiftende Instanz sind vielfältige weitere Akteure getreten, die zu einem neuen
Nachdenken darüber zwingen, was politische Einheit ausmacht, von welchen Entstehungsbedingungen sie abhängt, welchen Gefährdungen sie ausgesetzt ist. Der
profilbildende Forschungsbereich Riskante Ordnungen und das Exzellenzcluster
After Order haben sich an der Universität
Leipzig diesem Nachdenken in notwendig
interdisziplinärer Offenheit verschrieben.
Und für die hiesige Juristenausbildung ist
der „europäische Jurist“, der als Rechtspraktiker, Forscher und Lehrender auch im
Alltag „europäisch“ arbeitet, anspruchsvolles Ideal.
Seit ihrer Wiedererrichtung im Jahre 1993
sind europäisches und internationales
Recht sowie die komparatistische Befassung mit ausländischen Rechtsordnungen
ein fester Bestandteil von Forschung und
Lehre an der Juristenfakultät. Und dank
fakultätsübergreifender Kooperation mit
den Kultur- und Sozialwissenschaften blühen auch Orchideen wie das chinesische
oder arabische Recht. Die European Studies werden von der Juristenfakultät mitgetragen. Zwei Masterstudiengänge, der Europäische Privatrechtsverkehr und das
Recht der Europäischen Integration, maßgeblich von Thomas Rauscher und Rudolf
Geiger ins Leben gerufen, laden in- und
ausländische Studierende zur vertieften
Auseinandersetzung mit dem Europarecht
auf postgraduiertem Niveau ein. Für ein
inspirierendes internationales StudienumHeft 1/2007
feld sorgt schon in frühen Semestern das
Sokrates/Erasmus-Studentenaustauschprogramm.
Hier finden Studierende aus Leipzig und
dem europäischen Ausland ein Diskursforum, das wechselseitiges Lernen ermöglicht, das auf andere Rechtsordnungen und
Rechtskulturen neugierig macht. Auf studentischer Ebene tut die „European Law
Was bedeutet
Europa?
Martin Devesvrotte
(20), studiert Politikwissenschaften
an der Universität
in Lyon, derzeit
Erasmus-Student
in Leipzig:
In der EU sehe ich nur Vorteile für Studenten. Es ist eine sehr große Organisation, die viel Bedarf an jungen und gut
ausgebildeten Leuten hat. Ich selbst
würde gern später in einer europäischen
Institution arbeiten, vielleicht im Europäischen Parlament oder in der Kommission. Hier in Leipzig habe ich schon
viele Leute kennen gelernt. Hauptsächlich sind das aber auch ausländische
Studenten wie ich. Mit Deutschen habe
ich noch nicht so viel zu tun gehabt. Ich
glaube, es dauert ein wenig, bis man mit
ihnen warm wird aber wenn man sie
erstmal kennt, sind sie nett. Zwischen
dem Studium hier und in Frankreich
sind mir bis jetzt keine großen Unterschiede aufgefallen, die Systeme sind
fast gleich.
Student’s Association“ (ELSA) mit großem Engagement das ihrige, diese Neugier
(nicht nur im Hörsaal) zu fördern, Konferenzen zu organisieren oder Praktika zu
vermitteln.
Der europäische Jurist sollte von Anfang
an über den europäischen Tellerrand hinausblicken. Dazu gibt es zwei interessante
Programmangebote. Gemeinsam mit der
University of Miami, School of Law, veranstaltet die Juristenfakultät ein Seminar
für je acht bis zehn Studierende beider
Institutionen. Bei den Sitzungen im Januar
(Miami) und Mai (Leipzig) dieses Jahres
werden in englischer Sprache Themen des
Internationalen Privatrechts, des Völkerund Europarechts sowie der Rechtsvergleichung diskutiert – ein „transatlantischer
Dialog“, der auf beiden Seiten großen Anklang findet.
Fächerübergreifende Lehre
Seit Sommer 2006 bietet die Leipziger
Universität in Verbindung mit der University of Chicago eine „Summer School“
zum Themenfeld Europa an. Der europarechtliche Lehrstuhl ist an einer interdisziplinären Lehrveranstaltung zum Thema
„European Citizenship and Minorities“ beteiligt. Und noch eine „Summer School“
steht für 2007 auf dem Programm. Gemeinsam mit der Bayreuther Forschungsstelle für Europäisches Verfassungsrecht
(Prof. Dr. Dr. h.c. mult. P. Häberle) und
dem Inter-University Centre Dubrovnik
geht es in der Pfingstwoche kroatischen
und deutschen Studierenden um die „Europäische Verfassungszukunft“. Den Blick
nach Osteuropa (etwa Ungarn und Polen)
eröffnen auch Kooperationsprojekte der
zivil- und strafrechtlichen Institute an der
Juristenfakultät.
Den institutionellen Rahmen für europarechtliches Forschen schaffen nicht zuletzt
25
UniCentral
die Institute für ausländisches und europäisches Privat- und Verfahrensrecht (Prof.
Dr. Thomas Rauscher) sowie Völkerrecht,
Europarecht und ausländisches öffentliches Recht (Prof. Dr. Helmut Goerlich,
Prof. Dr. Franz Häuser, Prof. Dr. Markus
Kotzur, LL.M.).
Seit seiner Auflösung sind die Bestände
des Europäischen Dokumentationszentrums neben der Universitätsbibliothek den
beiden Instituten zugeordnet. Voriges Jahr
konnten etwa Gastvorträge der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments oder
einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin am
Bundesverfassungsgericht auch die außeruniversitäre Öffentlichkeit für Grundsatzfragen der aktuellen Entwicklung des
Europäischen Verfassungsvertrages gewinnen. Ein programmatisches Grundlagenreferat von G. Teubner zur „Globalen
Zivilverfassung“, gemeinsam mit der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie veranstaltet, bot den eindrucksvollen Auftakt der Zusammenarbeit im Exzellenzcluster After order.
Intensiver Austausch nötig
Was bedeutet
Europa?
Desislava Deseva
(22) aus Plovdiv
(Bulgarien), Studentin der Kommunikations- und
Medienwissenschaft und Italienisch an der Uni
Leipzig:
Dass Bulgarien seit diesem Jahr zur EU
gehört, hat mir gleich praktische Vorteile gebracht. So brauche ich jetzt kein
Visum mehr und habe keinen Ärger mit
der Bürokratie. Seit 2003 studiere ich
hier in Leipzig und es ist eine schöne
Stadt. Es gibt viele Studenten, schöne
Parks und das öffentliche Verkehrsnetz
ist sehr gut. Ich wohne mit drei Deutschen in einer WG. Die Mentalität ist
anders als in Bulgarien, hier ist jeder
viel mehr auf sich selbst konzentriert
und man zieht sich gern zurück. Auch
könnte es im Sommer in Leipzig ruhig
ein bisschen lebendiger sein, so wie zur
Fußball-WM. Bislang hat mir die EU
nur Vorteile gebracht. Ich würde mir
wünschen, dass Bulgarien von den anderen Mitgliedsländern bald als gleichwertig angesehen wird. Denn wir haben
schon immer zu Europa gehört und fühlen uns auch als Europäer.
Damit ist auch ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt des europarechtlichen Lehrstuhls umrissen: die Entwicklungsdynamik im europäischen Verfassungsprozess (Grundrechte, Institutionen,
Demokratie in Europa, die Europäische
Wirtschaftsverfassung, Europa als Standort für Forschung und Technologie), darüber hinaus die politische Einheitsbildung in
einer Welt jenseits des geschlossen Nationalstaates (vor allem die aktuelle Governance-Debatte). Verschiedene Publika- gen, kurz: deren Außenperspektive. Eines
tions- und Kommentarprojekte, Tagungen nämlich würde dem Ideal des „europäiund Konferenzen sind dazu für die kom- schen Juristen“ gewiss nicht gerecht: unremenden Semester geplant (schon im Fe- flektierter Eurozentrismus.
bruar 2007 eine Vortragsreise über die Zukunft der europäischen Verfassung nach
Athen, Griechenland, und Kobe, Japan).
Regelmäßige Kooperationsbeziehungen
bestehen überdies zu dem von H. FixFierro geleiteten Institutio de Investigacioft
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kritische Anregun26
Jugendschutz auf EU-Ebene
RundfunkrechtExperte fordert
Verschärfung
Mit dem Zusammenrücken der 27 Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union
auch die Chance auf Harmonisierung der
Gesetze. Als Mitte Januar in Dresden Justiz- und Innenminister zusammenkamen,
ging es auf Initiative von EU-Justizkommissar Franco Frattini auch um den justiziellen Umgang mit Gewaltvideos und so
genannten Killerspielen – eine brisante,
aber wichtige Debatte, meint Prof. Dr.
Christoph Degenhart, Direktor des Instituts
für Rundfunkrecht der Universität Leipzig.
Amokläufe wie der in Erfurt im Jahr 2002
und jüngst in Emsdetten hätten gezeigt,
dass schärfere und konsequentere Regelungen für den Vertrieb und Kontrolle von Gewaltvideos und Killerspielen dringend notwendig seien.
„Die geltenden Bestimmungen des Jugendschutzes greifen hier zu kurz. Der Jugendschutz muss überarbeitet werden, um
mit der technischen Entwicklung Schrittzu
halten“, so Juraprofessor Degenhart.
Ein deutscher Alleingang, wie ein generelles Verbot von Einfuhr, Verkauf oder Vermietung, ist Degenhart zufolge nicht sinnvoll. „Wenn, dann brauchen wir einen
großen Wurf auf EU-Ebene, und nicht nur
eine Änderung des JugendmedienschutzStaatsvertrages und des Jugendschutzgesetzes. Der Staatsvertrag gilt für im Internet abrufbare Spiele, das Jugendschutzgesetz für Gewaltvideos auf Datenträgern“, sagt Degenhart.
Der Rundfunkrecht-Experte räumte zwar
ein, dass das Internet schwer zu kontrollieren sei, betonte aber: „Das darf kein Freibrief sein. Wird der Jugendschutz in der
EU gestärkt, hat das Signalwirkung. Es ist
eine Frage der Menschenwürde, wenn wir
der Simulation mit verschiedenen Stichund Schusswaffen tatenlos zusehen.“
Gleichwohl entbinde dies nicht von Aufklärung, Kontrolle und Prävention.
Degenhart begrüßte die Initiative des EUJustizkommissars Frattini, warnte aber vor
„Schnellschüssen“. „Voraussetzung für
alle Neuregelungen ist, dass auf empirischer Grundlage hinreichend sicher nachgewiesen ist, dass zum Beispiel aggressive
Computerspiele zu Gewalt in der Realität
führen.
Tobias D. Höhn
journal
Fakultäten und Institute
Kunst–Wissen/Wissens-Kunst
Theaterwissenschaft: Interdisziplinäre Kooperation
und Austausch von Theorie und Praxis
Von Katharina Polster und Michael Lohmann, Institut für Theaterwissenschaft
Zwei Menschen prallen aufeinander,
kämpfen, ringen und stöhnen. Ein brutaler
Akt der Gewalt hinterlässt Spuren der Zerstörung, Verwüstung und Verzweiflung.
Dabei werden unfassbare Kräfte freigesetzt, die jedoch nicht nur Abneigung und
Hass erkennen lassen, sondern ebenso anziehend und faszinierend wirken können.
Die Wut über die Schwäche des Eigenen
und gleichermaßen das Begehren des Anderen verwandeln einen nackten Gewaltakt
in ein schauriges Lustspiel aus Körpern
und Leibern.
„Gewaltvorgänge auf dem Theater“, so lautet der Titel der Künstlerischen Gastdozentur, für die das Institut für Theaterwissenschaft im zu Ende gehenden Wintersemester den renommierten Regisseur Volker
Lösch in die Probebühne des Instituts im
Krochhaus eingeladen hat. Lösch, der zuletzt bundesweite Beachtung durch seine
Inszenierung von Gerhart Hauptmanns
„Die Weber“ am Staatsschauspiel Dresden
erhalten hat, gilt als Regisseur, der Gewaltvorgänge auf der Bühne nahezu physisch
spürbar werden lässt.
Im Rahmen des Workshops eröffnet sich
für die Studierenden der Theaterwissenschaft die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit extremen körperlichen Theaterformen. Aus ihrer gewohnten, theoretisch begreifenden Perspektive heraus
steigen sie in den Ring des theatralischen
Vollkontaktes, um sich dort der Konfrontation auszusetzen; mit Fragen der Theaterpraxis, mit dem Regisseur und untereinander. Die Einladung Volker Löschs ist der
vorläufige Höhepunkt in einer Reihe von
Künstlerischen Gastdozenturen seit ihrer
Einrichtung im Jahr 2003 durch Prof. Günther Heeg. Vieldiskutierte und allerorts anerkannte Künstler wie Laurent Chétouane,
Wanda Golonka, Kattrin Deufert und Thomas Plischke (frankfurter küche) sowie
Thomas Hertel boten in der Vergangenheit
bereits vielfältige praktische Theater-Begegnungen für die Studierenden. BesonHeft 1/2007
ders in diesen Formaten
„Gewaltvorgänge auf dem
wird das Lehrpro- Theater“ mit Gastdozent
gramm des Instituts Volker Lösch (rechts).
Foto: J. Wunderlich
durch die unmittelbare
Sinnlichkeit des Erlebens bereichert und ergänzt. Es komplettiert
eine Erfahrung mit dem
Gegenstand, die weit
über eine rein theoretische Betrachtung hinausgeht.
Dezember 2006: Auf
den ersten Blick wirkt
die Stadt noch ungewöhnlich ruhig, doch eines produktiven und unmittelbaren Ausallmählich erwacht sie schlaftrunken und tauschs heraus.
der stille Betrachter steuert auf die Oper Dabei veranlasst die Geste als besonderes
Leipzig zu, welche mit ihren riesigen Glas- Kommunikationselement im Mittelpunkt
fenstern und -türen alle Neugierigen auf der hiesigen Auseinandersetzungen sowohl
dem Augustusplatz zu sich einladen Wissenschaftler aus der Theaterwissenmöchte. Eine willkommene Geste. Doch schaft, der Bildwissenschaft, der Kunsthinter der Fassade sind die einstmals so wissenschaft und der Philosophie als auch
ruhigen Gänge mit Kunst gefüllt, die Künstler aus den Bereichen Bildende
Foyers wimmelnd, erobert durch Perfor- Kunst, Theater und Performance gleichermances, die Ehrfurcht gebietenden Thea- maßen, in die lebendige Debatte einzusteiterräume scheinbar zweckentfremdet gen. In drei künstlerischen Präsentationen,
durch den Einfall von Kunst und Wissen- der Performance „A:N:Y: Perform or else“
schaft. Im Rahmen des Ausstellungspro- mit Studierenden der Hochschule für
jektes „Eine Frage (nach) der Geste“ der Musik und Theater und dem Institut für
Hochschule für Grafik und Buchkunst Theaterwissenschaft, unter der Leitung
Leipzig – einer Kooperation mit dem Insti- von Dr. Martina Bako, der Lecture Perfortut für Theaterwissenschaft und der Hoch- mance „betabet“ der frankfurter küche
schule für Musik und Theater Leipzig –, (Kattrin Deufert und Thomas Plischke) und
halten für acht Tage die Künste und die des performativen Spaziergangs der britiWissenschaften in der Oper Einzug. Im schen Architektin Helen Stratford durch
Kellertheater lädt das Institut für Theater- die (Ausstellungs-)Räume der Oper, spiewissenschaft zum Symposium „Verhaltene gelt sich die Herausforderung der Künste
Beredsamkeit? – Politik, Pathos und Philo- durch die Wissenschaften. Umgekehrt lassophie der Geste“ – unter der Leitung von sen sich die wissenschaftlichen Beiträge
Dr. Veronika Darian – ein. Hier prallen des Symposiums und des Forums für junge
verschiedene Räumlichkeiten und Institu- WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen,
tionen aufeinander, die das unvermutete die ihre Auseinandersetzungen und ForZusammenstoßen als Impuls für einen an- schungsergebnisse in Hinblick auf die
regenden Schlagabtausch nehmen. Eine Frage der Geste, ihrer Geschichte, ihrer
verbindende Geste. Die vormals zweckent- Bedeutung und ihrer Potentialität vorstelfremdende Anmutung stellt sich als auf- len, vom Gesehenen affizieren und provoregende und herausfordernde Möglichkeit zieren.
27
Fakultäten und Institute
Diese Art der Interaktion von Kunst und
Wissenschaft und die interdisziplinäre Kooperation, die sowohl die Künstlerische
Gastdozentur als auch das Symposium
demonstrieren, sind beispielhaft für die
Forschung und Lehre am Institut für Theaterwissenschaft. Die interdisziplinäre Herangehensweise konzentriert sich primär
auf die Entdeckung und Eröffnung heterogener Spiel- und Handlungsräume, die den
traditionellen kunstästhetischen Rahmen
der Theaterwissenschaft ausweiten und somit neue Berührungs- und Anknüpfungspunkte entstehen lassen. Beide sind unabdingbar in Zeiten, in denen ästhetische
Strategien und kulturelle Praktiken sich in
raschem Wechsel immer neue Verbindungen, Mischformen und Hybridzustände
erzeugen. In dieser Situation ist die (Theater-)Wissenschaft besonders gefordert und
herausgefordert, denn es gilt, die eigenen
Kategorien und Anschauungsweisen zu
überprüfen und neue Wege der Beschreibung von sich verändernden Gegenständen
und Entwicklungen zu erarbeiten. Das anregende Wechselspiel zwischen Kunst und
Wissenschaft verlangt über die Grenzen hinaus neue Fragestellungen an die Kunst
und an das Wissen: Welches Wissen stellt
die Kunst heute bereit? Wie ist dieses Wissen der Kunst erfahrbar? In welchen kulturellen Kontexten verortet es sich? Und welche Kunst des Wissens braucht es zu seiner
Darstellung? Die Kunst des Wissens und
das Wissen der Kunst sind abstoßend und
anziehend zugleich, doch die Kunst der
Vermittlung zwischen beiden ist die größte
Herausforderung der Theaterwissenschaft.
„Eine Frage (nach) der Geste“ hieß es
Anfang Dezember, als das Institut für
Theaterwissenschaft gemeinsam mit anderen Leipziger Hochschulen die Oper
mit Performances füllte. Foto: C. Göring
28
Fulbright-Professor überzeugt mit neuem Lehrkonzept
Erst die Praxis, dann die Theorie
Erst Theorie, dann Praxis? Nicht mit Professor Dr. John Paxton! „Ich konfrontiere
meine Studenten gleich mit der Problemstellung und formuliere die Aufgabe, um
sie so zu motiveren, sich mit den theoretischen Grundlagen zu beschäftigen“, sagt
Paxton. Dieses Lehrkonzept überzeugte
auch die Fulbright-Kommission. Und so
lehrt Paxton derzeit mit einem der begehrten Fulbright Scholar Awards am Institut
für Informatik.
Paxton hat dafür in seinem Kurs zu Algorithmen und Datenstrukturen die traditionelle Form der Vorlesung aufgebrochen.
„Ich schließe meinen Laptop an einen
Beamer an, sodass die Studenten sehen
können, was ich mache, und programmiere
vor ihren Augen die Lösung für ein Problem, dem wir uns stellen.“ Die Studenten
können dabei aktiv ins Geschehen eingreifen und ihrem Professor Vorschläge machen, auf welchem Weg er das geeignete
Programm schreiben kann.
Auf diese Weise vertiefen die Studenten
später auch den Stoff, den sie während der
Vorlesungen präsentiert bekommen haben.
Paxton präsentiert ihnen eine Aufgabe, für
die sie ein Programm zur Lösung schreiben
müssen. Dabei können sich die Informatiker entweder allein oder mit einem Kommilitonen der Aufgabe widmen. Wichtig:
Die Arbeiten müssen stets pünktlich per
E-Mail an Paxton geschickt werden. Letzter Abgabetermin ist fünf Tage nach der
Vorlesung um spätestens 23.59.59 Uhr.
Diese Form der Aufgabenstellung orientiert sich an den Wettbewerben der Association of Computing Machinery (ACM),
deren Mitglied Paxton seit mehr als 15 Jahren ist. So brachte der US-Amerikaner den
Wettbewerb denn auch mit nach Leipzig,
wo man ihn bislang nicht kannte. Im Oktober vorigen Jahres organisierte er den
ersten lokalen ACM-Programmier-Wettbewerb. 25 Teams von jeweils drei Studenten
hatten fünf Stunden Zeit, um gemeinsam
an einem Computer fünf Aufgaben zu lösen. Mit den beiden Siegerteams konnte
Paxton dann im November in die portugiesische Hauptstadt Lissabon fahren, um
am Regionalwettbewerb teilzunehmen, wo
eine Gruppe auf Anhieb eine Bronzemedaille gewann.
Ermöglicht wurde die Reise durch Prof.
Dr. Gerhard Heyer, Dekan der Fakultät
für Mathematik und Informatik. Ihm fühlt
sich
Paxton
nicht nur wegen
eines Reisegeldzuschusses zu
Dank verpflichtet. Heyer war
auch der erste
Kontakt, den er
an der Universität Leipzig hatte
und der ihm mit
hilfreichen Tipps den Weg zur erfolgreichen Bewerbung für einen der heiß begehrten Fulbright Scholar Awards ebnen half.
So konnte Paxton eine der 35 ausgeschriebenen Professoren-Stellen ergattern, um
die sich 400 Bewerber bemüht hatten.
In gewisser Weise ist Paxton für FulbrightVerhältnisse ein Paradiesvogel. Meist
werden die Scholar Awards an Geisteswissenschaftler vergeben, nur selten sind
Lehrende technischer Fächer unter den
Ausgewählten.
Ganz bewusst hat sich der 43-Jährige für
eine ostdeutsche Universität entschieden:
„Ich wollte sehen, wie sich das Land nach
der Wiedervereinigung entwickelt hat.“
Der erste Eindruck sei überwältigend gewesen. „Der Leipziger Hauptbahnhof ist
einer der schönsten Bahnhöfe überhaupt.“
Inzwischen ist im die Stadt ans Herz gewachsen – auch wegen des Kulturangebots.
Seine freie Zeit hat Paxton genutzt, um sich
in der näheren und weiteren Umgebung
umzuschauen. Quedlinburg und Weimar
standen ebenso auf dem Programm wie ein
Abstecher nach Prag und in die Schweiz,
wo er zu Weihnachten zum ersten Mal in
seinem Leben mit einem Holzschlitten eine
Abfahrt machte. Der begeisterte Wanderer
und Radfahrer ist in drei Tagen von Passau
nach Linz geradelt, hat es zu seinem Leidwesen aber noch nicht geschafft, sich die
Sächsische Schweiz anzuschauen. Das will
er aber auf jeden Fall noch tun.
Wenn er nach dem Wintersemester wieder
nach Montana heimkehrt, nimmt Paxton
eine Reihe positiver Eindrücke mit. Die
Menschen in Sachsen und speziell Leipzig
seien sehr freundlich, die Deutschen insgesamt gut über die Vorgänge in der Welt
informiert und vorbildlich, was den Umweltschutz angehe. „Und das gut funktionierende System des öffentlichen Nahverkehrs werde ich ganz besonders vermissen“, meint er.
Jörg Aberger
journal
Studiosi
E-spañol –
E-Learning auf Spanisch
Absolventen der Wirtschaftspädagogik entwickeln
multimediale Lerninhalte
Von Prof. Dr. Fritz Klauser, Lehrstuhl für Berufs und Wirtschaftspädagogik,
und Dr. Carlos Búa Carballo, Institut für Romanistik
Die effektive Nutzung elektronischer Medien für das Studium ist einer der Schwerpunkte in der Entwicklungsstrategie unserer Universität. Dabei ging es bisher unter
dem Stichwort E-Learning vor allem darum, wie Lehrende ihre Inhalte medial aufbereiten und den Studierenden über Lernplattformen zur Verfügung stellen können
(vgl. Uni-Journal 5/2006).
Dass die Studierenden jedoch wesentlich
mehr sein können als ausschließlich Konsumenten von Multimedia, dass sie selbst
in der Lage sind, fachliche Inhalte pädagogisch fundiert und technisch versiert aufzubereiten und dabei noch interdisziplinär
vorgehen können, zeigen Diplomarbeiten
aus dem Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Cornelia Scholz und
Anja Rohde, Studentinnen der Wirtschaftspädagogik mit dem Zweitfach Spanisch
(eine Kombination, die es nach der Studienreform leider nicht mehr geben wird),
haben das multimediale Lehr-Lern-Arrangement „Spanisch für die kaufmännische
Aus- und Weiterbildung“ mit einer Lernzeit von zirka 60 Stunden entwickelt und
im Netz bereit gestellt.
Im Kurs „¡Vámonos a España!“ (Auf nach
Spanien!) können die Lernenden in drei
Lerneinheiten mit jeweils drei bis vier
Lektionen die Themen „Stellensuche im
spanischsprachigen Ausland“, „Verfassen
spanischsprachiger Bewerbungsunterlagen“ sowie „Korrespondenz mit spanischsprachigen Unternehmen, Institutionen
und Behörden“ bearbeiten und sich zudem
auf Vorstellungsgespräche in Spanisch und
auf Sprachtests vorbereiten bzw. solche
Gespräche und Tests üben.
Der grammatikalische Schwerpunkt liegt
dabei auf zwei Phänomenen, die Spanischlernenden auf allen Niveaustufen erfahrungsgemäß besondere Schwierigkeiten
Heft 1/2007
bereiten: die Verben ser und estar sowie die
Präpositionen a, de, en por und para. Eine
korrekte Verwendung der Verben und Präpositionen ist für eine sichere Beherrschung des Spanischen unerlässlich.
Ser und estar haben sich sprachgeschichtlich aus den lateinischen Verben esse (sein)
und stare (stehen) entwickelt und werden
im Spanischen zur Wiedergabe des Verbs
sein verwendet, wobei der jeweilige Kontext darüber entscheidet, welche der beiden
Formen benutzt werden muss. Auch die
spanischen Präpositionen besitzen eine
hohe Relevanz für das Erlernen und aktive
Anwenden der Sprache, denn falsch verwendet, können sie sinnentstellend wirken.
Die Schwierigkeiten für deutsche Lerner
werden bei den Präpositionen vor allem
durch die Interferenzen mit der Muttersprache verursacht.
Das Arrangement ist auf der Grundlage einer pädagogischen und technischen Strukturvorlage erstellt worden, die im BMBFProjekt IMPULSEC vom Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik entwickelt
wurde (vgl. Uni-Journal 2/2001) und bereits erfolgreich in unterschiedlichen Fachrichtungen (unter anderem Electronic
Commerce, Urban Management, Business
Education) angewandt wird. Charakteristisch dafür sind folgende Komponenten:
Die Beschreibung der Kompetenzen
(Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkei-
Eine audio-visuelle Foto-Story veranschaulicht die Problematik, wie der obige
Screenshot zeigt. Entwickelt wurde die multimediale Spanisch-Lernsoftware von
Studenten.
Abbildungen: Klauser
29
Studiosi
ten), die in der jeweiligen Lerneinheit erworben werden sollen, und zwar in Form
von Lernzielen; Beschreibungen des notwendigen Vorwissens und Könnens für die
Bearbeitung der einzelnen Lerneinheiten;
Systematisierungen, Hilfen und Literaturangaben sowie Anwendungs-, Übungsund Transferaufgaben.
Die grammatischen Inhalte sind in die thematisch-lexikalischen Inhalte jeder Lektion integriert. Sie umfassen jeweils eine
situative Einbettung und einen zweisprachig angelegten Theorieteil mit Beispielen
in narrativer Form.
Die offenen und geschlossenen Aufgaben
zur Übung und Anwendung sind ebenfalls
als Geschichten konzipiert und mit einem
elaborierten Feedback über den Lernerfolg
gekoppelt.
Neue Medien verändern alte
Rollenmuster
Das Arrangement ist auf problembasiertes
Lernen und Lehren ausgerichtet. Didaktisches Herzstück sind realistische und komplexe Problemstellungen, die am Beginn
jeder Lerneinheit präsentiert werden und
als Bezugspunkt für die Vermittlung und
Aneignung der fachlichen Inhalte dienen.
Im Kurs „¡Vámonos a España!“ ist es die
Geschichte der Studentin Laura, die eine
Zeit lang im spanischsprachigen Ausland
arbeiten möchte, aber nicht weiß, wie sie
bei der Stellensuche und dem Bewerbungsverfahren vorgehen soll, welche Anforderungen sie zu erfüllen hat und welche
kulturellen Besonderheiten dabei zu beachten sind. Veranschaulicht wird die Problematik mit einer audio-visuellen FotoStory.
Das Lehr-Lern-Arrangement ist auf allen
Learning Management Systemen (Lernplattformen) lauffähig, die die einschlägigen Standards (SCORM, AICC) unterstützen. Technisch beruht es auf einer
XML-basierten Content Management Architektur (XML steht dabei für die Programmiersprache eXtensible Markup
Language).
Das heißt jedoch nicht, dass die Studieren-
den, die solche Dinge entwickeln, ausgesprochene Technikexperten sind oder gar
eine Programmiersprache beherrschen
müssen, im Gegenteil: Für die Erstellung
der Inhalte steht ein Editor zur Verfügung,
der nach kurzer Einarbeitungszeit mit
Kenntnissen der gängigen Microsoft-Anwendungen (Word, Power Point usw.) genutzt werden kann. Die einzige Bedingung
besteht darin, dass die fachlichen Inhalte
nach der beschriebenen pädagogischen
Struktur aufbereitet sind.
Das Beispiel zeigt, dass die Nutzung neuer
Medien auch die traditionellen Rollenmuster verändern kann und noch zahlreiche
Herausforderungen für die Ausgestaltung
der Lehr-Lern-Prozesse an der Universität
bietet.
Damit E-Learning wirklich Platz greift,
muss man nicht nur „im Netz sein“, es
kommt auch darauf an, mediendidaktisch
qualitativ hochwertige Lernangebote zu erstellen und anzubieten damit man im Netz
etwas findet, das zu bearbeiten sich lohnt.
Auch Studierende können dabei Hervorragendes leisten.
Problemstellungen mitten
aus dem Leben
Nach deren Präsentation werden die Lernenden dazu aufgefordert, Laura bei ihrer
Stellensuche und dem Bewerbungsprozess
zu unterstützen. Dazu müssen sie die fachlichen Inhalte bearbeiten und selbstständig
in der Literatur und im Internet recherchieren.
Der Inhalt ist nach dem Ansatz der kommunikativen Didaktik aufbereitet und nach
grammatischen sowie thematisch-lexikalischen Inhalten gegliedert. Die Grammatik
wird eingebettet in den kommunikativen
Inhalt erläutert, angewendet, geübt und geprüft.
Die thematisch-lexikalischen Inhalte werden durch Text-Bild-Kombinationen und
audio-visuelle Animationen multimedial
unterstützt. Sie haben ein einheitliches und
übersichtliches Design, Cliparts und Abbildungen dienen zur Visualisierung des
Handlungskontextes.
30
journal
Studiosi
Symbiose von Leistungssport
und Studium
Rektor ehrt erfolgreiche Sportler der Universität
Von Sigrun Schulte, Leiterin des Zentrums für Hochschulsport
Die Universität Leipzig hat im vergangenen Jahr nicht nur auf dem Gebiet der
Lehre und Forschung sehr gute Leistungen
aufzuweisen, sondern kann auch mit Stolz
auf die hervorragenden Ergebnisse der
Studierenden der Alma mater Lipsiensis
bei sportlichen Veranstaltungen zurückblicken. Zum Jahresende wurde eine große
Zahl deutscher Hochschulmeister duch
Rektor Prof. Dr. Franz Häuser ausgezeichnet. Erstmals wurde der feierliche Rahmen
auch genutzt, um eine Auswahl der studierenden Spitzensportler für ihre Leistungen
zu würdigen.
In dem vom Deutschen Hochschulsportverband erstellten aktuellen WettkampfRanking für das Jahr 2005 belegt die Universität Leipzig den hervorragenden
8. Platz. Schließt man die Hochschulen,
die sich zu Wettkampfgemeinschaften zusammengeschlossen haben, aus, betrachtet
also nur die Einzelhochschulen, steht die
Universität Leipzig auf einem exzellenten
2. Platz! Das Zentrum für Hochschulsport
konnte auch als Ausrichter verschiedener
Deutscher und Sächsischer Hochschulmeisterschaften seinen guten Ruf bestätigen.
Leipziger Studierende holten sich 2006
sechs Mal den Titel „Sächsischer Hochschulmeister“. Bei acht Deutschen und
Internationalen Deutschen Hochschulmeisterschaften bestiegen sie insgesamt
26 Mal das Siegertreppchen. Neben den
Deutschen Hochschulmeisterschaften im
Schwimmen und den Deutschen Hochschulmeisterschaften im Beach Volleyball
waren die Studierenden bei Internationalen
Deutschen Hochschulmeisterschaften in
den Disziplinen Orientierungslauf, Crosslauf, Hallenleichtathletik und Ski nordisch
erfolgreich.
Der Schwimmer Toni Franz errang bei
den Deutschen Hochschulmeisterschaften
Dass sportliche Karriere und akademische Ausbildung vereinbar sind, bewiesen
zahlreiche deutsche Hochschulmeister, die zum Jahresende 2006 geehrt wurden.
Oben: Kristin Neumeister und Michael Hauff zeigen sportlichen Rock’n’Roll.
Fotos: Zentrum für Hochschulsport
Heft 1/2007
zwölf Titel. Zwei Teilnehmer konnten
sich für die Studierendenweltmeisterschaften im Orientierungslauf qualifizieren
(7. Platz im Sprint für Christian Teich).
Dass sich die Universitätsleitung in Verantwortung gegenüber den studierenden Spitzensportlern sieht, zeigt sich in der unterzeichneten Kooperationsvereinbarung zur
Förderung studierender Spitzensportler.
Ziel dieses Vertrags ist es, die Vereinbarkeit
von Studium und Leistungssport zu unterstützen. Die Universität Leipzig möchte ihren Studierenden zeitgleich eine sportliche
Karriere und eine akademische Ausbildung
ermöglichen. In Anwesenheit des Spitzensportverantwortlichen Prof. Dr. Jürgen
Dietze konnte Rektor Häuser Gesine Ruge,
Nadja Gänsewig, Anja Wagner, Anett
Böhm, Toni Franz und Gabi Teichmann
Bücherpreise überreichen. Einige von ihnen wollen bei den Olympischen Spielen
2008 in Peking dabei sein.
In seiner Festrede bestärkte der Rektor die
Studenten darin, ihren Weg fortzusetzen
und auch zukünftig Studium und Sport
miteinander in Einklang zu bringen und in
beiden Bereichen Erfolge anzustreben. Er
sei fest davon überzeugt, „dass die Symbiose von Sport und Studium zu Synergieeffekten für den Erfolg auf dem weiteren
Lebensweg führen wird“.
31
Studiosi
Geowerkstatt
Verein ermöglicht
wissenschaftliches Arbeiten
in geographienahen Themen
hat besonderen Stellenwert. So werden
geographische Exkursionen im Bereich
der Umweltbildung für die Kleinsten entwickelt und durchgeführt. Studierende des
Institutsfür Geographie konzipieren in Koordination mit Dr. Annett Krüger zudem
auch Weiterbildungsangebote für Erzieher
in Kindertagesstätten. Des weiteren erarbeitete der Verein die Machbarkeitsstudie
für den Geopark Nordsachsen. Zusätzlich
wurden Exkursionen durch die Regionen
entwickelt. „Buddeln mit Bio“ als interdisziplinäres Projekt von Botanik- und Geographiestudenten ging dieses Jahr zum
vierten Mal auf Exkursion und gibt somit
Jungwissenschaftlern die Chance, praktische Erfahrungen zu sammeln.
www.geowerkstatt.com
Johann Simowitsch
Newsletter
Leipzig to go
Die nachhaltige Entwicklung des Ostseeraums war Thema eines internationalen
Workshops in Rostock, veranstaltet von Geowerkstatt e. V., einem universitätsnahen Verein.
Foto: Samira Jamei
„Das Projekt ‚All in one Boat‘ wird mit
Unterstützung der europäischen Union
finanziert.“ Als die studentische Projektgruppe der Geowerkstatt diesen Satz las,
fiel die aufgestaute Nervosität eines Jahres
kontinuierlicher Arbeit wie Ballast von
ihren Schultern. Doch zunächst zu den Anfängen.
Vor einem Jahr kam die Idee auf, das
gelernte Wissen des Studiums in einem
Seminar zur „Nachhaltigen Entwicklung
des Ostseeraums“ einer interkulturellen
Gruppe anzubieten. Dass eine solche Unternehmung vor allem mit Partnern aus den
Anrainerstaaten viele spannende Erfahrungen bieten könnte, wurde schnell klar, offen war nur die Finanzierung. Das „Jugend
für Europa“-Programm der Europäischen
Union schien sehr geeignet.
Im Rahmen der Geowerkstatt e.V., einem
universitätsnahen Verein, begann ein Jahr
der Vorbereitung. Stundenpläne mussten
konzipiert, Einladungen an Referenten und
Teilnehmer geschickt und vor allem der
Antrag an die EU eingereicht werden. Im
Oktober kam die Rückmeldung der EU –
und eine Zusage in Höhe von 12.500 Euro
für die Durchführung des Seminars.
32
Das Schiff Likedeeler in Rostock war für
diese Unternehmung der perfekte Ort. Die
25 Teilnehmer aus vier Anrainerstaaten
erwartete ein Programm bestehend aus
Vorträgen von Referenten aus der Regionalpolitik, der Tourismusbranche, der Forschung, der Non-Governmental Organization Greenpeace und der Wirtschaft sowie
Diskussionsrunden. Im Zentrum des Diskurses stand immer die „Nachhaltige Entwicklung“ des gemeinsam genutzten
Raums. Ein Workshoptag mit unterschiedlichen Angeboten führte die Erkenntnisse
zusammen. Die Teilnehmer waren begeistert und wollen nun mit den neu erlernten
Methoden eigene Projekte in diesem Bereich entwerfen.
Genau zu diesem Zweck wurde die Geowerkstatt e.V. von Mitarbeitern und Studenten des Instituts für Geographie gegründet. Als Plattform will der Verein seinen Mitgliedern die Möglichkeit geben,
wissenschaftlich sowie populärwissenschaftlich in geographischen aber auch
geographienahen Themen zu arbeiten.
Außer dem vorgestellten werden auch
zahlreiche andere Projekte unterstützt. Die
Zusammenarbeit mit der Kinderakademie
Wenn sich das Studium langsam dem Ende
zuneigt und die Koffer in der (Wahl-)Heimat Leipzig gepackt werden, kommt bei
manchem Studenten der erste Anflug von
Wehmut. Um auch in der Ferne über Aktuelles aus L.E. informiert zu sein, haben die
Studenten Christian Barth (Soziologie/
BWL) und Marc Lakotta (BWL) voriges
Jahr einen kostenlosen Newsletter gestartet. Halbjährlich informieren sie über
Neues aus der Buch-, Bach-, Messe-, Sport
und natürlich Universitätsstadt. Garantiert
werbefrei! Derzeit gibt es nach eigenen Angaben knapp 200 Abonennten.
„Doch auch für Leute, die zur Zeit in Leipzig studieren, stellt der Newsletter ein interessantes Medium dar, welches komprimiert über die wichtigsten Geschehnisse
aus Politik, Wirtschaft und Kultur berichtet“, erklärt Newsletter-Mitarbeiterin
Jenny Babucke. Intention des Projektes sei,
Leipziger und Zugezogene an die Stadt
zu binden beziehungsweise Noch-NichtLeipziger für die Stadt zu begeistern. „Ziel
ist, Menschen mit hohem Potential an Fachwissen, Innovationsgeist oder finanziellem
Kapital zu einer Investition in Leipzig zu
animieren und die Stadt damit wirtschaftlich zu fördern“, sagt Soziologie-Studentin
Babucke. Dies istin vielfältiger Form denkbar: als Existenzgründer, Unternehmer,
hoch qualifizierter Arbeitnehmer, aber
auch durch entsprechende wirtschaftliche
Entscheidungskompetenzen.
Der Newsletter kann kostenlos bestellt
werden unter
www.neuesausleipzig.de
T. D. H.
journal
Personalia
Ehrendoktorate verliehen
Historiker Pohl untersucht Finanzplatz Leipzig
Die Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften verlieh die Ehrendoktorwürde an Prof. em. Dr. Hans Pohl. In
seiner Laudatio würdigte Dekan Prof. Dr.
Markus A. Denzel insbesondere die Verdienste Pohls um die deutsche und
internationale Wirtschafts-, Sozial- und
Unternehmensgeschichte sowie um die
Entwicklung des wissenschaftlichen Austauschs zwischen deutschen und ausländischen Forschern zur Belebung des nationalen und internationalen wirtschafts- und
sozialhistorischen Diskurses.
Erstmals verlieh die Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften
damit die Ehrendoktorwürde einem Historiker: Professor Dr. Hans Pohl (geboren
1935) ist der national und international
bedeutendste Vertreter des Faches Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte des deutschsprachigen Raumes in
den letzten drei Jahrzehnten.
Der Historiker Pohl gehört in Forschung
und Lehre zu den Wirtschafts- und Sozialhistorikern, die man als „Generalist“ bezeichnet. Chronologisch vom Mittelalter
bis zur Gegenwart und räumlich von Westeuropa über Lateinamerika letztlich weltweit orientiert, blieb es ihm allerdings aus
politischen Gründen, speziell als Vertriebener aus Schlesien, bis 1990 versagt, Forschungen zur ost- und mitteldeutschen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte durchzuführen. Das letzte von ihm organisierte
wissenschaftliche Symposium der Gesell-
Wirtschaftshistoriker Prof. em. Dr. Hans Pohl (M.) erhielt die Ehrendoktorwürde der
Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften von Dekan Prof. Dr.
Markus A. Denzel (re.) und Rektor Prof. Dr. Franz Häuser.
Foto: Dietmar Fischer
schaft für Unternehmensgeschichte wurde
im November 1994 in Jena zum Thema
„Organisationsformen im Absatzbereich
von Unternehmen in den alten und neuen
Bundesländern“ abgehalten. Einige Vorträge in Leipzig – letztmals 2005 auf der
Tagung der deutschen Gesellschaft zur
Überseegeschichte an unserer Universität –
schlossen sich an. Zusammen mit mehreren
Leipziger Historikern wird Prof. em. Pohl
in den nächsten Jahren ein Buchprojekt
zum „Finanzplatz Leipzig“ durchführen.
Hans Pohl bestimmte in den letzten Jahrzehnten das Bild der deutschen und mitteleuropäischen Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmens Geschichte im In- und Ausland
maßgeblich mit. Als Vertreter in den verschiedenen hochrangigen nationalen wie
internationalen Gremien trug er erheblich
zum wissenschaftlichen Austausch zwischen deutschen und ausländischen Forschern und zur Belebung des wirtschaftsund sozialhistorischen Diskurses in
Deutschland und international bei.
r.
Prof. Heinritz’ Gedanken zur Innenstadtentwicklung
Im Dezember verlieh die Fakultät für Physik und Geowissenschaften an den Münchner Geographen Prof. Dr. Günter Heinritz
die Ehrendoktorwürde für seine Leistungen auf dem Gebiet der geographischen
Handels- und Zentralitätsforschung, seinen
Beitrag zur Entwicklung des Faches Geographie und nicht zuletzt für sein großes
Engagement für die Entwicklung des Geographie-Standortes Leipzig.
„Dass Leipzig für die Geographie nach der
Heft 1/2007
politischen Wende weiterhin einen der
wichtigsten Standorte des Faches darstellt,
ist auf die Entscheidungen über die Neugestaltung der Wissenschaftslandschaft in
Ostdeutschland zurückzuführen, an denen
Sie als führender Vertreter Ihres Faches
maßgeblich beteiligt waren“, hob Rektor
Prof. Dr. Franz Häuser in seinem Grußwort
zur Ehrenpromotion hervor.
Auch Dekan Prof. Dr. Tilman Butz würdigte insbesondere die Leistungen Hein-
ritz’ für die Neugestaltung der Geographie
in Leipzig nach der Wiedervereinigung,
aber auch seine Leistungen für die Geographie in Deutschland, insbesondere für die
Anthropogeographie. Für die „wertvollen
Ratschläge bei der Strukturierung des Institutes und der Aufstellung des Diplomstudienganges“ bedankte sich eine der zwei
Laudatoren, Prof. Helga Schmidt.
Prof. Dr. Reinhard Wießner als zweiter
Laudator schlug den Bogen zum Anteil von
33
Personalia
Günter Heinritz bei der Neustrukturierung
des Faches Geographie in Ostdeutschland
nach der Wende. Seine Motivation sei nicht
nur fachpolitischen Erwägungen entsprungen, sondern wurzelte auch in gewachsenen Beziehungen aus der Zeit davor. „Es
war vor allem das stete Bemühen um wissenschaftliche Kontakte, was in der damaligen Zeit nicht einfach zu bewerkstelligen
war. Ausgeprägt war sein Interesse an der
regionalen Entwicklung der damaligen
DDR. In Seminaren und durch mehrere
Exkursionen in die DDR war die Auseinandersetzung mit dem Osten Deutschlands
stets auch Gegenstand seiner Lehrveranstaltungen.“
Im Anschluss an seine Dankesrede trug er
dem interressierten Forum einige Gedanken zur Innenstadtentwicklung vor, die hier
in Auszügen wiedergeben werden:
„Innenstadtentwicklung – das Wort kann
missverstanden werden, als würde sich da
etwas aus sich selbst heraus entfalten. Innenstädte aber tun selbst nichts, sie sind
Produkte, Ergebnisse menschlichen Handelns. Entscheidungen und Handlungen
von Menschen aber sind immer gebunden
an vorgegebene Rahmenbedingungen (…),
die sich im Laufe der Zeit ändern können
und sich in den letzten Jahrzehnten in der
Tat auch massiv verändert haben. Das gän-
gige Deutungsmuster dieser Veränderungen geht dahin, die Innenstädte in ihrer
Kernfunktion gefährdet zu sehen. ‚Rettet
unsere Städte jetzt!‘, hieß das plakative
Motto des deutschen Städtetages schon
1971 und seither ist von der Krise der Innenstadt fast regelmäßig die Rede.
Gerade das aber scheint mir für die Innenstadt zu sprechen. Ihre Krise wird ja deshalb als besonders wahr und wichtig genommen, weil dieser Bereich der Stadt
eben wie kein anderer mit Bedeutungen
und Emotionen besetzt ist. Innenstädte
sind offensichtlich nach wie vor die räumlichen und assoziativen Kristallisationskerne politischer und gesellschaftlicher
Darstellung und Auseinandersetzung. Politische Demonstrationen finden eben nicht
in Einkaufszentren, Technoparks oder Gewerbegebieten statt. Innenstädte sind auch
weit mehr als eine Agglomeration von Einzelhandels- und Bürostandorten, weit mehr
als eine bloße Addition verschiedener Publikumsattraktionen. Letztendlich sind sie
für die jeweilige Stadt identitätsbildend.
(…)
Es geht also bei der Aufwertung von Innenstädten nicht um eine sektorale, nur auf den
innerstädtischen Einzelhandel fokussierte
Sicht, sondern darum, die Innenstadt als
Ganzes in den Blick zu nehmen und Egoismen zu überwinden, die schon Alexander
Der Geograph
Prof. Dr. Günter
Heinritz erhielt
die Ehrendoktorwürde der
Fakultät für
Physik und
Geowissenschaften.
Foto: Dietmar
Fischer
34
Mitscherlich in seiner ‚Anstiftung zum
Unfrieden‘ für die Unwirtlichkeit der
Städte verantwortlich gemacht hat (…) Es
geht um Kooperationen und Allianzen!
Kooperative Ansätze zur Stärkung der Innenstädte mit einem besonderen Akzent
auf Public-Private-Partnerships verdienen
schon deshalb besondere Aufmerksamkeit,
weil die Auszehrung der kommunalen
Finanzen einen all umfassenden Geltungsanspruch der öffentlichen Hand ohnehin
hat illusorisch werden lassen. Nicht zuletzt
deshalb richten sich die Hoffnungen auf
Allianzen aller Akteure vor Ort.
Solche Allianzen gibt es natürlich schon
lange, zum Beispiel in Form von innerstädtischen Werbegemeinschaften, City- oder
Stadtmarketingvereinen oder in Gestalt
von Projekten wie ‚Ab in die Mitte!‘,
‚StadtmachtPlatz!‘. Viele solcher Initiativen kranken an einer fehlenden Beteiligung aller Akteure. Gute Argumente auch
für ein finanzielles Engagement bei solchen Projekten gibt es alle Male, auch für
Grund- und Hausbesitzer, die ein originäres Interesse an einer attraktiven Innenstadt
und am Werterhalt ihrer Immobilien haben
sollten. Die Entwicklung der Immobilienwerte, der Rückgang der Mieten in vielen
Städten, die zunehmende Zahl leer stehender Ladenlokale, steigende Mieterfluktuationen und Schwierigkeiten bei der Vermietung sowie Trading-Down-Prozesse
genügen wohl, um eine finanzielle Beteiligung der Immobilieneigentümer zu Gunsten einer Quartiersaufwertung zu rechtfertigen.
Der Erfolg solcher Allianzen wird jedenfalls daran zu bemessen sein, inwieweit sie
über kurzfristige Belebungen, Events und
Verschönerungsmaßnahmen hinaus auch
strukturelle Veränderungen bewirken können und wie breit und belastbar die Basis
der kooperativen Bemühungen ist. Die entscheidende Frage also wird sein, ob es gelingt, wirklich handlungsfähige kooperative Strukturen zu entwickeln und zu pflegen, die auf Dauer angelegt nachhaltige
Verbesserungen auf den Weg bringen können. Deren Zustandekommen sollten Geographen nicht nur beobachten oder analysieren, sondern es konkret befördern und
daran mitwirken. Wenn sie das tun, werden
sie sicherlich ihre bisherigen disziplinären
Grenzen überschreiten müssen, aber die
Frage nach der Relevanz ihrer Arbeit gewiss nicht zu fürchten haben.“
Dr. Bärbel Adams
journal
Personalia
NOMEN
Die Kolumne von Namenforscher
Prof. Dr. Jürgen Udolph
Neu
berufen:
Neu
berufen:
Dirk Bartz
I. Hedderich
Prof. Dr. rer. nat. Dirk Bartz ist seit Jahresbeginn erster berufener Professor am Interdisziplinären Zentrum für Computer- und
Robotergestützte Chirurgie (ICCAS). Der
Informatiker hat an der Universität Erlangen-Nürnberg studiert und zuletzt an der
Eberhard Karls Universität Tübingen die
Arbeitsgruppe Visual Computing for Medicine geleitet.
Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit
dem Einsatz von Systemen der virtuellen
Realität für medizinische Fragestellungen.
Bisher galt sein Interesse vornehmlich der
virtuellen Endoskopie und der erweiterten
medizinischen Realität. Die Computergrafik und ihr Einsatz in den Lebenswissenschaften werden ihn in Zukunft auch weiter beschäftigen, am ICCAS insbesondere
unter dem Aspekt des computergestützten
chirurgischen Einsatzes.
Er setzt Bilddaten von Patienten in dreidimensionale Modelle um, macht Strukturen besser sichtbar, um sie zu verstehen
und in den Operationsprozess zu integrieren. Dazu müssen vorhandene Datensätze
mit denen der Patienten in Übereinstimmung gebracht werden. Genutzt werden
können dann zum Beispiel erkannte Risikostrukturen wie Blutgefäße und Nerven
für die Operationsvorbereitung oder die
Operation selbst. Dabei kommt es insbesondere darauf an, individuelle Abweichungen von der anatomischen Norm zu
hinterfragen und darzustellen. Ziel ist es,
auch komplizierte Operationen sicherer zu
machen, indem dem Chirurgen OP-reife
Prototypen zur Verfügung gestellt werden.
Prof. Bartz zeigt sich begeistert von den
Möglichkeiten, die ICCAS bietet, und der
Aufgeschlossenheit seiner klinischen Partner. „Gemeinsam schaffen wir es, im Bereich der Computer-assistierten Chirurgie
einen Spitzenplatz in Europa zu erreichen“, meint er.
In Leipzig ist er angekommen, sein Sohn
ist Ende letzten Jahres schon hier geboren
und nimmt im Moment auch seine Freizeit
voll in Anspruch.
B. A.
Prof. Dr. Ingeborg Hedderich, Inhaberin
des Lehrstuhls für Körperbehindertenpädagogik an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät seit diesem Wintersemester,
hat ein großes Ziel: Die 47-Jährige möchte
an der Universität Leipzig in Kooperation
mit regionalen Einrichtungen der Frühförderung eine rehabilitationspädagogische
Ambulanz aufbauen. „Frühkindliche Bildung ist zentrale bildungspolitische Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Für Kinder mit
Behinderungen bedarf es angesichts erschwerter Lebenssituationen eines noch
differenzierter auszubauenden Frühfördersystems, um Bildungschancen zu erhöhen
und Partizipation zu ermöglichen“, sagt
Hedderich. Ferner setzt sie auf die Erforschung des Burn-out-Symptoms und Psychohygiene in rehabilitativen Arbeitsfeldern. Im Zentrum der wissenschaftlichen
Betrachtung steht hier insbesondere die
Frage der Belastungssituationen und der
Bewältigungsstrategien von Lehrern, die
in dem neuen Arbeitsfeld der integrativen
Beschulung tätig sind.
„Es reizt mich, an der zweitältesten Universität Deutschlands zu forschen und zu lehren“, sagt die in Nordrhein-Westfalen Geborene. Beeindruckend findet sie zudem
die bundesweite Vorreiterrolle der Alma
mater bei der Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf Bachelor und Master. Zuvor
lehrte die Pädagogin acht Jahre lang Didaktik und Methodik der Heilpädagogik an
der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH),
hatte eine Vertretungsprofessur an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg inne
und war Studienrätin im Hochschuldienst
an der Universität Dortmund.m
Ihre fachspezifischen Interessen liegen auf
der Pädagogik bei schwerster Behinderung, der integrativen Pädagogik und Didaktik sowie der Montessori-Pädagogik.
„Ihre didaktischen Materialien und das
Prinzip der Freiarbeit entsprechen dem
Lernbedürfnis vieler Kinder mit Behinderung nach starker Strukturierung der Lerninhalte.“
T. D. H.
Heft 1/2007
Der Name „Hedderich“
Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern
(Stand: 1998 (neuere CD-ROM sind aus
Datenschutzgründen schlecht zu verarbeiten) ist der Name in Deutschland 605 Mal
bezeugt. Eine Verbreitungskarte, erstellt
mit dem Internetprogramm Geogen (entwickelt von dem Potsdamer Informatiker
Christoph Stöpel) zeigt, dass der Name vor
allem in Hessen vorkommt:
Bei der Erklärung schwankt die Forschung
zwischen zwei Möglichkeiten:
1.) Zusammenhang mit mittelhochdeutsch
hederich, mittelniederdeutsch hederik
„Erysimum officinale, wilder Senf, erscheint vor allem als unkraut auf Äckern“.
2.) Ableitung von dem german. Personennamen Hathurik, Hadurik.
Die modernen Methoden der Familiennamenforschung helfen bei der Beurteilung:
da sich ein Familienname Hederik, also in
niederdeutscher Form nicht nachweisen
lässt, fällt die Pflanze als Benennungsmotiv aus. Es wäre auch schwer, eine sinnvolle
Begründung zur Verwendung in Namen zu
finden.
Es bleibt somit der alte Vorname, der schon
bei E. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1: Personennamen, Bonn 1900,
Sp. 796f. aufgeführt wird, unter anderem
bereits im 8. Jahrhundert aus Sankt Galler
und Fuldaer Quellen und in Varianten wie
Hadorich, Hadarih, Hadaricus, Haderich,
Hadrich, Hedirich. Er enthält wie so oft
zwei Teile: Im ersten liegt german. hathuvor, noch bezeugt in althochdeutsch hadu„Haß, Hader“ (verwandt mit dt. hadern,
Hader), in Namen eher zu verstehen als
„Kampf“; im zweiten Teil german. rik-, das
schon im Gotischen (4. Jh.) als reik- (gelesen rik mit langem -i-) in den Bedeutungen
„reich“ und „Herrscher“ bezeugt ist und in
zahlreichen Namen wie Friedrich, Heinrich fortlebt.
Da in früher Zeit die beiden Wortelemente
frei aneinander gefügt wurden, kann nur jedes für sich übersetzt werden, aber es ist
unstatthaft, nach einem Sinn zu suchen, der
beide Teile umfasst, etwa „reich an Kampf,
Kampfherrscher“ oder ähnliches.
35
Personalia
Vieles bleibt unveröffentlicht
Trauer um verdienstvollen Religionswissenschaftler
Professor Holger Preißler
Von Dr. Heinz Mürmel, Religionswissenschaftliches Institut
Am 14. November 2006 verstarb nach
schwerer Krankheit kurz nach Vollendung
seines 63. Lebensjahres der Wissenschaftler Professor Holger Preißler.
Holger Preißler wurde am 27. 10. 1943 in
Altmittweida geboren und studierte von
1962 bis 1967 am Orientalischen Institut
der Karl-Marx-Universität Leipzig Semitistik und Arabistik. Den Jahren als wissenschaftlicher Assistent von 1967 bis 1970 an
der Leipziger Universität folgte ein längerer Aufenthalt an der DDR-Botschaft in
Syrien als Übersetzer, wo er sein wissenschaftliches „Damaskuserlebnis“ erfuhr.
Bis auf eine kurze Unterbrechung, als er
dem Ruf als Gastprofessor nach Saarbrücken folgte (1989 bis 1990), blieb Leipzig
seine wissenschaftliche Heimat. 1981
wurde er habilitiert mit der wissenschaftlichen Arbeit zum Thema „Abhängigkeitsverhältnisse in Südarabien in mittelsabäischer Zeit“.
Preißler hat noch ein weiteres Mal über
eine Phase der Unsicherheit des Instituts
hinweg geholfen. Seiner persönlichen Integrität war es, neben seinen wissenschaftlichen Leistungen, mit zu verdanken, dass
das Religionswissenschaftliche Institut
während der Wendezeit nicht in Turbulenzen geriet und 1992 nach der Neugründung
Tolerante Haltung
Integrationsfigur während
der Wendezeit
Dass er 1982 als Dozent für Semitistik und
Islamwissenschaft an die Sektion Afrikaund Nahostwissenschaften berufen wurde,
sollte sich bald für die Leipziger Religionswissenschaft als vorteilhaft wertvoll erweisen. Als der ehemalige Ordinarius Professor Kurt Rudolph sich entschloss nach einer Gastprofessur in Chicago nicht in die
DDR zurückzukehren (1984), schien der
Fortbestand des Religionswissenschaftlichen Institutes, das 1912 gegründet worden
war, ernsthaft gefährdet zu sein. Der damalige Rektor der Karl-Marx-Universität,
Professor L. Rathmann, konnte mit Holger
Preißler einen anerkannten Wissenschaftler als Nachfolger vorweisen und dies hat
ohne Zweifel wesentlich zum Erhalt der
Einrichtung des Instituts beigetragen und
den Versuchen einer inhaltlichen Umprofilierung den Boden entzogen. Holger
36
Sein Berufungsgebiet „Vorderorientalische Religionsgeschichte und Islamwissenschaft“ bezeichnet zwar die Arbeitsgebiete, die im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Untersuchungen und seiner
Lehrveranstaltungen standen, seine Interessen reichten jedoch weit darüber hinaus.
Wissenschaftshistorische Studien fesselten
ihn in hohem Maße. Die Vorbereitungen
für eine große Monografie über seinen legendären „Vorfahren“ im Fach, Heinrich
Leberecht Fleischer, waren nach Recherchen über 20 Jahre hinweg weit gediehen.
Der Religionswissenschaftler Holger
Preißler starb im Alter von 63 Jahren.
Foto: Archiv
weiter bestehen konnte. Als Dekan der Fakultät für Geschichte, Kunst und Orientwissenschaften (1999 bis 2003), als Mitglied des akademischen Senats, als amtierender Direktor des Religionswissenschaftlichen Instituts sowie weiterer
Gremien der Universität und als Mitglied
des Kuratoriums für weltoffenes Sachsen
der Sächsischen Staatsregierung wirkte er
bis zu seinem Tod förderlich für das Fach,
das akademische Leben und die Allgemeinheit.
Dieses Werk wird nun ebenso wenig erscheinen wie die von ihm für das Universitätsjubiläum angekündigte Geschichte
der Religionswissenschaft in Leipzig, mit
der er das Werk seines Amtsvorgängers
Kurt Rudolph fortsetzen wollte. Vieles
weitere bleibt unveröffentlicht. Neben den
islamwissenschaftlichen und semitistischen Publikationen lagen ihm Veröffentlichungen für Ethik- und Religionslehrer
besonders am Herzen, mit denen er vor
allem das Verständnis für „andere“ Religionen (speziell den Islam) fördern wollte.
Die ihm eigene tolerante Haltung suchte er
auf diese Weise breiten Kreisen zu vermitteln. Alle Ethik- und Religionslehrer Sachsens dürften seine Hörer gewesen sein.
Viele wurden nachhaltig von ihm geprägt.
Das gilt für seine Haupt- und Nebenfachstudenten, denen ein enger Kontakt vergönnt war, in noch größerem Maße. Darüber hinaus war er für seine ausländischen
Studierenden immer ein hilfreicher Berater. Gern hat er mit ihnen über aktuelle Themen diskutiert, aber auch für ihre persönlichen Probleme stets ein offenes Ohr gehabt.
Die Mitarbeiter des Religionswissenschaftlichen Institutes vermissen ihn besonders: Als Wissenschaftler und Kollege
bleibt er unersetzlich.
journal
Personalia
Kurz gefasst
Prof. Dr. Günter Bentele, Institut für
Kommunikations- und Medienwissenschaft, und Prof. Dr. Jürg Knoll, Institut
für Erwachsenen-, Sozial- und Wirtschaftspädagogik, dürfen sich „Professor des Jahres“ nennen. Die Leipziger Wissenschaftler konnten sich beim Wettstreit der Studentenzeitschrift „Unicum“ unter den Top
Ten in der Kategorie Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften platzieren. Deutschlandweit waren mehr als 640
Professoren für den Wettbewerb nominiert.
Gesucht wurden jene akademischen Lehrer, die sich in besonderer Weise um die
Förderung der beruflichen Karriere ihrer
Studierenden verdient gemacht hatten oder
machen.
Nach dem Ende seiner Amtszeit als Vorsitzender des Evangelischen-Theodologischen Fakultätentages, wurde Prof. Dr.
Günther Wartenberg (Institut für Kirchengeschichte) zum stellvertretenden
Vorsitzenden bestellt. Er hat das Amt zunächst für zwei Jahre inne.
Prof. Dr.Wieland Kiess, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder
und Jugendliche Leipzig, wurde in London
zum stellvertretenden Vorsitzenden der
Spezialist Advisory Group Diabetes/Endocrinology der European Medicine Agency
(EMEA) gewählt. Die Arbeitsgruppe berät
die Europäische Arzneimittelbehörde bei
der Entwicklung neuer Medikamente auf
allen Gebieten der Endokrinologie und der
Diabetologie. Außerdem wurde Prof. Kiess
in das Editorial Bord der Zeitschrift „Hormones“ berufen. Chief-Editor der Zeitschrift ist Frau Prof. C. Dacou-Voutetakis,
Athen. Die Zeitschrift ist ein internationales Organ, das sich mit der Physiologie, Pathophysiologie und Erkrankungen des Hormonsystems beschäftigt.
Das Zentrum für Hochschulsport hat eine
neue Leiterin: Sigrund Schulte. Bevor sie
nach Leipzig kam, lehrte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für
Sportwissenschaften der Universität Göttingen in der Abteilung Sportmedizin und
in der Medizinischen Fakultät. Ehrenamtlich engagiert hat sich Sigrun Schulte in
unterschiedlichen Sportverbänden. Ihr persönlich größter sportlicher Erfolg war die
Teilnahme an Welt- und Europameisterschaften als A-Kader-Mitglied der DeutHeft 1/2007
schen Nationalmannschaft Kanupolo.
Durch die Organisation mehrerer Deutscher Hochschulmeisterschaften in Leipzig war Sigrun Schulte der Leipziger
Hochschulsport schon teilweise bekannt.
Prof. Dr. Elmar Brähler, Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und
Medizinische Soziologie, wurde in die neu
gegründete Ethik-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin gewählt.
Prof. Dr. Franz Jacobs, ehemaliger Direktor des Instituts für Geophysik und Geologie, wurde zum Obmann der Teil-Sektion
Geophysik/Meteorologie der Deutschen
Akademie der Naturforscher Leopoldina
gewählt. Die Amtszeit begann am 13. Dezember 2006 und beträgt vier Jahre. Die
Leopoldina ist die älteste Akademie (naturwissenschaftlich-medizinische Gelehrtengesellschaft) in Deutschland. Sie wurde
1652 in Schweinfurt gegründet und hat seit
1878 ihren Sitz in Halle/Saale. Zu Mitgliedern werden hervorragende Gelehrte aus
aller Welt gewählt. Professor Jacobs ist bereits seit 1999 Mitglied der Leopoldina.
Dr. Matthias Jäger, Klinik und Poliklinik
für Neurochirurgie, wurde vom Verein für
Hirnaneurysma-Erkrankte Der Lebenszweig e.V. mit einem Forschungspreis
ausgezeichnet. Das Thema seiner Arbeit
war „Continuous monitoring of cerebrovascular autoregulation after subarachnoid
hemorrhage using brain tissue oxygen
pressure reactivity and its relation to delayed cerebral infarction“. Der Preis wird
jährlich vergeben für Arbeiten, die sich mit
der Verbesserung der Versorgung von Patienten mit aneurysmatischer Subarachnoidalblutung in der Frühphase der Erkrankung beschäftigen.
Prof. Dr. med. Andreas Merkenschlager,
Leiter der Abteilung Neuropädiatrie der
Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche wurde in das Herausgeber-Gremium
der pubmed-gelisteten Fachzeitschrift ,Klinische Pädiatrie‘ berufen.
Dr. Cornelia Sieber, Institut für Romanistik, wurde von der Alexander von Humboldt-Stiftung ein Feodor Lynen-Forschungsstipendium für Durchführung
und Abschluss ihres von Prof. Dr. Alfonso
de Toro betreutem Habiliatationsprojektes
„Prozesse der Alterität, Performativität und
Hybridisierung im Zuge der portugiesi-
schen Expansion“ verliehen. Sie wird von
April an für ein Jahr an der Universidade
Nova de Lisboa in Portugal forschen.
Die Sportwissenschaftliche Fakultät vergab den Meinel-Preis 2006 an Antje
Hoffmann, Doktorandin am Institut für
Sportpsychologie und Sportpädagogik.
Betreuerin ist Prof. Dr. Dorothee
Alfermann, Direktorin des Institutes. Den
mit 300 Euro dotierten Preis bekam Frau
Hoffmann für ihre Arbeit zum Thema „Die
Sportaktivität Jugendlicher im Verein“.
Der Meinel-Preis ist benannt nach Prof.
Dr. Kurt Meinel, dem Begründer der Bewegungslehre in Deutschland. Er wird
jährlich vergeben für herausragende wissenschaftliche Beiträge auf diesem Gebiet.
Ein großer Teil des Preisgeldes wurde in
diesem Jahr gestiftet von einer Gruppe
japanischer Sportwissenschaftler, die sich
an der Sportwissenschaftlichen Fakultät
weitergebildet haben. Zum Dies academicus 2006 nahmen fünf Doktoranden und
acht Studierende am wissenschaftlichen
Wettbewerb, der von Poster- und Multimediapräsentationen umrahmt wurde, teil.
In die Kammerversammlung der Sächsischen Landestierärztekammer wurden von
der Veterinärmedizinischen Fakultät der
Universität Leipzig gewählt: Dr. Gerd
Möbius, wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen sowie Prof. Dr. Axel
Wehrend, Professur für Bestandsbetreuung und Reproduktionsbiologie an der
Ambulatorischen und Geburtshilflichen
Tierklinik. Als Vertreter der Veterinärmedizinischen Fakultät wurde benannt Prof. Dr.
Uwe Truyen.
Auf der letzten Jahrestagung der Gesellschaft für Sexualwissenschaft (GSW)
wurde PD Dr. Kurt Seikowski von der
Klinik für Dermatologie, Venerologie und
Allergologie erneut zum Vorsitzenden gewählt. Er bekleidet dieses Amt seit 2000.
Der Jürgen-Bierich-Preis, die höchste Auszeichnung der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Endokrinologie (APE) wurde
während der Jahrestagung der APE in
Dresden an Dr. med. Sabine Heger, Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche,
überreicht. Den mit 50 000 Euro dotierten
Preis erhielt die Wissenschaftlerin für ihre
Forschungsarbeiten zum Thema „Neuroendokrine Regulation der Pubertät und
sexuellen Reifung“. Dr. Heger wurde au37
Personalia
ßerdem als Leiterin der Abteilung Kinderendokrinologie an die Medizinische Hochschule Hannover berufen.
Prof. Dr. Elmar Brähler und Dr. Oliver
Decker, Selbstständige Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, wurden von der Friedrich-EbertStiftung beauftragt, eine Anschlussstudie
zum Forschungsprojekt „Rechtsextreme
Einstellungen in Deutschland 2006“
durchzuführen. Das Anschlussforschungsprojekt, für das die Friedrich-Ebert-Stiftung knapp 72.000 Euro zu Verfügung
stellt, heißt „Gruppendiskussion zur Untersuchung der Einflussfaktoren rechtssextremer und demokratischer Einstellungen“.
Auf dem Research-Festival 2006 erhielten
einen Preis für hervorragende Zusammenarbeit in der Vorklinik und Klinik: Robert
Rennert, Institut für Biochemie, Fakultät
für Biowissenschaften, Pharmazie und
Psychologie (FBPP); Anja Zielonka, Institut für Virologie, Veterinärmedizinische
Fakultät (VF); Heinz-Georg Jahnke, Biotechnologisch-Biomedizinisches Zentrum
(BBZ); Ivonne Haffner, Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und
Molekulare Diagnostik, Medizinische Fakultät (MF); Dr. Petra G. Hirrlinger, PaulFlechsig-Institut für Hirnforschung, MF;
Kirsten G. Volz, Max Planck Institut für
Kognitions- und Neurowissenschaften;
Ilka Rinke, Institut für Biologie II, FBPP;
Doreen Thor, Institut für Biochemie, MF;
Axel Jenzsch, Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie,
(MF); Nora Klöting, Medizinische Klinik
III, MF; Sabine Siegemund, Institut für
Immunologie, VF; Peter Wolf, BBZ.
Einen Preis des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung (IZKF)
erhielten: Für das beste interdisziplinäre
Forschungsvorhaben: Christian Voigt, Orthopädische Klinik und Poliklinik, MF; Dr.
Antje Körner, Medizinische Klinik und
Poliklinik III, MF. Für hervorragende Zusammenarbeit Klinik/Vorklinik: Andreas
Schubert, Forschungslabor Chirurgie I
und II, MF; Anett Schulz, Medizinische
Klinik IV, MF.
Dr. Ulrich Keyser, Institut für Experimentelle Physik I, wurde in das „Emmy Noether-Programm“ der DFG aufgenommen.
Er wird eine Nachwuchsgruppe im Bereich
Nanobiophysik aufbauen. Ihr Thema ist:
Nanoporen für die biologische Physik und
die Physik der weichen Materie. Das
38
Emmy Noether-Programm möchte jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und
Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu
früher wissenschaftlicher Selbstständigkeit
eröffnen.
Geburtstage
Medizinische Fakultät
65. Geburtstag
Prof. Dr. med. Gerhard Asmussen, CarlLudwig für Physiologie, am 18. Februar
Prof. Dr. med. Ingrid Kästner, Karl-Sudhoff-Institut, am 3. März
70. Geburtstag
Prof. Dr. med. Uwe-Frithjoff Haustein,
Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten,
am 20. Februar
75. Geburtstag
Prof. Dr. med. Karl Bilek, Universitätsfrauenklinik, am 28. Januar
85. Geburtstag
Prof. Dr. sc. med. Ernst Springer, Institut
für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, am
23. Februar
Der Rektor der Universität Leipzig und die
Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich.
(Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine
Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.)
Habilitationen
Fakultät für Mathematik und Informatik
Dr. Michael Hellus (11/06):
Local Cohomology and Matlis duality
Philologische Fakultät
Dr. Sabine Schrader (12/06):
Literatur und Film in Italien zu Beginn des Novecento
Dr. Heike Jüngst (1/07):
Information Comics: Knowledge Transfer in a Popular Format
Promotionen
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften
Udo Grashoff (6/06):
Selbsttötungen in der DDR. Die Selbsttötungshäufigkeit und der Umgang mit suizidalen Handlungen in
der SED-Diktatur
Carlos Torres Fuchslocher (7/06):
Development of Technology-Intensive Suppliers in
Natural Resource-Based Economies: The Case of
Aquaculture in Chile
Elena Sawtschenko (7/06):
Die Kantaten von Johann Friedrich Fasch im Lichte
der pietistischen Frömmigkeit. Pietismus und Musik
Heiko Schneider (7/06):
Wahrhaftigkeit und Fortschritt: Ernst Toch in
Deutschland 1919–1933
Marion Feuerstein-Tubach (7/06):
Reden ist ein Kapital. Magana Jari Ce von Abubakar
Imam, ein frühes Werk der Hausa-Literatur und seine
Quellen
Gottfried Plagemann (7/06):
Von Allahs Gesetz zur Modernisierung per Gesetz.
Gesetz und Gesetzgebung im Osmanischen Reich und
der Republik Türkei
Erziehungswissenschaftliche Fakultät
Bettina Jekosch-Stein (3/06):
Die Entwicklung eines pädagogisch-diagnostischen
Verfahrens zur Erfassung sprachlicher Fähigkeiten
von Erstklässlern.
Makhabbat Kenzhegaliyeva (4/06):
Struktur- und Entwicklungsprobleme des Hochschulwesens im Vergleich: Deutschland-Kasachstan. Diversifizierung und (oder) Integration.
Anja Oehme (7/06):
Subjektive Theorien von Jugendlichen zu den Bedingungen ihres Schulabsentismus.
Allyn Vonau (7/06):
Elternarbeit in Tagesgruppen. Ergebnisse einer
schriftlichen Befragung von MitarbeiterInnen in Tagesgruppen und der Erprobung eines Eltern-KindSpiel-Trainings.
Udo Werner (7/06):
Comenius – Ein Lehrer zweier Welten. Eine historische Betrachtung zur Comenius-Rezeption in der
deutschen Pädagogik im Zeitraum von 1892–1942.
Christiane Hartig (9/06):
Auswirkungen der Tätigkeit von Schülerstreitschlichtern – Fallstudie an einer Mittelschule im Kontext des
Standes von Mediationsprojekten in Sachsen.
Wendy Pasewark (9/06):
Die Entwicklung und Evaluation eines RhythmischMusikalischen Trainingskonzeptes zur Förderung des
Regelverhaltens unter besonderer Berücksichtigung
des Transfers in weitere Unterrichtsstunden. Eine Interventionsstudie mit Schülern mit Verhaltensstörungen und Lernbehinderungen der Klasse 5.
Jens Borchert (12/06):
Die Entwicklung von pädagogischen und sozialpädagogischen Angeboten im sächsischen Strafvollzug
nach 1990.
Uwe Michael Steinbach (12/06):
Männerarbeit – Männerbildung. Die erwachsenenbildnerische Relevanz der Arbeit des Männerwerkes
am Amt für Gemeindedienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern von 1960 bis in die Gegenwart.
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Hartmut Merl (5/06):
Die Beurteilung des Einsatzes von Kreditderivaten in
einem Verbundsystem des deutschen Kreditgewerbes
Andreas Mathes (5/06):
Neugliederung des Bundesgebiets auf Basis von
Kreisdaten – Ein finanzwissenschaftlicher Ansatz
Volker Kuppelweiser (6/06):
Beziehungsmaßnahmen als Zusatzdienstleistung –
Eine empirische Betrachtung des Kundennutzens
journal
Personalia | Jubiläum 2009
Markus Beyersdorff (6/06):
Effektive Gestaltung des kommunalen Immobilienmanagements – Eine Ganzheitliche Analyse zur Gestaltung der Immobilienmanagement-Funktion deutscher Kommunalverwaltungen
Regina Richter (7/06):
Anpassungsfähigkeit vertikaler Systeme hinsichtlich
nachhaltiger Strukturen am Beispiel von Hochhausorganisationen
Sina Sok (7/06):
Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Armutsprobleme
in Kambodscha – Eine Analyse der Problematik
Jörg Dietz (10/06):
Ein Beitrag zur wirklichkeitsnahen Modellierung von
hochfestem Beton im jungen Alter
Mirko Pollmer (10/06):
Vorgehensweisen zur Integration von Pädagogik und
Technik bei der Entwicklung komplexer computerund netzbasierter Lernumgebungen
Claudia Rohde (10/06):
Strategische Planung in Krankenhausunternehmen
Simone Hartmann (11/06):
Die ökonomischen und gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen des seit 1994 geltenden vereinfachten
Bezugsrechtsauschlusses nach § 186 Absatz 3 Satz 4
AktG
Theologische Fakultät
Gundula Grießmann (7/06):
„Arm und Reich“ als Thema im Religionsunterricht
Hans-Jürgen Kutzner (7/06):
Liturgie als Performance? Überlegungen zu einer
künstlerischen Annäherung
Philologische Fakultät
Petra Augurzky (7/06):
Attaching Relative Clauses in German: The Role of
Implicit and Explicit Prosodic Principles in Sentence
Comprehension
Tatiana Evsseenko (7/06):
Eigennamen im literarischen Werk. Eine Untersuchung zu den Formen und Funktionen der Eigennamen in der sorbischen Kinderliteratur 1945 – 2000
Tomasz Marek Derlatka (10/06):
Die Kategorie „Raum-im-Erzählwerk“: Elemente,
Morphologie, Systematik mitAbriss der spatialen und
narratologischen Problematik im sorbischen Erzählschaffen
Su-Jeong Jeong (10/06):
Phraseolexeme mit Eigennamen im deutsch-koreanischen Sprachvergleich – unter besonderer Berücksichtigung einer lerner-lexikografischen Beschreibung
Cornelia Caroline Köhler (10/06):
Frauengelehrsamkeit im Leipzig der Frühaufklärung.
Möglichkeiten und Grenzen am Fallbeispiel des
Schmähschriftprozesses im Zusammenhang mit der
Dichterkrönung Christiana Mariana von Zieglers
Susan Kreller (10/06):
Englischsprachige Kinderlyrik. Deutsche Übersetzungen im 20. Jahrhundert
Elvira Mertin (11/06):
Prozessorientiertes Qualitätsmanagement im Dienstleistungsbereich Übersetzen
Olav Mueller-Reichau (12/06):
Sorting the world – on the relevance of the kind-level/object-level distinction for referential semantics
Anja Seiffert (12/06):
Autonomie und Isonomie fremder und indigener
Wortbildung am Beispiel ausgewählter numerativer
Wortbildungseinheiten
Heft 1/2007
„Präzis“ und
„privatim“
Das Jurastudium um 1880
Von Dr. Dr. Andreas Gößner, München
Am 21. Oktober 1880 immatrikulierte sich
der aus Kehl in Baden stammende Friedrich Hermann im Alter von 21 Jahren an
der Leipziger Alma mater, nachdem er zuvor schon an den Universitäten in Straßburg, Heidelberg und Tübingen einige Semester studiert hatte. Hermann bezog für
das Wintersemester zunächst Unterkunft in
der Nürnberger Straße 48, wo weitere drei
Studenten wohnten. Im Sommersemester
1881 zog er in die benachbarte Glockenstraße 7, wo außer ihm ein frisch immatrikulierter Badener, ein älterer Kommilitone
– beide studierten Jura – und ein ebenfalls
neu eingeschriebener Philologiestudent
Quartier gefunden hatten.
Insbesondere für angehende Juristen war
die Leipziger Universität in den Jahren um
1880 ein bevorzugter Studienort, was sich
in der enorm angestiegenen Frequenz seit
der Reichsgründung niederschlug. Von den
zirka 3200 Studenten (ein Spitzenwert
unter den damaligen deutschen Universitäten!) waren ein knappes Drittel Jurastudenten und immerhin zwei Drittel
Nichtsachsen. Der Semesterstundenplan
von Hermann lässt sich genau rekonstruieren. Von den Juristen hörte er im ersten Leipziger Semester den international
bekannten Strafrechtsdogmatiker Karl
Binding (Deutsches Strafprocessrecht) und
den ebenfalls renommierten Zivilrechtler
Adolf Wach (Deutsches Strafrecht). Außerdem besuchte er die Vorlesungen des
Nationalökonomen Wilhelm Georg Roscher (Praktische Nationalökonomik und
Wirthschafts-Polizei; Finanzwissenschaft),
des Rechtsmediziners Carl Reclam (Gerichtliche Medicin) und des Staatswissenschaftlers Carl Victor Fricker (Naturrecht).
Im zweiten Semester belegte er je eine weitere Vorlesung Roschers (Gesammte theoretische Nationalökonomik) und Frickers
(Verwaltungsrecht mit Rücksicht auf Polizeiwissenschaft). Außerdem besuchte er
die an der Juristenfakultät angebotenen
Veranstaltungen von Adolph Schmidt
(Pandecten II: Familien- und Erbrecht),
dem Kirchenrechtler Emil Friedberg
(Evangelisches und Katholisches Kirchenrecht), Otto Stobbe (Handels-, Wechselund Seerecht) sowie Adolf Wach (Deutscher Civilprozess; Strafrechtspraktikum).
Alle von Fritz Hermann besuchten Lehrveranstaltungen waren „privatim“ und
nicht „publice“, das heißt für einen kleineren Hörerkreis, angekündigt. Lediglich das
von Wach angebotene Strafrechtspraktikum war „privatissime“ und außerdem
kostenpflichtig. Abweichend von der üblichen Praxis, die Lehrveranstaltungen zur
vollen Stunde oder mit dem akademischen
Viertel anzufangen, kündigte Binding
seine Vorlesung im Wintersemester
1880/81 von nachmittags 4.10 Uhr „präzis“ bis nachmittags 5.10 Uhr „präzis“ an.
Von einem Kommilitonen Hermanns,
Reinhold Anschütz, sind in der Leipziger
Universitätsbibliothek die Mitschriften der
oben genannten Vorlesungen von Binding,
Immatrikulationsurkunden – wie die
abgebildete für Friedrich Hermann –
sind im Universitätsarchiv nur sehr
vereinzelt überliefert.
Fotos: privat
39
Jubiläum 2009
Stobbe und Fricker überliefert, die einen
genauen Einblick in den vermittelten Stoff
geben.
Am 5. August 1881 beantragte Hermann in
Leipzig die Ausstellung eines „Sittenzeugnisses“, in dem die besuchten Vorlesungen bescheinigt wurden. Für weitere
zwei Studiensemester kehrte er nach Straßburg zurück.
Gesichter
der Uni
Friedrich Hermann als Student im
Jahr 1880.
Nach Staatsexamen und Referendariat war
Hermann kurze Zeit als Amtmann in Karlsruhe tätig. Dann wurde er 1893 zum Bürgermeister, ab 1903 ersten Oberbürgermeister, der mittelbadischen Stadt Offenburg gewählt. Seit 1913 war er Mitglied in
der Ersten Kammer des badischen Landtages. Aus dieser Tätigkeit ist insbesondere
sein Engagement in Justiz-, Sozial- und
Verwaltungsbelangen überliefert. Für seine
Verdienste wurde Hermann mit dem preußischen Roten Adler-Orden, dem Zähringer Löwenorden und der Goldenen
Amtskette durch den badischen Großherzog ausgezeichnet. Auch über das Ende des
Ersten Weltkrieges und der Monarchie
hinaus blieb der nationalliberal gesinnte
Hermann bis an die Ruhestandsgrenze
1921 im Amt. Er leitete das Offenburger
Gemeinwesen somit knapp drei Jahrzehnte
und gestaltete an der Spitze der Verwaltung
den Wandel Offenburgs zu einer modernen
Stadt. Der Stadtrat ehrte den auf kulturellem, sozialem und administrativem Gebiet
äußerst erfolgreichen Kommunalpolitiker
mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts
und der Benennung einer Straße. Friedrich
Hermann starb 1943 in Wiesbaden.
Dr. Dr. Andreas Gößner war bis Ende 2005
wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der
Kommission Universitätsgeschichte. Heute
lebt er in München und ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität
Göttingen.
40
Bartholomäus Walther (1542 –1590)
Foto: Petra Dorfmüller
Die Reihe „Gesichter der Uni“ erscheint
seitApril 2004 regelmäßig im Uni-Journal.
Sie umfasst kurze Portraits von Universitätsangehörigen verschiedenster
Jahrhunderte. Dunkle Kapitel der
Universitätsgeschichte bleiben dabei
nicht ausgespart. Geschrieben werden
die Portraits von Angehörigen und Mitarbeitern der „Kommission zur Erforschung der Leipziger Universitäts- und
Wissenschaftsgeschichte“.
Auf einen Blick finden Sie die
„Gesichter“ im Internet unter
www.uni-leipzig.de/journal/
gesichter
In der Kirche des einstigen Zisterzienserklosters St. Marien zur Pforte bzw. der heutigen Landesschule stehen im südlichen
Querhaus drei Epitaphe, auf denen die Verstorbenen etwa lebensgroß dargestellt sind.
Eine dieser Grabplatten zeigt Bartholomäus Walther, nach der umlaufenden lateinischen Inschrift, einen „wahrhaft gelehrten, tatkräftigen und fleißigen Mann“. Ein
zweiter Stein gibt nähere Auskunft:
„Mich, den in Pirna Geborenen, dessen
Leib die Erde deckt, bezeichnete man einst
mit dem Namen Walther. Was der berühmte Fabricius den Zöglingen Meißens
war, bin ich für dich, blühendes Pforta
gewesen, solange ich durfte. Nun schaue
ich, dreimal glücklich, bewundernd die gestirnten Reiche. Tu, der du das liest, fromm
deine Pflicht.“ Die Inschrift des Grabsteins
gibt mit poetischen Worten wieder, dass
hier einer der Rektoren der Landesschule
Pforta beigesetzt wurde.
Bartholomäus Walther wurde 1542 geboren. Über seine soziale Herkunft ist nichts
bekannt. Von 1555 an war er Schüler der
Landesschule St. Afra in Meißen, die
ebenso wie Schulpforte 1543 vom damaligen Herzog Moritz von Sachsen gegründet
worden war. Hier absolvierte er die vorgeschriebene Schulzeit von sechs Jahren.
Sein Rektor in Meißen war der berühmte
Georg Fabricius, mit dem er sich in der
Grabinschrift vergleichen ließ. 1561 ging
Walther zum Studium nach Leipzig, wurde
1563 Baccalaureus und erlangte 1570 die
Magisterwürde. Später lehrte er in Leipzig
als Professor für Ethik; seine Vorlesungen
sollen gut besucht gewesen sein. Im Jahr
1582 wird Walther als Dekan der Philosophischen Fakultät in Leipzig genannt. 1588
wurde er als Rektor nach Schulpforte berufen. Sein Vorgänger, der Rektor Jakob
Lindner, hatte aus politischen Gründen das
Amt verlassen müssen. Mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten Christian I.
wechselte das bisher lutherisch-orthodoxe
Sachsen ins calvinistische Lager über. Als
Schwiegersohn des Leipziger Superintendenten Nikolaus Selnecker, der ein strenger Lutheraner war, erschien auch Lindner
verdächtig. Insofern ist zu vermuten, dass
der an Stelle Lindners eingesetzte Walther
entweder zum Calvinismus tendierte oder
aber in religiöser Hinsicht unverdächtig
erschien. Allerdings war er nur kurze Zeit
Rektor. Schon am 2. Februar 1590 starb
Bartholomäus Walther im Alter von nur
47 Jahren und wurde im Chor der Kirche
begraben.
Petra Dorfmüller, Landesschule Pforta
journal
Jubiläum 2009
Neuer Bildband erschienen
1943–1992.
Die Alma mater in unruhiger Zeit
Zwei Jahre nach dem Erscheinen des historischen Bildbandes „Die Universität
Leipzig 1409–1943“ legen die Autoren Dr.
Jens Blecher und Prof. Dr. Gerald Wiemers
dessen lang erwartete Fortsetzung vor. 240
bisher weitgehend unveröffentlichte Fotografien aus dem Universitätsarchiv zeigen
die Folgen der schweren Bombardements
von 1943 und 1944, die die Leipziger Innenstadt und in eine Trümmerlandschaft
verwandelt hatten. An einen geregelten
Studienbetrieb war nicht zu denken. „Seit
dem Kriegsbeginn waren mehr und mehr
Wissenschaftler und Studenten einberufen
worden, nun wurden auch noch die Gebäude, Laboratorien, Kliniken und Bibliotheken durch den Luftkrieg zu 70 Prozent
zerstört“, heißt es in dem 128-seitigen
Werk.
Erst in Friedenszeiten gelang der Neuanfang. Unter dem Rektor Hans-Georg
Gadamer wurde am 5. Februar 1946 die
Universität wiedereröffnet, „aber auch er
scheiterte politisch und folgte, wie so viele,
einem Ruf an eine westdeutsche Universität“, schlussfolgern die Autoren. Wiemers,
langjähriger Leiter des Universitätsarchiv,
und Uniarchiv-Mitarbeiter Blecher verknüpfen anschaulich geschichtliche Details und bieten dem Leser eine informative, bildreiche Darstellung der Geschichte
und des universitären Lebens aus Hörsälen,
Zeltlagern und von Arbeiseinsätzen.
Die Autoren schildern in prägnantem Text
und spektakulären Fotos die politische
Neuausrichtung unter sowjetischer Ägide
und die Etablierung der Arbeiter- und
Bauernfakultät. Eines der spannendsten
Kapitel ist der sich ausbreitende Sozialismus, dem auf Vorschlag der FDJ mit der
Umbenennung in Karl-Marx-Universität
1953 Rechnung getragen wurde – ein Prozess, der nicht stillschweigend hingenommen wurde. „Zugleich kam es zwischen
1947 und 1953 zu zahlreichen Verhaftungen unter den Studenten, die ihre demokratischen Rechte einforderten. Den traurigen
Höhepunkt bildete 1948 die Verhaftung
und Verurteilung des liberalen Studentenratsvorsitzenden Wolfgang Natonek“,
schreiben Blecher und Wiemers. Ein Teil
der inhaftierten Studenten sei von den
DDR-Behörden an den sowjetischen Geheimdienst ausgeliefert und in russische
Heft 1/2007
Arbeitslager gebracht worden. In den Folgejahren habe die Karl-Marx-Universität
ein sozialistisches Wissenschafts- und Traditionsbild erschaffen, das ältere akademische Überlieferung ausklammerte oder
partiell neu interpretierte. „Die Nähe zur
DDR-Führung wurde immer wieder gesucht und zumindest in den guten Beziehungen zum Hochschulministerium der
DDR auch gefunden.“
Der Abriss von Paulinerkirche und Augusteum anno 1968 und die neuen Universitätsbauten sollten die Macht und die Ideologie der SED symbolisieren. Zahlreiche
Aufnahmen zeigen die Hörsäle, Labors
und Büros, aber auch politische und wissenschaftliche Prominenz.
Das letzte der zehn Kapitel ist der friedlichen Revolution gewidmet, die auch für
das Hochschulleben Zäsur und Befreiungsschlag zugleich war. „Mehr und mehr [zog]
ein kritischer Geist in die Universität ein,
der nach Veränderungen verlangte“, heißt
es über den „Selbstreinigungsprozess“ mit
gigantischen strukturellen und inhaltlichen
Herausforderungen. Außeruniversitäre Bildungseinrichtungen wurden aufgelöst,
neue Fakultäten geschaffen, ganze Fächer
abgewickelt, Lehrinhalte neu konzipiert.
„Manche der beteiligten Akademiker vergaßen es jedoch nicht, sich der vergangenen Jahre zu erinnern und für verursachtes
oder toleriertes Unrecht bei den Opfern um
Entschuldigung zu bitten.“
Jens Blecher und Gerald Wiemers: DIE
UNIVERSITÄT LEIPZIG 1943–1992. Sutton-Verlag, Erfurt. ISBN: 3-89702-954-5,
17,90 Euro.
Tobias D. Höhn
Ansichten, Einblicke und Rückblicke aus
der Universitätsgeschichte von 1943 bis
1992 liefern Jens Blecher und Gerald
Wiemers in ihrem neuen Bildband. Die
Zerstörung der Paulinerkirche (Coverabbildung oben) ist eines der Themen.
Mitte: Verteidigung von Universitätsangehörigen zum Dienst in der BetriebsKampfgruppe der Karl-Marx-Universität, 1978.
Unten: Neu immatrikulierte Studenten
sammeln sich anno 1971 am Leuschnerplatz, um ins gemeinsame StudentenArbeitslager zu fahren.
Repros: Höhn
41
April 2007
Heft 2/2007
ISSN 1860-6709
Zwei Jahre Kinderuniversität (KUNI) –
Der Strom und die Maus
S. 5
Profilbildender Forschungsbereich Mathematik –
Kniffligen Fragen auf der Spur
S. 13
Altorientalistik – Alte Texte, wenig
Studenten, viel Forschung S. 21
Der Campus verändert sein Gesicht –
Ein Fotoessay in Farbe
S. 17
In memoriam Altmagnifizienz Volker Bigl –
Besuch bei Porträtmaler Arno Rink S. 36
journal
Gesichter der Universität –
Paul Newman
S. 12
Wissenschaftsjahr 2007: Die Geisteswissenschaften
Brückenschlag der Kulturen – Erinnern. Vermitteln. Gestalten.
EDITORIAL
UNIVERSITAT LEIPZIG
Geld und Geist
Inhalt
UniVersum
Kooperation mit Elite-Uni aus Texas geplant
Universitätschor gastiert mit Verdi in Sevilla
Das ist der Strom, und hier kommt die
Maus: Zwei Jahre Kinderuniversität
Die Ausstellung „Kontrapunkte“ zeigt niederländische Architektur am Augustusplatz
Jubiläum 2009
Internationalität bestimmte die Jahrhunderte
– ein Vergleich der Immatrikulationszahlen
Gesichter der Uni: Paul Newman
Forschung
Profilbildender Forschungsbereich
Mathematik löst knifflige Fragen aus
angewandter Wissenschaft
Zehn Jahre Theodor-Litt-Forschungsstelle
Wie „tickt“ eine Stammzelle? – Modell zur
Berechnung des Leukämie-Therapieerfolgs
Spezial
Der Campus verändert sein Gesicht –
ein Fotoessay von Jan Woitas
UniCentral
Altorientalisitik – alte Texte, wenig
Studenten, viel Forschung
Der Masterstudiengang European Studies
Interview mit Prof. Dan Diner,
Simon-Dubnow-Institut
Prof. Wartenberg über die Festschrift
Fakultäten und Institute
Die Agrarwissenschaften an der Universität
Leipzig von 1745 bis 1945
Personalia
Wanderer zwischen den Welten –
Theologe Ulrich Kühn wird 75
Fördern durch fordern – zum 70. Geburtstag
von Uwe-Frithjof Haustein
Vertrauen, Verantwortung, Humor – zum
65. Geburtstag von Chemiker Helmut Papp
Mit dem Auwald-Kran in die Baumwipfel –
Nachruf für Botaniker Wilfried Morawetz
In memoriam Altmagnifizienz Bigl – ein
Atelierbesuch bei Porträtmaler Arno Rink
Am Rande
Geburtstage
Habilitationen und Promotionen
Impressum
Titelfoto: Jan Woitas
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Freuen wir uns – das „Jahr der Geisteswissenschaften“ ist ausgerufen, von aller höchster Stelle, sprich: dem zuständigen
Bundesministerium. Wettbewerbe und Projekte kündigen sich
an, hurtig verfertigt, hektisch vermarktet.
Den Anfang macht eine Ausschreibung mit dem Titel „Geist
begeistert“. Wirklich? Wen? Wo? Immer noch Johannes 3, 8:
„Der Geist weht, wo er will.“ Also keinesfalls zwangsläufig
hierzulande und heutzutage. Notabene: Unsere ExzellenzJuroren haben nur eine einzige Fundstelle des Geistes ausfindig machen können: eine kleine Universität im Süddeutschen.
Dort scheint er jedenfalls letztes Jahr geweht zu haben, wiewohl seine Konstanzer Kinder mit ihm alles andere als glücklich sind, denn mit viel Geld kann der schöne Geist offenbar
nicht gut umgehen.
Was anders herum heißt: Da, wo Geld fließt, ist
es mit dem Geist nicht weit her. Nicht zwangsläufig, jedenfalls. Natürlich kennen die heimischen humanities so schöne Errungenschaften
wie Sonderforschungsbereiche oder Schwerpunktprogramme – auch „weiche“ Wissenschaften können mit harter Währung rechnen. Doch
was ist daraus geworden? Wenn Auguren behaupten, deutscher Geist sei wissenschaftlich immer noch weltführend, dann können sie kaum
jene etablierten Kartelle meinen, deren wohlgeschmierte Maschinerie die Millionen dort „abgreift“, wo sie
fließen. Ausläufer des Selbstbedienungsgewerbes kann man
auch an unserer Alm(os)a Mater entdecken, wiewohl das verfügbare Geldvolumen bisher nicht ausreicht, um die Sitten im
Ganzen zu verderben.
Andererseits gibt es unter denen, die sich darin gefallen, den
Teufel der geistigen Korruption an die Wand zu malen, auch
genug Worthelden, deren wichtigstes Anliegen darin besteht,
lautstark „Drittmittel“ zu verdammen, deren schiere Existenz
ihre bequemen Kreise stört. Notabene: Dass der Geist weht,
wo das Geld fehlt, ist nicht mehr als eine abgeschmackte
Schutzbehauptung.
Prof. Dr. Wolfgang Fach, Prorektor für Lehre und Studium
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Das aktuelle Heft kann nur einen kleinen Ausschnitt aus der
Themenfülle rund um das Jahr der Geisteswissenschaften
bieten. Gerne würden wir den Schwerpunkt in den kommenden Ausgaben fortschreiben. Die Redaktion freut sich
über Anregungen für Essays,
Neuigkeiten zu Forschungsprojekten und Vorschläge für
Porträts von Menschen und
ihrer Arbeit. Ihre Vorschläge
richten Sie bitte per E-Mail
an [email protected].
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UniVersum
Kooperation mit Elite-Uni
Präsident texanischer Rice University in Leipzig –
Forschungs- und Studentenaustausch geplant
Die Universität Leipzig will die internationale Zusammenarbeit weiter stärken. Eine
Delegation, bestehend aus dem Prorektor
für Forschung und wissenschaftlichen
Nachwuchs, Prof. Dr. Martin Schlegel,
Amerikanistik-Professor Dr. Hartmut Keil
und dem Leiter des Akademischen Auslandsamtes, Dr. Svend Poller, reiste dazu
Anfang März nach Houston und New York.
Besonders in Houston, der Partnerstadt
Leipzigs in den Vereinigten Staaten, wurden große Fortschritte bezüglich einer
langfristigen Zusammenarbeit der beiden
Hochschulen erzielt. „Die private Rice
University hat unmittelbares Interesse signalisiert, in mehreren Forschungsbereichen mit uns zu kooperieren“, sagte Prorektor Schlegel im Anschluss an die Gespräche. Dies betreffe vor allem Linguistik
Journal
Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen
und Freunde der Universität Leipzig
Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig,
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Redakteur: Tobias D. Höhn
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V.i.S.d.P.: Dr. Manuela Rutsatz
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
Meinung der Autoren wieder.
und Spracherwerb, Politikwissenschaft,
Musikwissenschaft, Biomedizin und Nanotechnologie. „Ziel ist nicht nur eine Kooperation auf Forschungsebene, sondern
auch gemeinsame Austauschprogramme,
insbesondere für Doktoranden, wurden
angedacht“, so Schlegel. So sei überlegt
worden, das erste und dritte Jahr an der
Heimatuniversität zu absolvieren und dazwischen an der Partnerhochschule zu forschen.
„Wir wollen auch Vorurteile amerikanischer junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und – wissenschaftler gegenüber
Deutschland abbauen und ihnen die Hemmung nehmen, hier bei uns zu studieren.
Besonders attraktiv wird dies durch eine
Doppelzertifizierung der Studienabschlüsse“, ergänzte Schlegel. Weiterhin
seien Austauschprogramme auf der Lehrebene angedacht worden sowie Angebote
für Studenten. Der Austausch von Studenten soll parallel anlaufen. Besonders anziehend für amerikanische Studenten sind die
Germanistik und auch European Studies an
der Universität Leipzig“, erklärte Svend
Poller.
Die Rice University hat nach eigenen Angaben 4800 Studierende und ist damit halb
so groß wie Stanford oder Harvard, das
Verhältnis von Studenten und Lehrenden
ist 5 : 1. Zur Statistik: Die Hälfte der Studenten stammt aus Texas, ein Drittel aus
anderen US-Bundesstaaten und 15 Prozent
aus dem Ausland. Die übrigen zwei Prozent machten keine Angaben.
Schon jetzt verbindet die Rice University
etwas Ganz besonders mit Leipzig: Der
erste Präsident, Edgar Odell Lovett, war an
der Alma mater Lipsiensis in Mathematik
promoviert worden. Vor zwei Jahren lehrte
zudem ein Fulbright-Professor aus Houston, Professor Boles, in Leipzig. „Die Tradition spielt eine wichtige Rolle für die
Amerikaner. Sie sind sehr daran interessiert, mit der zweitältesten Hochschule
Deutschlands Kontakte zu knüpfen“, urteilte Prof. Keil, Direktor des Instituts für
Amerikanistik. Im Mai wird der Präsident
der Hochschule in Leipzig erwartet.
Die Reise der Leipziger Universitätsvertreter war eingebettet in zwei Präsentationen
der Stadt Leipzig im Zusammenhang der
USA-Tournee des Gewandhausorchesters.
Das größte Berufsorchester der Welt unter Gewandhauskapellmeister Riccardo
Chailly gab auf der ersten gemeinsamen
Konzertreise neun Konzerte, darunter in
Chicago, Boston, Philadelphia und New
York. „Die Universität war signifikanter
Teil eines schwergewichtigen Auftritts“,
merkte Schlegel an.
Tobias D. Höhn
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Die Redaktion behält sich vor, eingesandte
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Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, sofern
die Quelle angegeben wird. Ein Belegexemplar an
die Redaktion wird erbeten.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 15. 3. 2007
ISSN 1860-6709
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Engagieren sich für eine Partnerschaft mit der Rice University: Prof. Hartmut Keil,
Prorektor Prof. Martin Schlegel und Dr. Svend Poller (v. l.).
Foto: Tobias D. Höhn
journal
UniVersum
Verdi unter spanischer Sonne
Sevilla umjubelt Universitätschor Leipzig –
Einladung zu Beethovens Neunter ausgesprochen
Von Tobias D. Höhn
José Carlos Carmona ist außer sich vor noch unter Universitätsmusikdirektor Max Dann ging alles Schlag auf Schlag: Schnell
Freude, gestikuliert wild und hat trotzt Pommer (1973–1987) und weiß manche sprach Carmona die Einladung für eine
seines spanischen Temperamentes Not, den Anekdote zu erzählen.
gemeinsame Aufführung in der andalusigut und gerne 150 jungen Sängern Herr zu Zustande kam das jetzige deutsch-spani- schen Hauptstadt aus, die Leipziger brachwerden. Der Musik- und Philologie-Pro- sche Konzert über Umwege: Bárbara Ama- ten dank Förderung durch Universität,
fessor wirkt wie eine kleine, leicht unter- dor Jiménez, Mitglied des Leipziger Vocal- Goethe-Institut und Auswärtiges Amt sosetzte Ausgabe des „Tatort“-Schauspielers ensembles und als Studentin einst Sänge- wie Eigenanteil die nötigen Kosten für den
Jan Josef Liefers, viel wichtiger aber ist, rin im Unichor von Sevilla, berichtete José Flug auf und saßen keine drei Monate spädass er der Dirigent des Universitätschors Carlos Carmona vom Leipziger Unichor ter in einer Maschine nach Sevilla.
von Sevilla ist – und damit Mitte März zum und der glanzvollen Aufführung des Verdi- Mit Erfolg! Schon Tage vor der Aufführung
Gastgeber des Leipziger Universitäts- Requiems im November vorigen Jahres.m
war kein Platz mehr für das kostenlose
chores wurde. Gemeinsam mit
Konzert zu bekommen, und denSpaniern setzten 75 Leipziger
noch baten Dutzende vor der EinStudenten in der drittgrößten Kagangstür um Einlass. Die Kombithedrale der Welt Giuseppe Verdis
nation aus einem der monu„Messa da Requiem“ in Szene
mentalsten Chorwerke überhaupt
und begeisterten damit mehr als
und dem deutsch-spanischen
2500 Besucher.
Tête-à-tête machte selbst den
„Das ist das wichtigste Konzert in
deutschen Generalkonsul Dr.
der 500-jährigen Geschichte unMichael Richtsteig und seine
serer Universität“, schmeichelt
australische Amtskollegin neugierig und am Ende des Abends
Carmona – und unterstreicht dabegeistert bis enthusiastisch. „Sie
mit in einem Atemzug die Bedeumüssen unbedingt wiederkomtung des Leipziger Gastspiels.
men. Warum nicht gleich nächs„Wir sind sehr glücklich, hier zu
tes Jahr? Haben Sie auch Brahms
sein und gemeinsam musizieren
im Repertoire?“
zu dürfen“, so Universitätsmusikdirektor David Timm.
In derselben Minute machte bei
Die deutschen Chormitglieder juden Sängern im Seitenschiff des
beln: „Es war ein tolles Konzert
wuchtigen, gotischen Baus Aufund hat wieder einmal gezeigt,
regung und Anspannung der verdass die zwei Mal zweieinhalb
gangenen Tagen grenzenloser
Stunden Probe pro Woche gut inFreude über einen gelungenen
vestiert sind“, sagt LehramtsstuAbend Platz. Aufregung wegen
dent Karsten Albers. Seit 2004
der vollen Kathedrale (die auf
singt er im Chor, der überwiegend
Grund ihrer Fläche sogar im
aus Studierenden besteht. Aber
Guinnessbuch der Rekorde steht
auch einige „ältere Semester“
und mit dem Grab Christoph
finden sich darunter, so wie
Kolumbus und dem 23 Meter
Pamela Piekara. Seit 22 Jahren
messenden Hochaltar aus dem
singt die Pharmareferentin im
15. Jahrhundert ein Meer der ReChor, kam zu Studienzeiten dazu
liquien verkörpert) und der
und konnte seitdem nicht mehr
Raumnot auf der Bühne. Manch
vom Singen lassen. Heute ist es
einer konnte noch nicht einmal
für sie ein Ausgleich zum Job.
die Noten aufschlagen. Denn der
Der Universitätschor Leipzig begeistert in der Kathedrale
spanischen Spontaneität geschulAuch bei Auftritten in den Ver- von Sevilla rund 2 500 Zuhörer. Universitätsmusikdirektor
det, lud Dirigent Carmona kurzereinigten Staaten und Frankreich David Timm (rechts) dankt seinem spanischen Kollegen
Fotos: Tobias D. Höhn hand zwei Chor-Abordnungen
sei sie dabei gewesen, begann José Carlos Carmona.
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UniVersum
aus Granada und Malaga ein – ehemalige
Wirkungsstätten des vielbegabten und -beschäftigten Maestros. Dies machte das Zusammenspiel nicht einfacher und führte
(verständlicherweise) zur Anspannung bei
den Leipzigern.
Die bis kurz nach Mitternacht dauernde
Generalprobe am Abend zuvor raubte manchem den Mut. Es wollte einfach nicht harmonieren. Doch in Künstlerkreisen ist es
kein Geheimnis: Je schlechter die Generalprobe, desto besser die Premiere. Und dies
bestätigte sich.
Die Tempi (die aufgeführte Fassung
scheint langsamer als die Leipziger) stimmen, die Chöre sind klanglich sauber und
dank des Rates von Universitätsmusikdirektor David Timm, das Pianissimo nicht
zu streng zu nehmen, auch erhörbar. Die
Sopranistin Aurora Gómez Mora überragt
die anderen Solisten um Längen. Die gesamte Dramatik des Verdi-Oeuvres ist in
seiner Emotionalität kaum zu überbieten,
die von ihm vertonten Schreckensbilder
von Endzeit und Verdammnis wurden
deutlich in der fantastischen Kulisse der
Kathedrale. Und die klangakustischen Einbußen, der Architektur geschuldet, sind zu
verzeihen. Vielleicht hätte ein erhöhtes
Orchester und ein ebenerdiger Chor wie in
Bachscher Zeit geholfen, doch dafür fehlte
die Zeit.
Der Chor tobte ob des nicht enden wollenden Lobes, und noch mehr als der Musikprofessor die nächste Einladung nachreichte: 2008 soll in Sevilla Beethovens
9. Sinfonie erklingen – mit Leipziger Beteiligung. Auch eine Überraschung für
Timm: „Ich wollte zwar irgendwann einmal die Neunte machen, aber nicht sofort“,
sagte er. Doch die Idee klingt verlockend,
und das musikalische Eisen mit Leipzigs
Partneruni gilt es zu schmieden, solange es
heiß ist.
Die Herausforderung ist für David Timm
weniger künstlerischer, denn organisatorischer Natur: „Der Chor ist so gut, wir
schaffen das. Doch das Problem bleibt die
Finanzierung.“ Außerdem ist auch die Gegeneinladung nach Leipzig ausgesprochen,
wenn auch noch nicht terminlich fixiert.
www.uni-leipzig.de/unichor
Unter spanischer Sonne singen sich die Studenten ein (Bild unten). Zu den Besuchern des Konzerts zählt auch Generalkonsul Dr. Michael Richtsteig (r.) mit Gattin.
VII. Leipziger Universitätsmusiktage
Vom 20. bis 27. Mai dreht sich alles um
die „Leipziger Romantik“. Im Mittelpunkt stehen dabei Komponisten, die zu
dieser Zeit in besonderer Weise mit der
Stadt Leipzig und der Universität verbunden waren: Richard Wagner, gebürtiger Leipziger, studierte an der Alma mater, und Max Reger war ihr Universitätsmusikdirektor.
Zum 100. Mal jährt sich der Amtsantritt
Regers als Universitätsmusikdirektor –
somit steht Max Reger neben Richard
Wagner im besonderen Blickpunkt des
Programms der Leipziger Universitätsmusiktage.
„Diese mit der Universität verbundenen
Komponisten von Weltrang, zu denen
auch Robert Schumann und Felix
Mendelssohn Bartholdy gehören, zeigen
in besonderer Weise die Einbindung der
Universität in die Kulturgeschichte Leipzigs und die Bedeutung Leipzigs als eine
der wichtigsten Musikstädte im 19. und
im beginnenden 20. Jahrhundert“, erklärt Universitätsmusikdirektor David
Timm.
Das Projekt übersteigt die übliche Konzerttätigkeit der verschiedenen Ensembles der Universitätsmusik um ein Vielfaches: innerhalb von acht Tagen sind
neben Universitätsgottesdiensten und
-vespern unter anderem Kammermusikabende, Chor- und Orchesterkonzerte
geplant.
Im Rahmen der Universitätsmusiktage
wird sich auch ein Symposium des Institutsfür Musikwissenschaft der Universität Leipzig (Prof. Loos) mit Max Reger
beschäftigen.
Höhepunkte des Programms:
– 22. 05., 19 Uhr: Richard Wagner: „Die
Meistersinger von Nürnberg“ (konzertant-mediale Aufführung im Schauspielhaus)
– 25. 05., 21 Uhr: Max-Reger-Orgelnacht in der Thomaskirche
– 26. 05., 20 Uhr: „Wagner und Reger“ –
Chor- und Orchesterkonzert in der
Peterskirche
– 27. 05., 20 Uhr: Open-Air-Konzert
auf dem Nikolaikirchhof mit der
Unibigband und dem David-TimmJazzsextett
r.
www.leipziger-romantik.de
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journal
UniVersum
Das ist Strom, und hier
kommt die Maus
Wie die Kinderuni ihren 2. Geburtstag gefeiert hat
Das ist die Maus, und die ist sichtbar. Doch wo ist der Strom? Wer die Kinderuniversität (KUNI) besucht hat, weiß mehr.
Das ist Strom. Sieht man nicht, muss man
aber auch nicht. Strom fließt nämlich auch
so. Wenn man seinen Finger in die Steckdose steckt, merkt man das. Soll man aber
nicht. Strom ist nämlich gefährlich. Wenn
ein Kaninchen ein Stromkabel durchbeißt,
ist es tot. Ihr solltet so wenig Strom wie
möglich verbrauchen, weil die Welt sonst
bald untergeht. Also: Macht den Computer
immer aus, wenn ihr fertig seid und schaut
nicht zu viel fern. Strom macht man, indem
man Kohle verbrennt, und das ist nicht gut
für die Umwelt. Besser ist es, man nutztdie
Sonne oder den Wind. Dann geht die Welt
vielleicht doch nicht so schnell unter.
So oder so ähnlich hätte die Kinderuni
(KUNI) zum Thema „Wie kommt der
Strom in die Steckdose“ ablaufen können.
Da war nämlich auch die Maus und der
Armin aus der Sendung mit der Maus. Ist
sie aber nicht. Weil, da war auch noch der
Heft 2/2007
Herr Beck. Und der Herr Beck ist von
einem großen Stromkonzern, der EnBW
aus Baden-Württemberg. Und die EnBW
verdient ihr Geld zum Großteil mit Energie aus Atom- und Kohlekraftwerken. Da
kann er natürlich nicht erzählen, dass „Solargeschichten“, wie er das nennt, ’ne gute
Idee sind. Und erst recht nicht, dass man
Strom sparen soll.
Aber eigentlich ist die EnBW nett. Sie hat
die Geburtstagsveranstaltung der KUNI
nämlich gesponsert. Also der Uni Leipzig
Geld gegeben, damit diese viele Kinder auf
die Neue Messe einladen kann. Das ist lieb
von der EnBW und dem Herrn Beck. Der
hat sich auch ganz doll gefreut auf den großen Auftritt vor den Kleinen. Da konnte er
nämlich über 300 Kindern erzählen, wie
sein Konzern Strom macht. Das ist schön
für den Herrn Beck und natürlich auch für
die Kinder.
Die haben sich auch mächtig gefreut. Weil
jetzt müssen sie nicht mehr ihre Eltern fragen, wie das ist mit dem Strom. Das hat der
Herr Beck nämlich gut erklärt. Zusammen
mit dem Armin von der Sendung mit der
Maus. Die beiden haben zusammen ganz
viele Experimente gemacht. Da konnte
man gut sehen, dass der Strom da ist. Auch
wenn man ihn eigentlich gar nicht sehen
kann. Klingt komisch, ist aber so.
Die mutigen Kinder durften sogar auf die
Bühne. Da haben sie dann mit einem Fahrrad Licht gemacht. Also Strom. Weil überall, wo Licht ist, ist auch Strom. Eigentlich
ganz einfach. Wer es nicht gleich verstanden hat, konnte es später nachlesen. Ein
Arbeitsheft gab es nämlich auch. Ich
glaube, die Kinder hatten viel Spaß. Auf
jeden Fall waren sie eine Stunde lang ganz
ruhig. Und haben nur geschrieen, als die
dicke große Plüschmaus kam.
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UniVersum
Gelernt haben die Kinder auch was. Zum
Beispiel, dass der Italiener Alessandro
Volta die erste Batterie erfunden hat. Und
deshalb heißt die Maßeinheit für elektrische Spannung jetztVolt. Und dass es Ampere gibt und Transformatoren und Generatoren und Turbinen. Ganz schön schwierig, das mit dem Strom. Aber eigentlich
auch ganz einfach. Weil am Schluss, da ist
der Strom in der Steckdose. Und da kann
man dann was reinstecken und es läuft.
Aber nicht den Finger! Das haben die kleinen Studenten auch gelernt.
Deshalb waren die meisten Kinder dann
auch total begeistert. Zum Beispiel die Jessica. Die ist zehn und hat „einfach alles“
gut gefunden. Oder der Yannik. Der ist
auch zehn und will unbedingt die Experimente zu Hause nach machen. Das geht
auch. Weil, die waren ganz einfach und gar
nicht gefährlich. Da mischt man zum Beispiel Salz und Pfeffer, und dann reibt man
mit Wolle an einem Löffel, so wird der
elektrisch. Und wenn man dann den Löffel
über den Teller mit dem Salz und dem Pfeffer hält, dann zieht der Löffel den Pfeffer
an und wird ganz schwarz. Dann kann man
Strom sehen. Klingt wieder komisch, ist
aber so.
Am meisten gefreut haben sich aber die
Eltern. Die durften auch mit rein in die
KUNI. Das ist einzigartig in Leipzig. In an-
Auch Herr Beck (r.) von EnBW hat sich
gefreut, weil er zusammen mit Armin
von der Sendung mit der Maus gut 300
Kindern erklärt hat, wie sein Konzern
Strom macht.
Fotos: KUNI
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Rektor Häuser zum KUNI-Erfolg:
„Die KUNI bietet Kindern spannende
Einblicke in den akademischen Alltag,
stillt den Wissenshunger neugieriger und
interessierter Kinder zu unterschiedlichen Themen, leistet aber auch einen
wichtigen Beitrag zur Forschungsvielfalt
innerhalb der Universität – all das zusammen macht sie so erfolgreich und
beliebt bei der Zielgruppe. Ungefähr 40
Prozent der Kinder waren bei jeder Vorlesung dabei. Die Vorlesungen wurden
sowohl von Professoren und Doktoren
der Universität Leipzig als auch von Professionals aus Politik und Wirtschaft
durchgeführt.
Aber, das darf auch nicht unerwähnt bleiben: Möglich wurde die KUNI nur durch
die Unterstützung der Sponsoren wie der
Vereinigung der Freunde und Förderer
der Universität Leipzig, der „Leipziger
Volkszeitung“ und dem Schulmuseum
der Stadt Leipzig.
deren Städten müssen die Großen nämlich
draußen bleiben. Aber wenn sie mit drinnen sind, ist das besser, weil dann können
sie zu Hause die Versuche mitmachen. Machen sie auch. Hat zumindest der Vater
vom Yannik, der heißt Mathias, gesagt.
Die meisten von den Kindern waren schon
ganz oft in der KUNI. Mindestens drei oder
vier Mal. Manche auch schon viel öfter.
Weil die KUNI, die gibt es jetztschon zwei
Jahre. Die hat sozusagen Geburtstag. Und
deshalb haben die Macher der KUNI mal
geschaut, was sie so geschafft haben in der
Zeit. Das klingt ganz schön gut: Bis jetzt
waren nämlich schon 3 200 Kinder in der
KUNI, zu jeder Vorlesung kommen 230
kleine Studenten. Die sind im Durchschnitt
neun Jahre alt. Und das Programm ist auch
super. Den kleinen geht es nämlich viel
besser als den großen Studenten. Die haben ganz lustige Professoren. Und die reden auch so, dass man sie versteht.
Und das Beste ist, dass die ganz viele spannende Themen haben in der KUNI. Im
April, da lernen die was über Tiere, ob Rot
Stiere wirklich wild macht. Das mögen
viele Kinder, was mit Tieren. Und im Juni,
da hören die Kleinen was über Gender-Studies. In KUNI-Sprache heißt das: „Dürfen
sich Mädchen prügeln und Jungen Röcke
tragen?“. Vielleicht dürfen sie das dann
auch gleich ausprobieren. Ist ja wieder mit
Experimenten.
Christiane Abelein
Studenten stellen im
Naturkundemuseum aus
Verbrannt und
wieder entdeckt
Studenten der Ur- und Frühgeschichte haben kleine Kostbarkeiten aus dem Brandschutt des Völkerkundemuseums Leipzig
wissenschaftlich bearbeitet und zeigen
diese in einer noch bis zum 20. Mai gehenden Ausstellung im Naturkundemuseum
Leipzig. Die Ergebnisse der monatelangen
Feinarbeit veranschaulichen die Verankerung der Universität in der Geschichte der
Stadt.
Die gezeigten Exponate stammen aus der
Urgeschichtssammlung des Völkerkundemuseums, das bei einem Luftangriff auf
Leipzig in den Morgenstunden des 4. Dezember 1943 zerstört worden war und in
Folge dessen nahzu vollständig ausbrannte.
Auch die bedeutende archäologische
Sammlung blieb nicht verschont.
Sie hatte sich seit der Eröffnung des Museums am 7. Juni 1874 stetig weiterentwickelt und wurde 1907 in die Dauerausstellung eingegliedert. Die urgeschichtliche Abteilung wuchs durch den Zugewinn bedeutender Privatsammlungen bis
Dezember 1943 auf über 20 000 Exponate
an, von denen ein Drittel durch die Bombardierung vollständig zerstört wurde.
Große Teile der Dokumentation sind ebenfalls unwiederbringlich verloren gegangen.
Nach Kriegsende gelangte ein Teil der noch
erhaltenen Urgeschichtssammlung nebst
erhaltener Kartei an das Naturkundemuseum der Stadt Leipzig. Dabei handelte es
sich hauptsächlich um regionale Funde aus
Nordwest-Sachsen. Die Objekte mit überregionalem Charakter wurden ab 1973 im
Zuge der Profilierung der musealen
Sammlungen der DDR an das Museum für
Deutsche Geschichte in Berlin abgegeben.
So lagern große Teile der ehemaligen Urgeschichtssammlung des Grassimuseums
bis heute in Berliner und Leipziger Magazinen. Sie sind in Kisten verpackt und bislang nur zu einem geringen Teil wissenschaftlich bearbeitet und der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht worden.
Jörg Frase M.A.,
Marco Schrickel M.A.
www.verbranntundwiederentdeckt.de
journal
UniVersum
Kontrapunkte
Ausstellung zeigt niederländische
Architektur am Augustusplatz
Von Dr. Simone Schulz, Kustodie
Ein gemeinsames Ausstellungsprojekt der
Kustodie und des Deutschen Werkbundes
gemeinsame Ader Kustodie der Universität
Leipzig und des Deutschen Werkbundes
Sachsen e.V. spürt den Impulsen nach, die
zwei niederländische Architekten am Leipziger Augustusplatz setzten und setzen. Die
Ausstellung „Kontrapunkte“ präsentiert
die Bauwerke von Hendrik Petrus Berlage
(1856–1934) und Erick van Egeraat (geboren 1956) anhand von originalen Bauzeichnungen, Fotos und Entwürfen und untersucht ihr Verhältnis zur Architektur der
Moderne. Die Schau ist bis zum 3. Juni
(jeweils dienstags bis freitags von 10 bis
17 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr)
im Ausstellungszentrum Kroch-Haus zu
sehen.
Hendrik Petrus Berlage gilt als einer der
bedeutendsten niederländischen Architekten und Wegbereiter der Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das „Niederländisches Haus“, das er zwischen 1901 und
1903 am Augustusplatz errichtete, war sein
einziges in Deutschland realisiertes Werk.
Während seine frühen Bauten noch von
historistischen Formen geprägt waren,
zeichnet sich sein Leipziger Bauwerk –
ebenso wie die Börse von Amsterdam,
Berlages berühmtestes Bauwerk – vor al-
lem durch Sachlichkeit und Funktionsorientiertheit aus. Klare Formen und die
Reduktion der Schmuckelemente sind bestimmend, Sichtbackstein und moderne
Bautechniken und Materialen (zum Beispiel Gusseisen), fanden Verwendung. Im
Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört und musste schließlich einem Hotelbau weichen.
Ein gutes Jahrhundert später wird nun wieder ein holländischer Architekt den Augustusplatz durch einen Neubau prägen. Unmittelbar gegenüber dem einstigen Standort des Niederländischen Hauses entsteht
nach den Plänen von Erick van Egeraat bis
2009 das neue Hauptgebäude der Universität, in der Ausstellung durch aktuelle
Bauzeichnungen, 3-D-Animationen und
ein Modell veranschaulicht. Der Siegerentwurf nimmt die Formen der beiden historischen Vorgängergebäude an diesem Ort auf
(Universitätskirche St. Pauli und Augusteum). Den Neubau verstehe er als ein Projekt, das an Vergangenes erinnere, aber zugleich auch „in die Zukunft verführen
solle“, erläuterte der Gewinner des Architekturwettbewerbs. Sein Entwurf möchte
die ehemalige Architektur nicht kopieren,
aber versuchen, sie in moderner Form zurückzubringen.
Das Niederländische Haus von Hendrik
Petrus Berlage, erbaut zwischen 1901
und 1903, ist sein einziges in Deutschland realisiertes Werk.
Foto: Universität Leipzig
Die Ausstellung versucht, die innovativen
und kontrapunktischen Positionen der
Werke dieser beiden Architekten im Verhältnis zu den ästhetischen Konventionen
ihrer Zeit herauszuarbeiten. Berlages Bau
positionierte sich gegen den Ende des
19. Jahrhunderts auch in Leipzig vorherrschenden Historismus und wies den Weg
zu zeitgemäßeren „modernen“ Bauformen.
Am Anfang des 21. Jahrhunderts wendet
sich Erick van Egeraats Entwurf nun wiederum gegen die herkömmlichen Vorstellungen „moderner“ Architektur: Seinen
eigenen Aussagen zufolge strebt er eine
„Verschmelzung von Historismus und
Avantgardismus“ an. Wie seinerzeit der
Bau Berlages so kann auch Erick van
Egeraats Projekt als eine Weiterentwicklung zeitgenössischer Bauästhetik verstanden werden.
In der Ausstellung kann sich der Besucher
über die Vergangenheit und die Zukunft
des Leipziger Augustusplatzes informieren. Seine wechselvolle Baugeschichte und
seine Gestalt im Wandel der Zeiten vom
Mittelalter bis zur Gegenwart werden mittels eines Panoramas nachgezeichnet.
www.uni-leipzig.de/kustodie
Mit Erick van Egeraat wird wieder ein
Holländer am Augustusplatz Architekturgeschichte schreiben, wie der Entwurf für das Hauptgebäude bereits
jetzt erahnen lässt.
Abbildung: EEA associated architects
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UniVersum
Superhirn dank
Schenkung
Als weltweit einzige Hochschule hat die
Universität Leipzig Mitte März 2007 eine
neue Mainframe-Server-Generation in Betrieb genommen. Das „Superhirn“ mit der
technisch korrekten Bezeichnung z900
dient der Ausbildung von Informatik-Studenten in ganz Deutschland, sagt Dr. Paul
Herrmann vom Institut für Informatik.
Die z900-Maschine mit einer externen
Speichereinheit ist der Nachfolger der
Multiprise 2003 und der Multiprise 3000.
Die Hard- und Software hat einen Wert von
rund drei Millionen Euro und ist eine
Schenkung des Computerherstellers IBM.
„Damit findet seitens des Herstellers die
kontinuierlich hervorragende Arbeit des
Instituts für Informatik auf dem Gebiet der
studentischen Großrechnerausbildung seit
fast zehn Jahren in Leipzig ihre Würdigung“, kommentiert Herrmann. In
Deutschland nutzten momentan außer der
Universität Leipzig eine ganze Reihe von
Universitäten und Fachhochschulen den
Großrechner-Service.
Ohne die Spenden von Großunternehmen
wäre die Ausbildung am Institut für Informatik kaum möglich, sagt Herrmann. „Die
finanzielle Basis sieht nicht rosig aus. Nur
durch Spenden aus der Wirtschaft kann der
Lehrbetrieb aufrecht erhalten werden.“
Auch eine dringend benötigte Klimaanlage
für den neuen Großrechner müsse aus
Spenden finanziert werden.
Die Ausbildung am Institut für Informatik
der Universität Leipzig umfasst eine zweisemestrige Vorlesung einschließlich Übungen, die im Internet unter der Adresse
http://jedi.informatik.uni-leipzig.de
für
jeden Interessenten erreichbar sind. Die
Übungen in Form von Tutorien wurden an
der Universität Leipzig entwickelt und erhöhen das Interesse an einer erfolgreichen
Einführung in die Mainframe-Welt. Zum
Ausbildungsangebot gehören weiterhin
Forschungsarbeiten, die unter anderem im
Rahmen von Diplom-, Master- und Bachelor-Arbeiten angefertigt werden.
„Das Interesse unter den künftigen Informatikern ist groß, da die Nachfrage seitens
der Wirtschaft nach Fachleuten auf diesem
Gebiet deutschland- und europaweit immer
mehr zunimmt und davon abgeleitet sich
das Stellenangebot für Dipl.-Informatiker
komfortabel gestaltet“, weiß Herrmann.
Tobias D. Höhn
8
Modernster Strömungskanal
Den ersten Spatenstich für den weltweit
modernsten Strömungskanal leisteten (von
links) Torsten Burmester, stellvertretender
Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium, Rektor Professor Franz Häuser,
Ministerpräsident Georg Milbradt, Dr.
Klaus Rost, stellvertretender Direktor des
IAT und Dr. Winfried Nowack, Leiter des
Olympiastützpunktes Leipzig. Der Strömungskanal soll im Dezember 2008 fertig
werden. Nutzer sollen sein: das Institut für
Angewandte Trainingswissenschaft (IAT),
die Sportwissenschaftliche Fakultät der
Universität und der Olympiastützpunkt
Leipzig. Der Strömungskanal ermöglicht
aussagekräftige Untersuchungen im Bereich der komplexen Leistungsdiagnostik
und der Bewegungsanalyse, um eine optimale Unterstützung der Sportlerinnen und
Sportler im Leistungs-, Gesundheits- und
Rehabilitationssport zu gewährleisten.
B. A. / Foto: Armin Kühne
Studium universale auf der Suche
nach dem Glück in allen Facetten
Jeder will es, jeder hat es, und jeder will
mehr davon. Die Rede ist nicht von Geld
oder Macht, sondern vom Glück. Geld
macht ja bekanntlich ohnehin nicht glücklich. Oder ist Glück doch käuflich? Süchtig macht es allemal. Wir suchen es, wo wir
nur können, in der Liebe, im Spiel, in Gott
oder im ganz Kleinen und Privaten. Wir
finden es im Alltäglichen, genauso wie im
Außergewöhnlichen, und haben wir es einmal gefunden, so ist es endlos, jedoch im
nächsten Moment schon wieder vorbei.
Aber meistens wissen wir ja eh nichts von
unserm Glück.
Was also kann uns die Wissenschaft sagen,
zu diesem unfassbaren Glück? Kann sie
denn überhaupt etwas dazu sagen? Oder
stehen unsere Spezialisten dem Glück letzten Endes mit leeren Händen gegenüber?
Viele Fragen, denen dieses Semester beim
Studium universale nachgegangen wird.
Nach dem Zerfall alter Wertesysteme hat
die Diskussion über das, was glücklich
oder unglücklich macht, derzeit Hochkonjunktur. Um so wichtiger ist es, das Phänomen aus den verschiedensten Blickwinkeln
zu betrachten, und nicht nur aus wissenschaftlichen.
Die Frage nach dem Glück führt uns zur
Philosophie, zur Religion und in andere
Kulturen, aber auch in die heutige Drogenszene, in die Pädagogik wie in die Kunst.
Wir haben in diesem Semester unter anderem einen Kinderbuchverleger, eine
Straßensozialarbeiterin, einen Pater, eine
Orientalistin, eine Germanistin, einen Mediziner, einen Sportwissenschaftler sowie
einen Lottoveranstalter eingeladen, über
ihr Wissen vom Glück (und dessen Gegenteil) zu sprechen.
Wenn nicht anders angegeben, finden die
Veranstaltungen mittwochs von 19 bis
20.30 Uhr im Hörsaal des Städtischen
Kaufhauses, Raum 02-11 statt.
r.
www.uni-leipzig.de/studiumuniversale
journal
UniVersum
Erste Leipziger Picador-Professur für
kanadisch-englischen Autor Tristan Hughes
Im zurückliegenden Wintersemester wurde
erstmals die Picador-Guest Professorship
für Literatur am Institut für Amerikanistik
der Universität Leipzig besetzt: Den Anfang machte der kanadisch-englische Autor Tristan Hughes, dessen Roman „Send
my cold bones home“ in England als eines
der besten Bücher 2006 galt.
Jeweils für ein Semester soll auch künftig
an der Universität Leipzig mit der PicadorGuest Professorship for Literature ein renommierter Autor aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum an der Universität
Leipzig über Themen seiner Wahl unterrichten. Eingerichtet wurde diese Gastprofessur in Kooperation mit dem Deutschen
Akademischen Auslandsdienst (DAAD)
Tristan Hughes erhielt die erste PicadorProfessur.
Foto: Dietmar Fischer
und dem Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Ziel der
Picador-Guest Professur ist Englisch als
kulturtragende Weltsprache zu thematisieren.
Tristan Hughes gab während seines Aufenthaltes als Gastprofessor auch mit einer
öffentlichen Lesung Einblick in seine Arbeit. Die Picador-Professur soll durch die
Vermittlung „gelebter“ Literatur beitragen,
die Leipziger Amerikanistik in einer Vorreiterrolle unter amerikanischen und anglistischen Programmen in Deutschland zu
platzieren und so die Internationalisierung
des Wissenschaftsstandortes Sachsen in
besonderem Maße weiter zu unterstützen.
M. R.
Herz – Motor des Lebens
Tag der Gesundheitsforschung lockt 1200 Besucher
Schon eine Stunde vor Beginn des „HerzKreislauf-Fitness-Parcours“ kamen die
ersten Besucher in das Operative Zentrum
des Universitätsklinikums Leipzig. Pünktlich neun Uhr standen bereits mehr als 150
Menschen an, um sich Blutzucker und
Blutfettwerte messen zu lassen. Der für
350 Menschen ausgelegte Hörsaal platzte
sprichwörtlich aus allen Nähten – selbst
auf den Treppen gab es keinen freien Platz
mehr. Das Interesse der Besucher galt gleichermaßen dem Vortragsprogramm wie
den zahlreichen Info- und Mitmachständen.
Dekan Prof. Dr. Jürgen Meixensberger
freute sich über das Interesse der Leipziger: „Wir wollten heute Forschung zum
Anfassen präsentieren und mit den Menschen ins Gespräch kommen. Das ist hervorragend gelungen. Der heutige Tag war
eine gute Werbung für medizinische Forschung und die universitäre Medizin.“
Vom Teddybärenkrankenhaus über den
Stand des AOK-Gesundheitszentrums bis
hin zum Vortrag „Krankes Herz und Sexualität – geht denn das?“ – für jeden war etwas dabei. Mutig probierten jung und alt
den Umgang mit einem Elektroschockgerät, übten die Wiederbelebung, inforHeft 2/2007
Lange Warteschlangen auf Grund des Besucherandrangs beim Tag der Gesundheitsforschung, wie hier beim Messen des Blutdrucks.
Foto: Heiko Leske
mierten sich, wie ein Eingriff im Herzkatheterlabor erfolgt und ließen ihr persönliches Infarktrisiko bestimmen. Fragen
über Fragen stellten sie den Medizinern,
aber auch am Informationsstand der Deutschen Herzstiftung. Blutfettmessung,
Herz-Ultraschall und die Bestimmung des
Infarktrisikos waren so gefragt, dass das
ursprünglich für 14 Uhr gedachte Ende der
Veranstaltung anderthalb Stunden nach
hinten verschoben wurde.
H. L.
9
Jubiläum 2009
Internationalität bestimmte
die Jahrhunderte
Die Immatrikulationszahlen von einst und jetzt
Von Thomas Lang, Historisches Seminar
Nicht erst in den letzten Jahren hat die Universität Leipzig Internationalität zu einem
ihrer zentralen Anliegen erklärt, auch
schon die mittelalterliche Universität erweist sich bei genauerer Betrachtung als
ein Zentrum von überregionalem, ja gar
„internationalem“ Gedanken- und Kulturaustausch. Deutlich wird dies, wenn man
die Zusammensetzung der Studierenden
und Lehrenden des 21. mit der des 15. Jahrhunderts vergleicht.
Trotz guter Transportmöglichkeiten und
der allgemein als hoch angenommenen
Mobilität ist die Hochschule gegenwärtig
stark regional verankert: Knapp die Hälfte
der Leipziger Studenten kommt aus Sachsen. Nur Sachsen-Anhalt und Thüringen
stellen noch bedeutende Anteile der Studenten. Egal wie man den regionalen Kerneinzugsbereich der Universität definiert,
mehr als zwei Drittel der Leipziger Studenten stammen aus der näheren Umgebung.
Hingegen kamen in den 130 Jahren von der
Universitätsgründung 1409 bis zur Einführung der Reformation 1539 im albertinischen Sachsen lediglich 30 Prozent der
knapp 38 300 Studierenden aus einem vergleichbaren regionalen Kernbereich. Die
Ursachen dafür sind im Fehlen von Sprachbarrieren, der natürlich ungleich geringeren Universitätsdichte im späten Mittelalter und in der Bevorzugung der „Fremden“
in der alten „Nationenverfassung“ der Universität zu finden.
Diese Nationenverfassung wurde von den
1409 aus Prag geflohenen Magistern mitgebracht. Das Verfassungsmodell teilte die
Studenten nach Herkunft der Meißnischen,
Sächsischen, Polnischen oder Bayrischen
Universitätsnation zu. Die große meißnisch-wettinische Nation umfasste mit
Sachsen, Thüringen sowie großen Teilen
Brandenburgs und Sachsen-Anhalts relativ
genau jenen Kerneinzugsbereich der Universität Leipzig, der heute die Mehrzahl
der Studenten stellt.
Mehr als zwei Drittel der Studenten stammen heute aus der näheren Umgebung,
anders in der Zeit zwischen 1409 und 1539. Damals stammten nur knapp 30 Prozent der Studierenden aus einem vergleichbaren regionalen Kernbereich.
10
Damals kam die Mehrheit der Studenten
jedoch aus weiter entfernten Landschaften
und gehörte zum großen Teil der Bayrischen Nation an, welche alle Studierenden
aus den westlich und südwestlich der
Meißnischen Nation gelegenen Gebieten
aufnahm. Die „Bayern“ stellten in den
1460er Jahren sogar etwas über die Hälfte
der Leipziger Studenten. Die anderen beiden „fremden“ Universitätsnationen, die
Polnische in östlicher und südöstlicher und
die Sächsische in nördlicher Himmelsrichtung, waren in der Gründungsphase der
Universität noch zahlreicher vertreten als
die „Meißnische Nation“ und verloren erst
später an quantitativer Bedeutung.
Im Mittelalter größere
Überregionalität als heute
Die Gleichberechtigung der „Universitätsnationen“ in allen akademischen und wirtschaftlichen Dingen schuf Vorteile für
fremde Studenten. Dank den einzelnen Nationen vorbehaltenen Lehrstellen, Kollegien und Bursen (Studenteninternate) war
die alltägliche Versorgung ebenso gesichert, wie die Aufstiegschancen. Selbst die
Rektoren wurden abwechselnd aus den
verschiedenen Nationen gewählt. Zusätzlich profitierte die Hochschule von der geringeren Universitätsdichte im Umfeld:
Wittenberg und Frankfurt (Oder) entstanden erst um 1500. Jedoch kamen gerade
aus dem Süden und Westen Deutschlands,
der wesentlich besser mit Universitäten
ausgestattet war (u. a. Heidelberg, Köln,
Würzburg, Ingolstadt, Basel, Mainz), viele
Studenten an die ungleich anziehendere
Universität Leipzig – trotz des deutlich
weiteren Wegs.
Diese Vorteile sicherten der Universität
Leipzig im Mittelalter eine größere Überregionalität als ihrem heutigen Pendant,
das eher als regional verankerte Landesuniversität bezeichnet werden kann.
journal
Jubiläum 2009
Nun ist Überregionalität nicht gleichbedeutend mit Internationalität. Einmal ganz
abgesehen davon, dass moderne Nationen
als Staaten mit festen Grenzen und differenziertem Rechts-, Bildungs- und Verwaltungssystem erst in der Neuzeit entstanden,
so kann man doch – die heutigen Grenzen
im Auge behaltend – bestimmte Studierende im Mittelalter als „ausländisch“
identifizieren.
Studenten und Lehrende aus England,
Schweden, dem preußischen Ordensland,
Livland, Schlesien, Böhmen, Siebenbürgen, der Schweiz usw. kennzeichnen einen
ähnlich weiten Einzugsbereich, wie er bereits von Wenke Richter (Uni-Journal
7/2006) für die Universität in der Frühen
Neuzeit dargestellt wurde. So lag die Polnische Universitätsnation nach heutigen
Begriffen vollständig im Ausland, im Süden umfasste sie unter anderem die heutige
Tschechische Republik, die Slowakei,
Slowenien und Ungarn, im Osten begann
sie erst hinter Żary und Lubań in Polen.
Allein diese heute rein „ausländische
Universitätsnation“ stellte an der Alma
mater Lipsiensis 13 Prozent der Studierenden.
Ganz anders im 21. Jahrhundert: Bildet
man die Nationen nach, würde die Polnische Nation heutzutage unter 5 Prozent der
Studenten fallen. Ja sogar alle 2600 ausländischen Kommilitonen zusammengenommen machen nur einen Anteil von 8,6 Prozent der Leipziger Studierenden aus. Auch
bei den nördlichen Nachbarn sieht dies
nicht anders aus. So stellt Schweden heutzutage einen geringeren Anteil an
Studenten als einst allein die Domstadt
Uppsala.
Gerade das Fehlen der Sprachbarrieren erweiterte im Spätmittelalter den Einzugsbereich bei den östlichen und nördlichen
Die Bayrische Nation stellte vor allem in den 1460er Jahren einen großen Teil der
Leipziger Studenten.
Grafiken: Lang
Nachbarn. Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass die Gelehrten- und Unterrichtssprache Latein nicht nur in Vorlesungen, Diskussionen und Repetitorien Verwendung fand, sondern die Studenten zudem genötigt wurden, bei Tisch oder in den
Bursen untereinander Latein zu sprechen.
Ergo: Latein war damals deutlich präsenter
als Englisch heutzutage.
Demnach war die mittelalterliche Alma
mater Lipsiensis nicht nur überregionaler,
sondern durch ihre Studenten und Lehrenden sogar „internationaler“ geprägt als die
heutige Universität Leipzig.
Der überregionalen Prägung der mittelalterlichen Universität wurde erst durch die
Wirren der Reformationszeit, die in Leipzig in den 1520er Jahren erstmals spürbar
wurden, ein Ende gesetzt. Ein noch rapiderer Rückgang der Neuimmatrikulationen
als in den meisten Pest- und Kriegsjahren
traf Leipzig ähnlich hart, wie die meisten
anderen deutschen Einrichtungen. Erst mit
der Einführung der Reformation im Leipziger Raum 1539 erholte sich die Universität, jedoch hatte sich ihre Besucherstruktur grundlegend geändert. Die Studenten
aus dem katholisch geprägten Süddeutschland blieben aus. Die Bayrische Nation
sank auf Anteile unter 20 Prozent ab, so
dass seit den 1550er Jahren die Meißnische
Nation die Mehrheit der Studenten stellte.
Ein Stück „Internationalität des Mittelalters“ fand an der Leipziger Universität
ihr Ende in der Geburt der lutherischen
Landesuniversität!
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Heft 2/2007
11
Jubiläum 2009
Gesichter
der Uni
Paul Newman (geb. 1925)
Foto: Cinetext Bildarchiv
Die Reihe „Gesichter der Uni“ erscheint
seit April 2004 im Uni-Journal.
In ihr sollen neben den berühmten „großen Köpfen“ der Alma mater auch weniger bekannte Universitätsangehörige
vorgestellt werden. Dunkle Kapitel
der 600-jährigen Universitätsgeschichte
bleiben dabei nicht ausgespart. Betreut
wird die Rubrik von der Kommission zur
Erforschung der Leipziger Universitätsund Wissenschaftsgeschichte. Anregungen und Manuskripte (mit Bildvorschlägen) richten Sie bitte an:
[email protected]
Auf einen Blick finden Sie die
„Gesichter“ im Internet unter
www.uni-leipzig.de/journal/
gesichter
12
Den 1925 in Ohio geborenen Paul Newman
dürfte ebensoviel oder -wenig mit der Universität Leipzig verbunden haben, wie Karl
Marx, dessen Namen die Universität von
1953 bis 1990 trug. Dennoch konnten im
Jahr 1966 Millionen Kinogänger weltweit
das Gesicht des populären amerikanischen
Schauspielers in Zusammenhang mit der
Universität Leipzig bringen. Paul Newman
spielte in Alfred Hitchcocks Thriller „Torn
curtain“ (dt.: „Der zerrissene Vorhang“)
einen amerikanischen Atomphysiker, der
sich zum Schein als Überläufer ausgibt, um
ausgerechnet an der Leipziger Universität
einem deutschen Kollegen geheime Formeln zu entlocken und diese dann in Amerika zur Beförderung der eigenen Karriere
zu verwerten. Der junge Professor gerät dabei jedoch zwischen die Fronten des Kalten Krieges und kann sich schließlich nur
durch eine spektakuläre Flucht aus den
Fängen der Staatssicherheit retten.
Die Filmkritik rechnete „Torn curtain“
(trotz der prominenten Rolle Leipzigs!)
nicht zu Hitchcocks besten Filmen – an den
unvergleichlichen „North by Northwest“
(dt. „Der unsichtbare Dritte“) reichte die
eher bemühte Geschichte, die im Übrigen
Parallelen zum realen Fall des sowjetischen
Atomspions Klaus Fuchs (1911–1988,
Sohn des Leipziger Theologen Emil
Fuchs!) aufwies, nicht heran.
Hitchcocks Politthriller wurde natürlich
nicht am Leipziger Originalschauplatz gedreht – nur einmal ist ein Archivbild des
Augusteums am Augustusplatz zu sehen.
Die Wahl des Handlungsortes dürfte der
Tatsache Rechnung getragen haben, dass
die konfrontativen Spannungen des Kalten
Krieges nirgendwo unmittelbarer sichtbar
waren, als im geteilten Deutschland.
„Torn curtain“ war übrigens nicht der erste
Hollywood-Spielfilm, in dem die Alma
mater Lipsiensis eine Rolle spielte: In der
Komödie „Woman of the year“ (dt. „Die
Frau von der man spricht“) aus dem Jahr
1942 war dies schon einmal der Fall gewesen. Die welterfahrene Zeitungsredakteurin Tess Harding (Katharine Hepburn)
machte darin ihrem Kollegen und Ehemann (Spencer Tracy) während eines
denkwürdigen Wetttrinkens klar, welch
anspruchsvolle Ausbildung sie an der Sorbonne und an der Universität Leipzig erhalten habe. Anders als 1966 war diese Anspielung ein Nachhall der großen wissenschaftlichen Reputation, die die Universität Leipzig im 19. Jahrhundert gerade in
Amerika genoss.
Sebastian Kusche,
Kommission für Universitätsgeschichte
Personelle
Verstärkung
für Geschäftsstelle 2009
Für die Vorbereitung der Jubiläumsfeierlichkeiten hat sich die Geschäftsstelle 2009
personelle Verstärkung geholt: Dr. Günter
Roski und Gerlinde Kämmerer sind seit
März neu im Team.
Der studierte Journalist Günter Roski ist
fortan stellvertretender
Leiter der Geschäftsstelle. Bis vor kurzem
arbeitete der 54-Jährige im Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig und war
dort als Abteilungsleiter unter anderem für
die Bürgerumfragen der Stadt und das
Wahlhelfermanagement verantwortlich.
Jetzt will er seine Erfahrungen mit der Organisation von Veranstaltungen einbringen
und gleichzeitig auch die Interessen der
Stadtverwaltung mit einflechten. „Die
Würdigung der friedlichen Revolution von
1989 liegt mir dabei besonders am Herzen“, so Roski.
Aktuell kommen ihm seine Erfahrungen
mit soziologisch-statistischen Erhebungen
bei der Machbarkeitsprüfung einer Imageanalyse zugute. Die Ergebnisse einer solchen Datenerhebung würden insbesondere
hilfreich bei der bevorstehenden Imagekampagne zum Uni-Jubiläum sein.
Gerlinde Kämmerer
unterstützt die Geschäftsstelle in der
Büroorganisation und
wirkt als „guter Geist“
im Sekretariat. Die 52Jährige hat nach einem Studium der Kulturwissenschaft in verschiedenen Kultureinrichtungen gearbeitet. Im Haus des Buches betreute sich jahrelang die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit.
Kornelia Tröschel
Immer auf dem
Laufenden mit dem
Newsletter zum
Jubiläum. Anmeldung unter:
www.uni-leipzig.de/2009/newsletter
journal
Forschung
Knifflige Fragen aus
angewandter Wissenschaft
Der profilbildende Forschungsbereich Mathematik
„Es ist ein Etappensieg“, betont Professor
Dr. Stephan Luckhaus, Sprecher der Antragsgruppe für das Exzellenzcluster sowie
den gleichnamigen profilbildenden Forschungsbereich Mathematik und ihre Anwendungen in den Naturwissenschaften,
aber gleichzeitig auch ein „deutlicher Beweis für die nationale und internationale
Sichtbarkeit der Mathematischen Forschung an der Universität Leipzig“.
Anfang des Jahres erreichte die Universität die Nachricht, dass sie mit zwei Anträgen – für die Graduiertenschule BUILDMONA sowie für das Exzellenzcluster
Mathematik und ihre Anwendungen in den
Naturwissenschaften das Finale der Exzellenzinitiative erreicht hat. Dieses Exzellenzcluster umfasst die mathematischen
Wissenschaften im breiten Sinn: Mathematik, Theoretische Physik und große Teile
der Informatik arbeiten an mathematischen
Ansätzen und komplexen Formeln, die
auch für angewandte Forschung von großem Nutzen sein können.
Vor 125 Jahren: Felix Klein
gründete das Institut
Beispielsweise lassen sich mit den Leipziger mathematischen Modellen Probleme
neu und von mathematischer Seite „anpacken“, etwa bei der Berechnung der Veränderungen an Küstenlinien, an denen Meeresströmungen nagen. Der Übergang zwischen den Aggregatzuständen flüssig, fest,
gasförmig ist nicht von ungefähr ein zentrales Forschungsgebiet für die Mathematiker, Theoretischen Physiker und Informatiker. Aus ihren jeweiligen Fachperspektiven machen sie sich auf die Suche nach
neuen mathematischen Verfahren für vielfältige naturwissenschaftliche Anforderungen und Anwendungen.
Nicht unwichtig für das „Standing“ der
Leipziger Mathematik in der aktuellen nationalen sowie internationalen Wissenschaftsgemeinschaft mag auch die weitreichende und erfolgreiche Geschichte von
Heft 2/2007
Mathematik und Theoretischer Physik in
Leipzig sein. Das Institut für Mathematik,
das vor 125 Jahren von Felix Klein gegründet worden war, und das Institut für Theoretische Physik haben eine lange Geschichte der Zusammenarbeit. Gemeinsam
mit dem 1996 gegründeten Max-PlanckInstitut für Mathematik in den Naturwissenschaften (Leipzig) forschen die Wissenschaftler auf dem Gebiet der strukturellen
Fragen, die direkt aus physikalischen, inzwischen auch immer mehr biologischen
Fragen erwachsen. Auf letztgenanntem Gebiet liegt auch ein Schwerpunkt des Instituts für Informatik, die Angewandte Informatik mit dem besonderen Blick auf Life
Sciences. „Die traditionelle interdisziplinäre Arbeitsweise von Mathematikern und
Physikern, die innerhalb der vergangenen
100 Jahre an manchen Wissenschaftsstandorten durch die voranschreitende wissenschaftliche Ausdifferenzierung mitunter
verloren ging, hielt sich an der Universität
Leipzig offenbar ein ganzes Stück länger“,
beschreibt Professor Dr. Gerhard Heyer,
Dekan der Fakultät für Mathematik und
Informatik.
Drei Hauptforschungsfelder bestimmen
die Arbeit im profilbildenden Forschungsbereich Mathematik und ihre Anwendungen in den Naturwissenschaften: In einem
ersten Schwerpunkt widmen sich die Forscher den Quantenstrukturen und suchen
mit komplexer Geometrie kosmologische
Systeme und Systeme höchster Energie zu
beschreiben. Quantenmechanik und Gravitationstheorie dienen der Erforschung von
Raum, Zeit und Materie.
Der zweite Forschungsschwerpunkt widmet sich Mehrskalensystemen in Analysis
und Stochastik. Bezugnehmend auf die
Vorhersagbarkeit von Wetter und Wandel
des Klimas vermögen mathematische Systeme weit über die Prognosen der Meteorologie hinaus Aussagen zu treffen. Die
„Grenzen der Vorhersagbarkeit“ wiederum
auszuloten und immer genauere Methoden
und Berechnungswege zu finden, ist der
Ansatz des Forschungsbereichs. Manch-
mal gelingt es, für gekoppelte Systeme
Vorhersagen zu machen, beispielsweise für
die Veränderung von Dünenformen durch
den Einfluss von Wind und Wetter.
Schließlich gibt es den dritten Forschungsschwerpunkt mit dem Thema Komplexe
Systeme: mathematische Methoden, Numerik und Modelle in der Biologie. Wie organisiert sich die Reproduktion des genetischen Codes, mit welcher mathematischen
Methode lässt sich die chemische Reaktion
in diesem Zusammenhang beschreiben? Es
sind also immer wieder und zumeist Fragen aus den angewandten Wissenschaften,
die in die abstrakten Ebenen von Mathematik, Theoretischer Physik und Informatik
führen.
Physik und Biologie bestimmen die großen Themen
„Ordnungen beschreiben und die Abhängigkeit von Ordnungen untereinander entdecken“, das sei eine Hauptaufgabe des
Forschungsbereichs
Mathematik beschreibt Luckhaus die Aufgabe seiner
Forschergruppe. Während noch vor rund
100 Jahren die Physik die großen Themen
der Anwendung vorgab, so stammen diese
inzwischen genauso aus der Biologie. Die
Beschreibung von Evolutionsvorgängen
und Vielteilchensystemen stehe heute auf
der Forschungsagenda ganz oben. Dabei
steht die theoretische Auseinandersetzung
mit den Problemen an erster Stelle: „Einen
Supercomputer haben wir hier nicht“, betont Luckhaus. „Wir entwickeln die Strukturen und die Vorgaben für die Umsetzung
in spätere Rechenvarianten.“
Erstes Ziel von Prof. Luckhaus und seinen
Mitstreitern ist der weitere Aufbau einer
optimalen Forschungsstruktur, die sich
selbst trägt – und die mit ihren verbesserten Forschungs- und damit auch Lehrbedingungen auch den Wissenschaftsstandort
Leipzig noch attraktiver macht.
Dr. Manuela Rutsatz
13
Forschung
Theodor Litt – Kritischer
Philosoph und Pädagoge
Zehn Jahre Forschungsstelle – Bilanz und Ausblick
Von Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schulz, Leiter der Litt-Forschungsstelle
Mit der Übernahme des Nachlasses im
Jahre 1997 kehrte Theodor Litt gleichsam
wieder nach Leipzig zurück, wo er in den
Jahren zwischen 1920 und 1947 als Ordinarius für Philosophie und Pädagogik
nachhaltig wirkte. Die seitdem der Universität Leipzig zur Verfügung stehenden Unterlagen und Dokumente stellen den umfangreichsten Nachlass dar, über den das
Universitätsarchiv verfügt. Es war somit
konsequent, im gleichen Jahr eine Forschungsstelle einzurichten, die es sich mit
der zeitgleich gegründeten Theodor-LittGesellschaft zur Erforschung und Pflege
der geisteswissenschaftlichen Pädagogik
e.V. zur Aufgabe gemacht hat, Litts umDas XI. Theodor-Litt-Symposion findet am 25./26. Oktober statt und befasst
sich mit dem Verhältnis von Pädagogik
und Philosophie.
Die Themen der vorangegangenen
Symposien:
1997: Zeitzeugen im Gespräch
1998: Theodor Litt und der Nationalsozialismus
1999: Theodor LittsWirken in der SBZ
und seine Auseinandersetzung
mit der DDR
2000: Theodor Litt und die Naturwissenschaften
2001: Theodor Litt im Leipzig der 20er
Jahre
2002: Individuum und Gemeinschaft
2003: Universität und Volksbildung.
Zur Differenzierung der Pädagogik im Umkreis von Theodor Litt
2004: Theodor Litt und die Politische
Bildung
2005: Theodor Litt – Werte lehren und
Werte leben in der Demokratie
2006: Theodor Litt: Freiheit, Verantwortung, Mitwirkung – Eckpfeiler des Demokratieverständnisses
14
fangreiches Werk in den unterschiedlichsten Dimensionen und Facetten wissenschaftlich aufzuarbeiten. Die unmittelbar
aufgenommene Forschung verdeutlicht die
Multiperspektivität und die Zeitlosigkeit
seiner Aussagen, welche die unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen überspannt. Dieses bot und bietet hinreichend
Anlass, jährliche Fachtagungen zu veranstalten und die wissenschaftliche Öffentlichkeit in den Diskurs einzubinden.
Unbeugsam und
herausragend
Galt es in einem ersten Arbeitsschritt mittels Zeitzeugenbefragungen unter anderem
Fakten zu sichern, so wurden in den folgenden Jahren zum einen thematisch differenzierende Analysen seines umfassenden
Werkes geleistet. Zum anderen wurde in
Auswahl den unterschiedlichen Ebenen
seines außeruniversitären Wirkens und der
nachhaltigen nationalen und internationalen Rezeption nachgegangen. Alle Symposien haben bislang eine äußerst lebhafte nationale und internationale Nachfrage erfahren. Ihre Teilnehmerzahl beträgt zwischen
80 und mehr als 100. Die einzelnen Fachtagungen (siehe Infokasten) aufarbeitend
und mit weiterführenden Analysen und
Forschungsberichten versehen, wird im
Zweijahresrhythmus das Theodor-LittJahrbuch herausgegeben; bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen bereits fünf
Bände vor, jeder einzelne wurde national
und international gewürdigt. Im Mai 2007
wird anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Theodor-Litt-Forschungsstelle ein
Sonderband erscheinen.
In den zurückliegenden Monaten hat die
Erforschung der Rezeptionsgeschichte einige besonders interessante Facetten hervorgebracht: ausgehend von der Anlage
eines „Promotionskatasters“ ist es möglich, die Doktoranden Litts berufsbiogra-
fisch nach zu verfolgen und durch eine
standortbezogene Analyse der Lehr- und
Forschungsleistungen einschließlich der
mit diesem Personenkreis verbundenen Publikationen die besondere Tiefendimension
des sich fortschreibenden Litt’schen Gedankenguts zu ermitteln.
Insgesamt war Theodor Litt in den Jahren
seines Wirkens an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig an 170 Promotionsverfahren als Gutachter beteiligt;
142 wurden erfolgreich abgeschlossen.
Eine vergleichbare Studie für das Wirken
Theodor Litts an der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn
wird gegenwärtig konzipiert. In der Gesamtzahl von 170 Doktoranden sind 26
Frauen erfasst; 24 von ihnen wurden erfolgreich promoviert. Unter den Promovenden befanden sich 17 Ausländer aus 11
Nationen. Eine besonders nachhaltige Wirkung wurde von den zwei Doktoranden aus
Japan ausgelöst, die in ihrem weiteren beruflichen Wirken in ihrem Heimatland
mehr als 300 wissenschaftliche Arbeiten
anregten. Eine aktuell laufende Forschungsarbeit an der Universität Hiroshima geht den damit zusammenhängenden Detailfragen nach; sie soll im Oktober
in Leipzig vorgestellt werden.
Theodor Litt darf unstrittig als eines der
herausragenden Mitglieder der Universität
Leipzig im 20. Jahrhundert bezeichnet
werden. Seine Antrittsrede bei der Übernahme des Rektorats 1931/32 bewies mit
Blick auf den heraufkommenden Nationalsozialismus gleichsam seherische Kräfte.
Seine Unbeugsamkeit gegenüber beiden
deutschen Diktaturen ist mehr als beispielhaft gewesen; er ließ sich von keiner instrumentalisieren. Die Universität Leipzig ist
sich in vielerlei Hinsicht der herausragenden Leistungen Theodor Litts bewusst. So
wird der jährlich von der Vereinigung der
Förderer und Freunde der Universität Leipzig ausgelobte Förderpreis für Lehre seit
2001 als „Theodor-Litt-Preis“ vergeben.
journal
Forschung
Wie „tickt“ eine Stammzelle?
Junge Mathematiker entwickeln ein Modell zur
Berechnung des Therapieerfolges bei Leukämie
Eine neue, aus einem mathematischen Modell abgeleitete Überlegung zur Behandlung von Leukämie wurde jüngst von einer
Gruppe Wissenschaftler der Universität
Leipzig in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Forscher um Prof. Dr. Markus
Löffler, Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie
(IMISE), simulieren am Computer Möglichkeiten, leukämische Stammzellen zu
beeinflussen und tragen hiermit zur Entwicklung neuer Therapien bei.
Bislang wurde die chronisch-myeloische
Leukämie (CML), die aus einer Entartung
der Blutstammzellen im Knochenmark resultiert, bei einer Vielzahl von Patienten
ziemlich radikal behandelt. Durch die Einnahme von Zellgiften wurde die Zahl der
neu gebildeten leukämischen Blutkörperchen ständig reduziert. Diese Prozedur ist
für den Patienten jedoch äußerst strapaziös,
da sie nicht nur kranke, sondern auch gesunde Zellen massiv zerstört.
Die Forscher in aller Welt bewegt jetzt ein
anderer therapeutischer Ansatz. Mit Hilfe
einer neuen Generation von Medikamenten
ist man seit Kurzem in der Lage, ganz gezielt nur die leukämischen Zellen anzugreifen, ihre fehlerhafte Funktion einzuschränken und die gesunden Zellen zu schonen.
Um nun herauszufinden, wie diese Medikamente optimal eingesetztwerden können
und wie man auch eine Beseitigung der
kranken Stammzellen gewährleisten kann,
muss man die Funktionsweise der Stammzellen besser verstehen. Hier stoßen Biologen und Mediziner beim Blick durch das
Mikroskop an Grenzen.
„Die genaue Charakterisierung des Zustandes einer Stammzelle ist meist mit der Zerstörung der Zelle selbst verbunden“, erläutert Prof. Löffler die Kompliziertheit der
Grenzziehung und die Notwendigkeit mathematischer Ansätze. „Das, was die Wissenschaft heute als blutbildende Stammzelle bezeichnet, ist eigentlich ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher
Zellen. Nimmt man beispielsweise etwas
Knochenmark, dann sortieren die Biologen
alle differenzierten Zellen aus. Zurück
bleibt ein Rest unreifer Zellen von denen
einige das gewünschte Stammzellpotential
aufweisen. Die Frage, welche dieser Zellen
später im Körper den Nachschub an Blutzellen realisieren wird und wie die Regulation dieser Prozesse abläuft, kann momentan von den Experten nicht mit Sicherheit
beantwortet werden. Aber hier treten die
Mathematiker hinzu. Sie erarbeiten und
testen im Computer Regelwerke, die Aussagen treffen, wie Stammzellen ‚ticken‘.
Wir nennen dies ein Modell.“
„Dies passiert, indem wir zuerst einmal
alle Informationen sammeln, die Biologie
und Medizin hergeben“, beschreibt Dr.
Ingo Röder das mathematische Herangehen. „Wie reagieren Stammzellen unter
spezifischen Bedingungen? Wie regenerieren sie sich? Wann sind Transplantationen
erfolgreich, wann nicht? Es folgt unser
Schritt ins Ungewisse: Wir formulieren
einen Satz von Regeln und nutzten diesen
zur Vorhersage, wie Stammzellen unter
bestimmten Umständen reagieren werden.
Und dann vergleichen wir diese Vorhersage
mit der Realität, das heißt Biologen in
Mannheim, in Toronto oder im Nachbarzimmer überprüfen unseren Regelsatz anhand experimenteller oder klinischer Daten. Und wir korrigieren ihn solange bis der
Punkt erreicht ist, an dem wir sagen können: Wenn die leukämischen Stammzellen
dieses oder jenes Signal erhalten, werden
sie auf folgende Weise reagieren.“
Solch ein Signal kann auch eine von außen
zugefügte Substanz, ein Arzneimittel sein.
Und mit genau solch einem seit fünf Jahren auf dem Markt befindlichem Medikament beschäftigen sich jetzt international
die Leukämie-Forscher. Es handelt sich um
Imatinb (Gleevec), ein Medikament das
gezielt die Menge der leukämischen Zellen
reduziert. Bleibt die Frage, ob es auch auf
die Stammzellen wirkt und deren intrazelluläre Informationswege beeinflusst.
„Im Gegensatz zu einer Arbeitsgruppe in
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Heft 2/2007
15
Forschung
Harvard glauben wir, dass die verfügbaren
klinischen Daten verträglich sind mit der
Behauptung, dass auch die leukämischen
Stammzellen angegriffen werden“, fasst
Röder den in Nature Medicine erschienenen Leipziger Beitrag zusammen.
Die amerikanischen Wissenschaftler begründen ihre konträre Aussage mit der Tatsache, dass nach dem Absetzen von Imatinb die zuvor deutlich gesunkene Anzahl
der kranken Blutköperchen explosionsartig wieder ansteigt.
„Unsere Theorie hingegen basiert auf der
Annahme, dass es nicht eine homogene
Population von Stammzellen gibt, die sich
etappenweise über Vorläuferformen in
reife Zellen entwickeln. Wir gehen davon
aus, dass Stammzellen sowohl in einem
aktiven als auch in einem ruhenden Zustand existieren und nur die aktiven vom
Medikament erreicht werden. Da aber die
Stammzellen, bevor sie sich zur reifen
Zelle hinentwickeln, sowohl den „schlafenden“ als auch den „wachen“ Zustand
mehrmals durchlaufen können, hat prinzipiell jede die Möglichkeit, wirksam mit der
therapeutischen Substanz in Kontakt zu
kommen.“ Durch dieses mathematische
Modell könnte sich auch die Frage beantworten lassen, wie lange die Therapie laufen muss, damit jede der leukämischen
Stammzellen erreicht werden kann.
Ein weiterer Aspekt, den die IMISE-Wissenschaftler in ihre Berechnungen einbeziehen, ist der Einsatz von Medikamenten,
die als „Wecker“ für Stammzellen genutzt
werden können. Wenn solche Arzneimittel
gleichzeitig mit Imatinb eingesetztwerden,
so könnte die größere Aktivität der Stammzellen auch einen intensiveren Effekt der
Imatinb-Substanz bewirken. In der Publikation der Wissenschaftler um Dr. Röder
wurden hierzu bereits erste hoffnungsvolle
Vorhersagen des Modells publiziert, die allerdings noch experimentell bzw. klinisch
geprüft werden müssen.
„Eine aus unserer Modellvorhersage abgeleitete Behandlung könnte unter anderem
dazu führen, dass ein Abbruch bzw. eine
Unterbrechung der Imatinb-Therapie, keinen so rasanten Wieder-Anstieg der leukämischen Blutkörperchen nach sich ziehen
müsste“, hofft Röder. „Und auf weite Sicht
könnte eine wirkliche Heilung der chronisch-myeloischen Leukämie durch optimierte Behandlungsschemata ins Auge gefasst werden.“
Marlis Heinz
16
Neuer Experimentalansatz
Leipziger Forscher entschlüsseln
Rätsel der Sorptionshysterese
Das physikalische Phänomen der Sorptionshysterese ist seit mehr als 100 Jahren
bekannt: Poröse Oberflächen nehmen Moleküle auf und geben sie auch wieder ab,
wobei die Gesamtmenge der Moleküle im
Porensystem während der Aufnahme und
Abgabe unterschiedlich ist, obwohl die
äußeren Bedingungen wie Druck und Temperatur völlig gleich sind. Die Wissenschaftler Jörg Kärger, Rustem Valiullin,
Sergej Naumov und Petrik Galvosas von
der Abteilung Grenzflächenphysik der Fakultät für Physik und Geowissenschaften
der Universität Leipzig haben sich dieses
Phänomens angenommen und sind zu
überraschenden Ergebnissen gekommen,
wie die renommierte Fachzeitschrift Nature kürzlich berichtete.
Bislang war die Wissenschaft nach Angaben von Professor Kärger davon ausgegangen, dass die Geschwindigkeit, in der sich
ein Gleichgewicht der Moleküle bei Adsorption und Desorption einstellt, durch
eine Verlangsamung der molekularen Beweglichkeiten hervorgerufen wird.
Die Leipziger Forscher stellten nun fest,
dass das Tempo der Gleichgewichtseinstellung eine Folge der Umverteilung der Mo-
leküle und der Entspannungsprozesse im
Porensystem ist, die damit verbunden sind.
Möglich war die Entschlüsselung dieses
Rätsels geworden, weil sich die Wissenschaftlergruppe eines neuen Experimentalansatzes bediente: Sie ging dem dynamischen Prozess der Sorptionshysterese mittels verschiedener Verfahren der Kernmagnetischen Resonanz auf den Grund.
Poröse Systeme kommen unter anderem in
der Industrie zum Einsatz, wenn etwa bestimmte Stoffe voneinander getrennt werden sollen. Auch bei der Umwandlung von
Stoffen werden poröse Oberflächen eingesetzt. Die Untersuchungen dazu, wie sich
flüssige oder gasförmige Moleküle in solchen Porensystemen verhalten, sind von
außerordentlicher Bedeutung für die Praxis: Ein technologischer Prozess kann
nämlich nicht schneller verlaufen als es die
Geschwindigkeit zulässt, mit der die beteiligten Moleküle in das Porensystem eintreten und es wieder verlassen. Eine schnelle
Umwandlung des Moleküls im Porensystem nutzt nämlich gar nichts, wenn dieses
dann sehr lange braucht, um aus dem Porensystem wieder auszutreten.
Jörg Aberger
Die vier
Autoren am
Magnetresonanzspektrometer (von
links):
Sergeij
Naumov,
Rustem
Valiullin,
Petrik
Galvosas
und Jörg
Kärger.
Foto: Kärger
journal
Spezial
Ein Foto-Essay von Jan Woitas
Der Campus
verändert sein Gesicht
Spezial
„Der Rektor hat fertig“, könnte man dieses
Foto bezeichnen, das den Rektor Professor
Dr. Franz Häuser nach einer letzten Begehung des alten Hauptgebäudes am Augustusplatz zeigt. Als kleine Erinnerung nahm
er das immer noch vorhandene Hinweisschild am Eingang mit. Zuvor hatte er sich
gemeinsam mit Kollegen die früheren
Räumlichkeiten des Rektorates angesehen,
das bereits seit dem Sommer 1997 im Rektoratsgebäude in der Ritterstraße 26 angesiedelt ist. Obwohl die Räume im Hauptgebäude nach dem Umzug des Rektorats
sogar teilweise saniert und vergrößert wurden, kam kaum Wehmut auf. Der von den
Mitarbeitern respektlos „Rektorgruft“ genannte Beratungsraum des Rektors in der
ersten Etage ließ auch umgebaut den niedrigen fensterlosen Raum zwischen den
zwei langen Fluren des Gebäudes erahnen.
Hier eine Sitzung abhalten? „Unvorstellbar, auch mit Rauchverbot!“, so Professor
Häuser.
Zentral-Mensa und Hauptgebäude bröckeln langsam
Das Kapitel des alten Hauptgebäudes ist
nun also endgültig geschlossen, das Kapitel des Neubaus endgültig aufgeschlagen.
Inzwischen ist der Bauzaun längst um das
Gebäude errichtet und die Bagger nagen
auf dem Gelände: Während gegenüber der
Moritzbastei das Gebäude der neuen
Mensa inzwischen ihre Fenster erhielt, verschwand im Februar die alte Mensa in der
Grimmaischen Straße (vgl. Uni-Journal
1/2007) und legte damit einen erstaunlichen Blick auf den Campus frei.
Auch der Abriss des Hauptgebäudes ist
nicht mehr aufzuhalten, noch im April soll
dieses weitgehend abgetragen sein, um
Platz zu schaffen für die neu entstehenden
Campus-Gebäude. Der Neubau des Hauptgebäudes soll bis zum Jubiläumsjahr der
Universität in 2009 fertiggestellt werden.
Dann soll im Paulinum, bestehend aus Aula
mit dem Chorraum und einer Ausstellung
von Kunstschätzen der Universität der
600. Gründungstag gefeiert werden. Außerdem wird im künftigen Hauptgebäude
ein Auditorium maximum mit 800 Plätzen
entstehen und die Fakultät für Informatik
und Mathematik ihren Sitz beziehen. Das
Hörsaalgebäude, das Institutsgebäude in
der Grimmaischen Straße sowie der erweiterte Seminargebäudetrakt in der Universitätsstraße runden das Ensemble ab.
B. A./M. R.
18
journal
Spezial
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Heft 2/2007
Menschen sind komisch!Ausgerechnet die letzte Portion Pasta hätte
dem Kollegen gemundet, ausgerechnet die ausverkaufte Opernaufführung wäre es gewesen. Und ausgerechnet das stetig bröckelnde
Hauptgebäude hat manch einer nun ins Herz geschlossen.
Sind wir doch mal ehrlich und betrachten das Seminargebäude,
das dieser Tage wie ein waidwunder Korpus die Stellung hält.
Die Seminarräume konnten dem Studenten-Ansturm nur
mühsam trotzen, die Luft war komatös, die Scheiben blind, die
Technik so lala. Der Sozialismus existierte im Ambiente real
weiter, und der Teufel in Form von Mephisto dröhnte aus
dem zweiten Obergeschoss.
Schon gut, Polemik ist unpassend, schwärmte doch spätestens nach zwei Semestern jeder Münchner und Hanseat
vom Ostfeeling und strickte mit an Legenden. Hat nicht
schon Angela Merkel auf dem klapprigen Stuhl gesessen, auf dem ich jetzt von einer Pobacke auf die andere
wechsele? Hat womöglich Volker Braun ein Gedicht in
den Tisch geritzt?
Mit dem Entsorgen des ausgedienten Mobiliars
wurde auch der Kultfaktor verschrottet. Hätte man
Ausrangiertes und Betonbröckchen als Souvenir
verhökert, wäre manches Finanzloch gestopft.
Und die Uni hätte bewiesen, warum sie über Jahrzehnte den Namen des Ökonomen und Kapitalismuskritikers Karl Marx im Titel trug.
19
Mit dem Verschwinden
der Zentral-Mensa, die
auch die Caféteria beheimatete (Bild unten), und
des Hauptgebäudes
verliert der Campus am
Augustusplatz sein
„Herzstück“. Die Häuser
entstanden von 1968 bis
1975.
Das Seminargebäude
(Bild rechts, im Hintergrund) wird entkernt und
modernen Anforderungen angepasst. Damit
wird sich auch der Blick
vom Augustusplatz wandeln.
Das obere Bild zeigt die
Pforte im Hauptgebäude
mit dem bei Professoren
wie Studenten beliebten
Paternoster im Hintergrund. Die Flure waren
schon seit Monaten verwaist (Bild rechts unten).
journal
UniCentral
In einem unbekannten Land
Altorientalistik – wenig Studenten, viel Forschung
Von Tobias D. Höhn
Es ist eine Reise ins unbekannte Land, in
Deutschen Forschungsgemeinschaft finanRegionen, deren Namen manch einer
zierten Sonderforschungsbereich (SFB
gerade mal aus dem Kreuzworträtsel
586) untersuchen die Altorientalisten geoder einer TV-Ratesendung kennt.
meinsam mit Historikern, Archäologen
Wer weiß schon auf Anhieb, wo Baund Ethnologen und anderen Wissenbylonien, Assyrien oder Ugarit lieschaftlern der Universitäten Leipzig und
gen? Professor Dr. Michael P. Streck
Halle/Wittenberg die Beziehungen zwiindes liest uralte Keilschrifttexte in
schen Nomaden und Sesshaften in der
babylonischer, assyrischer oder
Alten Welt, ihre Lebensweise, die innern
ugaritischer Sprache, die bei arund äußeren Einflüsse sowie Konstanten
chäologischen Ausgrabungen im
und Variablen der nomadischen Leheutigen Irak und Syrien entdeckt
bensweise. Die Auswertungen
wurden.
alter Literaturquellen und Feld„Wir sind ein sehr kleines Fach
forschungen ließen darauf
ohne festes Berufsbild“, sagt der
schließen, dass sich in beAltorientalist. Dies bestimmt auch
stimmten Regionen seit Jahrdas Studium, bei dem die Themen
hunderten nur wenig an der
nicht selten auf die Schwerpunkte
Lebensweise verändert hat.
der wenigen Studenten zugeschnitDie politische Lage im Irak
ten sind – für den Professor „ideale
behindert indes die weitere
Studienbedingungen“. Doch will
Forschung. Seit mehr als
der Altorientalist auch nicht die
15 Jahren hätten in dem
Mühen der ersten Semester verhehvon Krieg und Krisen
len. „Die meisten unterschätzen,
erschütterten
Gebiet
was es heißt, die schwierigen
keine
Ausgrabungen
Schriften und Sprachen zu erlermehr
stattgefunden.
nen. Anders als beim Lernen von,
Doch auch darin vermag
sagen wir, Englisch, geht es hier
Streck das Positive zu
nicht um Konversation, sondern um
sehen: „Wir haben masstrenge philologische Textanalyse.“
senhaft Quellenmaterial
Bis zu zwei Drittel der Studienanin unseren Museen, das
fänger scheitern nach einem Stujetzt ausgewertet wird.
dienjahr und brechen ab.
Und die Region Syrien
Prof. Dr. Michael Streck vor einem Abguss des Kodex Hammurapi,
Dennoch promovieren derzeit am einem der ältestem Gesetzestexte der Welt. Foto: Tobias D. Höhn wurde lange Zeit zugunsten des Irak verInstitut in der Klostergasse acht
Doktoranden – eine stolze Zahl bei insge- die Absolventen des Leipziger Instituts nachlässigt. Das hat sich jetzt umgekehrt.“
Weltweite Aufmerksamkeit erzielen Streck
samt nur 60 Studenten im Haupt- und Ne- gefragte Experten.
benfach. „Aber selbst das ist schon viel. Ich Trotzdem sieht sich Streck unter Recht- und seine Kollegen mit dem seit 2004
habe damals in Marburg als einziger ange- fertigungsdruck für sein Orchideenfach. erscheinenden international führenden
fangen“, sagt Streck.
„Sinologie oder Japanologie, das hat we- Nachschlagewerk der Altorientalistik, dem
Und wie steht es um die Berufsaussichten? nigstens noch Gegenwartsbezug. Das kön- Reallexikon der Assyriologie und VorderStreck antwortet differenziert: „Wenn es nen wir von uns nur mittelbar behaupten, asiatischen Archäologie – ein Jahrhundertdarum geht, kann man dieses Studium ei- denn unser Blick geht zunächst nur in die werk, dass in den 1920er Jahren in Berlin
gentlich keinem guten Gewissens empfeh- Vergangenheit. Dafür können wir aber begonnen wurde. „Jetzt sind wir bei R. Vor
len. Obwohl: Wenn man es mit anderen, etwas über die Entwicklung der menschli- uns liegen noch viele umfangreiche Stichgroßen Geisteswissenschaften wie Germa- chen Kultur aussagen, ein unverzichtbarer wörter wie Sargon und Sanherib, Sippar
nistik oder Anglistik vergleicht, haben un- Bestandteil des Fächerkanons. Deswegen und Sternkunde. Und wenn wir auch den
sere Absolventen oft bessere Chancen.“ ist das Fach wichtig.“
Buchstaben Z abgearbeitet haben, fangen
Nicht nur an Universitäten und Museen, Die Forschungen am Altorientalischen wir hoffentlich wieder von vorne an – die
sondern z. B. auch im Medienbereich sind Institutuntermauern dies: In einem von der Forschung bleibt ja nicht stehen.“
Heft 2/2007
21
UniCentral
NOMEN
Die Kolumne von Namenforscher
Prof. Dr. Jürgen Udolph
Der Familienname „Streck“
Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern
(Stand: 1998; neuere CD-ROM sind aus
Datenschutzgründen schlecht zu verarbeiten) ist der Name in Deutschland 793 Mal
bezeugt. In diesem Fall ist einmal mehr die
Verbreitung des Namens interessant. Sie
zeigt, dass es sich vor allem um einen süddeutschen Familiennamen handelt.
Bei der Deutung sind sich die Standardwerke der deutschen Familiennamenforschung nicht ganz einig, man schwankt
zwischen einem Wohnstättennamen zu
mittelniederdeutsch Stre(c)ke „Strich Landes, Gebiet, Strecke“ und einem Zusammenhang mit strecken, sich strecken.m
Beides überzeugt aber nicht. Zum einen ist
der Name Streck gerade nicht im niederdeutschen Sprachgebiet häufig, sondern
im hochdeutschen, und zum anderen geht
es nicht um strecken oder damit zusammenhängende Wörter und Wortverbindungen, sondern um Streck.
Daher ist wohl eher, wie so oft, einem Vorschlag von K. Brechenmacher (Etymologisches Wörterbuch der deutschen Familiennamen, Bd. 1–2, 1960–63) zu folgen, bei
dem sich der Hinweis findet: „Streck =
Strack“.
Unter Strack bietet K. Brechenmacher
dann eine überzeugende Deutung für diesen ebenfalls vor allem in Süddeutschland
bezeugten Familiennamen (fast 2300 Mal
auf der Telefon-CD verzeichnet): Demnach
gehört der er zu mittelhochdeutsch, mittelniederdeutsch strack und meint „von straffer, strammer Haltung,
gerade emporgerichtet,
steif, straff, stark“. Im
übertragenen Sinn: fest,
strenge, öfters mit dem
Nebensinn „störrig, unbeugsam“, heute noch bekannt aus der Wendung
schnurstracks.
Einheit und Vielfalt
müssen kein
Widerspruch sein
Konferenz des An-Instituts GWZO
Die Frage nach der Existenz einer europäischen Identität beschäftigt nicht erst seit
den gescheiterten Referenden zur EU-Verfassung vor zwei Jahren Politiker, Journalisten und Wissenschaftler gleichermaßen.
Auch das Bundesforschungsministerium
leistet dazu seinen Beitrag. Es unterstützt
anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und im Rahmen des Jahres der
Geisteswissenschaften eine Vielzahl wissenschaftlicher Initiativen, die diese Diskussion weiter vorantreiben sollen.
Dabei darf selbstverständlich auch die
Alma mater Lipsiensis nicht fehlen: Das
Geisteswissenschaftliche Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas
(GWZO), ein An-Institut der Universität,
veranstaltet vom 6. bis 9. Juni eine internationale Konferenz, auf der sich Kultur- und
Sozialwissenschaftler disziplinenübergreifend der Frage nach einer „Substanz des
Europäischen“ (Adolf Muschg) widmen
werden.
Schon der Titel der Konferenz ist Programm: Es werde nicht darum gehen, die
eine europäische Identität zu konstruieren,
wie Winfried Eberhard, Direktor des
GWZO und Professor am Historischen Seminar der Universität, betont; vielmehr
wolle man die zahlreichen Facetten aufzeigen und hervorheben, aus denen sich
Europa zusammensetze.
Nach der europäischen Identität zu suchen,
so Eberhard, verstelle nur den Blick auf die
Möglichkeiten und Chancen, die in der
Vielfalt Europas lägen. Man wolle sich daher auch nicht mit vermeintlich feststehenden Identitätsmustern befassen, sondern
die soziokulturellen Prozesse untersuchen,
in denen sich Identitäten ausbilden – Prozesse, die grundsätzlich offen und unabschließbar seien und die sich ebenso durch
Abgrenzung und Konflikt, wie durch Austausch, Kommunikation und Dialog auszeichneten.
Die Idee einer europäischen Einheit wolle
man gleichwohl nicht negieren: Einheit
und Vielfalt widersprächen einander nicht,
sondern ergänzten und bereicherten sich
gegenseitig.
Selbst gewalttätige Konflikte und Kriege
könnten ein Bewusstsein von europäischer
Zusammengehörigkeit fördern – auch dies
wolle die Konferenz in einer ihrer Sektionen unter dem Titel „Europäisierende Konflikte“ zeigen.
Die eigentliche Konferenz, die vom 7. bis
zum 9. Juni stattfindet, wird durch eine
feierliche Eröffnung mit prominenten
Gastrednern, ein Journalistenstreitgespräch und eine Schriftstellerlesung abgerundet.
Heidemarie Petersen
www.gwzo-euroconference.de
DIE VIELFALT EUROPAS
Identitäten und Räume
Leipzig | 06.–09. Juni 2007
22
journal
UniCentral
Gesellschaft und
Kultur studieren
Neuer Master European Studies
Von Prof. Dr. Stefan Troebst, Institut für Slavistik und GWZO
Zum Wintersemester 2006/07 ist der viersemestrige fächerübergreifende Masterstudiengang European Studies an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie gestartet, der organisatorisch an das
Zentrum für Höhere Studien (ZHS) angebunden ist. Aus über 50 in- und ausländischen Bewerbern wurden in Eignungsgesprächen 16 ausgewählt, darunter Studierende aus Bulgarien, China, Griechenland,
Italien, Japan, Moldova und Taiwan.
Das Studienprogramm wendet sich gleichgewichtig den Europäisierungsprozessen
in West-, Nord- und Südeuropa sowie in
Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa im 20.
und beginnenden 21. Jahrhundert zu. In
den ersten beiden Semestern liegt der
Schwerpunkt auf den historischen Grundlagen von Europäisierung sowie den wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Formen der europäischen Vergemeinschaftung. Das dritte und vierte Semester behandelt die Integration in einer erweiterten
Europäischen Union und wendet sich dabei
wiederum vergleichend West- und Osteuropa zu. Daneben bieten Module zur
europäischen Geschichte der Juden und zur
Entwicklung des Christentums in Europa
ein besonderes Profil. Das dritte Semester
wird jeweils an einer der ausländischen
Partnerinstitutionen
des
Studienprogramms absolviert. Diese sind bislang das
Willy-Brandt-Zentrum für Deutschlandund Europastudien der Universität Wroclaw, die Ecole Normale Supérieure Paris,
die Masaryk-Universität in Brno sowie die
Marc Bloch Université Strasbourg II und
die Universität Roskilde in Dänemark.
Der Studiengang ist an den Leipziger Forschungsschwerpunkten ausgerichtet: Neben Fragen des Kulturtransfers als Basis
einer historisch verankerten Europäisierung sind jene Territorialisierungsprozesse, die die gewohnten Raummuster herausfordern, der verbindende Gegenstand
aller Module. Damit soll gerade einer EntHeft 2/2007
gegensetzung von „westlichen“ und „östlichen“ Erfahrungen, Strukturen und Praktiken begegnet werden, deren Überwindung
zwar schon oft, aber doch meist vergeblich,
gefordert wurde. Der Leipziger Studiengang European Studies versucht mit seinen
theoretischen Grundlagen, mit der Gewichtung der Module, mit seiner Interdisziplinarität und mit seinen internationalen
Kontakten auf der Höhe der Zeit einer erweiterten EU zu sein, statt unreflektiert die
Denkmuster des vorigen Jahrhunderts mitzutragen. Hierzu gehört auch die Einbindung in zahlreiche Dialogformen: So führt
jeweils im Wintersemester eine Ringvorlesung die Studierenden in die Unterschiede
der disziplinären Perspektiven und die
Möglichkeiten ihrer Kombinierbarkeit ein.
Die Beteiligung von vier Fakultäten, zwei
universitären Zentren und drei An-Instituten der Universität Leipzig ermöglicht die
Vermittlung einer Vielfalt von Interpretationsmöglichkeiten zu aktuellen Europäisierungsprozessen und unterscheidet sich
von anderen Europastudiengängen gerade
durch die Kombination von Sozial- und
Kulturwissenschaften. Das Aufeinandertreffen oftmals getrennt diskutierter wissenschaftlicher Ansätze bietet Gelegenheit
zu intensiver Methodenreflexion und bereitet die Studierenden auf ein breites
Spektrum von Berufsfeldern vor. Exkursionen und Praktika vermitteln Einsichten
in den Alltag der Europäisierung, wobei
der Studiengang besonderen Wert darauf
legt, die Perspektive der EU-Kommission
und der multilateralen bzw. gouvernementalen Organisationen um den Blick „von
unten“ zu ergänzen.
Die fachliche Leitung des Studiengangs
obliegt dem Europahistoriker und Slavisten
Stefan Troebst, die wissenschaftliche Koordination dem Frankreichzentrum im
Zentrum für Höhere Studien.
www.uni-leipzig.de/zhs/
european_studies
„Ich habe mich für
European Studies in
Leipzig entschieden,
weil hier eine breitere Perspektive auf
Europa eröffnet wird:
außer Wirtschaft studieren wir auch Recht,
Kultur
und
Geschichte“, sagt Kentaro Ishikawa, aus dem
japanischen Saitama. 1994 hat Kentaro
sein B.A.-Studium in Business und Commerce in Tokyo abgeschlossen. Die darauf
folgende Anstellung in einer Stadtverwaltung zeigte dem heute 36-Jährigen Probleme der Geldverteilungspolitik in den
Präfekturen seines Landes, für deren Lösung er die EU als Vorbild sieht. „Ich will
Europa verstehen, seine Menschen und
ihre Lebensweise.“ Der sozial- und kulturwissenschaftliche Ansatz von European
Studies biete dazu Gelegenheit. 2003 verließ er Japan. „In Europa scheinen die
Leute zufriedener, sie haben mehr Freizeit“, beschreibt Kentaro seine Eindrücke.
Das Masterstudium habe ihm jedoch auch
die Problematiken der europäischen Integration gezeigt. „Von hier aus möchte ich
den Japanern Europa und seine Kultur näher bringen.“
„European Studies ist
ein Fach mit hohen
Anforderungen, aber
die unterschiedlichen
wissenschaftlichen
Ansätze machen das
Studium sehr interessant“, so Barbara
Schnalzger aus Augsburg. Vor drei Jahren hat die 26-Jährige
Europäische Kulturgeschichte im B.A. in
der Heimatstadt abgeschlossen. Während
des anschließenden Volontariats bei einer
Münchner Kulturzeitschrift merkte sie,
dass ihr das nicht ausreichte. „Ich wollte
mich weiterbilden.“ Für Leipzig entschied
sie sich unter anderem aufgrund der sozialwissenschaftlichen Komponente des
Masterstudiengangs. „Beim Studium in
Augsburg war dieser Teil etwas unterrepräsentiert.“ Der Master European Studies regt auch zu kritischen Betrachtungsweisen an. „Der ökonomische Blick auf
Europa ist mir persönlich fremd, aber das
Studium zeigt mir, dass die Wirtschaft eine
wichtige Komponente einnimmt.“ Wenn
sie nach dem Abschluss wieder als Journalistin arbeitet, „dann zu Themen mit Europaschwerpunkt.“
Susann Zuber
23
UniCentral
Grenzüberschreitung in
blühende Zukunft
Dan Diner über das Simon-Dubnow-Institut, Fragen
seiner Forschung sowie die Geisteswissenschaften
Sie leiten das Simon-Dubnow-Institut
für jüdische Geschichte und Kultur an
der Universität Leipzig. Welche Themen
genau bearbeiten Sie, was sind Ihre zentralen Fragestellungen?
Den Gegenstand der Geschichte und Kultur
der Juden, wie sie
hier am Institut behandelt wird, wollen wir anhand der
Lebens- und Wissenswelten der Juden, vornehmlich von der frühen Neuzeit
bis in die Gegenwart, als Exempel für die
Entwicklung der Moderne und ihrer Verwerfungen verstehen lernen. Das ist insofern besonders, als es sich bei den Juden
um eine transterritoriale, transnationale
Bevölkerung handelt. Dies erlaubt uns
gleichsam epistemisch vormoderne Phänomene mit postmodernen Entwicklungen in
einen Zusammenhang zu setzen.
Auf den Punkt gebracht hieße dies die
jüdische Existenzerfahrung doppelt zu
verstehen – und dies mag sich wie ein
Widerspruch ausnehmen: Als Residuen
der Vormoderne in der Moderne wenn man
die Juden als kollektiv betrachtet; und
als Pioniere der Moderne, wenn man sie
individuell in den Blick nimmt. Zudem
wird die Moderne selbst entwicklungsgeschichtlich als eine Zwischenzeit verstanden, eine Phase des Übergangs.
Sie kennt mithin ein Davor und ein Danach.
Damit gewinnt die Geschichte der Juden
eine exemplarische Bedeutung. Ja, sie lässt
sich als Paradigma einer Geschichtsschreibung verstehen, die Phänomene in den
Blick nimmt, die a priori jenseits des Nationalstaates angesiedelt sind. Sie können
das für das Verständnis von Elementen der
europäischen Integration aber auch für solche der Globalisierung nutzen.
24
Ich habe den Eindruck, dass Sie mit dem
Dubnow-Institut sehr gut vernetzt und
präsent sind, national und insbesondere
international. Was halten Sie von dem
immer mal wieder erhobenen
Vorwurf an die Geisteswissenschaft, dass
diese nicht ausreichend vernetzt sei
– sowohl inneruniversitär als auch
extern?
Das sind oft Fragen, die
mit der Arbeitsweise der Geisteswissenschaftler in Verbindung stehen.
Geisteswissenschaftler arbeiten nun einmal ausgesprochen individuell. Das hat
nun einmal mit der Einheit von Denken
und Schreiben zu tun. Die naturwissenschaftliche Arbeitsweise lässt sich nur kollektiv betreiben. Das hat sehr viel mit der
den Natur- und auch den Technikwissenschaften inhärenten Vorgehensweise zu tun
– mit Experiment und Arbeitsteiligkeit.
Den Naturwissenschaften und verwandten
Disziplinen liegt die kooperative Arbeitsweise in der Natur
der Sache.
Die Geisteswissenschaften tauschen
sich zwar aus, regen
sich an. Arbeiten im
eigentlichen Sinne
tun sie nun einmal
allein. Etwas anders
die Juristen, deren
Arbeitsweise eher
kompilatorischen
Charakters ist.
Und dennoch gibt es ein kooperatives, unter Umständen auch arbeitsteiliges Vorgehen auch bei Geisteswissenschaftlern.
Etwa wenn es darum geht, Arsenale von
Wissen anzulegen, sie zu ordnen und zu
synthetisieren. Aber diese Arbeiten sind
„
eher propädeutischen Charakters. Bei unserem Gegenstand der Geschichte und Kultur der Juden verhält es sich nicht anders.
Nur mit dem Unterschied, dass die sprachliche, kulturelle und geographische Vielfalt
der Judenheiten ein hohes Maß der Vernetzung nötig macht, um überhaupt dem Gegenstand gerecht zu werden. So führt die
vernetzte, die kommunikative Lebensform
der Juden dazu, auf die Arbeitsweise ihrer
Erforschung durchzuschlagen.
In diesem Jahr startet ein Langzeitprojekt, finanziert von der Union der Akademien der Wissenschaften, in Ihrem
Hause mit 18 Jahren Förderdauer. Was
macht dieses Projekt aus?
Die lange Laufzeit ist nicht unüblich bei
Akademieprojekten. Schließlich geht es
hier um Grundlagenforschung in den Geisteswissenschaften. Unsere Absicht ist es,
einen Kanon der jüdischen Kulturen zu
etablieren, beruhend auf zwei Erkenntnisschienen: von Institution und Wissen. Das
Unternehmen ist aus drei Modulen komponiert: einem stark begrifflich orientierten
enzyklopädischen
Werk, einer zu etablierenden Bibliothek mit Raritäten,
kommentiert, annotiert und mit einem
Apparat versehen;
und drittens archivarisch ausgelegte
und vorbearbeitete
materiale Sammlungen. Diese drei
Module – Enzyklopädie (Begriff), Bibliothek (Werk) und
Archiv (Material) stehen in einem systematischen Zusammenhang, kommunizieren gleichsam miteinander. Mithin handelt
es sich um unterschiedliche Aggregatzustände von Wissen.
Geisteswissenschaften
als Produktivkraft
entdecken
“
journal
Thema
Bietet dieses Langzeitprojekt Gelegenheit für die disziplinübergreifende Zusammenarbeit? In welchem Bereich
könnten Sie sich gut vorstellen, eine
Grenzüberschreitung zu den Naturwissenschaften zu wagen?
Ich denke nicht, dass das Teil dieses Projektes ist oder auch sein kann, obschon es
mich persönlich interessiert. Wir beschäftigen uns mit so genannten weichen Phänomenen, Phänomene der Kultur im weitesten Sinne. Nicht dass Naturwissenschaften
oder erst recht Technologien außerhalb der
Kultur stünden. Sie sind allemal historisch
und damit auch „Kultur“. Nur übersteigt es
sowohl unser Mandat als auch unsere Möglichkeiten. Das Verhältnis von Geistes- und
Naturwissenschaften oder genauer: von
Geistes- und Technikwissenschaften zu erforschen ist anderen, berufeneren zu überlassen. Etwa jene, die es vermögen den Zusammenhang zwischen der Ästhetik und
Mechanik bei Leonardo da Vinci zu erforschen. Nicht desto trotz handelt es sich
hierbei um zukunftsträchtige Erwartungshorizonte der Geisteswissenschaften im
weitesten Sinne.
Welche Aufgabe haben die Geistes- und
Sozialwissenschaften der Zukunft und
was leiten Sie aus Ihrer Beschäftigung
mit Wissenschaftsgeschichte für diese
Aufgaben ab?
Die Geisteswissenschaften haben traditionell zwei Aufgaben: Sie sind Erkenntnis-
wissenschaften und Bildungswissenschaften. Weitestgehend ist das eine mit dem
anderen verknüpft und wird nur in der disziplinären Diversifikation auseinander gedacht. Gegenwärtig tritt eine dritte Komponente hinzu: Die Geistes-, Kultur- und
Sozialwissenschaften entdecken zunehmend ihre Bedeutung als Produktivkraft.
Etwa dann, wenn es darum geht, historisch
gewachsene Fähigkeiten und Fertigkeiten
in unterschiedlichen industriellen Kulturen
mit einander zu verbinden.
Es gibt Gemeinwesen, die im Zuge der
Globalisierung und der damit verbundenen
Arbeitsteilung historisch gewachsene kulturelle „Standortvorteile“ zur Geltung
bringen, die anderenorts besser nicht imitiert würden. Die jeweiligen Kulturen bleiben bei ihren Befähigungen und suchen die
„Legierung“ mit anderen Kulturen. Völlig
unerwartete Kombinationen können sich
ergeben. Wie auch immer: Traditionen gilt
es zu stärken und sie nicht des kurzen Vorteils wegen wegzurationalisieren.
So kann die Globalisierung dazu beitragen,
in einer neuen, in einer „qualitativen“ Form
der Arbeitsteilung Kultur als Produktivkraft erst voll zur Geltung kommen zu lassen. Über das Wissen verfügen jedenfalls
die Geistes- und Kulturwissenschaften in
ihrer jeweiligen Differenzierung. Das
spricht im Übrigen für die so genannten
„Orchideenfächer“, nicht gegen sie. Aber
das ist ein anderes Thema.
Interview: Dr. Manuela Rutsatz
„Kooperatives, unter Umständen auch arbeitsteiliges Vorgehen
gibt es auch bei Geisteswissenschaftlern“, sagt Prof. Dan Diner.
Foto: Simon-Dubnow-Institut
Heft 2/2007
Am
Rande
Dass die Bundesregierung 2007 „Die
Geisteswissenschaften.
ABC
der
Menschheit“ aufs Tableau gehoben
hat, verdient Lob, Dank und Anerkennung. Und war wohl auch (politisch)
nötig – nach sieben naturwissenschaftlich ausgerichteten Jahren, bei denen
jeweils nur einzelne Fachdisziplinen
fokussiert wurden. Jetzt folgt aus Berlin der verordnete Rundumschlag von
A bis Z, von Amerikanistik bis Ziganologie, von Aufklärung bis Zukunft.
Glaubt man der Bundesministerin für
Bildung und Forschung, Dr. Annette
Schavan, sind die Geisteswissenschaften von unschätzbarem Wert, „denn
sie reflektieren die kulturellen Grundlagen der Menschheit“. So preist sie in
der Infobroschüre ihres Hauses das
bunte Sammelsurium an, das mit viel
Getöse in der Hauptstadt eröffnet
wurde – und auch in Leipzig im Jahresverlauf gewürdigt werden wird.
Doch nur einen Satz später schlägt die
Ministerin jeden potenziellen Drittmittelgeber wieder in die Flucht: „Die
Geisteswissenschaften lassen sich
nicht unmittelbar durch ihren Nutzen
definieren.“ Den mittelbaren Profit
bleibt die ehemalige Studentin der katholischen Theologie, Philosophie und
Erziehungswissenschaften schuldig,
will sie doch nur sagen: Geist ist geil!m
Dass nicht wenige mit akademischen
Weihen Bedachte zunächst beim Arbeitsamt die Klinke putzen, gehört
wohl ebenso zum Profil. Doch wer
geht schon davon aus, dass ein Philosophiestudent als Philosoph arbeiten
wird. Wenn der Geisteswissenschaftler eine historische Quelle oder einen
literarischen Text fundiert analysieren
könne, könne er auch die Daten eines
Unternehmens betrachten und daraus
den Geschäftsbericht erstellen, ist man
in der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn überzeugt, heißt es in der
Werbebroschüre. Wie hoch die Chancen tatsächlich für Quereinsteiger
sind, wissen indes jene, die die literarische Form der Bewerbungsabsagen
zur Genüge kennen: „Hiermit müssen
wir Ihnen leider mitteilen, ...“
Damit bei Wissenschaft, Wirtschaft
und Lobbyisten gar nicht erst die Angst
vor sieben mageren (geisteswissenschaftlichen) Jahren aufkommt, soll
2008 das Jahr der Mathematik ausgerufen werden.
Tobias D. Höhn
25
UniCentral | Fakultäten und Institute
„Dunkle Kapitel
der Geschichte
gehören dazu“
Professor Wartenberg über die
Festschrift zum Jubiläum
Die Kommission zur Erforschung der Universitätsgeschichte arbeitet derzeit an einem Mammutprojekt: Bis zum Festjahr soll
die 600-jährige Historie der Alma mater
Lipsiensis in Buchform vorliegen. „Ein anspruchsvolles Projekt, an dem insgesamt
zirka 60 Autoren aus allen Fächern unserer
Universität beteiligt sind“, sagte Kommissionsvorsitzender Prof. Dr. GüntherWartenberg im Gespräch mit Dr. Manuela Rutsatz.
Aus Anlass des 600. Gründungsjubiläums der Universität Leipzig im Jahr
2009 soll eine Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, bestehend aus vier
oder fünf Bänden entstehen. Was genau
haben Sie vor?
Wir arbeiten an einer
fünfbändigen Darstellung der Geschichte
der Universität. In den
ersten drei Bänden
wird die Geschichte
der Alma mater von
1409 bis 2009 im
Längsschnitt dargestellt, der vierte Band zeichnet die Entwicklung der Fächer und Institute nach und
ein fünfter Band widmet sich der Baugeschichte der Universität vom Mittelalter bis
heute. Dies wird keine unreflektierte Jubelschrift – zur 600-jährigen Geschichte der
Universität gehören neben den zweifellos
vorhandenen Höhepunkten der wissenschaftlichen Entwicklung eben auch die
dunklen Kapitel, beispielsweise im Nationalsozialismus oder die Bedrängnisse in
der DDR-Zeit. Wir haben uns vorgenommen, für ein breites, interessiertes Publikum zu schreiben: handwerklich fundiert,
aber essayistisch und gut lesbar.
Die Wissenschaftsgeschichte, also die
Geschichte der Institute und Diszipli26
nen, in Leipzig dürfte ein besonders
spannendes Kapitel sein. Wie viele Institute und Disziplinen wollen Sie hier unter einen Hut bringen?
In der Tat ist das ein anspruchsvolles Projekt, an dem insgesamt zirka 60 Autoren
aus allen Fächern unserer Universität beteiligt sind. Wir haben die Verantwortlichen der Fakultäten und Institute gebeten,
einen kurzen Überblick über die Entwicklung ihrer Fächer und/oder ihrer Institute
an der Universität Leipzig zu geben. Geplant ist ein wissenschaftsgeschichtlicher
Querschnitt durch die Leipziger Universitätsgeschichte auf fast 1300 Seiten – wobei die Beiträge zur Geschichte der großen
Medizinischen Fakultät und der, aus zahlreichen Instituten bestehenden, Fakultät für
Geschichte, Kunst und Orientwissenschaften besonders umfangreich ausfallen werden, aber auch die Universitätsbibliothek,
die Kustodie und das Universitätsarchiv
werden vertreten sein.
Wann wird die „Geschichte der Universität Leipzig“ erscheinen?
Alle Bände der Universitätsgeschichte
werden rechtzeitig im Jahr 2009 vorliegen.
Wobei ich immer nur betonen kann, dass
alle Kollegen diese Arbeiten zusätzlich zu
ihren üblichen Lehrverpflichtungen und
laufenden Forschungsprojekten realisieren. Die Kommissionsmitglieder arbeiten
mit ihren Doktoranden und Hilfskräften
bereits seit einigen Jahren an der Universitätsgeschichte und haben schon beachtliche Forschungsergebnisse erzielen können. Diese haben wir übrigens teilweise
auch schon in einer eigenen Publikationsreihe, den Leipziger Beiträgen zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte (BLUWiG), veröffentlicht – bislang in 14 Bänden, die nächsten zwei kommen im Herbst
diesen Jahres.
Wirtschaftswissenschaftler
Paraskewopoulos emeritiert
Fünf Jahre
Überstunden
Zum letzten Mal stand Prof. Dr. Spiridon
Paraskewopoulos am Ende des vergangenen Wintersemesters am Rednerpult des
Hörsaals der Wirtschaftwissenschaftler.
Der 63-jährige Experte für Volkswirtschaftslehre und Makroökonomik wurde
emeritiert und bedankte sich mit einer besonderen Vorlesung bei seiner Fachschaft
und den Kollegen, die seine Leistungen für
die Universität Leipzig würdigten: „Professor Paraskewopoulos hat die Entwicklung und das Profil der damals neu gegründeten Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät nachhaltig mitgeprägt“, so Dekan
Prof. Dr. Ralf Diedrich.
„14 Jahre an der Uni ergibt
2000 unbezahlte Arbeitstage“
Im Oktober 1992 berufen, wechselte Paraskewopoulos von Köln nach Leipzig und
übernahm schon ein Jahr später den Vorsitz
im Prüfungsausschuss. Seit 1996 war er
Mitglied des Fakultätsrats und kümmerte
sich auch stets um studentische Belange.
Dabei kam der Spaß nicht zu kurz. „Paraskewopoulos’ humorvolle Reden waren alljährlich das Highlight auf dem Absolventenball der Wirtschaftswissenschaftler“, so
Diedrich.
Auch in seiner Abschiedsrede brachte er
sein Publikum zum Schmunzeln, indem er
unter anderem sein Arbeitsleben mit einem
Augenzwinkern Revue passieren ließ und
durch Statistik-Know-How gläntze: „14
Jahre an der Uni Leipzig macht zirka
40 000 Arbeitsstunden. Wenn man die Forschung noch berücksichtigt, ergibt das im
Endeffekt zirka 2000 unbezahlte Arbeitstage beziehungswiese komplette fünf Jahre
Überstunden“, fasste Paraskewopoulos zusammen. Stunden, in denen er seinen
Schützlingen auch ein hervorragender und
engagierter Hochschullehrer war.
Sandra Hasse
journal
Fakultäten und Institute
Die Agrarwissenschaften
an der Universität Leipzig
von 1740 bis 1945
Ein bisher ziemlich unbekanntes Kapitel
Von Doz. Dr. agr. habil. Eberhard Schulze, ehemaliger Leiter des Wissenschaftsbereiches Agrarökonomik
Vor gut zehn Jahren endete ein bedeutendes Kapitel der Universitätsgeschichte.
Auf Beschluss der Staatsregierung schloss
1996 die Agrarwissenschaftliche Fakultät
ihre Pforten. Vorausgegangen war eine
Empfehlung des Wissenschaftsrates, das
Landwirtschaftsstudium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu konzentrieren. Den Vorschlag der sächsischen
Staatsregierung zu einer Kooperation mit
Leipzig zum Erhalt eines Teils der Fakultät
lehnte Sachsen-Anhalt ab.
Die Universität Leipzig ist nach der Universität Halle (1863) die zweite deutsche
Universität, die 1867 das Landwirtschaftsstudium etablierte und 1869 ein Landwirtschaftliches Institut gründete. Vor allem
Justus Liebig hatte zur Verbesserung der
naturwissenschaftlichen Ausbildung gefordert, das Landwirtschaftsstudium von
den landwirtschaftlichen Akademien an
die Universitäten zu verlegen.
Ein Blick zurück: Die Landwirtschaftslehre begann als Teil der Lehre des Kameralismus, der Finanz-, Wirtschafts- und
Handelslehre der absolutistisch regierten
deutschen Staaten, die Agrarländer waren.
Ab 1740 las Georg Heinrich Zincke Kameralwissenschaften, verließ aber Leipzig bereits 1745 wieder. Der Kameralistiklehrstuhl wurde erst 1764 begründet und auf
ihn Daniel Gottfried Schreber berufen. Er
strebte unter anderem eine wirksame Förderung der Landwirtschaft an. Außerdem
schlug er die Gründung einer staatlichen
Tierarzneischule vor, die 1780 auch in
Dresden entstand und 1923 als Veterinärmedizinische Fakultät an die Universität
kam.
Auf Schreber folgten Nathanael Gottfried
Leske, Friedrich Gottlob Leonhardi und
Hans Friedrich Pohl. Von 1850 bis 1869
blieb der Lehrstuhl wegen ungeklärter wisHeft 2/2007
senschaftsstrategischer Fragen unbesetzt.
Mit der Bildung des Landwirtschaftlichen
Instituts 1869 und der Berufung von
Adolph Blomeyer zum Direktor erfolgte
der entscheidende Schritt zur dauerhaften
Etablierung des Studiums. Zur Gewährleistung einer hohen Qualität der Ausbildung der Landwirte richtete das Ministerium außerdem das LandwirtschaftlichPhysiologische Institut unter Friedrich
Stohmann (Tierernährung, Zucker- und
Stärkefabrikation) und das Veterinärmedizinische Institut unter Friedrich Anton
Zürn ein.
Gemeinsam mit dem schon unter dem Direktorat von Wilhelm Knop vorhandenen
Agrikulturchemischen Institut (ihm gelang
erstmals in der Welt die Ausreifung von
Samen mittels der „Wasserkulturmethode“
(Hydroponik)) widmeten sich zeitweilig
vier Institute der Lehre und Forschung in
den Agrarwissenschaften. Blomeyer und
sein von 1890 bis 1920 wirkender Nachfolger Wilhelm Kirchner, der vor allem in der
Milchforschung bedeutende Ergebnisse erzielte, bauten das Landwirtschaftliche Institut zu einer hervorragenden Lehr- und
Forschungseinrichtung aus, die nach
Kirchner in der „ersten Reihe“ stand. Gemeinsam mit den genannten Instituten,
weiteren Wissenschaftlern der Philosophischen Fakultät und ihren auf den verschiedenen Gebieten der Agrarwissenschaften
tätigen Mitstreitern trugen sie zum Aufstieg der deutschen Agrarwissenschaft und
davon ausgehend der Erträge auf den Feldern an die Weltspitze bei.
Das Institut nahm hinsichtlich der Zahl der
Studenten unter den 13 deutschen landwirtschaftlichen Hochschuleinrichtungen
Das 1903 erbaute Hauptgebäude des Landwirtschaftlichen Instituts wurde 1943
zerstört. Vor gut zehn Jahren schloss die Agrarwissenschaftliche Fakultät auf
Beschluss der Staatsregierung.
27
Fakultäten und Institute
mindestens ein Jahrzehnt nach seiner
Gründung den zweiten Platz nach der Universität Halle ein – verbunden mit einer
hohen Ausstrahlungskraft für Studenten
von außerhalb Sachsens einschließlich des
Auslands.
Insgesamt absolvierten bis 1945 rund 6600
Studenten das Landwirtschaftsstudium,
885 davon promovierten und 16 habilitierten sich. Mit der zweimaligen Errichtung
neuer großer Gebäude sowohl für das
Landwirtschaftliche Institut (Ecke Brüderstraße/Stephanstraße sowie Johannisallee
21–23) als auch für das Veterinärinstitut
1878/79 und 1903 schuf Sachsen dafür die
wesentlichen materiellen Voraussetzungen.
Stürmische Entwicklung
erzwang Aufteilung in
Sonderinstitute nach 1945
sich als hervorragende Lehrer und Forscher einen Namen machten.m
Weiterhin entstanden bis 1927 die relativ
selbständigen Abteilungen für Kulturtechnik, Gartenbau, Bienenzucht, Forstwirtschaft, Landwirtschaftliches Bauwesen sowie das Pädagogische Seminar, deren Leiter ebenfalls in Wissenschaft und Praxis
hohe Anerkennung fanden.
Das wissenschaftliche Ereignis mit der
größten Nachwirkung aus jener Zeit ist die
1927 von Falke initiierte Versammlung der
Grünlandforscher aus europäischen Ländern, die später als 1. Internationaler Graslandkongress bezeichnet worden ist. Zur
gleichen Zeit begann mit der Weltagrarund Weltwirtschaftskrise aber auch der Abstieg. Die Studentenzahl ging stark zurück
und die Mittel wurden auf zwei Drittel gekürzt.
Nach ihrer Machtergreifung vertrieben die
Nationalsozialisten Adolph Zade und Hans
Holldack wegen jüdischer Abstammung
von der Universität. Da die Nachfolger der
oben genannten Professoren Wolfgang
Wilmanns, Josef Knoll, Leopold Krüger,
Johannes Glathe und Walter Renard sowie
Vorher hatte das Landwirtschaftliche Institut seinen Sitz am Kuhturm, an den heute
noch die Kuhturmstraße erinnert. Dort lag
auch das Versuchsfeld, das 1891 nach
Oberholz verlegt wurde. Nach dem Ersten
Weltkrieg kamen noch die Versuchsfläche
in Probstheida und das Rittergut Cunnersdorf hinzu. Die 1903 errichteten Gebäude
fielen am 4. Dezember 1943 mit ihren
Laboratorien und wertvollen
Sammlungen in Schutt und
Asche. Die Häuser an der
Johannisallee sind bis in die
60er Jahre in veränderter
Form wieder aufgebaut worden.
Die stürmische Entwicklung
der Agrarwissenschaften erzwang nach dem Ersten
Weltkrieg die Aufteilung des
Instituts in Sonderinstitute
und Abteilungen, denen aber
weiterhin zur Repräsentation
des Gesamtinstituts ein Geschäftsführender
Direktor
vorstand. Es entstanden die
fünf Institute für Betriebslehre (Direktor: Friedrich
Falke), Pflanzenbau und
-züchtung (Adolf Zade),
Tierzucht und Milchwirtschaft (Arthur Golf), Landwirtschaftliche Bakteriologie
und Bodenkunde (Felix
Löhnis) sowie das Landmaschineninstitut und bodentechnologische
LaboratoDer Lageplan
rium (Hans Holldack), die
28
die meisten wissenschaftlichen Mitarbeiter
früher oder später Mitglied der NSDAP
geworden waren, verloren sie 1945 ihre
Stellen. Es ist vor allem das Verdienst der
wieder nach Leipzig zurückgekehrten Professoren Hans Holldack und Anton Arland
sowie von Prof. Wilhelm Müller-Lenhartz,
dass nach dem Krieg wieder mit dem Landwirtschaftsstudium begonnen werden
konnte.
Das Landwirtschaftliche Institut stellte bis
1945 mit Kirchner, Falke, Golf und Wilmanns, letzterer von 1943 bis Kriegsende
1945, vier Rektoren.
Neben der ausführlichen Darstellung der
hier nur kurz formulierbaren Forschungsergebnisse enthält der Band eine Sammlung der Titel der von den Leipziger Agrarwissenschaftlern verfassten Bücher sowie
der Dissertationen und Habilitationen.
Eberhard Schulze: Die Agrarwissenschaften an der Universität Leipzig 1740 –1945,
Evang. Verlagsanstalt, Leipzig 2006 (BLUWiG, Reihe B, Bd. 10), 386 Seiten, 28 Euro.
ISBN-10: 3-374-02389-4
des Landwirtschaftlich en Instituts ab 1903.
Abbildungen: Archiv
journal
Ex-Studenten stiften Bronzebüste
Ehemalige Studenten der Veterinärmedizinischen Fakultät haben im März ihren verstorbenen Hochschullehrer und Studienjahresverantwortlichen Prof. Dr. Erich
Kolb mit der Aufstellung einer BronzeBüste auf dem Gelände der Veterinärmedizinischen Fakultät geehrt. Kolb wäre dieses Jahr 80 Jahre alt geworden.
Ihr erstes Studienjahrestreffen nutzen die
Veterinärmediziner des Immatrikulationsjahrganges 1984, um einen Hochschullehrer zu ehren, der sie in besonderer Weise
geprägt hat. Der im September 2004 ver-
storbene Veterinärphysiologe und Biochemiker hatte als Studienjahresverantwortlicher eine besonders enge Beziehung zu den
Studierenden und verhalf Generationen
von Studenten der Veterinärmedizin zu den
erforderlichen Kenntnissen auf dem Gebiet
der Physiologischen Chemie.
„Er war Mensch und eine Institution zugleich“, sagte Dr. Falk Salchert, heute Geschäftsführer der Tierseuchenkasse Sachsen-Anhalt und einer der Organisatoren
des Studienjahrestreffens. „Wir sind dankbar, dass wir bei Professor Kolb studieren
konnten, war er doch eine ausgewiesene
Kapazität seines Faches, der sein Wissen
auch über zahlreiche Publikationen weitergab, die als „Grüner Würger“ und „Dicker
Kolb“ ganze Studentenjahrgänge über
lange Zeit begleiteten. Die Ex-Studenten
legten zusammen und ließen von der
Künstlerin Ute Hartwig-Schulz eine Plastik anfertigen.
Der Dekan der Veterinärmedizinischen
Fakultät, Prof. Dr. Karsten Fehlhaber, hat
das Vorhaben von Anfang an wohlwollend
begleitet.
r. / Foto: Jan Woitas
Seminar erlaubt Lernen über Generationengrenzen
Am Lehrstuhl Erwachsenenpädagogik
wurde im vergangenen Wintersemester
erstmals ein Seminar veranstaltet, das
junge und ältere Studierende in gleicher
Weise einbezog. Das Besondere: Ein ganzes Semester durchlebten Alt und Jung die
Seminarveranstaltungen gemeinsam. Das
generationen-übergreifende Arbeiten und
Lernen sollte den Studierenden der Erwachsenenpädagogik nicht nur theoretisch
sondern sogleich mit der eigenen Beteiligung vermittelt werden.
Schon vor Beginn galt es eine Reihe von
Fragen zu beantworten wie „Was soll da
passieren?“, „Bin ich dafür denn geeignet?“ oder „Was ist, wenn ich mit den Jüngeren nicht klar komme?“ Alle Älteren, die
sich angemeldet hatten, waren neugierig,
voller Ideen und kamen regelmäßig zum
Seminar und gestalteten auch eine Ausstellung bis zu deren Eröffnung aktiv mit. Die
Schau soll auch beim diesjährigen CamHeft 2/2007
pustag einen Platz im Pavillon der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät bekommen.
Die Teilnehmer hätten unterschiedlicher
nicht sein können, zwölf im Alter zwischen
60 und 75 Jahren sowie 13 Jüngere zwischen 20 und 30 Jahren. Dennoch war das
Eis schnell gebrochen, als die ersten
Gespräche mit der anderen Generation
begannen und die Frage nach Duzen oder
Siezen geklärt war – es gab letztlich beide
Varianten. Es galt, viele interessante Themenfelder einzugrenzen, zu realisieren und
gemeinsam zu erarbeiten. Vieles wurde besprochen, Meinungen der Älteren und der
Jüngeren diskutiert, Pläne für die Umsetzung wurden entwickelt, verworfen und
wieder neu kreiert. Eine wahrlich schwere
Aufgabe war die der kreativen Gestaltung
bei minimalen finanziellen Ressourcen.
Der Prozess war für die Beteiligten spannend und anstrengend zugleich.
Die Aufgabe der Seminarleitung kann dabei kurz gefasst werden: Impulse setzen,
Struktur und Unterstützung geben. Entstanden sind zwei Dinge. Zum einen eine
Ausstellung, die als Wanderausstellung
konzipiert, von längerer Dauer sein wird.
Zum anderen ist etwas mit den Beteiligten
passiert, das auf sie weiter wirken wird.
Oder, wie es ein Teilnehmer formulierte:
„Es war eine Freude, weil einmal wieder
unterschiedliche ‚Köpfe‘ Gedanken und
Ideen austauschen konnten.“
Die älteren Teilnehmer gaben an, von den
Jüngeren rasches Umdenken und Umorientieren gelernt sowie von modernen
Kommunikations- und Arbeitsmethoden
profitiert zu haben. Und die Studenten
meinten, sie hätten Ansichten über vergangene Zeiten verstehen gelernt und erfahren, welche Probleme früher zu bewältigen
waren – mit bleibenden Auswirkungen auf
den Alltag.
Dr. Marion Lehnert
29
Gremien | Personalia
Sitzung des Senats
am 13. Februar
Psychologie
startet im
Wintersemester
mit Bachelorstudiengang
1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten und verabschiedete Ausschreibungstext und Zusammensetzung
der Berufungskommission für die W2-Professur „Chirurgie mit den Schwerpunkten
Hepatobiliäre Chirurgie und Viscerale
Transplantation“, für die W2-Professur
„Innere Medizin/Nephrologie“ sowie für
die W2-Professur „Angewandte molekulare Hepatologie“.
2. Weiterhin nahm der Senat zu folgenden
Berufungsvorschlägen positiv Stellung:
„Iberoromanische Sprach- und Übersetzungswissenschaft“, „Amerikanische Kulturgeschichte“, „Diagnostische und Interventionelle Radiologie mit dem Schwerpunkt Neuroradiologie“ sowie „Technische
Informatik“.
3. Der Senat befürwortete den Antrag des
Dekans der Juristenfakultät, Prof. Dr.
Horst-Peter Götting (Technische Universität Dresden) zum Honorarprofessor zu bestellen.
4. Weiterhin befürwortete der Senat einen
Antrag der Fakultät für Biowissenschaften,
Pharmazie und Psychologie, einen Bachelorstudiengang Psychologie zum WS 07/08
und einen Masterstudiengang Psychologie
zum WS 2010/11 einzurichten. Der Diplomstudiengang wird folgerichtig im
kommenden Semester nicht wieder angeboten.
5. Mit Senatsbeschluss wird ein gemeinsamer Masterstudiengang der Universität
Leipzig (Philologische Fakultät) mit der
Universidad de Salamanca „Deutsch als
Fremdsprache“ zum WS 07/08 eingerichtet. Dieser Studiengang ist am HerderInstitut angesiedelt.
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
30
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
Sitzung des Senats am 13. März
Anträge für Exzellenzinitiative
1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten und verabschiedete den
Ausschreibungstext und die Zusammensetzung der Berufungskommission für die
W2-Professur „Technische Chemie mit
dem Schwerpunkt Chemische Reaktionstechnik“.
2. Weiterhin nahm der Senat zu folgenden
Berufungsvorschlägen positiv Stellung:
W3-Stiftungsprofessur „Vattenfall Europe
Stiftungsprofessur für Energiemanagement und Nachhaltigkeit“, „W3-Professur
„Innovationsökonomik/Innovationsmanagement“, W2-Professur „Kinderheilkunde
und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt
Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und
Hämastaseologie“, W2-Professur „Herzchirurgie“, „W2-Professur „Onkologische
Pathologie“, W2-Professur „Gastroenterologie/Schwerpunkt Endoskopie“. Außerdem befürwortete der Senat den Einstellungsvorschlag für die Juniorprofessur
„Sorbische Literaturwissenschaft“.
3. Der Senat stimmte der Verleihung des
Rechts zur Führung der Bezeichnung
„außerplanmäßiger Professor“ zu für PD
Dr. Cornelia Albani-Blaser, PD Dr.
Annette Weber sowie PD Dr. Guido Hildebrandt.
4. Unter dem Tagesordnungspunkt „Besondere universitäre Angelegenheiten“
wurde im März zudem der aktuelle Stand
der Antragstellung der Universität Leipzig
im Rahmen der Exzellenzinitiative für die
Graduiertenschule „Leipzig School of Natural Sciences – Building with Molecules
and Nano-objects (BuildMoNa)“ sowie für
das „Felix Klein Center für Mathematical
Sciences and their Application“ erörtert.
Beide Anträge wurden in erster Lesung
vorgestellt – die zweite Lesung und Verabschiedung der Anträge ist für einen außerordentlichen Senat am 3. April eingeplant.
5. Eine Vorlage des Prorektors für Studium und Lehre, Professor Wolfgang Fach,
galt der Verschiebung von Masterstudiengängen. Mit dem Beschluss des Senats
haben die Fakultäten nun die Möglichkeit
kurzfristig noch vor eventuellen Bewerbungsphasen Masterstudiengänge zurückzustellen.
6. In einem außerordentlichen Tagesordnungspunkt berichtete Kanzler Dr. Nolden
über den aktuellen Stand der Einführung
des online-Einschreibesystems HIS-LSF,
das im Sommersemester 2007 für ausge-
wählte Studiengänge der Uni Leipzig zum
testweisen Einsatz kommen soll.
7. Rektor Professor Häuser informierte
den Senat über eine aktuelle Diskussion
mit dem Innenstadtkonvent und forderte,
künftig uniinterne Diskussionen nicht öffentlich zu führen.
8. Aufgrund einer Anfrage des StudentInnenRates informierte Rektor Professor
Franz Häuser den Senat über den aktuellen
Arbeitsstand zum Jubiläum 2009. Ein
eigenes Motto aus Anlass des 600. Gründungstages soll es nicht geben. Die gute
Nachricht war, dass soeben die Herausgabe
einer 10-Euro-Jubiläums-Münze bekannt
wurde, die gemeinsam mit einer Briefmarke im Jahr 2009 in Umlauf kommen
soll.
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
Personalia
In die Landeszahnärztekammer Sachsen
wurden gewählt: Prof. Dr. Karl-Heinz
Dannhauer, Leiter der Selbstständigen
Abteilung für Kieferorthopädie, Prof. Dr.
Hans-Ludwig Graf, Klinik und Poliklinik
für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie.
Die European Medicines Agency (EMEA)
in London berief Prof. Dr. Fritz R.
Ungemach, Direktor des Institutes für
Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie an der Veterinärmedizinischen Fakultät, als Vertreter der Europäischen Tierärzteschaft in ihr Management Board. Die
EMEA koordiniert die Bewertung und
Überwachung aller Human- und Tierarzneimittel.
Weiterhin wurde Prof. Ungemach durch
das Bundesministerium für Gesundheit
und Soziale Sicherung als Mitglied der
Sachverständigenkommission für Tierarzneimittel berufen. Zugleich wurde er Vorsitzender der Sachverständigenkommission.
Sieger des Future Sax Wettbewerbes für die
besten Geschäftsideen 2007 in der Kategorie Technologie wurde das SPMG-Team
journal
Personalia
(SPMG steht für „Sächsische Phantomkonstruktion Möckel Grunert“) mit Ronny
Grunert und Hendrik Möckel vom Interdisziplinären Zentrum für computer- und
robotergestützte Chirurgie (ICCAS). Das
Team hat ein chirurgisches Simulationssystem entwickelt, das Verletzungen von
Risikostrukturen, z. B. Nerven und Gefäße,
entdeckt. Mit den Demonstrationsmodellen können Mediziner trainieren oder sich
weiter bilden. Außerdem erstellt SPMG für
Patienten spezifische 3D-Modelle, die in
der präoperativen Planung für chirurgische
Eingriffe eingesetztwerden und der Patientenaufklärung dienen.
Prof. Dr. François Buscot, Leiter der Abteilung Terristische Ökologie am Institut
für Botanik, ist in die Zentrale Kommission
für die Biologische Sicherheit am Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berlin berufen worden. Die
Kommission überprüft gentechnisch veränderte Organismen auf mögliche Risiken
für Mensch, Tier und Umwelt und gibt
Stellungnahmen dazu ab.
Dipl.-Chem. Sven Baumann, Institut für
Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie
und Molekulare Diagnostik, erhielt das
Heinz-Breuer-Stipendium in Höhe von
7.200 Euro für einen sechsmonatigen Forschungsaufenthalt an der Eidgenössischen
Technischen Hochschule Zürich. Er wird
an der Identifizierung und Charakterisierung krankheitsspezifischer Proteommuster arbeiten. Das Heinz-Breuer-Stipendium
wird von der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e.V. vergeben.
Theologe Ulrich Kühn wird 75
Wanderer zwischen den Welten
Flink sausen Ulrich Kühns Hände über die
Tastenreihe des Cembalos: Johann Sebastian Bachs „Italienisches Konzert“ stimmt
der Theologieprofessor an. Musik gehört
für ihn genauso zum Leben wie das Nachdenken über die Fragen des Glaubens.
1932 in Halle geboren, sang Ulrich Kühn
im Leipziger Thomanerchor und studierte
Theologie. Ernst Sommerlath, der Onkel
der heutigen Königin Silvia von Schweden, wurde im Studium zum prägenden
Lehrer. „Als Lutheraner hat er deutlich gemacht, dass uns bei allen Unterschieden
auch sehr viel mit den Katholiken verbindet“, erinnert sich Kühn. Er selbst gilt
heute als Experte für Ökumene-Fragen.
Der Generalsekretär des Lutherischen
Weltbundes, Ishmael Noko, würdigt Ulrich
Kühn für dessen „wegweisenden Studien
zur katholischen und lutherischen Theologie und ihrem Verhältnis zueinander“.
Pfarrer Noko hebt Kühns „Engagement für
die Kirche und ihre Einheit“ hervor.
Wie viele Pfarrer er am Sprachenkonvikt in
Berlin, am Theologischen Seminar Leipzig, an der Universität Wien und an der
Theologischen Fakultät in Leipzig mit
ausgebildet hat, hat Kühn nicht gezählt.
Nach seiner Emeritierung im Jahr 1997 unterrichtete er sogar am Ökumene-Lehrstuhl
der päpstlichen Universität Gregoriana in
Rom.
Viel herumgekommen ist Ulrich Kühn
schon zu DDR-Zeiten. Er arbeitete ab 1968
in der zentralen Kommission für Glauben
und Kirchenverfassung des Ökumenischen
Rates der Kirchen. Anfangs durfte er nicht
zu den Tagungen ins Ausland reisen. „Dann
aber war die DDR darauf bedacht, dass sie
auf internationalem Parkett als Staat sichtbar wurde“, berichtet Kühn.
Manchen gilt Kühn als ein Theologe, der
zu nah am Katholischen sei. „Die Kirche
beginnt nicht erst im 16. Jahrhundert“, sagt
er. „Auch vor Luther haben Denker wie
Thomas von Aquin Entscheidendes geleistet.“ Das sei in der evangelischen Kirche
nicht allen bewusst. Vor rund 500 Jahren
seien die lutherischen Bekenntnisschriften
„goldrichtig“ gewesen, so Kühn. „Heute
müssen wir sie als Leitlinien für unsere
Situation zeitgemäß auslegen.“
Über Jahrzehnte engagierte sich Ulrich
Kühn in der Synode des DDR-Kirchenbunds, in der sächsischen Landessynode
und in der Generalsynode der Vereinigten
Lutherischen Kirche Deutschlands. Ihn
schmerze, dass die sächsische Landeskirche ihr Bewusstsein vor allem mit Strukturfragen besetze, sagt er. Er hoffe, dass
„das Evangelium und die Beschäftigung
mit anderen“ wieder zu zentralen Aufgaben würden.
Die Theologische Fakultät in Leipzig ehrte
Ulrich Kühn am 20. März in ihren Räumen
mit einer Festschrift. Der Titel: „Wider die
Müdigkeit im ökumenischen Gespräch“.
Leonhardt Krause
Prof. Dr. Elmar Brähler, Leiter der
Selbstständigen Abteilung Medizinische
Psychologie und Medizinische Soziologie,
erhielt von der DFG eine Sachbeihilfe für
die Bearbeitung des Themas „Psychologische Prädiktoren der Inanspruchnahme
medizinischer Leistungen bei Personen mit
somatoformen Beschwerden“. Die Bewilligung umfasst Sachmittel in Höhe von
62.500 Euro sowie eine BAT 2a halbe
Stelle für 30 Monate.
Prof. Dr. DorotheeAlfermann, Direktorin
des Instituts für Sportpsychologie und
Sportpädagogik, und Prof. Dr. Elmar
Brähler, haben vom Europäischen Sozialfonds für ein Projekt zum Coaching von
Medizinstudierenden 62.000 Euro bewilligt bekommen.
Heft 2/2007
Der Theologe Ulrich Kühn wurde 75 Jahre alt. Die Fakultät ehrte ihn mit der
Festschrift „Wider die Müdigkeit im ökumenischen Gespräch“.
Foto: Uwe Winkler
31
Personalia
Personalrat
wird gewählt
Im Mai endet nach vierjähriger Amtszeit
die Wahlperiode der gegenwärtig noch amtierenden örtlichen Personalräte unserer
Universität, vom Personalrat (Hochschulbereich) und vom Personalrat der Medizinischen Fakultät. Die Neuwahlen finden
am 8. und 9. Mai 2007 statt. Zu diesem Termin werden auch die Vertreter der beiden
Bereiche für den
• Gesamtpersonalrat der Universität Leipzig (der übergreifende, der beide Bereiche
der Universität betreffende Fragen behandelt) und den
• Hauptpersonalrat beim Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gewählt.
Zudem ist es sinnvoll, auf diesen Termin
auch die Wahlen zu den
• Jugend- und Auszubildendenvertretungen zu legen.
Das Wahlverfahren gestaltet sich wie folgt:
Nach dem SächsPersVG sind die Wahlvorstände (getrennt für den Hochschulbereich
und die Medizinische Fakultät) für die Personalratswahlen verantwortlich. Auch der
Gesamtpersonalrat hat einen Wahlvorstand
bestellt. Bei den örtlichen Wahlvorständen
liegen die Wählerverzeichnisse zur Einsicht aus.
Alle Beschäftigten wählen in der Gruppe
(der Arbeiter, der Angestellten oder der Beamten), der sie angehören. In den einzelnen Gruppen wird es – je nachdem, ob sich
Kandidaten in verschiedenen Listen zur
Wahl stellen oder ob nur eine einzige Liste
vorliegt – eine Listenwahl oder eine Personenwahl geben. Bei der Listenwahl entscheidet sich der Wähler für eine Liste, er
gibt somit seine Stimme für die gesamte
Vorschlagsliste ab. Bei der Personenwahl
entscheidet sich der Wähler mit seiner
Stimme für die entsprechenden Personen,
die in dieser Gruppe gewählt werden können.
Wer zum Zeitpunkt der Wahl verhindert ist,
kann sein Wahlrecht durch Briefwahl
wahrnehmen. Dazu ist formlos ein schriftlicher Antrag beim jeweils zuständigen
Wahlvorstand einzureichen.
Angaben zu den Wahllokalen können Sie
den Wahlinformationen entnehmen, die
bereits seit Mitte März in Ihren Einrichtungen aushängen.
Die Wahlvorstände, vertreten durch
A. Knobelsdorf, W. Löhrmann,
Dr. W. Goltzsch
32
Geburtstage
Theologische Fakultät
60. Geburtstag
Prof. Dr. Rüdiger Lux, Dekan, Institut für
Alttestamentliche Wissenschaft, Universitätsprediger, am 25. März
Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann, Direktor des
Instituts für Praktische Theologie, Leiter
des Liturgiewissenschaftlichen Instituts
der VELKD bei der Theologischen Fakultät, am 25. März
75. Geburtstag
Prof. Dr. em. Ulrich Kühn, Institut für
Systematische Theologie, am 16. März
Prof. Dr. med. Johann Peter Hauss, Chirurgische Klinik und Poliklinik II, am 5.Mai
65. Geburtstag
Prof. Dr. rer. nat. Klaus Arnold, Institut für
Medizinische Physik und Biophysik, am
19. Mai
70. Geburtstag
Prof. Dr. med. Joachim Bennek, Klinik
und Poliklinik für Kinderchirurgie, am
27. April
75. Geburtstag
Prof. Dr. med. Arno Hecht, Institut für Pathologie, am 28. Mai
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften
80. Geburtstag
Altmagnifizienz Prof. Dr. Lothar Rathmann, ehemals Sektion Afrika- und Nahostwissenschaften, am 16. Februar
Fakultät für Chemie und Mineralogie
65. Geburtstag
Prof. Dr. Bärbel Schulze, Institut für Organische Chemie, am 22. Februar
Erziehungswissenschaftliche Fakultät
65. Geburtstag
Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schulz, Institutfür
Allgemeine und Vergleichende Pädagogik,
Schulpädagogik und Pädagogische Psychologie, am 9. Mai
Medizinische Fakultät
60. Geburtstag
Prof. Dr. med. Stefan Schubert, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, am 1. Mai
Philologische Fakultät
75. Geburtstag
Prof. Dr. phil. Gottfried Graustein, Institut
für Anglistik, am 10. Mai
Der Rektor der Universität Leipzig und die
Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich.
(Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine
Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.)
Habilitationen
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften
Dr. Andreas Brockmann (12/06):
Dynamik und Funktionen von Ämtersystemen im
Einflussgebiet des ehemaligen spanischen Kolonialreiches in Amerika
Dr. Rudolf Frhr. Hiller von Gaertringen (1/07):
Italienische Gemälde im Städel 1300 –1550. Toskana
und Umbrien
Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie
Dr. Thomas Höpel (1/07):
Von der Kunst- zur Kulturpolitik. Städtische Kulturpolitik in Deutschland und Frankreich 1918 –1939
Fakultät für Mathematik und Informatik
Dr. Mario Bebendorf (1/07):
Hierarchical Matrices – A Means to Efficiently Solve
Elliptic Boundary Value Problems
Dr. Hartmut Schwetlick (1/07):
Travelling fronts arising in the mathematical modelling of transport and chemotaxis
Dr. Sascha Mario Orlik (3/07):
The Cohomology of Non-Archimedean Period Domains with regard to the Local Langlands Correspondence
Medizinische Fakultät
Dr. Arne Dietrich (1/07):
Effekte eines kontinuierlichen in vivo Gentransfers
mit verschiedenen Genen und einer intraoperativen
autologen Tumorzellvakzination in der Milz im Maus
Tumormodell
Dr. Markus Richter (1/07):
Pathomechanismen und Therapie der Transplantatvaskulopathie am heterotopen Herztransplantationsmodell der Ratte
Dr. Matthias Wahle (1/07):
Modulation der Neuro-immunologischen Interaktion
im Rahmen chronischer Entzündungsprozesse am
Beispiel beta2-adrenerger Rezeptoren bei Patienten
mit Rheumatoider Arthritis
Dr. Henrike Wolf (1/07):
Structural neuroimaging studies in subjects with mild
cognitive impairment
Dr. Dominik Huster (2/07):
Untersuchungen zur Funktion, Regulation und Pathophysiologie des Kupfertransportproteins ATP7B
(Morbus Wilson Protein)
Dr. Katarina Stengler-Wenzke (2/07):
Psychosoziale und neurobiologische Aspekte der
Zwangserkrankung
journal
Personalia
Fakultät für Biowissenschaften Pharmazie und
Psychologie
Dr. Thomas Gruber (2/07):
Signatures of memory traces in the brain Induced
Gamma Band Responses in the human EEG: Morphology, manipulation, use-dependent plasticity
Philologische Fakultät
Dr. Helmut Beifuss (2/07):
Der Dialogus rationis et conscientiae des Matthäus
von Krakau. Geistesgeschichtliche Einordnung, Interpretation und Textausgabe
Promotionen
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften
Anita Punkt (12/06):
Der Friedrich Hofmeister Musikverlag. Ein Nachschlagewerk zu seiner Geschichte mit einer Zusammenstellung wesentlicher Autoren und sämtlicher Rezensionen in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung
und daraus resultierend: Die Gründung der Editionsreihe „Hofmeisters Autoren im Spiegel der Allgemeinen Musikalischen Zeitung“
Christoph Volkmar (1/07):
Reform stattReformation. Die Kirchenpolitik Herzog
Georgs von Sachsen, 1488–1525
Christian von Soest (1/07):
The African State and the Capability to Raise Revenue. A Comparative Study of the Tax Administration
in Zambia and Botswana
Susan Steiner (1/07):
An Evaluation of the Impact of Decentralisation on
Poverty – The Case of Uganda
Danny Weber (1/07):
„… der größte Kaufmann des ganzen heiligen
Römischen Reiches…“. Die Geschäfte des Handelsund Bankhauses Frege & Comp. in Leipzig (1739 –
1815/16)
Constansia Mumma (1/07):
Managing Transnational Water Conflicts in the Nile
Region: with Reference to Lake Victoria, Kagera and
the Nile Basins
Maren Rößler (1/07):
Big Man oder Funktionär. Der Traum vom großen
dicken Schwein. Neue indigene Bewegungen und ihre
Repräsentanten im lokalen, nationalen und internationalen politischen Feld am Beispiel Peru
Zum 70. Geburtstag von Prof. Uwe-Frithjof Haustein,
27 Jahre Direktor der Universitätshautklinik
Fördern durch fordern
Professor Dr. Uwe-Frithjof Haustein, ehemaliger Direktor der Universitätshautklinik Leipzig und jetzt Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, feierte am 20. Februar 2007 seinen 70. Geburtstag. Ein Alter, das alle, die seinen
mitreißenden Elan und seine innovative
und ansteckende Dynamik als Präsident
der Sächsischen Akademie der Wissenschaften kennen und miterleben, kaum
glauben werden. Er publiziert, hält internationale Vorträge und bewältigt als Präsident das nicht immer leichte Management
einer interdisziplinären Wissenschaftsakademie. Er ist das repräsentativste Beispiel
dafür, das man auch jenseits der Pensionierung grandios einem neuen sehr anspruchsvollen Aufgabengebiet gewachsen
ist.
Mit 32 Jahren habilitiert
Er studierte Humanmedizin in Leipzig und
Dresden, erwarb 1959 die Approbation und
promovierte. Dem folgten Pflichtassistenz,
poliklinisches Jahr und Weiterbildung zum
Facharzt für Dermatologie und Venerologie
in Dresden. 1969 habilitierte er sich in
Jena bereits im 32. Lebensjahr mit dem
Thema „Physiologie und Pathologie der lo-
Internationale Anerkennung
Philologische Fakultät
Alina Chernova (1/07):
Ekatarinas II. „Mémoires“ und Ekatarina R. Daskovas „Mon Histoire“. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte
adliger Frauen in Russland in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts
Fakultät für Physik und Geowissenschaften
Andreas Schäfer (7/06):
Funktionelle Bildgebung mittels magnetischer Resonanz (fMRI) auf der Grundlage intermolekularer
Multiquantenkohärenzen
Kai Radtke (7/06):
Zur Sensitivität von Starkwindfeldern gegenüber verschiedenen meteorologischen Parametern im Mesoskalenmodell LM
Martina Dyck (7/06):
Lipid Headgroup Organization and Interaction of
Neuropeptide Y with Phospholipid Membranes
Heft 2/2007
kalen Fibrinolyse in gesunder und kranker
Haut“. Diese Arbeiten waren die ersten
dieser Art in der Welt. 1970 wurde er stellvertretender Klinikdirektor an der Universitäts-Hautklinik Berlin (Charite); 1975
wurde er als Direktor der UniversitätsHautklinik in Leipzig berufen. In der 27jährigen Periode seines Klinikdirektorates
hat sich das Fachgebiet der Dermatologie
in Leipzig enorm entwickelt, sowohl auf
klinisch-dermatologischem Sektor als
auch auf dem Gebiet der dermatologischen
Grundlagenforschung.
Unter Hausteins Federführung entwickelte
sich die Leipziger Hautklinik zu einem
Zentrum der Immundermatologie, insbesondere für progressiv-systemische Sklerodermie, Lupus erythematodes und das
bullöse Pemphigoid. Die Hautklinik nahm
innerhalb der Medizinischen Fakultät in
der Forschung permanent eine Spitzenposition ein. Ausdruck des ausgezeichneten
wissenschaftlichen Klimas unter seinem
Ordinariat sind 17 erfolgreich abgeschlossene Habilitationsverfahren, darunter auch
von Naturwissenschaftlern. Es hat sich für
die Klinik sehr segensreich erwiesen, dass
er neben der Entwicklung seiner eigenen
Forschungsarbeiten auch den Mitarbeitern
viel wissenschaftlichen Spielraum für eigene Kreativität eingeräumt und diese
Ideen fördernd begleitet hat, indem er Studienaufenthalte in anderen Städten und
Ländern initiiert hat sowie Forschungsprojekte mit London, München und Philadelphia anregte.
Uwe-Frithjof Haustein (r.) im Gespräch
mit Prof. Dr. Peter Wiedemann, Direktor
der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde.
Foto: Armin Kühne
Er folgte immer der Losung: Förderung der
Teams durch Fordern. Für seine hervorragende Fähigkeit, bei Mitarbeitern wissenschaftliches Interesse zu wecken und
sie in Wissenschaftsteams einzubeziehen,
spricht die hohe Zahl von Forschungs- und
insbesondere DFG-Projekten unter seinem
Direktorat.
Seine Leistungen, die sich auch in der Ausstrahlung der Klinik widerspiegelten, fanden breite nationale und internationale
Anerkennung: Acht Dermatologische Gesellschaften anderer Länder haben ihm die
Ehrenmitgliedschaft verliehen, allergologische Zeitschriften haben ihn ins Herausgeber- beziehungsweise Beratergremium
33
Personalia
berufen. Seine rastlosen klinischen und
wissenschaftlichen Aktivitäten fanden ihren Niederschlag in Hunderten von Publikationen und Vorträgen. Darüber hinaus
wurde er zu Gastvorlesungen nach England, Griechenland, Japan, Österreich, Polen, Ungarn und in die USA eingeladen.
Fünf dermatologische Monographien wurden von ihm verfasst beziehungsweise federführend herausgegeben, wobei besonders die „Dermatologische Lokaltherapie“
und „Sexuell übertragbare Krankheiten“
hervorgehoben werden sollen.
Engagiert für den Nachwuchs
und extrem seltene
Krankheiten erkannt
Auf regionaler Ebene hat er sich ebenfalls
stets für die Entwicklung des Nachwuchses seiner klinischen Fachdisziplin engagiert. Der Lehre und Ausbildung der Medizinstudenten war er in seiner gesamten
Dienstzeit verpflichtet. Die Studenten
schätzten sehr sein präzises Urteil und
seine didaktischen Fähigkeiten, Wissen
verständlich zu vermitteln.
Seine Fähigkeit, extrem effektiv und konzentriert zu arbeiten, hat sich auch in seinem klinischen Engagement widergespiegelt. Sein immer wieder unter Beweis gestelltes Detailwissen in der klinischen
Dermatologie führte dazu, dass extrem
seltene Krankheitsbilder letztendlich nur
von ihm erkannt und klassifiziert werden
konnten.m
Seine so intensiv fachbezogene Seite des
Lebens erfordert einen Ausgleich, die er
bei Musik und beim Bergsteigen findet.
Sowohl die Studenten früher als auch die
Kollegen und Freunde bei geselligen Zusammenkünften waren schon Nutznießer
seines Pianistentalentes. Er hat es stets verstanden, das oft steife Reglement erfrischend aufzulockern. Alle seine Leistungen und Aktivitäten sind sicher ohne die
familiäre Geborgenheit, die ihm seine liebenswürdige Ehefrau, Dr. med. Brunhilde
Haustein, Fachärztin für Transfusionsmedizin, seit 38 Jahren angedeihen lässt, nicht
denkbar.
Prof. Dr. Hans-Jürgen Glander,
Klinik und Poliklinik für Dermatologie,
Venerologie und Allergologie
34
Vertrauen,
Verantwortung
und Humor
Kolloquium für Chemiker Papp
zum 65. Geburtstag
Als nachträgliches Geburtstagsgeschenk
für Professor Helmut Papp lud die Fakultät
für Chemie und Mineralogie am 30. März
zu einem Festkolloquium, das den Namen
des Jubilars trug. Die Feier markierte einen
Wendepunkt im Leben von Professor Papp,
nämlich einen Abschied aus dem
Dienst, aber keinen Abschied von
all den Dingen, die er in Leipzig
in die Wege geleitet hat. Professor Papp war am 14. Dezember
vorigen Jahres 65 Jahre alt geworden.
Helmut Papp wurde am 1. April
1993 auf die Professur für
Technische Chemie der Universität Leipzig berufen. Seit 1994 ist er
Direktor des gleichnamigen Instituts.
Mit seiner Berufung nach Leipzig hat
er sofort seinen Umzug von Bochum
nach Leipzig vorangetrieben und
ist in Baalsdorf sesshaft geworden.
Nach Ämtern hat Professor
Papp nie gesucht, sie wurden und werden
ihm angetragen und er füllt sie aus, mit
menschlicher Wärme, Verantwortungsbewusstsein, Vertrauen, Humor und der nicht
zu übertreffenden Fähigkeit, bei Konflikten ausgleichen zu können – als Dekan, als
Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, als Direktor des AnInstituts für Nichtklassische Chemie e. V.
(seit dessen Gründung 1997) und jetzt als
Vorsitzender der Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft.
Als Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs von Dezember
2000 bis Dezember 2003 hat er vieles angeregt und befördert, das heute das Gesicht
der Universität Leipzig prägt: Vom Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrum,
dessen Gründungsdirektor er war, über die
Förderung des wissenschaftlichen Nach-
wuchses, das Ringen um das neue Antlitz
der Universität am Augustusplatz (das
2003 zum Rücktritt des gesamten Rektoratskollegiums geführt hatte), bis zur Bündelung der auf Mittel- und Osteuropa fokussierten Aktivitäten an der Universität
und am Wissenschaftsstandort
Leipzig. Heute noch ist
Professor Papp stellvertretender Direktor des
im März 2003 gegründeten Kompetenzzentrums Mittel- und Osteuropa Leipzig e. V. Er
hat zugleich großen
Anteil an der Ansiedlung des
2006 eröffneten Mittel- und Osteuropazentrums der Fraunhofer-Gesellschaft in
Leipzig, nach zähem Ringen von Universität, Stadt, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und sächsischer
Staatsregierung.
In seine Amtszeit als Prorektor fiel die Einrichtung von zwei Internationalen Promotionsprogrammen, die Einstellung der
ersten Vorgriffs-Juniorprofessoren, die
Förderung von Wissenschaftlerinnen im
Rahmen des HWP, die Erarbeitung der Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, die Vorbereitung der Bundestagung zur EU-Forschungsförderung im
Juni 2004 und vieles mehr.
Professor Papp ist außerordentlich belesen,
liebt Malerei und Musik. Vielleicht nimmt
er sich nun etwas mehr Zeit dafür.
Prof. Dr. M. Schlegel, Dr. S. Richter
journal
Personalia
Mit dem Auwald-Kran
erforschte er die Baumwipfel
Nachruf für den Botaniker Prof. Wilfried Morawetz
Nach langer und schwerer Krankheit ist am
12. März der bekannte Leipziger Botaniker
Professor Dr. Wilfried Morawetz im Alter
von 55 Jahren verstorben. Der gebürtige
Österreicher wurde 1994 als Professor für
Spezielle Botanik und Ökologie sowie Direktor des Botanischen Gartens der Universität Leipzig berufen. Zu seinen ersten
Aktivitäten gehörte die Planung und Umsetzung einer umfangreichen Restaurierung und Umstrukturierung des Botanischen Gartens und der Gewächshäuser, die
inzwischen zu einem beliebten Anlaufpunkt für die Leipziger Bevölkerung geworden sind. Daneben engagierte er sich
für die Einrichtung eines Apothekergartens
und eines Duft- und Tastgartens, der demnächst übergeben wird.
Professor Morawetz war in der ganzen Welt
zu Hause. Er beherrschte neben seiner
deutschen Muttersprache Englisch, Portugiesisch und Spanisch, konnte sich aber
auch im Französischen, Italienischen und
Lateinischen bewegen. Er ging in Bogotá/
Kolumbien, Madrid und Wien zur Schule,
studierte in Wien, wurde bei dem bekannten Botaniker Friedrich Ehrendorfer promoviert, ging für wissenschaftliche Stu-
dien bzw. einen Gastprofessoraufenthalt
mehrmals nach Brasilien, habilitierte sich
an der Universität Wien und war seit 1991
Mitglied des Steering Committee beim
European Science Foundation Programm
Tropical Canopy Research. 1993 wurde er
Leiter der Forschungsstelle für Biosystematik und Ökologie der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften bis er 1994
an die Universität Leipzig kam.
Er war ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Beauftragter des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung für Biodiversität,
Gründungsvorstand und späterer Direktor
des Lateinamerika-Zentrums an der Universität Leipzig. Zwischendurch besuchte
er etliche Male zu Forschungszwecken den
südamerikanischen Kontinent, Asien und
Afrika, machte Schlagzeilen mit der Organisation eines Kranes für die Baumkronenforschung zunächst in Venezuela und später im Leipziger Auwald. 2005 holte er die
Baumkronenforscher der ganzen Welt zu
ihrer 4. Internationalen Konferenz nach
Leipzig.
„Bei seinen vielseitigen und erfolgreichen
Aktivitäten kamen dem Wissenschaftler
Der international angesehene Botaniker Prof. Dr. Wilfried Morawetz starb nach
langer und schwerer Krankheit im Alter von 55 Jahren.
Foto: Armin Kühne
Heft 2/2007
Wilfried Morawetz seine Kommunikationsfreude, seine Konsens- und Kompromissbereitschaft und sein diplomatisches
Geschick zugute“, sagte der Rektor der
Universität Leipzig, Professor Dr. Franz
Häuser. „Er arbeitete mit den lokalen Behörden und wissenschaftlichen Institutionen ebenso zusammen wie mit ausländischen Regierungsvertretern und kulturellen Einrichtungen.“ So gelang es ihm voriges Jahr, ein besonderes Highlight nach
Leipzig zu holen: eine Inka-Gold-Ausstellung aus Peru. „Professor Morawetz hat
viel dazu beigetragen den Namen der Universität Leipzig in der ganzen Welt bekannt
zu machen“, so der Rektor weiter.
Wissenschaftlich beschäftigte sich Prof.
Morawetz unter anderem mit den Ursprüngen der Gefäßpflanzen und den vielfältigen
und besonders engen Beziehungen zwischen Pflanze und Tier, wie in der Bestäubungsbiologie oder den Ameisenpflanzen.
Hierbei interessierte ihn besonders die
komplexe Genetik der Gewächse. Seltene
exotische Pflanzen hatten es ihm ebenfalls
angetan, zu denen er nicht selten spannende Geschichten zu erzählen wusste.
Eine Vorreiterrolle spielte er bei der Einführung neuer Methoden für die botanische
Forschung, und es gelang ihm auch, die
notwendigen finanziellen Mittel dafür sicher zu stellen. Seine größten Erfolge waren wohl die Forschungskräne in Venezuela
und im Leipziger Auwald, die dazu beitrugen, die Pflanzen- und Tierwelt in ihrer
Vielfalt und gegenseitigen Abhängigkeit
zu erschließen.
„Professor Wilfried Morawetz war ein
Mensch mit Ausstrahlung und Esprit und
vielen neuen Ideen“, meinte sein langjähriger Kollege Professor Dr. Werner Reißer
aus dem Institutfür Biologie I. Die Wissenschaftler, Mitarbeiter und Studenten der
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie
und Psychologie werden ihn vermissen.
Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger,
Dekanin der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie
35
Personalia
Konzentriert, aufrecht,
zurückhaltend
Ein Besuch im Atelier von Maler Arno Rink
weckt Erinnerungen an Magnifizienz Volker Bigl
Von Tobias D. Höhn
Das leuchtende Kobaltblau zieht den Betrachter in den Bann. Fesselt ihn. Lenkt ihn
auf das markante Gesicht, das vertraute.
Das von Altmagnifizienz Volker Bigl. Es
ist kein Foto und doch scharf, aber nicht die
Konturen sind es, sondern die Beobachtungsgabe des Interpreten „Rink“, wie er
sich am rechten unteren Bildrand zurückhaltend vermerkt hat. Es ist die Verbeugung eines Malers, der sein Gegenüber im
Lauf der Zeit zu schätzen gelernt hat – obwohl er ihn nur aus der Erinnerung heraus
und von Fotos porträtierte. Denn zum Modellsitzen, wie es für gewöhnlich der Fall
ist, kam es nicht mehr. Zu schnell wurde
Prof. Dr. Bigl aus dem Leben gerissen.
In brauner Kordlatzhose, Poloshirt und
Strickjacke öffnet Arno Rink – bis 2005
Professor an der Hochschule für Grafik
und Buchkunst Leipzig – die Tür. Sofort
stellt sich eine von gegenseitiger Achtung
geprägte Vertrautheit ein, Maler und Autor
haben über die Jahre hinweg so manches
Interview geführt – über Ausstellungen,
Ehrungen, die Leipziger Schule (die alte
wie die neue) und die gegenwärtige Hausse
am Anfang der 1990er Jahre totgesagten
Markt für Malerei diskutiert.
Doch dieses Mal soll Rink zurückblicken,
sich an ein Bild entsinnen, das sein Atelier
vor gut und gerne zwei Jahren verließ. Die
Erinnerungen wirbeln durcheinander.
Doch als ich auf dem braun gestreiften,
barock geschwungenen Sofa Platz nehme,
sagt Rink: „Jetztweiß ich es wieder: Genau
dort saß Professor Bigl.“ Ehre und Bürde
des Rektoramtes hatte er damals schon
abgelegt, Rink als Maler seines Bildes für
die Magnifizienzen-Galerie erkoren –
„vermutlich weil ihm meine Bilder von
Walter Markov [Anm.: Der Leipziger Wissenschaftler (1909–1993) zählte zu den international bekanntesten und geschätzten
Historikern der DDR] und Horst Hennig
[Anm.: Letzter Rektor der Karl-Marx-Uni36
versität von 1987–1990] irgendwie zusagten“. Dennoch oder gerade unter dem Eindruck des Hennig-Abbildes spürte Rink bei
Bigl eine gewisse Angst, zu modern dargestellt zu werden. „Er gab gleich zu, wenig
von Malerei zu verstehen und so fragte ich
ihn, was denn in seinen Augen modern sei.
Und ich erkannte eine sympathisch-konservative Haltung. Er wollte keinen Firlefanz,
Vordergründigkeiten oder modernistischen
Schnickschnack, auch auf die Amtskette
wollte er verzichten“. Spätestens mit diesem Bekenntnis waren Maler und zu Malender auf einem Nenner, denn auch Rink,
einstselbstRektor der Kunsthochschule hat
ein gespaltenes Verhältnis zu Amtsinsignien. „Ich hätte gar nicht gewusst, wie man
eine Amtskette malt.“
Als ihm die Parteioberen einst angetragen
hatten, doch für die HGB eine RektorenKette fertigen zu lassen, lehnte er vehement ab. Eine Kunsthochschule und eine
womöglich vor Gold strotzende Amtskette?! Das hätte ebenso wenig gepasst wie
die Darstellung Professor Bigls im Stil von
Altkanzler Gerhard Schröder, der sich
jüngst vom Düsseldorfer Maler Jörg Immendorf als goldene Büste vor einem stilisierten Bundesadler und einer Horde Affen
verewigen ließ. „Professor Bigl war ein
Mann mit hoher Zurückhaltung, das habe
ich zu schätzen gelernt im Lauf unserer
Gespräche.“
Doch die Irritation bei Bigl blieb zunächst
bestehen, als Rink nicht sogleich zu Skizzenblock und Stift griff. „Zeichnen tue ich
Sie jetzt nicht. Ich guck’ Sie mir erst mal
an“, hat Rink ihm entgegnet. Er fand, wie
er drei Jahre später sagt, einen Mann vor,
„der mir sehr viel gegeben hat. Ein Mann,
der leise ist und in sich ruht, der konservativ ist, aber auch eine starke Meinung hat
und sie ohne aufdringlich zu sein, bewahrt.
Das findet man selten.“ Dies war es auch,
das Bigl im Streit um die Neugestaltung
des Campus am Augustusplatz zum Rücktritt bewogen hatte, denn er legte von Anfang an im Streit um Neubau oder Wiederaufbau der Paulinerkirche sein Amt in die
Waagschale der Entscheidung.
„Bigl war ein Mann, der etwas geleistet hat
und trotzdem von großer Bescheidenheit
war.“ Von Minute zu Minute werden in
dem 66-Jährigen die Erinnerungen wach
und er zieht Parallelen zu Markov. „Bigl
war verrückterweise ähnlich wie Markov.
Markov nannte mich immer nur Maestro
und sagte: ‚Was finden Sie bloß an meinem
komischen Kopf?‘“ Was Rink ihm geantwortet hat, erzählt er nicht, aber wer ihn
kennt, weiß, dass er die Balance aus ambivalenten Charakterzügen des Zuhörens und
Rumpelns gefunden haben wird. Schließlich schaffte er es auch, dass sich Bigl am
Ende des ersten Ateliertreffens in Schleußig wohl fühlte und wieder kommen
wollte. Nach seiner Operation.
Bigl wusste damals schon, dass er es nicht
an den Augen hat, wie der Hirnspezialist
zunächst selbst vermutet hatte, sondern
dass er gegen einen Tumor in seinem Kopf
kämpft. Bigl kam nach langer Zeit wieder,
hatte den Eingriff überstanden, aber
kämpfte weiter. „Wir haben uns dann über
die Krankheit unterhalten, es war ein Gespräch von Patient zu Patient“, lässt Rink
durchblicken. Denn auch der Maler littund
leidet wieder an Krebs. Hoffnungen und
Ängste bestimmten die Unterhaltung.
„Bigl war sehr gefasst, nur an den Händen
konnte ich die Unruhe in ihm ablesen.“
Zu einem dritten Gespräch kam es nicht
mehr. Prof. Bigl starb am 24. März 2005.
Und Arno Rink hatte noch nicht einmal mit
dem Auftragsporträt begonnen.
Er schaute sich Dutzende von Bildern an,
rang mit sich und dem Versprechen die Altmagnifizienz zu verewigen. „Das Hauptproblem war nicht die Ähnlichkeit. Sie
müssen sich vorstellen, da sitzt ein Mann
journal
Personalia
In memoriam
Arno Rink malte das Porträt von Altmagnifizienz Volker Bigl
(Bild unten).
Fotos: Tobias D. Höhn/Marion Wenzel
mit einer stattlichen Statur vor Ihnen, sieht
aus wie ein Seefahrer, aber im Gespräch
merken Sie, dass er überhaupt nicht offensiv ist, keine ausladenden Gesten hat, sondern sehr versammelt ist, nicht lässig, sondern hoch konzentriert und aufrecht durch
und durch. All dies konnte kein Foto wiedergeben.“
Wer diese Geschichte kennt, den wird das
Ergebnis umso mehr in faszinierendes
Schwelgen versetzen. Die Augen – nicht
bis auf das Glanzlicht perfekt wie bei
manch anderem Porträt – blicken direkt in
die Seele Volker Bigls. Die Farben – eine
explizite Lieblingsfarbe hatte Bigl im Gespräch mit Rink nihiliert und nur gebeten
von grellen Tönen Abstand zu nehmen, so
dass dieser sich für Blau entschied – ziehen den Beobachter als Funksignal ins ÖlOeuvre, gehen in ein feines Grau über und
unterstreichen die Klarheit und Eindeutigkeit einer Lebenshaltung. Der Körper ruht
als Plastik vor dem so ausgebreiteten Hintergrund, fokussiert den Blick auf das
warme Gesicht, immer kontrastiert mit der
Zurückhaltung. „Rückblickend kann ich
sagen, dieses Blau ist das einzig richtige.
Aber vielleicht habe ich auch mehrere
Farbschichten übereinander gelegt. Ich
weiß es nicht mehr.“
Wichtiger als die detailgetreue Auffädelung des Entstehungsprozesses ist für Rink
die Dankbarkeit, einen Mann gekannt, erlebt, begleitet zu haben. Es ist gewiss kein
Bild von der Stange, das in Akkordarbeit
entstand, wie es der Neuen Leipziger
Schule immer wieder nachgesagt wird.
Heft 2/2007
Altmagnifizenz Volker Bigl wäre dieses Jahr 65 Jahre alt geworden. Er verstarb am 24. März
2005 nach schwerer Krankheit. Dennoch ist er vielen Universitätsangehörigen und Studenten noch in lebendiger Erinnerung. Ein Porträt Bigls, von Maler Arno Rink gefertigt, hängt
im Dienstzimmer von Rektor Prof. Dr. Franz Häuser. Bigl – ein international renommierter
Mediziner auf dem Gebiet der Hirnforschung – war von 1997 bis zu seinem Rücktritt 2003
Rektor der Universität Leipzig. Grund für den Rücktritt war der Streit um den Universitätscampus, in dem Bigl sich vehement für die Errichtung eines innerstädtischen Campus einsetzte und die diesbezüglichen Zusagen der sächsischen Landesregierung einforderte.
1992 zum Professor für Neurochemie berufen, war Bigl seit 1993 Direktor des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung und von 1995 bis 1997 Dekan der Medizinischen Fakultät.
Zu Jahresbeginn 2004 war er zum Präsidenten der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gewählt worden.
Mit dem Namen Volker Bigls verbunden ist eine Neubelebung der alten Idee der Universitas litterarum, die den Erhalt der großen Fächervielfalt ebenso einschließt wie die Förderung neuer innovativer Entwicklungen in den angewandten Naturwissenschaften, nicht zuletzt von Biomedizin und Biotechnologie. Sein Credo war, in der Welt von heute die „Universität als verwirklichte Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden über ihren Ausbildungsauftrag hinaus wieder zur Stätte der geistigen Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit“
zu machen. Bigl wurde postum das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sowie die Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig verliehen, die seine Witwe am 25. Mai 2005 in Empfang nahm.
r.
37
Heft 3/2007
Was kommt nach Mohammed?
Karikaturen als Kirchenkritik S. 16
Nachdenken über die Universität –
eine Serie mit Interviews und Essays
Leipzig-Erfahrungen einer
schottischen Chemiestudentin S. 29
Die Höhepunkte des Jubiläumsjahres –
Tradition und Zukunft bestimmen 2009
ISSN 1860-6709
S. 2
S. 13
Sanskrit beim Bügeln –
Die Gästehäuser der Uni
S. 6
„Akademischer Ritterschlag“ für
Urologie-Chef Stolzenburg S. 34
journal
Vom Studium in die Selbstständigkeit
Die Karriere beginnt an der Universität
Dokument: Titel_Uni.pdf;Seite: 1;Format: (230.82 x 317.82 mm);Auszug: Vollfarbe;Datum: 22.May 2007 10:21:09;1 ISO coated V2 - PDF X3 zu 4c
Juni 2007
EDITORIAL
UNIVERSITAT LEIPZIG
Inhalt
UniVersum
Nachdenken über die Universität – Teil 1 der
Serie – Interview mit Rektor Franz Häuser
Gleichstellungsbeauftragte Monika Benedix:
„Elite darf nicht vom Geschlecht abhängen“
Wissenschaftsministerin Stange zu Gast
Sanskrit beim Bügeln und Verschwungene
Eleganz – die Gästehäuser der Universität
Die „Allianz“ Chile-Leipzig wächst weiter
Neue Rechtschreibung verunsichert Studenten
25 Mal „Das Sonntagsgespräch“ – Gespräch
mit Organisator Prof. Georg Meggle
2
4
5
6
9
10
40
Gremien
Sondersitzung des Senats am 3. April
Sitzung des Senats am 17. April
12
12
Jubiläum 2009
Die Höhepunkte des Jubiläumsjahres
Theodor Frings’ Amtsantritt vor 80 Jahren
Gesichter der Uni: Ewald Flügel
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Forschung
Karikaturen als Instrument der Kirchenkritik
Sibirien – der achte Kontinent
16
17
UniCentral
Ein Jahr SMILE – eine Zwischenbilanz
ElePhant – Die Oma warnte vor dem
Schuldenmachen
„Kontakte knüpfen“, rät Prorektor Fach für
einen gelungenen Berufseinstieg
Was braucht der Mensch zum Unternehmer?
media:port will Medienkompetenz vermitteln
19
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23
25
Fakultäten und Institute
Die EU zwischen Konvergenz und Divergenz
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Studiosi
Die Mitteldeutsche Jobbörse
Fremdsprachige Fettnäpfchen im Imagefilm
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Personalia
In memoriam Carl Friedrich von Weizsäcker
Redakteur verstärkt Pressestelle
„Akademischer Ritterschlag“ für UrologieChef Jens-Uwe Stolzenburg
Guter Geist seit 46 Jahren: Günter Paetzold
Am Rande
Geburtstage
Habilitationen und Promotionen
Impressum
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Karrieresprungbrett Uni:
Gründerelan fördern,
realistisch bleiben
Die Zahl der Studierenden ist in der Vergangenheit insgesamt
gewachsen. Auch an unserer Universität, wie die Immatrikulationszahlen seit der Wende dies eindrucksvoll nachzeichnen. Doch sind Magister und Diplom, und künftig Bachelor
und Master automatisch die Eintrittskarte in die langfristig
Existenz sichernde Berufswelt? Eher nicht. Süffisante Schlagzeilen von taxifahrenden Ethnologen, kellnernden Soziologen kennt jeder. Klischees, die gepflegt werden – oft an der
Realität vorbei und verzerrt dargestellt. Worüber
kaum berichtet wird, sind die Erfolgsstorys: Vielen Absolventen liegen, bevor sie ihr Zeugnis in
der Tasche haben, die ersten Arbeitsangebote
auf dem Tisch. Andere haben das Forschen während ihrer Abschlussarbeit zu schätzen gelernt
und setzen dies in einer Dissertation mit anschließender wissenschaftlicher Laufbahn fort.
Und wieder andere wählen den Weg in die
Selbstständigkeit, weil sie theoretisches Wissen
wirtschaftlich gewinnbringend umsetzen wollen.
Start-Ups wie media:port zur Vermittlung von Medienkompetenz oder das chirurgische Trainingswerkzeug ElePhant, eine
Ausgründung aus der Universität heraus, sind nur zwei Beispiele von vielen (siehe Seite 20 und 25).
Zugegeben: Die großen Unternehmen mit Dutzenden oder
gar Hunderten von Mitarbeitern, wie sie in Zeiten der New
Economy vorkamen, sind selten geworden. Nach einer Erhebung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung
werden 60 Prozent der High-Tech-Gründungen von einem
Team gegründet, das durchschnittlich drei Personen umfasst.
Aber gesundes Wachstum ist sinnvoll, Maßhalten eine Tugend. Entscheidend ist, dass der Entdeckergeist weiterlebt
und die Gesellschaft voranbringt. Nur so kann der Bildungsauftrag, dem wir uns nach Leibniz’ Motto „Theoria cum Praxi“
verschrieben haben, mit Leben erfüllt werden. 29 Prozent der
Akademiker gründen laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau
„chancenmotiviert“, 23 Prozent aus einer Notlage heraus.
Hier gilt es in den kommenden Jahren anzusetzen und den
Studierenden frühzeitig und im Gleichschritt mit der Veränderung des Arbeitsmarktes Perspektiven und Alternativen aufzuzeigen, wie wir dies in der Gegenwart mit zahlreichen Initiativen schon tun.
Prof. Dr. Franz Häuser,
Rektor der Universität Leipzig
Titelfoto: Jan Woitas
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UniVersum
„Wir brauchen mehr
Stipendienangebote für
herausragende Studenten“
Elitebegriff als Chance für Wissenschaftsnachwuchs
Herr Prof. Dr. Häuser, der Begriff
„Elite“ machte in den letzten Monaten
immer wieder Schlagzeilen, nicht nur in
Zusammenhang mit der Eliteuniversität. Was ist für Sie Elite?
Elite ist aus meiner Sicht sowohl positiv als
auch negativ interpretierbar: Positiv, wenn
man den Begriff Elite weit fasst und damit
Leistungsstärke und Qualifikation im eigenen Beruf oder im eigenen Fach meint. Das
„weit fassen“ bezieht sich dann auf einen
größeren Kreis, der durch eigenes Engagement sich hier weiterentwickelt. Negativ
auslegbar ist der Elitebegriff vor allem
Journal
Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen
und Freunde der Universität Leipzig
Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig,
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Redakteur: Tobias D. Höhn
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V.i.S.d.P.: Dr. Manuela Rutsatz
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
Meinung der Autoren wieder.
dann, wenn damit allein eine Abgrenzungsintention verfolgt wird. Wenn beispielsweise weniger aufgrund von qualifizierten
Gründen eine Elite entsteht denn aus
formellen. Dies könnten ökonomische
oder statusrechtliche Eigenschaften sein.
Ausgehend von der ersten Definition beantworte ich Ihnen gern die weiteren Fragen.
Gibt es an der Universität Leipzig Elitestudenten?
Ich will sehr hoffen, dass wir Elitestudenten im positiven Sinn haben und bin auch
davon überzeugt. Wenn unsere Erstsemester in diesem Studienjahr eine durchschnittliche Abiturnote von 1,88 vorweisen
können, so mag dies ein Zeichen für
Leistungsstärke sein. Hoch qualifizierte
Studierende können sich durchaus einer
Elite angehörig fühlen, einer Elite, die
gestützt durch die Gesellschaft eine umfassende Ausbildung erhält und somit
Wissen erwirbt, das sie in die Lage ver-
setzt, gesellschaftlich relevante Probleme
zu lösen.
Wie stehen Sie zur Elite-Diskussion in
Deutschland und was ist Ihre Meinung
zur Elite- und Exzellenzinitiative der
Regierung? Wer sind die Verlierer dieser
Entwicklung, wer die Gewinner?
Aufgrund der vielfältigen Interpretationsmöglichkeit gehe ich mit diesem Begriff
sehr vorsichtig um. Was ist beispielsweise
der Gegenbegriff zur Elite? Sind das die
„Universitäten zweiter Klasse“ oder die
übrig gebliebene undefinierte Masse. Aus
meiner Sicht ist es wie meist im Leben: Es
gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern
vielfältige Nuancen und Farben. Es gibt
eher Fachbereiche und Disziplinen, einzelne Studierende und Lehrende, die auf
ihrem jeweiligen Gebiet im Sinne ihrer
herausragenden Arbeit einer Elite angehören. Diese Bereiche an unserer Universität
explizit zu fördern, das ist in unserem
Sinne.
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Die Redaktion behält sich vor, eingesandte
Artikel zu redigieren und zu kürzen. Bei unverlangt eingesandten Manuskripten besteht keine
Gewähr für einen Abdruck.
Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, sofern
die Quelle angegeben wird. Ein Belegexemplar an
die Redaktion wird erbeten.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 2. 5. 2007
ISSN 1860-6709
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Rektor Prof. Franz Häuser: „Ein Stempel auf dem Namen der Universität allein
bedeutet zumindest in Deutschland (noch) keinen Erfolg.
Foto: Jan Woitas
journal
UniVersum
Was tut die Universität, um besonders
gute Studenten zu fördern?
Zunächst bieten wir möglichst gute Studienbedingungen – und seit diesem Wintersemester ein Studium in den neuen Studiengängen entsprechend der BolognaVorgaben: Bachelor und Master. Besonders gute Studierende werden in aller Regel
in der direkten Arbeit in den Übungen und
Seminaren durch ihre betreuenden Professoren entdeckt und gefördert.
Natürlich haben wir auch ein deutliches Interesse diesen herausragenden Studenten
beispielsweise eine Promotion zu avisieren. Hierbei ist dann die Beratungstätigkeit
der jeweiligen Betreuer gefragt, die zu-
ich hier betonen möchte, dass die Aktivität
für einen herausragenden Abschluss immer
auch beim einzelnen Studierenden selbst
liegt. Neben dem fachlichen Angebot sollte
es möglich sein, wichtige Schlüsselqualifikationen für das spätere Berufsleben zu erwerben, die Stichworte sind hier: sprachliche und soziale Kompetenzen.
Ist Leipzig eine gute Stadt für ein Elitestudium?
Leipzig ist insofern eine gute Stadt für ein
(Elite)-Studium, als wir hier eine solide
Ausbildung anbieten, die Forschung mit
Lehre verbindet und die das Leibniz’sche
Motto: „theoria cum praxi“ praktiziert.
Studierende haben hier alle Möglichkeiten, müssen aber auch bedenken, dass sie
sich die Elitezugehörigkeit als außergewöhnlich gute Leistungen selbst miterarbeiten müssen. Ein Stempel auf dem
Namen der Universität allein bedeutet
zumindest in Deutschland (noch) keinen
Erfolg.
Interview: Dr. Manuela Rutsatz
„
Was ist der Gegenbegriff
zur Elite? Sind das die
,Universitäten zweiter
Klasse‘?
“
meist über Tipps verfügen, an welchen
Stellen die Bewerbung um ein Promotionsstipendium sinnvoll ist. Zudem haben wir
mit der Einführung der Research Academy
Leipzig (RAL) ein Dach für die übergreifende Doktorandenbetreuung an der
Universität Leipzig geschaffen, die in
erster Linie eine Beratungsfunktion inne
hat und auch Schlüsselqualifikationen
beispielsweise in der Sprachausbildung anbietet.
Was bräuchten Sie, um das noch besser
zu tun, etwa mit Blick auf Staat, Gesellschaft, Schulbildung?
Insbesondere in der Promotionsförderung
brauchen wir mehr Stipendienangebote für
unsere Absolventen. Im Moment erhalten
wir vom Freistaat gerade einmal acht Graduierungsstipendien, das ist viel zu wenig.
Was sind die wichtigsten Faktoren einer
Hochschule für eine optimale Ausbildung sehr begabter Studenten?
Wichtige Grundlage bildet zunächst eine
solide Ausbildung während des Studiums,
die Einführung in das wissenschaftliche
Arbeiten sowie die Art der Fragestellungen
in der Wissenschaft. Studium ist immer
gleichzeitig auch Selbststudium, so dass
Heft 3/2007
Die Debattenkultur stärken
Mit der neuen Reihe „Nachdenken über die Universität“ soll die
Debattenkultur innerhalb der Universität gestärkt werden. In losen
Abständen werden Autoren in Essays und Interviews über den
Zustand der Alma mater reflektieren, Zukunftsszenarien aufzeichnen und Fragen aufwerfen. Den Anfang macht Rektor Prof. Dr.
Franz Häuser. Neben Universitätsangehörigen und Studenten werden sich auch Externe an dieser Debatte beteiligen. Fragen und
Anregungen dazu richten Sie bitte an [email protected].
r./Grafik: Oliver Weiss
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UniVersum
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„Elite darf nicht vom
Geschlecht abhängen“
Europäisches Jahr der Chancengleichheit –
Im Gespräch mit Dr. Monika Benedix
„Frauenforscherinnen stellen sich vor“
heißt ein neuer Band zur Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Leipzig. Tobias D. Höhn fragte bei Herausgeberin und Gleichstellungsbeauftragter
Dr. Monika Benedix nach, wie es 2007, im
Jahr der europäischen Chancengleichheit,
um das Verhältnis von Mann und Frau bestellt ist.
Frau Dr. Benedix, die Universität Leipzig rüstet sich für ihr 600. Jubiläum.
Frauen tauchen in der Historie erst vor
gut 100 Jahren auf, als ihnen als Studentinnen der Zugang gewährt wurde. Warum so spät?
Deutschland war eines der letzten Länder
in Europa, das jungen Frauen Zugang zum
Wissen gewährte. Der Grund war, dass sie
bis dahin auch keinen Zugang zum Abitur
hatten. Schlusslichter waren übrigens
Dresden und Berlin. Leipzig hingegen galt
als fortschrittlich, hier hatte der Allgemeine Deutsche Frauenverein um Louise
Otto-Peters (1819–1895) für Gleichberechtigung gekämpft. Ihr Denkmal im
Leipziger Rosental erinnert noch heute an
sie.
Kleintierpraxis. Und die Tierärztekammer
klagt, dass es für Großtiere zu wenig Ärzte
gibt, vor allem auf dem Land.
Zurück zum Frauenstudium. Allein der
Begriff hört sich komisch an. Gibt es
denn ein Männerstudium?
Nein, eben nicht. Mit dem Eintritt von
Frauen in die höchsten Bildungsanstalten
wurde dieser Begriff geprägt. Und das
zeigt auch, dass bis heute das Haus Wissenschaft von Männern geplant worden ist –
so wie sie es brauchen. Vor 100 Jahren
wurde das Erdgeschoss dieses Hauses von
Frauen gestürmt, aber der Zugang zu
nächst höheren Etagen wurde ihnen verwehrt oder sehr erschwert. Dabei sollte
Elite nicht vom Geschlecht abhängen, sondern müsste sich auf bestimmte Fähigkeiten beziehen.
%
Und wie ist der Status Quo im Jahr
2007?
Heute sprechen wir bereits von einer Feminisierung des Studiums. Frauen können
ihre Studienrichtung – in der Regel dank
besserer Abiturnoten als männliche Bewerber – frei wählen. Es gibt Studiengänge wie
an der Veterinärmedizinischen oder Erziehungswissenschafltichen Fakultät mit weit
über 80 Prozent Studentinnen. Derartige
Konzentrationen sind natürlich auch nicht
gut. Nehmen Sie zum Beispiel die Veterinärmedizin: Männliche Absolventen entscheiden sich häufig für eine wissenschaftliche Karriere, die Frauen für die freie
Wirtschaft und damit zum Beispiel für eine
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Können Sie Beispiele nennen?
An der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät mit einem Anteil weiblicher Studierender von 84,9 Prozent gibt es derzeit eine
W3-Professorin (eine zweite Position soll
in Kürze von einer Frau besetzt werden).m
Keine einzige Hochschullehrerin finden
wir an der Juristenfakultät bei einem Anteil von 55,4 Prozent Studentinnen. Gerade
mal vier Professorinnen gibt es in der Veterinärmedizinischen Fakultät. Die einzige
Dekanin an unserer Universität kommt aus
der Fakultät Biowissenschaften, Pharmazie
und Psychologie.
Ihr Fazit?
Es dürfen nicht noch einmal 100 Jahre vergehen, bis der Anteil der Frauen in Führungspositionen 50 Prozent erreicht oder
gar überschreitet.
Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Eine wissenschaftliche Karriere sollte für
Frauen und Männern gleichermaßen mög-
lich sein, tut sie aber nicht, weil zum Beispiel Frauen mit Kindern bislang unter den
bestehenden Wissenschaftsstrukturen benachteiligt sind. Wir brauchen unter anderem eine flexible Kinderbetreuung für Akademiker. Und bei der Frage nach Teilzeitbeschäftigung wird in vielen Stellen von
Wissenschaft und Verwaltung häufig nur
der Kopf geschüttelt. Wer sich für Teilzeit
entscheidet, entscheidet sich gegen die
Karriere, ist die gängige Devise. Dabei
sollte der öffentliche Dienst ein Vorbild für
die Wirtschaft sein.
Mit Ihrer aktuellen Publikation, die Sie
gemeinsam mit Stefanie Bietz verantworten, wollen Sie jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen die Möglichkeit
geben, sich und ihre Forschungsergebnisse vorzustellen. Dies widerspricht in
gewisser Weise Ihrem Anspruch, denn
ein maskulines Pendant wäre undenkbar.
Die Publikation zeichnet sich durch die
Aufnahme verschiedenster Forschungsfelder und -themen aus, die aber durch zwei
wesentliche inhaltliche Schwerpunkte ihre
Verbindung enthalten: Die beiden geschichtswissenschaftlichen Beiträge von
Julia Katharina Koch zum „Rollenverständnis mobiler Individuen in der archäologischen Fachliteratur“ sowie von Stefanie Bietz zu „Geschlechterverhältnissen in
Erbvorgängen am Ende des 19. Jahrhunderts“. Sie betonen die Konstruiertheit von
Geschlecht, das heißt, sie stellen die kontextabhängigen Vorstellungen über Frauund Mannsein heraus. Weitere Beiträge
stellen berufliche und soziale Ungleichheiten zwischen Mann und Frau fest und
zeigen auch erfolgreiche Maßnahmen zur
Überwindung dieser Ungleichheiten auf.
So gesehen, werden die Männer integriert
und dürfen sich als Leser ebenfalls angesprochen fühlen.
journal
UniVersum
Stippvisite auf der Großbaustelle: Sonderbauleiter Volker Kylau, Dr. Eva-Maria
Stange, Finanzstaatssekretär Dr. Wolfgang Voß und Rektor Prof. Franz Häuser.
Fotos: Jan Woitas
Staatsministerin
zwei Mal zu Gast
Eva-Maria Stange besichtigt
Campus-Baustelle und
Veterinärmedizinische Fakultät
Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange informiert sich bei Prof. Gerald Fritz
Schusser über Forschung und Nachwuchsförderung in der Medizinischen Tierklinik.
Heft 3/2007
Gleich zwei Mal innerhalb weniger Wochen war die sächsische Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange zu Gast an
der Universität Leipzig. Anfang April informierte sie sich bei einem Rundgang
über den Fortschritt der Bauarbeiten zur
neuen Mensa. Begleitet von Rektor Prof.
Dr. Franz Häuser und Kanzler Dr. Frank
Nolden genoss sie den Ausblick aus dem
ersten Stock der entstehenden Mensa Richtung Moritzbastei. Ein Besuch, der auch
bei Journalisten von Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Fernsehen und Radio auf Interesse stieß.
In dem Rohbau sollen spätestens Ende
2008 täglich mehrere hundert Essen über
den Tresen gehen. Aber auch kritische
Themen wie Bauverzug, Mehrkosten und
die Pläne zur Bebauung des Paulinerkirchenareals wurden angesprochen.
Rektor Häuser demonstrierte die geplante
Gestaltung eines Teils des Innenraums anhand eines Modells im Rektorat.
Zum Abschluss debattierte Stange im Zeitgeschichtlichen Forum mit Studenten und
Hochschulmitarbeitern über den Entwurf
eines neuen sächsischen Hochschulgesetzes. Nicht vergessen werden darf ihr Besuch in der Kustodie.
Der zweite Ministerbesuch Anfang Mai an
der Veterinärmedizinischen Fakultät war
nach den Worten von Dekan Professor Dr.
Karsten Fehlhaber „einmalig in unserer
jüngeren Geschichte“. Die Veterinärmediziner gewährten Stange einen Einblick in
wichtige Aufgaben der Einrichtung, in Forschung und Lehre und diskutierten anstehende Aufgaben wie die Studienreform,
die Forschung und die anstehende Europäische Evaluierung der Fakultät im kommenden Jahr.
„Als kleinste der fünf Veterinärmedizinischen Fakultäten Deutschlands stehen wir
im nationalen Vergleich schon sehr gut da,
aber Reserven gibt es natürlich überall“,
sagte Fehlhaber. Die Fakultät hatte bei
einer Umfrage zur Qualität der Absolventen voriges Jahr den ersten Platz belegt.
Auch auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung konnte über Fortschritte berichtet
werden. „Besonders stolz sind wir darauf,
dass sich immer mehr Nachwuchswissenschaftler zum Diplomate of the European
Colleges qualifizieren“, sagte Fehlhaber.
Dabei handele es sich um eine europaweit
anerkannte Spezialisierung von Fachtierärzten auf höchstem Niveau.
Tobias D. Höhn
www.vmf.uni-leipzig.de
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UniVersum
Sanskrit beim Bügeln
Fulbright-Professor Johanningsmeier wohnt mit
seiner Familie für ein Jahr unter dem Dach der Uni
Gemeinsam mit seiner Frau Gina und seinen drei Kindern Emma (10), Grace (7)
und Andrew (5) wohnt der amerikanische
Fulbright-Professor Charles Johanningsmeier ein Jahr lang im Gästehaus in der
Ritterstraße 12.
Wie fühlen Sie sich in diesem Gästehaus
in der Ritterstraße mit seinem besonderen Charme, der manchmal an „frühere
Zeiten“ erinnert?
C. und G. Johanningsmeier: Es ist wundervoll. Wir können uns gar nicht daran erinnern, wie oft wir schon gesagt haben,
welches Glück wir haben, hier im Zentrum
der Stadt mit Blick auf die Nikolaikirche
wohnen zu können. Von hier aus können
wir überall zu Fuß gehen, fünf Minuten
zur Oper, zum Gewandhaus oder auf den
Markt. Es ist ein phantastischer Ort für
Gastprofessoren, hier an diesem historischen Ort zu leben. Alles ist so schön renoviert und eingerichtet, und die Menschen
hier im Hause sind alle so freundlich.
Hat der geschichtsträchtige Ort vis-à-vis
der Nikolaikirche für Sie eine besondere
Bedeutung?
Es ist sehr inspirierend für uns gerade an
diesem Ort zu sein, wo die ostdeutschen
Menschen eine friedliche Revolution, ganz
ohne Waffen, begonnen haben. Wir erziehen auch unsere Kinder dazu, Probleme
friedlich zu lösen, gerade deshalb bedeutet
die Nikolaikirche viel für uns. Es ist wundervoll, dass diese Kirche wirklich „offen
für alle ist“, und so gehen wir oft mit den
Kindern hin, zum Reden mit anderen Menschen oder, um einen Kaffee zu trinken.
Das kann man alles im Hinterhaus der
Nikolaikirche tun.
Was ist für Sie der Unterschied zu einer
herkömmlichen Mietwohnung?
Es ist sehr schwierig, in Leipzig eine möblierte, bezahlbare Wohnung für eine Dauer
von nur einem Jahr zu finden. Wir haben
lange vergeblich gesucht, eine Agentur eingeschaltet, die uns sofort 5.000 Euro (Provision, Kaution zwei Monatsmieten) gekostet hätte. Das wäre für uns unbezahlbar
gewesen. Als wir schon ziemlich niedergeschlagen waren und der Semesterbeginn
kurz bevorstand, kam das helfende Angebot der Universität. Außerdem ist wirklich
alles an Einrichtung da, und wir haben uns
auf Anhieb zu Hause gefühlt. Für einen
ausländischen Gastprofessor wie mich ist
es wichtig, in einem anderen Land unterrichten und forschen zu können. Ich werde
diese wunderbaren Voraussetzungen hier
in Leipzig der Fulbright-Kommission be-
Die Familie schätzt das Ambiente, die Zentralität und den Blick aus dem Fenster.
„Das ist besser als Fernsehen“, sagt Gina Johanningsmeier.
Foto: Randy Kühn
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richten und meinen Kollegen zu Hause
empfehlen.
Das beste am Haus ist, dass man auf Schritt
und Tritt interessante Menschen trifft. So
zum Beispiel vorhin beim Bügeln (Herr
Johanningsmeier!) im Bügelraum, als mir
ein netter Hausbewohner aus Indien aus der
zweiten Etage ganz viel über seinen Forschungsschwerpunkt Sanskrit erzählte,
aber auch bei Feiern im Gästehaus Werner
Heisenberg haben wir uns mit anderen
Gästen aus verschiedensten Ländern und
natürlich auch mit Leipzigern angefreundet. Unsere Tochter Emma (10) übt dort
immer Klavier auf dem herrlichen Blüthner Flügel. Auch den Club 2009 finden wir
prima, so konnten wir auch die Villa Tillmanns kennenlernen und viele interessante
Menschen aus der Uni treffen.
Und wie fühlt ihr Kinder euch in
Leipzig? Dürft ihr auch eure Schulfreunde mit ins Gästehaus bringen?
Emma (10): Meine Schule, die WilhelmBusch-Grundschule, finde ich toll. Es ist
schön, Deutsch zu lernen und die anderen
Kinder verstehen zu können. Wir hatten
bisher immer soviel zu tun, dass wir es
noch nicht geschafft haben, unsere Freunde
aus der Schule einzuladen, aber wir haben
einen Spielnachmittag mit den Schulfreunden im Gästehaus geplant.
Grace (7): Ich finde es schön, dass unsere
Wohnzimmerwand orange ist. Das ist so
gemütlich und außerdem duftet es immer
so toll nach indischem Essen aus der Wohnung nebenan; wir durften auch schon kosten.
Andrew (5): Ich mag Gwyll aus Australien, das ist mein Freund aus dem Gästehaus IBZ Werner Heisenberg, der auch fünf
ist. Und ich liebe die Straßenbahn in Leipzig, die gibt es zu Hause nicht.
Gina Johanningsmeier: Die Kinder haben hier noch nie Fernsehen geschaut, weil
sie lieber aus dem Fenster gucken. Es gibt
einfach zuviel zu entdecken aus unserem
Fenster.
Interview: Annemone Fabricius
journal
UniVersum
Verschwungene
Eleganz und ein
Eichhörnchen
Wie viele Ecken, wie viele Erker hat diese
verwinkelte Villa eigentlich? Dies zu zählen, ist gar nicht mal so einfach. Umwandert man nämlich das – mehr runde als
hohe – Gebäude, den Blick in steter Konzentration auf den Mittelpunkt des Zirkels,
kann einem leicht schwindelig werden.
Auch wird die Aufmerksamkeit beim Zählen abgelenkt von den hübschen Säulen
und verspielten Bögen, die die im italienischen Landhausstil errichtete Villa zieren.
Erschwerend kommt schließlich hinzu,
dass man sich bei der Umrundung seinen
Weg durch eine verwunschene Baumlandschaft bahnen muss.
Überhaupt die Bäume. Am ersten Morgen,
unmittelbar nach dem Aufwachen, blickte
ich aus dem dreiflügeligen Fenster meines
großräumigen Zimmers. Etwa einen Meter
von der Glasscheibe entfernt saß auf einem
dicken Ast ein kleines Eichhörnchen, das
ähnlich müde zu sein schien wie ich. Gedanklich freundeten wir uns miteinander
an. Oft beobachte ich das Hörnchen in den
Bäumen, während ich am tollen, weil: großen, schweren Schreibtisch über meinen
Notizen brütete (ordinäre Hotels verzichten bisweilen auf dieses – in manchen Kreisen offenbar entbehrliche – Möbelstück).m
Etwa genau so oft entschärfte ich den Blick
und sah durch die Baumlandschaft hindurch auf das monumentale Bundesverwaltungsgericht. Ein Prachtgebäude, das
schon mehrere politische Systeme überlebt
hat. Wenige Meter daneben: die frisch renovierte Universitätsbibliothek und das
äußerst belebte Geisteswissenschaftliche
Zentrum der Universität. Besonders den
kurzen Weg dorthin mochte ich, quer durch
das Musikviertel, vorbei an alten Villen
und modernen Kunsthochschulen, akustisch begleitet von den Blas- und Streichübungen junger Musikhochschüler.
Die Stärken der Villa Tillmanns sind damit
bereits skizziert. Äußerlich besticht die
Villa durch verwunschene Eleganz, innerlich durch geräumigen Komfort. Ihre Lage
ist zentral, die Nachbarschaft exquisit (neben Gericht und Uni sei auch die US-Botschaft erwähnt, deren die Wächterstraße
passierenden Wächter einem auch nachts
Heft 3/2007
Die Gästehäuser
der Universität
um drei ein Gefühl der kontrollierten Sicherheit geben, den Taxifahrer allerdings
Umwege bescheren).
Das Personal der Villa ist freundlich, was
mir einmal zugute kam, nachdem ich in
einem Leipziger Studentenkeller versackt
war und dennoch mittags noch ein handverlesenes Frühstück aufgetischt bekam.m
Wegen meiner journalistischen und akademischen Tätigkeit komme ich recht viel herum. Allein in der Woche vor Leipzig habe
ich in Hamburg, Göttingen, Braunschweig
und in einem kleinen Kaff an der Nordsee
genächtigt. Nirgendwo, und das ist keine
Schmeichelei, habe ich mich so wohl gefühlt wie hier in dieser fast 110 Jahre alten
Villa, mitten im mitunter durchaus hektischen und bauchaotischen Leipzig. Nirgendwo war ich so zentral logiert und zugleich so idyllisch und abgeschieden. So
kam ich tatsächlich mal wieder in Ruhe
zum Nachdenken – und zum Eichhörnchenbeobachten.
Michael Schlieben
Die Universität Leipzig verfügt über drei
Gästehäuser mit insgesamt 98 möblierten
Zimmern und Wohnungen, die vom Verein
Akademisches Begegnungszentrum Leipzig e.V. bewirtschaftet werden. Die Häuser
sollen Gästen der Universität und der Leipziger Max-Planck-Institute aus dem Inund Ausland kurz- oder mittelfristig eine
Herberge in Leipzig bieten, ohne dass sie
sich durch das Dickicht des lokalen Wohnungsmarktes quälen müssen.
Die Villa Tillmanns ist gleichzeitig Tagungs- und Konferenzzentrum der Universität und bietet im Erdgeschoss zwei repräsentative Konferenzräume und ein ausladendes Foyer. In den Obergeschossen
befinden sich 17 Gästezimmer unterschiedlicher Größe.
Die Ritterstraße in Nachbarschaft des Rektorats bietet auf sechs Etagen 58 möblierte
Ein- und Dreiraumwohnungen, von denen
einige kurzfristig vermietet werden, die
Mehrzahl jedoch von Gästen genutzt werden, die mindestens ein Semester bleiben.
Darunter sind zahlreiche ausländische
Gastprofessoren, teilweise mit ihren Familien.
Das neueste und modernste Haus, das die
Alexander von Humboldt-Stiftung innerhalb des Sonderprogramms Gästehäuser
für Universitäten in den neuen Bundesländern erbauen ließ, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Friedenspark
und nennt sich Internationales Begegnungszentrum Werner Heisenberg. Seit
1998 stehen 24 möblierte Wohnungen inklusive Seminar- und Freizeiträume ausländischen Gästen zur Begegnung offen.m
Da die Nachfrage
nach
Zimmern
ungebrochen groß
ist, empfiehlt sich
eine rechtzeitige
Reservierung. r.
www.unileipzig.de/
~abz
Michael Schlieben, geboren 1979, schreibt
regelmäßig für „Die ZEIT“ und ist Lehrbeauftragter der Universität Göttingen.
Jüngst verbrachte er drei Nächte in der
Villa Tillmanns für eine Leipzig-Reportage.
Das Gästehaus
„Villa Tillmanns“.
Foto: J. Woitas
In der April-Ausgabe von „ZEIT Campus“
zeichnet Michael Schlieben sein persönliches Leipzig-Porträt.
Repro: R. Kühn
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UniVersum
Gymnastikhalle
saniert
Die für 1,1 Millionen Euro grundlegend
sanierte Gymnastikhalle der Sportwissenschaftlichen Fakultät kann jetzt wieder genutzt werden. Gymnastinnen führten vor,
was in der in den 1950er Jahren erbauten
Halle jetzt alles möglich ist. „Die Sportwissenschaftliche Fakultät nutzt die Gymnastikhalle bereits seit Ende März diesen
Jahres“, sagte Professor Dr. Jürgen Krug.
„Vorrangig wird die Halle für die studentische Ausbildung im Bereich Rhythmische
Sportgymnastik/Gymnastik/Tanz genutzt.
In den Abendstunden bietet das Zentrum
für Hochschulsport verschiedene Kurse
wie Pilates, Rückenschule, Yoga Modern
Dance und Jazzdance an. Außerdem trainieren junge Nachwuchssportler im Leistungszentrum in dieser Halle.“
B. A./Foto: Jan Woitas
Spitzenforschung fürs Publikum – Buchmessebilanz
Gut 20 sehr gut besuchte Veranstaltungen
zu Schwerpunkten der Forschung und
mehr als 250 Buchveröffentlichungen des
Vorjahres machten die Leipziger Buchmesse zu einer gelungenen Veranstaltung
auch für die Universität. Anders als in Vorlesungen und Seminaren waren die Wissenschaftler vor die Herausforderung gestellt, komplexe Sachverhalte knapp und
verständlich zu erklären. Schulkinder und
Familien blieben stehen, schnappten Sätze
auf, nahmen Platz.
Dabei erschloss sich nicht jedes Thema
dem Laien sofort. Professor Rainer Verch
vom Institut für Theoretische Physik erklärte beispielsweise, dass Zeitmaschinen
durch ungewöhnliche Energieverteilungen
durchaus denkbar und prinzipiell möglich
erscheinen. Die Wahrscheinlichkeit für die
Realisierung dieser Umstände jedoch gering sei. Und er stellte dies nicht nur als
Überlegung vor, er rechnete es vor und gab
dem Publikum einen tiefen Einblick in die
Möglichkeiten und Anwendungsgebiete
von Mathematik in den exakten Naturwissenschaften, einem der Forschungsprofile
der Universität.
Andere Veranstaltungen, wie die Vorstellung der Wirbeltiernetzhaut und ihrer faszinierenden Anpassungsleistungen in der
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Ob schwarze Löcher oder Wirbeltiernetzhaut: Die rund 20 Veranstaltungen der
Buchmesse-Akademie war stets gut besucht.
Foto: Tobias D. Höhn
Evolution durch Professor Andreas Reichenbach, waren greifbarer. Eben weil
die Biologie mit oftmals beeindruckenden Bildern und Filmen farbig darstellen kann, was ein Mathematiker nur mit
einer Reihe von Zahlen zu zeigen imstande
ist. Die Buchmesse-Akademie ist eine Herausforderung für die Vortragenden und
das Publikum.
Anja Landsmann
journal
UniVersum
Weiterer Baustein der
„Allianz“ Chile-Leipzig
IAFSL setzt Lateinamerika-Initiative fort
Von links: Wissenschaftsattaché Dr. Alejandro Ormeño, Rektor Prof. Franz Häuser,
Botschafterin Marigen Hornkohl, Prof. Alfonso de Toro und Konsul Roberto Ruiz.
Das Ibero-Amerikanische Forschungsseminar der Universität Leipzig (IAFSL)
hat die voriges Jahr ins Leben gerufene
Leipziger Lateinamerika-Initiative fortgesetzt, dieses Mal mit dem Schwerpunkt
Chile. Zur Eröffnung der Veranstaltungen
kamen hochrangige Gäste aus Chile wie
Botschafterin Marigen Hornkohl, Konsul
Roberto Ruiz, Vertreter des Deutschen
Akademischen
Austausch
Dienstes
(DAAD), der Leipziger Buchmesse und
Uni-Angehörige in den Alten Senatssaal.
„Ihr Land, Exzellenz, wie im übrigen auch
das unsere, ja ganz Europa, befindet sich
in einem tiefgreifenden Reformprozess“,
sagte Rektor Prof. Dr. Franz Häuser an die
Adresse der chilenischen Botschafterin.
Und weiter: „Was die chilenischen Universitäten betrifft, so ist uns Ihr großes Interesse an den Themen Nachhaltigkeit und
Qualitätssicherung sowie am Bologna-Prozess bekannt.“
Dass Chile zum wiederholten Mal einen
Schwerpunkt an der Alma mater bildet,
zeige auch das Interesse, „uns systematisch
mit ausgewählten Ländern zu befassen,
und somit eine langfristige Zusammenarbeit zu ermöglichen“, schloss Häuser. Auf
den Besuch des damaligen Präsidenten
Lagos (2004) folgten der Besuch der amtierenden Präsidenten Bachelet (2006) und
ein von Prorektor Holländer organisiertes
Heft 3/2007
„immer stärker und tiefer“ werde, „weil wir
gemeinsame Interessen und Ziele teilen“.
Die Anwesenheit von bedeutenden chilenischen Schriftstellern, aber auch Wissenschaftlern aus dem Bereich Biotechnologie
und Städtebau sowie Architektur untermaure dies.
Die Veranstaltungen während der Buchmesse mit Themen wie „Chilenische Universitäten im 21. Jahrhundert“ oder „Kulturelles Erbe/Welterbe Valparaiso“ wurden
in Zusammenarbeit mit der BuchmesseAkademie der Universität Leipzig, der
Botschaft Chiles in Deutschland, dem chilenischen Auswärtigen Amt und dem chilenischen Kultusministerium, dem DAAD,
dem Kuratorium Haus des Buches e.V., der
Leipziger Buchmesse und dem IberoAmerikanischen Institut PK Berlin durchgeführt und unter anderem von der Vereinigung der Förderer und Freunde der
Universität Leipzig e.V. unterstützt. Ziel
war es, die Beziehungen zu Chile zu intensivieren und mit konkreten Aktivitäten und
Programmen langfristig zu fördern.
Tobias D. Höhn
Energieforum, ermöglicht dank der Initiative von Konsul Ruiz.
Der Direktor des Ibero-Amerikanischen
Forschungsseminars der Universität Leipzig, Prof. Dr. Alfonso de Toro, betonte die
inhaltliche Ausrichtung: „Es ist eine erklärte und inzwischen bekannte bildungspolitische Strategie des IAFSL, das ursprünglich als eine literatur- und kulturwissenschaftliche Einrichtung entstand, die
Lateinamerika-Kompetenz in Leipzig,
eingebettet in einem
transdisziplinären, internationalen
und
hoch vernetzten Rahmen, breit zu fördern
und so mit einem
Kontinent, der oft aus
dem deutschen öffentlichen Interesse
zu
verschwinden
scheint, langfristige
Strategien zu entwickeln.“
Die Botschafterin der
Republik Chile in
Deutschland, Marigen Hornkohl, würdigte die „Allianz“ Die chilenische Botschafterin Marigen Hornkohl war gemeinzwischen ihrer Hei- sam mit weiteren hochrangigen Vertretern ihres Landes Gast
Fotos: Jan Woitas
mat und Leipzig, die der Universität.
9
UniVersum
Die Reform mit Tücken
Die neue Rechtschreibung ist auch im universitären
Alltag angekommen – Studenten verunsichert
Von Dr. Hannelore Poethe, Institut für Germanistik
Kaum ein sprach(wissenschaft)liches Wissenschaftsbetriebes unterschiedliche stellen. Andererseits sind in der wissenThema hat in den letzten rund zehn Jahren Erwartungen erfüllen müssen: nach neuer, schaftlichen Korrespondenz und bei Veröffür so viel Unruhe und kontroverse Diskus- aber eben mitunter auch noch nach alter fentlichungen zum Teil auch noch Vorgaben einzuhalten, die den früheren
sionen gesorgt wie die deutsche Recht- Rechtschreibung.
schreibung und ihre mehrfache Reformie- Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ war Schreibregeln und der Tradition verpflichrung. Zwar sind nach dem Beschluss der bis Ende 2006 die letzte Medienbastion mit tet sind.
Kultusministerkonferenz im März 2006 alter Rechtschreibung. Wer einen Gast- Studierende sind oft unsicher, welche
und dem Inkrafttreten der Regeländerun- beitrag oder Leserbrief verfasste, musste Rechtschreibung von ihnen bei wissengen vor einem halben Jahr hitzige Diskus- zurückdenken und zum Beispiel das tra- schaftlichen Haus- und Examensarbeiten
sionen Ruhe und Gelassenheit gewichen, dierte ß stattss nach kurzem Vokal verwen- erwartet wird. Im Zweifelsfalle ist es ratsam, sich vorher bei der Betreuerin oder
doch Unsicherheiten und Vorbehalte be- den.
herrschen weiterhin den Alltag – auch an Bei den Lehrenden und Studierenden sieht dem Betreuer zu vergewissern. Ungeachtet
das Bild heute weniger einheitlich aus. Die persönlicher Einstellungen und Vorlieben
den Hochschulen.
Im Bereich der öffentlichen Einrichtungen Studierenden, auch die ausländischen, sind sollten Lehrende bei ihrer Entscheidung
bedenken, dass die
gibt es verbindliche
künftige Praxis der
Anweisungen, an die
Studierenden von ihsich die Schreibenden
nen die Beherrzu halten haben, wenn
schung der neuen Resie im institutionellen
geln verlangt. Bei
Rahmen SchriftstüLehramtsstudenten
cke verfassen. Die
versteht sich das von
Mitarbeiter in der hieselbst. Aber auch in
sigen universitären
vielen anderen BereiVerwaltung
haben
chen, wie in den Mesich seit der Einführung der Neuregelung
dien, in der Wirtin zahlreichen interschaft und in der Vernen Fortbildungsverwaltung, wird keine
anstaltungen sowie
„private“
Rechtim
Selbststudium
schreibung praktigründlich mit der
ziert, sondern verneuen Rechtschreinünftigerweise die
bung und den inzwiamtliche Regelung
schen erfolgten Überangewandt. Man erweist also den Stuarbeitungen vertraut
gemacht. War an- Hitzige Diskussionen, verbindliche Anweisungen, große Unsicherheit. Anstatt eines dierenden einen Bärendienst, wenn man
fangs sicher noch öf- Königsweges einigte man sich bei der Rechtschreibreform auf Kompromisse.
Foto: Tobias D. Höhn
sie direkt oder inditer der Griff zu einem
rekt zur Anwendung
aktuellen
Rechtschreibwörterbuch nötig, sind den meisten in der Mehrzahl schon mindestens seit der alten Rechtschreibung auffordert.
inzwischen häufig gebrauchte neue Schrei- 1998, viele schon seit 1996, im Deutschun- Es soll nicht verschwiegen werden, dass
bungen wie dass, nummerieren, Justizia- terricht mit der Neuregelung vertraut auch nach der letzten Überarbeitung keine
riat, potenziell, im Voraus, im Allgemeinen, gemacht worden. Wer dagegen in seiner Rechtschreibung vorliegt, die allen Erwarim Wesentlichen, des Weiteren, das Fol- Schulzeit die „alte“ Rechtschreibung er- tungen und Wünschen gerecht wird. Die
gende, 14-täglich, und Ähnliches/u. Ä. lernt und darin mehr oder weniger große Reformkommission hatte frühzeitig darauf
schon in Fleisch und Blut übergegangen. Sicherheit erlangt hatte, musste umlernen aufmerksam gemacht, dass es keinen „KöVerunsicherung entsteht besonders dann, und bisher normgerechte Schreibungen nigsweg“ geben könne und mitunter Komwenn die Schreibenden in der Praxis des und gewohnte Schriftbilder nun in Frage promisse nötig seien. Die Entscheidung, in
10
journal
UniVersum
bestimmten Fällen die allzu strikte und oft
nicht nachvollziehbare Neuregelung nochmals zu überarbeiten und Schreibvarianten
zuzulassen, wie es vor allem im Bereich
der Getrennt- und Zusammenschreibung
geschehen ist, erfordert auch ein Umdenken in Bezug auf Schreibnormen. Man
muss sich stärker daran gewöhnen, dass
mehr als eine Schreibung „richtig“ sein
kann. Und die Schreibung, die man selbst
kennt und verwendet, kann nicht immer als
alleiniger Maßstab gelten. Die Überarbeitung der Regeln hat immerhin in der
24. Auflage des Dudens zu knapp 3000
Schreibvarianten geführt. Eine „kompetente Unsicherheit“, die zum Nachschlagen
in einem Rechtschreibwörterbuch veranlasst, kann also nicht schaden und ist auch
kein Zeichen von Schwäche. Wer viel und
professionell zu schreiben hat, weiß am
besten um die Probleme und Fehlerquellen.
Kommunikee wird wie
andere Eindeutschungen auch
nur sparsam gebraucht
Welche der heute zulässigen Schreibvarianten sich durchsetzen, wird sich in der
weiteren Schreibpraxis erweisen. So deutet
sich zum Beispiel heute schon an, dass
wohl die Schreibung graf(ie) in allen entsprechenden Wörtern vorgezogen wird
(Biografie, Geografie, Orthografie usw.),
dass aber ansonsten von eindeutschenden
Schreibungen relativ sparsam Gebrauch
gemacht wird (zum Beispiel wird wohl
eher Kommuniqué als Kommunikee geschrieben). Zusammenschreibung wird
sicher wieder stärker genutzt, um Bedeutungsverschmelzungen und Bedeutungsunterschiede zu verdeutlichen, wie bei
sitzenbleiben, blutstillend, fleischfressend,
alleinerziehend, frischgebacken(es Ehepaar).
Es ist auch anzunehmen, dass das Komma
wieder stärker zur übersichtlichen Satzgliederung eingesetzt wird. Die Empfehlung einer Vorzugsvariante, die der aktuelle
Rechtschreibduden bei Schreibvarianten
neuerdings gibt (die Wahrig-Rechtschreibung enthält sich einer Empfehlung), wird
nicht ohne Einfluss auf die Schreibpraxis
sein. Letztlich entscheiden aber die Schreibenden über die weitere Entwicklung im
Rahmen der geltenden Regeln.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird
auch künftig die Sprachpraxis aufmerksam
beobachten und das orthografische RegelHeft 3/2007
werk im notwendigen Umfang weiterentwickeln.m
Abschließend noch einige Bemerkungen
zum Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen. Im Zeitalter des Computers vertrauen viele auch beim Schreiben auf die
Technik. Bei der Textverarbeitung können
Rechtschreibkontrollprogramme zwar eine
Hilfe sein und auf Schreibfehler aufmerksam machen, die eigene Kompetenz können sie allerdings nicht ersetzen.
Computerprogramme zur
Rechtschreibprüfung können
die eigene Kompetenz nur
unzureichend ersetzen
Auch richtige Schreibungen werden von
der Rechtschreibkontrolle beanstandet,
wenn das betreffende Wort nicht im internen Wörterverzeichnis enthalten ist. Falsche Schreibungen wie fehlerhafte Getrenntschreibungen oder Verstöße gegen
die Groß- und Kleinschreibung erkennt das
Programm nicht, wenn jedes Wort für sich
eine mögliche richtige Schreibung darstellt: glücklicher Weise, Schall intensiv,
Computer gestützt, Dank der guten Vorbereitung. Verwechslungen formähnlicher
Wörter wie Referenz/Reverenz (wie heute
häufig zu beobachten) oder die Falschschreibung lautlich identischer Wörter
(Fond/Fonds, Stil/Stiel, Seite/Saite, wider/wieder) kann das Programm nicht verhindern.
Verwechslungen der Konjunktion dass und
des Relativpronomens das bei der Nebensatzeinleitung lässt die Rechtschreibkontrolle durchgehen. Und die Kommasetzung
entzieht sich ohnehin der Kontrolle durch
ein solches Programm.
Im E-Mail-Verkehr trifft man, wie auch in
der Chat-Kommunikation üblich, häufig
auf durchgehende Kleinschreibung. Das
entspricht zwar nicht den amtlichen Normen, kann aber als bewusste Abweichung
akzeptiert werden. Das hängt von der jeweiligen kommunikativen Situation und
den Beziehungen zwischen den Kommunizierenden ab. In offiziellen oder halboffiziellen Mails sollte man sich an den gleichen Schreib- und Gestaltungsnormen
orientieren, die auch für den offiziellen
oder halboffiziellen Brief gelten.
www.uni-leipzig.de/~germ
www.rechtschreibrat.com
www.ids-mannheim.de
Historie und
Beispiele für
Neuregelungen
Im Jahre 1996 hatten Vertreter Deutschlands, Österreichs und der Schweiz unter
Beteiligung Liechtensteins sowie einiger
Länder, in denen Deutsch Minderheitensprache ist, eine gemeinsame „Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ unterzeichnet.
Am 1. August 1998 war die Neuregelung
in Kraft getreten und hatte das bis dahin
geltende amtliche Regelwerk von 1901
ersetzt. Als Übergangszeit, in der die
Schreibung und Zeichensetzung nach
den alten Regeln als überholt, aber nicht
als falsch gelten sollte, waren sieben
Jahre angesetzt worden.
Anhaltende Kritik hatte dazu geführt,
dass noch vor Ablauf der Übergangsfrist
der Rat für deutsche Rechtschreibung
eingerichtet und damit beauftragt wurde,
sich noch einmal mit den strittigsten Fragen der Neuregelung zu befassen. Nach
intensiver und konstruktiver Arbeit hat
der Rechtschreibrat im Februar 2006
eine Überarbeitung des Regelwerkes
vorgelegt, die vor allem bei der Getrenntund Zusammenschreibung, der Großund Kleinschreibung, der Zeichensetzung und der Worttrennung am Zeilenende Modifikationen vorsah. Wie vor
1996 gilt nun wieder die Zusammenschreibung bei übertragener Bedeutung
(klarmachen im Sinn von verdeutlichen,
schwerfallen im Sinn von Mühe verursachen). In bestimmten Fällen bleibt es
dem Schreibenden überlassen, ob eine
Verbindung als Wortgruppe getrennt
oder als ein Wort zusammengeschrieben
wird (allein erziehend/alleinerziehend,
allgemein bildend/allgemeinbildend).
Adjektive, die mit dem folgenden Substantiv einen Gesamtbegriff bilden, können, wenn es dem Schreibgebrauch entspricht, auch großgeschrieben werden
(Kleine Anfrage, Öffentlicher Dienst).
Einzelvokale am Wortanfang oder am
Wortende werden nicht mehr abgetrennt.
Nicht verbindlich ist die amtliche Regelung weiterhin für den privaten Schreibgebrauch. Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen, die Medien und Verlage haben sich in den letzten Jahren
weitgehend der Neuregelung angeschlossen.
Dr. Hannelore Poethe
11
Gremien
Sondersitzung
des Senats am
3. April
1. Der Senat stimmte in geheimer Abstimmung zu, den Antrag für das Exzellenzcluster Felix Klein Center for Mathematical Siences and their Application im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes
und der Länder einzureichen. Der Antrag
hat die mathematische Forschung in den
exakten Naturwissenschaften zum Gegenstand. Beteiligt sind Wissenschaftler aus
der Mathematik, der Theoretischen Physik
und der Informatik.
2. Der Senat stimmte in geheimer Abstimmung zu, dass der Antrag für die Graduiertenschule Leipzig School of Natural Sciences – Building with Molecules and
Nano-objects (BuildMoNa) im Rahmen
der Exzellenzinitiative des Bundes und der
Länder eingereicht wird. Die Graduiertenschule konzentriert sich im Rahmen der
Research Academy Leipzig zur strukturierten Doktorandenausbildung auf die interdisziplinäre Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern auf der Basis fachübergreifender Forschung. Beteiligt sind
Wissenschaftler aus der Chemie, den Biowissenschaften, Experimentellen Physik,
und der angewandten Mathematik.
3. Der Senat erörterte die Novellierung
des Sächsischen Hochschulgesetzes.
Prof. Dr. Franz Häuser Dr. Bärbel Adams
Rektor
Pressereferentin
Sitzung des Senats am 17. April
1. Der Senat stimmte in geheimer Abstimmung dem Antrag auf Verleihung des Titels
„außerplanmäßiger Professor“ zu für PD
Dr. Matthias Middell, Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, sowie Dr.
Kerstin Popp, Erziehungswissenschaftliche Fakultät.
2. Der Senat befürwortete in geheimer Abstimmung die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Theologische Fakultät an
den Pfarrer i.R. Ralf Thomas.
3. Der Senat beschloss die Ordnung des
Zentrums für Internationale Wirtschaftsbeziehungen.
4. Prof. Günther Wartenberg berichtete
dem Senat über die Arbeit der Senatskommission zur Erforschung der Universitätsgeschichte im Zusammenhang mit dem
Universitätsjubiläum 2009.
5. Der Senat erörterte die Novellierung
des Sächsischen Hochschulgesetzes und
verständigt sich auf die Einsetzung einer
Arbeitsgruppe.
6. Der Senat beschloss die Immatrikulation
in den Masterstudiengang Geschichte und
Theologie des Christentums im Studienjahr 2007/2008 auszusetzen.
7. In geheimer Abstimmung wählte der
Senat Dr. Michael Beyer, Theologische
Fakultät, als Beauftragten für Studenten
mit Behinderung.
8. Der Senat bestellte Prof. Pirmin Stekeler-Weithofer, Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie zum ständigen
Gast der Senatskommission Lehre/Studium/Prüfungen.
9. Der Senat bestätigte den Vorschlag für
Zulassungszahlen und Zulassungsbeschränkungen für das Akademische Jahr
2007/2008.
10. Der Senat beschloss die folgenden Studiendokumente:
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften: Änderungssatzung
zur Studienordnung für den Masterstudiengang Klassische Antike, Geschichte und
Literatur; Eignungsfeststellungsordnung
für den Masterstudiengang Konferenz-
12
dolmetschen Arabisch; Änderungssatzung
zur Studienordnung für den Masterstudiengang Kunstpädagogik; Eignungsfeststellungsordnung für diesen Studiengang.
Philologische Fakultät: Änderungssatzung
zur Studienordnung für den polyvalenten
Bachelorstudiengang mit dem berufsfeldspezifischen Profil Lehramt an Grund-,
Mittel und Förderschulen sowie Höheres
Lehramt an Gymnasien; Kernfach Sorbisch; Änderungssatzungen zur Prüfungsordnung und zur Studienordnung für den
Bachelorstudiengang Sorabistik sowie
Eignungsfeststellungsordnung für diesen
Studiengang; Prüfungsordnung und Studienordnung für den Masterstudiengang
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft sowie Eignungsfeststellungsordnung für diesen Studiengang; Prüfungsordnung und Studienordnung für den
Masterstudiengang Amerikastudien sowie
Eignungsfeststellungsordnung für diesen
Studiengang.
Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie: Eignungsfeststellungsordnungen
für die Masterstudiengänge Communication Management, Journalistik, Hörfunk,
Logik.
Wirtschaftswissenschaftliche
Fakultät:
Eignungsfeststellungsordnung für den
Masterstudiengang Urban Management.
Sportwissenschaftliche Fakultät: Änderungssatzungen zur Prüfungsordnung und
zur Studienordnung für den Bachelorstudiengang Sportmanagement.
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie
und Psychologie: Änderungssatzungen zur
Studienordnung und Eignungsfeststellungsordnungen für die Masterstudiengänge Biologie und Biochemie.
Fakultät für Physik und Geowissenschaften: Prüfung- und Studienordnung sowie
Eignungsfeststellungsordnung für den
Masterstudiengang Geowissenschaften:
Umweltdynamik und Georisiken.
11. Der Senat erörterte den Sachstand der
Einführung der Software HIS-LSF.
Prof. Dr. Franz Häuser Dr. Bärbel Adams
Rektor
Pressereferentin
journal
Jubiläum 2009
Höhepunkte des
Jubiläumsjahres
Tradition und Zukunft
bestimmen 2009
Die Planungen für die Jubiläumsfeierlichkeiten werden konkret: Von Mai bis September 2009 will die Hochschule mit zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen
und Projekten auf sich aufmerksam machen. Diese Zeitspanne wurde in Anlehnung an die Gründung der Universität im
Jahr 1409 gewählt, die sich vom Auszug
deutscher Studenten und Professoren aus
der Prager Karls-Universität im Mai bis zur
feierlichen Eröffnung der Universität am
2. Dezember 1409 vollzogen hatte. Auf
diesem Fundament der großen wissenschaftlichen und bildungsgeschichtlichen
Tradition der Leipziger Hochschule wird
das Jubiläumsprogramm einen umfassenden Blick auf die Universität als gleichermaßen weltoffene und zukunftsorientierte
Einrichtung für Forschung und Lehre gewähren.
Die Höhepunkte des Jahres im Überblick:
Eröffnung: Nur eine Universität kann für
sich in Anspruch nehmen, dass Johann
Sebastian Bach für sie Auftragsmusiken
geschrieben hat – die Universität Leipzig.
Im Rahmen eines Eröffnungskonzertes am
9. Mai 2009 werden unter anderem die als
„Festmusiken zu Leipziger Universitätsfeiern“ gesammelten Werke des ehemaligen Thomaskantors aufgeführt und so die
enge Verbindung des großen Musikers zur
Universität hervorgehoben.
Jubiläumsausstellung „Erleuchtung der
Welt“: Die zentrale Bedeutung, die man
der Wissenschaft und der Bildung heute
zumisst, geht auf die Epoche der Aufklärung zurück. In keinem Zeitraum war Mitteldeutschland und Sachsen in diesem
Bereich auch international wichtiger als
damals. Mit der Jubiläumsausstellung „Erleuchtung der Welt“ wird diese Epoche ins
Blickfeld gerückt. Die zusammen mit der
Sächsischen Akademie der Wissenschaften
und der Stadt Leipzig konzipierte Schau
wird von Mai bis Dezember 2009 im Alten
Rathaus zu besichtigen sein.
Heft 3/2007
Vernetzung: In einer gegenwartsbezogenen und zukunftsorientierten Perspektive
wird die Uni als Forum des Wissenschaftsstandortes und als kommunaler Standortfaktor mit Blick auf den innerstädtischen
Campus im Sommer 2009 durch Stadtfest,
Bachfest, Internationale Studentische Woche und Hochschulsport-Europameisterschaften präsentiert.
20 Jahre Friedliche Revolution: Die
„Friedliche Revolution“ jährt sich 2009
zum 20. Mal. Außerhalb Leipzigs findet
sich in Deutschland kein Ort, der so authentisch für dieses Ereignis steht. Das
Jubiläumsjahr 2009 beschäftigt sich daher
in zahlreichen wissenschaftlichen Projekten mit 1989.
Festwoche: Mit einer Festwoche vom
30. November bis zum 5. Dezember 2009
enden die Feierlichkeiten zum 600-jährigen Jubiläum der Universität Leipzig. Am
2. Dezember 2009 soll der Festakt im Paulinum am neuen Campus Augustusplatz
stattfinden. Erwartet werden hochrangige
Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft des In- und Auslandes. Am Abend wird ein Universitätsball
stattfinden.
Neben den Universitätsmusiktagen und
den Kongressen „Was ist Kritik heute?“
und „Ökonomisierung des Wissens“ ist anlässlich des Jubiläums auch die Vorstellung
der Bände zur Universitätsgeschichte und
die Überreichung einer Sonderbriefmarke
sowie einer Jubiläumsmünze geplant.
Zusätzlich zu diesen Programmhöhepunkten werden sich die Fakultäten und Einrichtungen der Universität Leipzig im Jahr
2009 mit Fachtagungen, Ausstellungen,
kulturellen Veranstaltungen, Ringvorlesungen und vielem mehr einbringen und so
die Vielfalt der Volluniversität präsentieren.
Das Jubiläum wird unter dem bewährten
Motiv „Aus Tradition Grenzen überschreiten“ stehen.
Birte Fähnrich
Uni-Jubiläumsmünze
Wettbewerb für
Münz-Motiv
Die Universität Leipzig bekommt als eine
der wenigen Hochschulen Deutschlands
eine Jubiläumsmünze. Damit würdigt auch
der Bund die Bedeutung der vor 600 Jahren gegründeten Alma mater Lipsiensis.
Die Entscheidung für das Motiv der 10Euro-Münze steht bisher noch aus. In
einem Wettbewerb werden 30 Künstler ihre
Entwürfe einreichen.
Dabei sind
so-
wohl
historische Motive,
die auf die Entstehungsgeschichte der Universität Leipzig verweisen, als auch aktuelle und zukunftsgewandte Gestaltungen
erwünscht.
Ein Preisgericht unter Beteiligung von
Rektor Prof. Dr. Franz Häuser und Oberbürgermeister Burkhard Jung soll in einem
zweistufigen Verfahren den Sieger und damit das Motiv küren.
Bereits vor zwei Jahren hatte sich die Universität für die Prägung einer Gedenkmünze im Jubiläumsjahr beim Bundesamt
für Finanzen beworben. Angesichts der geringen Zahl der jährlichen Prägungen ist
die Berücksichtigung der Leipziger eine
besondere Ehre, die in den vergangenen
Jahrzehnten nur wenigen Hochschulen anlässlich ihres Jubiläums zuteil geworden
war.
Im Jubiläumsjahr ist darüber hinaus eine
Ausstellung zu Medaillen und Münzen der
Universität Leipzig vorgesehen, in der
auch die eingereichten Vorschläge Berücksichtigung finden sollen.
Birte Fähnrich
Zum 500. Jubiläum der Universität
Leipzig anno 1909 gab es eine ZweiMark-Münze.
Foto: Kustodie
13
Jubiläum 2009
Landschaft, Geschichte,
Kultur, Sprache
Zum Gedenken an Theodor Frings’ Amtsantritt
Von Dr. Marianne Schröder und Prof. Dr. Ulla Fix, Institut für Germanistik
Theodor Frings ist einer der Sprachwissenschaftler, die der Universität Leipzig internationale Anerkennung gebracht haben. Er
hat mit sozialgeschichtlich orientierten
Dialektuntersuchungen, mit seinem Prinzip
kulturgeschichtlicher
Erklärung
sprachhistorischer Entwicklungen, mit der
Betrachtung von Interferenzen zwischen
den germanischen Sprachen und deren
Nachbarsprachen und mit sprach- und
sachbetonter
Literaturgeschichtsschreibung – so fasst sein Schüler Rudolf Große
Frings’ Hauptleistungen zusammen – einen
bedeutenden Anteil an der Entwicklung der
nachpositivistischen Sprachwissenschaft
und der Kulturgeschichtsforschung im
20. Jahrhundert. Landschaft, Geschichte,
Kultur, Sprache hängen für ihn eng zusammen. Mit seinem sich daraus ergebenden
Konzept der Kulturmorphologie, kann er
als bedeutender Vordenker heutiger kul-
turwissenschaftlicher Ausprägungen der
Sprachwissenschaft gelten.
Von 1917 bis 1927 war Frings Extraordinarius und Ordinarius für deutsche Sprache
und Literatur in Bonn. 1927 folgte er einem
Ruf auf den Leipziger Lehrstuhl, den er bis
1957 innehatte. So jähren sich in diesem
Jahr sein Antritt in Leipzig zum 80. und
seine Emeritierung zum 50. Mal. Noch
nach seiner Emeritierung war er kommissarischer Direktor des Instituts für deutsche und germanische Philologie.m
Frings hat nach Kriegsende als gewähltes
Mitglied des Gelehrtenrates und Senator
seinen Einfluss beim Wiederaufbau des
Universitätsbetriebes geltend gemacht,
wozu auch der mühevolle Neubeginn der
im Luftangriff zerstörten germanistischen
Bibliothek gehörte.
Die Arbeit an der Universität verband er
stets mit seinen Verpflichtungen an der
Theodor Frings (1886–1968): In diesem Jahr jähren sich sein Amtsantritt in Leipzig
zum 80. Mal und seine Emeritierung zum 50. Mal.
Foto: Universitätsarchiv
14
Sächsischen Akademie der Wissenschaften
zu Leipzig, deren Präsident er 20 Jahre
lang war.
Obwohl seine frühen Forschungen dem
Rheinland gewidmet waren, fühlte sich
Frings der neuen Heimat Sachsen so eng
verbunden, dass er nach 1945 Rufe nach
München und Bonn ablehnte. Seit 1946
war er auch Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Dort
hat er sich weitreichende Verdienste in der
Wörterbucharbeit erworben, die nicht zuletzt auch deshalb so erfolgreich war, weil
er mit sicherem Gespür Leipziger Nachwuchswissenschaftler in diese Projekte
einband. Unter seiner Leitung wurde 1961
das Grimmsche Wörterbuch nach über
100-jähriger Arbeit abgeschlossen. Er
begleitete die Arbeit an dem von Klappenbach und Steinitz herausgegebenen Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache,
das zum Vorbild für viele gegenwartssprachliche Wörterbücher werden sollte.
An der Sächsischen Akademie begann er
mit Karg-Gasterstädt 1952 die bis heute
fortdauernde Arbeit am Althochdeutschen
Wörterbuch. Nach dem Krieg bewirkte er,
dass die Arbeit am Obersächsischen Wörterbuch (2003 erschienen), dessen Materialkorpus im Bombenangriff 1943 vernichtet worden war, wieder aufgenommen
wurde. Seine Forschung bezog neben den
germanischen Sprachen seit den 1930-er
Jahren die sprachlichen und literarischen
Verflechtungen der „Germania Romana“
mit ein, und nach 1945 beförderte er die
einsetzende Arbeit an germanisch-slawischen Sprachbeziehungen.
Interdisziplinäre Arbeit war für den umsichtigen Wissenschaftsorganisator eine
sich aus sachlicher Notwendigkeit ergebende Selbstverständlichkeit. Von Anfang
an legte er auch großen Wert auf echte wissenschaftliche Gemeinsamkeit und übertrug in seinen Projekten den Mitarbeitern
hohe Verantwortung. Das beweisen die
journal
Jubiläum 2009
Herausgabe der von Wilhelm Braune und
Hermann Paul begründeten „Beiträge zur
Geschichte der deutschen Sprache und
Literatur“. An einer Stelle aus dem unveröffentlichten Briefwechsel zwischen Theodor Frings und seinem ehemaligen Schüler,
dem Gymnasiallehrer und Namenforscher
Henning Kaufmann, wird das Bedürfnis
nach gemeinsamer Arbeit besonders deutlich. Frings schreibt am 18. September
1961 an Kaufmann: „Ich möchte, Sie wären alle 14 Tage Donnerstags bei uns und
könnten in dem Kreis von ausgewählten
Doktoranden, Assistenten, jungen Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern
sitzen, etwa 30 an der Zahl, wo alle neueren Fragen, auch die der Ortsnamen verhandelt werden […] Gemeinschaftliche
Forschungsarbeit ist bei uns segensreich
gewachsen.“
Frings’ Vorlesungsspektrum war Spiegel
seiner wissenschaftlichen Forschungen. Es
umfasste sowohl die Lehrveranstaltungen
zur Sprachgeschichte und zum Sprachatlas
als auch die zur mittelalterlichen Literatur
mit Heldendichtung, Spielmannsepen,
Troubadourlyrik und deutschem Minnesang. Vorlesungen zu Wortbildung und
Syntax waren fester Bestandteil der Lehrangebote. Den Studierenden vermittelte er
über die Lehrinhalte hinaus selbst vorgelebte Ansprüche an wissenschaftliches
Arbeiten, was in dem mündlich überlieferten Zitat zum Ausdruck kommt: „Bei uns
gibt es kein usw., udgl.! Was wir wissen,
sagen wir auch komplett.“
Seine Leistungen haben hohe Anerkennungen gefunden: Die Universitäten Amsterdam, Gent und Leipzig verliehen ihm die
Ehrendoktorwürde; die DDR-Regierung
ehrte ihn mit Nationalpreisen und dem
Vaterländischen Verdienstorden. Er war
Mitglied in etwa 15 Akademien und anderen gelehrten Gesellschaften.
Frings’ moralischer Anspruch zeigt sich
darin, dass er das Amt des Sekretars der
philologisch-historischen Klasse, das er
seit 1932 innehatte, wegen der Forderung
nach Ausschluss jüdischer Mitglieder niederlegte. Frings war es auch, der – zusammen mit Franz Dornseiff als dem derzeitigen amtierenden Dekan – 1953 dafür
sorgte, dass sein Schüler Peter v. Polenz das
in Leipzig erworbene Doktordiplom, das
ihm nach seiner „Ausreise“ in die Bundesrepublik vorenthalten werden sollte, in
Marburg in Empfang nehmen konnte, dank
„loyalen akademischen Widerstands“, wie
von Polenz es formuliert, und trotz staatlicher Willkür.
Heft 3/2007
Gesichter
der Uni
Ewald Flügel (1863 –1914)
Foto: Universitätsarchiv
Die Reihe „Gesichter der Uni“ erscheint
seit April 2004 im Uni-Journal.
In ihr sollen neben den berühmten „großen Köpfen“ der Alma mater auch weniger bekannte Universitätsangehörige
vorgestellt werden. Dunkle Kapitel
der 600-jährigen Universitätsgeschichte
bleiben dabei nicht ausgespart. Betreut
wird die Rubrik von der Kommission zur
Erforschung der Leipziger Universitätsund Wissenschaftsgeschichte. Anregungen und Manuskripte (mit Bildvorschlägen) richten Sie bitte an:
[email protected]
Auf einen Blick finden Sie die
„Gesichter“ im Internet unter
www.uni-leipzig.de/journal/
gesichter
Ewald Flügel wurde 1863 als Sohn einer
anglophilen Gelehrtenfamilie in Leipzig
geboren. Sein Großvater Johann Gottfried
Flügel (1788 –1855) war Lector publicus
des Englischen an der Universität Leipzig
gewesen. Hier begann er die Arbeit an
einem deutsch-englischen Wörterbuch und
war auch als amerikanischer Konsul tätig.
Beide Aufgaben führte sein Sohn Karl
Alfred Felix Flügel (1820 –1904) erfolgreich fort. Er war mit der Amerikanerin
Pauline Mencke, einer Urenkelin des Leipziger Historikers Johann Burchard Mencke, verheiratet. Schon als Kind kam
Ewald Flügel also intensiv mit amerikanischem Englisch in Berührung. Das relativ
neue Universitätsfach Anglistik studierte
er in Freiburg und Leipzig, wo er 1881 bei
dem hiesigen Lehrstuhlbegründer Richard
Wülker (1845 –1910) promoviert wurde.
Als einflussreicher Vertreter des wachsenden Fachs konnte dieser seinen Schülern
nicht nur an deutschen Universitäten gute
Karrierechancen bieten.
Nach seiner Habilitation 1888 lehrte Flügel noch vier Jahre neben Wülker als Privatdozent in Leipzig, gab die erste Fachzeitschrift „Anglia“ heraus und forschte
vor allem zur mittelenglischen Lexikologie. Im Umfeld der Junggrammatiker, deren Methoden später oft als rein positivistisch verspottet wurden, reifte Flügel zu
einem der führenden anglistischen Sprachhistoriker.
1892 nahm er einen Ruf an die neugegründete Stanford University in Kalifornien an.
23 Jahre lang prägte er die dortige Anglistik, deren Vertretung an amerikanischen
Universitäten häufiger deutschen oder in
Deutschland studierten Fachvertretern
überlassen war. Diese galten gerade in der
Philologie als führend, kritisierten – wie
Flügel – jedoch auch nicht selten die pragmatische Ausrichtung des amerikanischen
Studiums und das Leistungsvermögen der
Studenten. Deutschland blieb Flügel durch
mehrere Reisen verbunden, zuletzt 1909,
als er als Vertreter Stanfords zu den Feierlichkeiten des 500. Jubiläums der Universität Leipzig entsandt worden war.
Trotz aller Lehr- und Forschungserfolge in
den Vereinigten Staaten hätten aber „weder
der südlich-blaue Himmel […] noch die
kokette Palme dem guten Deutschen die
Heimat“ ersetzen können, so ein wohlwollender Nachruf seines ebenfalls deutschstämmigen Kollegen Friedrich A. Wyneken
auf den am 9. November 1914 in Palo Alto
Verstorbenen.
Ulf Morgenstern M. A.,
Historisches Seminar
15
Forschung
Karikaturen als Instrument
freidenkerischer Kirchenkritik
Mohammed-Streit und interdisziplinäre Perspektiven
Von Prof. Dr. Klaus Fitschen, Institut für Kirchengeschichte
Nicht erst seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen ist die religiöse Karikatur
ein Anlass für Konflikte. Diese reichen zurück in die Reformationszeit, als die Karikatur ein Mittel der konfessionellen Polemik wurde. Die Verspottung der Kirche
und religiöser Anschauungen hatte also
schon eine innerchristliche Vorgeschichte,
als sich die religiöse Karikatur im 19. Jahrhundert zunehmend selbstständig machte
und zum Instrument kulturkämpferischer,
aber auch freidenkerischer Kirchenkritik
wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg gewann die
religiöse Karikatur eine neue Qualität:
Künstler wie George Grosz nutzten sie, um
die zwielichtige Rolle der Kirchen im
Krieg anzuprangern. Vor allem mit seinem
Bild „Christus mit der Gasmaske“ aus dem
Jahre 1928 wurde Grosz ebenso prominent
Die Arbeitsgruppe
„Toleranz als Ordnungsprinzip“
Vor rund einem Jahr hatte sich die Arbeitsgruppe „Toleranz als Ordnungsprinzip“ konstituiert. Sie besteht aus der Religionssoziologin Monika Wohlrab-Sahr,
den Juristen Christoph Enders, Michael
Kahlo und Markus Kotzur und dem
Kirchenhistoriker Klaus Fitschen. Am
30./31. März veranstaltete die Arbeitsgruppe eine Tagung zum Thema „Religions- und Kirchenkritik in Kunst und
Karikatur“, um auszuloten, in welche
Richtungen dieses weiterentwickelt werden kann. Zur Sprache kamen dabei folgende Hauptaspekte: Die Karikatur in
der Geschichte des Christentums, der
Strukturwandel im (straf-)rechtlichen
Schutz religiösen Empfindens, Kunstund Religionsfreiheit in der Perspektive
des universellen Menschenrechtsschutzes, die Dynamik gesellschaftlicher
Konflikte im Spannungsfeld von Kunst
und Religion.
Klaus Fitschen
16
wie umstritten. In der weltanschaulich aufgeladenen
Atmosphäre der Weimarer
Republik sah sich Grosz
dem Vorwurf der Gotteslästerung und Kirchenbeschimpfung laut § 166 des
Reichsstrafgesetzbuches
ausgesetzt.
Schon die Versuche, Grosz
und seine Bildunterschrift
„Maul halten und weiter
dienen“ zu verstehen, zeigten, wie wenig handhabbar
der auf die Verletzung des
religiösen Gefühls bezogene Vorwurf der Gotteslästerung war. Auch liberale protestantische Kreise
rieten davon ab, sich auf
derart vage Kategorien einzulassen. Dass das Strafgesetzbuch (§ 166)
heutzutage die vormalige „Gotteslästerung“ auf die Störung des öffentlichen
Friedens durch die Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen und Gemeinschaften
eingrenzt, macht die Dinge insofern etwas
klarer, als damit religiöse Empfindsamkeiten nicht mehr Gegenstand der Rechtssprechung sind und andererseits die Kunstund Meinungsfreiheit einen erweiterten
Schutzraum erhält.m
Dies alles hat da konkrete Dimensionen gewonnen, wo im Zuge der gesellschaftlichen
Veränderungen der 1960er und 1970er
Jahre – jedenfalls in Westeuropa – die
Karikatur und der Witz als Mittel der
Religions- und Kirchenkritik immer mehr
Verbreitung fanden. Klagen aufgrund des
einschlägigen Paragraphen verliefen meistens zugunsten der Betonung der Meinungsfreiheit im Sande, und allmählich –
so sah es auch der Altmeister Robert
Gernhardt – stellte sich eine Koexistenz
von Religion und Karikatur ein.
Gernhardt und auch andere waren um so
überraschter von den Weiterungen des
Streits um die Mohammed-Karikaturen,
ohne den wahrscheinlich auch die Kontroversen um die Serie „Popetown“ kaum
solches Aufsehen gefunden hätten. Dass
eines der wesentlichen Argumente in beiden Fällen die Verletzung religiöser
Gefühle war und dass von allen Beteiligten
für ihre Position „Toleranz“ eingefordert
wurde, zeigt, dass grundlegende Fragen
immer noch ungeklärt sind.
Diese wären in rechtlicher, soziologischer
und historischer Perspektive zu erschließen. Der frühneuzeitliche Staat versuchte
das Zusammenleben der Konfessionen
durch eine rigide Kontrolle zu garantieren.
Moderne Gesellschaften stellen die individuelle Meinungs- und Religionsfreiheit in
den Mittelpunkt. Zugleich aber zeigen
Konflikte wie der um die MohammedKarikaturen, dass längst nicht mehr einzelne Staaten den Bezugsrahmen solcher
Konflikte bilden und auch nicht allein
Individuen von ihnen betroffen sind. Wie
funktioniert also Toleranz überhaupt und
inwiefern kann sie als Ordnungsprinzip
Akzeptanz finden?
journal
Forschung
Der achte Kontinent
Warum Sibirien bis heute als die Wunder- und
Schatzkammer Russlands gilt
Von Anett Christine Oelschlägel, Institut für Ethnologie
Auf der Suche nach Edelpelzen, dem so
genannten „weichen Gold“ Sibiriens, verbündete sich im Jahr 1581 die Kaufherrenfamilie Stroganow mit einer Gruppe geächteter Kosaken unter der Führung des Ataman Jermak Timofejew.
Zunächst unter Duldung und später im persönlichen Interesse des Zaren Iwan des
Schrecklichen leiteten beide Parteien eine
Kette von Eroberungszügen ein, die mit
dem ersten Sieg der nur 840 Mann zählenden Kosakenschar über den Tatarenkhan
Kutschum des Khanat Sibir südlich und
östlich des Urals begann. Schon 60 Jahre
später war die Eroberung Sibiriens weitgehend abgeschlossen, als Iwan Moskwitin
mit seinen Truppen im Jahr 1639 Kamtschatka am Pazifischen Ozean erreichte.
Es folgte eine Periode der Erschließung des
neuen Landes, verbunden mit der Gründung von Siedlungen (ostrog) und der Ausbeutung der Bevölkerung mittels eines
jährlichen Pelztributes (jasak). Der Einsatz
von Feuerwaffen führte zur raschen Dezimierung der Pelztierbestände und immer
wieder zu blutigen Unruhen und vergeblichen Aufständen der indigenen Bevölkerung, die gnadenlos und brutal niedergeschlagen wurden.
Die Pioniere der Erforschung
Sibiriens in der Aufklärung
Trotz seiner Rolle als Quelle des Reichtums Russlands, blieben die Gebiete Sibiriens bis auf wenige Reiseberichte aus der
Zeit um Mitte des 16. Jh. bis Anfang des
18. Jh. so fern wie unbekannt und kaum beachtet. Erst Zar Peter I. (1672–1725) und
später Katharina II. (1729–1796) mit ihren
Verbindungen zum aufgeklärten Europa
begannen, die Vorraussetzungen für eine
natur- und geisteswissenschaftliche Erforschung Sibiriens zu schaffen. Dabei nutzte
Zar Peter I. unter anderem seine Kontakte
nach Mitteldeutschland, wie zu August
Heft 3/2007
Hermann Francke (1663 –1727), dem
Gründer des Waisenhauses und der Lehrund Erziehungsanstalten in Halle (Franckesche Stiftungen) sowie zu dem in Leipzig geborenen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), die
nicht nur wertvolle Anregungen gaben sondern auch Personal für eine erfolgreiche
wissenschaftliche Erforschung Sibiriens
empfahlen. In Halle oder Leipzig ausgebildete Wissenschaftler, wie Daniel Gottlieb
Messerschmidt (1685 –1735), Gerhard
Friedrich Müller (1705–1783), Georg Wilhelm Steller (1709–1746) und Peter Simon
Pallas (1741–1811), gehörten zu den Pionieren der Sibirienforschung. Es fanden
mehrere Expeditionen statt, die in Umfang
und Logistik weltweit einmalig erscheinen:
Die Forschungsreise von Messerschmidt
(1719–1727), die erste Beringexpedition
(1725–1730), die Große Nordische oder
zweite Beringexpedition (1733–1743) unter Mitarbeit von Croyère, Gmelin, Müller,
Fischer und Steller sowie die Akademischen Expeditionen (1768–1774) unter der
Leitung von Pallas. Im Verlauf ihrer Forschungsreisen wirkten die Universalgelehrten und ihre zahlreichen Mitarbeiter
auf den Gebieten der Astronomie, Geografie, Kartografie, Medizin, Mineralogie,
Botanik, Zoologie, Geschichte, Archäologie, Völkerkunde und Sprachforschung.m
Die verschiedenen Herrscher und Regierungen Russlands hatten bis in die heutige
Zeit nur wenig Ambitionen, die zahlreichen Schriften der Forscher veröffentlichen zu lassen, was zum einen an der
ausländischen, vor allem deutschen, Beteiligung und zum anderen an der kritischen
Auseinandersetzung mit der Situation der
eroberten Völker lag. Aus diesen Gründen
liegen die Aufzeichnungen der oben genannten Wissenschaftler nur zu einem geringen Teil in gedruckten Fassungen vor
und lagern nahezu unbekannt in den
Archiven Moskaus und Sankt Petersburgs.
Genutzt wurde dagegen das angesammelte
Wissen von Seiten der verschiedensten
russischen Regierungen, vor allem für die
Erschließung und Ausbeutung der wertvollen Rohstoffe dieser Gebiete bis in die heutige Zeit.
Die indigenen Völker
Sibiriens heute
Ein charakteristisches und wohl das einzige übergreifende Kulturmerkmal der indigenen Völker des russischen Nordens,
Sibiriens und des fernen Ostens ist ihre
erstaunliche Anpassungsfähigkeit, zunächst an die extremen klimatischen Bedingungen in dieser Region und später an
die Ein- und Übergriffe der chinesischen,
tatarischen und russischen Imperien sowie
der rohstoffhungrigen Industrie einer globalisierten Welt.
Die einstigen Jäger, Fischer und Sammler
entwickelten wohl als einziger Kulturraum
der Erde – wenn auch nicht flächendeckend
– in Anlehnung an die Hirtennomaden
Zentralasiens die Rentierhaltung. Kombinationen aus Jagd, Fischfang, Rentierhaltung oder Hirtennomadismus wurden nicht
nur zum Charakteristikum sibirischer Kulturen sondern berechtigen auch die dort
lebenden Ethnien nach der russischen Gesetzgebung als so genannte „Traditionelle
Wirtschaftsweisen in den Siedlungsgebieten ihrer Vorfahren“ die Bezeichnung „Indigene Völker“ zu tragen. Die häufig als
„bedroht“ bezeichneten „Zahlenmäßig
Kleinen Indigenen Völker“ (44 Ethnien mit
zusammen etwa 200 000 Personen) dürfen
als zusätzliches Merkmal nicht mehr als
50 000 Angehörige zählen.
Wollen Mitglieder solcher Ethnien ihren
Lebensstil der aktuellen Situation im Lande
anpassen, verlieren sie den Status als Angehörige der „Zahlenmäßig Kleinen Indigenen Völker“, was auch zum Verlust schützender Privilegien führt. Zu diesen besonderen Rechten gehören unter anderem der
17
Forschung
privilegierte Zugang zu natürlichen Ressourcen und die Möglichkeit der Entschädigung für die Förderung von Bodenschätzen in ihren Gebieten. Möchten sie wiederum ihre Wirtschaftsweisen beibehalten,
sehen sie sich mit verschiedensten Problemen konfrontiert. Dazu gehört die wirtschaftsliberale Politik Putins, die seit 2005
Pacht oder Privatisierung von Land, Wald
und Fördergebieten für Rohstoffe und damit eine Art Enteignung der Einheimischen
ermöglicht. Gerade die Förderung von Bodenschätzen, wie des derzeit in den Medien
präsenten Erdöls aus Westsibirien, führen
darüber hinaus zu einer ökologischen Katastrophe, charakterisiert durch vergiftete
Flüsse und Rentierweiden, Zwangsumsiedlung, Arbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch
sowie Ansteigen der Krebsrate und Sinken
des Altersdurchschnittsunter der einheimischen Bevölkerung. Letztere reagieren darauf mehr oder weniger erfolgreich mit der
Gründung von indigenen Organisationen
(zum Beispiel RAIPON) und der Knüpfung
von Kontakten zu internationalen Menschenrechts- und Umweltorganisationen,
die sich für mehr Selbstbestimmung der indigenen Völker auf und für ihr eigenes
Land einsetzen.
Ihre verblüffende Anpassungsfähigkeit sicherte den Völkern des russischen Nordens, Sibiriens und des fernen Ostens bis
ins 21. Jahrhundert hinein ihr Überleben.
Es bleibt diesen zu wünschen, dass sie auch
der neuen Frostperiode globalisierter Rohstoffausbeutung standhalten können.
Anett Christine Oelschlägel ist wissenschaftliche Bearbeiterin des DFG-Projektes „Weltwahrnehmung der Tyva im Süden
Sibiriens“ und Doktorandin am Institut für
Ethnologie sowie assoziiertes Mitglied des
Sibirienzentrums am Max-Planck-Institut
für ethnologische Forschung in Halle.
Eroberung und Erforschung Sibiriens
Vom 4. bis 10. Januar präsentierte das
Institut für Ethnologie in der Villa Tillmanns die Wanderausstellung der Franckeschen Stiftungen zu Halle „Terra incognita Sibirien“ und begleitete sie mit
einem Kolloquium und Filmprogramm
zum Thema „Eroberung und Erforschung Sibiriens“. Die rund 180 Gäste
und die Veranstalter erhielten einen umfassenden Einblick in die bewegte Zeit
der Entdeckung und Erschließung des so
genannten „achten Kontinents“ sowie in
die Folgen für die indigene Bevölkerung
jenes dünn besiedelten Landes bis in die
heutige Zeit. Unser großer Dank gilt
allen Teilnehmern und Referenten, die
ehrenamtlich mit ihrem Beitrag zum Gelingen der Veranstaltungen beigetragen
haben.
Neuer Therapiestandard bei
Lymphknotenkrebs etabliert
Fortschritte bei Diagnostik und Behandlung
Weltweit erkranken immer häufiger Menschen an Lymphknotenkrebs. Die häufigste Unterform davon ist das aggressive
Non-Hodgkin-Lymphom, das jährlich in
Deutschland bei rund 4000 Erwachsenen
diagnostiziert wird. Unbehandelt verläuft
diese Erkrankung in kurzer Zeit tödlich.m
Nachdem in der Vergangenheit eher kleine Fortschritte bei der Behandlung des
Non-Hodgkin-Lymphoms erzielt wurden,
konnte in den letzten drei Jahren ein
Durchbruch in der Therapie dieser bösartigen Lymphknotenerkrankung erreicht werden. Durch eine neue Kombinationstherapie aus Chemotherapie mit einem gentechnisch hergestellten Antikörper konnten die
krankheitsfreie Zeit und das Überleben
deutlich verlängert werden.
Klinische Studien unter Leitung der Deutschen Studiengruppe für Hochmaligne
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Non-Hodgkin-Lymphome (DSHNHL) haben maßgeblich zur weltweiten Einführung
und Etablierung dieses neuen Therapiestandards in beigetragen. Exemplarisch dafür steht die von dem Onkologen Professor
Michael Pfreundschuh (Homburg) und
dem Medizinstatistiker Professor Markus
Löffler (Leipzig) initiierte MInT-Studie, an
der Kliniken aus 18 Ländern beteiligt
waren.
Die MInT-Studie ging der Frage nach, ob
bei Patienten unter 60 Jahren mit einem
günstigen Krankheitsprofil die Kombinationstherapie aus einer CHOP-Chemotherapie und dem Antikörper Rituximab einer
CHOP-Standardchemotherapie überlegen
ist. Die Ergebnisse zeigten eine hochsignifikante Überlegenheit der Kombinationstherapie, die in ihrer Deutlichkeit selbst für
Experten überraschend war. Drei Jahre
nach Therapieende war der Anteil von Patienten ohne nachweisbare Tumorerkrankung von 59 Prozent auf 79 Prozent gestiegen und es lebten statt 84 Prozent noch
93 Prozent der Patienten Die Studie wurde
in Lancet Oncology Ende des vergangenen
Jahres veröffentlicht.
Die von den Professoren Pfreundschuh und
Löffler geleitete Studiengruppe empfiehlt
in Deutschland bei aggressiven B-ZellLyphomen nur noch die Kombinationsbehandlung, die allerdings sehr kostspielig
ist. Angesichts der wesentlichen Verbesserung arbeitet die Studiengruppe nunmehr
daran, durch geschickte Kombinationen
der Arzneimittel die Erfolge weiter zu verbessern.
Ein Schritt auf diesem Weg war das Studientreffen der DSHNHL vom 16. März
2007 in Leipzig.
Robert Stein
journal
UniCentral
Mit einem Lächeln in die
Selbstständigkeit
Ein Jahr SMILE – Eine Zwischenbilanz
Von Dr. Utz Dornberger (JP) und Prof. Dr. Helge Löbler, Selbst Management Initiative Leipzig (SMILE)
Mehr als 1200 Teilnehmer aus fast allen
Fakultäten in nur zwei Semestern und insgesamt drei erste Plätze beim futureSAX
Businessplanwettbewerb zeugen von dem
bisherigen Erfolg des SMILE-Projektes.
SMILE bietet seinen Teilnehmern die
Lernumgebung, die sie in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden, was und wie
sie lernen wollen. Dabei geht es nicht primär um Wissensvermittlung, sondern bei
uns steht die Persönlichkeit jedes Teilnehmers und ihre Entwicklung im Mittelpunkt, diese wollen wir stärken und entwickeln und für ein lebenslanges Lernen
vorbereiten. Dafür bietet SMILE drei Module auf verschiedenen Ebenen an.
Im ersten Modul (Potenziale und Fähigkeiten erkennen) lernen unsere Teilnehmer im
Diskurs mit Praktikern verschiedene berufliche Alternativen kennen, die für ihr jeweiliges Fachgebiet relevant sein können. Dabei steht das Erkennen und Reflektieren
der eigenen Persönlichkeit (Wer bin ich
und was kann ich?) im Mittelpunkt. Ferner
lernen sie erfolgreiche Persönlichkeiten
und deren Wege zum Erfolg kennen. Zu
den Gastrednern zählten hier unter anderem außergewöhnliche Persönlichkeiten
wie Dr. Michael Kölmel, Inhaber der
Kinowelt GmbH und des Zentralstadions
Leipzig, Professor Dr. Yadegar Asisi, Leiter der Ausstellungen im Panometer oder
Professor. Dr. Ibrahim Abouleish, Träger
des Alternativen Nobelpreises 2003.
Im zweiten Modul können Teilnehmer ihre
Potenziale und Fähigkeiten erweitern. In
interdisziplinär zusammengesetzten Lerngemeinschaften werden Schlüsselkompetenzen entwickelt, die im Berufsleben hilfreich und für eine unternehmerische
Selbstständigkeit nützlich sind. Seminare
zu den Themen Projektmanagement, Rhetorik, Leadership oder Kommunikationstechniken wurden aufgrund der hohen
Nachfrage mehrfach angeboten. Die Aussagen „Tolle Veranstaltung, sehr praxisnah,
sehr kompetente Referentin, die ganze Uni
Heft 3/2007
spricht darüber“ zeigen uns, dass die Seminare sehr positiv aufgenommen werden.
Im dritten Modul unseres Angebotes kann
gezielt auf die Karrierewünsche der Studierenden und Mitarbeiter eingegangen
werden. Denn es hat sich gezeigt, dass die
Teilnehmer in dieser Phase recht gut entscheiden können, ob sie unternehmerisch
selbstständig werden wollen oder nicht.
Damit stellt SMILE eine wichtige Vorbereitungsphase gerade für Gründungsinteressierte dar. Teilnehmer mit einer interessanten Geschäftsidee werden bei der Verwirklichung ihrer Idee unterstützt. (z. B.
Augenklinik in Kamerun, innovativer Tabakanbau, Büro für Grafik und Design mit
Angeboten für schlecht erschlossene Zielgruppen, Adventuretours mit Abenteuerreisen in Afrika und Asien, Mediaport mit
neuen Medienpädagogischen Angeboten
und vieles andere mehr).
Gleichzeitig kümmern wir uns auch um
eine Vielzahl freiberuflicher Gründungen
in den Bereichen Kommunikation und
Kunst. „Ihr seid perfekt für uns – das ist genau das was wir brauchen – bei uns muss
sich nahezu jeder selbstständig machen“,
urteilte der Fachschaftsrat ALuTi über unser Gründercoaching für Dolmetscher. Für
Studenten der Hochschule für Grafik und
Buch organisiert SMILE ein ähnliches Unterstützungsangebot beim Schritt in die
künstlerische Selbstständigkeit.
Anerkannte Preise zeigen, dass diese Geschäftsideen auch von anderen als tragfähig angesehen werden. So wurde die
PhaCon GmbH, eine Ausgründung des Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS) der Universität Leipzig in
der ersten und zweiten Stufe des Businessplan-Wettbewerbs von futureSAX jeweils
mit dem ersten Preis der Kategorie Technik
ausgezeichnet. Dass SMILE-Mitarbeiter
bei Gründungsfragen wirklich wissen, wovon sie reden, zeigt, dass sie mit einem
eigenen Projekt beim Businessplan-Wettbewerb von futureSAX in der Kategorie
Service den ersten Preis für das Konzept
der Ausgründung von internationalen Weiterbildungsangeboten zur Förderung und
Professionalisierung von Kleinen und Mittelständischen Unternehmen (KMU) gewinnen konnten.
Trotz aller Erfolge ist die Gründungsdynamik an der Universität Leipzig noch nicht
auf ähnlichem Niveau wie an vergleichbaren Hochschulen in Deutschland. Andere
Universitäten verfügen schon seit einigen
Jahren über Förderprogramme für Existenzgründer und konnten hierfür eine beachtliche Infrastruktur aufbauen. An der
Universität Leipzig existiert mit SMILE
ein solches Angebot erst seit einem Jahr
und in dieser kurzen Zeit lassen sich nicht
die Aktivitäten mehrerer Jahre aufholen, so
dass wir weiter an der Etablierung eines
„Entrepreneurial Spirit“ arbeiten müssen.
Vor allem aus den an der Universität Leipzig stark vertretenen Geistes- und Sozialwissenschaften kommen noch zu wenig
Gründungsprojekte auf der Basis innovativer Geschäftsideen. Wir sehen jedoch gerade in Leipzig im Dienstleistungssektor
sehr gute Chancen mit neuen Konzepten
erfolgreich zu sein. Zur weiteren Förderung des „Entrepreneurial Spirit“ bieten
wir deshalb im Sommer den 1. Leipziger
Ideenwettbewerb für Existenzgründer
(LIFE) an der Universität an, um Studierende und Mitarbeiter der Universität für
die Entwicklung und Umsetzung von innovativen Geschäftsideen zu motivieren.m
SMILE verfügt aktuell über eine gesicherte
Finanzierung bis März 2008. Wir hoffen
jedoch sehr, dass die bisherige finanzielle
Unterstützung durch das SMWA und der
ESF, ohne die SMILE nicht existieren
würde, sowie neue Unterstützer wie das
BMWI im gleichen Umfang weiter unterstützen werden, so dass wir unser Ziel für
2009 – die Etablierung eines Gründerzentrums an der Universität Leipzig verwirklichen können.
www.smile.uni-leipzig.de
19
UniCentral
Die Oma warnte vorm
Schuldenmachen
Absolventen realisieren Unternehmensausgründung
mit chirurgischem Trainingsinstrument ElePhant
„Meine Oma hat mich schon davor gewarnt, mir nicht zu viele Schulden aufzubürden.“ Hendrik Möckel (31) lächelt, als
er die kleine Episode erzählt. Seine Großmutter bezieht dabei auf einen Vorgang, der
noch immer eher die Ausnahme denn die
Regel ist: Der Elektrotechniker Möckel
und sein Kollege Ronny Grunert (28) wagen den Schritt aus der Universität in die
Selbstständigkeit. Am Innovation Center
Computer Assisted Surgery (ICCAS) der
Universität Leipzig entwickelten sie innerhalb von zwei Jahren – mit Unterstützung
der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasenund Ohrenheilkunde – ihr Projekt „Elektronisches Phantom zur Evaluation und
zum chirurgischen Training“, kurz ElePhant.
Das Simulationssystem besteht aus einem
Schädelmodell, das über die USB-Schnittstelle mit dem Computer verbunden wird.
„Der Arzt kann mit dem realen chirurgischen Instrument eine Operation am Schädel zunächst simulieren“, erklärte Grunert.
Drohen so genannte Risikostrukturen wie
Nerven oder Gefäße verletzt zu werden,
wird dies dem Operateur mittels eines
akustischen und visuellen Signals am
Computer angezeigt.
Einen ersten großen Auftritt hatten die
Jungunternehmer auf einer Tagung von
HNO-Fachleuten in Mannheim. „Nach einem Stromausfall hat da plötzlich ein Teil
des Systems nicht mehr richtig funktioniert“, erinnern sie sich an den Schreckmoment. In ihrem Hotelzimmer reparierten
sie das System, verlöteten es neu, haben es
durchgemessen. Das dafür nötige Messgerät hatten sie kurzerhand in einem Baumarkt erstanden. Allen Widrigkeiten zum
Trotz machten sie mit ihrem ElePhanten
Eindruck, konnten das Projekt auch im kanadischen Toronto präsentieren.
Schließlich entschlossen sich Grunert und
Möckel, sich mit dem ElePhanten selbstständig zu machen. Auf einmal hatten sie
sich mit ganz anderen als rein technischen
Fragen zu beschäftigen. Ein Businessplan
Hendrik Möckel und Ronny Grunert machen sich mit dem „Elektronischen Phantom
zur Evaluation und zum chirurgischen Training“, kurz ElePhant, selbstständig.
Foto: Jan Woitas
20
musste aufgestellt, Kontakt mit Finanziers
aufgenommen werden. „Wir hatten es im
Vergleich zu anderen vielleicht etwas
leichter, die Banker von unserer Geschäftsidee zu überzeugen: Wir nahmen einfach
unser Schädelmodell mit und die Leute in
der Bank konnten selbst fräsen“, erzählt
Möckel schmunzelnd. „Ein Bild sagt mehr
als 1000 Worte und ein Objekt mehr als
1 000 Bilder“, ergänzt Physiker Grunert.
Sehr dankbar sind die beiden Erfinder ihren Familien, ohne deren Rückendeckung
sie sich nicht ins Abenteuer Selbstständigkeit stürzen würden. „Unsere Freundinnen
sehen die großen Chancen, die sich dadurch für uns ergeben, und haben auch so
manche Stunde am Abend oder Wochenende klaglos in Kauf genommen, die wir
dem Projekt widmen mussten“, sagt
Grunert.
Für ihr Businessmodell haben die beiden Jungunternehmer kürzlich den mit
3.000 Euro dotierten ersten Platz beim Futuresax-Wettbewerb im Bereich Technologie gewonnen. Nun können die Angehörigen der beiden jungen Unternehmer verfolgen, wie diese sich ihrem Ziel nähern: „In
der Ausbildung wollen wir einen Weg als
Alternative zu Leichenpräparaten ermöglichen, zudem können wir den Chirurgen im
Modell auch Krankheitsbilder zeigen, die
sie beim natürlichen Präparat nicht vorfinden.“ Den Patienten wollen sie damit helfen, dass den Chirurgen vor einer Operation die Möglichkeit gegeben wird, an
einem patientenindividuellen Modell den
Eingriff zunächst zu üben. Denn damit
kann die Gefahr von schwersten Verletzungen auf ein Minimum reduziert werden.
Die nächste große Gelegenheit, internationale Spezialisten auf ihr Projekt aufmerksam zu machen, steht schon vor der Tür: Im
September wird der ElePhant auf einer Tagung im US-amerikanischen Washington
präsentiert – und hoffentlich auch verkauft.
Jörg Aberger
www.iccas.de
journal
UniCentral
„Während des Studiums
Kontakte knüpfen“
Interview mit Prorektor Fach über strategisches
Planen für den gelungenen Berufseinstieg
Naturwissenschaftler haben die besten
Karten auf dem Arbeitsmarkt, während
Geisteswissenschaftler darben und Taxi
fahren. Selbstständigkeit als Alternative
zur drohenden Arbeitslosigkeit? Alles nur
Vorurteile, sagt der Prorektor für Lehre und
Studium und Politikwissenschaftler Professor Dr. Wolfgang Fach im Interview mit
Tobias D. Höhn.
Herr Prof. Fach, ein Patentrezept für einen gelungenen Start ins Berufsleben
gibt es nicht.Welche Empfehlungen aber
geben Sie Studenten und Absolventen?
Am liebsten keine. Wenn es aber denn sein
muss, greift man natürlich auf die ParadeExemplare unter seinen Absolventen zurück. Schaue ich meine Exempel an (darunter immerhin ein paar Staatssekretäre
und Firmenvorstände), dann ergibt sich für
mich ein bestimmtes Muster. Erstens: Der
Einstieg ist ihnen gelungen, weil, nicht obwohl sie sich während ihres Studiums intensiv mit theoretischen Problemen beschäftigt haben. Zweitens: Man sollte das
theoretische Interesse immer mit einem
Problembezug verbinden um herauszufinden, was sich über die Welt da draußen
theoretisch sagen lässt. Drittens: Dieses
Wissen sollte man möglichst früh und häufig mit der Praxis konfrontieren – Lerneffekte entstehen genau da, wo beide nicht
übereinstimmen. Viertens: Praxis heißt zunächst Praktikum, und Praktika sind auch
darum hilfreich, weil sie den späteren
Berufseinstieg erleichtern. Das ist eine
Frage der strategischen Planung. Einige
verdrängen das während des Studiums und
wollen erst einmal nur Studieren. Dagegen
ist überhaupt nichts zu sagen, wenn man
das Risiko bewusst in Kauf nimmt.
Welche Rolle spielen hier Alumni-Vereinigungen?
Die meisten denken dabei nur ans Geld:
Alumni sind Menschen, die aus DankbarHeft 3/2007
keit ihrer alten Uni etwas zukommen lassen, am besten gleich ein paar Millionen.
Für mich sind diese Figuren als „Spinnen“
im Praxis-Netz mindestens genauso interessant. Deswegen müssen derartige Beziehungen in jedem Fall ausgebaut werden,
möglicherweise im Rahmen des geplanten
„Career Center“. Doch ist die Frage der
organisatorischen Anbindung eher zweitrangig. Hauptsache, es passiert etwas. Anderweitige Kontakte zur Berufswelt sollten
darüber aber nicht vernachlässigt werden,
etwa Fortbildungsseminare für Unternehmen oder Verbände.
Hat man mit einem Lebenslauf voller
Praktika bessere Chancen?
Im Prinzip wohl ja, auch wenn man dazu
pauschal wenig sagen kann. Für Journalisten etwa bedeutet „mehr“ sicher „besser“,
in anderen Fällen kommt es stärker darauf
an, dass man vor lauter Praxis die Theorie
nicht vergisst. Universitäten sind schließlich Wissensagenturen und keine Praktikumsbörsen. Noch einmal: Entscheidend
ist die theoriegeleitete Vorbereitung. Wer
etwa in der Verwaltung hospitiert, sollte
vorher Max Weber gelesen haben, sonst ist
sein Praxis-Geschnuppere für die Katz.
Theorie sensibilisiert: Uns fällt auf, dass
im wahren Leben manches falsch läuft,
sprich: anders als theoretisch erwartbar.
diese Differenz ist der Stoff für kluge
Gedanken. Kommen sie, hat sich der Kontakt rentiert, sonst nicht oder bestenfalls
zufällig. Noch etwas: Studiengänge ohne
fest umrissenes Berufsbild sind auf die „Intelligenz aus Differenz“ besonders angewiesen. Wer das beneidenswerte Privileg
und zweifelhafte Vergnügen genießt, einen
Prorektor Prof. Wolfgang Fach: „Studiengänge ohne fest umrissenes Berufsbild sind
auf die ‚Intelligenz aus Differenz’ besonders angewiesen.“
Foto: Jan Woitas
21
UniCentral
exakt berechenbaren Karriereplan vor sich
zu haben, fährt mit Scheuklappen sicher
am besten – manche Studiengänge tun daher gut daran, ihren Klienten wenig Reflexion zuzumuten. Diese verordnete Enthaltsamkeit kommt ja meistens auch ganz
gut an, weil man Semester für Semester ein
Stückchen Fortschritt abhaken kann.
Außerdem brauchen wir uns nichts vorzumachen: Die angeblich so experimentierfreudige Wirtschaft feiert zwar den Typus
des interessanten Quereinsteigers, bekommt aber in 99 von 100 Fällen Angst vor
der eigenen Courage und stellt am Ende
doch wieder Leute „von der Stange“ ein.
Aus ihrer Warte gibt es so etwas wie einen
optimalen Intelligenzgrad: Köpfe sollen
klug genug sein um zu lernen, aber nicht
so klug, dass sie verstehen.
ter dem Ruf leiden, Profitgeier zu sein.
Kant hätte seine wahre Freude gehabt:
zweckfreie „Aufklärung“ als Abbau selbstverschuldeter Unmündigkeit. Aber auch
Nicht- oder Nach-Kantianer mögen einen
Sinn darin finden, das Studium ein bisschen in die Länge zu ziehen. Denn in Zeiten des lebenslangen Lernens kann einer
kaum falsch liegen, der zumindest lange
lernt.
Sollten die Lehrenden ihre Studenten
für die Arbeitswelt trainieren und sie im
Hauptstudium wachrütteln?
Lehrende sollen lehren. Wenn sie das gut
hinkriegen, haben sie ihrem Namen alle
Ehre gemacht und getan, was von ihnen erwartet werden darf. Das heißt nicht, dass es
„
Wo sehen Sie Lücken und
Chancen auf dem Arbeitsmarkt?
Das Ideal vieler Absolventen liegt auf der Hand: ein
guter Job auf dem lokalen
Arbeitsmarkt. Diese Rechnung geht aber in den seltensten Fällen auf. Wer hier
bleiben will, wird eben mit
dem zufrieden sein müssen,
was hier angeboten wird;
wer etwas Besseres sucht,
muss sich bewegen, geographisch und
geistig. Beide Varianten haben ihre Reize,
man sollte sich halt für eine entscheiden.
Lehrende sollen lehren.
Aber auch universitäre
,Wachrüttler‘ muss es auch
geben.
Festanstellungen, zudem unbefristet,
scheinen in Zeiten der „Generation
Praktikum“ zur Ausnahmeerscheinung
zu werden. Stattdessen informieren sich
immer mehr Studenten vor ihrer Abschlussprüfung beim Arbeitsamt über
Förderungen und Hartz IV.
Sicher. Meine Generation wäre bei solchen
Aussichten ziemlich unruhig geworden.
Doch in Zeiten der Ich-AGs scheint sich
das ziemlich schnell zu ändern. Ein Fehlschluss wäre es jedenfalls zu glauben, wer
nicht unterkommt, sei eben ein Opfer oder
gar Versager. Manchmal kalkulieren die
„Selbst-Unternehmer“ ziemlich kühl: Wer
lange studiert, wird zwar auf manches verzichten müssen, hat dafür aber den Spaß,
relativ unbeschwert studieren zu können.m
In der sozialen Hängematte ein kluges
Buch lesen: das gilt zwar als parasitär, doch
stören sich diese Unternehmer in eigener
Sache daran so wenig, wie ihre Gesinnungsgenossen in der freien Wirtschaft un22
“
keine universitären „Wachrüttler“ geben
müsste, also Instanzen, die den Studierenden Möglichkeiten nahe bringen, sich für
ein Leben nach dem Studium zu wappnen.
Initiativen wie SMILE (Selbst Management Initiative Leipzig) oder SEPT (Small
Enterprise Promotion & Training) erfüllen
da eine wichtige Funktion. Wir planen außerdem „Assessment Centers“, die unseren
Leuten spielerisch (wenn man so will) verdeutlichen, welche Einstiegshürden der
berufliche Ernstfall bereit hält.
Und noch etwas: Den ganzen Praxis-Zauber kann sich sparen, wer keine Fremdsprachen lernen und nie im Ausland studieren
will. Dabei könnten dann auch Lehrende
helfen, ohne sich sinnlos verbiegen zu
müssen.
Als IT-Spezialist sind die Erfolgsaussichten einer Selbstständigkeit sicherlich höher als als Philosoph. Was tun?
IT studieren. Oder denken lernen.
Was brau
ein guter
Zwischen einer
Einige Befunde
Von Daniel Markgraf und
Prof. Dr. Helge Löbler,
Lehrstuhl für BWL
Wird man eigentlich zum Unternehmer geboren oder kann man das lernen? Um dieser Frage nachzugehen, hat der Lehrstuhl
für BWL untersucht, warum einige Menschen Unternehmer werden und andere
nicht. Dabei wollten wir herausfinden, ob
diese Faktoren unter anderem durch universitäre Ausbildung beeinflusst werden
können und wenn ja, wie eine optimale
Lernumgebung aussehen kann. Bisherige
Untersuchungen zeigten, dass die Entscheidung, Unternehmer zu werden gar
nicht oder nur schwer direkt durch klassische universitäre Ausbildung beeinflusst
werden kann. Berücksichtigt man allerdings, dass die Entscheidung, Unternehmer zu werden, eine lange „Vorlaufzeit“
hat, dann wird die Gründungsentscheidung
zum Entscheidungsprozess. In diesem
Prozess lassen sich (mindestens) die drei
folgenden Phasen unterscheiden: Die erste
Phase vor der eigentlichen Unternehmensgründung
(Vorgründungsphase),
die
zweite Phase der eigentlichen Gründung
(Gründungsphase) und eine dritte Phase
nach der Gründung (Nachgründungsphase), in der es darum geht, unternehmerisch erfolgreich zu sein.
Schon in der Vorgründungsphase lassen
sich Personen identifizieren, die eine ausgeprägte Bereitschaft zeigen, unternehmerisch tätig zu werden. Sie unterscheiden
sich in verschiedener Hinsicht von denen,
die diese Bereitschaft nicht haben.
Zunächst zeigt sich, dass Personen mit hoher unternehmerischer Bereitschaft einen
so genannten internen „Locus of Control“
haben. Personen mit einem internen Locus
of Control glauben, dass sie selbst ihr Umfeld beeinflussen können, während Personen mit einem „externen Locus of Control“
glauben, dass sie eher von ihrem Umfeld
beeinflusst werden. Personen die glauben,
journal
UniCentral
cht der Mensch, um
Unternehmer zu werden?
Idee und dem Erfolg steht die Tat –
aus der Forschung
sie können allgemein etwas bewegen, stehen einer unternehmerischen Selbstständigkeit aufgeschlossener gegenüber. Auch
im Bereich der Persönlichkeit gibt es deutliche Unterschiede: Personen mit einer
stärkeren unternehmerischen Bereitschaft
gehen auf Andere zu, stehen Neuem aufgeschlossener gegenüber, sind verträglicher,
emotional stabiler und gehen strukturierter
und gewissenhafter an die Arbeit.
Diese Charakteristika einer Person allein
sind jedoch nicht ausreichend für die
eigentliche Gründungsentscheidung. Sie
bilden allerdings eine gute Basis für persönlichen Erfolg, sei es in der beruflichen
Selbstständigkeit oder in einem Anstellungsverhältnis. Den Ausschlag für die
eigentliche Gründungsentscheidung gibt
letztlich die Selbstwahrnehmung einer Person. Ist die Person selbst der Meinung, dass
sie über die Fähigkeiten und Kenntnisse
verfügt, um ein Unternehmen zu gründen,
so wird sie dies tun. Nimmt sie diese Fähigkeiten bei sich nicht wahr, so wird sie
aller Wahrscheinlichkeit nach auch kein
Unternehmen gründen. Dabei spielt es interessanterweise keine Rolle, ob die betreffende Person die bei sich vermuteten Fähigkeiten und Kenntnisse tatsächlich hat
oder nicht.m
In der Nachgründungsphase stellten wir
uns die Frage, was die erfolgreichen von
den weniger erfolgreichen Unternehmern
unterscheidet. Dabei lässt sich der Erfolg
natürlich unterschiedlich definieren. So
wirken beispielsweise eine interne Kontrollüberzeugung (interner Locus of Control) und eine positive Selbstwahrnehmung
sowie eine vorangegangene Branchenerfahrung positiv auf den finanziellen Erfolg. Interessanterweise wirkt eine hohe
soziale Verträglichkeit eher negativ auf den
finanziellen Erfolg. Personen die also auch
Heft 3/2007
einmal ihren Kopf durchsetzen können und
nicht zwangsläufig nur auf Harmonie im
Geschäftsleben bedacht sind, sind mittelfristig finanziell erfolgreicher.
Die nächste Frage, der wir nachgegangen
sind, ist die Frage, ob sich die gefundenen
Faktoren, die in der ersten Phase mit der
unternehmerischen Bereitschaft, in der
zweiten Phase mit der Gründungsentschei-
keit beschäftigten, nahmen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse am Ende der Veranstaltung wesentlich stärker wahr als Personen,
die sich im Rahmen einer klassischen
Lehrveranstaltung mit dem Thema der beruflichen Selbstständigkeit befasst haben.
Die Ergebnisse unserer Untersuchung fasst
unten stehende Abbildung noch einmal
grafisch zusammen.
dung und in der dritten Phase mit dem
unternehmerischen Erfolg einhergehen,
durch bestimmte Lernumgebungen und
Interventionen positiv beeinflussen lassen.
Hierzu haben wir ein neues Lernprogramm
auf konstruktivistischer und sozial konstruktionistischer Basis entwickelt und es
klassischen Lehrmethoden gegenübergestellt. Wir stellten fest, dass klassische
Lehrmethoden wie Vorlesungen, Seminare
oder Übungen in keiner Phase einen wirklich positiven Beitrag leisten konnten. Dagegen zeigte das neu entwickelte Programm die folgenden Wirkungen: Die
stärksten Änderungen fanden wir im Bereich der Offenheit für Neues. Weiterhin
konnten positive Entwicklungen im Bereich der Selbstwahrnehmung nachgewiesen werden. Personen, die sich im Rahmen
der sozial-konstruktionistischen Lernumgebung mit der beruflichen Selbstständig-
Unsere Beiträge zu diesem Thema wurden
national und international so positiv aufgenommen, dass wir nun einen neuen, internationalen Arbeitskreis „Entrepreneurship
Education“ im Rahmen des deutschen
Gründer-Forums (G-Forum) initiiert und
gegründet haben. Ferner wird zur 600-JahrFeier der Universität das deutsche Gründer-Forum in Leipzig tagen.
Schließlich haben wir mit unserem durch
das SMWK, die SAB und den ESF unterstützte SMILE-Programm innerhalb des
letzten Jahres bereits 1200 Teilnehmer fördern können.
Wenn man vielleicht nicht lernen kann,
Unternehmer zu werden, so kann man doch
viele begünstigende Eigenschaften durch
geeignete Lernprogramme fördern und damit insgesamt die unternehmerische Landschaft bereichern und die Eigenständigkeit
vieler unterstützen.
23
UniCentral
Risikobereitschaft,
Innovationsfreude und
Leistungsbereitschaft
Drei Fragen an Staatssekretär Hartmut Schauerte
Herr Schauerte, wie wirkungsvoll sind
Förderinitiativen aus Sicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit?
Gründungsinitiativen
wie SMILE, eine Kooperation zwischen der
Universität und der
Handelshochschule
Leipzig, kommt eine
nicht zu unterschätzende Rolle für die Belebung des Gründungsgeschehens zu. Sie helfen, ein gründungsfreundliches Klima und eine „Kultur der
unternehmerischen Selbstständigkeit“ an
wissenschaftlichen Einrichtungen zu
schaffen. Konkret heißt das, sie sensibilisieren Studierende wie Beschäftigte für die
unternehmerische Selbstständigkeit als berufliche Option, machen Angebote zur
gründungsbezogenen Ausbildung und
Qualifizierung und bieten Rat und Tat,
wenn es um die Verwirklichung innovativer
Geschäftsideen und die wirtschaftliche
Verwertung von Forschungsergebnissen
geht. Aus diesem Grunde fördert die Bundesregierung mit ihrem Programm „Exis-
tenzgründungen aus der Wissenschaft
(EXIST)“ bedarfsorientiert eine Reihe von
Gründungsinitiativen an Hochschulen und
Forschungseinrichtungen.
Wie viele Neugründungen von Hochschulabsolventen gibt es jährlich in
Deutschland?
Nehmen wir nur einmal die rund 18.000
neu gegründeten Unternehmen im so genannten High-Tech-Bereich, also die forschungsintensiven Industrien und die technologieorientierten Dienstleistungsbereiche. Nach Untersuchungen des Zentrums
für Europäische Wirtschaftsforschung
(ZEW) haben sieben von zehn dieser Unternehmen mindestens einen Gründer mit
Hochschulabschluss. Bei jedem zehnten
stammt die Gründungsidee unmittelbar aus
einer vorherigen Tätigkeit an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung. Darüber hinaus schaffen innovative Unternehmensgründungen deutlich mehr Arbeitsplätze als herkömmliche Gründungen.
Die meisten Hochschulabsolventen gründen jedoch nicht unmittelbar nach Abschluss ihres Studiums. Oft sammeln sie
zuvor erste Berufserfahrung, lernen
Märkte und vielleicht auch schon ihre potentiellen Kunden kennen. Beides erhöht
ebenso wie ein fundierter Geschäftsplan
mit einer durchdachten Unternehmensstrategie und konsequent an den Kundenbedürfnissen orientierte Produkte oder
Dienstleistungen die Erfolgschancen neu
gegründeter Unternehmen.
An welchen Klippen scheitern Jungunternehmer?
Ganz besonders wichtig für erfolgreiche
Existenzgründungen sind persönliche Einstellungen wie Risikobereitschaft, Innovationsfreude, Eigeninitiative, Kreativität,
Leistungsbereitschaft und nicht zuletztOptimismus. Darüber hinaus sollten Gründer
im Vorfeld ihrer Existenzgründung größten
Wert auf vorherige Information, Schulung
und Beratung von Experten legen, denn das
Geschäftskonzept muss nicht nur fachlich
entwickelt, sondern in persönlichen Gesprächen mit Haus- und Förderbanken
auch erläutert und verteidigt werden können.
Interview: Caroline Kieke/Foto: BMWI
Tipps und Adressen für angehende Gründer
Neben SMILE bieten unter anderem folgende Ansprechpartner Unterstützung zu
den verschiedenen Fragestellungen von
Gründern:
Beratung und Prüfung des Unternehmenskonzeptes
Hilfestellung bei der Entwicklung eines
Geschäftsmodells und des dazugehörigen
Geschäftsplans bieten in Leipzig das
Unternehmergründerbüro UGB, die Industrie- und Handelskammer zu Leipzig
und die Handwerkskammer Leipzig an.
Diese Institutionen sind neben privaten
24
Unternehmensberatungen auch authorisiert, die Tragfähigkeit des Gründungskonzeptes einzuschätzen – eine Voraussetzung
für Fördermittel wie das Überbrückungsgeld.
www.ugb-leipzig.de
www.leipzig.ihk.de
www.hwk-leipzig.de
Fördermittel für Gründer
Aus der Vielzahl an Fördermitteln unterschiedlicher Institutionen sind folgende
besonders auf Existenzgründer fokussiert:
• ESF-Mikrodarlehen bis zu 20.000 Euro
für den Start in die Selbstständigkeit
www.sab.sachsen.de
www.kommunalentwicklungsachsen.de
• KfW-Mikro-Dalehen bis 25.000 Euro,
KfW-Startgeld bis 50.000 Euro
www.kfw-mittelstandsbank.de
• Überbrückungsgeld für den Start aus der
Arbeitslosigkeit:
Agentur für Arbeit Leipzig
Team akademische Berufe
Georg-Schumann-Straße 171–175
04159 Leipzig
journal
UniCentral
Eigenes Risiko,
eigenes Glück
Die Medienkompetenzvermittler
Seit Oktober vorigen Jahres lebt Marion
Nagel ein anderes Leben. „Eigenes Risiko,
eigenes Glück“ könnte das Credo lauten.
Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Thomas Matsche gründete sie das Unternehmen media:port, wo sie nun ihre Schritte
hinlenkt, die Laptoptasche geübt in der
rechten Hand schwingend.
Herzstück des „Medienhafens“ sind 22
lichtdurchflutete Quadratmeter in einem
hohen Backsteingebäude direkt am Kanal
der Weißen Elster im Leipziger Stadtteil
Schleußig. Im Büro wartet bereits eine
Mitarbeiterin, die noch ein paar letzte Telefonate mit Kunden führt, um dann gemeinsam mit Thomas das Mietauto im Hof
zu beladen. Gleich wollen die drei Jungunternehmer sich auf den Weg nach Zwickau
machen, wo sie künftige Erzieher in Medienkompetenz schulen und „Personalge-
Marion Nagel und Thomas Matsche sind media:port. Gemeinsam wollen sie
Medienkompetenz vermitteln.
Foto: Jan Woitas
Eigenkapital
Um Kredite erhalten zu können, ist ein
Mindestmaß an Eigenkapital notwendig.
Dieses muss nicht vollständig von den
Gründern stammen.
• Der High-Tech Gründerfonds stellt
den Unternehmen bis zu 500.000 Euro
im Rahmen einer ersten Finanzierung
zur Verfügung. Die Mittel werden den
Gründern in einer Kombination aus
Eigenkapital und Nachrangdarlehen angeboten.
www.high-tech-gruenderfonds.de
Heft 3/2007
• Für Leipziger Gründer bietet die Sparkasse Leipzig mit einer eigenen Beteiligungsgesellschaft Eigenkapital an.
www.s-beteiligungen.de
Unternehmensnachfolge
Unternehmensnachfolge als Spezialform
der Existenzgründung ist eine interessante
Option und wird vielfältig unterstützt und
finanziert. Mit über 10 000 Inseraten ist die
Unternehmensbörse „nexxt-change“ bundesweit der größte Marktplatz für Unternehmensnachfolgen:
www.nexxt.org
spräche“ zur Erweiterung des Teams führen möchten, wie Marion augenzwinkernd
ankündigt.
Sie greift nach einem der neu gedruckten
Flyer auf dem großen Schreibtisch, mit
denen sich das Unternehmen vorstellt: Darauf schimmern in sanften Pastelltönen die
Schlagworte „Medienkompetenz“, „Zuhörförderung“ und „Journalismus“. Drei
Säulen, auf denen sich die Firma gründet.
Ihre Geschäftsidee: Kinder, Jugendliche
und Erzieher im Umgang mit modernen
Medien schulen. Beide Jungunternehmer
sind sicher, dass es dafür in einer ständig
wachsenen
Medienkonsumgesellschaft
großen Bedarf gibt.
Das Prinzip „copy & paste“ ist ihnen ein
Dorn im Auge. „Ich habe nichts gegen
wikipedia.de und hausarbeiten.de, aber
Schüler realisieren oftmals nicht, dass sie
solchen Quellen nicht blind vertrauen dürfen“, erklärt Marion ihren medienpädagogischen Ansatz. Thomas beteiligt sich als
Radio-Profi zwar mit an den Lehrprojekten in Leipzig, Zwickau und Dresden,
produziert aber vor allem Beiträge für die
Radiosender MDR INFO, Deutschlandfunk, WDR und textet für RBB-Online. Mit
ihrer Bürowahl sind die Beiden absolut zufrieden. Wie zum Beweis zeigt Marion aus
dem Bürofenster. „Dort, genau gegenüber,
sitzt die Bildungsagentur Leipzig, einer
unserer wichtigsten Partner.“
Dann begrüßt sie einen Mann, kaum älter
als sie selbst, der an der offenen Tür vorbei
geht. „Das ist unser Coach“, sagt sie in
einer Mischung aus Sympathie und aus Ironie angesichts seines jugendlichen Alters.
Der Mann heißt Thomas Lehr, gehört zur
Leipziger Gründungsinitiative SMILE und
bereitete die beiden drei Monate lang in
kontinuierlicher Arbeit auf die Gründung
Räumlichkeiten
In Leipzig gibt es zwei große Gründerzentren mit einem Angebot an unterschiedlich großen und unterschiedlich
ausgestatteten Geschäftsräumen sowie
zentralen Dienstleistungen für die Gründer unter einem Dach:
• das Business & Innovation Centre
Leipzig
www.bic-leipzig.de
• die Bio City Leipzig
www.bio-city-leipzig.de
Uwe Becher
25
UniCentral | Fakultäten und Institute
vor. Bezahlen mussten sie dafür nichts.
„Vor allem hat er uns geholfen, unsere
vielen Ideen zu fokussieren und daraus ein
marktfähiges Produkt zu machen“, erinnert
sich Marion.
Den Schritt in die Selbstständigkeit hat sie
keine Sekunde bereut. „Ich wollte einfach
meine eigenen Ideen umsetzen und hatte
keine Lust mehr darauf zu warten, einen
Arbeitgeber zu finden, bei dem ich mich
verwirklichen kann.“
Viel brauchte media:port nicht für den
Start: Einen Laptop gab es schon, dann
kam noch ein Mietvertrag hinzu und schon
konnte es losgehen. „Die meisten fangen
mit dem an, was sie haben, oder auch erst
mal mit nichts“, bestätigt Uwe Kreil, Referent für Unternehmensgründung bei der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig.m
Für Marion und Thomas ist das jedoch eher
ein leidiges Thema. Nur mit Mühen konnten sie ein Bank für den benötigten Kredit
von 7.500 Euro gewinnen. Dabei kann eine
Hausbank Gründern die Tür zu einem von
rund 700 Fördertöpfen in Deutschland öffnen, doch bereits im Vorstellungsgespräch
trenne sich die Spreu vom Weizen. „Das ist
ein Test“, sagt Kreil, „der Banker will wissen: Sitzt vor mir ein Unternehmer oder
jemand, der nur Geld leihen möchte“.
Doch es geht auch ohne Hausbank: Für
Initiativen während oder nach dem Studium bietet das Mikrodarlehen der Sächsischen Aufbaubank interessante Möglichkeiten, Gründungen in den ersten fünf
Jahren ihres Bestehens zu fördern. Ein weiterer Tipp für Gründer ist die Internetplattform startothek.de. Initiiert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und der ehemaligen Kreditanstalt für
Wiederaufbau KfW, finden sich dort gründungsrelevante Gesetze, Genehmigungen
und Verordnungen, was die oft mühsame
Recherche in Broschüren und Ämtern erleichtern soll.
Doch zum Gründen gehören noch ganz
andere Herausforderungen. „Zu Anfang
willst du am liebsten alles freundschaftlich
regeln, alles ausdiskutieren“, sagt Thomas
Matsche. „Doch das geht nicht.“ Zu seinen
wichtigsten Erfahrungen gehört, dass es in
einem Unternehmen eine klare Aufgabenverteilung geben muss. Dies lehrt nur die
Praxis.m
Inzwischen ist das Trio im Hof versammelt, und einer nach dem anderen verschwindet in dem kleinen Auto. Marion besteht darauf, hinten zu sitzen. „damit ich
noch telefonieren kann“. Caroline Kieke
www.mediaport-leipzig.de
26
Ein Kanadier geht
nach Hause
Veterinärmediziner Ferguson hat
das Image der Leipziger Fakultät
im Ausland aufgewertet
Prof. Dr. James Grant Ferguson übernahm
vor etwa zehn Jahren das Direktorat der
Chirurgischen Tierklinik an der Veterinärmedizinischen Fakultät. Mit Respekt und
Hochachtung haben die Hochschullehrer
der Fakultät den Entschluss des Fachtierarztes für Chirurgie und des Fachtierarztes
für Pferde aufgenommen, in ein anderes
Sprachgebiet zu wechseln und seiner schönen Heimat Kanada für einige Jahre den
Rücken zu kehren.
Der am 10. September 1943 geborene
James Ferguson studierte an den kanadischen Universitäten in Alberta und Saskatchewan sowie am Veterinärkolleg
Ontario Veterinärmedizin, erwarb 1971 das
Diplom für Kleintierchirurgie und promovierte sich 1987 an der Veterinärmedizinischen Universität Wien zum Dr. vet. med.
Nach einer Professur in Saskatchewan entschied er sich schließlich für Leipzig, wo
er Direktor der Chirurgischen Tierklinik
wurde.
In seiner Leipziger Zeit als Hochschullehrer und Direktor der Chirurgischen Tierklinik engagierte er sich für die tiermedizinische Ausbildung und Forschung an
unserer Fakultät. Auf dem schwierigen
Fachgebiet der Chirurgie vermittelte er den
Tiermedizin-Studenten über ein Jahrzehnt
solide Kenntnisse und Fertigkeiten. Seine
Lehrveranstaltungen waren geschätzt und
bei den Studenten beliebt. Das gilt genauso
für seine Aktivitäten in der Fort- und Weiterbildung.
Mit hohem Einsatz kümmerte er sich um
die Entwicklung des wissenschaftlichen
Nachwuchses an seiner Klinik und gab sein
Wissen und seine Erfahrungen an die Assistenten und Mitarbeiter weiter. Die Kollegen schätzen an James Ferguson nicht
nur seine wissenschaftliche Kompetenz,
sondern auch seine Hilfsbereitschaft, Aufrichtigkeit und Kollegialität.
Prof. Dr. James Grant Ferguson kehrt
nach seiner Emeritierung in seine
kanadische Heimat zurück.
Foto: Universitätsarchiv
Seine zahlreichen wissenschaftlichen und
persönlichen internationalen Kontakte,
nicht zuletzt auch als Mitglied des Evaluierungs-Teams der European Association
of Establishments for Veterinary Education
haben das Image der Leipziger Fakultät im
Ausland sehr gefördert. Dazu trugen natürlich auch seine vielfältigen wissenschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Chirurgie wesentlich bei. Auch die Anbahnung
der wissenschaftlichen Kontakte zur Universität in Alberta/Kanada hat die Fakultät
ihm zu verdanken. Inzwischen haben sich
die bilateralen Kontakte zu einer Universitätspartnerschaft ausgeweitet, in die auch
andere Fakultäten einbezogen sind.
Prof. Dr. Karsten Fehlhaber
Dekan der Veterinärmedizinischen
Fakultät
journal
Fakultäten und Institute
Was ist Europa?
Die erweiterte Europäische Union zwischen
Konvergenz und Divergenz
Von Cornelie Kunze und Thomas Lenk, Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen
Jedes europäische Land kann nach den
geltenden Bestimmungen Mitglied der EU
werden, wenn es bestimmte politische und
wirtschaftliche Bedingungen (die so genannten Kopenhagener Kriterien) erfüllt.
Aber was ist Europa? Ein geographischer
Raum? Eine historisch gewachsene Gemeinschaft? Eine Wertegemeinschaft? Und wer definiert Europa? Dass derartige
Fragestellungen, die in der
Gründungsphase der EU
kaum thematisiert wurden, in
den letzten Jahren zunehmend und häufig kontrovers
diskutiert werden, hängt mit dem Wandel
der EU zusammen.
Kulturelle und finanzielle
Integrationspotenziale der EU
sind überfordert
Über mehr als drei Jahrzehnte speiste sich
die Entwicklungsdynamik der EU aus der
Verbindung und wechselseitigen Bestärkung von Integration und Erweiterung. Mit
dem Vollzug der Osterweiterung hat die
Heterogenität der Mitglieder ein solches
Ausmaß erreicht, dass die kulturellen, verwaltungstechnischen und finanziellen Integrationspotenziale der EU überfordert
sind. Die Union befindet sich in einer Erweiterungskrise. Um das übergeordnete
Ziel der Stabilitätssicherung an der Peripherie der EU dennoch weiterzuverfolgen,
wurde das Konzept der Europäischen
Nachbarschaftspolitik entwickelt, das inzwischen sechzehn Länder der EU-Peripherie umfasst. Ähnlich wie bei der Erweiterungspolitik wird den Nachbarn eine
wirtschaftliche und institutionelle Annäherung, verbunden mit wirtschaftlichen Hilfen, angeboten, allerdings ohne die Perspektive des Beitritts.
Eine zentrale Rolle in diesem Konzept
spielt wie schon beim ErweiterungskonHeft 3/2007
zept der Werteexport, dem das Stabilisierungsziel jedoch übergeordnet wird. Die
These, dass der Werteexport der EU im
Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik der
Logik von Interessenkalkülen folgt, kann
empirisch auf verschiedene Weise untermauert werden.
Die Hypothese, dass der Wandel der strategischen Bedeutung eines Landes oder
einer Region stärker handlungsbestimmend ist als deren Werteannäherung, lässt
sich am Positionswechsel der EU gegenüber den Beitrittsbestrebungen der Türkei
verfolgen. Die Türkei signalisierte ihre
europäische Zugehörigkeit erstmals 1959
mit dem Antrag auf assoziierte Mitgliedschaft in der damaligen EWG. Das Assoziierungsabkommen wurde 1964 in Kraft
gesetzt und schrittweise verwirklicht.
Der Weg der Türkei
zum EU-Beitritt
Im Jahr 1987 beantragte die Türkei die
Vollmitgliedschaft in der EG. Zwar wurde
dieser Antrag nach eingehender Prüfung
1990 abgelehnt und das Land auch bei der
Eröffnung des Beitrittsverfahrens für die
Mittel- und Osteuropäischen-Bewerberländer und Zypern im Jahr 1997 wegen der instabilen wirtschaftlichen und politischen
Verhältnisse und wegen Menschenrechtsverletzungen nicht berücksichtigt, doch
wurden ihr im Jahr 2002 Fortschritte bei
der Erfüllung der Beitrittskriterien und
2004 schließlich die Erfüllung der Beitrittskriterien bescheinigt. Daraufhin beschloss der Europäische Rat im Oktober
2005 die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Parallel zur realen Werteannäherung und zum Verhandlungsbeginn mehrten sich jedoch Statements politischer Entscheidungsträger einzelner EU-Länder, die
den Beitrittder Türkei nunmehr grundsätzlich in Frage stellen.
Versteht man die Erweiterungspolitik als politischen Tausch
zwischen Zentrum und Peripherie (Übernahme der Pufferfunktion und der Lasten der
Modernisierung gegen die Perspektive eines späteren EUBeitritts), so leidet die Nachbarschaftspolitik an der Crux, bei ähnlichen Anpassungsforderungen einen deutlich weniger attraktiven Tausch anzubieten.
Die Bereitschaft der Nachbarn dieses Kooperationsangebot annehmen, hängt darum wesentlich von deren eigenen Vorteilsabwägungen wie auch vom Vorhandensein
möglicher Bündnis-Alternativen ab.
Das 20. Leipziger
Weltwirtschaftsseminar
Im Januar fand zum Thema das 20. Leipziger Weltwirtschaftsseminar „Die erweiterte Europäische Union zwischen
Konvergenz und Divergenz“ statt. Die
Beiträge auf der gemeinsam von ZIW
und MOEZ veranstalteten Tagung hielten Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident
a. D., Meinhard Miegel (IWG Bonn),
Marek Mora (Vizeminister für Bildung
der Tschechischen Republik), Józef
Olszyński (Wirtschaftsuniversität Warschau und Botschaft der Republik Polen
in Berlin), Gunther Schnabl (Universität
Leipzig), Rolf Hasse (Fraunhofer
MOEZ), Norbert Wunner (EU-Kommission), Georg Vobruba und Spiridon Paraskewopoulos (Universität Leipzig).
www.uni-leipzig.de/ziw.
27
Fakultäten und Institute | Studiosi
Chemielehrerfortbildung
Neues Zentrum
Aktuelle chemiedidaktische und methodische Konzepte, experimentelle Fortbildungen, neueste Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung im Fach Chemie,
Workshops mit Referenten aus der Industrie, neue Medien wie grafikfähige Taschenrechner und spezielle PC-Software,
Schülervorlesungen für Mittelschüler und
Gymnasiasten, neue Lehrplanthemen – das
steht auf dem Programm des neuen Chemielehrerfortbildungszentrums LeipzigJena, das kürzlich feierlich eröffnet
wurde.m
Angesprochen sind Chemielehrer und
Grundschullehrer aus zirka 3000 Schulen
Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens, aber auch Erzieher von Kindertagesstätten, da bereits dort die naturwissenschaftliche Früherziehung beginnen soll.
„Wir wollen aber auch dem zunehmenden
Interesse der Berufsschulen für das Grundlagenfach Chemie oder die berufliche Ausbildung in Richtung Chemie und Umwelt
entsprechen“, sagt Professor Dr. Rebekka
Heimann, die als Chemiedidaktikerin der
Universität Leipzig die Geschäftsführung
des neuen Zentrums übernommen hat.
„Dieses Angebot richten wir an die rund
500 staatlichen und privaten Berufsschulen
im Einzugsbereich.“
Anliegen des Zentrums ist es auch, Fachberater, Fachleiter beziehungsweise Fachmoderatoren für das Fach Chemie in die
Organisation und Durchführung von Fortbildungen einzubeziehen. Die Fortbildungen finden an den Universitäten Leipzig,
Jena, Halle, der FH Merseburg (Schülerlabor), am KUBUS des Helmholtz-Zentrums
für Umweltforschung Leipzig/Halle und an
Schulen des Einzugsbereiches statt.
Finanziert wird das Zentrum durch die Gesellschaft Deutscher Chemiker, den Fonds
der Chemischen Industrie, die Universitäten Leipzig und Jena sowie weiteren Sponsoren. Das Sächsische Staatsministerium
für Kultus und das Kultusministerium des
Freistaats Thüringen unterstützen das Zentrum mit der Teilabordnung von Lehrkräften. Als Referenten fungieren vor allem
Hochschullehrerinnen und -lehrer der Chemiedidaktik und der Chemie, Experten aus
der Industrie sowie erfahrene Lehrerinnen
und Lehrer. Organisatorisch angebunden
ist das Chemielehrerfortbildungszentrum
an die Professuren für Chemiedidaktik der
Universitäten.
Dr. Bärbel Adams
28
„Vom Laborkittel
zur Chefkrawatte“
Mitteldeutsche Jobbörse
Anfragen zur Möglichkeit von Praktika,
zur Unterstützung bei Diplomarbeiten oder
zur Chance einer Promotion – breit gefächert waren die Themen der 4. Mitteldeutschen Jobbörse für Natur- und Ingenieurwissenschaften Ende April an der Fakultät
für Chemie und Mineralogie. Genau so
hatte es sich Prof. Dr. Martin Schlegel, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, vorgestellt. „Finden Sie
Ihren Traumjob oder bekommen vielleicht
sogar die Idee zu einer Unternehmensgründung“, sagte er an die Adresse der Studenten, die sich kurz darauf an den Ständen der
beteiligten Unternehmen informierten,
Karrierechancen ausloteten und den Firmenpräsentationen folgten.
„Es sind alle Facetten da, von denen, die
nur ganz allgemein mal schauen, bis zu solchen, die schon sehr konkrete Fragen mitbringen“, sagte Karlheinz Deitz, der für
Bayer Leverkusen Auskunft gab. Von ihm
wollte unter anderem Chemiestudent
Christian Himmel wissen, wie die konkrete
Jobsituation beim „Branchenriesen“ derzeit ausschaut. Und welche Voraussetzungen er mitbringen müsse, um bei Bayer
eine Chance zu haben. Deitz meinte, auch
für das Unternehmen sei es wichtig, sich
als attraktiver, potenzieller Arbeitgeber
vorstellen zu können. Er sagte, dass auf
beiden Seiten massiver Bedarf für solche
Veranstaltungen vorhanden sei.
Dies sah auch Matthias Beier so, der sich
unter anderem beim Pharmaproduzenten
Merck über Chancen für eine Promotion
Chemiestudent Christian Himmel informiert sich über Perspektiven nach dem
Studium.
Foto: Jörg Aberger
informierte. „Ich wollte wissen, welche
Ausstattung es beim Unternehmen gibt und
wie wichtig es ist, von welcher Universität
man kommt und bei welchem Professor
man studiert hat.“ Für ihn die überraschende Antwort: So lange die Noten
stimmten, sei die Hochschule egal. Um so
wichtiger war es für Beier deutlich zu machen, dass es für Unternehmen oft unverständlich sei, wie Benotungen an den einzelnen Universitäten und den verschiedenen Studiengängen zu Stande kommen. Er
selbst studiert Chemie im Masterstudiengang und befürchtet, dass er beim alleinigen Blick eines Arbeitgebers auf die Noten
eventuell das Nachsehen haben könnte.
Dem Bedürfnis nach Informationen über
die Gründung eines eigenen Unternehmens
kam unter anderem Dr. Alexander Braun
vom Leipziger Solarzellenbauer Solarion
nach. Er erläuterte den Werdegang des Unternehmens von der ersten Basisidee im
Jahr 1998 bis zur Firmengründung und Geschäftsaufnahme. Drei Punkte unterstrich
er besonders: „Überprüfen Sie Ihre eigene
Qualifikation, melden Sie schon während
des Studiums Patente an und machen Sie
sich mit den Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre vertraut.“ Bei potenziellen
Investoren helfe ein Doktortitel durchaus,
mit Patenten könne man auch die Finanziers überzeugen, die von der eigentlichen
Materie keine Ahnung hätten – und oft
auch gar nicht haben wollten.
Nach seinen Erfahrungen ist die Unternehmensgründung in Deutschland nicht
unbedingt einfach. Er selbst hatte 1996 die
Universität Leipzig als Absolvent eines
Physikstudiums verlassen. Es brauche
einen langen Atem, viel Mut, Hilfestellung
und Verständnis von anderen, um „Vom
Laborkittel zur Chefkrawatte“ zu gelangen
– so hatte er seinen Vortrag überschrieben.
Auf diesem Weg sei es gut, mit seinem Unternehmen in der Nähe der Hochschule zu
bleiben, an der man selbst seine Ausbildung erhalten habe. Denn so könnten vorhandene Bekanntschaften und Netzwerkstrukturen für die ersten eigenen erfolgreichen Schritte effektiv genutzt werden.
Jörg Aberger
journal
Studiosi
„Studenten arbeiten hier
praxisorientierter als bei uns“
Die Schottin Jacqueline Garland über ihre
Leipzig-Erfahrungen
„Hier in Leipzig wird viel praxisorientierter gearbeitet,“ sagt Jacqueline Garland,
die an der Universität im schottischen St.
Andrews Chemie und Deutsch studiert.
Seit September vergangenen Jahres ist sie
im Arbeitskreis von Professorin Eva HeyHawkins am Institut für Anorganische
Chemie zu Gast. Die Professorin lernte sie
in St. Andrews kennen, wo sie ihr von einem ihrer dortigen Professoren vorgestellt
wurde. In den vergangenen Monaten hatte
sie Gelegenheit, die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem britischen
Lehrbetrieb kennen zu lernen. Dabei fiel
ihr schnell auf, dass an ihrer Heimatuniversität das Wissen sehr viel mehr durch
Vorlesungen vermittelt wird, während in
Leipzig die Laborarbeit einen wesentlichen
Bestandteil des Studiums bildet.
Doch das allein macht den Unterschied
zwischen St. Andrews und Leipzig nicht
aus. In der schottischen Küstenstadt gibt es
insgesamt nur rund 7 000 Studenten, die
einen wesentlichen Teil der Gesamtbevölkerung des Ortes ausmachen. „Hier in
Leipzig hat schon die Uni mehr Studenten
als St. Andrews an Einwohnern hat“, verdeutlicht Garland die unterschiedlichen
Dimensionen.
Doch nicht nur die überschaubarere Studentenzahl macht die familiärere Atmosphäre in Schottland aus, tatsächlich werden die Studentinnen und Studenten dort
zu Beginn ihres Studiums in eine „akademische Familie“ aufgenommen: „Im ersten
Studienjahr bekam ich einen ‚akademischen Vater‘ und eine ‚akademische Mutter‘, Studenten aus höheren Jahrgängen,
die sich um mich und meine ‚akademischen Geschwister‘ kümmerten“, berichtet
sie. Im Gegensatz zu dem, was sie hierzulande zum Beispiel im Studentenwohnheim erlebe, sei der Kontakt untereinander wesentlich enger. „Bei
uns im Studentenheim teilen sich
viele Leute eine Küche, da trifft
man sich dann eben auch“, erzählt
Garland.
Unter anderem sei dies ein Grund
dafür gewesen, dass sie sich anfangs in Leipzig etwas schwer getan habe. „Man schließt hier nicht
so schnell gute Freundschaften“,
sagt sie. Doch im Lauf der Zeit hat
sie sich eingelebt, hat im Labor
und auch außerhalb neue Leute
kennen gelernt, mit denen sie ihre
Freizeit verbringt. Diese ist jedoch
knapper, als sie es aus St. Andrews
gewohnt ist: „Dort findet man nach
18 Uhr kaum noch einen Studenten auf dem Campus, während ich
hier manchmal bis 20 Uhr im Labor bin.“ Insgesamt, so hat sie den
Jacqueline Garland: „Manchmal
bis 20 Uhr im Labor.“
Foto: Jörg Aberger
Heft 3/2007
Eindruck, würden die Studenten in
Deutschland die Arbeit ernster nehmen als
in ihrer britischen Heimat.
Ihr selbst macht die Arbeit aber offensichtlich so viel Spaß, dass sie noch vor Ablauf
ihres Studienjahrs in Deutschland einen
Entschluss gefasst hat, über den sie eigentlich erst zum Ende ihres Aufenthaltes nachdenken wollte: „Ich habe mir gesagt, dass
ich die Promotion angehen will, wenn mir
das Jahr hier in Leipzig gefällt.“ Schon
heute, so sagt sie, hat sie sich vorgenommen, diesen Entschluss in die Tat umzusetzen. Dabei kann sie sich auch vorstellen, an
der Universität in Leipzig zu promovieren.
Aus ihren bereits gemachten Erfahrungen
heraus kann sie es „jedem Studenten nur
empfehlen, im Ausland zu studieren.“ Dies
gelte insbesondere auch für ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in Großbritannien. Dass diese nicht so häufig ins Ausland und nach Deutschland kämen, habe
mehrere Gründe. Zum einen seien die
Menschen in ihrer Heimat nicht sonderlich
motiviert, eine Fremdsprache zu beherrschen, weil „man Englisch ja überall
spricht.“ Außerdem seien naturwissenschaftliche Fächer ohnehin nicht sehr beliebt. Hinzu komme, dass man weitgehend
auf sich selbst gestellt sei, wenn man im
Ausland studieren wolle; Austauschprogramme würden hier sicher manches erleichtern, meint sie. Dass Praxiserfahrungen sich im Lebenslauf gut machen, vor
allem wenn sie im Ausland gemacht wurden – davon ist Jacqueline Garland fest
überzeugt.
Sie selbst zieht es stets in die Fremde. Ihren Aufenthalt in Leipzig nutzt sie auch,
um die angrenzenden Länder kennen zu
lernen. So machte sie im Winter eine Rundreise durch Tschechien, die Slowakei, Polen, Ungarn und Österreich. Italien, Dänemark und die Niederlande standen ebenfalls auf ihrem Reiseplan. So weit ihr die
Arbeit im Labor dafür Zeit lässt.
Jörg Aberger
29
Studiosi
Fremdsprachige
Fettnäpfchen
Mentalität und Kultur im Imagefilm –
Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt
Die Frage, auf welche Weise Unternehmen
und Institutionen für fremdkulturelle Zielgruppen optimal präsentiert werden können, beschäftigt weltweit immer mehr
Kommunikationswissenschaftler und Marketingstrategen. Die interdisziplinäre Analyse der Wechselbeziehungen zwischen
Kultur und (Fach-)Kommunikation ist deshalb auch ein Schwerpunkt der Leipziger
Fachsprachenforschung und Translationswissenschaft. Ein Diplomand des Instituts
für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) hat sich nun aus linguistischer
Sicht mit diesem Problem befasst – und die
Filme in Englisch, Französisch und Spanisch gleich mitgeliefert.
Die Filme richten sich an Erasmus-Studenten, die sich über ihren künftigen Aufenthalts- und Studienort Leipzig informieren
möchten, sind also auch für AustauschStudenten an anderen Instituten sehenswert. Schaut man alle drei Filme an, wird
klar, dass hier keine einzige Einstellung zufällig gewählt wurde – was die Präsentationsweise anbetrifft, unterscheiden sie
sich erheblich voneinander. „In den Filmen
soll das Ausbildungskonzept des IALT so
gut wie möglich rüberkommen“, erklärt
der Autor Robert Fleischer, „darum war es
nötig, sie an die jeweilige Kultur anzupassen“.
Eine Frage drängt sich dabei auf: Was hat
Dolmetschen und Übersetzen mit Film zu
tun? Ein Film ist zunächst einmal ein Text,
der im Unterschied zu schriftlichen Texten
über mehrere Mittel verfügt, Sinn und Inhalte weiterzugeben sowie Wirkungen zu
erreichen. Die Art und Weise, wie dies zu
geschehen hat, ist eng an den Zweck des
multimedialen Texts gebunden. So weisen
Texte in Imagebroschüren charakteristische Eigenschaften wie Suggestivität, Einprägsamkeit und Emotionalität auf. Bei
multimedialen Texten wie dem Film werden diese Eigenschaften auch in Bild und
Ton wirksam. „Während beim Text entscheidend ist, wie etwas ausgedrückt wird,
30
muss beim Film zusätzlich darauf geachtet
werden, wie etwas gefilmt, geschnitten und
mit welcher Musik es unterlegt wird“, so
der Autor. In seiner Arbeit „Ein kulturelles
Analyseraster multimedialer Texte in Einheit von Theorie und Praxis“ hat der
frühere redaktionelle MDR-Mitarbeiter
Fleischer darum zunächst untersucht, mit
welchen filmischen Mitteln solche werbewirksamen Eigenschaften umgesetzt werden können.
Mentalität, Stereotype und
soziodemographische
Faktoren sind von Bedeutung
Entscheidend für den Erfolg eines Imagefilms ist aber vor allem die Zielgruppe
selbst – und sogar Experten laufen bei
fremdsprachlichem Publikum zuweilen
Gefahr, ins Fettnäpfchen zu treten. So bemerkte die Fastfood-Kette McDonald’s erst
viel zu spät, dass das weißgeschminkte Unternehmensmaskottchen Ronald McDonald in Japan nicht so gut ankam – denn
diese Farbe wird in Japan nicht wie bei uns
mit Reinheit und Unschuld assoziiert, sondern mit Tod und Trauer. Inzwischen wirbt
in Japan eine weibliche Figur für das
Unternehmen. Ohne weiße Schminke. Im
internationalen Marketing gibt es unzählige Beispiele missglückter Kampagnen,
die Kultur als wichtige Einflussgröße für
Unternehmenspräsentationen unterstreichen.m
Zur Erstellung der Filme hat Fleischer daher mehrere Faktoren ermittelt, die seiner
Meinung nach den größten Einfluss auf die
Präsentationsweise haben. So sind Mentalität, Stereotype, die Lebenswelt von Erasmus-Studenten, aber auch soziodemographische Faktoren von entscheidender
Bedeutung.
Bestehende Stereotype sind ein besonders
interessanter Fundus für die Gestaltung
von Werbebotschaften: Positive Stereotype
über Deutsche können im Film unterstrichen werden – wie beispielsweise Innovation und Kreativität – oder auch durchkreuzt werden. So warb eine deutsche
Fluggesellschaft in Spanien für ein besonders günstiges Angebot mit dem Satz: „Wir
scherzen nicht. Wir sind Deutsche.“ –
wohlwissend, dass Deutsche in Spanien
eher nicht für ihren Humor bekannt sind.
Bildelemente, mit denen der Zuschauer
negative Stereotype assoziiert, sollten hingegen vermieden werden. Auch für die
Glaubwürdigkeit des Films sind Stereotype
von Belang: „Bevor man behauptet, es
ginge hier so oder so zu, sollte ein Filmemacher erst einmal herausfinden, wie die
Zielgruppe über die Deutschen denkt und
was sie für möglich oder unmöglich hält“,
so Fleischer.
Da bis dato keine passenden Daten zu
Mentalitätsmerkmalen, Stereotypen und
soziodemographischen Eigenschaften von
Erasmus-Studenten an der Universität
Leipzig vorlagen, hat der Autor für die
Filme eigens einen Fragebogen konzipiert
und unter Austausch-Studenten verteilt.
Insgesamt nahmen 129 Personen aus 22
Ländern an der Umfrage teil; unterstützt
wurde Fleischer dabei von der Studentenorganisation WILMA sowie vom Akademischen Auslandsamt.
Gemäß dieser Untersuchung ist das Durchschnittsalter von Erasmus-Studenten an der
Universität Leipzig 22 Jahre, über 60 Prozent von ihnen studieren ein sprachbezogenes Fach. Ihre Hauptgründe für den Antritt
eines Austauschsemesters in Leipzig ähneln sich: Am wichtigsten sind ihnen Verbesserung von Sprachkenntnissen, Erweiterung des Horizonts, das Kennenlernen
der deutschen Kultur sowie Verbesserung
von Kompetenz, Toleranz und kulturellem
Verständnis. Darüber hinaus existieren jedoch erhebliche Unterschiede. 84 Prozent
der befragten Franzosen versprechen sich
von ihrem Erasmus-Aufenthalt bessere
Berufschancen – aber nur 46 Prozent der
journal
Thema
befragten Briten. Über 60 Prozent der
Franzosen und Spanier spielen mit dem
Gedanken, ein Leben in Deutschland zu
beginnen – aber nur einem Viertel der Briten und 14 Prozent der Italiener ergeht es
ebenso. „Die Rangliste der Gründe fürs
Austauschsemester zeigt, dass die meisten
Erasmus-Studenten sich gleichermaßen
bewusst und aktiv mit ihrem individuellen
Lebensweg und ihrer Persönlichkeitsentwicklung auseinandersetzen“, fasst Fleischer zusammen. „Sie zeigt aber auch kulturspezifische Unterschiede, denen man im
Film Rechnung tragen muss“.
Anders als Amerikaner
bevorzugen Italiener flexible
Stundenpläne
Weiterhin wurden folgende Mentalitätsmerkmale von Erasmus-Studenten ermittelt: Machtdistanz, Individualismus/Kollektivismus, Maskulinität/Feminität sowie
Unsicherheitsvermeidung. Die ermittelten
Werte zeigen teils erhebliche Mentalitätsunterschiede zwischen den Kulturen:
• Vor allem Amerikaner und Franzosen begegnen ihren Professoren und Lehrkräften mit großem Respekt und betrachten
diese als ausgesprochene Autoritätspersonen, wohingegen Spanier, Briten und
Italiener ein unkomplizierteres Verhältnis zu ihnen haben.
• Spanier, Franzosen und vor allem Italiener legen bei ihrem Studium großen Wert
auf ein gutes Verhältnis zu Kommilitonen und ein angenehmes Studienumfeld,
während Amerikaner und Briten von
ihrem Studium eher Herausforderungen
sowie die Möglichkeit erwarten, etwas
erreichen zu können.
• Italiener, und in etwas geringerem Maße
auch Briten, Franzosen und Spanier, bevorzugen flexible Stundenpläne und weit
gefasste Lernaufgaben – sie erwarten
Belohnung für Originalität. Die befragten Amerikaner hingegen haben das Bedürfnis nach strikt festgelegten Stundenplänen mit strukturierten Lernsituationen und exakten Zielsetzungen.
„Diese Mentalitätsmerkmale müssen bei
der Filmgestaltung für fremdkulturelle
Zielgruppen unbedingt berücksichtigt werden“, so Fleischer. Beispielsweise könnte
ein herausfordernd dargestelltes Studium
bei Spaniern eher abschreckend als einladend wirken – bei Amerikanern verhält es
sich umgekehrt.
Heft 3/2007
Die Daten der Umfrage sowie weitere
Kriterien erlaubten dem Autor schließlich
die Erstellung eines Gestaltungsrasters für
jeden der geplanten Filme. Es enthält genaue Angaben zur beabsichtigten Wirkung,
Präsentation der Stadt, der Universität, des
Instituts, der Professoren, der Kommilitonen. Auch Angaben zur Musik- und Textgestaltung sind enthalten.
Die Filme selbst wurden mit Hilfe der
Leipziger Filmproduktionsfirma NuoViso
realisiert – als No-Budget-Produktion.
„Weder ich noch das IALT hätten eine
kommerzielle Produktion bezahlen können, also kam NuoViso zu Hilfe. Wir haben über einen Monat lang gedreht und
mehr als zwei Monate im Schnitt gesessen“, erzählt Fleischer. Unterstützung bekam der Autor auch von der Stadt Leipzig,
ARD Aktuell, dem Stasi-Museum und vielen weiteren Menschen – unter anderem
mit kostenlosen Luftaufnahmen der Stadt
sowie verdeckt gefilmten Aufnahmen von
den Massendemonstrationen in Leipzig,
die 1989 um die Welt gingen. Doch vor
allem die Anpassung an die jeweilige Mentalität gestaltete sich äußerst aufwändig:
„Wenn ein Film auf die Mentalität passen
soll, erledigt sich das nicht im Schnitt, sondern er muss bereits so gedreht sein. Man
muss auf jedes noch so winzige Detail achten“, so Fleischer.
Herausgekommen sind Imagefilme mit
ähnlichem Inhalt, aber mit völlig unterschiedlicher Gestaltung. Während sich
beispielsweise die Handlung im individualistischen, französischen Film um eine
einzelne Erasmus-Studentin und ihre Erlebnisse in Leipzig dreht, steht im spanischen Film die Gruppe im Vordergrund,
da Spanien eher kollektivistisch orientiert
ist.
Auch im britischen Film steht ein Protagonist im Mittelpunkt, doch in England erwartet man von Präsentationen auch Humor, und zwar den typisch britischen. Darum gehorcht der britische Film vor allem
dem Gesetz der Selbstironie, so Fleischer:
„Ein Institutsdirektor, der mit seinem Motorrad durch rote Ampeln rast und dabei
fast einen Studenten rammt, um schließlich
auf die Uhr zu schauen und ganz trocken
zu sagen: ‚Oh…I made it just in time‘ – sowas trifft bei Briten voll ins Schwarze, in
anderen Ländern wäre es skandalös. Ich
schätze mal, das war nicht mein letzter
Imagefilm für Großbritannien“.
Frank Höfer und Robert Fleischer
www.nuoviso.de/filmeDetail_ialt_
span.htm
Am
Rande
Neulich fand ich das Programm des
Zentrums für Hochschulsport in meinem Postfach. Ich weiß bis heute nicht,
wem ich es zu verdanken habe. Ich
lehne mich zurück, blättre und gerate
ins Schmunzeln. „Sportarten“, von denen ich nie hörte, wie Capoeira. Oder
Breakdance. Letzteres ist eine Kombination aus Toprock, Downrock, Freezes und Powermoves (so die Beschreibung), sieht bei Fortgeschrittenen akrobatisch und bei Anfängern spastisch
aus, wurde in den 1970er Jahren von
der afro- und puertoamerikanischen Jugend nach Deutschland gebracht und
in TV-Filmen häufig kriminellen Straßenkindern auf den Leib geschrieben.
Mittlerweile ist sie also auch hochschultauglich, genauso wie Renaissancetanz, Trampolinspringen und diverse Kampfsporttechniken.
Wozu das alles gut sein mag, fragen
Sie sich? Um fit zu bleiben oder zu
werden, Pfunde abzutrainieren und
möglichst lange pumperlgesund im
Dienste der Wissenschaft zu stehen, zu
lehren und zu lernen.
Immerhin nehmen pro Semester knapp
10 000 Studenten und vereinzelt auch
Mitarbeiter das Angebot wahr. Kein
Wunder, schwebt das Damoklesschwert namens Übergewicht oder gar
Fettleibigkeit doch an einem kalorienschweren Faden über jedem. Und
senkt sich bei jeder Portion Mousse au
chocolat bedenklich. So wie die Nadel der Personenwaage immer weiter
nach rechts dreht, greift man nicht regelmäßig zu Salat statt Sauce hollandaise getränktem Spargel.
Doch was lese ich da? „Dicke Menschen leben länger.“ Der das sagt, ist
kein Geringerer als der wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts
für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften, Udo Pollmer.
Also doch Burger statt Bewegung?
„No sports“ (Churchill) statt „Sport
frei!“ (dem alten Gruß, mit dem zu
DDR-Zeiten Training und Schulsport
begonnen hatte)?
Vielleicht wäre ein Alibi-Sport als Kompromiss der Ausweg aus dieser moralischen Misere? Schach. Oder Golf.
Das eine ist Gehirnjogging, das andere an der frischen Luft – aber Kalorien werden kaum verbrannt.
Tobias D. Höhn
31
Personalia
Physik, Philosophie und
Friedensforschung
In memoriam Carl Friedrich von Weizsäcker,
Ehrendoktor der Physikalischen Fakultät
Am 28. April 2007 ist der Physiker, Philosoph und Friedensforscher Carl Friedrich
von Weizsäcker nach langer Krankheit im
Alter von 94 Jahren verstorben.
Er begann auf Anraten seines Mentors, des
Entdeckers der modernen Quantentheorie,
Werner Heisenberg, seine wissenschaftliche Karriere in Leipzig auf dem Gebiet
der Physik. Als ein hoffnungsvoller Kernphysiker erlebte er die ambivalente Nutzung der Energietechnik, zuerst die militärische, später, nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges, auch die friedliche Nutzung
der Kernspaltung.
Sein lebenslanges kosmisches Interesse,
sein frühes Interesse an den Sternen, führte
ihn intuitiv in den 1930er Jahren in Leipzig zur Entdeckung der Kernfusion als
einer nachhaltigen Energiequelle der
Sonne. Diese Pionierleistung in der Sonnenphysik ist für immer mit seinem Namen
verbunden:
Bethe-Weizsäcker-Zyklus.
Eine Grundlage für diese Anwendung war
seine Massenformel zur Berechnung des
Energieinhaltes der Atomkerne (Leipzig,
1934), die heute noch jeder Physikstudent
kennen muss.
Der physikalischen Energetik widmete
sich der „Sommerfeld-Enkel“ von Weizsäcker nicht nur in seiner Leipziger Zeit
(Kernenergetik). Selbst während seiner Internierung in Farm Hall beschäftigte er sich
mit der Energetik, der Lehre von der Energie. Er nutzte sie dort zur Analyse von
astrophysikalischen Turbulenzen. Darüber
hinaus ist seine historische Skizze zur physikalischen Energetik noch heute lesensund bedenkenswert.
Carl Friedrich von Weizsäcker ergänzte
seinen retrospektiven Aufbau der Physik
mit der Urtheorie (München, 1966). Sie
repräsentiert einen abstrakteren, informationsdominierten Zugang zur Entwicklung
einer Einheitstheorie in der Physik. Sie gilt
heute als ein Vorläufer der sich im Aufbau
32
befindlichen Quanteninformationstheorie.
Das ursprüngliche philosophische Interesse setzte er in Hamburg in den Kreisgängen seiner „komplementären“ Philosophie
und Logik um und kennzeichnete seinen
Lebensweg einmal so: „Ich habe Physik
studiert aus philosophischem Interesse und
Carl Friedrich von Weizsäcker, Ehrendoktor der Physikalischen Fakultät,
starb am 27. April im Alter von
94 Jahren.
Foto: Armin Kühne
Philosophie betrieben als Konsequenz des
Nachdenkens über Physik.“
Zunehmend rückte das Problem des Friedens in der komplexen wissenschaftlichtechnischen Welt in das Zentrums seines
Philosophierens: Wie ist das Leben bei
einer anhaltenden Existenz der Atom- und
Wasserstoff-Bomben nachhaltig zu gestalten?
Die Initiative zur Erklärung der „Göttinger
Achtzehn“, die Produktion und den Einsatz
der Atomwaffen weltweit einzustellen,
ging 1957 von ihm aus. Der Friedenspreis
des Deutschen Buchhandels 1963 war eine
erste Anerkennung seiner hartnäckigen
Bemühungen um Frieden und seinen tief
schürfenden Analysen der Bedingungen
des Friedens.
Ein Höhepunkt der Friedensforschung war
die Gründung des Max-Planck-Institutes
zur Erforschung der Lebensbedingungen
in der heutigen wissenschaftlich-technischen Welt (Starnberg, 1970).
C. F. v. Weizsäcker hat sich dem deutschdeutschen Dialog verpflichtet gefühlt und
ihn auf verschiedenen Ebenen geführt. In
der Leopoldina in Halle war es die wissenschaftliche Ebene; der Ehrendoktor der
Physikalischen Fakultät der Leipziger Universität inspirierte 1988 in einem Leipziger
Kolloquium die Gilde der naturwissenschaftlich interessierten Philosophen. Die
in Leipzig begonnene erste friedliche Revolution in Deutschland analysierte von
Weizsäcker 1990 in seinem Vortrag in der
Nikolaikirche.
Er konnte in den 90er Jahren die friedliche
Umgestaltung in Europa miterleben – als
Modellfall einer globalen Umgestaltung –
hin zu einer nachhaltigen Friedensordnung. Sein letzter Mitarbeiter, Th. Görnitz,
nennt ihn in seiner Biografie einen Denker
an der Schwelle zum neuen Jahrtausend.
Carl Friedrich von Weizsäcker wird uns in
dieser Zeit des tief greifenden globalen
Umbruchs fehlen.
Dr. rer. nat. Wolfgang Eisenberg
Präsident der Arnold-SommerfeldGesellschaft e. V.
journal
Personalia
NOMEN
Die Kolumne von Namenforscher Prof.
Dr. Jürgen Udolph
Pressestelle
wieder komplett
Der Familienname „Hegerl“
Neu
berufen:
Ulrich Hegerl
Er brachte das Kompetenznetz Depression
mit nach Leipzig: Professor Dr. Ulrich
Hegerl, neu berufener Professor für Psychiatrie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie an der Universität
Leipzig. Er ist Sprecher des Gesamtprojektes, das sich mit Depression und Suizidalität befasst und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 1999
gefördert wird.
Depression und Suizidgefährdung gehören
auch zu den Forschungsschwerpunkten des
zuvor an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätigen Psychiaters. Er postulierte vier Interventionsebenen für die
Versorgung psychisch Kranker und die
Prävention von Suizidalität. Diese beziehen sowohl den Hausarzt, als auch den
Patienten ein, aber auch die Information
der Öffentlichkeit und Multiplikatoren wie
Lehrer, Pastoren oder Altenpflegekräfte,
die ihrerseits wieder zum besseren Verständnis von Depression und Suizid beitragen. Letzteres ist eines der zentralen Ziele
des engagierten Wissenschaftlers, der sich
folgerichtig für das Deutsche Bündnis gegen Depression einsetzt, das aus dem Kompetenznetz hervorgegangen ist. Auf europäischer Ebene ist Hegerl seit 2004 Leiter
der „European Alliance Against Depression“, die von der Europäischen Kommission gefördert wird. Außerdem ist er Autor
einer Reihe von wissenschaftlichen und
populärwissenschaftlichen Büchern zum
Thema. Wissenschaftlich beschäftigt sich
Hegerl weiterhin mit der Neurobiologie
von Zwangsstörungen, der Hirnfunktionsdiagnostik bei psychischen Erkrankungen
und der Versorgung psychisch Kranker.
Professor Hegerl hat sich mit seiner Frau
und seinen zwei Töchtern in Leipzig angesiedelt und inzwischen auch wieder
manchmal Zeit für sein Hobby gefunden:
das Sammeln von Steinen, die ihm besondere Freude machen, wenn sie Abdrücke
von Fossilien haben.
Dr. Bärbel Adams
Heft 3/2007
Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern
(Stand: 1998; neuere CD-ROM sind aus
Datenschutzgründen schlecht zu verarbeiten) ist der Name in Deutschland 55-mal
bezeugt. Damit gehört er zu den selteneren
Familiennamen. Die Verbreitungskarte
zeigt, dass er vor allem in Süddeutschland
zu finden ist.
Das wird bestätigt durch vier Einträge in
der umfassendsten Familiennamen-Datenbank des Internets familysearch.org. Die
Namenträger lebten im ehemaligen Donaukreis und in der Oberpfalz.
Es handelt sich mit ziemlicher Sicherheit
um einen mit dem Suffix -l- erweiterten
Familiennamen. Wir kennen dieses Element aus Hänsel und Gretel, Kose- und
Verkleinerungsformen von Hans, Johannes und Grete, Margarethe, auch von Bübel, Häusel, Krümel.
Die Grundlage der -l-Ableitung ist aber
leider nicht eindeutig. Zugrunde liegt Heger, Häger, Namen, die fast 4000 Mal auf
einer Telefon-CD erscheinen, die in zweifacher Weise erklärt werden können:
1.) Berufsname zu dt. hegen, das heute
immer noch in der Wendung hegen und
pflegen vor allem für den Jäger verwandt
wird. Früher war ein Heger vor allem ein
Forstbedienter, dem die Pflege des Waldes
aufgetragen war. Darin enthalten ist mittelhochdeutsch hegen „mit einem Hag oder
einer Hege umgeben, umzäunen“, später
übertragen auf die Schonung des Forstes,
sowie des Fischwassers und der darin sich
aufhaltenden Tiere“. Zugrunde liegt nach
dem Wörterbuch der Brüder Grimm (Deutsches Wörterbuch) die Vorstellung, dass
die Schonung ursprünglich durch das Umgeben der geschonten Örtlichkeit mit einem Hag geschieht“.
2.) Alter Personenname Hagi-hari, der im
ersten Teil germanisch hag „Einhegung,
eingehegter Ort“, ahd. hagan „Dornstrauch, Hecke“, mhd. hac, hain „Buschwald“, enthält, dazu auch Personennamen
wie Hagen. Im zweiten Teil steckt german.
harja „Heer, Kriegsschar“.
Letzten Endes ist in beiden Namen hagen
enthalten, das mit Hecke etymologisch verwandt ist und früher einen durch eine lebende Hecke abgegrenzten Bezirk bezeichnete.
Seit März ist die Stelle des Redakteurs für
das Uni-Journal wieder besetzt: Der Diplom-JournalistTobias D. Höhn (28) setzte
sich im Bewerbungsverfahren durch und
komplettiert damit die Pressestelle. Nach
dem Weggang von Carsten Heckmann an
die Martin-Luther-Universität Halle betreute Tobias D. Höhn das Heft drei Ausgaben lang bereits kommissarisch und setzte
schon in dieser Zeit manchem Stammleser
auffallende, eigene Akzente – und erntete
positive Reaktionen.
Nun möchte der in Coburg Geborene das
Uni-Journal möglichst noch in diesem Jahr
neu konzeptionieren: „Ich denke dabei an
ein Magazin, das breitere und tiefere Informationen für die unterschiedlichen Leserkreise bietet. Optisch aufgewertet sein
sollte dies durch ein frischeres Layout und
einen modernen Bildjournalismus, der die
Vorzüge aus Forschung, Lehre und UniAlltag zur Geltung bringt“, verrät er. Auch
mehr Farbe soll ins Spiel kommen.
Tobias D. Höhn hat am Leipziger Institut
für Kommunikations- und Medienwissenschaft Journalistik und im zweiten Hauptfach Politikwissenschaft studiert und eine
herausragende Diplomarbeit über die
Schnittstelle zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus verfasst. Er volontierte bei der Deutschen Presse-Agentur
und ist auch heute – nicht zuletzt, da die
Redakteursstelle an der Uni leider nur eine
halbe ist – für die dpa, Die Zeit und andere
Medien als freier Journalist tätig. Neben
dem Uni-Journal gibt es übrigens noch ein
weiteres großes Projekt für Tobias D.
Höhn: Die Vorbereitung einer Promotion.
Dr. Manuela Rutsatz
33
Personalia
„Akademischer Ritterschlag“
für Leipziger Urologie-Chef
Jens-Uwe Stolzenburg wird „fellow ad hominem“
des Royal College of Surgeons of Edinburgh
Von Tobias D. Höhn
Der Leipziger Urologe Jens-Uwe Stolzenburg kann es selbst kaum fassen: Die
älteste Vereinigung chirurgischer Fächer
weltweit hat ihn zum jüngsten Ehrenmitglied der Geschichte ernannt. „Nur vier
Urologen in der 501-jährigen Geschichte
des Royal College of Surgeons of Edinburgh wurde diese Ehre bisher zu teil, davon keiner aus Deutschland“. Der Anfang
Mai zum Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie ernannte Privatdozent ist
mit Recht stolz auf diese Ehrung. „Diese
Auszeichnung bekommen nur wenige, und
dann meist am Ende ihres Berufsweges“,
sagt Stolzenburg. Der 42-Jährige ist immer
noch ergriffen, wenn er die Fotos auf seinem Computerbildschirm betrachtet und
das feierliche Zeremoniell Revue passieren
lässt. Im Talar des College mit cyanfarbener Schärpe nahm er am 13. April die DINA3-große Urkunde in Empfang.
Teezeremonie, Galadinner,
Dudelsackmusik
Für viele ist Freitag der 13. ein Unglückstag, nicht so für den Geehrten. „Es ging
schon nachmittags mit einer Einladung
zum Tee beim Präsidenten des Royal College los, wo wir auf die folgende Zeremonie vorbereitet wurden. Parallel dazu wurden die Ehepartner zur Frau des Präsidenten geladen. Allein die Zeremonie ist über
200 Jahre alt“, erzählt er. Neben dem Leipziger Mediziner wurden an diesem Tag
weitere Mitglieder in die Wissenschaftsvereinigung aufgenommen, zu der weltweit 17 000 Mitglieder gehören. Doch nur
drei wurden an diesem Tag in den kleinen
Kreis der „fellow ad hominem“ aufgenommen – eine Auszeichnung, die der deutschen Ehrendokterwürde gleichkommt.
Ein Ritterschlag für Akademiker. Ein Galadinner bildete den Abschluss des Tages,
34
Die Urkunde wird noch gerahmt und ziert fortan sein neues Dienstzimmer, denn
seit 1. Mai ist PD Stolzenburg Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie.
Foto: Tobias D. Höhn
der „very scottish“ mit Dudelsackmusik
begleitet wurde.
Das Royal College of Surgeons of Edinburgh unter dem Patronat von Prinz Philipp, Gemahl von Königin Elisabeth II.,
legt laut Stolzenburg einen besonderen
Schwerpunkt auf die Ausbildung. Der
Leipziger wurde für seine Verdienste um
die laparoskopische Chirurgie in der Urologie von einem Expertengremium vorgeschlagen und durch den Präsidenten und
das Konzil des Royal College bestätigt.
Laudator Dr. Alan McNeill (Chairman
Department of Urology, Western General
Hospital, Edinburgh) würdigte Stolzenburgs Verdienste, um die Ausbildung zahl-
reicher Kollegen in der minimal-invasiven
Behandlung von Prostatakrebs. Hier hat
Stolzenburg, wie bereits berichtet, eine
neues Verfahren, die so genannte endoskopische Extraperitoneale Radikale Prostatektomie (EERPE) entwickelt und mittlerweile bei mehr als 1400 Patienten erfolgreich angewendet.
Stolzenburg sei bei der Ausbildung vom
herkömmlichen Prinzip „see one, assist
one, do one“ weggegangen, so der Laudator und habe das „modular surgical training“ eingeführt. Dabei lernen junge Chirurgen Schritt für Schritt unterschiedliche
Schwierigkeitsgrade der Operation – ohne
Nachteile für den Patienten, ohne längere
journal
Personalia
OP-Dauer, ohne höhere Kosten und eine
deutlich kürzere Lernkurve für den Chirurgen.
„Prostatakrebs mit 30 000 Neuerkrankungen jährlich in Deutschland ist die dritthäufigste Krebs-Todesursache bei Männern“, weiß der Mediziner. Der Vorteil der
von ihm entwickelten Methode: bei sehr
guten Ergebnissen hinsichtlich der Tumorkontrolle sind die früher häufig vorkommenden Nebenwirkungen (Inkontinenz,
Impotenz) deutlich weniger geworden. Für
den Patienten ist die EERPE ein im Vergleich zur Schnittoperation ein besonders
schonendes Verfahren.
Kein Wunder also, dass Urologen aus der
ganzen Welt nach Leipzig kommen, um
diese Methode zu erlernen. Viele besuchten internationale Operationsseminare des
2002 gegründeten Trainingszentrum für
Urologische Laparaskopie oder schauten
Stolzenburg bei einem seiner Operationsseminare im Ausland über die Schulter.
Nicht zu vergessen: jährlich kommen zirka
200 nicht aus Sachsen stammende Patienten zur Operation in die Klinik in der Liebigstraße, zunehmend Patienten aus dem
Ausland.
Und auch wenn er sonst wenig von gerahmten Urkunden hält, will er sich die mit
Siegel verbriefte Schrift in sein neues
Dienstzimmer in der Liebigstraße hängen
– ist es doch Ansporn für weitere Projekte.
„Ich will die Klinik weiter aufbauen. Das
Gesundheitssystem ändert sich, da müssen
wir Schritthalten“, sagt er und verweist auf
den angestrebten Einsatz der robotergestützten Chirurgie in der Urologie, den
Aufbau eines zertifizierten Kontinenzzentrums gemeinsam mit der Kinderchirurgie,
der Gynäkologie und der Chirurgie und
eines Prostatakompetenzzentrums.
Seit der feierlichen Zeremonie darf sich
PD Dr. Uwe Stolzenburg als einziger
Urologe Deutschlands „fellow ad hominem“ des Royal College of Surgeons of
Edinburgh nennen.
Foto: privat
Heft 3/2007
Begeisterter
akademischer
Lehrer
Prof. Dr. Holm Häntzschel
zum 65. Geburtstag
Prof. Holm Häntzschel hatte 20 Jahre den
Lehrstuhl Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie inne. In einer sowohl
medizinisch als auch künstlerisch geprägten Familie wurde er am 3. Oktober 1941
in Chemnitz geboren. Nach dem Studium
der Humanmedizin in Leipzig arbeitete er
zunächst am Anatomischen Institut der
Universität Leipzig und absolvierte danach
seine Facharztausbildung für Innere Medizin am Medizinisch-Poliklinischen Institut. Nach erfolgreicher Promotion wurde er
1972 Facharzt für Innere Medizin und
führte unter seinem Lehrer Werner Otto
seine Spezialisierung in der Rheumatologie fort, in einem Fach, das ihn schon früh
klinisch und wissenschaftlich faszinierte.m
Nach seiner Habilitation 1978 führte ihn
seine wissenschaftliche Karriere mehrmals
an das Institut für Rheumatologie der Akademie der Medizinischen Wissenschaften
der UdSSR in Moskau. 1987 erfolgte die
Ernennung zum Professor für Innere Medizin/Rheumatologie. 1993 übernahm er
die aus dem Medizinisch-Poliklinischen
Institut hervorgegangene Medizinische
Klinik IV am Zentrum für Innere Medizin
der Universität Leipzig. Als deren Direktor
war er am Aufbau der Medizinischen Fakultät und der Universitätsklinik entscheidend beteiligt, so als langjähriger Geschäftsführender Direktor des Zentrums
für Innere Medizin und als Mitglied der
Medizinischen Fakultät.
Im April 1990 wurde Holm Häntzschel
zum Vorsitzenden der Gesellschaft für
Rheumatologie der DDR gewählt. Unter
seiner maßgeblichen Mitwirkung gelang
wenige Monate später die Vereinigung der
beiden deutschen Fachgesellschaften. In
zahlreichen Gremien der DGRh hat er
danach mitgewirkt. Er ist Gründungsmit-
glied der Rheuma-Liga Sachsen und war
deren erster Präsident. Die Funktion des
ersten Sprechers des Rheumazentrums
Leipzig wird er auch weiterhin innehaben.
Seit Jahren ist er als Vorsitzender der Prüfungskommission für den Schwerpunkt
Rheumatologie bei der Sächsischen Landesärztekammer zuständig.
Über Jahre hinweg war Holm Häntzschel
Mitglied des Vorstandes der Sächsischen
Gesellschaft für Innere Medizin, die ihn für
die Jahre 2003 bis 2005 zu ihrem Vorsitzenden wählte und ihm aufgrund seiner
engagierten Arbeit im Jahre 2006 die Ehrenmitgliedschaft verlieh.
Wissenschaftliche Schwerpunkte der
Arbeit von Professor Häntzschel waren die
Kollagenosen sowie die rheumatoide
Arthritis, wobei insbesondere die Forschungen zu Prognosefaktoren, genetischen Krankheitsdeterminanten und die
extraartikulären Organmanifestationen bei
der rheumatoiden Arthritis national und
international Ansehen erworben haben.
Zahlreiche Publikationen in nationalen und
internationalen Zeitschriften, ungezählte
Vorträge sowie die Mitarbeit in internationalen Forschergruppen und der europäischen Rheumatologengesellschaft (EULAR) weisen auf die erfolgreiche Arbeit
einer patientenorientierten Forschung
hin.m
In der Ausbildung der Studenten und in
etlichen, teilweise schon zur Tradition gewordenen Fortbildungsveranstaltungen beweist er sich als begeisterter akademischer
Lehrer. Durch seine exzellente klinische
Weiterbildung von Kollegen und sein großes Engagement für die Patienten hat er die
von Werner Otto begründete „Leipziger
Rheumatologenschule“ erfolgreich weitergeführt.
Dr. Wolfram Seidel
Prof. Dr. Christoph Baerwald
35
Personalia
Grüner Daumen und
um keine Antwort verlegen
Guter Geist seit 46 Jahren: Günter Paetzold
Von Tobias D. Höhn
„Morgenstund ist aller Laster Anfang“,
sagt Günter Paetzold. Der Mann mit grüner Latzhose und Anorak ist von zupackender Art und nie um einen Spruch verlegen.
So kennen und schätzen ihn seine Kollegen, aber auch die Besucher des Botanischen Gartens der Universität Leipzig, die
bei ihm Rat zur Pflanzenpflege suchen. Der
stellvertretende technische Leiter ist so etwas wie das Urgestein des ältesten Botanischen Gartens Deutschland und ein guter
Geist im Verborgenen.
„Er hat immer ein offenes Ohr für die Kollegen, beruflich wie privat. Er ist da, wenn
es irgendwo klemmt und steht mit fachlichem Rat zur Seite“, sagt seine Kollegin
Brigitte Klipp. Und Ute Lohs ergänzt: „Er
ist ein Fachmann alter Schule, weiß auf
jede Frage eine Antwort – und die ist mit
Sicherheit richtig. Ob Tag oder Nacht: Herr
Paetzold ist immer präsent.“
Am 13. August 1961 war Paetzold aus
Oschersleben in Sachsen-Anhalt nach
Leipzig gekommen. Zwei Tage später begann er als Gärtnergeselle im Botanischen
Günter Paetzold, stellvertretender technischer Leiter des Botanischen Gartens
und dessen guter Geist. Nach 46 Jahren
geht er in den Ruhestand.
Foto: Tobias D. Höhn
36
Garten, legte 1973 die Meisterprüfung ab
und fungierte in der Wendezeit von Februar
1990 bis Februar 1991 als Leiter. Sein
Revier ist über die Jahrzehnte gleich geblieben, er widmete sich vor allem dem
Austausch von Saatgut mit anderen botanischen Gärten aus aller Welt, betreute die
Systematische Abteilung, Heilpflanzenabteilung und die blütenbiologischen
Gruppen.
Und dann hat er noch einen ganz besonderen Spleen, wie er selbst sagt: „Die Pflanzen, die ich betreue, sollen den Alten schon
einmal pro Tag sehen. Jede einzelne schaue
ich mir genau an.“ Dass dies immerhin
2000 Stück sind, verrät er erst auf Nachfrage. Auf die Frage, ob er auch mit ihnen
rede, muss er noch lachen: „Das bedarf es
nicht zwischen einem erfahrenen Gärtner
und seiner Pflanze.“
Die Tage beginnen für den 64-Jährigen um
6.45 Uhr. Wochenenddienste gehören
dazu. Beim verheerenden Hagelsturm letzten Sommer (Uni-Journal 7/2006), bei
dem 260 Isolierglasscheiben der Gewächshäuser zerstört wurden, war er als erster vor
Ort. „Es tat schon weh, das zu sehen, wo
wir doch alles vor kurzem erst neu gemacht
hatten.“
In der Linnéstraße überwiegt die Praxis,
das theoretische Wissen liest sich Paetzold
zuhause an. „Viele Besucher haben detaillierte Fragen, bringen Saatgut oder Pflanzenblätter mit und wollen etwas zu Schädlingen wissen“, sagt er. Bei kniffligen
Fragen muss selbst er manchmal passen
und ruft dann zurück.
Günter Paetzold ist ein Mann, der seinen
Beruf liebt und lebt. Dass er mit 65 Jahren
dennoch aufhören will, ist dabei kein Widerspruch. „Nach 51 ununterbrochenen
Berufsjahren will ich Platz machen für
einen Jüngeren.“ Künftig will er seinen
„grünen Daumen“ im eigenen, 230 Quadratmeter großen Schrebergarten einsetzen, in dem auch so manches exotische
Gewächs steht. In seinem sechsjährigen
Enkel hat er dabei einen interessierten
Schüler gefunden.
Wenn Paetzold am 31. Juli die Latzhose
ablegt, „geht mit ihm nicht nur der beste
Mann des Betriebes, sondern auch die gute
Seele“, sagt der Technische Leiter Matthias
Schwieger. Doch Paetzold wird wieder
kommen. Als Besucher. Und manchmal
auf seine Schützlinge schauen und die drei
Meter große Hanfpalme neben dem Verwaltungsgebäude. 1962 hatte er die Samen
dafür ausgesät. Heute ist sie gut drei Meter
groß. „Ein Gärtner sollte Geduld haben.
Wenn er sie nicht hat, sollte er Salat pflanzen. Der wird nach sechs Wochen gegessen“, sagt er.
Gute Geister
Man sieht sie selten auf der Bühne. Ihr
Platz ist meist hinter dem Vorhang. Doch
ohne sie müsste die Vorstellung ersatzlos
ausfallen. Sie haben die helfenden
Hände, sie kümmern sich, wenn alle Stricke zu reißen drohen, sie schaffen eine
angenehme Atmosphäre. Nur: Wenn sie
ihre Arbeit gut machen, merkt manchmal
kaum jemand, dass sie überhaupt da sind.
Die Rede ist von den „guten Geistern“,
ohne die auch ein so großer Wissenschaftsbetrieb wie die Universität nicht
auskommen kann. Das Uni-Journal stellt
einige dieser verlässlichen Menschen in
loser Folge vor. Dieses Mal: Günter Paetzold, stellvertretender technischer Leiter des Botanischen Gartens.
Bestimmt kennen auch Sie den einen
oder anderen „guten Geist“ in Ihrer Arbeitsumgebung. Ob er nun in der Pförtnerloge sitzt oder im Vorzimmer, im
Referentenbüro oder im Institutsarchiv.
Verraten Sie uns, wie Ihr „guter Geist“
heißt, wir sorgen dann für ein wenig
Rampenlicht. Ihre Vorschläge bitte per
E-Mail an:
[email protected].
journal
Personalia
Geburtstage
laufende Jahr 163.850 Euro bewilligt bekommen.
Fakultät für Mathematik und
Informatik
60. Geburtstag
Dr. Rolf Hartwig am 2. April
Dr. Karlheinz Haubold am 12. April
Werner Reutter am 3. Juni
Dr. Dieter Sosna am 5. Juni
80. Geburtstag
Prof. Dr. Hans-Joachim Rossberg am
5. Juni
Prof. Dr. Michael Riekenberg, Historisches Seminar, wurde eingeladen, als „fellow in residence“ in der Forschergruppe
„Control of violence“ mitzuarbeiten, die
im Oktober diesen Jahres am Zentrum für
Interdisziplinäre Studien ZIF der Bielefelder Universität eingerichtet wird. Die
Gruppe thematisiert vorrangig die Bedingungen nachlassender Gewaltkontrollen.
Fakultät für Chemie und Mineralogie
70. Geburtstag
Prof. Dr. Peter Welzel, Institut für Organische Chemie, am 25. Mai
Prof. Dr. Horst Hennig, Institut für Anorganische Chemie, am 6. Juni
Der Rektor der Universität Leipzig und die
Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich.
(Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine
Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.)
Kurz gefasst
Die Deutsche Geophysikalische Gesellschaft ernannte auf ihrer Jahrestagung in
Aachen Prof. Dr. Franz Jacobs, ehemaliger Direktor des Instituts für Geophysik
und Geologie, in Würdigung seiner hervorragenden Verdienste um die Geophysik
und um die Gesellschaft zu ihrem Ehrenmitglied.
Auf der gleichen Tagung wurde Christoph
Sens-Schönfelder mit dem Günter-Bock
Preis für eine hervorragende Publikation
eines jungen Wissenschaftlers ausgezeichnet. Herr Sens-Schönfelder promoviert zur
Zeit am Institut für Geophysik und Geologie in der Arbeitsgruppe Theoretische Geophysik und beschäftigt sich mit seismologischen Untersuchungen an Vulkanen.
Prof. Dr. Ilse Nagelschmidt, Direktorin
des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung hat vom Europäischen Sozialfonds für das Projekt „Förderung von Qualifizierungsprojekten zur Verbesserung der
Berufseinstiegschancen von Hochschulabsolventen und -absolventinnen“ für das
Heft 3/2007
Von der Fritz-Thyssen-Stiftung hat Prof.
Dr. Dr. Georg Schuppener, Institut für
Germanistik, kürzlich Projektgelder in
Höhe von 3.600 Euro für das Forschungsprojekt „Handbuch der deutschen mathematischen Fachsprache des 16. und
17. Jahrhunderts“ bewilligt bekommen.
Habilitationen
Fakultät für Physik und Geowissenschaften
Dr. Peter Schreck (3/07):
Metallmobilität und Stoffströme im Bergbaudistrikt
Mansfelder Land – eine Systemanalyse
Dr. Detlef Müller (3/07):
Characterization of Free-Tropospheric Particles With
Multiwavelength Raman Lidar: Geometrical, Optical,
and Microphysical Properties of Aerosol Pollution
From Europe, North Africa, South Asia, and North
America
Dr. Christoph Waack (4/07):
Randerscheinungen – Regionalisierungen und Skalierungen im Kontext von Transformations- und
Globalisierungseffekten in der Kontroverse um den
Goldbergbau im rumänischen Westgebirge
Medizinische Fakultät
Dr. Sabine Heger (3/07):
Neuroendokrine Regulation des Pubertätsbeginns:
Regulatorische Aspekte der Gonadotropin-Releasing
Hormon Neuronenfunktion
Dr. Markus Ullsperger (3/07):
Functional Neuroanatomy of Preformance Monitoring: fMRI, ERP and Patient Studies
Dr. Jörg Hofmann (4/07):
Beiträge zur Pathogenese und Diagnostik der prä- und
postnatalen Rötelnvirusinfektion
Promotionen
Fakultät für Chemie und Mineralogie
Aleksandar Tsekov Staykov (6/06):
Struktur, Energiespektren und magnetische Eigenschaften eindimensionaler Stapel polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe ohne und mit Defekten
Manuela Schellin (7/06):
Entwicklung und Anwendung neuer Techniken zur
Extraktion organischer Kontaminanten aus verschiedenen Matrizes
Arnd Garsuch (7/06):
Templatgestützte Synthese und Charakterisierung von
porösen Kohlenstoffmaterialien
Karsten Seeger (7/06):
Untersuchung von Protein-Ligand-Wechselwirkungen und eines de novo entworfenen coiled-coil Peptides mit NMR
Rakesh Kumar Bhat (7/06):
Cloning, over-expression and NMR characterization
of 5S subunit of transcarboxylase multienzyme complex of Propionibacterium shermanii
Jens Hunger (7/06):
Koordinationspolymere aus der Kombination von
Bipyrazol- und Polycarboxylatliganden
Alexandra Hildebrand (9/06):
Synthesis, Structure and Reactivity of Metal Complexes with Phosphanyl- and Arsanylarylthiolato
Ligands
Ulrike Helmstedt (9/06):
Anionen von ungesättigten Mercaptocarbonsäuren als
Brückenliganden in heterometallischen Komplexen
Irfan Ullah Khan (9/06):
Synthesis and Characterization of Neuropeptide Y
Analogues for Tumour Diagnosis and Therapy
Sarah Kohn (9/06):
Phosphor-funktionalisierte Cyclopentadienylverbindungen in der Hauptgruppenmetallchemie
Alexander Stranzky (9/06):
Synthese und Eigenschaften von Übergangsmetallkomplexen mit P-chiralen Aminoalkylphosphanen
Agnes Schulze (10/06):
Entwicklung neuer IBX-vermittelter Oxidationsreaktionen sowie Synthese und biologische Untersuchung
von Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren
Fakultät für Physik und Geowissenschaften
Thomas Nobis (9/06):
Beobachtung und Modellierung des optischen Flüstergalerie-Effekts in hexagonalen Zinkoxid-Nanoresonatoren
Bryan Lincoln (9/06):
The Microfluidic Optical Stretcher
Julius Tsuwi (10/06):
Dynamics in emulsions and fluorinated side-chain polymers studied by Broadband Dielectric Spectroscopy
Andreas Brzank (11/06):
Molecular traffic control and single-file diffusion
with two species of particles
Muhammad Fahim Akhtar Khokhar (11/06):
Retrieval and Interpretation of Tropospheric SO2 from
UV/VIS Satellites Instruments
Katja Hungershöfer (12/06):
Optical Properties of Aerosol Particles and Radiative
Transfer in Connection with Biomass Burning
Bashkim Ziberi (12/06):
Ion Beam Induced Pattern Formation on Si and Ge
Surfaces
Antje Böhnke (12/06):
Natürliche Radionuklide in der Umwelt – Ein Beitrag
zur Lokalisierung und Charakterisierung natürlicher
Heißer Teilchen in festen Proben
Michael Tammer (12/06):
Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie an verstreckten Elastomernetzwerken
Sibylle von Löwis of Menar (1/07):
Measurements within the exhaust plume of a passenger car under real-atmospheric dilution and on-road
driving conditions
Lars Thomas (2/07):
Untersuchungen zur Wechselwirkung von Neuropeptid Y mit Modellmembranen
Alexander Vogel (2/07):
2H-NMR-Untersuchungen zur Struktur und Dynamik
der membranbindenden Domäne des humanen NRas-Proteins
37
Personalia
Timo Betz (4/07):
Actin Dynamics and Forces of Neuronal Growth
Katrin Lehmann (4/07):
Experimental Investigations of the Influence of Turbulent Mixing on Cloud Microphysical Processes
Christian Tonk (4/07):
Die Anwendung der Spaltspurenmethode auf Apatitproben aus dem sächsischen Grundgebirge – Ein Beitrag zur Rekonstruktion der postvariszischen thermischen und tektonischen Entwicklung Sachsens
Fakultät für Mathematik und Informatik
Gil Bekö (7/06):
Uncovering the Structure of an Artificial Chemistry
Universe
Jelena Djokic (7/06):
Efficient Update of Hierarchical Matrices in the case
of Adaptive Discretisation Schemes
Julia Ebling (7/06):
Visualization and Analysis of Flow Fields based on
Clifford Convolution
Stephan Steigele (7/06):
Computer assisted analysis of RNA-based cellular
regulation
Thorsten Weber (7/06):
Software-Referenzarchitekturen für Geschäftsmodelle des e-Business unter besonderer Beachtung ihrer Erlösmodelle
Sören Auer (10/06):
Towards Agile Knowledge Engineering: Methodology, Concepts and Applications
Claudia Stocsits (11/06):
Comparative Genomics of Regulatory Sequence Elements
Peter Hornung (11/06):
Analysis of Thin Elastic Films
Alexander G. Litvinenko (11/06):
Application of Hierarchical Matrices for Solving
Multiscale Problems
Bernd Schmidt (11/06):
Effective theories for thin elastic films
Andrei Voinikonis (11/06):
Adaptiver Vermittlungsdienst für das Management
der Erinnerungsaufgaben in einem mobilen Gedächtnishilfesystem
Helge Thiele (1/07):
Beiträge zu matriziellen Potenzmomentenproblemen
Ina Fichtner (4/07):
Characterizations of Recognizable Picture Series
Fakultät für Sozialwissenschaften
und Philosophie
Olaf Terpitz (6/06):
Das ?tetl. Untergegangene Welt und Gedächtnisort.
Betrachtungen zur russisch-jüdischen Literatur nach
dem Holocaust
Anne-Katrin Schulze M.A. (7/06):
Rezeption von Spannung in Film und Fernsehen. Eine
empirische Studie
Daniela Scheidt (7/06):
Rechtspolitik im Spannungsfeld zwischen Sozialpolitik und Privatrechtsethik
Peter Heuer (7/06):
Art, Gattung, System. Logisch-systematische Analyse
einiger Grundbegriffe der Biologie
Sven Schaller (11/06):
Marginalität und Agrarreform in Peru. Eine Kritik der
Size-Yield-Inverse und der politischen Implikationen
Enrico Wolf (11/06):
Wenn das Fleisch spricht. Genretheoretische Aporien
filmästhetischer Gestaltungsprinzipien im pornografischen Film
38
Thomas Schmidt-Lux (11/06):
Wissenschaftliche Weltanschauung und Religion. Ein
Beitrag zur Theorie des Säkularisierungsprozesses
und seiner institutionellen Akteure am Beispiel der
URANIA
Ronald Gebauer (1/07):
,Arbeit gegen Armut‘. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems
Inga Schlimbach (1/07):
Emotionen und Informationsverarbeitung bei der
Medienrezeption
Mark-Steffen Buchele (1/07):
Der Wertbeitrag von Unternehmenskommunikation.
Theoretische Grundlagen, kritisch-analytische Bestandsaufnahme und dimensionale Modellierung
Sabine Sander (2/07):
Der Topos der Undarstellbarkeit in den ästhetischen
Konzeptionen Theodor W. Adornos und Jean-François
Lyotards
Juristenfakultät
Manja Hussner (6/06):
Die Umsetzung der Standards von Artikel 6 Abs. 3
EMRK in der neuen Strafprozessordnung Russlands
Friedrich Kühn (6/06):
Rundfunkrecht in Indien und Deutschland. Eine
rechtsvergleichende Untersuchung
Sascha Martin (6/06):
Vorläufige Steuerfestsetzung und Aussetzung der
Steuerfestsetzung nach § 165 Abgabenordnung
Bettina Mech (6/06):
EWR und europäische Integration – völker- und europarechtliche Probleme dargestelltam Bsp. Norwegens
Felix Böllmann (7/06):
Formalprivatisierung kommunaler Aufgabenerfüllung und Transformation – rechtsökonomische Analyse am Beispiel Russlands und Ostdeutschlands
Jalal Abed Ehadi (7/06):
Der Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen
in Deutschland und Ägypten mit Berücksichtigung
der Rechtslage von anderen arabischen Ländern insbesondere Jordanien und den Vereinigten Arabischen
Emiraten
Marion Eickhoff (7/06):
Berufsaufsicht der freien Berufe in geteilter Verantwortung von Kammern und Staat
Oliver Grimm (7/06):
Mitarbeitervergütung durch Aktienoptionen. Stock
options und die Berechnung arbeitsrechtlicher Abfindungs-, Entschädigungs- und Abgeltungsansprüche
Katja Güttler (7/06):
Subjektive öffentliche Rechte, Finanzautonomie und
Verfahren
Nadja Kroha (7/06):
Ärztliche online – Beratung – Ein europäischer
Rechtsvergleich mit Lösungsvorschlag
Beate Leingang-Ludolph (7/06):
Korrekturverwaltungsakte nach der Abgabenordnung
und ihre Gestaltungswirkung
Jens Porzucek (7/06):
Die Finanzkontrolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und ihrer Beteiligungsunternehmen
Daniel Schnabl (7/06):
DieAnhörungsrüge nach § 321 a ZPO. Gewährleistung
von Verfahrensgrundrechten durch die Fachgerichte
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und
Psychologie
Susanne Manetto (7/06):
Isomerisierende Wirkung von Thiylradikalen in Biosystemen
Markus Morawski (7/06):
Perineuronal nets – A potentially neuroprotective
structure against iron mediated oxidative processes in
Alzheimer’s and Parkinson’s disease
Angelika Gärtner (7/06):
Anforderungsbewältigung im aktuellen gesellschaftlichen Wandlungsprozess – eine gesundheitspsychologische multizentrische Studie
Katrin Walther (7/06):
Entwicklung und Evaluation eines interaktiven
Gedächtnishilfesystems für hirngeschädigte Patienten mit Beeinträchtigungen des prospektiven Erinnerns
Miriam Gade (7/06):
Aufgabeninhibition als Mechanismus der Konfliktreduktion zwischen Aufgabenrepräsentationen
Franziska Kopp (7/06):
Rehearsal-Prozesse im Arbeitsgedächtnis und EEGKohärenz
Christian Henze (7/06):
Untersuchungen zur Bedeutung der Interleukin-6-induzierten Serinphosphorylierung des Transkriptionsfaktors Stat3
Katja Stehfest (7/06):
Die FT-IR-Spektroskopie in der Pflanzenphysiologie
– Anwendungsmöglichkeiten für die Zellinhaltsstoffanalyse
Kristina Zanger (7/06):
Synthese und erste biologische Tests neuer Thalidomid-Derivate
Tobias Großmann (7/06):
Emotion Processing in the Infant Brain: Electrophysiological Insights into Infants’ Perception of Emotion
from Face and Voice
Uta Wolfensteller (7/06):
Habituelle und arbiträre sensomotorische Verknüpfungen im lateralen prämotorischen Kortex des Menschen
Karen Hurtienne (7/06):
Nutzeffekte multiprofessioneller Teamarbeit in familienorientierten psychologischen Beratungsstellen
kirchlicher Träger
Alejandra Villegas (7/06):
Untersuchung von Effekt- und Prozesswirkungen der
tanzorientierten Interventionsmethode Biodanza
Florian Th. Siebörger (8/06):
Funktionelle Neuroanatomie des Textverstehens:
Kohärenzbildung bei Witzen und anderen ungewöhnlichen Texten
Sabine Grimm (9/06):
Representations of auditory time: Pre-attentive and
attentive processing of temporal sound features
Anne Henning (9/06):
Early intersubjectivity and interaction in infancy
Franka Pluder (9/06):
Proteome Analysis to Study Signal Transduction of G
Protein-Coupled Receptors
Helena Cvijic (9/06):
Role of coactivators in transcriptional control of
STAT3-target genes
Holger Römpler (9/06):
Evolutionäre Aspekte der Struktur G-Protein-gekoppelter Rezeptoren: Implikationen für Rezeptorfunktion und physiologische Relevanz
Christiane Rammelt (9/06):
Untersuchungen zu Struktur- und Funktionsbeziehungen von Nukleotidyltransferasen
Franziska Lange (12/06):
Wirkungsmechanismen aktueller Therapieansätze der
Rheumatoid-Arthritis
Florian Heißig (12/06):
Evolution of primate gene expression
journal
Personalia
Anke Hannemann (12/06):
Charakterisierung des Promotors des Gens der P-Typ
6-Phosphofructo-1-kinase aus Mensch und Ratte
Katrin Schulze (12/06):
Neural Correlates of Working Memory for Verbal and
Total Stimuli in Nonmusicians and Musicians With
and Without
Yun Nan (12/06):
Music phrase structure perception: the neural basis,
the effects of acculturation and musicality
Susanne Dehmel (12/06):
Pharmakologische Charakterisierung inhibitorischer
Einflüsse auf die Signalverarbeitung im anteroventralen Cochleariskern der Wüstenrennmaus Meriones
unguiculatus
Ywona Goczalik (1/07):
Die Expression von Interleukin 8 (CXCL8) und seinen spezifischen Rezeptoren CXCR1 und CXCR2 in
glialen Zellen der gesunden und pathologisch veränderten Säugetiernetzhaut
Romy Kursawe (1/07):
Modifizierung der TSHR Signal-transduktion durch
posttrans-lationale Veränderungen und b-Arrestin
vermittelte Internalisierung
Manja Böhme (1/07):
Patterns of genetic diversitywithinaspecies:A case study
on the Green Lizard Lacerta viridis (Laurenti, 1768)
Juliane Bräuer (1/07):
Perspective taking and food competition in Great Apes
Korinna Eckstein (1/07):
Interaktion von Syntax und Prosodie beim Sprachverstehen: Untersuchungen anhand ereigniskorrelierter
Hirnpotentiale
Jörg Bahlmann (1/07):
Neural correlates of the processing of linear and hierarchical artificial grammar rules: Electrophysiological and Neuroimaging studies
Reimo Kindler (2/07):
Der Beitrag mikrobieller Biomasse zur Bildung der
refraktären organischen Substanz im Boden
Christian Ihling (2/07):
Identifizierung und Charakterisierung von Peptiden
und Proteinen mittels Fourier Transformation IonenZyklotron-Resonanz-Massenspektrometrie
Gundula Fischäder (2/07):
In vitro-Modelle zur Untersuchung von immunmodulierenden und inflammatorischen Effekten durch
flüchtige organische Verbindungen
Tina Paul (2/07):
Emotionale Arbeit in der Führung: Komponenten,
theoretisches Modell und konkrete Strategien
Jan Zwickel (2/07):
Specific Interference Effects Between Temporally
Overlapping Action and Perception
Veterinärmedizinische Fakultät
Sabine Rottmann (10/06):
Einfluss von nichtsteroidalen Antiphlogistika
(NSAID) auf hämatologische und klinisch-chemische
Parameter bei Rindern mit Dystokie
Silke Engl (10/06):
Untersuchungen zur Eignung einer neuen GnRHVariante zur Brunstinduktion bei pluriparen Sauen
Gerald Stumpf (10/06):
Feldstudie zu fieberhaften Erkrankungen des Pferdes
unter besonderer Berücksichtigung der Ehrlichiose
und des freien Endotoxins
Audrey Bagon (10/06):
Untersuchungen zum Nachweis und Differenzierung
von Campylobacter fetus subsp. venerealis beim Rind
mit konventionellen und molekularbiologischen
Methoden
Heft 3/2007
Christina Werner (10/06):
Klinische Kontrollstudie zum Vergleich des homöopathischen und chemotherapeutischen Behandlungsverfahrens bei der Therapie der akuten katarrhalischen Mastitis des Rindes
Monique Zimmermann (11/06):
Studien zur Epidemiologie und Therapie der Saugferkelkokzidiose
Claudia Preising (11/06):
Literaturstudie zum Vermehrungs- und Toxinbildungsvermögen von Clostridium botulinum, zu den
Eigenschaften des Botulinumtoxins sowie zum Vorkommen und zur Tenazität der Clostridium botulinum-Sporen
Sven Kurze (11/06):
Untersuchungen zur Häufigkeit, zu potentiellen Eintragsquellen sowie zur Prävention des SalmonellaVorkommens bei Schweinen am Beispiel Brandenburger Erzeugerketten unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte
Corinne-Constanca Martin (11/06):
Eine Untersuchung über die Realisierung des
HACCP-Prinzipes nach § 4 der LMHV in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung und der Gastronomie in der Stadt Karlsruhe
Kathrin Spekl (11/06):
Tierexperimentelle Untersuchungen zum Einfluss einer konditionierenden Vorbestrahlung (6 Gy) auf den
Fraktionierungseffekt in der Mundschleimhaut
Melanie Kleinschek (11/06):
Beyond Th1 and Th2: A non-classical immune pathway induced by Interleukin (IL)-23 complements IL12 in immunity to Cryptococcus neoformans infection
Frauke Hugo (12/06):
Einfluss von Mistelextrakt auf die Migration von kaninen Mammatumorzellen und die Genexpression
und das Wachstum von humanen B-NHL-Zelllinien
in Bezug auf den Einsatz der Misteltherapie bei
Mensch und Tier
Eva-Maria Schmölzer (12/06):
Untersuchungen zur Vitrifikation von immaturen und
In-vitro maturierten Rinderoozyten
Noelia Fernández Castro (12/06):
Untersuchungen zur Inaktivierung von Salmonella
enteritidis auf der Schale von Bruteiern mit Ozongas
Doreen Nöbel (12/06):
Untersuchungen zur Osteointegration und Resorbierbarkeit von Implantatbeschichtungen für den Knochenersatz – Eine histologische und histomorphometrische Studie am Tiermodell
Matthias Angermann (12/06):
Vergleichende biometrische und funktionsanalytische
Auswertung von Röntgenaufnahmen des Kopf-HalsÜberganges klinisch gesunder Hunde
Matthias Hoops (12/06):
Peripartaler Stoffwechsel und Morbidität bei Hochleistungskühen während eines Jahres
Norman Ständer (12/06):
Untersuchungen zum Einfluss von neurotoxinhaltigen Kulturüberständen der Clostridium botulinum Toxovare A bis G auf eukaryote Degradierungssysteme
am Modellorganismus Tetrahymena pyriformis GL
Gunter Hädrich (12/06):
Untersuchungen zu der Entwicklung der Körperkondition, dem peripartalen Stoffwechsel und der Morbidität von Hochleistungskühen
Sportwissenschaftliche Fakultät
Karina Dubois (1/07):
Die sportliche Aktivität von Frauen als Bestandteil
ihrer Lebenweise – untersucht im Muldentalkreis
Ines Pfeffer (1/07):
Motivation zur Verhaltensänderung im gesundheitlichen Sport – Effekte einer psychologischen Intervention in 12-wöchigen Ausdauerkursen
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Jörg Michael Hipp (12/06):
Änderung der jahresabschlusspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten und weiter reichende Konsequenzen für die Unternehmenspolitik deutscher Lebensversicherungsaktiengesellschaften
Angela Göllnitz (1/07):
Programmplanung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Konzeptionelle Gestaltung am Fallbeispiel Mitteldeutscher Rundfunk
Christina Keller (1/07):
Querkrafttraverhalten von Biegebauteilen
Holger Schneider (1/07):
Zum Tragverhalten kurzer, umschnürter, kreisförmiger Druckglieder aus ungefasertem UHFB
Rüdiger Volk (1/07):
Evaluierung kritischer Erfolgsfaktoren eines New
Workout Managements zum Zwecke der Ableitung
von Handlungsimplikaturen für die Optimierung des
Workout-Prozesses
Philologische Fakultät
Silvio Brendler (4/07):
Grundlagen der englischen Zunamenforschung
Medizinische Fakultät
jeweils 9/06:
Christiane Pleul:
Lebensqualität gemessen mit dem SF-36, Inanspruchnahme medizinischer Versorgung und Krankheitskosten bei Patienten mit altersabhängiger Makuladegeneration
Susanne Meister:
Prospektive, longitudinaleUntersuchung zu Einflussfaktoren auf Adipositas im Kindes- und Jugendalter
in der Region Leipzig sowie Prädiktoren des Behandlungsverlaufes
Niels Büttner:
Muskelfasertpen und Myosin-Isoformen in der Kehlkopfmuskulatur des Menschen
Stephanie Elsner:
Untersuchungen zu Dentallegierungen als Hilfsmittel
zur Identifikation unbekannter Toter
Evelyn Escher:
Verringerung des Ischämie/Reperfusionsschadens
durch Einsatz eines selektiven EndothelinA-Rezeptor-Antagonisten (BSF 208075) nach Pankreastransplantation am Schwein
Antje Haut:
Untersuchungen mit potentiellen Soforttyp-Allergenen von Taubenzecken (Argas reflexus) und Scabiesmilben (Sarcoptes scabiei) am Modell der In-vitro-Histaminfreisetzung aus humanen basophilen
Leukozyten
Viola-Maria Lindenthal:
Praxisorientierte Vorschläge zur Verbesserung der
Impfrate im Sene Distrikt in Ghana
Gerald Robert Ludäscher:
Inzidenz und Verlauf von Atemwegsstörungen nach
Allgemeinanästhesien
Ina Naumann:
Modulation funktioneller Katecholamineffekte auf
die Zytokin-Produktion von T-Zell-Subpopulationen
nach Vorinkubation mit Interleukin-2
Hagen Rehor:
Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Blasinstrumentalisten
39
UniVersum
Wozu sind Universitäten überhaupt
da? Zur Optimierung von Forschung
und wissenschaftlicher Lehre – und je
stärker beide verbunden sind, desto
besser. Diese Auffassung ist richtig.
Aber das ist nicht alles. Mindestens
ebenso wichtig ist: Universitäten sind
kein Ort für Denkverbote, weder für
explizite noch für die durch die Schere
im eigenen Kopf. Im Gegenteil: Sie
sind der Ort, für den – im jeweiligen
Rationalitätsrahmen der verschiedenen Disziplinen – das offene, meinungsfreiheitliche und furchtlos soli-
täre und gemeinsame Nachdenken
grundrechtlich zugesichert ist. Die
Universität bildet nicht nur Fachexperten aus, sie erzieht auch zum öffentlichen Gebrauch von Vernunft.
Das ist keine freiwillige Luxusleistung
von Seiten der Universität; es ist nach
dem Grundgesetz ihre Pflicht.
Dieser
zweite
Gesetzes-Auftrag
kommt an den meisten Universitäten
zu kurz. Ihm nachzukommen, erfordert bei den gegenwartsbezogenen
und zukunftsrelevanten Problemen, je
größer diese werden, entsprechend
zunehmend Mut.
Die Universität Leipzig nahm im
Wintersemester 2003/04 diese Herausforderung an und erweiterte ihr
bisheriges Veranstaltungsrepertoire
um „Das Sonntagsgespräch“. Am
24. Juni um 11 Uhr findet nunmehr
das 25. Sonntagsgespräch statt, dieses Mal im Neuen Rathaus.
Von Anfang an dabei ist Organisator
und Philosoph Prof. Dr. Georg
Meggle. Ihn befragten Dr. Manuela
Rutsatz und Tobias D. Höhn.
„Wir wollen brisante Dinge
beim Namen nennen“
„Das Sonntagsgespräch“ bietet seit 2003
Orientierungshilfe in streitbaren Fragen
Für die Leipziger Öffentlichkeit ist „Das Sonntagsgespräch“ heute ein etabliertes Markenzeichen der
Universität. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Diese Veranstaltung entspricht offenbar einem echten
Bedürfnis des eher kritischen Sektors der Öffentlichkeit.
Wem die üblichen Talkshows nicht reichen, wem politische
Korrektheit nicht das Höchste ist, wer auch die brisantesten Dinge beim Namen genannt wissen will, wer von
Denkverboten nichts hält –
für den sind, so jedenfalls
das Konzept, die Sonntagsgespräche mit der Universität das Richtige. Freie
Rede ist hier schließlich
vom Gesetz her garantiert.
Und ich glaube, dass es gerade die Leipziger Bürger
besonders zu schätzen wissen, dass ihre Universität von dieser Garantie auch extensiven Gebrauch zu machen bereit ist.
„
(April 2002 bis Februar 2003). Danach hatten nicht wenige Teilnehmer ersichtlich „Entzugserscheinungen“ –
und fragten, wann es denn die nächste gäbe. Nach der abschließenden Pressekonferenz, in der dieses öffentliche
Diskussionsbedürfnis sich deutlich Gehör verschaffte,
stand ein kleiner Kreis (Monika Krüger, die damalige Prorektorin; Klaus Bente, Leiter des Studium Universale; der
Leiter der Pressestelle Volker Schulte, Walter Altmann für
die Vereinigung der Förderer und Freunde und ich)
noch länger zusammen –
und am Ende dieser Runde
war klar: Wir wollen, dass
es „Das Sonntagsgespräch“
gibt. Das Rektoratskollegium fand die Idee großartig; die Vereinigung der
Förderer und Freunde auch.
Das 1. Sonntagsgespräch fand am 19. Oktober 2003 statt.
Ted Honderich, dessen Buch „Nach dem Terror“ kurz zuvor vom Suhrkamp Verlag aus dem Verkehr gezogen worden war, sprach zum Thema „Gibt es ein Recht auf Terrorismus?“. Die Veranstaltung fand unter Polizeischutz statt.
Das war gut so; sonst hätte sie nicht stattgefunden. Mit ei-
Die erste Veranstaltung
fand unter Polizeischutz
statt.
Wie ist es zu dieser Reihe überhaupt gekommen?
Sie ist eine Folge der von mir geleiteten Öffentlichen Universitätsringvorlesung „Terror & Der Krieg gegen ihn“
40
“
journal
UniVersum
Welche Veranstaltungen sehen Sie selbst
als die bisherigen Höhepunkte an?
Außer der eben genannten Eröffnungsveranstaltung die mit Peter Singer, Uri Avnery
und die mit Noam Chomsky, wobei die
beiden letzteren zugleich Veranstaltungen
aus der Ringvorlesung Deutschland/Israel/
Palästina (April 2005 bis Februar 2006)
waren. Und natürlich sehe ich auch der
kommenden Jubiläumsveranstaltung mit
Julian Nida-Rümelin mit großen Erwartungen entgegen.
Sie haben sich entschlossen, nach diesem
25. Sonntagsgespräch für die Leitung
dieser Reihe nicht länger zur Verfügung
zu stehen. Warum?
Weil 25 Veranstaltungen in Serie auch für
jemanden, der solche Dinge gerne macht,
wirklich genug sind. Zudem ist es, nachdem die Sonntagsgespräche als etabliert
gelten können, auch um der Reihe selbst
willen besser, denke ich, dass diese nicht
zu lange mit ein und derselben Person identifiziert wird. Das Rektorat und die Vereinigung der Förderer und Freunde der Universität – die beiden Säulen, auf denen
diese Reihe bislang ruht – wollen die Sonntagsgespräche fortführen. Ich mache mir,
was die unmittelbare Weiterführung der
Universitätssonntage angeht, keine Sorgen.
Und langfristig?
Ob unsere Universitäten über die Forschung und Lehre hinaus weiterhin der Ort
sein wird, an dem auch die nicht-universitäre Öffentlichkeit erfahren kann, was es
heißt, wenn Denker – also mitunter auch
extrem dissidente Denker wie Chomsky,
Honderich oder Singer – sich, wie es bei
Kant heißt, „öffentlich des eigenen Verstandes bedienen“, wer will das wissen?
Ich kann nur hoffen, dass unsere Öffentlichkeit selbst weiterhin danach verlangt.
Ich würde mir daher wünschen, dass sich
„Das Sonntagsgespräch“ zu einem echten
Gemeinschaftsprojekt der Universität und
der Stadt Leipzig weiterentwickelt.
www.uni-leipzig.de/sonntag
Heft 3/2007
Foto: G. Meggle und www.photocase.com
nem klareren Signal dafür, dass die Universität tatsächlich zu ihrem Auftrag steht,
auch in sehr heißen Fragen Orientierungshilfe zu leisten, hätte die Reihe der Sonntagsgespräche nicht beginnen können.
Julian Nida/Rümelin (München)
Demokratie und Wahrheit
ÖFFENTLICH. EINTRITT FREI
JUNI
24
2007
Muss eine Demokratie, um den zivilen Frieden zu sichern, auf Wahrheitsansprüche verzichten? Diese Frage ist vor allem mit Blick auf die
gegenwärtigen religiösen und kulturellen Konflikte von großer Brisanz.
Julian Nida-Rümelin entwickelt die These, dass normative Wahrheitsansprüche in der Politik unverzichtbar sind. Ohne sie verliere die Demokratie ihre humane Substanz.
Dr. Julian Nida-Rümelin ist Professor für Philosophie und Politische Theorie an der Ludwig
Maximilians Universität München und gehörte
als Kulturstaatsminister von 1998 bis 2000 dem
ersten Kabinett von Bundeskanzler Gerhard
Schröder an.
Nida-Rümelin hatte Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaft studiert. Nach
Promotion und Habilitation lehrte er in München, Minneapolis (USA), Tübingen, Berlin,
Göttingen, Brügge (Belgien), St. Gallen (Schweiz) und seit April 2004
wieder in München. Der Schwerpunkt seiner Lehr- und Forschungstätigkeit liegt im Bereich der interdisziplinären Rationalitätstheorie
(Philosophie, Ökonomie, Politische Theorie) und der Angewandten
Ethik (Unternehmen-, Wissenschafts-, medizinische Ethik).
r.
41
Juli 2007
Heft 4/2007
ISSN 1860-6709
Deutschunterricht im Knast
mit Insassen und Studenten
S. 3
Noch informativer, noch lesefreundlicher
Leserumfrage: Ihre Meinung ist gefragt
Beilage
Halle, Jena und Leipzig
begründen Archivaustausch
S. 8
Allerlei Adel zu Gast
1909 – ein Uni-Jubiläum mit Weltgeltung
S. 17
Außenseiter, Spitzenreiter: Uni
siegt im Professoren-Fußball S. 12
Studentischer Idealismus
und Klingereuphorie
S. 30
journal
Studieren mit Kind
Auf dem Weg zur familienfreundlichen Universität
EDITORIAL
UNIVERSITAT LEIPZIG
Inhalt
UniVersum
campus 2007 lockt 11000 Besucher
Deutschunterricht hinter Gefängnismauern
Nachdenken über die Universität – Die Juniorprofessur: ein verkanntes Erfolgsmodell
SANDiE vergibt erstmals Preise
Die Welt von Leibniz-Professor Gumbrecht
Gastvortrag von Ministerpräsident Milbradt
zur Verschuldung öffentlicher Haushalte
Leipzig gewinnt Professoren-Fußballmatch
Die Kunst des Bücherheilens
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12
13
Gremien
Sitzung des Senats am 8. Mai
Sitzung des Senats am 12. Juni
14
15
Jubiläum 2009
Anekdoten, Fragmente, Notizen
Gesichter der Uni: Miklós Rózsa
1909 – ein Uni-Jubiläum mit Weltgeltung
16
16
17
UniCentral
DFG unterstütztKinderbetreuung
Leben nach Stundenplan – ein Tag im Leben
zweier studentischer Mütter
Wissenschaftliche Begleitung auf dem Weg
zur familienfreundlichen Universität
2
3
6
7
9
18
20
21
Forschung
Politikwissenschaft: Strategien gegen Rechts
Genetische Ursache von Übergewicht
Sammelband zum Auwaldkran-Projekt
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Fakultäten und Institute
Ackerknecht-Preis für Professor Oechtering
Kranke Kinder lieben „meepl“
Alles Milch: Kuh, Lama, Wasserbüffel
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28
Studiosi
Idealismus und Klingereuphorie
Auszug aus dem Kroch-Haus
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Personalia
Der britische Sprachmagier James Hopkin
Pharmazie-Professor Eger geht in Ruhestand
Nachrufe für Werner Otto und Rolf Schöllner
Neu berufen
Ehrendoktorwürde für Prof. Klaus Wandelt
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37
Am Rande
Geburtstage
Nomen
Impressum
14
36
35
2
Titelfoto: Jan Woitas
Familienfreundliche
Universität
Kinderbetreuung – das Thema beherrscht seit Monaten die
Diskussion in den Medien Deutschlands. Bundes- und Landespolitik diskutieren über „best practice“, und auch an der Universität Leipzig ist es deutlich zu spüren. Sowohl im Alltag
der jungen Eltern, die hier studieren oder arbeiten, als auch
in der Hochschulleitung: Nicht zuletzt wird das Thema in den
Gesprächen mit der DFG und anderen Drittmittelgebern, aber
auch in Berufungsverhandlungen deutlich. Wir haben hier
noch viel zu tun, und deshalb gibt es seit dem 24. Mai auch
einen Rektoratsbeschluss für die Initiative „Familienfreundliche Universität“.
Diesen Titel möchten wir als Universität Leipzig in den nächsten Jahren erwerben und folgen deshalb einem Vorschlag der
Gleichstellungsbeauftragten Dr. Monika Benedix, die verschiedenen Initiativen von Fakultäten und Instituten zusammenzuführen.
Die Idee ist klar definiert: Wir wollen und wir müssen Möglichkeiten zur Kinderbetreuung anbieten,
die insbesondere die üblichen Kernzeiten kommunaler Angebote überschreiten. Zielzeitraum ist
das Jahr 2009. Pünktlich zum 600. Geburtstag
der Universität sollte eine betriebsnahe Kinderbetreuung an der Universität Leipzig funktionieren.
Einen Maßnahmen- und Kostenplan hat eine
inneruniversitäre Projektgruppe, geleitet von Frau
Dr. Benedix, vorgelegt. Unterstützung erfährt das
Projekt durch die Arbeitsgruppe „Junges Leipzig“
im Rahmen der gemeinsamen Jubiläumsvorbereitungen.m
Künftig soll es eine zentrale Koordinierungsstelle geben, die
Anfragen den jeweiligen Projekten an Fakultäten oder Instituten zuleitet. Viele dieser Projekte sind bereits angelaufen,
und eine Auswahl stellt sich in diesem Journal vor. Diese „kleinen Inseln“ untereinander zu verbinden, ist die Aufgabe in
der nächsten Zeit.
Vor allem die Nachwuchswissenschaftlerinnen sollen künftig
in ihrer Karriere an der Universität Leipzig unterstützt werden.
Welcher Kindergarten vermag in Leipzig Kinder über Nacht
oder am Wochenende zu betreuen? Dieses Problem haben
nicht nur die Wissenschaftler, die in der Laborarbeit stecken
oder Experimente betreuen. Auch eine Geisteswissenschaftlerin benötigt für die abendliche Bibliotheksarbeit Zeit.
Zunächst soll im Projekt „Familienfreundliche Hochschule“
der Bedarf für die gesamte Universität genauer erfasst werden. Statistisch geht man im Moment von einer Nachfrage
an Kinderbetreuungsplätzen in Höhe von sechs bis acht Prozent aus, also knapp 2 000 Kinder, die eventuell auch einmal außerhalb der üblichen Krippen- und Kitazeiten betreut
werden müssten.
Wenn alles nach Plan läuft, werden wir schon bald eine zentrale Koordinierungsstelle für die Eltern in unserer Universität
haben, die vielfältige Angebote vermittelt: Zum Beispiel
Wochenendhotel für Kinder oder (Abend-)Betreuung.
Prof. Dr. Franz Häuser, Rektor der Universität Leipzig
1
Freibier zur Eröffnung von campus
2007: Alumnus Aristides R. Lima (Kap
Verde), Rektor Franz Häuser, Dezernent
Dr. Ralf Schulze und Ur-Krostitzer-Geschäftsführer Wolfgang Welter (v. l.).
campus 2007
weckte
Wissensdurst
Information, Sport und Musik –
11000 begeisterte Besucher
Von Tobias D. Höhn
Schulabgänger informierten sich über
Studienmöglichkeiten und entdeckten
Wissenschaft hautnah.
Journal
Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen
und Freunde der Universität Leipzig
Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig,
Ritterstr. 26, 04109 Leipzig
Redakteur: Dipl.-Journ.Tobias D. Höhn
Ritterstr. 26, 04109 Leipzig
Tel.: 03 41 97-3 50 24, Fax: 03 41 97 - 3 50 29
E-Mail: journal@ uni-leipzig.de
V.i.S.d.P.: Dr. Manuela Rutsatz
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
Meinung der Autoren wieder.
Gesamtherstellung: Druckerei zu Altenburg GmbH,
Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg
Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH,
Ansprechpartnerin: Ingeborg Keller
Tel.: 0 34 47 55 51 53
E-Mail: ingeborg.keller@ dza-druck.de
campus 2007 war eine Premiere im dreifachen Sinn: Erstmals auf dem Marktplatz,
erstmals ohne Regen zur Eröffnung und
erstmals mit dem Parlamentspräsidenten
der Republik Kap Verde. Voller Begeisterung sprach der berühmte Alumnus der
Alma mater über seine Studienzeit in Leipzig Anfang der 1980er Jahre, als er Rechtswissenschaften studiert hatte. „Der jungen
Generation sage ich: Leipzig war geil und
Leipzig ist geil – als Stadt und als Wissenschaftsstandort“, so Aristides R. Lima
„Was ich hier gelernt habe, konnte ich auch
in meinem Land anwenden. Und ich
glaube, ich bin damit nicht schlecht über
die Runden gekommen“, sagte er in perfektem Deutsch.
Gemeinsam mit Rektor Prof. Dr. Franz
Häuser eröffnete er nach dem traditionellen Fassbieranstich den „Markt der Wissenschaft“. Die a-capella-Gruppe Uni5ono, die
vor einem Jahr gegründete Uni-Bigband
und das Valentin-Stahl-Quartett – allesamt
Studenten – zeigten die Vielgestaltigkeit
der Universitätsmusik, was Universitätsmusikdirektor David Timm mit seinem
Jazzensemble und andere Gruppen am
Samstag zu ergänzen wussten.
Im Mittelpunkt von campus 2007 stand
am Samstag die Forschungslandschaft. In
16 Zelten wurde dank spannender Experimente, Vorführungen und Vorträgen
Wissenschaft zum Anfassen erlebbar. Die
Geistes- und Sozialwissenschaften, die
Naturwissenschaften, die Tier- und Humanmedizin stellten aktuelle Forschungsprojekte vor, erklärten Alltagsphänomene („Warum hält Ihr Kaffee Sie
wach?“) und gaben Tipps bei (Volks-)
Krankheiten wie Bluthochdruck und Borreliose.
Mehr als 11 000 Leipziger strömten bis
Samstagabend auf den Markt. Kinder
testeten ihren Geruchssinn, bastelten und
waren begeistert vom Streichelzoo. Erwachsene konnten ihr Wissen im Quiz der
Rechtswissenschaften testen, logische Fähigkeiten trainieren und einen Blick in die
Anfangszeit der Computer gewinnen. Viele
Schulabgänger informierten sich über ein
Studium in Leipzig und den im Bau befindlichen Campus am Augustusplatz.
Wo die einzelnen Organe im Körper angeordnet sind, demonstrierte Dr. JanMatthias Braun, Translationszentrum für
Regenerative Medizin.
Guten Sound brachte die Uni-Bigband
am Freitagabend auf den Marktplatz.
Fotos: Tobias D. Höhn
Das Journal kann gegen Übernahme der
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Die Redaktion behält sich vor, eingesandte
Artikel zu redigieren und zu kürzen. Bei unverlangt eingesandten Manuskripten besteht keine
Gewähr für einen Abdruck.
Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, sofern
die Quelle angegeben wird. Ein Belegexemplar an
die Redaktion wird erbeten.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 14. 6. 2007
ISSN 1860-6709
2
journal
UniVersum
Deutschunterricht hinter
Gefängnismauern
Ein Seminar von Germanistikprofessor Meier
„Als ich dieses Seminar im Vorlesungsverzeichnis fand, wusste ich, dass ich das
belegen wollte. Endlich mal ein besonderes Angebot, ein Seminar, das neue Erfahrungen versprach“, begründete die Studentin Ann Reinhöfer ihre Teilnahme am
Seminar „Deutschunterricht im Knast“.
Eigentlich wollte sie ja Grundschullehrerinnen werden, erklärte auch
die Kommilitonin Janine Pohle.
Aber wo steht geschrieben, dass der
Umgang mit Schülern nur und ganz
allein mit Schülern im Kindes- und
Jugendlichenalter zu erlernen ist?
Wer arbeitet heutzutage sein Leben
lang im gleichen Beruf und mit der
gleichen Klientel von Leuten?
Didaktik der deutschen Sprache und
Literatur, also das Vermitteln von
Lerninhalten, ist in jedem Fall das
Metier von Professor Bernhard
Meier vom Institutfür Germanistik.
Während es hierbei jedoch zumeist
um schulisches Lernen geht, wollte
er mit dem Seminar im Knast nun
erstmals unbekanntes Terrain betreten.
Insgesamt haben sich etwa 30 Studentinnen eingeschrieben, in drei kleine Gruppen besuchten sie die Haftvollzugsanstalt
Leipzig.
Vor dem Start des Deutschunterrichts im
Knast gab es die intensive Vorbereitung,
die viel Raum für Fragen ließ. Erst nach der
Heft 4/2007
Besichtigung und vorbereitenden Seminaren trafen die Studentinnen auf die kleine
Gruppe von acht Insassen, die durch die
Haftanstalt ausgewählt waren.
Anke Heimann, 6. Semester, beschrieb das
erste Zusammentreffen folgendermaßen:
„Wir waren schon sehr nervös, da wir nicht
recht einschätzen konnten, was uns erwartet. Für uns gut war, dass wir die jeweiligen persönlichen Geschichten bereits in
diesem ersten Treffen erfuhren“.
Die Ungewissheit innerhalb dieses Projektes war für beide Seiten sehr groß, die Beiträge der von den Insassen und Studierenden gemeinsam angefertigten „Knastzeitung“ machen dies deutlich.
Immer wieder liest man hier von
Ängsten
und
Vorurteilen.
Schnell kann einem dann klar
werden, wie wichtig der Ausblick in andere, beispielsweise
sozial hoch angespannte Lebensbereiche, ist. Selbst der Leiter und Initiator von „Deutsch im
Knast“, Professor Meier, war
sich seiner Sache nicht immer
ganz sicher. Immerhin war es das
erste Mal, dass Leipziger Studenten für einen Deutschkurs
ausgerechnet Häftlinge als Lerngruppe hatten.
„Und dann war es für uns doch überraschend, wie schnell wir miteinander
ins Gespräch kamen und wie interessant
diese waren“, resümierte Studentin Dana
Bogenhardt. Während die Insassen die
Chance nutzten, mit den Studentinnen eher
alltägliche Probleme wie das Vorbereiten
von Bewerbungen und Lebensläufen zu
besprechen, so lernten die Studentinnen
viel auch über philosophische und soziale Fragen, über Situationen und Konstellationen.
Und so geht die Idee des Seminars am
Ende doch auf. Bernhard Meier fasst
zusammen: „Das Arrangieren mit ungewöhnlichen Situationen ist ein wichtiger Bestandteil des Lehrerberufs. Und
nicht nur das. Wer übt heute sein Leben
lang ein und denselben Beruf aus? Vorurteilsfrei in Situationen gehen können
– das ist nicht nur für die künftigen Lehrerinnen und Lehrer gut“.
r.
Während des Seminars „Deutsch im
Knast“ erarbeiteten Insassen und
Studenten eine gemeinsame Zeitung.
Die Ausschnitte stammen von einer
Studentin.
Foto: Woitas/Repros: Kühn
3
UniVersum
„Meine Gedanken
sind frei“
Ein Häftling berichtet über einen
ganz normalen Tag in der JVA
Mein Name ist Michael*, und ich bin 22
Jahre alt. Im Juli 2006 wurde ich verhaftet
und in die JVA Leipzig überführt. Nun haben wir den 15. Mai, und dieser Tag wird
sehr ereignisreich im tristen Knastalltag.
Ach Scheiße, schon wieder wurde ich bei
einem schönen Traum aufgeweckt und
zwar von unseren Hausarbeitern, denn es
ist 6.30 Uhr, und ich muss mein Frühstück
in Empfang nehmen. Das heißt: Raus aus
den Federn und noch im Tiefschlaf zwei
Brötchen, Marmelade und die Margarine
an der Tür entgegennehmen. Heute habe
ich keine Briefe oder Anträge abzugeben,
also machen sie die Tür wieder zu. Da
heute Dienstag ist, ist in einer Stunde Hofgang (…).
Oh Mann, schon 7:30 Uhr. Ich muss mich
noch schnell anziehen bevor es zum Hofgang geht. In der ersten Stunde im Freien,
werde ich gegen den Uhrzeigersinn im
Kreis laufen und mich mit jemandem unterhalten, damit mir nicht allzu langweilig
wird. Am liebsten würde ich lieber
Volleyball spielen, aber heute sind wir auf
der anderen Seite und einen Ball haben wir
auch nicht mehr.
Punkt 8.30 Uhr heißt es: Einkauf!! Ich
nehme meine Tasche, mein Leergut und
meinen Einkaufsschein und bewege mich
rasch zur Treppe in Richtung Keller, denn
dort befindet sich der Tante-Emma-Laden,
von den Preisen her könnte es sogar stimmen. Hier gibt es eigentlich alles was man
so braucht, von einer Zahnbürste bis zum
Kamm, von Kaugummi bis zum Fernseher,
aber heute werde ich nicht alles ausgeben,
da ich mir eine teure Anschaffung leisten
möchte. Heute kann ich mir nicht so viel
Zeit beim Einkauf lassen, da vier Wochen
lang jeden Dienstag um 9.00 Uhr Schule
ist, denn ich besuche einen Germanistikkurs. Deswegen jetztschnell nach oben, ordentlich anziehen und noch einen Spritzer
nicht genehmigtes Parfum auflegen. Geschafft. Um 9.00 Uhr betrete ich den Klassenraum und begrüße den Dozenten und
die angehenden Lehrerinnen. Ja, ihr habt
richtig gehört, Frauen besuchen uns jeden
Gemeinsam stellten die Häftlinge ein Wörterbuch mit Begriffen aus dem GefängnisSlang und der hochdeutschen Übersetzung zusammen. Repro (Ausschnitt): R. Kühn
4
Dienstag. Es ist richtig angenehm mal
weibliche Gesellschaft zu haben und ich
muss zugeben, dass ich jedes Mal ein bisschen aufgeregt bin, denn sonst sehe ich ja
bloß schöne Frauen im Fernseher. Aber die
Hauptsache ist ja, dass ich etwas lerne und
Beschäftigung habe und nicht nur in die
Röhre starre. Leider ist es schon 11:00 Uhr
und willkommen in der Realität. (…)
Nun sitze ich wieder um 11:15 Uhr in meiner Einzelzelle, schalte den Fernseher ein
und gebe mich dem Mittagsprogramm hin.
Da geht auch schon nach ein paar Minuten
die Tür auf und ich nehme mein Mittagessen entgegen. Heute ist Dienstag, und es
gibt wie fast immer Nudeln. Für mich ist
das Essen wie ein Schlag ins Gesicht, aber
ändern kann ich alleine es nicht, also Augen zu und rein damit. Mit halbvollem Magen lege ich mich ein bisschen ins Bett, um
die Zeit bis 13.00 Uhr rumzukriegen, denn
dann ist Aufschluss. Obwohl die Freizeit
eigentlich total langweilig ist, freut man
sich doch irgendwie darauf. Meine Tür ist
dann zwei Stunden auf und ich kann mich
auf meiner Abteilung frei bewegen. Entweder wird gekocht, geduscht oder Tischtennis gespielt, 13.30 Uhr findet Kraftsport
statt. Beim Gewichtheben und Hanteltraining kann ich mich wenigstens richtig auspowern und meine Wut rauslassen. Natürlich auch etwas für meinen Körper tun.
Einschluss! Um 15.00 Uhr werden die Türen geschlossen und der Tag ist in dem
Sinne vorbei. Ich werde nun noch etwas
Kaffee trinken und den Rest des Tages verbringe ich damit, mich irgendwie von
Knast abzulenken, entweder schaue ich
Fern oder höre selbstaufgenommene Musik, lasse meine Gedanken schweifen, und
die sind bekanntlich immer noch frei, und
die können sie mir nicht nehmen. Um
16.30 Uhr werde ich noch einmal gestört,
denn es gibt das Abendessen, das aus vier
bis sechs Scheiben Brot, Wurst und/oder
Käse besteht. Den Tag lasse ich nun bis
23.30 Uhr mit Serien oder Spielfilmen
ausklingen. Und morgen geht’s von vorne
los.
(* Name geändert)
Auf dieser Doppelseite finden Sie zwei Beiträge sowie Illustrationen aus der „Knastzeitung“. Diese entstand in dem Seminar
„Deutschunterricht im Knast“ als gemeinsames Produkt von künftigen Deutschlehrerinnen und Insassen eines Leipziger Untersuchungsgefängnisses. Das Seminar fand im
Sommersemester 2006 erstmals statt und
wurde durch Professor Dr. Bernhard Meier
geleitet.
journal
Das erste Mal
Warum ein Gefängnis eine gute Schule sein kann
Von Prof. Dr. Bernhard Meier, Institut für Germanistik
Es ist wie beim ersten Mal: du bist entschlossen und zurückhaltend, zielgerichtet
und abwägend, unsicher und doch nicht
halbherzig. Du willst es. Du machst es.
„Bist du verrückt geworden? Mit den Mädels in den Knast gehen? Du sollst Lehrer
ausbilden. Für die Berufsschule, die Mittelschule, die Grundschule, das Gymnasium. Doch nicht für die JVA.“ So tönt ein
Kollege.
Er hat Recht – und Unrecht. Recht – weil
die Studentinnen später an Schulen unterrichten wollen – Unrecht – weil die Zeiten
vorbei sind, wo du einen Beruf erlernst und
meinst, ihn ein Leben lang ausüben zu können. Du willst Lehrer werden, und findest
dich plötzlich nicht mehr in der Schule,
sondern in der Klinik, in einer JugendReha – oder im Knast.
Was erwarten die von uns? – so schießt es
uns durch den Kopf. Grammatik? Rechtschreiben? Schreiben? Lesen? Reden –
über Gott und die Welt, Freiheit und Tristesse, Schuld und Sühne?
Natürlich bin ich unsicher. Ist meine Entscheidung richtig? Noch dazu die Mädels
in die JVA mitschleppen? Wer geht schon
freiwillig in den Knast? Das müssen doch
Spinner sein! Die Mädels sind keine Spinner. Sie nehmen ihren Beruf ernst. Sie
engagieren sich.
Das erste Mal. Lockere Atmosphäre. Vertrauen und Respekt. Vielleicht sogar menschliche Wärme. Ich bewundere die Offenheit
der Gefangenen. Und das pädagogische
Geschick meiner Mädels. Ja, ich bin stolz
auf sie. Sie sind dabei, ein Pflänzchen zum
Blühen zu bringen. Wir glaubten, Knastis
anzutreffen. Wir trafen auf Menschen.
„Wer geht schon freiwillig in den Knast“, fragt Prof. Bernhard Meier. Die Zeitung (o.)
bleibt lebendige Erinnerung für Studenten und Häftlinge. Foto: Woitas/Repro: Kühn
Heft 4/2007
5
UniVersum
Die Juniorprofessur – ein
verkanntes Erfolgsmodell
Plädoyer für eine ungeliebte Erfindung
Von Juniorprofessor Dr. Alexander Weiß, Historisches Seminar
Die Juniorprofessur hat seit ihrer Erfindung ein schweres Leben. Als Wiederauflage der in den 1970er Jahren rasch zu
Grabe getragenen Assistenzprofessur
wurde sie diffamiert, von den Freistaaten
Bayern, Sachsen und Thüringen vor dem
Bundesverfassungsgericht verklagt, in der
ZEIT im Juli vergangenen Jahres bereits
mit einem „Nachruf“ bedacht. Aber ist die
Juniorprofessur wirklich ein tot geborenes
Kind des von uns allen gescholtenen Reformübermutes der Bildungspolitik? Oder
hat das Kind nicht viel eher deswegen
Laufschwierigkeiten, weil die Hochschulen ihm bei seinen ersten Gehversuchen
unnötig Knüppel zwischen die Beine werfen?
Es gibt Strickfehler, die der Politik anzulasten sind. Dass mit der Einführung der
Juniorprofessur versucht wurde, die Habilitation, an der viele Herzen hängen,
zwangsweise abzuschaffen, war ihrem Ruf
sicher nicht dienlich und hat unnötige Abwehrreflexe provoziert. Mal ganz ehrlich:
Jeder Nachwuchswissenschaftler weiß,
dass der Weg zur Professur nach der Promotion auch weiterhin mit dem Erforder-
nis qualitativ hochwertiger Publikationen
gepflastert sein wird, gleichgültig ob man
sein „Zweites Buch“ oder seine 20 bis 50
paper durch ein Habilitationsverfahren
bringt oder nicht.
Ein weiterer Strickfehler ist die unsinnige
Zwölf-Jahresregel, in welche die Qualifikationsphase eines Nachwuchswissenschaftlers eingezwängt wurde. Hatten die
Assistenten vormals nach erfolgter Habilitation in der Regel noch einmal vier Jahre
Zeit, sich von einer Oberassistentenstelle
aus auf eine Professur zu bewerben, so
werden Juniorprofessoren wie Assistenten,
die trotz erstklassiger Leistungen nach
Abschluss ihrer Qualifikationsphase nicht
gleich auf eine Professur berufen werden,
sich zukünftig aus einer soliden Hartz IVBesoldung heraus bewerben. Dieses Problem ist auch mit der jüngst erfolgten
gesetzlichen Nachbesserung (Stichwort
Drittmittelstellen) nicht behoben, denn wer
hat schon immer rechtzeitig sprudelnde
Drittmittel zur Verfügung?
Mäßig hilfreich ist auch, dass – im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern –
den Juniorprofessoren in Sachsen die Füh-
rung des Professorentitels verwehrt wird.
Selbst der als Förderer der Juniorprofessur
völlig unverdächtige Freistaat Bayern zeigt
wahre Größe und gestattet seinen Juniorprofessoren, „die Bezeichnung ‚Professor‘
oder ‚Professorin‘ als akademische Würde
zu führen“. In Sachsen hingegen stellt sich
die Frage: Wie spricht man diese merkwürdigen Gestalten eigentlich an? Herr
Juniorprofessor? Frau Juniorprofessorin?
Macht man sich eigentlich strafbar, wenn
man doch Herr oder Frau „Professor“ sagt?
Wer hier nicht zur Spottdrossel wird, dem
ist nicht zu helfen.
Nun aber zu den Hindernissen, welche die
Universitäten errichten. Eine im Mai veröffentlichte Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) hat ergeben, dass
die Juniorprofessoren übermäßig mit Verwaltungsaufgaben belastet sind. Das ist
kein Wunder, denn die Hochschulen stellen
vielfach keine Infrastruktur zur Verfügung.
So hat an der Universität Leipzig bislang
kein einziger Juniorprofessor Sekretariatskapazitäten oder studentische Hilfskräfte
aus Haushaltmitteln erhalten, von einem
wissenschaftlichen Mitarbeiter ganz zu
Mit der neuen Reihe „Nachdenken über
die Universität“ soll die Debattenkultur
innerhalb der Universität gestärkt werden. Fragen und Anregungen dazu richten Sie bitte an [email protected].
Dr.Alexander Weiß ist seit 2003 Juniorprofessor für Alte Geschichte an der Universität Leipzig und Co-Leiter des Projekts B5 am Sonderforschungsbereich
586. Er ist zudem freier Mitarbeiter am
Projekt „Antike Sklaverei“ der Mainzer
Akademie. Er promovierte 2002 an der
Universität Bonn. Von Oktober an ist er
Feodor-Lynen-Forschungsstipendiat der
Alexander von Humboldt-Stiftung an
der Macquarie University, Sydney.
Kontakt: [email protected]
Foto: Tobias D. Höhn/Grafik: O. Weiss
6
journal
UniVersum
schweigen. Teilhabe an Mitteln erfolgt
höchstens auf Kulanzbasis. Viele Institute
behandeln die Juniorprofessoren nicht als
gleichwertige Hochschullehrer. Die Leipziger Universitätsleitung hat bislang kein
einziges Mal von sich aus das Gespräch mit
ihren immerhin 16 Juniorprofessoren gesucht, um über Probleme und Zukunftsperspektiven zu sprechen.
Vor diesem Hintergrund verwundert es
zunächst, dass die angesprochene CHEStudie eine hohe bis sehr hohe Zufriedenheit bei über 70 Prozent aller Juniorprofessoren konstatiert. Es gibt eben auch unbestreitbare Vorteile. Das Recht selbständig
zu lehren und zu forschen eröffnet den Juniorprofessoren die Möglichkeit, Qualifizierungsarbeiten anzuregen und zu betreuen. Dass dies meist auch der eigenen
Forschung nützt, ist bekannt. (Und wer dies
als Belastung ansieht, sollte den Beruf des
Hochschullehrers nicht anstreben.) Die
vorhandenen Hemmnisse haben die Juniorprofessoren auch nicht davon abgehalten,
fleißig Drittmittel einzuwerben. Die Juniorprofessoren sind im Vergleich zu ‚richtigen‘ Professoren sogar überdurchschnittlich antragsaktiv – und überdurchschnittlich antragserfolgreich, wie eine in der
Öffentlichkeit kaum beachtete Studie der
Deutschen
Forschungsgemeinschaft
(DFG) vom Mai letzten Jahres festgestellt
hat. Das gilt auch für die Leipziger Juniorprofessoren, die in den letzten Jahren eine
millionenschwere Drittmitteltonnage aufgebracht haben. Das allein spricht schon
für den Erfolg der Juniorprofessur.
Warum die meisten deutschen Universitäten ihren Juniorprofessoren keine TenureTrack-Optionen in Aussicht stellen, ist
daher kaum verständlich. Für die Uneingeweihten: „Tenure Track“ bedeutet, man
kann auf der Basis exzellenter Leistungen
nach sechs Jahren Juniorprofessur auf eine
ordentliche Lebenszeitprofessur an der
eigenen Hochschule berufen werden. Auch
die Leipziger Universitäts- und Fakultätsleitungen haben dies heiße Eisen bislang
nicht angerührt. Der wohlfeile Einwand,
die Tüchtigsten und Besten fänden immer
irgendwo einen Platz, verfängt nicht. Es
geht ja nicht um Tenure-Track-Angebote
als Sozialmaßnahme nach dem Gießkannenprinzip. Sondern es sollte das Anliegen
einer Universität sein, exzellente Nachwuchswissenschaftler zu behalten. Das
Sächsische Hochschulgesetz hat seit diesem Jahr die Türen hierfür aufgetan. Jetzt
müssen die Universitäten den Mut haben,
sie zu durchschreiten.
Heft 4/2007
Exzellenznetz
SANDiE vergibt
erstmals Preise
für Promotionen
Von Dr. Alexander Weber, SANDiE Network of Excellence
Das Europäische Exzellenznetz SANDiE,
das von der Universität Leipzig koordiniert
wird, vergibt erstmals die SANDiE PhDPreise für die besten Promotionen des
vergangenen Jahres. Ein internationales
Komitee wählte die drei Preisträger aus,
die 2006 jeweils eine hervorragende Promotion abgeschlossen hatten.
Der erste Preis (2.000 Euro) ging an Dr.
Emmanuelle Peter, die an der Université
Paris XI, Orsay, Frankreich promoviert hat
und ihre Arbeit am CNRS-LPN (Laboratoire de Photononique et Nanostructures)
in Marcoussis, Frankreich angefertigt hat.
Sie konnte die starke Kopplung von Exzitonen, die in Dickenfluktuationen eines
Quantentopfes lokalisiert sind, mit den optischen Moden eines Mikroscheiben-Resonators nachweisen und untersuchen. Die
von ihr nachgewiesene Rabi-Aufspaltung
ist die größte ihrer Art weltweit.
Der zweite Preis (1.500 Euro) wurde an
Dr. Robert Young für seine Arbeit zur
Feinstrukturaufspaltung von Exzitonen in
GaAs Quantenpunkten verliehen. Diese
Arbeit wurde in den Forschungslabors von
Toshiba Europe in Cambridge angefertigt
und im Physik-Department der Cambridge
University, UK eingereicht. Die erzielten
Ergebnisse sind wegweisend für die Erzeugung von verschränkten Photonenpaaren,
die in quantenmechanisch verschlüsselten
Kommunikationssystemen eingesetzt werden. Dr. Young hat Zwei-Photonen-Experimente gemacht und mit einer Einstellung
der Feinstrukturaufspaltung auf Null erstmalig verschränkte Photonenpaare mit
einer Halbleiterquelle erzeugt und spektroskopisch nachgewiesen.
Der dritte Preis (1.000 Euro) ging an Dr.
Charles Cornet vom Labor für Nanostrukturen und Halbleiterstudien in Rennes,
Frankreich für seine Arbeit zu InAs Quantenpunkten auf InP. Der Einfluss der chemischen Zusammensetzung von InAs und
InAsSb Quantenpunkten wurde im Rahmen einer Kooperation innerhalb des Netzwerks detailliert spektroskopisch und
theoretisch untersucht. Als Resultat entstanden Quantenpunkte, die bei der für
Telekommunikation wichtigen Wellenlänge 1500 nm und auch bei noch größeren Wellenlängen emittieren.
Die Preise wurden durch den Leiter der
SANDiE Arbeitsgruppe „Education“
(Ausbildung), Prof. Dr. Sergio Molina
von der Universität Cadiz, Spanien, überreicht.
„Das Exzellenznetz SANDiE ermöglicht
den beteiligten Wissenschaftlern und insbesondere den Doktoranden, ihre Arbeiten
auf europäischer Ebene mit hervorragender Ausstattung und Betreuung sowie
hoher Mobilität durchzuführen“, erklärt
Professor Dr. Marius Grundmann, Koordinator von SANDiE und Direktor des Instituts für Experimentelle Physik II der
Universität Leipzig. Im SANDiE PhD-Programm werden die Doktoranden von zwei
Partnern gemeinsam betreut. Die Universität Leipzig ist mit insgesamt fünf laufenden Promotionen bzw. Doktoranden beteiligt, die gemeinsam mit den Universitäten
in Lund, Schweden, und Aveiro, Portugal,
sowie der Technischen Universität Berlin
betreut werden. Die wissenschaftlichen
Arbeiten finden innerhalb des Profilbildenden Forschungsbereich 1 statt. Das
SANDiE PhD-Programm ist Baustein der
Internationalisierung der Doktorandenausbildung an der Universität Leipzig und Teil
des Antrags auf die Graduiertenschule
BuildMoNa im Rahmen des Exzellenzwettbewerbes.
7
UniVersum
In einem Jenaer Studentenalbum um 1750 sind vier
Studiosi aus Leipzig, Halle,
Jena und Wittenberg charakterisiert. „In Leipzig ist
man tag u. nacht auf Courtoisie u. Staat bedacht“,
heißt es darin.
Foto: Universitätsarchiv
Halle, Jena und Leipzig
begründen Archivaustausch
In der Geschichte waren die drei Universitäten Halle, Jena und Leipzig harte Konkurrenten. In der Gegenwart überwiegen
die gemeinsamen Interessen.
Als jüngstes Kind erwächst aus dem mitteldeutschen Universitätsverbund ein Archivverbund. Unter wohlwollender Förderung der Hochschulrektoren haben sich die
drei Universitätsarchive in Halle, Jena und
Leipzig zu einer partnerschaftlichen
Gruppe verbunden, die auch anderen
Hochschularchiven zur fachlichen und
wissenschaftlichen Orientierung dienen
soll.
Kernaufgabe ist aber natürlich die Bewahrung und Vermittlung der historischen
Vergangenheit, die in den drei Archiven
schlummert – und da gibt es einiges aus der
Geschichte zu erzählen. 2008 feiert die
Universität Jena ihr 450. Gründungsjubiläum, und ein Jahr später kann Leipzig auf
sogar 600 Jahre ununterbrochenes Bestehen zurückblicken. In den Universitätsarchiven finden sich schätzungsweise 15 000
Regalmeter an historischen Aufzeichnungen, darunter hunderttausende Bilder und
gut 1000 Filmrollen aus ihrer bewegten
Vergangenheit.
Die Archivare wollen diese Schätze in
regelmäßigen Tagungen einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln und natürlich auch
8
kräftig Werbung für die mitteldeutsche Region betreiben.
Als erstes Projekt wird nächstes Jahr ein
gemeinsamer Band zum historischen Weg
von der Konkurrenz in den Verbund entstehen. Während es nämlich früher die gut betuchten Studenten in die Messestadt zog,
lächelte man dort über die armen Schlucker (Mucker) aus Halle, die Schluckspechte aus Wittenberg oder die Raufbolde
(Eisenfresser) aus Jena. Auswärtige Doktoren – besonders Mediziner – sah man in
Leipzig dagegen gar nicht gern. Wollte ein
Jenenser Arzt sich in Sachsen niederlassen,
musste er noch im 19. Jahrhundert erst eine
strenge und teure Prüfung vor der Leipziger Fakultät bestehen.
Selbstverständlich hat der Verbund aber
auch historische Vorbilder im Wissenschaftler- und Ideenaustausch. So kam
Paul Koebe (1882–1945), einer der Kollegen des berühmten Mathematikers Felix
Klein, aus Jena nach Leipzig und lieferte
ihm wichtige theoretische Vorlagen. Seit
1910 lehrte er abwechselnd in Leipzig und
Jena. Schließlich wurde er 1926 auf eine
ordentliche Professur in Leipzig berufen
und arbeitete mit der Forschergruppe um
dem Leipziger Nobelpreisträger Werner
Heisenberg eng zusammen.
Dr. Jens Blecher
Leserbrief
Zum Interview mit Dr. Monika Benedix
(Uni-Journal 3/2007, S. 4) erreichte die
Redaktion folgender Leserbrief von Prof.
em. Dr. med. vet. W. Seffner:
„In diesem Gespräch führte die Gleichstellungsbeauftragte unter anderem aus, dass
die Konzentration von über 80 Prozent
weiblicher Studenten in der veterinärmedizinischen und erziehungswissenschaftlichen Fakultät ‚natürlich nicht gut‘ ist. Dem
kann man nur beipflichten. […] Dem Beruf des Tierarztes und des Lehrers – zumindest für die Sekundarstufen – bekommt
diese Form der Präselektion auf die Dauer
schlecht. Es wäre wohl an der Zeit darüber
nachzudenken, wie in diesen beiden Studienrichtungen und damit nachhaltig in
den entsprechenden Berufen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen
ist. Angesichts der bürokratischen Regelungen der Zugangsvoraussetzungen vordergründig nach den Abiturnoten sollten
entwicklungspsychologische Erfahrungen
und Kenntnisse zu einer Relativierung der
Abiturnoten bei weiblichen und männlichen Jugendlichen führen. Traut sich keiner an diese Frage heran, weil sie nicht in
den politischen Mainstream passt? Oder
Frage an die oder den Gleichstellungsbeauftragten im Jahr der Chancengleichheit:
Ist es gerecht, dass männliche Jugendliche
generell schlechtere Chancen haben, Tierarzt zu werden als weibliche?“
journal
UniVersum
Leibniz-Professor denkt über
das Schweigen nach
Gumbrecht wünscht sich eine kompliziertere Welt
Von Caroline Kieke
„Leibniz“, sinniert Hans Ulrich Gumbrecht, „ist der Philosoph der westlichen
Kultur, der mir immer am meisten Angst
gemacht hat.“ Und er setzt spielerisch
hinzu, dass es deshalb besonders ehrenvoll
und besonders unverdient sei, am SimonDubnow-Institut diesen großen Namen
tragen zu dürfen. Gumbrecht hat für das
Sommersemester 2007 die Leibniz-Forschungsprofessur der Universität erhalten
und seinen Wohnsitz dafür für ein paar
Wochen von Stanford in Kalifornien nach
Leipzig verlegt. Seine Bescheidenheit in
Anspielung auf den Leipziger Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Freiherr von
Leibniz (1646 –1716) ist nur bedingt ernst
zu nehmen, denn neben Jürgen Habermas
und Peter Sloterdijk wird Hans Ulrich
Gumbrecht zu den einflussreichsten Intellektuellen Deutschlands gezählt.
Beschwingt und in legeres Schwarz gehüllt, betritt der 58-Jährige den Seminarraum im Simon-Dubnow-Institut. Seine
Statur verrät den Genießer, und die Art, wie
er das kräftige graue Haar trägt, lässt den
Altachtundsechziger durchscheinen. Mit
überraschend klein wirkenden Händen
streicht sich Gumbrecht über den Schnauzbart, während er sich vorstellt. Seine Arme
zeigen ein leuchtendgelbes Charity-Armband für Krebskranke und bunt geknüpfte
Schnüre, die manchem vielleicht noch als
Freundschaftsbänder bekannt sind. Die
Blicke von etwa 20 Zuhörern ruhen auf
dem neuen Gastdozenten – es sind Studenten am Zentrum für Höhere Studien, Mitarbeiter des Instituts und Neugierige anderer Institute.
Aktuell gilt sein Interesse der Zeit, die ihn
selbst stark geprägt hat, den Jahren nach
dem Zweiten Weltkrieg. In seinem Leipziger Seminar „Stimmung der Latenz“ will
er dem kollektiven Schweigen in Europa
und den USA in den ersten Jahrzehnten
nach 1945 auf den Grund gehen. Damals
hätten sich in den westlichen Gesellschaften gemeinschaftliche GedächtnisstruktuHeft 4/2007
ren entwickelt, die sich tief einschrieben
und erst später sichtbar wurden.
Als die erste Nachfrage kommt, legt Professor Gumbrecht entspannt den Kopf in
den Nacken und
überlegt kurz. Einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter in der
Runde hat die
Ausführungen zur
Faszination
der
Menschen an ihrer eigenen Geschichte
aufgenommen und führt
eine präzise Gegenargumentation ins Feld. „Encouraging“, entgegnet Gumbrecht schließlich
mit einem Leuchten in den Augen. „Sie
sind wahrscheinlich hegelianischer als Hegel. Ihre Darlegungen sind wie ein Billardspiel über viele Banden des Bewusstseins.“
Gumbrecht selbst allerdings spiele weniger
„
enthusiastisch, das entspreche nicht seinem
intellektuellen Temperament. Ein Intellektueller zu sein, bedeutet Gumbrecht viel.
„Wissenschaftler und Geisteswissenschaftler müssen die
Welt komplexer
und komplizierter
machen“, ist er
überzeugt.
Prof. Dan Diner,
Direktor des Simon-Dubnow-Instituts beschreibt
Gumbrecht
als
einen Suchenden,
der den Austausch
liebt. Seine Denkweise sei kaleidoskopisch, anregend und
diskursiv. Außerdem bekennt Diner, er sei
überrascht gewesen, wie stark Metaphern
das methodische Denken beeinflussen
können. Gumbrecht analysiere und interpretiere Texte nicht nur, bei ihm würden sie
„aufgeschlitzt und ausgeweidet“. „Eine
Wissenschaftler
müssen die Welt
komplexer und komplizierter machen
“
Intellektueller mit Liebe zum
Baseball: Leibniz-Professor
Hans Ulrich Gumbrecht.
Foto: Jan Woitas
9
UniVersum
faszinierende Methode, um singuläres
Wissen zu kontextualisieren“, berichtet Diner von dem gemeinsamen Forschungskolloquium „Verborgene Gedächtnisse“ mit
seinem deutsch-amerikanischen Kollegen.
In seiner freien Zeit überlässt sich Gumbrecht gern seiner Leidenschaft für Baseball, Football, Fußball und Eishockey. Was
er an Geld und Zeit in Jahrestickets investiere, sei enorm und nur schwer mit seiner
sonst eher ökonomischen Art zu vereinbaren, sagt er über sich selbst. Diese
Schwäche hat er sich zunutze gemacht und
2005 das Buch „Lob des Sports“ herausgebracht. Darin geht der Literaturwissenschaftler, Philosoph und Historiker der
Frage nach, was dem Sport seine enorme
Anziehungskraft verleiht.
Im Moment beschäftigt Gumbrecht das
Verhältnis der beiden Staaten, in deren
Spannungsfeld er sich sein Leben aufgebaut hat – Deutschland und die USA. Dafür hat er Interviews mit amerikanischen
und europäischen Intellektuellen wie
Joschka Fischer und Condoleezza Rice
geführt, um diese in seinem neuen Buchprojekt „Transatlantische Spiegelungen“
aufeinandertreffen zu lassen. Ob Nachkriegszeit, Sport oder transatlantische Beziehungen – Gumbrecht schöpft für sein
wissenschaftliches Wirken aus einer reichen Biographie.
Biographisches:
Hans Ulrich Gumbrecht wird 1948 in
Würzburg geboren. Er studiert Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie unter anderem in München, Salamanca und Pavia. Im Alter von 26 Jahren wird er Professor. Er gründet das
erste geisteswissenschaftliche Kolloquium in Deutschland, schreibt für bedeutende Periodika wie FAZ, NZZ, Merkur und Literaturen – mit 40 Jahren hat
er das Gefühl, seine berufliche Karriere
bereits hinter sich zu haben. Dann der
Bruch: 1989 entscheidet er sich für eine
Professorenstelle für vergleichende Literaturwissenschaften an der Stanford University in Kalifornien und ist seit sieben
Jahren Staatsbürger der USA.
Seine jüngsten Publikationen: Lob des
Sports, Suhrkamp Verlag 2005; Diesseits
der Hermeneutik, Suhrkamp Verlag
2004; Die Macht der Philosophie, Suhrkamp Verlag 2003; Vom Leben und Sterben der großen Romanisten, Carl Hauser
Verlag 2002; 1926. Ein Jahr am Rand der
Zeit, Suhrkamp Verlag 2001
10
„Doktorgrad
entzogen!“
Festakt zur Rehabilitierung
von verfolgten Doktoren der
Leipziger Juristenfakultät
Von Dr. Jens Blecher, Universitätsarchiv
Mit der Aberkennung von Doktorgraden an
der Juristenfakultät der Universität Leipzig
zwischen 1933 und 1945 beschäftigte sich
am 30. April ein akademischer Festakt. Eröffnet wurde die Veranstaltung im Rahmen
der 17. Jahrestagung der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung im Festsaal des
ehemaligen Reichsgerichts unter anderem
durch den israelischen Botschafter Shimon
Stein. Im Publikum waren mehr als 250 Juristen aus beiden Nationen, Angehörige
und Gäste der Universität, die sich mit
einem sich mit einem dunklen Kapitel
der Universitätsgeschichte auseinandersetzten.
Depromotion ist juristisch
schwer zu fassen – trotz
moralischen Unrechts
Im Grußwort von Rektor Prof. Dr. Franz
Häuser und den einleitenden Worten von
Günter Kröber, Präsident der Rechtsanwaltskammer Sachsen, wurde deutlich, wie
sehr sich die Universität um die Rehabilitation sorgt und wie aufmerksam dies im
Ausland zur Kenntnis genommen wird.
Thomas Henne, der gemeinsam mit AnneKristin Lenk und Thomas Brix die Beiträge
von 14 Autoren für den Band des Bandes
„Die Aberkennung von Doktorgraden an
der Juristenfaktulät der Universität Leipzig 1933–1945“ koordinierte, konnte neben einer vollständigen Namensliste noch
eine umfangreiche Dokumentation vorlegen.
Juristisch ist dabei der Sachverhalt der
Depromotionen nicht leicht zu fassen –
auch wenn es offenkundiges moralisches
Unrecht war, so sind unterschiedliche Verfahrensweisen zur Rehabilitierung denk-
bar. Zunächst haben einige deutsche Fakultäten pauschal alle Depromotionen der
NS-Zeit als unwirksam erklärt, andere
Fakultäten versuchten dagegen Einzelfallregelungen vorzunehmen.
In Leipzig wurden durch die Kriegsereignisse fast alle Akten der Juristenfakultät
1943 vernichtet. So nutzte die Fakultät den
Unrechtsgehalt des Massenverfahrens, das
in seiner bedenkenlosen Routine alle damaligen und heutigen Rechtsgrundsätze
missachtet, um zwar den unterschiedlichen
Grad an geschehenem Unrecht zu betonen
– jedoch alle Betroffenen wieder in den
vorherigen Rechtszustand zu setzen. Neben den juristischen und rechtshistorischen
Darstellungen in der vorliegenden Publikation schließen sich zahlreiche biographische Skizzen an. Unter anderen waren von
der Depromotion auch Julius Lips (einer
der ersten Nachkriegsrektoren, Beitrag von
Dietrich Treide), Eva Lappe (Steffen
Heldt) und Max Friedländer (Tillmann
Krach) betroffen.
Im Band mit erwähnt werden auch die
zahllosen Fälle, in denen Betroffene Studium oder Promotion abbrechen mussten.
Renate Drucker, aus einer Leipziger Juristenfamilie stammend, wurde im April 1938
als „jüdischer Mischling II. Grades“ (als
„Vierteljüdin“) ein mündliches Studienverbot und ein Hausverbot für die historischen
Institute ausgesprochen. Heute ist die emeritierte Professorin Ehrenbürgerin der Universität Leipzig und feiert demnächst ihren
90. Geburtstag.
Die Aberkennung von Doktorgraden an der
Juristenfakultät der Universität Leipzig
1933 –1945. Thomas Henne (Herausgeber), in Zusammenarbeit mit Anne-Kristin
Lenk und Thomas Brix, Leipzig 2007.
journal
UniVersum
Mut zu neuen Wegen
Gastvortrag von Ministerpräsident Milbradt
zum Thema Verschuldung
Über einen Mangel an Begegnungen mit
namhaften Entscheidungsträgern können
sich Studierende der Wirtschaftswissenschaften kaum beklagen. Nach dem Wirtschaftsweisen Bert Rürup (Uni-Journal
1/2007) folgte im Juni Sachsens Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt. Sein
Thema: Neue Wege für die föderalen Finanzen? Die Pfadabhängigkeit der öffentlichen Haushalte.
Der Landesvater wünscht sich mehr Ökonomen in der Politik. Auch deshalb sei er
gern der Einladung von Prof. Dr. Thomas
Lenk, Direktor des Instituts für Finanzen,
gefolgt. „Die im Studium vermittelte
wissenschaftliche
Theorie sollte möglichst häufig
einen engen Bezug zur Praxis
haben“, meinte Milbradt.
Mit sichtlichem Vergnügen trug
er lebhaft ein vermeintlich trockenes Thema vor: „Neue Wege
für die föderalen Finanzen? Die
Pfadabhängigkeit der öffentlichen Haushalte“. Da wurde im
Ministerpräsidenten der einstige
Hochschullehrer und Finanzwissenschaftler wieder wach.
Ein Manuskript benötigte Professor Milbradt nicht. Schließlich ist der gebürtige Westfale
ein Mann vom Fach. Schon
seine Dissertation schrieb er
Anfang der 1970er Jahre über
öffentliches Schulden-Management. „Zu einer Zeit, als dieses
Thema die öffentlichen Kassen
noch gar nicht belastete“, wie er
scherzhaft anfügte.m
Seine wesentliche Botschaft
klang schließlich in vereinfachter Wiederholung überraschend
simpel: „Die Entwicklungen der
letzten Jahrzehnte haben verdeutlicht, dass es sinnvoll ist,
dass öffentliche Haushalte ähnlich denken sollten wie private:
Die Ausgaben dürfen die EinHeft 4/2007
nahmen nicht übersteigen. Hierzu muss
man manchmal einen eingeschlagen Pfad
verlassen, um notfalls auch in wenig angenehmer Weise quer durchs Gebüsch wieder
auf den richtigen Weg zu finden. Doch das
wollen die meisten nicht – oder sie trauen
es sich nicht.“
Milbradt formulierte angenehm salopp –
ohne jedoch die wissenschaftliche Ernsthaftigkeit des Themas zu ignorieren.
Irgendwie klar, dass kurz nach Beginn der
Ausführungen des Ministerpräsidenten ein
unvermeidliches Protestbanner durch den
Großen Hörsaal an der Jahnallee getragen
wurde: „Bildung krepiert – Dummheit regiert!“
Prof. Milbradt registrierte es, ohne darüber
seine gute Laune zu verlieren. Während
des eigenen Studiums der Volkswirtschaft,
Jura und Mathematik an der Uni Münster
von 1964 bis 1968 und anschließend als
Assistent und Professor für Finanzwissenschaft an der gleichen Hochschule erlebte
er sicher eine intensivere Form der Meinungsäußerung.
Im Auditorium saßen zwischen den Studierenden unter anderem Rektor Prof. Dr.
Franz Häuser, Kanzler Dr. Frank Nolden,
der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Prof.
Dr. Ralf Diedrich, und zahlreiche Lehrstuhlinhaber. Dazu eine
Reihe Vertreter der Stadt Leipzig.
Da ein solches Zusammentreffen
von Studierenden mit Personen
des öffentlichen Lebens gern
Gelegenheit zum spontanen Gedankenaustausch bietet, organisierte das Institut für Finanzen/
Finanzwissenschaft rund um die
Veranstaltung eine kleine Gesprächslounge.
Bereits am nächsten Tag sahen
sich Ministerpräsident und Wirtschaftsprofessor wieder: Im Berliner Bundestag sprach Thomas
Lenk als Sachverständiger der
Föderalismuskommission II zu
den Finanzen.
Holger Gemmer
www.uni-leipzig.de/wifa/
finanzen
Ministerpräsident Prof. Dr.
Georg Milbradt hatte in seiner
Gastvorlesung zum Thema
Verschuldung öffentlicher
Haushalte einen simplen Tipp:
„Die Ausgaben dürfen die Einnahmen nicht übersteigen.“
Foto: Jan Woitas
11
UniVersum
Außenseiter,
Spitzenreiter
Leipzig gewinnt erstmals
Professoren-Fußballmatch
Hätte man bloß auf Leipzig gesetzt – den
ewigen Verlierer im jährlichen Professoren-Fußballmatch. Seit 1998 wechselten
die Siege nahezu zwischen Jena und Halle,
Leipzig schien auf den dritten Platz verbannt. Kaum einer hätte mehr geglaubt,
dass der Pokal einmal in die Messestadt
wandert. Bis zum 10. Mai. Wurde bei der
Beratung der drei im mitteldeutschen Universitätsverbund organisierten Rektorate
noch konstruktiv miteinander debattiert,
ging es anschließend auf den Fußballplatz Ziegelwiese in Halle
Mann
gegen
Mann, dafür aber
interdisziplinär.
„Doppelpass statt
Bypass“ könnte
die Devise gelautet
haben – waren die
Mediziner doch in
der Mehrzahl. Verstärkt wurden sie durch
Vertreter von Geographie, Architektur und
Verwaltung.
Schon nach zwölf Minuten lag die gastgebende Martin-Luther-Universität 0 : 2
gegen Leipzig zurück. Und das war erst der
Anfang. Denn Leipzigs Torjäger-Trumpf,
der Intensivmediziner Prof. Dr. Lothar
Engelmann, schlug nach der Pause ein drittes Mal zu. „Es war ein inkompletter Hattrick“, sagt er. Und kurz vor Schluss durfte
sich Rektor Prof. Dr. Häuser, der seine
Mannen vom Spielfeldrand anfeuerte und
moralisch unterstützte, gar über ein 4 : 0
freuen. Auch Urologie-Chef Prof. Dr. Uwe
Stolzenburg legte gemeinsam mitAssistant
„
Professor Danki Sillong aus Kamerun –
„unser Asamoah“ – eine beneidenswerte
Dynamik auf den Platz.
Doch wie erklärt sich der plötzliche Leistungsschub der Leipziger Hobbysportler?
Doping – das Erfolgsrezept manches Profis – schließt Prof. Engelmann jedenfalls
aus. Stattdessen setzen die Leipziger auf
mentale Vorbereitung und regelmäßiges
Training während des Winters. Immer
montags wurde in der Halle gekickt, Spielabläufe optimiert,
Laufwege der Mitspieler verinnerlicht.
Der
Intensivmedizin-Professor
weiß, wovon er
spricht. Seit seinem Klinikeintritt
anno 1969 ist der
Allroundsportler
(Erfahrungen hat
er zudem in Handball, Boxen und Segelfliegen) beim Betriebsfußball aktiv. „Fußball gehörte bei uns zur Allgemeinbildung,
anders als bei vielen IAGs, die zwar auf ihrem Fachgebiet perfekt sind, aber ansonsten Einzelgänger.“ IAG steht im Uni-Jargon für „in Amerika gewesen“.m
Der 63-Jährige hat mit seiner Leistung aber
auch bewiesen, dass Ausdauer und Ehrgeiz
keine Frage des Alters ist. „Die hallesche
Mannschaft war jünger, sah aber alt aus“,
sagt er lächelnd. Ob unter den Gegnern
wirklich nur Professoren waren, wie es die
Ausschreibung vorsieht, bezweifelt er. Und
gibt insgeheim zu: „Mittlerweile ist es üblich, dass man die eigenen Reihen durch
„Fremdeinkäufe“ aus dem Uni-Umfeld
verstärkt.“ Oder, wie es der Teamchef der
Martin-Luther-Universität, Prof. Dr. Gerhard Hübner, auf den Punkt brachte: „Leipzig hat offenbar in Sachen Fußball die bessere Berufungspolitik betrieben.“
Tobias D. Höhn
Leipzig hat die
bessere Berufungspolitik betrieben
Erstmals gelang der Universität Leipzig
im jährlichen Professoren-Fußballturnier
der Sieg. Für die Hallenser stand fest:
Der nasse Platz brachte den Leipzigern
den Sieg.
Fotos: Martin-Luther-Universität,
Maike Glöckner
“
journal
UniVersum
Die Kunst des Bücherheilens
Kleine Retrospektive über die Restaurierungsausstellung in der Bibliotheca Albertina
Von Tobias Grave, Universitätsbibliothek
Eigentlich hätte man sich wundern müssen, denn weder ausgesprochene Raritäten
noch Kostbarkeiten gab es in der letzten
Ausstellung der Universitätsbibliothek zu
sehen, stattdessen allerhand Kaputtes: angenagte und verschimmelte Bücher; zerrissenes, zerbröckeltes und feucht gewordenes Papier. Wer an den zwölf Vitrinen
der Ausstellungshalle entlang ging,
konnte einen Eindruck davon bekommen, was der Bibliothekar
außer den viel gerühmten vergessenen Schätzen noch so alles findet, wenn er die Regale inspiziert. Eine Ausstellung mit Dingen also,
die jeder Bücherfreund eigentlich lieber versteckt?
Nicht ganz, denn das
Lädierte war nur der
Anfang. Wem bei
seinem Anblick
das Herz schwer
wurde, der konnte
zum Trost auch die
Produkte der Arbeit der Restauratoren betrachten. Sie bildeten das Komplement zu
den beschädigten Exponaten und auch einen Kommentar zu dem Motto, unter dem
die Universitätsbibliothek 1993 ihr 450jähriges Jubiläum beging: Geschriebenes
aber bleibt – Littera scripta manet. Jetzt
konnte man gewissermaßen die Modalitäten betrachten, unter denen Geschriebenes
nicht vergeht. Das betrifft zuerst die Erhaltung und Restaurierung der Medien, durch
die sich das Geschriebene vermittelt. Zumal in früheren Zeiten waren das immer
die Materialien, auf denen es steht.
Beim Schreibmaterial hatte nun jede Zeit
ihre Präferenzen. Zu sehen gab es Papyrus,
Pergament und Papier, daneben die Materialien für deren Schutz, Erhaltung und
Reparatur. Ein jedes erfordert besondere
Pflege und entsprechenden Umgang und
alle haben sie ihre Tücken: Sie schimmeln,
zerfallen, wurden überschrieben oder beHeft 4/2007
nagt. Sie erinnern daran, was sie bei aller
Bedeutung und auch im höchsten Alter
noch sind, nämlich vergänglich.
Mit ihren Restauratoren beschäftigt die
Universitätsbibliothek eine Gruppe von
Spezialisten, die genau um diese Vergäng-
Fo
to
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lichkeit weiß. Für sie hat das Buch einen
Körper, auch wenn dessen Alter das der
unsrigen weit übersteigt. Das vermag der
Buchkörper freilich nur durch die für ihn
Die Ausstellung „Die Kunst des Bücherheilens. Restaurierung und Konservierung in der Universitätsbibliothek Leipzig“ war in der Bibliotheca Albertina
vom 1. März bis zum 30. Mai zu sehen
und wurde bis zum 20. Juni verlängert.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der auch weiterhin der in der Bibliotheca Albertina für fünf Euro erhältlich
ist. Bestellungen per E-Mail an: oeffentlichkeitsarbeit@ ub.uni-leipzig.de, Tel.:
03 41 / 9 73 05 65 (Bei Versand zzgl. Versandkosten).
in restauratorischer Arbeit investierte Zeit.
Und Zeit kosten solche Aufgaben in der
Tat. Wie findet man z. B. heraus, ob ein
Holzwurm in einem wertvollen Codex
noch aktiv ist? – Man gibt ihm Zeit. Der
Codex wird auf eine saubere Unterlage gestellt, und wenn sich darauf nach einigen Tagen Holzmehl ansammelt,
wird der Band restauratorisch behandelt. Meistens aber sind diese
Bewohner schon vor Jahrzehnten, in manchen Fällen noch wesentlich länger, verzogen.
Aber die Ausstellung
zeigte auch die Bücher
selbst als Bewohner von
Räumen. Man sieht den
Spuren nämlich oft an, wie
die Bücher standen, wenn
sie (wie in unruhigen Zeiten
oft nicht zu vermeiden) in
feuchten oder schlecht belüfteten Räumen
gelagert waren. Spuren: das heißt dann
meist Sporen – den Pilzkulturen entstammend, die im Buch ihre Nahrungsgrundlage finden und es als Schimmel befallen.
Was tun? Wohl gibt es beständig sich verfeinernde Methoden und eine Vielzahl
technischer Hilfen, deren Wirksamkeit von
denen früherer Zeiten ganz unerreicht
bleibt. Aber welche für das einzelne Stück
die angemessene ist, muss der Restaurator
entscheiden. Sich durch die Kenntnis des
Materials im Geist die Jahrhunderte zu verkürzen, darin liegt seine Kunst.
Von der Vielfalt, in der das Material dem
Restaurator begegnet, von der unterschiedlichen Beschaffenheit seiner Krankheiten
und von der Verschiedenheit der Therapien,
deren es zur Genesung bedarf, davon versuchte die Ausstellung einen original verstaubten Eindruck zu geben. Und da über
den von ihnen beherbergten Stücken inzwischen keineswegs auch die Vitrinen selbst
verstaubt sind, darf man wohl sagen, das sei
ihr gelungen.
13
Thema
Am
Rande
Man nehme ein halbes Dutzend Vorurteile, mische sie mit einer Prise Empirie und nicht zu wenig handverlesenen, aber saftigen Zitaten aus der
Konserve. Anschließend beides tüchtig gehen lassen, durchrühren, nochmals gehen lassen und mit einem markanten Titel versehen: Fertig ist der
Bestseller.
So könnte die Backanleitung für „Professor Untat“ aussehen; ein knapp
300 Seiten starkes Buch aus dem
Econ-Verlag, das aufzeigen will „was
faul ist hinter den Hochschulkulissen“.
Ob der Inhalt verspricht, was der Titel
preist, ist zweitrangig. Seit Wochen
sorgt das Buch für Diskussionen. Studenten feixen, wissenschaftliche Mitarbeiter nicken scheinbar wissend und
Univ.-Profs. lamentieren. Nicht verwunderlich, denn das Autorenduo aus
Uwe Kamenz (BWL-Professor an der
FH Dortmund) und Martin Wehrle
(Journalist und Berater) haben eine Generalabrechnung mit einem ganzen
Berufsstand hingelegt. Sie wollen entkräften, dass die vier Buchstaben „Prof
(...) als Gütesiegel, als Eintrittskarte zu
den Eliten unseres Landes“ zählt. Der
Fehler liegt ihrer Meinung nach im
System: Leere Kassen, ein Beamtenrecht wider das Leistungsprinzip und
nicht immer transparente Berufungskriterien.
Doch warum die ganze Aufregung?
Wendet man das Raster von Kamenz
und Wehrle auf die Universität Leipzig
an, lässt sich erleichtert und selbstbewusst aufatmen. Von der Alma mater
hatte sich kein Professor auf den Köder in Form einer Stellen-Anzeige eines lukrativen Nebenjobs beworben.
Arbeit gibt es schließlich uniintern mit
2009 und der nicht enden wollenden
Exzellenzinitiative genug. Oder, wie
es bei „Professor Untat“ heißt: „Vor
den tätigen Professoren sollte man den
Hut ziehen – vor den untätigen auf der
Hut sein!“
Tobias D. Höhn
14
Sitzung des Senats am 8. Mai
1. Der Senat unterstützte die Berufungsvorschläge für die W2-Professur „Design
und Neue Medien in der Kunstpädagogik“;
die W3-Professur „Pharmakologie und Toxikologie“ und die W2-Professur „Sozialpsychologie und Methodenlehre“.
2. Der Senat nahm den Antrag auf Verleihung der mitgliedschaftlichen Rechte eines
Hochschullehrers an Professor Dr. FrankDieter Kopinke zustimmend zur Kenntnis;
ebenfalls den Antrag auf Ernennung von
Professor Dr. Jean-Claude Garcia-Zamor
zum Honorarprofessor.
3. Der Senat beschloss die Drittmittelrichtlinie der Universität Leipzig.
4. Der Senat stimmte dem Antrag auf Umbenennung des Bachelor- und des Masterstudienganges „Sprachen und Kulturen
Süd- und Zentralasiens“ in „Indologie,
Tibetologie und Mongolistik“ zu.
5. Der Senat stimmte der Bestellung von
Professor Dr. Harald Krautscheid als Mitglied der Senatskommission Lehre/Studium/Prüfungen und von PD Dr. Roland
Schuhr als ständigen Gast dieser Kommission zu.
6. Der Senat beschloss die folgenden Studiendokumente:
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften:
– Änderungssatzungen zur Prüfungsordnung und zur Studienordnung für den
Bachelorstudiengang Arabistik
– Änderungssatzung zur Studienordnung
für den Masterstudiengang Small Enterprise Promotion and Training
Philologische Fakultät:
– Eignungsfeststellungsordnung,
Prüfungsordnung und Studienordnung für
den Masterstudiengang Frankreich- und
Frankophoniestudien
– Eignungsfeststellungs-, Prüfungs- und
Studienordnung für den Masterstudiengang Lateinamerikastudien
– Eignungsfeststellungsordnung,
Prüfungsordnung und Studienordnung für
den Masterstudiengang Spanien- und
Portugalstudien
– Prüfungsordnung und Studienordnung
für den Masterstudiengang Translatologie
– Eignungsfeststellungsordnung,
Prüfungsordnung und Studienordnung für
den Masterstudiengang Deutsch als
Fremdsprache
– Prüfungsordnung und Studienordnung
für den Masterstudiengang Konferenzdolmetschen
Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie:
– Eignungsfeststellungsordnung für den
Masterstudiengang Web Content Management
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät:
– Änderungssatzung zur Studienordnung
für den Masterstudiengang Urban Management
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie
und Psychologie:
– Prüfungsordnung und Studienordnung
für den Bachelorstudiengang Psychologie
– Eignungsfeststellungsordnung,
Prüfungsordnung und Studienordnung für
den Masterstudiengang Psychologie
7. Der Senat beschloss
– alle vorgenannten Prüfungsordnungen
dahingehend zu ändern, dass die Mitteilung der Prüfungsergebnisse grundsätzlich durch Aushang und auf elektronischem Wege erfolgen soll;
– in allen Eignungsfeststellungsordnungen, soweit vorgesehen, das Motivationsschreiben als Zulassungsvoraussetzung für die Eignungsprüfung zu streichen;
– die Entscheidung, ob in Eignungsfeststellungsordnungen für Masterstudiengänge das Abiturzeugnis als Zulassungsvoraussetzung verlangt werden soll, den
Fakultäten zu überlassen.
8. Der Senat erörterte die geplante Novellierung des Sächsischen Hochschulgesetzes.
Prof. Dr. Franz Häuser Dr. Bärbel Adams
Rektor
Pressereferentin
journal
Gremien | Jubiläum 2009
Sitzung des Senats am 12. Juni
1. Der Senat befasste sich mit Berufungsangelegenheiten und verabschiedete den
Ausschreibungstext sowie die Zusammensetzung der Berufungskommission für die
bis März 2010 befristete W3-Professur
„Bürgerliches Recht, Bank und Börsenrecht“.
2. Weiterhin bestätigte der Senat Ausschreibungstext und Zusammensetzung
der Berufungskommission für die W3-Professur „Grundschulpädagogik“ sowie für
die gemeinsam mit der Max-Planck-Gesellschaft berufene W3-Professur „Kognitive Neurologie“.
3. Ebenso wurden Ausschreibungstext
und Zusammensetzung der Berufungskommission für die Juniorprofessur
„Sport und Umwelt – SchwerpunktWintersport“ bestätigt.
4. Die Verfahrenseinstellung für die W2Professur „Grundschuldidaktik Deutsch“
durch die Erziehungswissenschaftliche Fakultät bestätigte der Senat.
5. Das Gremium nahm weiterhin zu folgenden Berufungsvorschlägen positiv Stellung: W3-Stiftungsprofessur „Geschichte
Ostmitteleuropas“ (gemeinsame Berufung
mit GWZO), W2-Professur „Germanistische Linguistik (Schwerpunkt Pragmalinguistik) und W2-Professur „Pharmakogenetik/Toxikogenetik“.
terte der Senat den Antrag der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät auf Einrichtung eines gemeinsamen Masterstudiengangs „International Energy Economics
and Business Administration“ der Universität Leipzig und der MGIMO Moskau.
Die studentischen Senatoren legten hier ein
Gruppenveto ein.
6. Der Senat sprach sich gegen den vorgelegten Listenvorschlag für die W3-Professur „Rechtsmedizin“ aus.
10. Der Senat beschloss Studiendokumente für den Masterstudiengang Konferenzdolmetschen Arabisch, Masterstudiengang Sinologie, die Satzung zur Eignungsfeststellungsordnung für den Bachelor
Musikwissenschaft (Fakultät für Geschichte, Kunst und Orientwissenschaften). Weiterhin beschließt er die Änderungssatzung zur Prüfungs- und zur
Studienordnung für den Bachelor Informatik, den Master Informatik sowie die
Eignungsfeststellungsordnung zum Masterstudiengang.
7. Der Senat befürwortete die Verleihung
des Rechts zur Führung der Bezeichnung
„außerplanmäßiger Professor“ für PD Dr.
Steffen Leinung (Medizinische Fakultät).m
8. Der Bestellung zum Honorarprofessor
stimmte der Senat zu für Dr. Werner Esser
(Erziehungswissenschaftliche Fakultät) sowie für PD Dr. Andreas Berkner (Fakultät
für Physik und Geowissenschaften).
9. Unter dem Tagesordnungspunkt Besondere universitäre Angelegenheiten erör-
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
Blick hinter die Kulissen von 2009
Fakultätsbeauftragte sind wichtige Akteure
Sie sind die Universität Leipzig – die Wissenschaftler und Studierenden in den Fakultäten und Einrichtungen geben der
Alma Mater ihr unverwechselbares Profil.
Ein Jubiläum 2009 ohne die Fakultäten ist
deshalb undenkbar! Dies wurde auch beim
Aufbau der Organisationsstrukturen für
2009 berücksichtigt. So sind die Fakultäten
bereits im vergangenen Jahr gebeten worden, Verantwortliche für das Festjahr zu
benennen. Nach der erfolgreichen Einrichtung des Gremiums bildet die Gruppe
der 14 Fakultätsbeauftragten nun das
Verbindungsglied in die Fakultäten. Als
Schnittstelle zwischen der zentralen Organisation und den dezentralen Projekten im
Rahmen von 2009 sind sie maßgeblich
verantwortlich für die Gestaltung fachbezogener Programmpunkte, die die Fakultäten zum Jubiläum 2009 präsentieren und
Heft 4/2007
die die Vielfalt der Volluniversität widerspiegeln.
Gleichzeitig verstehen sie sich als
Multiplikatoren und Motivatoren für 2009:
ihre Fakultät regelmäßig über den Stand
der Vorbereitungen zu informieren und zur
Mitarbeit anzuregen, zählt ebenfalls zu
ihren Aufgaben.
Vor wenigen Wochen tagten die Fakultätsbeauftragten zum zweiten Mal unter Leitung von Rektor Prof. Dr. Franz Häuser.
Ziel des Treffens war es, einander und der
Universitätsleitung die geplanten Veranstaltungen und Projekte der Fakultäten im
Jubiläumsjahr vorzustellen. Ein besonders
engagiertes Vorhaben ist in diesem Zusammenhang die Organisation des interdisziplinären Kongresses „Ökonomisierung des
Wissens“, im Rahmen dessen sich verschiedene Fakultäten mit der Frage
auseinandersetzen, wie viel Ökonomie die
Wissensgesellschaft braucht und wie viel
sie tatsächlich verträgt.
„Dieses Gremium hat mich besonders
motiviert und inspiriert“, äußerte sich Dr.
Siegfried Haller, Jugendamtsleiter der
Stadt Leipzig, als Gast des Treffens. In der
Sitzung hatten er und Prof. Harald Marx,
Dekan der Erziehungswissenschaftlichen
Fakultät, als Vertreter der AG Junges Leipzig ihre Projekte für 2009 vorgestellt, unter
anderem den Kongress „Bildung und Erziehung im 21. Jahrhundert“ (Arbeitstitel).
Beim nächsten Treffen der Fakultätsbeauftragten wird es um die Präzisierung
der vorliegenden Ideen gehen. Weiterhin
sollen wichtige Rahmenbedingungen für
2009 diskutiert werden, um das Jubiläum
gemeinsam zu einem Erfolg werden zu lassen.
Birte Fähnrich
15
Jubiläum 2009
Anekdoten, Fragmente,
Notizen
Eine Zeitung
für Schildbürger
Gut, mochte sich Dozent Werner Holzmüller zu Kriegsende sagen, als es ihn in das
kleine Städtchen Schildau verschlagen
hatte, dass ich mich bei meinem Leipziger
Studium neben der theoretischen Physik
(bei Heisenberg und Hund) auch und vor
allem mit der Experimentalphysik beschäftigt habe. So hat er zusammen mit anderen
Doktoranden unter Anleitung seines Doktorvaters Debye die Hochfrequenzerwärmung praktisch erprobt. Am dritten
Tag der russischen Besatzung in Schildau
wurde er zur Kommandantur gerufen, wo
er in gebrochenem Deutsch begrüßt wurde:
„Du Hochfrequenz, du Spezialist für Radio, du bei uns arbeiten als Radiomeister!“
Seine erste Aufgabe war, einen Verstärker
mit Großlautsprecher zu bauen, damit den
ganzen Tag über bis in den späten Abend
hinein auf dem Marktplatz in Schildau der
Moskauer Rundfunk zu hören war. Des
weiteren hatte er beschlagnahmte Radiogeräte, die meist in unbrauchbarem Zustand
abgegeben wurden, wieder in Ordnung zu
bringen. Sein Tagessoll war die Fertigung
von drei funktionierenden Geräten, für die
er in der Regel sechs unvollständige benötigte. Da ihm die Russen volles Vertrauen
entgegen brachten, beauftragten sie ihn
zwischen 12. und 20. Mai 1945 überdies
mit dem täglichen Abhören des britischen
und sowjetischen Rundfunks, um daraus
gedruckte Nachrichten für die Einwohner
Schildaus (die berühmten Schildbürger!)
zu verfertigen. Diese Texte hatte er dann
nach Vorlage beim Stadtkommandanten
am Rathaus anzuschlagen. Wenn man so
will: eine der ersten in der sowjetischen
Besatzungszone erschienenen Zeitungen
für die deutsche Bevölkerung – und ihr Redakteur war der promovierte und habilitierte Leipziger Physiker und neuberufene
sowjetische Radiomeister Werner Holzmüller.
Volker Schulte
Werner Holzmüller, Jahrgang 1912, studierte
von 1932 bis 1937 Physik an der Universität
Leipzig. 1952 Berufung zum Professor für
Technische Physik, 1978 Emeritierung.
Quelle: Gespräch mit Prof. Dr. Holzmüller im
April 2007 sowie dessen Erinnerungsbuch „Fröhliche Stunden in ernsten Zeiten“, Verlag im Wissenschaftszentrum Leipzig 2002
16
Gesichter
der Uni
Miklós Rózsa (1907–1995)
Foto: Breitkopf & Härtel KG Wiesbaden
Die Reihe „Gesichter der Uni“ erscheint
seit April 2004 im Uni-Journal.
In ihr sollen neben den berühmten „großen Köpfen“ der Alma mater auch weniger bekannte Universitätsangehörige
vorgestellt werden. Dunkle Kapitel
der 600-jährigen Universitätsgeschichte
bleiben dabei nicht ausgespart. Betreut
wird die Rubrik von der Kommission zur
Erforschung der Leipziger Universitätsund Wissenschaftsgeschichte. Anregungen und Manuskripte (mit Bildvorschlägen) richten Sie bitte an:
[email protected]
Auf einen Blick finden Sie die
„Gesichter“ im Internet unter
www.uni-leipzig.de/journal/
gesichter
Nicht viele kennen den Namen Miklós
Rózsa, nennt man aber die Filmtitel „Quo
Vadis“, „Ben Hur“ oder „El Cid“ haben
viele eine Vorstellung. Der ungarische
Komponist Miklós Rózsa schrieb die Musik zu diesen und vielen anderen großen
Hollywood-Produktion. Als einem der
wenigen gelang es ihm, sowohl als Filmkomponist als auch in der Konzertwelt
große Erfolge zu feiern.
Miklós Rózsa wurde im April 1907 in
Budapest geboren. Mit fünf Jahren lernte
er das Viola- und Violinspiel. Seine Mutter, die (eine Kommilitonin Béla Bartóks)
an der Budapester Akademie war, brachte
ihm das Klavierspiel bei. Als Kind sammelte Rózsa Melodien und schrieb erste
Kompositionen. Nach dem Abitur nahm er
1925 ein Chemiestudium an der Universität Leipzig auf. Als Nebenfach wählte er
Musikwissenschaft. Schnell machte sich
Rózsa mit dem kulturellen Leben der Universitätsstadt vertraut, regelmäßig besuchte er die Motetten- und Kantatenaufführungen sowie die Konzerte im Gewandhaus. Noch während seines Grundstudiums spielte Rózsa bei Hermann Grabner
ein Klaviertrio vor, der ihn sofort als Studenten im Fach Komposition am Leipziger
Konservatorium akzeptierte. Auf Grabners
Anfrage hin komponierte Rózsa das Trio
für Streicher op. 1 (1927 im Konservatorium uraufgeführt). Grabner teilte Rózsas
Vater daraufhin vom großen musikalischen
Talent des Sohnes mit – und dieser konnte
sich fortan mit dem Einverständnis des Vaters dem Kompositionsstudium widmen.m
Nach Zwischenstationen in Paris und London siedelte Rózsa nach dem Kriegsausbruch in die USA über. Rózsas erste
Hollywood-Produktion war „The Jungle
Book“ (1942 als erste kommerzielle Filmmusik auf Schallplatte erschienen). Bei
Metro-Goldwyn-Mayer stand Rózsa von
1949 bis 1962 unter Vertrag und schrieb
seine bekanntesten Filmpartituren. Innerhalb von 40 Jahren schrieb er die Musik für
90 Filme. Der letzte Film mit Musik von
Rózsa „Dead Men don’t wear Plaid“ kam
1982 in die Kinos. Von da an komponierte
er nur noch Kammermusik.
Neben seiner Arbeit für den Film unterrichtete Rózsa an der University of Southern
California und blieb auch weiter der Ernsten Musik treu. Regelmäßig bereiste er
Europa, um zu komponieren und Konzerte
zu dirigieren. Im Alter von 88 Jahren verstarb Miklós Rózsa in Los Angeles.
Juliane Bally,
Institut für Musikwissenschaft
journal
Jubiläum 2009
Allerlei Adel zu Gast
1909 – ein Universitätsjubiläum mit Weltgeltung
Von Kornelia Tröschel, Geschäftsstelle 2009
Wer vom 27. bis 29. Juli 1909 mit dem Zug
in Leipzig anreiste, der begegnete in allen
Bahnhöfen Frauen und Männern mit weißgrünen Schleifen. Manch ein Reisender
fragte sicherlich verwundert nach der Bedeutung dieses Aufzugs und bekam dann
zur Antwort: „Die Universität Leipzig
feiert ihr 500-jähriges Jubiläum, und wir
zeigen unseren Gästen den Weg zum Empfangsbureau.“ Dort konnten die Gäste sich
dann für das Fest anmelden.
Damals wie heute war die Feier des Universitätsjubiläums etwas ganz Besonderes
– ein großes Ereignis, das würdig begangen werden sollte. Damit das Fest strukturiert vorbereitet werden konnte, wurden
zehn Festausschüsse eingerichtet, die nicht
nur für das Programm verantwortlich waren, sondern auch die Unterkünfte für die
Gäste organisierten oder das Einladungsgeschäft überwachten. Dass das Jubiläum
schließlich doch viel plötzlicher als erwartet bevor stand, zeigt die Begrüßung des damaligen Rektors Karl Binding in der
1. Ausgabe der Festzeitung: „Die […], die
berufen waren, [das Fest] unmittelbar vorzubereiten, denen kam es mit fast beängstigender Hast wie ein durchgegangenes
Pferd entgegengejagt. Sie hatten kaum
Zeit, beiseite zu treten, – da war es da.“
In einem rauschenden Fest wurde das Jubiläum gefeiert: mit Tanz und Musik, Essen
und Trinken, Schauspiel und Gebet, Festvorträgen und Ehrungen. Viele hochrangige Gäste wurden zu dem Fest am 29. und
30. Juli 1909 geladen: der König Friedrich
August von Sachsen und die Mitglieder des
Königlichen Hauses, Prinz August Wilhelm von Preußen als Vertreter des Kaisers,
Kronprinz Ferdinand von Rumänien sowie
weitere Prinzen, Herzöge und Großherzöge des Deutschen Kaiserreichs.
Der erste Festtag begann mit einem Gottesdienst in der Paulinerkirche. Daran schloss
sich der Festakt im Neuen Theater an, bei
dem die Jubiläumsfeierlichkeiten vom
König von Sachsen und vom Rektor Karl
Binding offiziell eröffnet wurden. Glückwünsche aus den verschiedensten Ländern
wurden überreicht. Neben den Vertretern
Heft 4/2007
der deutschen Schwester-Universitäten waren Mitglieder von Hochschulen und Universitäten aus der ganzen Welt zu Gast in
Leipzig. Nicht nur aus Europa, auch aus
Afrika, Asien, Amerika und Australien kamen die Gratulanten in die sächsische Metropole. Man darf wohl mit recht behaupten, dass es ein Fest mit internationalem
Charakter war.
Am Abend wurde die Feier in ungezwungenerer Weise fortgesetzt. Ein Festmahl im
Palmengarten, ausgerichtet von der Staatsregierung, war der Auftakt zum anschließenden Gartenfest. Ein Tanzplatz wurde
eingerichtet, „[…] damit auch die tanzlustige Jugend und das schöne Geschlecht zu
ihrem Recht kommen“, wie es in der Festzeitung hieß. Den Glanzpunkt der Jubiläumsfeier bildete das Feuerwerk, das 20 Minuten lang die Gäste verzauberte.
Der Vormittag des zweiten Festtages war
den akademischen Feierlichkeiten gewidmet: Zu Beginn des Festakts in der Wandelhalle des Augusteums wurde nicht nur
das Standbild des sächsischen Königs enthüllt. Ebenso vollzog der Rektor die Immatrikulation der Prinzen Georg und Friedrich
Christian. Die Schwerpunkte dieser Veranstaltung lagen jedoch auf der Festrede von
Prof. Wilhelm Wundt und der Verleihung
der Ehrenpromotionen durch die vier Fakultäten – die theologische, juristische,
medizinische und philosophische. Daran
schloss sich um die Mittagszeit der historische Festzug der Studentenschaft an, der
laut Organisatoren „die Geschichte unserer
Universität in lebendigen und farbenreichen Bildern vor Augen stellen“ sollte. Fast
2000 Universitätsmitglieder nahmen teil.m
Bevor der zweite Tag mit dem Festkommers seinen Höhepunkt erreichte, hatten
die Gäste das Vergnügen, entweder im Gewandhaus der Musik von Wagner, Schumann und Beethoven zu lauschen oder im
Neuen Theater drei Einakter von Lessing,
Goethe und Schiller zu genießen. Für den
Festkommers wurde der Stadtbaurat Scharenberg mit der Planung einer eigenen
Festhalle beauftragt, die auf dem MessePlatz extra für diesen Anlass errichtet
Das Plakat zum 500. Jubiläum der
Alma mater anno 1909.
Abbildung: Universitätsarchiv
wurde. Der Kommers begann mit kurzen
Reden, es folgten Gesangsvorträge, die in
ein geselliges Beisammensein übergingen.
Am Abend wurden fröhliche Lieder gesungen und vornehmlich die Studenten griffen
wohl beherzt zum Bierglas. Das Ende um
ein Uhr verkündete eine Fanfare.
Einer kleinen Zahl von Gästen stand am
Abend des 31. Juli eine seltene und auserlesene Nachfeier in Aussicht, denn Seine
Majestät der König hatte zu einem Mahle
auf der Albrechtsburg in Meißen geladen.
Eine besondere Ehre für alle jene, die dabei sein durften. Mit diesem Bankett endeten die Feierlichkeiten und auch die letzten
der 12 000 Festteilnehmer machten sich
wieder auf den Heimweg – mit Erinnerungen an ein einmaliges Jubiläum 1909.
17
UniCentral
Wenn Mutti forscht,
wird Frau Beyer aktiv
DFG unterstütztKinderbetreuung im
Sonderforschungsbereich 610 und trotzt Bürokratie
Von Sandra Hasse
„Noch einen Wind machen“, bittet die
kleine Mia und grinst erwartungsvoll. Als
der herbeigesehnte Luftstoß ihr Gesicht erreicht, wirbeln die blonden Locken durcheinander. Sie wirft den Kopf zur Seite und
kreischt vor Freude: „Noch mal!“
Die Spaß bringende Windmaschine hat die
fast Dreijährige gerade eben selbst erfunden. Ein Teil der Konstruktion ist Hannelore Beyer, die die Pappseiten eines überdimensionierten Buches – fast so groß wie
das Mädchen – eifrig umblättert und dabei
der Kleinen Luft zufächelt. Frau Beyer
selbst ist fasziniert: „Mia hat die Kreativität, die auch ihre Mutter bei der Arbeit
sicherlich benötigt.“
Die Mama heißt Dr. Ines Neundorf und ist
Wissenschaftlerin im Institut für Biochemie der Fakultät für Biowissenschaften,
Pharmazie und Psychologie. Und während
ihre Tochter im Seminarraum des Instituts
liebevoll betreut wird, nimmt die Wissenschaftlerin an einem Forschungskolloquium teil.
Es ist 17.30 Uhr. Der Kindergarten in den
Mia täglich geht, hat schon geschlossen, so
wie die meisten seiner Art um diese Uhrzeit. Deshalb kommt Frau Beyer zum EinHannelore Beyer betreut die Kinder
von Wissenschaftlern auch außerhalb
der Öffnungszeiten von Kindergärten.
Foto: Jan Woitas
satz. Sie ist Erzieherin und seit Dezember
2006 angestellt im Sonderforschungsbereich (SFB) 610, einem Verbund zwischen
den Universitäten Leipzig und Halle, der
die Zustandsformen von Proteinen erforscht. Naundorfs Tochter, und die Kinder
der anderen Wissenschaftler und Doktoranden im Bereich des SFB 610 werden
immer dann betreut, wenn alle anderen
Stricke reißen: „Heute beispielsweise,
während des Forschungskolloquiums. Das
findet regelmäßig statt“, erläutert die Erzieherin. „Dann bin ich mit den Kindern
immer hier, im Seminarraum des Instituts
für Biochemie. Ich fahre aber auch mit auf
wissenschaftliche Kongresse, behüte die
Kinder dort, oder springe ein, wenn Kindergärten an Klapptagen geschlossen haben und die Wissenschaftler trotzdem arbeiten müssen.“
Bevor Frau Beyer voller Passion die neue
Stelle antrat, war sie lange Zeit Leiterin des
Kindergartens „Blauer Elefant“ in Leipzig,
bis sie im März 2005 Ihre Arbeit verlor.
Damals wusste sie noch nicht, dass bereits
ein Jahr davor einige Wissenschaftler im
Institut für Biochemie der Universität
Leipzig darüber nachgegrübelt hatten, wie
man die oft problematische Situation, insbesondere für Mütter in der Forschung,
verbessern könnte.
Prof. Annette Beck-Sickinger, selbst Mutter von zwei Kindern und die „Erfinderin“
der innovativen Betreuungslösung erklärt:
„Als vor drei Jahren der Verlängerungsantrag zum SFB 610 anstand, habe ich eine
Umfrage gestartet, an alle jungen Frauen
mit kleinen Kindern im Umfeld des SFB,
wo es die größten Engpässe gibt und was
in der Praxis helfen würde. Ein Punkt war
dabei die Kinderbetreuung am Wochenende, abends und in Notfällen. Um das Problem flexibel zu lösen, entstand das Konzept der ‚SFB-Tagesmutter‘. Das haben
wir bei der DFG mit beantragt.“
2006 trat Frau Beyer die neu geschaffene
Stelle an. „Ich bin dankbar, dass mich die
Eltern so freundlich aufgenommen haben,
dass sie mir so vertrauen und ebenfalls
dankbar sind, für die Unterstützung die sie
seit einigen Monaten haben.“ Die ehemalige Kindergärtnerin betreut seither bis zu
fünf Kinder, alle zwischen zwei und sieben
Jahre alt. Sie gehen auf den Spielplatz oder
backen, basteln, malen und beschäftigen
sich gemeinsam.
Foto: Playmobil
UniCentral
Heute ist Mia allein mit Frau Beyer, hat
aber trotzdem eine Menge Spaß und Ideen.
In den Schrank packt sie die großen Legosteine hinein, mit denen sie vorhin einen
Eisenbahntunnel für die Zugdurchfahrt gebaut hat, denn jetztwill sie noch malen und
schnappt sich vom Tisch ein grellgrünes
Papier. Mit Wachsmalstiften wird das nun
ausgiebig verziert.
Doch weniger spaßig geht es gerade in
Sachen Bürokratie zu. Das Jugendamt
Leipzig weiß die neue Form von Kinderbetreuung noch nicht einzuordnen. „Es gibt
derzeit einige Probleme die wir mit den zuständigen Behörden dringend noch lösen
wollen und müssen.“ So fordere die Behörde zum Beispiel die Anschaffung von
Kindertischen und -stühlen, Kindertoiletten, weiterem Kinderspielzeug, Garderobeneinrichtung und Schlafmöglichkeiten. Die Unfallversicherung der Kinder
während der Betreuungszeit sei noch nicht
exakt geklärt und Frau Beyer dürfe als
Tagesmutter nicht zu den Kindern nach
Hause, wenn sie krank sind. Und, und, und.
„Trotz aller Probleme ist dieses Kinderbetreuungsmodell ein Vorreiter“, so Prof.
Beck-Sickinger, „weil es sich den Erfordernissen einer Arbeit in der Wissenschaft
anpasst und den Müttern hilft, Kinder und
die eigene berufliche Weiterentwicklung
zu vereinbaren.“ Es ist das erste seiner Art
an der Universität Leipzig und wird jetzt
auch in anderer Forschungsbereichen aufgegriffen: Zum Beispiel im Konzept der
BuildMoNa-Graduiertenschule, die Chemiker und Physiker jetzt im Rahmen der
DFG-Exzellenzinitiative gemeinsam beantragt haben.
Mia ist so etwas egal. Sie saust immer wieder um den Tisch herum und als ihre Mama
endlich den Raum betritt, wirkt Mia nicht
so, als ob sie gehen möchte. „Komm wir
ziehen die Jacke an“, sagt Ines Neundorf
und bedankt sich bei Frau Beyer, „noch ein
bisschen gemeinsam aufräumen und dann
aber ab nach Hause.“
Ein straffes Programm
Eva Klapetz (24) studiert in Leipzig und
wohnt in Weißenfels (Sachsen-Anhalt).
Stress pur für die 24-Jährige, die Mutter eines zweijährigen Sohnes ist. Montags klingelt um vier Uhr ihr Wecker, eine Stunde
später geht es mit dem Fahrrad zum drei
Kilometer entfernten Bahnhof. Die erste
Vorlesung beginnt kurz nach sieben Uhr in
der Uni-Frauenklinik. Madeleine Rau
sprach mit der jungen Mutter.
Ihr Tag beginnt früh und endet spät.
Gibt es denn keine anderen, kindgerechteren Vorlesungen und Seminare?
„Dank“ Bachelor gibt es Anwesenheitspflicht. Montags habe ich immer ein straffes Programm, bin erst abends um neun
wieder zu Hause, ohne meinen Sohn nur
eine einzige Minute gesehen zu haben.
Ohne meinen Mann wäre Bachelor bereits
am ersten Montag gescheitert.
Aber Sie hatten sich doch vorher über
den Studiengang informiert?
Niemand konnte mir Genaues zum Bachelor sagen und schon gar nicht, wie es mit
der Erziehung eines Kindes vereinbart werden kann. Nach zwei Beratungen wurde es
„hinten am Horizont ganz schwarz“, wie
die Sozialberaterin sagte. Auch zu Beginn
des Wintersemesters herrschte noch Chaos
durch die Änderungen im Studiengang. Im
Vergleich mit den alten Studiengängen bin
ich jetzt sehr viel unflexibler, und es war
ein riesiger Spagat für mich und meine Familie, den Halbtagsplatz in der Kita mit
meinem Stundenplan abzugleichen. Aber
mein Studium jetzt ist genau das, was ich
gern machen will. Die Pendelei mit der
Bahn kostet einiges, andererseits gewinne
ich damit Zeit, um Skripte und Bücher zu
lesen und mich auf Seminare vorzubereiten. Das sind ja immerhin anderthalb Stunden täglich.
Stehen Ihnen nicht auch Urlaubssemester für die Erziehung Ihres Sohnes zu, in
denen Sie Studienleistungen erbringen
können?
Das ist im Bachelor nicht praktikabel. Jedes Semester werden so genannte Timeslots an die verschiedenen Studienrichtungen vergeben, so dass der BachelorStudent einen geordneten Stundenplan
ohne Überschneidungen hat. Soweit gut
gedacht, aber bei einem Urlaubssemester
bekommt man im neuen Semester große
Probleme, denn die Veranstaltungen werden nur jährlich angeboten und man kann
auch nicht einfach das darauf folgende
Modul belegen, weil man dafür erst das
vorhergehende bestanden haben muss.
Ist dieses straffe Programm mit einem
Kind bis zum Abschluss durchzuhalten?
Ich versuche es! Eventuell werde ich nach
dem Bachelor-Abschluss gleich arbeiten
gehen müssen und danach erst den Master
und das Referendariat machen. Wie es finanziell läuft, wenn ab August das Erziehungsgeld wegfällt, müssen wir sehen. Zeit
zum Jobben bleibt mir ja nicht.
Eva Klapetz will Studium
und Familie unter einen
Hut bekommen und fährt
dafür täglich von Weißenfels nach Leipzig.
Foto: M. Rau
Bastelsachen und Kinderbücher
gesucht
Die Kinderbetreuung benötigt Bastelmaterial, Wassermalfarben und Kinderbücher. Wer diese Dinge übrig hat und
spenden möchte oder generell mehr zur
Kinderbetreuung erfahren, meldet sich
bitte bei Frau Hartung. Tel.: (0341)
9736990, E-Mail:
[email protected] (Sekretariat
Prof. Annette Beck-Sickinger).
r.
Heft 4/2007
19
UniCentral
Leben nach Stundenplan
Ein Tag im Leben zweier studentischer Mütter
7:30
8:15
Auch der zweijährige Lias ist um diese Zeit schon auf
den Beinen. Eine halbe Stunde ist er mit seiner Mutter
Stefanie Wollny zur Kinderkrippe unterwegs. „Wenn
ich um neun an der HTWK sein muss, bringt ihn mein
Freund“, erzählt die 26-Jährige Lehramt-Studentin.
„Dann ist er schon kurz vor um acht zum Frühstück
dort.“
11:00
12:00
15:30
In der Caféteria am Augustusplatz sitzt Stefanie oft
über Büchern und Kopien für Seminarvorbereitungen. Hier kann sie gleichzeitig essen, lesen und auch
mal eine Pause machen, um mit anderen zu plaudern.
16:00
Nachmittags holt Stefanie ihren Sohn Lias immer
selbst ab, weil ihr Freund meist erst zum Abendessen
von Arbeit kommt. „Veranstaltungen kann somit ich
nur bis um drei besuchen“, erzählt sie. „Das geht aber
nur, weil ich nur noch eins von drei Fächern zu Ende
studieren muss. Sonst wäre es gar nicht möglich, alle
Pflichtseminare in das kappe Zeitfenster zu legen.“
20
Auch Bettina hat nach um drei erstmal Feierabend
von der Uni und widmet sich ihrem Sohn. Spielplatz
und Park im Sommer, Musik- und Sportkurse im Winter – so sieht ihr Nachmittagsprogramm aus. „Nach
so einem Tag ist es schon schwer, sich abends noch
mal für Uni-Aufgaben zu motivieren“, sagt sie.
Während ein Kind isst, spielt das andere noch und das
nächste schläft schon. Im Kinderladen des Studentenwerks wird der studentische Nachwuchs individuell
betreut – bis zu zwölf Stunden in der Woche. Zum effektiven Studieren reicht die Zeit wohl nicht. Trotzdem
wird der Kinderladen gern als Überbrückung genutzt,
bis ein fester Krippen- oder Kindergartenplatz gefunden ist. Stefanie und Bettina hatten Glück und waren
auf das Angebot nicht angewiesen.
Deshalb gibt es für
Bela einmal die Woche einen Tag bei
Oma Gisela. Da wird
vorm Abendessen
auf Wunsch auch
noch ein Pfannkuchen gebraten. Zurzeit übernachtet der
Dreijährige mitt16:30
wochs bei seiner
Oma. „Mein Freund
ist gerade beruflich vereist“, erklärt Bettina. „An diesem Tag gehe ich abends zum Fachschaftsrat und am
nächsten Morgen muss ich schon halb acht im Ukrainisch-Seminar sitzen. Da ist es so das Beste.“
journal
Text/Fotos: Madeleine Rau
Ihre Vorlesung verschlafen kann Bettina Friedrich
nicht. „Mein Wecker heißt Bela und klingelt jeden
Morgen um sieben“, erzählt die 24-jährige Journalistik-Studentin. Bis zur ersten Veranstaltung in der Uni
gibt es für sie jede Menge zu tun: Frühstück machen,
Kind waschen, anziehen, Vesper einpacken, und und
und. Um diese Zeit liegen viele ihrer Kommilitonen
noch im Bett.
UniCentral
17:00
Vor der Hauptbibliothek der Uni
herrscht bis in die
Abendstunden reger
Betrieb. Stefanie
kann die langen
Öffnungszeiten nie
nutzen. „Um diese
Zeit bereite ich
meist schon das
Abendbrot vor. Ich
kopiere mir tagsüber alles, was ich
brauche.“
Ein unscheinbarer
Zettel im Geisteswissenschaftlichen Zentrum verweist auf
einen Wickeltisch.
Eine Initiative von
Eltern, denn beim
Neubau wurde an
Studierende
mit
Kind nicht gedacht.
Bei der Prüfungsanmeldung letzte Woche hat Stefanie ihren Lias im
überfüllten Wartezimmer gewickelt, weil ihr der Zettel nicht aufgefallen war.
17:30
18:15
Zwei Stunden im
Schnitt – so schätzt
Stefanie das tägliche Pensum für den
Haushalt ein. „Kein
Vergleich zum WGChaos von früher“,
erzählt sie. „Mit Lias
hat sich das mächtig
verändert. Ordnung
ist mir jetzt viel
wichtiger.“
23:00
Erst spät am Tag heißt es für Stefanie „Endlich Feierabend“ vom Doppeljob studentische Mutter. Dann
wird auf der großen roten Couch vorm Fernseher entspannt. „Texte für Seminare lese ich nachts nur, wenn
es unbedingt sein muss.“
Heft 4/2007
Familienfreundliche
Universität
Wissenschaftliche Projektbegleitung
Konstanze Becker, Erziehungswissenschaftliche Fakultät
Die fehlende Vereinbarkeit von Familie
und Beruf ist ein Thema, dass häufig in den
Medien aufgegriffen wird. Frauen kehren
früher aus dem Erziehungsurlaub zurück,
wollen Kinder und Beruf verbinden. Auch
das Rollenverständnis hat sich in vielen
Familien gewandelt, Väter übernehmen
eine andere Erziehungsfunktion als noch
vor Jahren.
Wie sind diese Erkenntnisse aber zu vereinbaren mit der unzureichenden öffentlichen Kinderbetreuung, den unflexiblen
Prüfungsmodalitäten und den starren Arbeitszeiten für Mitarbeiter an Hochschulen? Die Notwendigkeit einer besseren
Vereinbarkeit von Studium/Beruf und Familie zeigt sich im Universitätsbereich in
besonderer Weise, denn Hochschulangehörige haben eine eigene Vereinbarkeitsproblematik. Veranstaltungen sowie Sitzungen, die außerhalb der Öffnungszeiten
von Betreuungseinrichtungen stattfinden,
können oft nicht besucht werden. Die
Krankheit von Kindern beziehungsweise
nahen Angehörigen kann den Druck während der Prüfungs- und/oder Arbeitszeiten
erhöhen. Nicht zuletzt kann eine Betreuungsübernahme die Unterbrechung und
unter Umständen sogar den Abbruch der
wissenschaftlichen Karriere bedeuten.
Wie lassen sich familiäre
Interessen und berufliche
Anforderungen verbinden?
Der erste Schritt in Richtung Familienfreundlichkeit wurde in Leipzig durch den
Gründungsakt des „Lokalen Bündnis für
Familie“ am 25. August 2004 als Zusammenschluss der Stadt Leipzig und der Universität Leipzig gemacht. Mitinitiiert als
Vertreter der Universität Leipzig durch die
Gleichstellungsbeauftragte Dr. Monika
Benedix und unterzeichnet durch Prorektor
Prof. Dr. Martin Schlegel setzte das Bündnis das Ziel, in einem aktiven offenen Netzwerk die Familien und die Kinderfreundlichkeit Leipzigs zu stärken. Aus dieser
Selbstverpflichtung können nun durch familienfreundliche Maßnahmen praktische
Schritte erwachsen.
Dabei versucht die Universität auf der
Grundlage der Magisterarbeit von Konstanze Becker „Das Audit Familiengerechte Hochschule an der Universität
Leipzig“ die familiären Interessen mit den
Anforderungen aus Studium und Beruf in
Einklang zu bringen. So soll eine entspannte Ausbildungssituation und Arbeitssituation für Hochschulangehörige, die
Familie und Studium/Beruf vereinbaren
wollen, entstehen.
Ost-West-Unterschiede bei
Studenten mit Kind
Um das gesamte Vorhaben wissenschaftlich abzusichern, wurden erste empirische
Arbeitsschritte bereits im Rahmen der
oben genannten Magisterarbeit an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät unter
Betreuung von Prof. Dr. Jörg Knoll entwickelt; unter anderem die Erfassung der
Ausgangssituation und der Handlungsbedarf aus der Perspektive der Hochschule.
Anhand umfassender Dokumentenanalysen sowie durch die qualitative Auswertung
von drei problemzentrierten Interviews
wurden der Ist-Zustand sowie Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie
und Beruf/Studium aufgezeigt.
Um an Beiträge und empirische Befunde
über die soziale und wirtschaftliche Lage
Studierender an Universitäten zu gelangen,
wurden Auszüge aus den Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes der
Sommersemester 1997, 2000 sowie 2003
zur Erhebung herangezogen. Dabei sind
folgende Auswertungsergebnisse entstanden: Studierende waren zum Zeitpunkt der
Befragung in der Regel jünger als ihre
westdeutschen Kommilitonen, ihr Studienverlauf ist anders und sie haben andere
Wohnverhältnisse. Etwa fünf Prozent der
Befragten in Leipzig hatten 1997 eines
oder mehrere Kinder. Drei Viertel der be21
UniCentral
Fotos: Playmobil
treffenden Personen hatten wiederum nur
ein Kind.
Interessant ist dabei die Altersverteilung
der Kinder: Das Kind war zum Zeitpunkt
der Befragung bei zwei Drittel der Befragten erst ein Jahr alt oder jünger, bei zehn
Prozent der Studierenden hatte das Kind
das Schulalter erreicht, und bei nochmals
17 Prozent der Befragten war das Kind
zum Zeitpunkt der Befragung bereits zwischen 11 und 15 Jahre alt.
Studierende in den neuen
Bundesländern weisen im Gegensatz zu
ihren Altersgenossen in den alten
Bundesländern Besonderheiten auf:
Zu Beginn der
1990er Jahre lag
der Anteil an
Studierenden
mit Kind in
Ostdeutschland
deutlich höher als im
Westen der Republik.
Dies reduzierte sich
jedoch bis zum Jahr
1997 merklich auf
ein Niveau, welches unterhalb des Anteils
an Studierenden mit Kind in den alten
Ländern lag. 1991 hatten an ostdeutschen
Hochschulen immatrikulierte Studenten
dabei im Vergleich zu West-Studentinnen
prozentual häufiger bereits ein Kind. Im
Jahr 2000 hatte sich dieser Unterschied
umgekehrt. Bis in das Jahr 2000 ist der Anteil an studierenden Müttern und Vätern in
den neuen Ländern weniger geschlechtsspezifisch als in den alten Ländern.
Mehr als 100 000 junge
Menschen studieren mit Kind
Hochgerechnet bedeutet ein Anteil von
6,7 Prozent Studierender mit Kind im Jahr
2000, dass mehr als 100 000 Studierende in
Deutschland ein oder mehrere Kinder haben. Damit sind zirka jede 14. Studentin
und jeder 16. Student gefordert, zusätzlich
zum Studium – und oft zusätzlich zur Erwerbsarbeit – der nicht immer leichten
Rolle als Mutter beziehungsweise Vater gerecht zu werden.
Von den 23- bis 26-jährigen Studierenden
haben weniger als ein Prozent ein Kind. Ab
Ende 20 haben erstmals mehr als zehn Prozent der Studenten Nachwuchs. In nahezu
allen Altersjahrgängen ist der Anteil stu22
dierender Mütter höher als der Anteil studierender Väter.
Das größte Problem besteht darin, dass die
Interessen von Studierenden mit Kind bei
der Terminplanung von Vorlesungen und
Seminaren nicht berücksichtigt werden.
Veranstaltungen, die in den Abendstunden
stattfinden, können Studierende, die kleine
Kinder haben, nur schwer wahrnehmen.
Das führt bei Pflichtveranstaltungen zu
Problemen mit der Anerkennung und letztendlich zu Zeitverzögerungen im Studium,
weil die gleiche Veranstaltung in späteren
Semestern noch einmal belegt werden
muss. Eng an dieses Problem geschlossen
ist die Frage der Kinderbetreuung. Zum
einen fehlt es an hochschulnahen Betreuungsplätzen, zum anderen weisen viele
Studierende mit Kind darauf hin, dass die
Öffnungszeiten von Kindertagesstätten zu
unflexibel und zu wenig angepasst an die
elterlichen Bedürfnisse sind.
Die Probleme sind
vielschichtig
Kinderbetreuung ist oft auch ein finanzielles Problem, denn die Kosten von Kindereinrichtungen, Tagesmüttern und Babysittern strapazieren den ohnehin meist knappen Etat der Studierenden zusätzlich.
Als Aussagen aus den geführten Interviews
mit Betroffenen kann festhalten werden,
dass Studierende mit Kind an der Universität Leipzig wie auch an anderen Hochschulen Deutschlands verschiedenste Vereinbarkeitsprobleme zu bewältigen haben.
Ihnen ist ein verlängertes Studium zugeschrieben, ein Abschluss in der Regelstudienzeit ist meist nicht machbar.
Ein großes Manko ist die Finanzierung des
Studiums. Seitdem einige Finanzierungshilfen weggefallen sind und die Änderung
des Kindergeldes durchgesetzt wurde, erhöht sich der Druck auf die Studierenden.
Neue Finanzierungsangebote wie der Bildungskredit nehmen allerdings nicht den
finanziellen Mehraufwand durch ein Kind
im Studium. Ergo: Die Kinderbetreuung
sollte dringend ausgebaut werden. Die
Stadt Leipzig – wie auch die Universität –
muss auf den Bedarf nach flexiblen Kinderbetreuungsmodellen reagieren und Initiativen ausbauen.
Generell kann man mehr Familienfreundlichkeit erreichen, indem man Regelungen
für Prüfungen schafft und ebenso eine
flexible Kinderbetreuung einrichtet. Dafür
sind die Frauenförderpläne der einzelnen
Fakultäten ein wichtiger Schritt. Um eine
familienfreundliche Struktur zu erreichen,
muss eine Zusammenarbeit aller Universitätsorgane angestrebt werden.
Ebenfalls darf die Universität den Anschluss an andere familienfreundliche
Hochschulen nicht verlieren. Mit dem
Grundzertifikat „Audit Familiengerechte
Hochschule“ der Hertie-Stiftung wurden
beispielsweise bereits ausgezeichnet: Universität Trier (Mai 2002), die Universität
Kiel (November 2002), die FH Mainz (November 2003), die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Mai 2004), die Universität des Saarlandes (im Mai 2004) sowie
die Universität Erfurt (Juli 2005), um nur
einige Hochschulen zu nennen, die ihre
Familienfreundlichkeit auch nach außen
zeigen.
Die Schaffung einer inneruniversitären
Projektgruppe zur Entwicklung und Umsetzung der Familienfreundlichkeit ist eine
entscheidende Etappe in diese Richtung.
Konstanze Becker hat von 2001 bis 2007
Erziehungswissenschaft
und Soziologie an der
Universität Leipzig studiert, war während ihres
Studiums zwei
Jahre die Sozialberaterin
des StuRa der
Universität Leipzig. Sie
plant derzeit eine Promotion über Familienfreundlichkeit an der Universität
Leipzig unter Betreuung
von Prof. Dr. Jörg Knoll
vor.
Fragebogen
Bedarfsanalyse Kinderbetreuung
Im Rahmen von Bestrebungen der Universität zur Schaffung von familienfreundlichen Strukturen für Beschäftigte
des Hochschulbereichs bitten wir Sie um
Ihre Unterstützung bei der Durchführung
unserer Bedarfsanalyse. Der Fragebogen
wird sich demnächst auf der Homepage
der Universität befinden.
Bitte schicken Sie diesen ausgefüllt an:
Frau Dr. Benedix, Gleichstellungsbeauftragte Universität Leipzig, PF 381001.
Auch die Meinung derer, die keine Kinder in dem entsprechenden Alter haben,
interessiert uns. Die Daten bleiben anonym und werden vertraulich behandelt.
journal
UniCentral | Forschung
Forschungsprogramm in
der Politikwissenschaft
KIWI
Kindergarten für junge
Wissenschaftler geplant
„Eine Kita, auch für uns!“, heißt es in dem
kleinen Flyer der Veterinärmedizinischen
Fakultät, in dem für eine Kindertagesstätte
geworben wird. Diese soll jungen Wissenschaftlern – Männern wie Frauen gleichermaßen – helfen, die Betreuung ihrer Kinder und ihre wissenschaftliche Arbeit unter
einen Hut zu bringen. Die Idee war, eine
arbeitsplatznahe Kindertagesstätte aufzubauen. Gemeinsam tüftelte man an dem
Projekt, suchte Träger und Standort, erstellte ein Konzept. Danach sollen 120
Plätze, davon etwa ein Drittel für Krippenkinder geschaffen werden. Träger soll das
Internationale Bildungs- und Sozialwerk
e.V. sein, das in Leipzig schon Kindertageseinrichtungen mit Modellcharakter
wie den integrativen Bauernhof-Kindergarten in Mölkau, den Familienkindergarten in der Schenkendorfstraße sowie eine
Autismusambulanz betreibt.
Jetzt hat man den Standort für den Wissenschaftler-Kindergarten gefunden. Zirka
2000 Quadrameter schräg gegenüber der
Kleintierklinik der Veterinärmedizinischen
Fakultät. Nur noch der Flächentausch muss
vollzogen werden, daran schließt sich ein
Architektenwettbewerb an, der momentan
vorbereitet wird. Auch ein Name ist schon
gefunden: KIWI – Kindergarten der WissenSchafft.
Das Konzept
Das Konzept orientiert sich an den Anforderungen der Beteiligten, die zur IG Alte
Messe gehören und zu denen die Veterinärmedizinische Fakultät, das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und
das Biotechnologische-Biomedizinsche
Zentrum gehören.
Das Konzept zeichnet sich aus durch
– Lange Öffnungszeiten (6–18 Uhr)
– Kurzfristige Aufnahmen
– Bevorzugte Aufnahme der Kinder der
beteiligten Institutionen.
Das pädagogische Konzept sieht den Kindergarten als „Lernwerkstatt“ mit Modellcharakter. Räume für Musik, Physik und
Heft 4/2007
dergleichen sollen den Kindern jederzeit
zugänglich sein. Eltern und beteiligte Unternehmen können und sollen ihr Knowhow durch Werks- und Arbeitsplatzbesichtigungen, Besuche in der Tierklinik, Vorstellung fremder Kulturen, Lese- und Vortragsnachmittage sowie andere Projekte
einbringen. Aufgrund der Zusammensetzung der Elternschar wird KIWI nicht nur
einen integrativen, sondern auch einen
multikulturellen Charakter erhalten. Um
der Sprachenvielfalt Rechnung zu tragen,
sollen auch Englisch sprechende Erzieher
eingestellt werden. Darüber hinaus sollen
die weiblichen und männlichen! Betreuer
ein möglichst breites Spektrum hinsichtlich Ausbildungen, Fähigkeiten und Interessen repräsentieren. Danach sind Erzieher ebenso gefragt wie beispielsweise
Sozialpädagogen oder Heilpädagogen.
Realisation
Die Eröffnung soll möglichst bald stattfinden. Geplant ist der Herbst 2008. Der
Großteil der Finanzierung ist gesichert. Ob
sich das Projekt tatsächlich realisieren
lässt, hängt davon ab, ob sich die Finanzierungslücken beseitigen lassen. Innerhalb
der Veterinärmedizinischen Fakultät ist
deshalb ein Spendenaufruf gestartet worden mit dem Slogan:
1 Euro für KIWI (oder mehr).
Damit können Mitarbeiter und Studierende
zeigen, dass sie das Vorhaben nicht nur gut
finden, sondern auch bereit sind, etwas
dafür zu tun. „Jeder kann zeigen, „was in
unserer kleinen Macht steht“, so Dr. Michaele Alef von der Kleintierklinik, eine
der Initiatorinnen. „Das gesammelte Geld
geht als projektbezogene Spende an den
Träger.“ Dr. Alef ist auch die Ansprechpartnerin des Projektes an der Veterinärmedizinischen Fakultät. Sie ist zu erreichen
unter: [email protected]
oder unter der Telefonnummer (0341)
2 12 66 64 bzw. 97 387 63; Telefax:
(0341) 2 12 66 74 oder 97 387 99.
Dr. Bärbel Adams
Strategien
gegen Rechts
Wann immer rechtsextreme Parteien Wahlerfolge einfahren oder sich so genannnte
„rechtsextreme Vorfälle“ ereignen, also antisemitisch oder fremdenfeindlich motivierte Straftaten begangen werden, wird
nach wirkungsvollen Gegenstrategien gesucht. Nach einiger Zeit verliert sich dann
meist die öffentliche Aufmerksamkeit.
Am Lehrstuhl für Politische Theorie geht
eine Forschungsgruppe um Dr. Rebecca
Pates, Dr. Daniel Schmidt und Dr. Dieter
Koop der Frage nach, wie langfristig rassistische und xenophobe Einstellungen
verändert werden können, die nicht im
extremen Spektrum angesiedelt, sondern
Teil von Alltags-Erzählungen sind. Es sind
oft lokale Diskurse – sei es in einer Schule,
in einer Kommune oder in einer Region –,
an die rechtsextreme Parteien anknüpfen
und die sie sich zu nutze machen.
Mit finanzieller Unterstützung in Höhe
von 16.000 Euro der bündnisgrünen Bundestagsfraktion haben Doris Liebscher und
Dr. Christian Schmidt die lokalen Strukturen in zwei Kleinstädten rekonstruiert.
Bürgerschaftliche „Bündnisse gegen
Rechts“ werden dort von der Rathausspitze
dominiert und schließen sich quasi gegen
alternative oder von außen kommende Initiativen ab. Sollten – wie derzeit geplant –
die Förderung solcher Nichtregierungsorganisationen den Kommunen überlassen
werden, dürften nicht verflochtene Initiativen leer ausgehen. Die Studie „Grenzen
lokaler Demokratie“ wurde im Juni im
Bundestag der Öffentlichkeit vorgestellt –
mit großer öffentlicher Resonanz.
Ein weiteres Projekt („RYPP“) in Kooperation mit dem Antidiskriminierungsbüro
Sachsen und der Universität Malmö erforscht die Arbeitsweisen von Antirassismus-Vereinen an Schulen. Ziel ist es herauszufinden, welche der didaktischen
Vorgehensweisen Erfolg versprechen und
welche nicht. In einem späteren Schritt
könnten dann diese Techniken und Inhalte
in die Lehramtsausbildung an der Universität integriert werden. Die Ergebnisse werden Anfang 2008 auf einer internationalen
Konferenz diskutiert. Die EU-Kommission
fördert das Projekt mit 220.000 Euro.
Dr. Daniel Schmidt
23
Forschung
Genetische Ursache von
Übergewicht entdeckt
Dicke sind an Leibesfülle nicht immer selbst schuld
„Wer dick ist, hat selbst schuld!“ – So lautet ein weit verbreitetes Vorurteil, mit dem
übergewichtige Menschen häufig konfrontiert werden. Oftmals sogar aus dem Mund
von Ärzten. Doch Professor Wieland
Kiess, Direktor der Universitätsklinik und
Poliklinik für Kinder und Jugendliche
Leipzig, und seine Kollegen Dr. Antje
Körner und Dr. Peter Kovacs, Leiter der
Nachwuchsgruppe im Interdisziplinären
Zentrum für Klinische Forschung (IZKF)
haben nun eine Entdeckung gemacht, die
den vermeintlichen Zusammenhang „Dick
gleich doof und dumm“ als das entlarvt,
was es ist: ein Vorurteil.
Übergewicht in der Hälfte der
Fälle genetisch bedingt
In Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen
aus Frankreich, Island, Schweden und
Deutschland konnten sie zeigen, dass eine
Veränderung des so genannten FTO-Gens
maßgeblich für die Entwicklung von Über-
gewicht und sogar Fettleibigkeit bei Kindern und Erwachsenen verantwortlich ist.
„Zu 50 Prozent hat Übergewicht eine genetische Ursache und allein 22 Prozent des
Risikos bei allgemein auftretendem Übergewicht lassen sich auf Veränderungen des
FTO-Gens zurückführen“, so Professor
Kiess. FTO ist die englische Abkürzung für
„fat mass and obesity associated“ und lässt
sich direkt mit „fettmasse- und übergewichts-assoziiert“ übersetzen. „Wir konnten feststellen, dass Veränderungen des
FTO-Gens direkt und unmittelbar die Fettmasse und das Übergewicht eines Menschen bedingen“, erklärt Kiess. Allerdings
ist das FTO-Gen nicht das einzige, das mit
Übergewicht in Zusammenhang gebracht
werden muss. „Wir wissen inzwischen
über Übergewicht und Adipositas, dass es
eine Reihe von einzelnen Genen gibt, die
alleine so genannte monogene Erkrankungen verursachen“, macht der Mediziner
deutlich. Dies bedeutet, dass eine Veränderung an einem einzelnen Gen krank macht.
Als Beispiel nennt Kiess den so genannten
Prof. Dr. Wieland Kiess, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder
und Jugendliche hat gemeinsam mit Kollegen die genetische Ursache von Übergewicht erforscht.
Foto: Zentrum für Foto und Film
24
MC4-Rezeptor im Gehirn: „Wenn man
dort bestimmte Veränderungen hat, dann
hat man einen ständigen Drang nach Essen
und wird natürlich dick, wenn man nicht
massiv gegensteuert.“ Ein weiteres Beispiel für eine monogene Erkrankung sei
der Leptin-Defekt. Menschen, deren Körper selbst kein Leptin bilde, würden sich zu
viel Nahrung zuführen, weil ihr Sättigungsgefühl ausgeschaltet ist. Gibt man
den Betroffenen Leptin, dann hören sie auf
zu essen und werden schlank.
Gene verhalten sich wie die
Mitglieder eines Orchesters
Die meisten anderen Gene, und dazu gehöre auch das FTO-Gen, seien jedoch viel
komplexer. Sie verhielten sich wie Mitglieder eines Orchesters: Aus ihrem funktionierenden oder gestörten Zusammenspiel
ergebe sich, ob man schlank bleibe oder
aber auch dick werde. Sicher seien noch
weitere genetische Faktoren von Bedeutung, wenn sich ein Übergewicht oder eine
Adipositas entwickele, so dass man in diesem Zusammenhang von polygenetischen
Erkrankungen sprechen müsse, erklärt
Kiess. Im genetischen Netzwerk sitze das
FTO-Gen aber an zentraler Stelle und wenn
darin eine Veränderung auftrete, sei dass
Risiko, dick zu werden, enorm erhöht.
Noch ist die genaue Funktion des FTOGens nicht bekannt, die Entdeckung der
Leipziger Mediziner könnte aber eines Tages dazu beitragen, die Behandlung des
durch das veränderte FTO-Gen bedingten
Übergewichts zu ermöglichen.
Doch neben der genetischen Veranlagung
bleibt auch der eigene Lebenswandel ein
Risikofaktor für Übergewicht. Für die
große Überzahl der Menschen mit Übergewicht gilt, dass es einen Zusammenhang
zwischen genetischer Ausstattung und dem
eigenen Verhalten gibt. „Unser heutiger
Lebensstil, viel Fernsehen, viel fettes Essen, viel ungesundes Essen, dichte Nahrung ist das Schlagwort“, so Kiess. Hinzu
journal
Forschung
kommt Bewegungsmangel: Das Auto wird
auch bei kurzen Fahrten dem Fahrrad vorgezogen, der Lift oder Aufzug wird benutzt, stattöfter einmal Treppen zu steigen.
Durch einige wenige Verhaltensveränderungen, könnte auch das genetisch bedingte Übergewicht zumindest in Schach
gehalten werden. „Man kann es beeinflussen und je früher man damit beginnt, desto
besser“, unterstreicht Kiess.
Übergewicht zeigt sich schon
im 3. oder 4. Lebensjahr
Als Kinderarzt wisse er, dass man bereits
im dritten oder vierten Lebensjahr eingreifen müsse, weil sich das Übergewicht bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zeige. Je
später eine gesündere Ernährungsrichtung
eingeschlagen werde, desto schwieriger sei
eine echte Wende zu erreichen: Wenn ein
Jugendlicher im Alter von 15 oder 16 Jahren bereits übergewichtig ist, dann liegt das
Risiko, dass er als Erwachsener eine Adipositas entwickelt, bei 85 Prozent. Kiess:
„Also dieser Spruch von früher, dass sich
das Pummelige von Teenagern verwächst,
stimmt knallhart nicht.“
Ideal wäre es, wenn Mütter bereits während der Schwangerschaft einen gesunden
Lebensstil und eine gesunde Ernährung anstrebten. Nach der Geburt ist die Muttermilch die gesündeste Nahrung für die
Säuglinge: „Gestillte Kinder sind auch als
Erwachsene schlanker als Kinder, die mit
Babynahrung aufgezogen wurden“, berichtet der Spezialist. Nach seinen Angaben gibt es Grund zu der Annahme, dass
Babys durch die Säuglingsnahrung an Zucker und Stärke gewöhnt werden und sich
daraus bis ins Erwachsenenalter andere
Ernährungsgewohnheiten entwickeln. Zudem sollten Kinder sehr früh dazu angehalten werden, sich ausreichend zu bewegen.
So ist die Bekämpfung des Übergewichts
sowohl eine individuelle als auch eine medizinische Angelegenheit. Doch Professor
Kiess weist auch darauf hin, dass sie eine
Herausforderung und Aufgabe für die Gesamtgesellschaft bleibt: „Zu den bereits genannten Determinanten für Übergewicht in
Deutschland kommen Bildung und das
Einkommen der Eltern.“ Je niedriger das
Bildungsniveau und je niedriger das Einkommen, desto höher die Chance, dass jemand adipös sei. Dies ließe sich durch vorliegende Daten beweisen, die „genauso
hart sind, wie unsere genetischen Daten.“
Jörg Aberger
Heft 4/2007
Fünf Jahre Leipziger Auwaldkran-Projekt – Sammelband
Schmackhaftigkeit der Blätter
Das interdisziplinäre Leipziger Auwald- dass viele seltene und zum Teil geschützte
kran-Projekt (LAK-Projekt) begann im und bedrohte Tiere auf den Lebensraum
März 2001 und ist seither eines von weni- Baumkronen beziehungsweise auf einen
gen wissenschaftlichen Vorhaben in tem- naturnahen Wald mit hohem Totholzanteil
peraten Regionen, das die Biodiversitäts- angewiesen sind. Auch die Fledermäuse
forschung in Baumkronen zum Thema hat, sind im Untersuchungsgebiet artenreich,
und es ist das einzige, das den Lebensraum 75 Prozent der in Sachsen bekannten Arten
Auwald sowohl am Boden als auch in den wurden nachgewiesen. Sie finden in dem
höchsten Wipfeln der Bäume erforscht. strukturreichen Waldgebiet gute JagdbeDas kürzlich erschienene, englischspra- dingungen sowie viele Ruheplätze vor.
chige Buch gibt mit 20 wissenschaftlichen Ohne die finanzielle Unterstützung des
Beiträgen einen umfassenden Einblick in Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) sowie das Engagement von
die Arbeiten der letzten Jahre.
zahlreichen ProfesIm ersten Kapitel
soren, Dozenten,
wird das UntersuDoktoranden, Gastchungsgebiet vorwissenschaftlern,
gestellt. Dazu gehöStudenten, sowie
ren Beschreibungen
weiteren Universides Bodenreliefs,
tätsangehörigen
des Baumbestands,
wäre das LAK-Proder
vertikalen
jekt nicht zu realiLichtverteilung im
Wald, sowie der
sieren gewesen. IhKronenoberfläche.
nen sei herzlich gedankt. Einen besonDie Arbeiten liefern Ein wissenschaftlicher Sammelband veressenzielle Daten eint die Ergebnisse des interdisziplinären deren Dank gebührt
Leipziger Auwaldkran-Projekts aus fünf
zur Interpretation Jahren.
Foto: Randy Kühn Herrn Andreas Sickert, dem Leiter
von Artenvielfalt,
Verteilung und Interaktionen der Organis- der Abt. Stadtforsten des Grünflächenammen im Kronenraum. Untersuchungen tes Leipzig. Seine Kompetenz prägte weüber den aktuellen Zustand und die Rege- sentlich das wissenschaftliche Konzept des
nerationsfähigkeit des Waldes sind von Projekts.
großer Bedeutung für das LAK-Projekt, Das Buch ist dem kürzlich verstorbenen
das von Beginn an in enger Zusammenar- Chef des Lehrstuhls Spezielle Botanik,
beit mit dem Leipziger Grünflächenamt Prof. Dr. Wilfried Morawetz, gewidmet. Er
war für die Planung und Durchführung des
koordiniert wird.
Der zweite Teil des Buches beinhaltet Stu- LAK-Projekts verantwortlich und hat
dien, die hauptsächlich an den Bäumen wesentlich dazu beigetragen, dass die Kroselbst durchgeführt wurden. Dazu zählen nenregionen von Wäldern heutzutage als
Arbeiten zum zeitlichen Ablauf von Blüh- besonders schützenswerte Lebensräume
phasen, Blattaustrieb und Fruchtreife in gelten.
Abhängigkeit von Baumart und Position in
Dr. Martin Unterseher,
der Krone. Erste Ergebnisse zur genetiInstitut für Botanik
schen Variation einzelner Bäume werden
ebenfalls präsentiert.
Mit den Untersuchungen zum Blattfraß „The Canopy of a Temperate Floodplain
und zur Schmackhaftigkeit von Blättern Forest – Results from five years of research
wird das dritte Kapitel eingeleitet, das vor at the Leipzig Canopy Crane“.
allem der großen Welt der Arthropoden ISBN 978-3-934178-61-8. 180 Seiten;
(Insekten und Spinnen) gewidmet ist. In 24,90 Euro. Zu bestellen über das Sekretaneun Beiträgen wird die Vielfalt un- riat des Lehrstuhls Spezielle Botanik, Frau
terschiedlicher Organismengruppen be- Karin Schubert
leuchtet (Spinnen, Wanzen, Florfliegen, ([email protected]).
Käfer, Schmetterlinge, Fledermäuse,
Pilze). Die Ergebnisse machen deutlich,
25
Fakultäten und Institute
Grundlagen mit Wortwitz
Ackerknecht-Preis für ausgezeichnete Lehre geht an
Professor Gerhard Oechtering
Ihren diesjährigen Ackerknecht-Preis für
Lehre hat die Veterinärmedizinische Fakultät im Rahmen ihrer akademischen Festveranstaltung mit feierlicher Promotion an
Professor Dr. Gerhard Oechtering, Direktor der Klinik für Kleintiere, vergeben. Die
Begründung dafür lieferten die Studierenden selbst. Im Vorschlag des Fachschaftsrates ist zu lesen:
„In diesem Jahr möchte der Fachschaftsrat
Veterinärmedizin auf Vorschlag der Studierenden für den Ackerknechtpreis den Direktor der Klinik für Kleintiere, Herrn
Prof. Dr. Gerhard Oechtering für seine
Lehrleistung im Rahmen der Vorlesungen
Kleintierkrankheiten, Querschnitt Kleintier, Vorstellung interessanter Patienten
(Wahlpflicht) und der Klinikstunde Kleintier vorschlagen. Seit über einem Jahrzehnt
bereichert er neben seinen Verdiensten in
der Forschung, der Teamarbeit und den tagtäglichen Herausforderungen die Fakultät
mit seiner Lehrtätigkeit.
Seine Vorlesungen sind spannend gestaltet
und er schafft es jedes Mal aufs Neue die
Studenten und Studentinnen auf ihren Plätzen zu fesseln und gebannt der Vermittlung
des Lehrstoffs bestehend aus Grundlagen,
praktischer Relevanz und Forschung verpackt in Wortwitz und Anekdoten zu lauschen. Prof. Oechterings Vorlesungen bestechen durch eine anschauliche Mischung
aus Theorie und praktischen Beispielen.
Der Archetypus des Patientenbesitzers,
Frau Müller-Lüdenscheidt, begleitet die
Studenten ab dem fünften, zum Teil schon
ab dem dritten Semester und ist aus dem
Hörsaal der Kleintierklinik fast nicht weg
zu denken. Auch wenn er seine Vorlesung
sehr redegewandt hält, sagen Bilder
manchmal mehr als Worte und so schaltet
er kurzerhand per Kamera in den OP damit
die Studenten in der ersten Reihe mit dabei
sein können. Problemlos kann er auch
Witze über sich selbst machen und mit
kleinen Anekdoten aus den ersten Jahren
als (Anfangs-)Assistent aufwarten.
Seit Jahren setzt er sich dafür ein, dass alle
Lehrmaterialien zeitnah auf der Institutsseite den Studierenden zur Verfügung ste-
Prof. Dr. Gerhard Oechtering, Direktor der Klinik für Kleintiere, erhielt den Ackerknecht-Preis für herausragende Lehre. Die Studenten der Veterinärmedizin attestierten ihm Teamarbeit, Vorlesungen mit der richtigen Mischung aus Theorie und Praxis
und honorierten seinen Anekdoten-Reichtum.
Foto: Jungnickel
26
hen. Ebenso kann über die Seiten Kontakt
mit den Lehrenden aufgenommen werden
und Fragen, Kritik und Anregungen können ausgetauscht werden. Sein gesamtes
Engagement in Sachen technischer Ausstattung der Klinik lässt er auch den Studierenden in der theoretischen und praktischen Ausbildung zugute kommen. Er ist
tagtäglich bemüht die Lehre an die Herausforderungen der Praxis anzupassen und
weiterzuentwickeln, um den Studenten und
Studentinnen das bestmögliche Handwerkszeug mitzugeben.“
Studiendekan Professor Dr. Arwid
Daugschies hob hervor, dass Professor
Oechtering schon immer ein engagierter
Hochschullehrer gewesen sei, der sich
durch fundierte und anschauliche Lehrveranstaltungen auszeichne. „Mit seiner Arbeit als Vorsitzender der Projektgruppe
Neue Lehre, trug er wesentlich dazu bei,
mit vielen innovativen und in die Zukunft
weisenden Ideen den neuen Studiengang
Veterinärmedizin zu entwickeln.“
Der Ackerknecht-Preis wird seit 2001 jährlich vergeben. Er wurde ins Leben gerufen,
um ausgezeichnete Lehre an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität
Leipzig zu würdigen. Mit dem Preis kann
ein einzelner Lehrender oder auch eine
Gruppe im Rahmen einer gemeinsam geleiteten Veranstaltung ausgezeichnet werden. Vergeben wird der Preis auf Vorschlag
der Studierenden.
Benannt wurde der Ackerknecht-Preis
nach Eberhard Ackerknecht, der in den
30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts am Veterinär-Anatomischen
Institut in Leipzig gelehrt hat und als
herausragende Lehrerpersönlichkeit galt.
Ackerknecht wurde 1933 aus Zürich als
Professor für Veterinär-Anatomie und Direktor des Veterinär-Anatomischen Instituts nach Leipzig berufen. Ab 1937 betreute Ackerknecht auch die Lehrgebiete
Histologie und Embryologie. Von seiner
außergewöhnlichen Lehrbegabung sprechen seine ehemaligen Schüler noch heute.
Dr. Bärbel Adams
journal
Fakultäten und Institute
Kranke
Kinder
lieben
„meepl“
Multimedia
in der
Uni-Kinderklinik
der kinderonkologischen Station der Universität Leipzig vor. Es bestehe großes Interesse, das Terminal weiter einzusetzen.
Künftig werde zudem eine gezielte Anbindung der Kinder an den Unterricht in der
Heimatschule mittels Internet angestrebt.
Allerdings fehlen bislang die nötigen finanziellen Mittel, um Unterhaltskosten zu
decken und die Betreuung des Terminals zu
finanzieren.
Darüber hinaus ist eine ausreichende wissenschaftliche Dokumentation und Evaluation erforderlich. „In den Fokus der Forschung rückt verstärkt die Frage nach der
psychosozialen Anpassung der Kinder und
Jugendlichen an Krankenhausaufenthalte
sowie der Reintegration nach abgeschlossener Behandlung“, so der Direktor der
Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Prof. Dr. Wieland
Kiess. Während Kinder bis zum Vorschulalter vor allem mit Verhaltensauffälligkei-
ten auf die stationäre Behandlung reagierten, wirke sich diese bei älteren Kindern
und Jugendlichen überwiegend auf die
Lebensqualität aus. Die Belastungen durch
die oft schmerzhaften medizinischen Behandlungen, die auch Nachwirkungen wie
Übelkeit, Erbrechen bis hin zum Ausfall
der Haar nach sich ziehen, könnten emotionale Probleme wie Depression und
Ängstlichkeit hervorrufen.
Daher soll nun zunächst anhand einer Basisdokumentation systematisch festgehalten werden, in welcher Art und Weise, wie
lange und welche Altersgruppen das Terminal verwendet. Auch mögliche Veränderungen von Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und Selbstwert sollen registriert
und etwaige Auswirkungen auf depressive
und ängstliche Symptome und die Bewältigung der krankheits- und behandlungsbedingten Anforderungen erkannt werden.
Tobias D. Höhn
Wiederholte Krankenhausaufenthalte bedeuten für krebskranke Kinder einen Verlust des sozialen Umfeldes, sie leiden unter der zunehmenden Isolation und der
stark eingeschränkten Freizeitgestaltung.
Mit dem Multimedia-Terminal „meepl cultura“ ermöglicht die Universitätsklinik und
Poliklinik für Kinder und Jugendliche in
Zusammenarbeit der Firmen GK-zwo
GmbH und Deutsche Telekom AG den
Kindern die Kommunikation zur „Außenwelt“. Auf der Station können Kinder und
Jugendliche im Internet surfen, Musik hören, DVD-Filme anschauen, mit Hilfe von
spezieller Software ihr Gedächtnis trainieren oder dank Webcam und Bildtelefonie
mit ihren Freunden reden und am heimatlichen Unterrichtsgeschehen teilhaben.
„Die sozialen Ressourcen werden aktiviert
und aufrechterhalten, wodurch das Risiko
psychischer Beeinträchtigungen verringert
wird. Es kommt zu einer Aktivierung des
Patienten, was die Krankheitsbewältigung
und das Weiterbestehen integrierender Beziehungen bzw. die Reintegration in Familie und Schule nachhaltig unterstützt“, so
Prof. Dr. Evelin Witruk. Die Leiterin des
Bereiches für Pädagogische- und Rehabilitationspsychologie an der Universität Leipzig bereitet mit ihrem Team das neu
initiierte Projekt zur Betreuung und Evaluierung des Einsatzes neuester Kommunikations- und Informationstechnologien in
Die neunjährige Michele Kunze sitzt am
Multimediaterminal „meepl“ auf der
Krebsstation.
Foto: Jan Woitas
Heft 4/2007
27
Kuh, Lama, Wasserbüffel
Was Medien schon immer über Milch wissen wollten ...
… erfuhren sie kürzlich an der Veterinärmedizinischen Fakultät. Kreuz und quer
ging es mit der dortigen Jahrespressekonferenz über den Campus „An den Tierkliniken“. Von der Kuh über das Lama bis hin
zum Wasserbüffel waren weitgehend alle
Tiere versammelt, die gemeinhin Milch
geben.m
Wussten Sie, dass in Deutschland pro Kopf
125 Kilogramm Milchprodukte verzehrt
werden? Und dass Sie im Durchschnitt
65 Liter Konsummilch zu sich nehmen?
Professor Dr. Axel Sobiraj, Direktor der
Ambulatorischen und Geburtshilflichen
Tierklinik, erklärte denn auch erst einmal,
woher die Milch genau kommt. Von der
Kuh sagen Sie? Ja, das stimmt. Aber es gibt
dazu viel mehr zu sagen, nicht zuletzt aus
der Sicht der Veterinärmedizin:
In der EU werden 90 Millionen Rinder gehalten (Stand: 2005), davon 23 Millionen
Milchkühe. Deutschland steht hierbei mit
vier Millionen Milchkühen an der Spitze,
gefolgt von Frankreich und Polen. Der
Trend ist jedoch rückläufig: Jährlich geht
der Milchkuhbestand in Deutschland um
zirka 100 000 Tiere zurück. Die Zahl der
Milchviehbetriebe ist noch stärker rückläufig, dafür werden mehr Kühe pro Betrieb
gehalten. „Zudem konnte durch Optimierung von Fütterung, Haltung, vor allem
durch selektive Züchtung auf Leistung
konnte die Milchmenge pro Kuh und Jahr
28
in den letzten 60 Jahren von weniger als
2 000 Litern Milch mehr als vervierfacht
werden“, erklärt Axel Sobiraj. Tiere mit
einer täglichen Milchproduktion von 60 Litern und mehr seien nicht außergewöhnlich.
Diese Höchstleistungen haben allerdings
ihren Preis: Es ist heutzutage kaum mehr
möglich, eine „Powerkuh“ leistungs- und
bedarfsgerecht zu füttern. Die Tiere leiden
gehäuft an Unfruchtbarkeit. Aber ohne
Trächtigkeit und Geburt gibt eine Kuh bald
keine Milch mehr. An zweiter Stelle folgen
Eutererkrankungen, weil die Euter angesichts der hohen Beanspruchung krankheitsanfällig sind. Die Abgangsraten an
Milchkühen sind mittlerweile so hoch, das
manche Betriebe kaum noch in der Lage
sind, die abzuschaffenden Kühe über die
eigene Nachzucht ersetzt zu bekommen.m
Schuld an dieser Entwicklung haben zwei
Dinge: Die Kosten der Kuhhaltung sind
immens und die Milchpreise decken diese
im Moment kaum. Das heißt, es muss mit
möglichst wenigen Kühen möglichst viel
produziert werden.
Gefahr für den Menschen besteht durch die
bakteriellen Infektionen allerdings nicht,
weil Trinkmilch mit Ausnahme strengstens
überwachter Vorzugsmilchbetriebe nicht
roh verzehrt wird, sondern zuvor der Pasteurisierung unterzogen wird. Diese tötet
alle Bakterien ab. Die Qualitätsanforderun-
gen an Kuhmilch als Rohprodukt sind in
Deutschland die strengsten weltweit.
Die Tierärzte in Deutschland für die Untersuchung und Überwachung von Lebensmitteln tierischer Herkunft und damit auch
für das breite Segment Milch/-produkte
verantwortlich. So lernen die Studierenden
denn auch die Grundkenntnisse der Herstellung von Milch und Milchprodukten,
die Warenkunde, die mikrobiologische
Beschaffenheit sowie die lebensmittelbzw. milchrechtliche Bewertung kennen,
erklärte Dr. Peggy Braun, Privatdozentin
am Institut für Lebensmittelhygiene.
Für die Bekämpfung von Euterentzündungen wenden Tierärzte hauptsächlich Antibiotika an, deren Einsatz streng kontrolliert
und streng indiziert erfolgt. Alternativen
mit gleichwertiger Wirksamkeit der Antibiotika stehen derzeit leider kaum zur Verfügung, jedoch gibt es Ansätze (Impfstoffe,
äußerliche und innere Zitzenversiegler),
um den Antibiotikaeinsatz bei Milchkühen
weiter einzuschränken. „Es gibt also noch
viel zu tun …“, erklärt Sobiraj stellvertretend für die Fakultät.
Mögen Sie Eis? – Inzwischen zeigt Peggy
Braun anschaulich, wie vielfältig und wie
einfach das Produkt Milch weiter verarbeitet wird. Entsprechend den Ansprüchen der
Lebensmittelhygiene stehen nun die Journalisten in sterile Plastikmäntel eingehüllt
im Milchtechnikum und sehen wie Joghurt,
journal
Fakultäten und Institute
Frischkäse, Butter und Eis entstehen. Währenddessen beschreibt Peggy Braun die
verschiedenen Phasen der Herstellung von
Käse. Um diesen herzustellen, muss die
Milch dickgelegt werden. Das kann mittels
Labenzym oder durch Säuerung erreicht
werden. „Für Frischkäse vermischen wir
die pasteurisierte Milch mit Säuerungskulturen und etwas Lab, bebrüten diese für
zirka 16 h bei 30 °C“, erklärt die Expertin.
Als Nebenprodukt entsteht hier die leicht
grünlich aussehende Molke, die entweder
pur oder mit Fruchtzusätzen im Handel erhältlich ist und sich steigender Beliebtheit
bei den Verbrauchern erfreut.
Besonders interessant bei dieser Erkundung des Themas Milch waren die weiteren Milchgeber, die Professor Gerald
Schusser, Direktor der Medizinischen Tierklinik, auf der Wiese vor dem Institut für
Physiologie vorstellt. Außergewöhnlich
beispielsweise die Stutenmilch, die in
Deutschland lediglich an 25 Betrieben gewonnen wird und auch als Creme oder
Likör dem Menschen sehr gut tut. Leider
ist die Stutenmilch vergleichsweise extrem
teuer. Oder die Milch des Wasserbüffels,
die vor allem zur Produktion von Käse eingesetzt wird.
Dr. Manuela Rutsatz
Was viele nicht wussten: Auch Wasserbüffel (Foto unten) geben Milch, die vor
allem zur Käseproduktion verwendet
wird. Die Qualitätsanforderungen an
die unterschiedlichen Milchtypen sind in
Deutschland die strengsten weltweit,
erklärte Dr. Peggy Braun (Foto rechts),
Privatdozentin am Institut für Lebensmittelhygiene.
Fotos: Jan Woitas/Randy Kühn
Heft 4/2007
Veterinärmedizin-Dekan im Interview
Karsten Fehlhaber: Nur gesunde
Kühe geben gute Milch
Herr Professor Fehlhaber, Milch ist als
tierisches Produkt eines der ältesten
Nahrungsmittel des Menschen. Besteht
überhaupt noch Forschungsbedarf?
Prof. Fehlhaber: Unbedingt, unter anderem, wenn wir die Milch aus der Perspektive der Lebensmittelsicherheit betrachten.
Es treten nach wie vor viele Infektionskrankheiten auf, die durch mit Keimen
befallene Lebensmittel hervorgerufen
werden. Davon gelangen manche auch
über die Milch zum Menschen. So können
Campylobacter-Infektionen entstehen, die
schwere Darmerkrankungen verursachen,
wenn über das Fell staubige Kotpartikel des
Tieres in die Milch geraten und die Milch
nicht pasteurisiert wird.
Listerien hingegen sind Erreger, welche die
Milch irgendwann nach dem Melken besiedeln. Die daraus entstehende Listeriose ist
besonders für Schwangere gefährlich, weil
sie mit Embryoschädigungen einhergehen
kann. Weitere Erreger sind Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), also
pathogene Stämme des Darmbakteriums
Escherichia coli, die beim Menschen unter
anderem blutige Durchfallerkrankungen
auslösen können.
Welche Aufgabe kommt dem Tiermediziner zu?
Trotz aller mehr oder weniger vollständigen Abtötung der Erreger, muss die Keimbelastung der Rohware möglichst gering
gehalten werden. Ganz wichtig dafür ist die
Gesundheit der Tiere. Kühe mit einer
Euterentzündung beispielsweise könnten
Staphylokokken übertragen. Deshalb ist
das Erkennen und Behandeln dieser
Krankheit beim Tier für den Konsumenten
der Milch wichtig. Außerdem bedeutet der
Ausfall einer Milchkuh durch Erkrankungen natürlich eine erhebliche wirtschaftliche Einbuße für den Landwirt. Eine weitere Fragestellung betrifft den Umgang mit
Tierarzneimitteln. Wenn beispielsweise
manche zur Joghurtproduktion eingesetzte
Bakterien nicht mehr aktiv werden, ist das
der Beweis dafür, dass der Kuh Antibiotika
gegeben wurden, deren Rückstände in der
Milch auftauchen.
Woran speziell arbeiten derzeit die
Forscher Ihrer Fakultät?
Eine der Fragestellungen, der wir uns zur
Zeit widmen, ist die Euter-Blut-Schranke,
die beim gesunden Tier für Mikroorganismen nicht durchlässig sein sollte. Außerdem entsteht auf unserem Gelände eine
milchtechnologische Abteilung, also eine
„kleine Molkerei“. Hier ist vorgesehen, das
Verhalten der Mikroorganismen während
der Produktion der verschiedenen Milchprodukte unter die Lupe zu nehmen. Wir
wollen wissen, wie sich pathogene Erreger
während der Prozesse und im Endprodukt
verhalten.
Und woher kommt die Milch für diese
Experimente?
Wir haben ein Lehr- und Versuchsgut im
Oberholz, wo unsere Studenten den Umgang mit gesunden Tieren trainieren. Und
von dieser Rinderherde stammt dann auch
unsere Test-Milch.
Interview: Marlis Heinz
29
Studiosi
Studentischer
Idealismus und
Klingereuphorie
Ein Erfahrungsbericht
Von Nina Schmidt und Carina Bauriegel, Institut für Kunstgeschichte
„Griffelkunst – Mythos, Traum und
Liebe in Max Klingers Grafik“, so der
Titel der letzten Ausstellung im KrochHaus (21.Juni bis 21. Juli).
Abbildung: Kustodie
30
Wer glaubt, Studenten fehle es an Verantwortungsbewusstsein und Ausdauer, eine
Ausstellung zu kuratieren, irrt. Zwölf Studenten des Instituts für Kunstgeschichte
stellten sich auf Initiative Dr. Frank Zöllners, Professor des hiesigen Instituts, dieser Herausforderung. Nichts bot sich mehr
an als eine Ausstellung zum 150. Geburtstag des Leipziger Künstlers Max Klinger,
der in diesem Jahr allerorts hofiert und in
Schauen und Tagungen geehrt wird.
Das Œuvre des Künstlers umfasst nicht nur
Monumentalwerke wie die Plastik des
Beethoven, einst im Gewandhaus und heute
im Museum der bildenden Künste, oder
Christus im Olymp, das enorme Wandbild,
das momentan nur noch als Fototapete zu
sehen ist, da es seiner Restaurierung harrt.
Zunächst weniger bekannt, aber bei näherem Hinsehen weit moderner konzipiert als
seine Plastiken und Historienbilder, präsentieren sich Klingers druckgrafische
Folgen. Seine unter der Bezeichnung
„Griffelkunst“ bekannte Grafik und Zeichnung galt schon zu Lebzeiten des Künstlers
als revolutionär und verhalf dem gesamten
Medium Grafik nicht zuletztdank Klingers
1891 veröffentlichter Schrift „Malerei und
Zeichnung“ zur Nobilitierung und Autonomie gegenüber der Malerei. Anders als im
malerischen Werk sah Klinger in der
Druckgrafik Ausdrucksmöglichkeiten für
die subjektive Weltanschauung des Kunstschaffenden, die nicht der Abbildung des
Schönen unterliegt, sondern die „dunklen
Seiten“ des Lebens und des Menschen fassen solle.
Widmeten wir uns Klinger zunächst auf
breiter Basis, um die latente Vermischung
von christlichem und antikem Gedankengut, psychologischen und philosophischen
Strömungen von Arthur Schopenhauer bis
Friedrich Nietzsche zu verstehen, richtete
sich unser Fokus bald auf die Grafik. Mit
einem Griffel in der Hand lernten wir im
Atelier Prof. Ulrich Hachullas an der
Hochschule für Grafik und Buchkunst
(HGB) die Virtuosität Klingers grafischer
Fähigkeiten schätzen. Ob Radierung,
Aquatinta oder Stich, die Schraffuren und
Flächendeckung entführen den Betrachter
in eine Welt, die ihre Wurzeln in der Wilhelminischen Gesellschaft hat, ihre Triebe
jedoch ins Fantastische, Mythische und
nach den verbotenen Sehnsüchten und unbewussten Gemütszuständen ausstreckt.
Aus diesem Repertoire wurden Mythos,
Traum und Liebe übergreifende Themen
und Titel unserer Ausstellung.
Bei der Umsetzung dieses Konzepts ging
es uns vorrangig um eines: Der Ausstellungsbesucher sollte in nur einem Besuch
dieselbe Faszination empfinden, in dieselbe Gefühls- und Gedankenwelt Klingers
eintauchen, wie sie in uns in jenen zwei
Semestern gewachsen ist. Kurze Beschreibungen zu den einzelnen Blättern und einleitende Texte zu den Zyklen kommen dem
Besucher dabei unmittelbar zu Hilfe. Zweimal wöchentlich stattfindende Führungen
sollen die Welt des „Gedankenkünstlers“
Max Klinger fassbarer machen. Eine ganz
spezielle Herausforderung war der Zyklus
Amor und Psyche, die Illustration des ältesten überlieferten Märchens der antiken
Welt, den der Künstler nicht chronologisch
bearbeitete und für den ein spezielles Verweissystem Not tat.
Die Arbeit im Team und gegen die Zeit, die
händeringende Suche nach Sponsoren, Öffentlichkeitsarbeit und die Bereitschaft
Opfer zu bringen: Wir lernten viel während
unserer Arbeit an der Ausstellung „Griffelkunst“. Doch auch die Unterstützung war
groß. Neben der Kustodie sei Prof. Zöllner,
der HGB, dem Wundt-Archiv, Andreas
Wendt und Martin Weicker, dem Plöttner
Verlag und allen Sponsoren herzlich gedankt sowie allen, die das ihrige zum Gelingen des Projektes beigetragen haben.
journal
Studiosi
Zahnmedizin
Die Glockenmänner auf dem
Kroch-Haus haben vorerst
Pause.
Foto: R. Kühn
Wissenschaftlicher Tag für
Studenten
Auszug aus dem Kroch-Haus
Wenn am 21. Juli die vom Institut für
Kunstgeschichte und der Kustodie veranstaltete Ausstellung „Griffelkunst“ ihre
Pforten schließt, endet ein Stück KustodieGeschichte. Seit den 1980er Jahren führte
die Kustodie – zentrale Einrichtung der
Universität, die den Kunstbesitz der Hochschule verwaltet – in dem ehemaligen
Bankhaus Kroch mit seinem historischen
Oberlichtsaal pro Jahr durchschnittlich
fünf bis sechs Ausstellungen durch.
Eröffnet wurde das AusstellungszentrumKroch-Haus im September 1983 mit der
Ausstellung „Luther und Leipzig“ unter
der Leitung des damaligen Kustos Rainer
Behrends. Seither fanden dort, neben universitätsbezogenen Ausstellungen wie
„Goethes Universität“ (1999) und „Philipp
Erasmus Reich“ (1988), zahlreiche Kunstausstellungen, vor allem mit Leipziger
Künstlern, u. a. Bernhard Heisig (1987 und
1996), Werner Tübke (1994), Wolfgang
Mattheuer (1995) oder Heinz Zander
(1999) statt.
Seit 2002 unter der Leitung des Kustos Dr.
Rudolf Hiller von Gaertringen wurden verstärkt Ausstellungen in Zusammenarbeit
mit verschiedenen Instituten der Universität im Kroch-Haus und in der Galerie im
Hörsaalbau realisiert, zum Beispiel
„Schönheit ist Gesetz/Wilhelm Ostwald“,
„Medizin und Geschichte“ (2003), „Ernst
Bloch in Leipzig“ (2004), „Campus Blues“
(2005) oder „Gilgamesch“ (2006).
Im Rahmen der Baumaßnahmen für den
neuen Universitätscampus am Augustusplatz haben bereits tiefgreifende Veränderungen begonnen. Im Juli 2006 wurde umHeft 4/2007
baubedingt die Galerie im Hörsaalbau geschlossen. Nun muss auch der Ausstellungsbetrieb im Kroch-Haus eingestellt
werden. Der Umzug der Kustodie in ein
Interim erfolgt aufgrund vorgezogener
Baumaßnahmen bereits dieser Tage. Während im Kroch-Haus über 400 Quadratmeter Verwaltungs- und Lagerfläche zur Verfügung standen (der gut 220 Quadratmeter
große Ausstellungsraum nicht mit eingerechnet), wird das Interim in der Hainstraße nur noch 200 Quadratmeter umfassen. Büroräume und eine Restaurierungswerkstatt werden dort für eine Übergangszeit von annähernd zwei Jahren
eingerichtet, bis die Kustodie Räume im
neuen Hauptgebäude beziehen kann.
Reguläre Ausstellungen wird die Kustodie
erst wieder im van Egeraatschen Neubau
durchführen können – dort wird sie einen
an das Foyer angrenzenden Ausstellungsraum erhalten. In der Zwischenzeit wird es
eventuell kleinere Ausstellungen unter
anderem in der Studiensammlung geben.
Eine Ausstellung über den Altphilologen
Gottfried Hermann, ursprünglich für den
Herbst im Kroch-Haus geplant, wird nun
von Oktober bis Dezember 2007 in der
Universitätsbibliothek gezeigt.
Bis zu ihrem nächsten Umzug wird die
Hauptaufgabe in der Restaurierung der
Kunstwerke aus der Universitätskirche St.
Pauli bestehen, die für die Präsentation in
der neuen Aula/Kirche vorbereitet werden.
Außerdem stehen die Vorbereitungen für
das 600. Jubiläum und die Erstellung von
sammlungsbezogenen Publikationen im
Vordergrund.
Dr. Simone Schulz
Der Wissenschaftliche Tag für Studenten
der Zahnmedizin vereinte Studenten der
Universitäten Leipzig, Greifswald, Berlin
und Olomuc (Olmütz). „Ziel ist es, die
Studierenden früh zum wissenschaftlichen
Arbeiten hinzuführen”, erläutert Prof. Dr.
Holger A. Jakstat, Leiter der Vorklinischen
Propädeutik und Werkstoffkunde am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Leipzig.
„Dafür wird eine wissenschaftliche Fragestellung so modelliert, dass die notwendigen Versuche und die Auswertung an
einem einzigen Tag durchgeführt werden
können. Beispielweise haben wir zwei
Wege, einen Gesichtsbogen (ein zahnmedizinisches Gerät zur Individualisierung eines Kausimulators) anzulegen, miteinander verglichen. Keiner der Teilnehmer hatte
das schon gemacht, alle erhielten dieselbe
Einweisung und führten randomisiert
beide Verfahren an diesem Tag durch. Andere Studierende überwachten die Versuche oder werteten sie aus. Am Schluss
wurden die Ergebnisse beschrieben und es
konnte gezeigt werden, dass Methode A bei
Ungeübten eine deutlich geringere Streuung aufwies. Es war also für diese die
sicherere Methode.“
Einer der Wissenschaftlichen Tage führte
zur Erteilung eines Patents und zur Einwerbung von Drittmitteln, so dass auch für die
Universität direkt ein Gewinn nachgewiesen werden kann. „Wir wollen dieses Erfolgsmodell, dass auf der Freundschaft der
beteiligten Lehrenden basiert, noch weiter
ausbauen“, schaut Jakstat in die Zukunft.
Künftig soll auch der wissenschaftliche
Vortrag von Studierenden übernommen
werden. „Vielleicht stoßen ja auch noch
weitere Universitäten zu uns“, sagt Jakstat.
Marlis Heinz
31
Personalia
Rauer Beton und
zwitschernde Vögel
Der britische Sprachmagier James Hopkin über
seine Erfahrungen als Picador-Professor
James Hopkin ist seit April dieses Jahres
Picador-Professor für Literatur am Institut
für Amerikanistik. Der erfolgreiche britische Autor lebt für ein Semester in Leipzig
und gibt insgesamt zwei Seminare: Sein
Seminar über Thomas Pynchon gibt den
Studierenden Gelegenheit, einen der angesehensten US-amerikanischen Autoren aus
dem Blickwinkel eines praktizierenden
Schriftstellers zu diskutieren. Im Creative
Writing/Book Reviewing Seminar haben
die Studierenden die Möglichkeit, selbst
praktisch mit dem ausübenden Literaten an
eigenen Texten zu arbeiten.
Picador-Professor James Hopkin hat moderne Belletristik an der Universität von
East Anglia studiert. Seine Doktorarbeit
schrieb er an den Universitäten von York
und East Anglia über Mikhail Bakhtin und
Patrick White. Er hat in Krakau, Berlin,
Manchester und zahlreichen anderen Orten
in Europa gelebt. Sein erster Roman „Winter Under Water“ (2007) fand breite Anerkennung unter Literaturkritikern. So hebt
beispielsweise The Independent hervor,
dass es „wenige Schriftsteller [gibt], die in
ihrem Erstlingswerk die Fähigkeit besitzen, mit Sprache so magisch zu zaubern“.
James Hopkin ist Träger des „Inaugural
Norwich Prize for Literature“.
Die Picador Professorship for Literature
an der Universität Leipzig ist eine in
Deutschland einmalige Einrichtung. Sie ist
Teil der American Studies Studiengänge
des Instituts für Amerikanistik und Ergebnis einer Partnerschaft zwischen dem
Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe
Georg von Holtzbrinck, dem DAAD und
der Universität Leipzig. Die Professur
verbindet Elemente eines „Writers in
Residence“-Programms,
schriftstellerisches und literaturwissenschaftliches Arbeiten. Die Picador-Professur bringt damit
führende Schriftsteller der Englischen
Sprache nach Mitteldeutschland und gibt
Studierenden die Möglichkeit, mit den
32
Was ist das Besondere an der Arbeit mit
den Leipziger Studenten?
Sie sind aufmerksam, aufgeweckt und lernwillig – wie gute Studenten überall. Abgesehen davon, dass natürlich die wenigsten
direkt aus Leipzig kommen. Insbesondere
die Studierenden in meinem Kurs „Kreatives Schreiben“ haben eine beachtliche Entwicklung über die letzten paar Wochen gezeigt, als Schreibende und als Leser.
Picador-Professor James Hopkin.
Foto: privat
„Produzenten“ von Literatur zu arbeiten. In
diesem Sinne trägt sie zu einem lebhaften
Austausch über das Verhältnis von Literatur, Sprache und Kultur bei; zentralen Momenten der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit kultureller Vielfalt und
Differenz. Das Institut für Amerikanistik
freut sich, Picador-Pofessorship-Veranstaltungen zusammen mit lokalen, regionalen
und überregionalen Partnern zu organisieren.
Herr Professor Hopkin, Sie leben nun
bereits seit einigen Monaten in der Universitätsstadt Leipzig. Ist Leipzig in
Ihren Augen literarisch?
Wie meinen Sie das? Im Sinne der anderen
Schriftsteller, die hier lebten oder im Sinne
von Inspiration? Jede Stadt, jede Gegend
ist literarisch, wenn man darüber schreibt!
Welche besondere Erfahrung nehmen
Sie mit nach Hause?
Vielleicht habe ich die ja auch noch gar
nicht gemacht! Radeln durch die extrem
ruhigen Straßen von Gohlis, einen Nachmittag allein im Schillerhaus verbringen.
Der Moment, wenn der goldene Turm der
Russisch-Orthodoxen Kirche über den
Bäumen des Friedensparks auftaucht. Der
Flohmarkt am Samstagabend. Ein später
Aprilabend, an dem eine Schar von Zugvögeln in dem Baum vor meinem Fenster saß
und die ganze Nacht lang sang. Als ich mir
beinahe meinen Fuß am rauen Beton in der
Schwimmhalle in der Tarostraße brach – es
ist eher ein Innenhof mit Wasser als ein
Pool!
Das Öffnen des Fensters eines grauen Morgens und dann der Geruch der Reudnitzer
Brauerei. Die Buchläden, Parks und der
große Wohnblock auf der Straße des
18. Oktober, daneben dieser einsame
Kirschbaum in voller Blüte. Soll ich weiter
aufzählen? Da ist so viel mehr!
Auch im nächsten Semester wird ein
Gastprofessor für die Picador-Professur
an der Universität Leipzig erwartet.
Welchen Tipp haben Sie für ihn?
Er ist ein Schriftsteller. Er wird wissen, wie
man überlebt …
Dr. Manuela Rutsatz
http://americanstudies.
uni-leipzig.de/faculty/picador_chair;
http://jameshopkin.org
journal
Personalia
„Schwäbisch räs und direkt“
Pharmazie-Professor Eger geht in den Ruhestand
Von Dr. Bärbel Adams
Professor Dr. Kurt Eger, Inhaber des Lehrstuhles Pharmazeutische Chemie, langjähriger Direktor des Institutes für Pharmazie,
zweimaliger Dekan der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie, Prodekan und Direktor des Sächsischen Instituts für Angewandte Biotechnologie e.V. an der Universität Leipzig – um
nur einige seiner vielen Funktionen zu nennen – geht in den wohlverdienten Ruhestand. Grund genug für Prorektor Martin
Schlegel, der für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität
zuständig ist, Rückschau zu halten auf aufregende, zukunftsgerichtete und produktive gemeinsame Jahre, hier vor allem in
der akademischen Selbstverwaltung.
Als neuberufener Professor für Spezielle
Zoologie 1994 von Tübingen nach Leipzig
gekommen, stieß Martin Schlegel hier auf
seinen Kollegen Kurt Eger aus der Pharmazie, der in Tübingen nur einige hundert Meter von ihm entfernt gearbeitet hatte, und
schon 1992 den Weg nach Leipzig gegangen war. Ihr gemeinsamer Dekan war damals der Zoologe Professor Karl Drößler
und weder Eger noch Schlegel ahnten, dass
dieses Amt eines Tages in ihren Händen liegen würde und dass sie es – nur geringfügig unterbrochen – über viele Jahre gewissermaßen im Doppelpack ausüben würden.
„Zunächst aber fand ich einen hilfsbereiten
Kollegen, der mir beim Aufbau meiner
Arbeitsgruppe mit Rat und Tat zur
Seite stand“, sagt Professor Schlegel.
Als Kurt Eger dann 1996 zum Dekan
der Fakultät für Biowissenschaften,
Pharmazie und Psychologie gewählt
wurde, stand ihm Professor Schlegel als Studiendekan zur Seite.
„Die Zeit damals war nicht
ohne“, meint Schlegel. „Es
stand die Profilbildung in
der Bioinformatik an, die
sich damals als Fach in
der deutschen Hochschullandschaft etablieren musste.“ Aber auch
für die als Strukturmaßnahme vom Freistaat SachHeft 4/2007
sen angeordnete Lehrerfortbildung im
Fach Biologie für die Qualifikation von
Grundschullehrern zu Haupt- und Realschullehrern musste erst mal Akzeptanz
unter den Hochschullehrern gefunden werden. Auch die Gründung des Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrums (BBZ)
warf ihre Schatten voraus und führte zu
teilweise kontroversen Diskussionen an der
Fakultät. Wie sich dann in der Gründung
des BBZ im Januar 2003 zeigte, gelang es
aber, alle gegenteiligen Positionen unter
einen Hut zu bringen. Da war allerdings
Professor Schlegel Dekan und sein Prodekan war Professor Eger. „Unter Kurt Eger
Dekan zu sein, stell ich mir ganz schön anstrengend vor, meinte einmal ein Kollege“
erzählt Professor Schlegel schmunzelnd.
aber er habe von den Erfahrungen seines
Prodekans als Dekan nur profitieren können. „Wer weiß, wie wir sonst die schwere
Zeit der Stellenkürzungen und der Umstrukturierung der Fakultät überstanden
hätten.“ Da ging es heiß her und führte zeitweilig sogar dazu, dass manche Kollegen
aus der Fakultät auswandern wollten. 2002
wurde aber zunächst wieder Eger Dekan
„Wir hatten mal ein Jahr Ruhe voreinander“, kommentiert Schlegel. Aber das war
nicht von langer Dauer. 2003 wurde Professor Martin Schlegel Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, nun kämpften sie wieder gemeinsam an der Front der akademischen Selbstverwaltung, mal auf der gleichen, mal auf
der gegenüberliegenden Seite und gerade
„Kurt Egers sehr kritische Haltung half mir
bei der Konsensbildung zur Bewältigung
wahrer Herkules-Aufgaben wie dem DFGAntrag zur Regenerativen Therapie und der
Herausbildung der profilbildenden Forschungsbereiche und damit im Zusammenhang der Entwicklung des Zukunftskonzeptes der Universität Leipzig“.m
„Freundlich und hilfsbereit, aber auch
schwäbisch räs und direkt“ sei sein Kollege
und Freund Kurt Eger, meint Schlegel auf
die Frage, wie er denn den Emeritus charakterisieren würde. Wobei „räs“ oder
„rääs“ oder „räß“ laut Schwäbisch-deutschem Wörterbuch so viel heißt wie „herb,
sauer, vergoren“, und das bezieht sich auf
das schwäbisch gute Essen und seinen guten Wein. Und da sollen ja die Herben bekanntlich auch die besten sein.
Prof. Dr. Kurt Eger wurde am
13. März 1942 geboren, studierte in Erlangen Pharmazie
und promovierte dort 1970.
Über die Stationen Bonn, Tübingen und Freiburg kam er 1992
als C4-Professor an die Universität Leipzig, wo er sich als Direktor des Instituts für Pharmazie, als Dekan und Prodekan, in der Haushaltskommission und im Konzil in der
akademischen Selbstverwaltung engagierte. Er trug wesentlich dazu bei, den Studiengang Pharmazie in Leipzig wieder zu etablieren. In
der Forschung beschäftigte er
sich u. a. mit dem Wirkstoff
Thalidomid/Contergan.
Foto: Institut für Pharmazie
33
Personalia
Nachruf für Rheumatologie-Professor Werner Otto
Um Innere Medizin verdient
gemacht
Am 1. Juni verstarb
nach langer, tapfer
ertragener Erkrankung der Leipziger
Rheumatologe Professor Dr. Werner
Otto, der 25 Jahre
das MedizinischPoliklinische Institut der Universität
geleitet hatte. Der am 6. April 1921 geborene Otto studierte nach dem Abitur Medizin in Leipzig und Jena, unterbrochen
durch Kriegsdienst und mehrjährige
Kriegsgefangenschaft. 1948/1949 legte er
das Staatsexamen ab und promovierte zum
Dr. med. Seit 1951 am Medizinisch-Poliklinischen Institutin der Härtelstraße tätig,
gründete er 1952 die erste Ambulanz für
das Teilgebiet Rheumatologie im Profil der
Inneren Medizin. Nach der Anerkennung
als Facharzt für Innere Medizin 1956 erfolgte bald die Ernennung zum Oberarzt.
Nach der Habilitation 1957 wurde ihm eine
Dozentur für Innere Medizin verliehen,
fünf Jahre später übernahm er die kommissarische Leitung des Medizinisch-Poliklinischen Institutes, welches mit über 30
Wissenschaftlern die größte deutsche Universitätspoliklinik zur damaligen Zeit darstellte. Mit der Berufung zum Professor
mit Lehrstuhl für Innere Medizin erfolgte
1964 die Ernennung zum Direktor des
Medizinisch-Poliklinischen Institutes. Als
erfahrener Kliniker und Polikliniker hat
Professor Otto stets Studenten und Facharztkandidaten zielgerichtet für die klinische Praxis ausgebildet.
Wir Studenten schätzten besonders den
klaren didaktischen Aufbau, die differentialdiagnostische Orientierung und die klinische Relevanz seiner Vorlesungen. Viele
Ärzte profitieren noch heute von diesen
praxisnahen Lehrveranstaltungen.
Neben seinem Wirken als Hochschullehrer,
Polikliniker und Kliniker hat sich Professor Otto besondere Verdienste durch den
Aufbau der Rheumatologie am Medizinisch-Poliklinischen Institut erworben. Er
gehörte 1952 zu den Mitbegründern des
Nachruf für Rolf Schöllner
200 Publikationen und 40 Patente
Am 13. März verstarb nach langjähriger Krankheit unser akademischer
Lehrer und Kollege
Prof. Dr. em. Rolf
Schöllner.m
Rolf
Schöllner
wurde am 13. Mai
1930 in Leipzig geboren, wo er nach Lehre und Abitur Chemie studierte. Unter der Leitung von Wilhelm Treibs widmete er sich den Fragen der
Autoxidation von organischen Verbindungen. Die Ergebnisse fanden Niederschlag
in seiner Diplomarbeit (1957) und der Promotion (1961). Anschließend wechselte
Schöllner als Oberassistent an das Institut
für Chemische Technologie, wo er sich
1967 unter der Leitung von Eberhard Leibnitz mit einer Arbeit zum Thema „Zur Analytik niedermolekularer, linearer, nichtlinearer und besonders ölmodifizierter Polyester“ habilitierte.
34
1968 erfolgte seine Berufung zum Dozenten für Chemische Technologie und 1970
zum ordentlichen Professor für Technische
Chemie an der Universität Leipzig. Nach
der III. Hochschulreform in der DDR, verbunden mit der Auflösung der traditionellen Institute, baute Schöllner die Arbeitsgruppe Technische Chemie auf. Gleichzeitig schuf er die inhaltlich-konzeptionellen
Voraussetzungen für die Entwicklung der
Forschungsgebiete „Adsorption und heterogene Katalyse“. In dieser Periode wandte
sich Schöllner speziellen Problemen der
C4-Chemie zu. Grundlegende Arbeiten zur
Untersuchungen der Position und der Beweglichkeit von Kationen in synthetischen
Zeolithen, sowie zum Diffusionsverhalten
von Molekülen in Zeolithen, dienten der
Entwicklung von adsorptiven Trennprozessen der butadienfreien C4-Fraktion.
Später beschäftigte er sich mit Fragestellungen der Druckwechseladsorption sowie
der Flüssigphasenadsorption zur Trennung
und Reinigung von Stoffgemischen.
Arbeitskreises zur Erforschung und Bekämpfung rheumatischer Erkrankungen.
Der von ihm 1968 gegründeten Gesellschaft für Rheumatologie der DDR stand er
sieben Jahre als Vorsitzender vor.
Professor Otto hatte weiterhin wesentlichen Anteil an der Aufnahme dieser Fachgesellschaft in die Europäische und Internationale Liga gegen den Rheumatismus.
Nach Übernahme der Leitung der Kommission „Subspezialisierung Rheumatologie“ der Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR war es Ottos Verdienst, die
Kriterien für die Subspezialisierung Rheumatologie in der Inneren Medizin erarbeitet zu haben.
Seine Bücher und Buchbeiträge wie „Die
Rheumasprechstunde“ wurden Standardwerke. Er hatte mit seinem Lehrstuhl für
Innere Medizin an der Medizinischen Poliklinik entscheidenden Anteil am Aufbau
der Inneren Medizin an der Universität
Leipzig in der Einheit von ambulanter und
stationärer Krankenversorgung, Lehre und
klinischer Forschung. Professor Otto setzte
mit seinem Lehrstuhl die von Prof. Dr.
Adolph von Strümpell begonnene Tradition der Medizinischen Poliklinik und
Rheumatologie erfolgreich fort.
Prof. Dr. Holm Häntzschel,
Medizinische Klinik und Poliklinik IV
Rolf Schöllners wissenschaftliches Lebenswerk ist in über 200 Publikationen und
mehr als 40 Patenten festgehalten. Dabei
sind eine Vielzahl von Arbeiten aus interdisziplinärer Zusammenarbeit und Kooperation mit verschiedenen Partnern aus
Hochschulen, Akademieinstituten und der
Industrie hervorgegangen.
Rolf Schöllner beeinflusste als Direktor
der Sektion Chemie auch entscheidend das
Gesamtprofil der Chemie an der Universität Leipzig.
Sein Wirken als Hochschullehrer ist in besonderem Maße verbunden mit der Entwicklung der Leipziger Vertiefungsrichtung „Verfahrenschemie“ im Fachstudium
Chemie, die gemeinsam mit Kollegen angrenzender Fachgebiete gestaltet wurde.
Auch der Aufbau verschiedener Praktika,
wie beispielsweise das Technisch-Chemische Praktikum, das zwölfwöchige Betriebspraktikum und die einwöchigen
Betriebsexkursionen sind eng mit seinem
Namen verbunden. Unter Schöllners Betreuung entstanden über 100 Diplom-,
27 Promotions- und 6 Habilitationsarbeiten.
Wolf-Dietrich Einicke,
Hansjörg Herden
journal
Personalia
NOMEN
Die Kolumne von Namenforscher
Prof. Dr. Jürgen Udolph
Der Familienname „Lokatis“
Neu
berufen:
Neu
berufen:
Frank Cichos
Siegfried Lokatis
Professor Frank Cichos leitet die Abteilung
Molekulare Nanophotonik am Institut für
Experimentelle Physik I. Er „jagt“ Einzelmoleküle mit optischen Methoden. Dazu
markiert er die Moleküle mit Farbstoffen
und bringt sie zum Leuchten. Über das
Leuchten der einzelnen Moleküle erfährt er
vieles über ganz verschiedene Materialsysteme – vom Festkörper bis zur Flüssigkeit.
„Das Ganze spielt sich im Nanometerbereich ab, in dem man mit normalen
Messgeräten nicht weiter kommt“, sagt der
Physiker. „Die Moleküle sind sozusagen
unsere Messgeräte, um neuen Strukturen
und Prozessen auf die Spur zu kommen.“
Indikatoren dafür sind die Farbe des
Leuchtens, die Schnelligkeit der Bewegung und die Veränderung des Lichtes in
einem bestimmten Zeitraum.
Die Ergebnisse der von ihm betriebenen
Grundlagenforschung könnten dann zum
Beispiel Eingang finden in den Computer
von morgen. Der Wissenschaftler hat an
seiner Fakultät Kooperationspartner wie
Professor Marius Grundmann und Professor Josef Käs, mit denen er in Zukunft eng
zusammenarbeiten möchte.
Professor Cichos kommt aus Chemnitz,
das zum Zeitpunkt seiner Geburt noch
Karl-Marx-Stadt hieß. Hier studierte er
und erwarb seine ersten wissenschaftlichen
Meriten. Er promovierte zur Flüssigkeitsdynamik und Ultrakurzzeitspektroskopie
und habilitierte sich zum Thema „Solvation von Coumarin 153 in Gemischen aus
Alkanen und Alkoholen“. 1998/99 war er
als Postdoc an der Université Bordeaux in
Frankreich. Bevor er seine Professur in
Leipzig antrat, war er Juniorprofessur an
der TU Chemnitz. An der Universität Leipzig will er weiter seine neuen Ideen verwirklichen und die Zusammenarbeit mit
sächsischen Partnern ausbauen.
Privat beschäftigt sich der verheiratete Vater von zwei Kindern mit Computergrafik
und Animation. Er liebt Musik und spielt
klassische Gitarre.
B. A.
Seit Januar ist die Professur für Buchwissenschaft am Institutfür Kommunikationsund Medienwissenschaften (KMW) der
Fakultät Sozialwissenschaften und Philosophie wieder besetzt: Siegfried Lokatis
erhielt den Ruf an die Universität Leipzig.
Er tritt damit die Nachfolge des im Jahr
2004 verstorbenen Professors Dietrich
Kerlen an, der diese Professur seit dem Jahr
ihrer Gründung 1995 prägte. Ein Unbekannter ist Siegfried Lokatis auch in Leipzig nicht, hielt er doch zehn Jahre schon
Seminare zu seinen bisherigen Schwerpunktthemen Verlags- und Zensurgeschichte in der DDR.
Siegfried Lokatis hatte Geschichte, Philosophie, Orientalistik und Archäologie in
Bochum studiert und promovierte bei Hans
Mommsen an der Universität Bochum zum
Buchwesen in der NS-Zeit. Im Mittelpunkt
seiner Forschungsarbeit an der Universität
Leipzig soll die Geschichte des gesamtdeutschen Buchhandels nach 1945 stehen.
Viele kleinere Forschungsprojekte werden
mitAbschlussarbeiten und Promotionen zu
diesem Themenkomplex an der Professur
entstehen: „Zunächst muss die Graduiertenförderung verstärkt werden“, unterstreicht Professor Lokatis. Unter anderem
entsteht so im Moment eine Geschichte der
Verlagsgruppe Holtzbrinck.
Aber auch Leipzig als Buchstadt liegt Siegfried Lokatis am Herzen: Die Kooperation
mit den Bibliotheken in der Stadt, mit dem
Haus des Buches sind hierfür ebenso wichtige Ausgangspunkte wie die Zusammenarbeit mit Leipziger Verlegern. Noch einmal einen Blick zurück wirft die erste
große Konferenz, die Prof. Lokatis im September dieses Jahres in Leipzig organisiert:
„Heimliches Lesen in der DDR“ heißt der
Titel, es geht um Bücherschmuggel, Giftschränke und das „Lesen zwischen den
Zeilen“. Aber auch Leipzig als Lebensmittelpunkt scheint zu gefallen: Im Sommer
zieht die Familie Lokatis an die Pleiße.
M. R.
Heft 4/2007
Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern
(Stand: 1998; neuere CD-ROM sind aus
Datenschutzgründen schlecht zu verarbeiten) ist der Name in Deutschland 38 Mal
bezeugt.
Seine Verbreitung zeigt lockere Streuung
vor allem in Norddeutschland, zumeist ein
Hinweis auf Zuwanderung aus dem Osten
nach 1945 (Flucht, Vertreibung, Umsiedlung).
Diese Annahme findet ihre Bestätigung in
den Nachweisen der Internetseite der Familiennamendaten der Mormonen aus Salt
Lake City (familysearch.org), die zirka
700 Millionen Daten enthält. Hier ist der
Name Lokatis sieben Mal vertreten, davon
sechs Mal in Ostpreußen und einmal in
Essen. Die Belege reichen zurück bis zum
Jahre 1774. Wichtig sind die Vornamen
der eingetragenen Personen wie Kristups,
Jurgis, Jons, Kristionss, es handelt sich um
baltische Namen.
Auch von hieraus führt somit der Weg in
die baltischen Sprachen (Litauisch, Lettisch und das ausgestorbene, aber in Namen noch gut zu fassende Altpreußisch).
Das Standardwerk der litauischen Familiennamen Lietuviu˛ Pavardžiu˛ Žodynas
(deutscher Untertitel: Wörterbuch der
litauischen Familiennamen), Bd. 1–2, Vilnius 1985–1989, hilft auch bei der Deutung des Namens Lokatis.
Im Litauischen ist ein Familienname
Lokaítis bezeugt, der mit einem im Žemaitischen (einem litauischen Dialekt) nachgewiesenen Familiennamen Laukáitis verglichen wird. Zugrunde liegt litauisch
laũkis „heller Fleck, Blesse“, vor allem
„kahl“, hier bezogen auf einen kahlköpfigen Mann, einfach ausgedrückt: mit
Glatze.
Die Endung -aitis, -atis ist im allgemeinen
als sogenannte patronymische Bildung zu
verstehen, also „Sohn, Nachkomme des
…“, im vorliegenden Fall „Sohn, Nachkomme des Lokis, Laukis“.
35
Personalia
Kurz gefasst
Den Nachwuchsförderpreis der Gesellschaft für Thrombose-und Hämostaseforschung e.V. (GTH) 2007 erhielt Dr. Katrin
Tefs, Universitätsklinik und Poliklinik für
Kinder und Jugendliche für ihre Veröffentlichung in der renommierten Zeitschrift
blood zum Thema „Molecular and clinical
spectrum of type I plasminogen deficiency: a series of 50 patients“. Schwerpunkt ihrer Arbeit war die molekulare Charakterisierung des angeborenen schweren
Plasminogenmangels. An 50 Patienten mit
dieser seltenen Erbkrankheit konnte sie
zeigen, dass eine spezielle Form der Augenbindehautentzündung, die sogenannte
Conjunctivitis lignosa, die bei weitem häufigste klinische Manifestation darstellt.
Die Ergebnisse leisten einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis des Krankheitsbildes und werden dabei helfen, gezielt geeignete Therapieansätze zu entwickeln. Der mit 2500 Euro dotierte Preis
wurde verliehen auf der 51. Jahrestagung
der GTH.
Prof. Dr. Günther Heydemann, Inhaber
des Lehrstuhls für Neuere und Zeitgeschichte, wurde mit dem Verdienstorden
Cavalliere della Stella della Solidarietà
Italiana durch den Leipziger Generalkonsul der Republik Italien, Adriano
Tedeschi,
ausgezeichnet.
Professor
Heydemann erhielt den Orden für die Förderung der Wissenschaftsbeziehungen
zwischen Deutschland und Italien sowie
die Veröffentlichung zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten zur vergleichenden
Geschichte Deutschlands und Italiens im
19. und 20. Jahrhundert. Zudem hat er
zahlreiche Gastdozenturen an verschiedenen italienischen Universitäten wahrgenommen. Außerdem war der Historiker bei
der Gründung und dem Ausbau der
Deutsch-Italienischen Gesellschaft Leipzig maßgeblich beteiligt und von 1996 bis
2003 in deren Vorstand tätig.
Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins, Institut für Anorganische Chemie, wurde als
Gutachterin für die deutsche Fachakkreditierungsagentur für Studiengänge der Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der
Naturwissenschaften und der Mathematik
e. V. (ASIIN) zur Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen ernannt.
Außerdem nahm Prof. Dr. Evamarie HeyHawkins im Juni eine Gastprofessur an der
36
Université de Rennes (Frankreich) wahr
und wurde in das Editorial Board der Zeitschrift Chemistry Central Journal berufen.
Sie ist zudem Section Editor für den Bereich „Main Group Inorganic Chemistry“
der Zeitschrift Chemistry Central Journal.
Prof. Dr. Thomas Lenk, Direktor des Instituts für Finanzen, wurde in die Expertenkommission der Förderalismusreform II
der Kommission zur Modernisierung der
Bund-Länder-Finanzbeziehungen berufen.
Professor Dr. med. Christoph Baerwald
wurde als Vorsitzender des Arbeitskreises
Schmerz bei der Deutschen Gesellschaft
für Rheumatologie e. V. zum Beiratsmitglied der Initiative „Stark gegen den
Schmerz“ ernannt.
PD Dr. Andreas Hinz, Selbständige Abteilung Medizinische Psychologie und
Medizinische Soziologie, erhielt von der
Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Förderungsschwerpunktprogramms „Psychosoziale Onkologie“ für sein Projekt „Urteilsschwankungen bei der Selbsteinschätzung der psychosozialen Situation von
Krebspatienten“ Mittel in Höhe von 67.800
Euro für einen Förderzeitraum von zwei
Jahren.
Prof. Dr. Attila Tárnok, Klinik für Kinderkardiologie am Herzzentrum Leipzig,
wurde zum Editor-in-Chief „Cytometry
Part A“ berufen. Dazu der Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Jürgen
Meixensberger: „Durch eine derartige Position wird Leipzig als Forschungszentrum
für die Zellanalytik international weiter herausgehoben. Es unterstützt die erfolgreichen Arbeiten von Universität und Fakultät
auf diesem Gebiet.“
Das Equality Studies Centre am University
College in Dublin hat Dr. Rebecca Pates,
Institutfür Politikwissenschaft, ein Fellowship im Marie Curie Transfer of
Knowledge Project verliehen. Im Sommer
2008 wird sie über staatliche Strategien gegen Rechtsextremismus und Rassismus
forschen.
Prof. Dr. Georg Vobruba, Institut für
Soziologie, wurde für die Amtsperiode
2007–2009 in den Vorstand der deutschen
Gesellschaft für Soziologie (DGS) gewählt.
Geburtstage
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
60. Geburtstag
Prof. Dr. Ursula Altenburg am 31. August
Sportwissenschaftliche Fakultät
65. Geburtstag
Prof. Dr. Jürgen Innenmoser, Institut für Rehabilitationssport, Sporttherapie und Behindertensport, am 2. September
Prof. Dr. Jürgen Dietze, FG Schwimmsport, am
16. September
80. Geburtstag
Prof. Dr. Günter Schnabel, vormals Institut für
Allgemeine Bewegungs- und Trainingswissenschaft, am 17. September
Medizinische Fakultät
65. Geburtstag
Prof. Dr. med. Gerd Schreinicke, Institutfür Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, am 19. Juli
Prof. Dr. med. Frank Deckert, Klinik und Poliklinik für Diagnostische Radiologie, am 3. August
Prof. Dr. med. Peter Illes, Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, am
10. August
Prof. Dr. rer. nat. (APL) Hans-Joachim Böhme,
Institut für Biochemie, am 18. August
Prof. Dr. med. Gerhard Metzner, Institutfür Klinische Immunologie und Transfusionsmedizin,
am 10. September
70. Geburtstag
Prof. Dr. med. Dietrich Dettmer, Institut für
Biochemie, am 17. September
75. Geburtstag
Prof. Dr. med. Werner Helbig, Med. Klinik u.
Poliklinik II, Selbst. Abt. Hämatologie/Onkologie, am 26. September
85. Geburtstag
Prof. Dr. med. Waltraude Fischer, Klinik und
Poliklinik für Neurochirurgie, am 20. Juli
Fakultät für Mathematik und Informatik
60. Geburtstag
Prof. Dr. Günter Berger am 25. September
65. Geburtstag
Prof. Dr. Ralf Der am 24. August
Prof. Dr. Manfred Wollenberg am 30. August
70. Geburtstag
Doz. Dr. Peter Göthner am 10. August
Fakultät für Chemie und Mineralogie
65. Geburtstag
Doz. Dr. Volker Geist, Institut für Mineralogie,
Kristallographie und Materialwissenschaft, am
10. Juli
70. Geburtstag
Prof. Dr. Rainer Herzschuh, Institut für Analytische Chemie, am 13. August
Prof. Dr. Werner Engewald, Institut für Analytische Chemie, am 29. August
75. Geburtstag
Prof. Dr. Gerhard Werner, Institut für Analytische Chemie, am 12. September
Der Rektor der Universität Leipzig und die Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich.
journal
Personalia
Leidenschaftlicher Forscher
und Lehrer
Ehrendoktorwürde für Professor Klaus Wandelt
Die Fakultät für Chemie und Mineralogie
verlieh am 15. Juni die Ehrendoktorwürde
an Prof. Klaus Wandelt (Universität Bonn)
für seine außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der
Oberflächenforschung, für hervorragende
Beiträge zur Öffentlichkeitsarbeit sowie in
Anerkennung seiner besonderen Verdienste bei der Entwicklung der Oberflächenanalyse und Katalyseforschung an
der Universität Leipzig, insbesondere am
Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie. „Er leistete
damit einen hervorragenden Beitrag zur
gedeihlichen Entwicklung unserer Universität“, sagte Rektor Professor Dr. Franz
Häuser.
„Viele Jahre einer hoffnungsvollen Entwicklung in einer teilweise turbulenten
Zeit des Wandels liegen zwischen Ihrem
ersten Besuch in unserem Institut und dieser Stunde“, eröffnete Professor Rüdiger
Szargan, Wilhelm-Ostwald-Institut für
Physikalische und Theoretische Chemie,
seine Laudatio, in der er den Weg des Geehrten „als leidenschaftlicher Forscher und
Lehrer an deutschen Universitäten“ beschrieb. Die Spezialisierung zum Physikochemiker, die Postdoc-Zeit in Kalifornien,
die in München abgeschlossene Habilitation, die erste Professur für Physik in München, von der es ihn aber dann doch wieder zur Physikochemie und zur MaxPlanck-Gesellschaft zog, und schließlich
dann Bonn, wo er nun seit fast 20 Jahren
den Lehrstuhl für physikalische Chemie
innehat. „20 äußerst fruchtbare Jahre.“,
kommentiert Professor Szargan.
In seiner Forschung beschäftigt Wandelt
sich mit Festkörpergrenzflächen im Kontakt mit Vakuum, Gasen und Flüssigkeiten.
Szargan: „Den Schlüssel für die Geheimnisse des Stoffwandels an der Oberfläche
eines Festkörpers sahen Sie in der Mikroskopie, insbesondere in der von den Nobelpreisträgern Binnig und Rohrer entwickelten Rastertunnelmikroskopie, aus
der Sie ein perfektes Instrumentarium für
Heft 4/2007
Aufnahmen über Struktur und Reaktivität
von Einkristalloberflächen in Elektrolytlösungen machten. Besonders spannend
wird es, wenn Sie in Zukunft Ihre noch zu
verifizierenden Ergebnisse zur atomaren
Struktur amorpher Oberflächen präsentieren werden.“
„Was unseren Laureaten von manch anderem Forscher unterscheidet“, heißt es bei
Szargan weiter, „ist sein außergewöhnliches Verantwortungsbewusstsein für
seine Rolle als Forscher und gleichzeitig
als Aufklärer für eine breite Öffentlichkeit.
Er sieht seine Aufgabe darin, zu informieren und zu überzeugen, warum, woran und
wofür heute an der vordersten Front der
Naturwissenschaft gearbeitet wird.“
Unermüdlich habe Klaus Wandelt lange Jahre in expandierenden
deutschen
und
europäischen Fachverbänden
und Gesellschaften Entwicklungsrichtungen der Oberflächen- und Grenzflächenforschung mit geprägt und gefördert. Bekannt für seine brillanten Vorträge wurde er immer
wieder in Forschungs- und Ausbildungsstätten rund um den
Erdball eingeladen. Seine Unterstützung für Leipzig trug
wesentlich zur erfolgreichen
Arbeit im Fachgebiet Oberflächenanalytik bei. „Er erkannte
die guten Voraussetzungen für
die profilgebende Entwicklung
der Oberflächenchemie und
-physik auch in der gesamten
Region Halle-Leipzig. Zusammen mit weiteren Kollegen hat
er sein ganzes Gewicht für zukunftsweisende Entscheidungen als Mitglied von Berufungskommissionen sowie als
Berater und Gutachter im Zusammenhang mit DFG-Forschungsprojekten und mit einem Humboldtpreisantrag in
die Waagschale geworfen. Das WilhelmOstwald-Institut profitierte in besonderer
Weise davon: Es entstand eine fruchtbare
Atmosphäre des wissenschaftlichen Austauschs, die letztlich Grundlage für international anerkannte Forschungsleistungen
wurde.
Der Dekan der Fakultät für Chemie und
Mineralogie, Professor Dr. Harald Krautscheid, bestätigte am Ende einen der Gutachter: „Die Ehrendoktorwürde für Professor Wandelt ist eine längst überfällige
Würdigung eines der profiliertesten Oberflächenforscher Deutschlands, mit einem
in die Welt ausstrahlenden Werk“.
Dr. Bärbel Adams (Text),
Sebastian Willnow (Foto)
Oktober 2007
Heft 5/2007
ISSN 1860-6709
Ausgezeichnet: PhaCon & SMILE
gewinnen bei FutureSAX
S. 6
Biotechnologisch-Biomedizinisches Zentrum
sucht starke Partner für erfolgreiche Zukunft
S. 17
Kann man „Kultur“ lernen? –
Deutsch als Fremdsprache
S. 19
Bundeskanzlerin Angela Merkel
bekommt Ehrendoktorwürde S. 9
Druckfrisch: Kalendarium der Uni-Geschichte
stellt berühmte Studenten und Forscher vor
S. 12
Forschungserfolg: Gentherapie
gegen Alzheimer?
S. 20
journal
Exkursionen, Praktika, Forschungsaufenthalte – Studenten und Wissenschaftler im In- und Ausland
Praxisluft statt Hörsaalduft
EDITORIAL
UNIVERSITAT LEIPZIG
Hinauslaufen
Inhalt
UniVersum
Willkommen in Leipzig
Anlaufstelle für Alumni-Koordination
Symbiose von alt und neu:
Der Andachtsraum im Paulinum
Professor und Studenten treffen Dalai Lama
50 Jahre Tanzarchiv
Gremien
Ehrendoktorwürde für Bundeskanzlerin
Merkel – Sitzung des Senats am 10. Juli
Jubiläum 2009
Der Leipziger Baltist Georg Gerullis
zwischen Universität und NS-Politik
Anekdoten, Fragmente, Notizen
Gesichter der Uni: Gottfried Hermann
Forschung
Patent für pharmazeutische Nutzung des
Herzgespannkrauts
DFG-Projekt zur Neuentdeckung des
Theaterwissenschaftlers Herbert Ihering
Das antike Rom und sein Bild
Prof. Andrea Robitzki im Gespräch
Fakultäten und Institute
MDR-Chefredakteur Kenntemich über die
Generation Online und sein Uni-Engagement
Auswirkungen von Erwerbslosigkeit auf die
Lebensqualität im Alter
UniCentral
Dolmetschen für Europas Entscheider
Tiermediziner schnuppern Praxisluft – zwischen Vogelhaltung und Fischverarbeitung
Beliebte Adresse: die Außenstelle Zingst
Forschungsaufenthalt in Japan
Ein Plädoyer für die Praxis
Studiosi
Mehr Praxis im Lehramtsstudium
Sind Nebenjobs mit Bachelor und Master
vereinbar?
Personalia
Neu berufen
Nomen
Geburtstage
Nachrufe
Habilitationen und Promotionen
Ehrenpromotionen
Impressum
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2
Das lateinische Exkursion kommt, sagt uns das Lexikon, von
ex (hinaus) und currere (laufen). Wer auf eine Exkursion geht,
läuft natürlich nicht einfach hinaus aus Schule oder Universität, sondern verfolgt damit einen pädagogischen Zweck: wer
draußen war, kommt, richtig angeleitet, erleuchtet zurück.
Kennt er das Veilchen nur als Schwarz-Weiß-Zeichnung aus
dem Biologiebuch, wird ihn der wirkliche Anblick dieser Blume überwältigen und besser verstehen lassen, warum Poeten
die Schönheit unserer Natur anpreisen.
Nicht alles freilich lässt sich „exkursiv“ in Augenschein nehmen. Weder können wir die Nano-Welt noch das Ozonloch
besuchen; Ausflüge ins Netzwerk des Terrors sind ebenso
ausgeschlossen wie Besichtigungstouren zu Finanzmärkten
oder Politikprozessen. Da gibt es einfach keinen Ort, an den
man „hinlaufen“ könnte. Doch sind das nicht eben jene Probleme, die uns auf den Nägeln brennen? Was wirklich zählt,
dieser Eindruck drängt sich unweigerlich auf, entzieht sich
dem neugierigen Blick des „ausfliegenden“ Menschen. Exkursionen wären also ein Überbleibsel
aus den Kindertagen des forschenden Geistes,
als das Wissen noch anschaulich war?
Vielleicht doch nicht. Zum Beispiel: In regelmäßigen Abständen stellen unsere Amerikanisten Fotoserien aus, die an Ausflüge in „ihr“ Land erinnern. Da kann man sie dann bestaunen: aufgereiht hinter wichtigen Menschen, im Schlepptau
lokaler Honoratioren, zusammen mit neuen
Freunden; dazwischenglänzende Bankpaläste,
imposante Regierungssitze, vielspurige Autobahnen, allesamt
erkennbar beeindruckt abgelichtet. Kurz: Bilder von Personen, Bilder von Sachen.
Tatsächlich haben die Beteiligten (hoffentlich) etwas gesehen,
das in ihren Fotos systematisch ausgeblendet wird: das Zusammenspiel von Personen und Sachen. Der französische Philosoph Gilles Deleuze hat diese Kombination assemblage genannt und daran die Warnung vor falschen Abstraktionen geknüpft: Wir schimpfen zwar über „den“ Markt, „den“ Staat
oder „den“ Verkehr, leiden aber in Wahrheit unter Aktienhändlern, Amtsschimmeln und Autofahrern, die an ihren jeweiligen Schau-Plätzen störende Effekte produzieren. Anders
gesagt: Nicht alles, was man denken, aber nicht sehen kann
(wie den Weltmarkt, die Staatsmacht, das Verkehrsaufkommen), ist „tiefere“ Realität – da treiben vielleicht Hirngespinste ihr Spiel mit uns. Und nicht alles, was wir sehen, ist schon
deswegen trivial (oberflächlich), weil man es sieht.
„Hinauszulaufen“ lohnt sich dann, wenn draußen jene Kombinationen von Personen und Sachen beobachtet werden
können, die „Gesellschaft” produzieren: Börsenhektik, Staatsempfänge, Automobilsalons zum Beispiel. Eine Exkursion
muss kein Fossil sein.
Prof. Dr. Wolfgang Fach,
Prorektor für Lehre und Studium
Titelfoto: Tobias D. Höhn
1
Willkommen
in Leipzig!
Der steinige Weg bis zum DiplomBären – eine Begrüßung mit Augenzwinkern
Von Tobias D. Höhn
„Jetzt beginnt der Ernst des Lebens.“ Wie
oft diese sechs gewichtigen Worte wohl zu
Beginn des Semesters mit väterlicher
Stimme den neuen Erstsemestern mit auf
den Weg gegeben werden? Zu den warmen
Worten der Mutter gibt es gerne mal einen
gravierten Füller oder eine neue Ledertasche obendrauf, dabei wäre ein iPod oder
ein Macbook wohl manchem lieber. Egal.
Und das Verhältnis aus Ernst und Leben ist
sowieso individuell mischbar.
Journal
Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen
und Freunde der Universität Leipzig
Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig,
Ritterstr. 26, 04109 Leipzig
Redakteur: Dipl.-Journ.Tobias D. Höhn
Ritterstr. 26, 04109 Leipzig
Tel.: 03 41 97-3 50 24, Fax: 03 41 97 - 3 50 29
E-Mail: journal@ uni-leipzig.de
V.i.S.d.P.: Dr. Manuela Rutsatz
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
Meinung der Autoren wieder.
Was keineswegs in der „Zuckertüte“ jedes
Erstmesters fehlen darf, ist der CampusKnigge, das ABC der Universität, die
Überlebenstipps
im
akademischen
Dschungel. Dabei handelt es sich nicht um
bibliothekenfüllende Fachpublikationen,
lederummantelte Lexika mit Goldschnitt
zum Vorzugspreis, die hier angeboten
werden, sondern um zusammengetragene
Erfahrungen vergangener Generationen.
Angereichert um Anekdoten aus weinseeligen Abenden mit Kommilitonen anstelle
der dringend abzugebenden Hausarbeit,
der Klausuren-Vorbereitung am Strand und
mancher Schmonzette rund um das Lehrpersonal.
Nehmen wir zum Beispiel den Prof, akademischer Würdenträger, Lehrer und Forscher in Personalunion. Aber vor allem ein
Mensch aus Fleisch und Blut, der gemeinsam mit seinen – im Gegensatz zu anders-
lautenden Gerüchten – nicht nur kaffeekochenden und kopierenden Assistenten
den wissenschaftlichen Nachwuchs ausbildet, auf Tagungen brandneue Ergebnisse
seiner unermüdlichen Forschertätigkeit
präsentiert und so im Laufe der Jahre eine
Publikationsliste aufzubieten hat, die allein
schon eines zwölfsemestrigen Literaturstudiums bedarf. Zum Glück gibt es in Sachsen (noch) keine Studiengebühren.m
Dass das Studium in Leipzig mühsam und
steinig sein kann, ist nicht zuletztdem Baustellenboom geschuldet. Wo heute noch ein
großes Loch am Augustusplatz klafft, soll
Ende 2009 der neue Campus inklusive
Cafeteteria stehen. Bis dahin bekommen
alle Studenten und Lehrende gratis ihr tägliches Fitnessprogramm beim Ansteuern
der Interimsgebäude, um in den Genuss
von Seminaren und Vorlesungen zu kommen. Die gute Nachricht am Rande: Die
Heute Baustelle, morgen Uni.
Karikatur: O. Weiss
Gesamtherstellung: Druckerei zu Altenburg GmbH,
Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg
Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH,
Ansprechpartnerin: Ingeborg Keller
Tel.: 0 34 47 55 51 53
E-Mail: ingeborg.keller@ dza-druck.de
Das Journal kann gegen Übernahme der
Versandkosten bezogen werden bei:
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Oststraße 41, 04317 Leipzig
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Die Redaktion behält sich vor, eingesandte
Artikel zu redigieren und zu kürzen. Bei unverlangt eingesandten Manuskripten besteht keine
Gewähr für einen Abdruck.
Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, sofern
die Quelle angegeben wird. Ein Belegexemplar an
die Redaktion wird erbeten.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 14. 8. 2007
ISSN 1860-6709
2
journal
Foto: R. Kühn
UniVersum
UniVersum
Mensa soll schon zum Sommersemester
des Jubiläumsjahres wieder eröffnen.
Schon?! Die Verzögerung von zwei Jahren
ist – entgegen anderslautender Meldungen
– nicht der Bauzeit geschuldet, sondern
scheiterte an den Honorarvorstellungen
von Paul Bocuse, Tim Mälzer und Johann
Lafer. Jetzt scheint aber alles paletti.
Moderne Laboratorien, eine gut ausgestattete Uni-Bibliothek, Forscher aus aller
Welt – dafür steht Leipzig, das muss nicht
angepriesen werden. Was aber Neuimmatrikulierte auf jeden Fall noch wissen sollten: c.t. (cum tempore) bedeutet, dass noch
ein Viertelstündchen Zeit zum Kaffeeholen
bleibt, wobei die meisten Hörer auch dann
immer noch zu spät eintrudeln. Und vormerken sollten Sie sich auch den Dies
academicus am 2. Dezember: Am Gründungstag der Universität gibt es Vorträge,
festliche Reden, Veranstaltungen – wobei
die Studenten diesen Tag oft zum Ausschlafen nach ausschweifender Party der
vorausgehenden Nacht nutzen. Schade.
Mit der Anwesenheitspflicht ist das überhaupt so eine Sache, denn wer fehlt muss
anders als auf der Penne nicht um einen
Eintrag ins Klassenbuch bangen. Doch wer
das Lotterleben des Grundstudiums im
Hauptstudium fortsetzt und denkt, nur
mit schlauem Gesicht und sporadischer
physischer Anwesenheit die nötigen Leistungsscheine einzufangen, irrt und kann
sich vom anfangs noch erstrebten Summa
cum laude verabschieden.
Und wer in Leipzig den „Muff von 1000
Jahren“ sucht, sucht vergebens. Talare sind
längst out, lediglich bei Abschlussfeiern
mancher Fakultäten werden sie aus dem
Schrank geholt. Wer in sein will, hat die
fesche Kollektion der Universität Leipzig
im Schrank: T-Shirts, Taschen, Tassen. Und
ist der Abschluss erst in der Tasche, bekommen Mama und Papa für ihre mentale und
finanzielle Unterstützung als Dankeschön
den Diplom-Bären.
Fehlen nur noch die Bachelor-Biene (optisch ein zarter Hautflügler, aber Vorsicht
vor dem nachhaltig piekendem Stachel zur
Feindabwehr auf dem harten Arbeitsmarkt)
und der Master-Maulwurf (gräbt mit spitzer Wühlschnauze lange Gänge durch Bibliotheken, scheut das Tageslicht, ist aber
nachts nicht unterzukriegen).
Ganz in Uni
Schon zwei Jahre vor dem 600. Jubiläum
können Studenten, Professoren, Mitarbeiter und Freunde der Alma mater Lipsiensis sich ganz in Uni zeigen – mit der
neuen Modekollektion der Hochschule.
Vielfältig in Farbe, Schnitt und Design –
von T-Shirts und Polohemden für Damen
und Herren bis zu Taschen, Tassen und
anderen Utensilien reicht das Angebot.
Ob dezent oder auffällig, klassisch oder
modern – für jeden Geschmack dürfte
etwas im Programm sein.m
Bezogen werden können die neuen Produkte über das Internet oder in den
Leipziger Innenstadtgeschäften UniBuch, Galeria Kaufhof und Lehmanns
Buchhandlung.
Tipp: Wer bis zum 31. Dezember im
Online-Shop bestellt, erhält ein
Schlüsselband im Uni-Design gratis.
r.
www.uni-leipzig.de/shop
Die Studentinnen Alicia Gomez, Marlen Weitzel und Stefanie Schieke (v. l.) stellen die neue Uni-Kollektion vor. Erhältlich sind
T-Shirts und andere Artikel im Online-Shop oder bei UniBuch Leipzig, in der Galerie Kaufhof oder in Lehmanns Buchhandlung.
Foto: Volkmar Heinz
Heft 5/2007
3
UniVersum
Amerikanistik-Studenten
von einst feiern Wiedersehen
Zentrale Anlaufstelle für Alumni-Koordination
Die American Studies Alumni Association
e.V. (ASAA), eine der ersten Alumni-Organisationen an der Universität Leipzig,
besteht seit zehn Jahren. Zum Jubiläum
lud die ASAA alle Absolventen der Leipziger Amerikanistik zu einem großen
Homecoming Weekend nach Leipzig ein –
und über 80 folgten dem Ruf. In den drei
Juli-Tagen gab es neben entspannten Begegnungen auch eine
Podiumsdiskussion mit
Radiojournalisten, eine
Stadtführung auf den
Spuren der alten und
neuen Alma mater, sowie
ein festliches Dinner:
Das Wiedersehen und
Wiederentdecken stand
im Vordergrund. Dieses
gestaltet sich gerade für
Amerikanisten besonders
spannend, da ein so interdisziplinärer
Studiengang vielfältige und unterschiedliche Wege nach
dem Studium ermöglicht.
Die Bemühungen des
Vereins, die Kontakte zu
Absolventen der Amerikanistik zu pflegen und
ein
Alumni-Netzwerk
aufzubauen, haben sich
im Laufe der Jahre professionalisiert: Es gibt
eine feste Vortragsreihe,
in der Persönlichkeiten
und USA-Experten aus
Politik, Kultur und Wirtschaft mit Ehemaligen
und Studierenden diskutieren. Zudem stellen
Alumni der Amerikanistik in der Veranstaltungsreihe „Amerikanistik und
Dann?“ ihren Werdegang
nach dem Studium vor
und bieten so Orientierung für Studierende. Um
4
den Abschluss des Studiums angemessenen zu würdigen, veranstaltet die ASAA
außerdem einmal im Jahr eine Feier nach
amerikanischem Vorbild für die Absolventen der letzten beiden Semester.
Um den Aufbau des fachübergreifenden
und internationalen Netzwerks der Alumni,
der Studierenden und der Hochschulangehörigen zu fördern, wurde Anfang Juni
eine zentrale Anlaufstelle für AlumniArbeit an der Uni Leipzig neu geschaffen.
Davon verspricht sich Zoe-Antonia Kusmierz, Vorstandsvorsitzende der ASAA,
eine verstärkte Wahrnehmung nicht nur
der verschiedenen bereits existierenden
Alumni-Initiativen, sondern auch der Bedeutung von Alumni-Arbeit generell.
Um die Alumni-Aktivitäten auf Fachbereichsebene zu unterstützen und den Austausch
mit der Universität zu ermöglichen, wird ab Anfang 2008 ein fachübergreifendes Alumni-Portal zur Verfügung stehen.
Bis es soweit ist, können
Ehemalige, Studierende
aller
Fachrichtungen,
Wissenschaftler, Mitarbeiter sowie Freunde und
Förderer der Universität
die
Premium-Gruppe
„Alumni der Universität
Leipzig“ auf der Netzwerk-Plattform XING
als ein erstes Forum für
persönlichen Austausch
und Diskussion nutzen.
Informationen dazu und
zu allgemeinen Fragen
der Alumni-Arbeit erhalten Sie bei Alumni-Koordinatorin Christin Wätzel
(Tel.: 0341/97-35005,
E-Mail: christin.waetzel
@ uni-leipzig.de)
r.
www.asaa-leipzig.de
www.uni-leipzig.de/
info/alumni/
Die American Studies
Alumni Association e. V.
feierte im Juli mit Ehemaligen ihr zehnjähriges Bestehen.
Foto: Jan Woitas
journal
UniVersum
Symbiose von
alt und neu
Ein Modell gibt Einblicke
in die Innengestaltung des
Andachtsraumes im Paulinum
Die Baustelle am Augustusplatz verändert
nun beinahe täglich ihr Gesicht. Bagger
und Kräne arbeiten sich durch das Areal
des künftigen zentralen Campus der Universität Leipzig. Aber auch die Planungen
für die Innengestaltung gehen weiter voran.
Im Mittelpunkt steht hierbei vor allem das
Paulinum mit seinem Andachtsraum und
dessen näherer Ausgestaltung. Ein Modell
veranschaulicht den modernen Raum mit
seiner Referenz an die gesprengte Universitätskirche St. Pauli: Arkadenwände mit
großen Öffnungen sollen den Raum einerseits als Ganzes, zum Beispiel bei Gottesdiensten, erlebbar machen, und andererseits Platz für wertvolle Epitaphien aus
dem Kunstbesitz der Universität bieten.
Das nebenstehende Modell des Andachtsraumes wurde bereits auf dem campus-Tag
im Juli dieses Jahres öffentlich vorgestellt
und auch in der interministeriellen Baukommission diskutiert.
„Die Epitaphien im Andachtsraum des
Paulinums tragen in besonderer Weise zur
Authentizität dieses neuen zentralen Ortes
der Universität Leipzig bei. Diese Sammlung umfasst einige der Originale aus der
gesprengten Universitätskirche und bietet
uns eine stetige Erinnerung an die wechselvolle Geschichte“, unterstreicht Rektor
Prof. Franz Häuser das Konzept. „Die technischen Voraussetzungen für die Errichtung der Arkadenwände sind im laufenden
Planungsprozess verankert. Zur Zeit wird
die detaillierte Ausbildung der Arkadenkonstruktion bearbeitet“, ergänzt Titus
Werner, Dezernent für Planung und Technik.
Die Kunstwerke erinnern an Universitätsangehörige aus vier Jahrhunderten der Ge-
schichte der Alma mater und waren bereits
im Chorraum der früheren Paulinerkirche
angebracht. Heute sind sie Teil des Kunstkonzeptes der Universität Leipzig für den
Neubau. Die Epitaphien sind dabei die Referenz an die Universitätskirche, neben den
weiteren Kunstwerken, die an das 17. und
18. Jahrhundert, an Augusteum sowie die
sozialistische Universität erinnern.
„Mit diesem Kunstkonzept, das bis in die
Gegenwart der Universität Leipzig reicht,
wird moderne Architektur mit Kunst aus
mindestens fünf Jahrhunderten qualitätsvoll verbunden“, unterstreicht Rektor Häuser. Es präsentiert im Jubiläumsjahr 2009
das unverwechselbare Bild der Universität
Leipzig.
Dr. Manuela Rutsatz
www.uni-leipzig.de/kustodie/
bewahren/kunstkonzept
Das neue Hauptgebäude der Universität am Augustusplatz sowie das Modell des Andachtsraumes im Paulinum (oben).
Grafik/Foto: Erick van Egeraat/M. Wenzel
Heft 5/2007
5
UniVersum
PhaCon und SMILE
gewinnen bei FutureSAX
Universität bei Businessplan-Wettbewerb als
aktivste Hochschule ausgezeichnet
In den Dresdner Hellerau Werkstätten wurden die diesjährigen Sieger des FutureSAX
Businessplan-Wettbewerbs ausgezeichnet.
Das Team von SMILE konnte sich dabei
gleich mehrfach freuen. Zum einen gewann mit der Firma PhaCon GmbH ein von
der Selbst Management Initiative Leipzig
(SMILE) betreutes Gründungsteam den
mit 15.000 Euro dotierten Gründungspreis
in der dritten und abschließenden Phase.
Zum anderen wurde SMILE selbst ausgezeichnet. Gemeinsam mit SAXEED
Chemnitz teilt sich SMILE den Hochschulsonderpreis für die aktivste Hochschule
bzw. Forschungseinrichtung.
In seiner Laudatio drückte der sächsische
Wirtschaftsminister Thomas Jurk erfreut
aus, dass an den Hochschulen des Freistaates das Bewusstsein rund um das Thema
Existenzgründung sich erfreulich entwickelt habe und die Bereitschaft zur aktiven
Unterstützung junger Unternehmen deutlich gestiegen sei. Immerhin kämen inzwischen rund die Hälfte der Anträge im FutureSAX-Wettbewerb aus Hochschulen.
Die PhaCon GmbH ist eine Ausgründung
des Innovation Center Computer Assisted
Surgery (ICCAS) der Universität Leipzig.
Sie beschäftigt sich mit der Herstellung
und Vermarktung von Schädel- und Kno-
Die Universität Leipzig wurde in der finalen Phase des Businesswettbewerbs
FutureSAX doppelt ausgezeichnet.
Foto: FutureSAX
6
chen-Modellen, die für die Operationsvorbereitung und zu Schulungszwecken in
zahlreichen Ländern in wachsenden Stückzahlen benötigt werden.
Doppelte Ehrung für Alma
mater durch Wirtschaftsminister Thomas Jurk
Die beiden Gründer besuchten verschiedene Veranstaltungen von SMILE und kamen im Herbst 2006 mit der Anfrage nach
einem Gründercoaching auf SMILE-Mitarbeiter zu. Innerhalb weniger Wochen war
der Businessplan gemeinsam diskutiert
und verbessert. Hierzu hat SMILE die
Gründer sowohl bei den notwendigen Recherchen, dem Abwägen verschiedener
Unternehmensstrategien und auch der Finanzplanung unterstützt. Die Coaches waren in kurzer Zeit in der Lage, das technische Produkt und seine Besonderheiten
soweit zu erfassen, dass auch Fragen der
Alleinstellung und des Schutzes geistigen
Eigentums bearbeitet werden konnten.
Die beiden Inhaber der im Frühjahr 2007
gegründeten Firma haben inzwischen eine
Reihe von Preisen gewonnen und damit
Startkapital eingesammelt. Inzwischen ist
die Finanzierung gesichert und der Firmensitz bezogen. Mit etwa einem halben Jahr
kann der Gründungsprozess einer solch
komplexen Unternehmung als sehr zügig
beschrieben werden.
SMILE ist eine Kooperation zwischen der
Universität Leipzig und der Handelshochschule Leipzig unter der Leitung von
Prof. Dr. Helge Löbler, Juniorprofessor
Dr. Utz Dornberger und Prof. Dr. Bernhard
Schwetzler. Das Projekt wird finanziell unterstütztdurch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie den
Europäischen Sozialfonds (ESF).
r.
www.smile.uni-leipzig.de
journal
UniVersum
Professor und Studenten treffen
Dalai Lama in Leipzig
Umringt von Studenten: Der Dalai Lama bei seinem Besuch in Leipzig, gemeinsam
mit Prof. Per K. Sørensen.
Foto: Institut für Zentralasienwissenschaften
Offiziell kam der Dalai Lama im Mai zur
Verleihung des Boulevard-Medienpreises
nach Leipzig. Dennoch nahm sich das religiöse und weltliche Oberhaupt der Tibeter
Zeit für ein Treffen mit dem Leiter des
Instituts für Zentralasienwissenschaften,
Professor Per K. Sørensen, einem führenden Experten für Tibet- und Buddhismuskunde. Mit dabei waren auch zahlreiche
seiner Studenten.
Der Dalai Lama, Träger des Friedensnobelpreises, dessen Popularität und Einfluss
neuesten Umfragen zufolge größer als die
des Papstes sind, weilte zum ersten Mal in
Leipzig, hatte jedoch auf Anhieb eine
große Anhängerschaft – auch fern des Studentenkreises. Dieser Fankult fußt nicht
zuletztauf seinem authentischen Auftreten,
weil „er lebt, was er predigt“, so Sørensen.
Den Professor und das Oberhaupt des Tibetischen Volkes verbindet übrigens eine
lange Bekanntschaft. Sie sind einander bei
zahlreichen Gelegenheiten, so auch bei internationalen parlamentarischen Anhörungen begegnet. Sørensen führt außerdem
seit Jahren verschiedene Forschungsprojekte in Tibet durch.
T. D. H.
Kinder im
Uni-Archiv
Kinderlachen zwischen Archivregalen,
Gänsefedern kratzen in Tintenschrift über
Papierbögen, und zum Schluss rufen alle
im Chor: „Wir wollen wiederkommen!“
Das Universitätsarchiv öffnete im August
zwei Tage lang seine Türen für Kinder von
Universitätsangehörigen. Fragen hatten die
Fünf- bis 13-Jährigen genug: Warum hat
die Uni ein eigenes Archiv? Wie wertvoll
sind Pergamenturkunden? Und was verbirgt sich hinter einem Doktorschmaus?
Manch einer der Knirpse suchte auch die
studentischen Abschlusszeugnisse von
Mama und Papa.
Von den Archivaren erfuhren die Kleinen
Amüsantes und Belehrendes aus der langen Universitätsgeschichte und bastelten
unter Anleitung eine eigene Urkunde, die
sie mit einem alten Universitätssiegel und
einem brennenden Lackstift beglaubigen
konnten und nach Hause trugen. T. D. H.
Heft 5/2007
7
UniVersum
50 Jahre Tanzarchiv
Projektseminar trifft Ausstellung
Von Sebastian Göschel, Institut für Theaterwissenschaft
Ohne Arbeit kein Rhythmus, so die These
des Leipziger Nationalökonomen Karl
Bücher. Der Wissens- oder Kulturarbeiter,
sei er als Student, Professor, Künstler
oder Freelancer tätig, unterliegt seit jeher
einem ungewöhnlichen Rhythmus. Anstelle der grundsätzlich festgelegten
Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit hat
er sich den Alltag selbst zu strukturieren.
Diese Arbeit vor der Arbeit gehört zunehmend in das Anforderungsprofil verschiedener Berufsgruppen. Teleheimarbeit und
Ich-AG sind Schlagworte jener Entwicklungen.
Neu ist dieses Phänomen nicht, in Umbruchs- und Krisenzeiten setzt bis heute
immer wieder eine Reflexion über die
Grundbedingungen von Arbeit ein. Das
Tanzarchiv Leipzig birgt in seinem großen
Fundus unzählige historische Dokumente,
die eine Traditionslinie dieser Ansätze aufzeigen. Von den Lebensreformbewegungen
Anfang des 20. Jahrhunderts, über die
Ideen zur Rhythmisierung von Arbeit
durch Rudolph von Laban, den Gemeinschaftsideen im Nationalsozialismus bis
hin zu den Umstrukturierungen der Arbeitsbedingungen in der DDR finden sich
zahlreiche Plakate, Tondokumente, Texte
und Fotos.
Anlässlich des 50. Tanzarchiv-Jubiläums
entstand bei der Direktorin des Tanzarchivs, Prof. Dr. Inge Baxmann vom Institut für Theaterwissenschaften, in Zusammenarbeit mit der stellvertretenden Geschäftsführerin Melanie Gruß, die Idee,
diese historischen Materialien mit den
oben beschriebenen aktuellen Tendenzen
in einer Ausstellung zu konfrontieren.
Neben dem Engagement der erfahrenen
Kuratorin Vera Lauf und verschiedener
zeitgenössischer Künstler (Pia Lanzinger,
Diana Wesser, Teching Hsieh, Büro für
integrative Kunst, Wilhelm Groener und
andere) sah Professor Baxmann in Zusammenarbeit mit Linda Schirmer und
Sebastian Göschel die Chance, wissenschaftliche Theorie und kulturelle Praxis
enger als gewohnt zu verzahnen. Um den
Studenten der Theaterwissenschaft die
Möglichkeit zu geben, sich besser auf die
kommenden Anforderungen im Beruf vorzubereiten und erste Verbindungen in die
Kunst- und Kulturszene zu knüpfen. Dementsprechend wurde ein Projektseminar
abgehalten, welches direkt der Ausstellung
Das Tanzarchiv Leipzig wird 50 Jahre alt und lädt zu einer von Studenten gestalteten Ausstellung. Das Foto vermittelt einen Eindruck der Arbeiterfestspiele im
Rudolstadt der 1960er Jahre.
Foto: Tanzarchiv Leipzig
8
zuarbeitete. In kreativer Atmosphäre und
kleinen Arbeitsgruppen hatten die Studenten Gelegenheit, sich intensiv mit den vielfältigen Abläufen einer Ausstellungsorganisation vertraut zu machen. Dabei erstellten sie Pressepläne, kümmerten sich um
Sponsoring und Ablauf der Ausstellung,
durchforsteten die hiesigen Museen und
Archive nach Material, führten Interviews
und entwickelten sogar eigene Ausstellungskonzepte.
Ein Teil dieser Ergebnisse der Seminararbeit wird nun in der Ausstellung mitArbeit
– Lebensrhythmen im Wandel vom 19. Oktober bis 11. November in den Räumen des
Lindenfels Westflügels (Hähnelstraße 27)
zu sehen sein, begleitet von einem vielfältigen Rahmenprogramm aus Werksführungen, Diskussionen, Workshops und Filmvorführungen. Höhepunkte der Ausstellung sind die Vernissage am 18. Oktober
mit einem künstlerischen Beitrag der
neuen Leiterin des Leipziger Tanztheaters,
Irina Pauls, und die Jubiläumsfeier des
Tanzarchivs fünf Tage später in den Räumen in der Ritterstraße.
Tanzarchiv Leipzig
Das Tanzarchiv Leipzig e.V. (TAL) besteht
seit 1993 als Verein, gegründet von der
Universität Leipzig und der Hochschule für
Musik und Theater Leipzig. Es versteht
sich sowohl als Dokumentations- als auch
als Forschungsinstitution für Tanz und Bewegungskulturen und bringt als Ort des
Austauschs Theoretiker, Praktiker und Publikum zusammen. Die Ergebnisse der eigenen Arbeit stellt das TAL auf Konferenzen, Symposien und in Ausstellungen zur
Diskussion. Lecture Demonstrations und
Workshops machen Tanz und Bewegung
unmittelbar erfahrbar. Die Buchreihen
„Documenta choreologica“ und „Wissenskulturen im Umbruch“ halten Tanzgeschichte lebendig und sind zugleich fest in
der Gegenwartskultur verankert. Die Nutzung der Bibliothek und des Lesesaals ist
für jedermann in den Räumlichkeiten der
Ritterstraße 9–13 möglich.
www.tanzarchiv-leipzig.de.
journal
Gremien
Bundeskanzlerin Merkel
bekommt Ehrendoktorwürde
Sitzung des Senats am 10. Juli
In seiner Sitzung vor der Sommerpause
stimmte der Akademische Senat der Universität Leipzig der beabsichtigten Ehrenpromotion der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Angela Merkel, durch die Fakultät für Physik und Geowissenschaften zu. In der Diskussion im
Senat kristallisierten sich folgende Aspekte
für die Ehrenpromotion der namhaften
Alumna der Universität Leipzig heraus:
Aufbauend auf den während ihres PhysikStudiums an der Leipziger Alma mater mit
Diplom und anschließender Promotion in
Physik in Berlin erworbenen Fähigkeiten
hat sich Frau Dr. Merkel mit sachlicher und
kompetenter Arbeit in herausragenden
politischen Positionen sowohl national als
auch international großes Ansehen erworben. Ihr Wirken als Bundesumweltministerin, als Bundeskanzlerin und zuletzt als
EU-Ratspräsidentin kommt der Gesellschaft, der Wissenschaft und nicht zuletzt
auch der Physik als Fach zugute. „Ich begrüße mit Nachdruck die Entscheidung des
Akademischen Senats und bin hocherfreut,
dass der erfolgreichen Alumna unserer
Universität diese akademische Ehrung zuteil wird“, kommentierte Rektor Professor
Dr. Franz Häuser die Senatsentscheidung.
Der Senat befürwortete weiterhin die Ehrenpromotion für Dr. Renate Schulz (University of Arizona), auf Antrag der Philologischen Fakultät. Sie ist eine der renommiertesten und bekanntesten Fremdsprachendidaktikerinnen weltweit.
In einem gesonderten Tagesordnungspunkt
resümierte Prorektor Professor Dr. Wolfgang Fach über sein erstes halbes Jahr als
Prorektor für Studium und Lehre. In seinem Statement vor dem Senat warb er für
große Geduld und vor allem weiterhin sehr
viel Kraft für das komplexe Programm der
Studienreform an der Universität Leipzig.
Dieses sei noch längst nicht durchgestanden, viele Probleme harrten einer Lösung:
„Wir müssen uns auf eine unruhige nächste Zeit einstellen,“ erklärte der Prorektor.
Zudem befasste sich der Senat mit Berufungsangelegenheiten und verabschiedete
Heft 5/2007
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wird die Ehrendoktorwürde der Universität
Leipzig erhalten. Der Senat befürwortete das Anliegen der Fakultät für Physik und
Geowissenschaften.
Foto: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
den Ausschreibungstext sowie die Zusammensetzung der Berufungskommission für
die W3-Professur „Grundschuldidaktik
Deutsch“, für die W2-Professur „Experimentelle Physik: Wechselwirkung von
Oberflächen mit biologischen Zellen und
Geweben“, für die W3-Professur „Anatomie (Veterinärmedizin)“ sowie für die W2Professur „Kleintierchirurgie“.
Weiterhin empfahl der Senat in geheimer
Abstimmung den Berufungsvorschlag für
die W2-Professur „Politisches System der
Bundesrepublik Deutschland“.
Der Senat befürwortete die Verleihung des
Rechts zur Führung der Bezeichnung
„außerplanmäßiger Professor“ für PD Dr.
Annegret Nippa (Fakultät für Geschichte,
Kunst- und Orientwissenschaften), für PD
Dr. Roland Schuhr (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät sowie für PD Dr. Andreas Bringmann (Medizinische Fakultät).
Der Senat stimmte in der Juli-Sitzung der
Einrichtung des bereits im vorherigen
Senat diskutierten Masterstudienganges
„International Energy Economics and
Business Administration“ der Universität
Leipzig und der MGIMO Moskau zu.
Der Senat beschließt die Studiendokumente für den Bachelorstudiengang Afrikastudien sowie für den Bachelorstudiengang Translation. Zudem stimmten die
Senatsmitglieder für die Änderungssatzungen zur Prüfungs- und Studienordnung für
den Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften und für den Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik. Weiterhin
wurden die Prüfungs- und Studienordnung
für den Masterstudiengang Betriebswirtschaftslehre sowie die Eignungsfeststellungsordnung für diesen Studiengang beschlossen. Ebenso beschloss der Senat die
Prüfungs- und Studienordnung für den
Masterstudiengang Volkswirtschaftslehre
und dessen Eignungsfeststellungsordnung.
Schließlich passierte die Eignungsfeststellungsordnung für den Masterstudiengang
Wirtschaftsinformatik den Senat.
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
9
Jubiläum 2009
„Jetzt ist es blosses
Vergnügen Nazi zu sein ...“
Der Leipziger Baltist Georg Gerullis (1888–1945)
zwischen Universität und NS-Politik
Von Ulf Morgenstern M. A., Historisches Seminar
Am 24. April 1934 schrieb Georg Gerullis,
seit 1922 planmäßiger außerordentlicher
Professor für Baltische Sprachen an der
Universität Leipzig einen Brief an seinen
ehemaligen akademischen Förderer, den
Anglisten Max Förster (1869–1954) in
München. Förster war bis zu seinem Weggang aus Leipzig 1925 eine zentrale Persönlichkeit der Philosophischen Fakultät
gewesen und hatte maßgeblich dazu beigetragen, den Königsberger Privatdozenten
Gerullis nach Leipzig zu holen. In dem
Brief ging es jedoch nicht um Philologisches, sondern Gerullis nahm vielmehr
Bezug auf rein private Dinge. Da Försters
Ehefrau Dora immer so herzlichen Anteil
an seinen Kindern genommen habe, teilte
er mit:
„Unser Junge ist jetzt15 und Obersekundaner, das Töchterchen 12 und Untertertianerin. Der Junge und meine Frau haben in
Leipzig schwer für den Nationalsozialismus gekämpft. Jetzt ist es blosses Vergnügen Nazi zu sein, manchmal auch ein Geschäft, damals ist mein Junge oft in Lebensgefahr gewesen und auch meine Frau
hat einigemal was abbekommen.“
Hochschulabteilung im preußischen Kultusministerium geworden war, erhoffte
sich der verzweifelte Förster eigentlich
Hilfe. Mehr als den Rat, nicht freiwillig um
Versetzung in den Ruhestand zu ersuchen,
da dies ein Zeichen von Schwäche sei,
konnte und wollte Gerullis ihm aber nicht
geben. Wer aber war dieser äußerlich kaltblütige Neuphilologe mit der NS-Vorzeigefamilie?
Georg Gerullis stammte aus einer baltischdeutschen Bauernfamilie im ostpreußischen Jogauden. Von 1909 bis 1912 hatte
er Indogermanistik und klassische Philologie in Königsberg und Berlin studiert und
war dort 1912 bei Adalbert Bezzenberger
(1851–1921) mit einer Arbeit „De Prussicis Sambiensium locorum nominibus“ promoviert worden. Am Ersten Weltkrieg hatte
er seit Beginn teilgenommen, seit 1915 als
Leutnant. Nach Kriegsende schlug Gerullis mit der Habilitation in Königsberg die
Universitätslaufbahn ein. Eine kurzzeitige
Anstellung des Privatdozenten im Schuldienst diente dem bloßen Broterwerb des
mittlerweile verheirateten Familienvaters.
Mit der Billigung Max Försters und Eduard Sievers (1850–1932) wurde Gerullis
schließlich 1922 in der Nachfolge Robert
Scholvins (1850–1929) planmäßiger Extraordinarius für baltische und slawische
Sprachen an der Universität Leipzig.
Hier entstanden in den nächsten zehn Jahren seine wissenschaftlichen Hauptwerke,
etwa zu den ältesten litauischen Sprachdenkmälern (1923) oder litauischen Dialekten (1930). Gemeinsam mit dem Indogermanisten Eduard Sievers und dem Sla-
Kaltblütiger Neuphilologe mit
NS-Vorzeigefamilie
Försters Gesichtszüge dürften sich jedoch
beim Lesen dieser Zeilen verdunkelt haben, denn seine Frau war Jüdin, und seine
Weigerung, sich von ihr scheiden zu lassen,
führte soeben zu seiner „freiwilligen“
Emeritierung an der Universität München,
die sein dortiger Habilitand und Nachfolger Robert Spindler (1893–1954) beherzt
betrieb. Bei seinem ebenfalls stramm nationalsozialistischen aber persönlich integren ehemaligen Leipziger Protegé Georg
Gerullis, der nach der Machtergreifung
rasch Ministerialdirektor und Leiter der
10
Ein dunkles Kapitel der Universitätsgeschichte: Professor Georg Gerullis (1888 –1945;
sitzend 2. von links) trat als einer der wenigen Hochschullehrer schon vor 1933 in
die NSDAP ein – und erhoffte sich einen Karriereschub.
Foto: Universitätsarchiv
journal
Jubiläum 2009
wisten Max Vasmer (1886–1962) arbeitete
er außerdem zu altslawischen Verstexten
(1925). Bis heute zitiert werden nur seine
onomastischen Studien zu altpreußischen
Orts- und Familiennamen (1922).
Politische Karrierehilfe
Dass seine wissenschaftliche Produktion
zu Beginn der 1930er Jahre nachließ, ist
leicht zu erklären: Da ein Ruf auf ein Ordinariat ausblieb, setzte der bis dahin nur
durchschnittlich deutschnationale Extraordinarius auf eine politische Karrierehilfe
und trat als einer von ganz wenigen Hochschullehrern schon 1930 der NSDAP und
wenig später der SA bei. Auch seine Frau
und sein Sohn scheinen in den örtlichen
Gliederungen der Partei rege Arbeit geleistet zu haben.
Nach der Machtergreifung wurde Gerullis
im Februar 1933 Vorsitzender des halboffiziellen „Nationalen Ausschusses für die
Erneuerung der Universität Leipzig“, der
Hand in Hand mit dem NS-Studentenbund
politische und rassische Proskriptionslisten für die neuen Machthaber in Dresden
erstellte. Für wenige Wochen wechselte er
sogar nach Dresden, als ihm Anfang April
das für die Hochschulen zuständige
Personalreferat im sächsischen Kultusministerium übertragen wurde. Dass er im
Mai 1933 sogar als zukünftiger Kultusminister Sachsens gehandelt wurde, konnte
ihm nur noch schmeicheln, denn inzwischen war er bereits im preußischen Kultusministerium in Berlin als deutlich einflussreicherer Ministerialdirektor tätig.
Der Berliner Behördenalltag bescherte ihm
neben langweiliger Verwaltungsarbeit jedoch vor allem personalpolitische Macht.
Wie bei Max Förster konnte er diese auch
bei dessen Leipziger Nachfolger Levin
Ludwig Schücking (1878–1964) ausspielen, der als bekannter Demokrat nun ebenfalls um politische Hilfe bei seinem aufgestiegenen Fakultätskollegen ersuchte. Dem
offen von Entlassung bedrohten Anglisten
teilte Gerullis im August 1933 in freundlich distanziertem Ton mit, er habe die
sächsischen Behörden gebeten, in seinem
Falle das Votum Hitlers abzuwarten, da
„wir in dieser Sache noch keine Entscheidung getroffen hätten.“
Seinem Ideal der Verbindung von Wissenschaft und Wissenschaftsmanagement
konnte er nur noch durch eine gehobene
Rückkehr an eine Universität näher kommen. Diese gelang ihm im Sommer 1934,
als sein Ministerium einfach seine EinweiHeft 5/2007
sung in ein Ordinariat für Baltische Sprachen an seiner ostpreußischen Heimatuniversität Königsberg anordnete, die allein
wegen ihrer geographischen Lage hervorragende Arbeitsbedingungen für die Baltistik bot. Aber auch hier stellte Gerullis das
Politische in der Vordergrund, so etwa als
er sich bei der Neubesetzung des slawistischen Lehrstuhls strikt gegen die Berufung
des in Prag lehrenden Gerhard Gesemann
Gesemann (1888–1948) wehrte, da ihm
dieser als entschieden zu „bolschewistenund judenfreundlich“ erschien. Gegen das
Votum des Königsberger Lehrkörpers
wurde Gerullis 1935 Rektor, geriet jedoch
in der Folge in Konflikt mit dem nicht minder selbst- und machtbewussten Gauleiter
Erich Koch (1896–1986).
Durch die Hintertür an die
größte deutsche Universität
Mit seiner auf Kochs Betreiben 1937 erfolgten Versetzung an die Universität Berlin hatte Gerullis nun als Ordinarius durch
die Hintertür Eintritt in die größte und angesehenste deutsche Universität erhalten.
Ob auch hier persönliche Querelen oder
blinder Führerglaube und nationalsozialistischer Idealismus zu seinem erneuten Ausscheiden führten, ist ungeklärt. Im Zweiten
Weltkrieg findet sich Gerullis nämlich
nicht seinem Alter entsprechend unter den
Professoren an der „Heimatfront“, sondern
unter den Angehörigen der Wehrmacht. Im
Mai 1945 soll der Baltist von sowjetischen
Truppen verhaftet und im Juli des Jahres
ausgerechnet im litauischen Klaipeda, dem
ehemaligen Memel, erschossen worden
sein. 1953 wurde er vom Amtsgericht Berlin-Schöneberg für tot erklärt.
Anekdoten, Fragmente,
Notizen
Rote Zettel als
Erkenntnishilfe
Der Weg der Erkenntnis ist auch bei Physikern nicht nur mit innerphysikalischen
Ratio-Steinen gepflastert. Der spätere
Leipziger Nobelpreisträger Werner Heisenberg erinnerte in einem Vortrag zur Entwicklung der Atomphysik an die 1920er
Jahre, als Einsteins Relativitätstheorie
zwar in aller Munde war, aber selbst bei
manchen Physikern noch mit Vorbehalten
und Skepsis betrachtet wurde. Auf der Versammlung der deutschen Naturforscher
1922 in Leipzig war auch ein großer
Vortrag von Albert Einstein angekündigt
worden. Als Heisenberg den Saal betrat,
wurden ihm von jungen Leuten – wie sich
herausstellte, Schüler des bedeutenden,
aber später zum Lager der „deutschen Physik“ gehörenden Physikers Philipp Lenard
– rote Zettel in die Hand gedrückt. Darauf
stand, dass die Relativitätstheorie ein Produkt jüdischer Reklame sei und nicht ernstgenommen werden sollte. Heisenberg berichtet, wie ihn dieser Vorgang erschütterte. Denn einerseits war er von seinen
Lehrern im größten Respekt vor den Entdeckungen Lenards erzogen worden, andererseits wurden hier Methoden angewandt,
die den diskreditieren mussten, der sie anwandte. „Das machte mich sofort zum
überzeugten Anhänger der Allgemeinen
Relativitätstheorie. In dem Moment war
ich überzeugt, dass Einstein Recht hatte“,
resümiert Heisenberg.
Was hier vielleicht zunächst als eine Entscheidung aus dem Bauch heraus erscheint,
ist in Wirklichkeit natürlich höchst vernunftbestimmt. Heisenberg selbst gibt die
Erklärung: „So ist es eben: Man beurteilt
ein Ziel nach den Mitteln, die für seine Verwirklichung verwendet werden. Wenn die
Mittel schlecht sind, dann kann das Ziel
nicht gut sein.“
Volker Schulte
Werner Heisenberg (1901–1976), Nobelpreis für Physik 1932, Ordinarius für theoretische Physik an der Universität Leipzig
1927–1942.
Quelle: Werner Heisenberg, Gesammelte
Werke, Band IV, Piper München und Zürich
1986.
11
Jubiläum 2009
Gesichter
der Uni
Johann Gottfried Jakob Hermann
(1772 –1848).
Foto: Archiv und Bibliothek
der Landesschule Pforta
Die Reihe „Gesichter der Uni“ erscheint
seit April 2004 im Uni-Journal.
In ihr sollen neben den berühmten „großen Köpfen“ der Alma mater auch weniger bekannte Universitätsangehörige
vorgestellt werden. Dunkle Kapitel
der 600-jährigen Universitätsgeschichte
bleiben dabei nicht ausgespart. Betreut
wird die Rubrik von der Kommission zur
Erforschung der Leipziger Universitätsund Wissenschaftsgeschichte. Anregungen und Manuskripte (mit Bildvorschlägen) richten Sie bitte an:
[email protected]
Auf einen Blick finden Sie die
„Gesichter“ im Internet unter
www.uni-leipzig.de/journal/
gesichter
12
Der 1772 in Leipzig geborene Gottfried
Hermann gehört zu den bedeutendsten Vertretern der Klassischen Philologie. Aus
einer angesehenen Leipziger Bürgerfamilie stammend, wurde er bis zu seinem
zwölften Lebensjahr vom späteren Rektor
in Schulpforte, Carl David Ilgen, erzogen.
Nach dieser Vorbereitung immatrikulierte
er sich 1786 an der Universität Leipzig.
Nach anfänglichem Jurastudium folgte er
seiner philologischen Neigung und studierte – vor allem bei Friedrich Wolfgang
Reiz – Griechisch und Latein. Ilgen und
Reiz bezeichnete Hermann als seine eigentlichen Lehrer. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit Kants Philosophie und besuchte 1793/94 in Jena die Vorlesungen des
Kantianers Karl Leonhard Reinhold. Eine
von Kant bestimmte Tendenz zur abstraktsystematischen Deduktion schlug sich
dann in seinen Arbeiten zur griechischen
Metrik und Grammatik nieder.
1794 habilitierte sich Hermann in Leipzig
und eröffnete 1795 seine akademische
Lehrtätigkeit mit Vorlesungen zu Kant und
Sophokles, beschränkte sich danach aber
auf philologische Themen. Als Anerkennung für seine Lehrtätigkeit erhielt er 1797
eine außerordentliche Professur. Im folgenden Jahr gründete er eine „Griechische
Gesellschaft“, aus der über 200 hervorragende Universitätsgelehrte und Schulmänner hervorgingen. 1803 wurde er zum ordentlichen Professor für Eloquenz und
1809 zusätzlich für Poesie ernannt.
Hermanns wissenschaftliche Bedeutung
liegt vor allem auf dem Gebiet der Textphilologie. Er gab zahlreiche kritisch-exegetische Editionen, besonders seine sieben
Bände „Opuscula“ mit grundlegende Abhandlungen zur griechischen Literatur und
Sprache heraus. Daneben gingen vom ihm
wichtige Impulse für die Entwicklung
einer wissenschaftlichen Metrik aus. Hermann wurde so zum führenden Vertreter
der grammatisch-kritischen Schule. Im
Verständnis der antiken Schriftwerke und
in der Sprachforschung erkannte er das
Ziel der Klassischen Philologie. Damit trat
er in Gegensatz zur universalen Richtung
von August Böckh und Karl Otfried Müller, die die Aufgabe der Altertumswissenschaft in einer möglichst allseitigen Erkenntnis des antiken Geistes sahen.
Zum Leben und Werk dieses bedeutenden
Gelehrten veranstaltet das Institutfür Klassische Philologie und Komparatistik vom
11. bis 13. Oktober ein hochkarätig besetztes Symposion.
Jonas Flöter,
Erziehungswissenschaftliche Fakultät
Kalendarium der
Universitätsgeschichte
Druckfrisch:
Jubiläen 2007
Was haben Ulrich von Hutten, Wilhelm
Wundt und Milos Rosza gemeinsam? Sie
alle studierten oder lehrten an der Universität Leipzig. In der Broschüre „Jubiläen
2007. Personen | Ereignisse“ finden die Leser weitere berühmte Namen, die eng mit
der Universität Leipzig verbunden sind und
die in diesem Jahr ein Jubiläum haben. Damit ist die Lektüre der Jubiläen 2007 vor
allem eines: ein Spaziergang durch die
Geschichte der Universität Leipzig in den
vergangenen beinahe 600 Jahren.
Seit dem Jahr 2004 gibt es nun schon diese
Reihe, die als Ausblick auf das Gründungsjubiläum der Universität Leipzig im Jahre
2009 begründet wurde. Die Jubiläen 2007
sind in diesem Sommer erschienen und in
der Pressestelle der Universität Leipzig erhältlich.
Ein Exemplar kostet 4,00 Euro und ist
über die Pressestelle (Frau Heidi Teichert,
Ritterstraße 26, 04109 Leipzig, Telefon:
0341/97-35020 oder per E-Mail:
hteichert@ uni-leipzig.de) zu beziehen. r.
journal
Forschung
Patent für pharmazeutische Nutzung
Gegen Herzzittern ist ein Kraut gewachsen
Das Herzgespannkraut wird bereits 1485
im ältesten deutschsprachigen Kräuterarzneibuch, dem „Gart der Gesuntheit“, als
Medikament bei Herzkrankheiten erwähnt
und auch in späteren mittelalterlichen
Schriften gegen „Herzzittern und -klopfen“ empfohlen. Über die Jahrhunderte bis
heute gehörte die Pflanze – mehr oder weniger hoch geschätzt – zum Standardsortiment des Apothekers. Doch möglicherweise steckt mehr in diesem Kraut. Prof.
Stefan Dhein, Forschungsleiter der Klinik
für Herzchirurgie, und Prof. Johann-Wilhelm Rauwald, Lehrstuhlinhaber Pharmazeutische Biologie der Universität Leipzig,
wollten es genauer wissen. Nun konnten
die Wissenschaftler dazu ein Patent veröffentlichen.
„Anfangs hatte ich hatte ich nur ein bisschen in alten medizinischen Schriften geblättert“, sagt Dhein. „Es interessierte
mich, was im Mittelalter gegen HerzKreislauf-Beschwerden
unternommen
wurde. So stieß ich auf das Herzgespannkraut, da ja schon durch seinen Namen –
Gespann hieß so viel wie Schmerz – auf
eine Anwendung hinwies. Doch wissenschaftlich untersucht, ob und wie es wirkt,
hatte bis heute niemand.“ Also ging Dhein
in die Apotheke, kaufte getrocknetes Herzgespannkraut, bereitete auf ganz traditionelle Weise einen Tee und spritzte den im
Labor in ein isoliertes, also außerhalb des
Tieres künstlich ernährtes, Kaninchenherz.
„Und tatsächlich schlug dieses Herz dann
langsamer. Also wusste ich, es lohnt,
hier weiterzumachen.“
Dhein holte daraufhin den auf
pflanzliche Wirkstoffe spezialisierten Pharmazeuten Rauwald mit ins
Boot. Rauwald hatte bereits 1993 in
ersten Studien zur cardiovaskulären
Aktivität von Arzneipflanzen auch
Herzgespannkraut untersucht. Unterstütztvon Doktoranden widmeten
sich beide dem Herstellen und Testen immer neuer hochkonzentrierter
Extraktfraktionen aus Herzgespannkraut. Anregungen fand das Forscher-Team auch in der Literatur der
traditionellen chinesischen Medizin,
die ebenfalls mit einer dem Herzgespannkraut verwandten Pflanze
arbeitet. Allerdings wird es dort vor
allem in der Geburtsmedizin eingeHeft 5/2007
setzt, eine Anwendung, die auch in Europa
nicht unbekannt ist, worauf sein englischer
Name „motherwort“ verweist.
Bei den nun folgenden Studien ging es
längst nicht mehr nur um das Aufbrühen
von Tees. „Als Lösungsmittel wurden unter anderem auch Alkohol und Chloroform
verwendet“, erläutert Rauwald. „Es mussten genau quantifizierte Konzentrationen
erzeugt oder einzelne Bestandteile der
Extrakte eliminiert werden. Methoden wie
die Hochleistungs- und die DünnschichtChromatografie machten sichtbar, welche
Wirkstoffgruppen in welcher Konzentration in den Extrakten vorhanden waren.“
Nach jedem Schrittin den Labors der Pharmazeuten wurde der erzeugte Spezialextrakt im Herzzentrum am isolierten Tierherzen erprobt. Dabei wurde dessen Verhalten nicht nur mit bloßem Auge verfolgt,
sondern über ein spezielles Messverfahren.
Vier etwa einen Quadratzentimeter große
Platten mit 256 Elektroden bedeckten
einen Großteil der Herzoberfläche. Das so
mögliche umfassende EKG maß genau,
wie das Herz nach dem Einspritzen des
Extraktes reagierte. Beispielweise wurde
das Test-Herz beim mittels Chloroform
erzeugten Extrakt immer langsamer und
blieb sogar stehen – also wurde die Rezeptur verworfen.
Aus diesen Untersuchungen konnte das
Forscherteam um Dhein und Rauwald erstmals Aussagen zur Wirkung von Herzgespannkraut ableiten. „Belegt ist inzwi-
schen“, so Dhein, „dass die Wirkstoffe der
Pflanze den Koronarfluss, also die Menge
des Blutes, das den Herzmuskel versorgt,
steigern. Dadurch wird das Herz besser
versorgt. Gleichzeitig wird es langsamer
schlagen. Außerdem ist Herzgespannkraut
ein Kalziumkanalantagonist und blockiert
die Poren, durch die Kalzium tritt. Das wiederum bedeutet, dass der molekulare Wirkmechanismus aufgeklärt werden konnte.
Kalziumantagonisten führen zu einer Blutdrucksenkung und – im Falle bestimmter
Substanzen und des hier gefundenen Spezialextraktes – auch zu einer Herzwirkung
mit Verlangsamung der Herzfrequenz, wodurch das Herz insgesamt entlastet wird.“
Doch Rauwald und Dhein sprechen auch
von den noch offenen Fragestellungen. So
blieb bislang unbeantwortet, welche Einzelstoffe genau drin sind in dem Extrakt
und ob diese auch isoliert oder nur im Zusammenspiel ihrer verschiedenen Wirkprinzipien hilfreich sind. Möglicherweise
bergen auch einige der isolierten Bestandteile toxische Probleme, die künftig durch
entsprechende Reinigungsverfahren umgangen werden können.
Enttäuscht wird allerdings sein, wer auf
ein baldiges, über den altbekannten Tee
hinausgehendes Medikament wartet. Mit
dem Patent, das inzwischen veröffentlicht
ist, auf die „Herstellung von Spezialextrakten aus Leonurus cardiaca und deren Anwendung bei koronaren Herzkrankheiten“
wurde erst einmal ein Stück Grundlagenforschung abgeschlossen. Nun ist es
an den Pharmaunternehmen, die
neuen Erkenntnisse – möglicherweise in Kooperation mit den Leipziger Forschern – in ihre Produktentwicklung einzubinden.
Wer übrigens die etwa anderthalb
Meter hohe Staude mit rosa Blüten
direkt am Stengel in natura sehen
möchte, kann dies im Apothekergarten der Universität (Eingang
Johannisallee) tun, der seit März
wieder geöffnet ist.
Marlis Heinz
Prof. Stefan Dhein und Prof.
Johann-Wilhelm Rauwald veröffentlichten ein Patent zur Nutzung des Herzgespannkrauts.
13
Forschung
Nach dem Ruhm
kam das Vergessen
Ein DFG-Projekt zur
Neuentdeckung Herbert Iherings
Von Fee Isabelle Lingnau, Institut für Theaterwissenschaft
Heute ist Herbert Ihering weitgehend unbekannt. Vor rund 80 Jahren haben sein
Einfluss und sein Ruhm ein Theatertalent
etablieren können: Bert Brecht. Sein Leben
hat Ihering vor allem dem Kampf für das
Theater gewidmet. Für ein Theater, das im
Mittelpunkt der Gesellschaft steht, das sie
spiegelt und in Bewegung bringt. Ihering
war einer der bekanntesten und wichtigsten Theaterkritiker der Weimarer Republik.
Bekannt ist dieser Tage vielleicht noch der
Kritiker-Streit, den er in den Feuilletons
der 1920er Jahre mit Alfred Kerr ausgetragener hat.
Bisherige Forschung konzentrierte sich nur auf Weimarer
Republik
Leipziger Theaterwissenschaftler erforschen das Leben des Theaterkritikers
Herbert Ihering (1888 –1977).
Foto: Nachlass Herbert Ihering.
Stiftung Archiv der Akademie der Künste
Berlin/Brandenburg, 6772/4.
14
In diesen Auseinandersetzungen ging es
Ihering vor allem um die ästhetischen Prinzipien eines Theaters mit gesellschaftlicher
Funktion. Dabei plädierte er zwar nicht
immer für das Neue, war aber beständig auf
der Suche nach Schauspiel-Talenten, kritisierte mit umfassendem Blick. Und er
setzte sich mit Verve für junge unbekannte
Dramatiker ein.
Um die Arbeit Herbert Iherings der Wissenschaft zu erschließen, hatte Prof. Theo
Girshausen vom Institut für Theaterwissenschaft im August 2005 einen Projektantrag bei der DFG eingereicht, dessen Finanzierung im März 2006 für zwei Jahre
zugesagt wurde. Doch bevor die Arbeit
beginnen konnte, stand das Institut für
Theaterwissenschaft unerwartet vor einer
ebenso besonderen wie traurigen Situation:
Theo Girshausen starb am 25. März 2006.
Prof. Dr. Günther Heeg übernahm die Leitung des Projekts. Für das Team hat jeder
Professor des Instituts einen Mitarbeiter
gestellt: Corinna Kirschstein steht kurz vor
dem Abschluss ihrer Promotion bei Prof.
Dr. Gerda Baumbach, Sebastian Göschel
promoviert bei Prof. Dr. Inge Baxmann
und Fee Isabelle Lingnau. ist Mitarbeiterin
von Professor Heeg . Derart neu aufgestellt
startete im März das Projekt unter dem
Arbeitstitel „Der andere Ihering“.
Das Schaffen Iherings bewegt sich nämlich
nicht nur in den Grenzen von Weimarer
Republik, Theater und Zeitung. Es weist
weit mehr auf, als Theaterkritiken, den öffentlichen Schlagabtausch mit Alfred Kerr
und die Begeisterung für Brecht.
Ihering überlebte die Weimarer Republik
immerhin um 44 Jahre – und war in dieser
Zeit weiterhin produktiv: Während des
Dritten Reichs war er publizistisch tätig,
bis er aus der Reichspressekammer ausgeschlossen wurde; er arbeitete für die TobisFilmgesellschaft und seit 1942 als Dramaturg am Wiener Burgtheater. Nach dem
Zweiten Weltkrieg lebte er zwar in Westberlin, unterstützte und beeinflusste als
Grenzgänger aber vor allem die Kulturlandschaft der jungen DDR.
Trotz seiner Schaffenszeit in vier deutschen Staats-Systemen, der kulturpolitischen Aktivitäten und seines Interesses an
verschiedenen Medien konzentriert sich
die Forschung zu Herbert Ihering lediglich
auf seine Tätigkeit in der Weimarer Republik.
Forschertrio will gesamtes
Spektrum von Iherings
Schaffen erschließen
Hier wollen der Projektleiter Professor
Heeg und Corinna Kirschstein, Sebastian
Göschel und Fee Isabelle Lingnau ansetzen, wollen über die immergleichen Grenzen hinaussehen, wollen das gesamte
Spektrum seines umfangreichen Schaffens
für Einsteiger erschließen und der Forschung neue Perspektiven auf Herbert
Ihering ermöglichen. Dafür sind bislang
zwei Publikationen und ein Symposium
journal
Forschung
samt Symposiumsband vorgesehen. Als
erste Veröffentlichung ist eine Personalbibliografie geplant, die vor allem der unübersichtlichen Quellenlage Abhilfe schaffen soll, schließlich ist sie eines der Haupthindernisse in der Ihering-Forschung.
Zudem wird der Nachlass Iherings nach
weithin unbekannten Texten durchsucht,
die seine Arbeitsweise, seine Sicht auf und
seine Forderungen an Kunst und Kultur
dokumentieren. Bei dieser Suche ist die
kooperative Haltung der Akademie der
Künste eine große Hilfe. Bereits beim
ersten Besuch am 9. Mai haben sich Dr.
Renate Rätz und Elgine Helmstaedt, Mitarbeiterinnen des Archivs Darstellende
Kunst, sehr interessiert daran gezeigt, den
Nachlass Iherings zu publizieren.
Klar abgegrenzte
Forschungsschwerpunkte
Seit dem 1. August ist das Leipziger Forscherteam nun im Berliner Archiv. Aus
dem bislang Gefundenen haben sich für
eine Edition einige Briefwechsel und
Iherings Rundfunkbeiträge, Reden und
Vorträge als besonders interessant herauskristallisiert.
Darüber hinaus richtet sich der Blick auf
folgende Forschungsschwerpunkte:
Corinna Kirschstein will die Arbeit Herbert Iherings im historischen Kontext betrachten. Ihering wird in seiner Arbeit nicht
müde herauszustreichen, dass Theaterkritik nie nur die Auseinandersetzung mit der
einzelnen Inszenierung bedeuten kann,
sondern immer auch Reflexion über die
Funktion von Theater in Kultur und Gesellschaft sein muss. Daher ist Iherings Verhältnis zu verschiedenen Theaterformen,
die im 20. Jahrhundert erprobt werden, sowie zur Medienentwicklung seiner Zeit
(Stummfilm, Tonfilm, Rundfunk) zu untersuchen. Ebenso ist der Einfluss der unterschiedlichen staatlichen Systeme zu berücksichtigen. Man denke etwa an den Erlass Joseph Goebbels’, der 1936 an die
Stelle der Kunstkritik die Kunstbetrachtung setzt.
Sebastian Göschels Forschungsansatz widmet sich dem Versuch, Theaterkritik aus
einer speziellen Perspektive zu betrachten,
sie als Beschreibungen von Körper und
Bewegung gleichsam gegen den Strich zu
lesen, um so ein vergessenes Vokabular
wieder zu entdecken und ein Modell für
Körperdeskriptionen zu entwickeln. Dabei
soll über das Dilemma der (Un-)Möglichkeiten des Redens über das Unsagbare, da
nur im Vollzug implizit Greifbare, neu
nachgedacht werden.
Für die Theaterkritik als aktiven Teil
im Theaterprozess interessiert sich Fee
Isabelle Lingnau. Gemeinhin wird Theaterkritik ausschließlich als reflexives Moment betrachtet. Ihering aber hat seine
Kritiken durch Forderungen und Ideen zu
einem aktiven Part gemacht. Mit welchen
Mitteln er das genau gemacht hat, inwieweit das funktioniert hat und was es in der
Theaterlandschaft bewirkt hat – das will
Lingnau in den nächsten Monaten eingehender untersuchen.
Das Spektrum dieser drei Forschungsthemen zeigt schon, wie weit das Feld einer
wissenschaftlichen Auseinandersetzung
mit dem Werk Iherings sein kann. Am Ende
der zwei Projektjahre soll deshalb das geplante Symposium nicht nur als Forum für
eine erste Präsentation der beiden Publikationen dienen, sondern auch einen lebhaften Diskurs über Ihering anstoßen.
Ausgewählte Stationen des Schaffens von Herbert Ihering
* 29. 2. 1888 in Springe bei Hannover
1909 erste Theaterkritik in Siegfried
Jacobsohns Wochenzeitschrift Die Schaubühne (ab 1918 Die Weltbühne), bis 1933
Beiträge für diese Zeitschrift
1913 von August bis Dezember Theaterkritiker bei der Vossischen Zeitung, vor allem zuständig für die Berliner Bühnen der
„zweiten Garnitur“ – z. B. Lessingtheater,
Kleines Theater, Theater in der Königgrätzer Straße
1914 –1918 als Dramaturg an der Volksbühne in Wien, dort auch erfolgreiche Regiearbeiten
1919–1922 schreibt für Der Tag als Nachfolger seines Gegenspielers Alfred Kerr,
mit dem er sich öffentliche Auseinandersetzungen liefert
1922 Anstellung beim Berliner BörsenCourier, wo er bereits seit 1913 als freier
Mitarbeiter unregelmäßig Theaterbesprechungen veröffentlicht hatte. Von 1918 an
Heft 5/2007
publizierte er auch Filmkritiken in dem
Blatt
1945–54 Dramaturg
Theater in Ost-Berlin
ab 1928 regelmäßig Rundfunk-Beiträge
für verschiedene Sender
1950 ordentliches Mitglied der Deutschen
Akademie der Künste zu Berlin (Ost), leitet als ständiger Sekretär die Sektion Darstellende Künste
1934 zum BerlinerTageblatt als Nachfolger
Alfred Kerrs – dieser musste vor den Nationalsozialisten nach Frankreich fliehen
16. 6. 1936 Ausschluss Iherings aus der
Reichspressekammer trotz Interventionen
des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer Hanns Johst und Gustaf Gründgens, Intendant des Preußischen Staatstheaters; anschließend Besetzungschef bei
Tobis Filmgesellschaft
1942, nach dem „Anschluß“ Österreichs,
geht er als Dramaturg und künstlerischer
Beirat ans Burgtheater.
1945 Rückkehr nach Berlin; nach Kriegsende sogleich aktiv bei der Neuorganisation des Theaterlebens, gehört einer Kommission an, die eng mit sowjetischen Kulturoffizieren zusammenarbeitet
am
Deutschen
1955 erhält er Lessing-Preis der DDR
Ende 1962 Einstellung seiner Rubrik in
Sinn und Form; zudem übt er nicht länger
sein Amt bei der Akademie der Künste aus
1963 erhält er die Ehrendoktorwürde der
Humboldt-Universität zu Berlin
1969 den Heinrich-Mann-Preis [Ost]
1969 wird ihm der West-Berliner KunstPreis verliehen
1971 das Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film
† 15. 1. 1977 in Berlin-Zehlendorf
15
Forschung
Das antike Rom
und sein Bild
Das 360-Grad-Panorama von
Yadegar Asisi fasziniert
Betrachter und Wissenschaftler
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16
Das kolossale Panorama „Rom CCCXII“
von Yadegar Asisi zieht seit Monaten Besucher weit über die Landesgrenzen hinaus
an. Im Rückgriff auf eine Vorlage des späten 19. Jahrhunderts setzt das Panorama
das Bild Roms im Jahr 312 n. Chr. in eine
räumliche Erfahrung um. Verschiedenste
visuelle Effekte, insbesondere die lebendige, phantasievolle Ausgestaltung des
Stadtraums, zielen auf eine möglichst vollständige Immersion des Betrachters. Das
Idealbild der Stadt soll unterhalten und
zugleich zu einer Auseinandersetzung mit
dem antiken Stadtraum anregen.
In der Spätantike war die Antike unmittelbar gegenwärtig – die visuelle Konzeption
Roms stand noch ganz in der Tradition der
Kaiserzeit. Und dies bedeutete, dass abstrakten Vorstellungsbildern der Vorzug gegenüber einer Stadtansicht gegeben wurde.
Im Mittelalter, als der Bruch mit der Antike
in zahllosen Ruinen erfahrbar wurde, kam
es zunächst zu einer literarisch inspirierten
Imagination des antiken Rom. Erst am
Übergang zur Renaissance führte die Auseinandersetzung mit den baulichen Resten
der Antike zu einer genaueren Kenntnis des
antiken Stadtraums. Ruinen wurden zum
Ausgangspunkt einer Arbeit am historischen Rom-Bild. Im
Rahmen dieses neuen,
antiquarischen Interesses entstanden die ersten zeichnerischen Rekonstruktionen des antiken Rom. Die populäre Gegenseite stellen
die ephemeren Bühnenbilder der Opera seria
im 17. und 18. Jahrhundert dar. Sie zeigen ein
eklektisches Rom-Bild,
in dem Referenzen auf
konkrete Monumente
und illusionäre Schauarchitekturen zusammengehen. Eine neue
Qualität haben die antiquarischen Bemühungen im späteren 18. und
19. Jahrhundert erreicht, als Ausgrabungen die Kenntnis des
antiken Stadtraums erheblich erweitert haben.
Diese
(vor)wissenschaftliche
GrabungsBesucher des Panometers Leipzig blicken wie gebannt auf
das römische Kapitol anno 312 n. Chr. Foto: Asisi Factory tätigkeit ging mit neuarjournal
Forschung
tigen Modi der Visualisierung einher: Auf
der einen Seite kommt es nun auf eine korrekte Dokumentation des Baubefundes an,
auf der anderen Seite auf eine plausible Rekonstruktion des Vorhandenen. Diese komplementären Aspekte lassen sich bis heute
greifen. Wissenschaftliche Grabungsdokumentationen zielen auf eine möglichst
exakte Erfassung des Befundes in Phasenplänen und CAD-Modellen. Publikumswirksame 3-D-Animationen und Filmkulissen wollen indes genau so wie das
Leipziger Panorama eine möglichst lebendige Wiedergabe des rekonstruierten antiken Stadtraums erreichen. Stadtbilder erweisen sich gerade aus dieser historischen
Perspektive als Ergebnis spezifischer Aus-
sageabsichten und Kommunikationserwartungen.
Dr. Annette Haug
www.uni-leipzig.de/~antik/
www.asisi-factory.de
„Das antike Rom und sein Bild“ war
auch der Titel eines internationalen und
interdisziplinären Kolloquiums Anfang
Juli in Leipzig. Die Referenten haben in
ihren Beiträgen dieses Phänomen der interessenbezogenen, kontextabhängigen
Konzeption des antiken Rombildes von
der Spätantike bis in die Gegenwart
nachgezeichnet.
Schulterschluss
mit
Dresden
Prof. Robitzki
im Gespräch
Das
Biotechnolgisch-Biomedizinische
Zentrum (BBZ) der Universität Leipzig
und das Biotechnologiezentrum Dresden
wollen künftig stärker zusammenarbeiten.
„Die Dresdner und wir ergänzen uns in
vielen Bereichen. Wichtig ist, dass Sachsen
als Ganzes international sichtbar wird“,
sagt BBZ-Sprecherin Prof. Dr. Andrea
Robitzki. Erstmals proben beide Institutionen den Schulterschluss beim ersten Sächsischen Biotechnologietag am 28. November in der Landeshauptstadt.
Der Palatin in
Rom: Plan und
CAD-Modell
der flavischen
Bauphase, erstellt von der
BTU Cottbus.
Abbildung:
U. Wulf-Rheidt,
A. Riedel
Heft 5/2007
Frau Professor Robitzki, fünf Jahre lang
fand hier der Biotechnologietag Leipzig
statt. Nun ist Dresden Veranstaltungsort
für den Sächsischen Biotechnologietag.
Ein Abstrich für den Standort Leipzig?
Prof. Andrea Robitzki: Keineswegs. Die
Biotechnologietage Leipzig gehen ja auf
unsere Initiative zurück. Wir haben in fünf
erfolgreichen Biotechnologietagen mit zuletzt 350 Ausstellern und der Beteiligung
aus Sachsen-Anhalt und Thüringen wie
auch der Industrie gezeigt, was wir können.
Gemeinsam mit den Dresdner Kollegen
arbeiten wir nun an einer BiotechnologieOffensive und wollen künftig einmal pro
Jahr einen gemeinsamen Tag mit Fachvorträgen, Posterpräsentationen und Diskussionen gestalten. Der Auftakt findet auch
deshalb in Dresden statt, damit wir zum
600. Uni-Jubiläum im Mai 2009 die Folgeveranstaltung in Leipzig ausrichten. Ich
halte nichts vom Denken und Arbeiten in
regional isolierten Räumen.
Welche Themen stehen auf dem Programm?
Der erste große Schwerpunkt behandelt
neue biophysikalische und biotechnologische Technolgieentwicklungen, der zweite
fokussiert auf Fortschritte in der Gewebs17
Forschung
erzeugung. Zu beiden werden neben
Referenten der Universität Leipzig auch
Wissenschaftler aus dem In- und Ausland
erwartet.
Inwieweit können sich Leipzig und Dresden ergänzen?
Unser Hauptarbeitsfeld sind die Wirkstoffentwicklung und deren Tests, die klinische
Erprobung, die Entdeckung und Klärung
von Krankheitsbildung und die Therapiekontrolle, aber auch die Entwicklung neuer
Testverfahren auf Funktionalität und Zertifizität – das ist entscheidend für die Partner aus der Industrie. In Dresden hat man
sich in den vergangenen Jahren auf die
breite Grundlagenforschung Richtung Anwendung konzentriert. Die Stammzellenbiologie bestimmte die Themen. Jetzt
haben wir überlegt, wie beides zusammenpasst und welche gemeinsamen großen
Forschungsprojekte wir angehen, wo
Schnittstellen genutzt werden können.
Denn auch die Politik auf Landes- und
Bundesebene müssen wir überzeugen, dass
Biotechnologie in Sachsen gefördert werden muss.
Die erste Förderphase des BBZ lief von
2001 bis 2005. Wie geht es weiter?
Wir haben die Forschung in dieser kurzen
Zeit – viele Professoren wurden erst 2002
oder 2003 berufen – etabliert, die Labore
in Betrieb genommen und die Technologieplattformen geschaffen. Es wurde sehr viel
Gutes geleistet mit einer Wertschöpfungskette von der Forschungsidee bis zur Produktumsetzung; erste
Patente sind angemeldet. Das hat uns auch
Mut gemacht, eine
zweite Förderung zu
beantragen. Ich bin
guter Dinge, dass wir
diesen Herbst eine
Zielvereinbarung unterschreiben, die den Weg freimacht für die
beantragten Gelder: Zehn Millionen Euro
bis 2013 aus dem EFRE-Fonds.
„
„Biotechnologie und Biomedizin ist ein Leuchtturm in Sachsen“, sagt BBZ-Sprecherin
Prof. Dr. Andrea Robitzki.
Foto: Tobias D. Höhn
exzellent aufzustellen und mit Fakultäten
und Instituten zusammenzuarbeiten. Die
Zukunft kann ich aber nur mitgestalten,
wenn das nötige Geld dafür vorhanden ist.
Auch auf dem dritten Weltkongress für
Regenerative Medizin (18.–20. Oktober)
zeigen Sie dieses Jahr Präsenz.Wo liegen
die Schnittstellen zu Ihrer Arbeit am
BBZ?
Ich sehe die Chance,
Medizintechnik, Life
Science, Ingenieurwissenschaften und Nanotechnik zu neuen Aspekten zu verknüpfen.
Auch Erkrankungen
wie Alzheimer beschäftigen uns, wenn
es um Neuroprothesen zur Reparatur von
Nervenschäden geht. Natürlich wird hier
auch die politische und ethische Dimension der Stammzellen-Debatte angeschnitten. Wir brauchen starke Partner, um Forschungsideen nach vorne zu bringen. Als
Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik
(DGBMT) bringe ich mich dafür ein.
Interview: Tobias D. Höhn
Wir brauchen
starke Partner
Was wollen Sie mit dem Geld realisieren
und welche Projekte haben Sie noch in
petto?
Zunächst wollen wir die Technologieplattformen ausbauen, denn der Durchlauf ist
sehr hoch. Was heute brandneu ist, kann in
einem Jahr veraltet sein. Hier muss ständig
ein neues Upgrade her, um attraktiv zu
bleiben. Aber auch weiteren Nachwuchsgruppen wollen wir die Chance geben, sich
18
“
www.bbz.uni-leipzig.de
www.regmed.de
www.dgbmt.de
Kostenlos zum Weltkongress
Beim 3. Weltkongress für Regenerative
Medizin vom 17. bis 20. Oktober in
Leipzig ist das Translationszentrum für
Regenerative Medizin (TRM) der Universität Leipzig mit einem wissenschaftlichen Meeting zum Thema Weltraummedizin trifft Regenerative Medizin vertreten. Behandelt werden Themen aus
dem Grenzbereich von Weltraum- und
regenerativer Medizin sowie Aspekte der
regenerativen Medizin, die in der Weltraummedizin eine Rolle spielen und umgekehrt.
Näheres im Internet unter
www.regmed.org/index.php.
Nachwuchswissenschaftler aus dem
Bereich der Regenerativen Medizin
können kostenlos an dem wissenschaftlichen Meeting teilnehmen.
Interessenten melden sich beim
TRM-Leipzig
Philipp-Rosenthal-Straße 55
04103 Leipzig;
Telephone: 03 41 -97 39 600
Telefax: 03 41 -97 39 609
E-Mail: [email protected]
journal
Forschung
Kann man „Kultur“ lernen?
Interkulturelle Kompetenz im Unterricht Deutsch
als Fremdsprache
Von Prof. Dr. Claus Altmayer und Ulrike Woitsch, Herder Institut
Dass das Erlernen einer fremden Sprache
sich nicht allein auf die Beherrschung der
Grammatik und des Wortschatzes beschränken, sondern die mit jeder Sprache
aufs Engste verbundenen kulturellen Aspekte mit einbeziehen muss, gilt heute als
selbstverständlich. Der Fremdsprachenunterricht, so heißt es, soll die Lernenden
nicht nur dazu befähigen, korrekte Sätze in
der fremden Sprache zu äußern oder sich
in den verschiedenen sprachlichen Alltagssituationen zurecht zu finden, sondern
auch die „fremde Kultur“ zu verstehen und
„interkulturell“ handlungsfähig zu sein.
Mit den so zugespitzten und geänderten
Aufgaben und Herausforderungen des
Fremdsprachenunterrichts, die gerade in
einer Zeit der ja auch kulturellen Globalisierung immer wichtiger werden, gehen
aber auch neue Aufgaben und Herausforderungen für die Wissenschaften einher,
die sich mit dem Lernen und Lehren von
Fremdsprachen beschäftigen, Herausforderungen, der unsere Universität sich unter
anderem mit der Einrichtung einer eigenen
Professur für Kulturstudien und ihre Didaktik am Herder-Institut im Jahr 2005
offensiv gestellt hat. Dass es sich dabei um
die seinerzeit erste Professur mit dieser
Denomination im gesamten deutschsprachigen Raum gehandelt hat, sei zumindest
am Rande erwähnt.
Kultur ist kein homogenes
Gebilde auf nationaler Ebene
Trotz der Aktualität und Allgegenwart von
„Kultur“ und „interkultureller Kommunikation“ wissen wir immer noch erstaunlich
wenig darüber, wie genau kulturbezogene
Lernprozesse im fremdsprachlichen Kontext ablaufen, welche Faktoren sie günstig,
welche weniger günstig beeinflussen usw.
Hier in der nächsten Zeit zu neuen und
tragfähigen Erkenntnissen zu kommen, haben sich die Mitarbeiter des WissenschaftsHeft 5/2007
bereichs Kulturstudien am Herder-Institut
vorgenommen.
Im Mittelpunkt verschiedener Dissertationen und eines geplanten größeren Drittmittelprojekts steht daher die empirische Erforschung kulturbezogener Lernprozesse
bei Lernern des Deutschen als Fremd- oder
Zweitsprache. Dabei gehen wir davon aus,
dass es sich bei ‚Kultur‘ keineswegs um ein
homogenes und in sich abgeschlossenes
Gebilde auf nationaler Ebene handelt, sondern um einen höchst heterogenen, in sich
vielfältig differenzierten und offenen Fundus an Deutungsmustern, aus dem wir uns
individuell zur diskursiven Herstellung von
„Wirklichkeit“ und zur praktischen Orientierung in dieser Wirklichkeit bedienen.
Von ‚kulturellem Lernen‘ sprechen wir
dann, wenn Fremdsprachenlerner ihre
Muster der Welt- und Wirklichkeitsdeutung verändern, weiter entwickeln oder in
anderer Weise transformieren. Wie aber
geschieht dies?
Wie lassen sich die Konstrukte, die Lerner
von der „fremden Kultur“ aufgebaut haben, beeinflussen? Welche didaktischen
Maßnahmen sind unter den spezifischen
Lernbedingungen, wie sie beispielsweise
in Kolumbien, Indien oder Russland oder
auch im deutschsprachigen Raum bestehen, im Hinblick auf kulturelles Lernern
erfolgreich, welche weniger? Und welche
Zusammenhänge bestehen zwischen kulturellem und sprachlichem Lernen? Das sind
einige der Fragen, denen die erwähnten
Forschungsprojekte nachgehen, die sich
alle derzeit noch in einem recht frühen Stadium befinden. Gleichwohl zeichnet sich
als erstes Ergebnis die Erkenntnis ab, dass
kulturelles Lernen bei weitem komplexer
ist, als es sich die herkömmliche „Landeskunde“ mit ihrer einfachen Vermittlung
von Wissen über „Land und Leute“ immer
vorgestellt hat.
Dass die Erforschung kultureller Lernprozesse im Fremdsprachenunterricht kein
Selbstzweck, sondern in hohem Maß pra-
xisbezogen ist, zeigt nicht zuletzt ein Projekt, bei dem das Herder-Institut eng mit
der American Association of Teachers of
German (AATG), dem amerikanischen
Deutschlehrerverband, zusammen arbeitet
und das sich – in enger Verzahnung von
Wissenschaft und Praxis – die Fort- und
Weiterbildung amerikanischer Deutschlehrer im Hinblick auf ‚interkulturelle Kompetenz‘ zum Ziel gesetzt hat.
Transatlantische Kooperation
ist kein Selbstzweck
Im Rahmen dieses Projekts hat vom 6. bis
9. Juni ein internationales Expertenseminar zum Thema „Entwicklung von interkultureller Kompetenz im Kontext Deutsch
als Fremdsprache: Lernziele, didaktische
Ansätze und Evaluierung“ an der Universität Leipzig stattgefunden, bei dem Experten des Faches Deutsch als Fremdsprache
aus Europa und den USA grundlegende
Konzepte für die Entwicklung interkultureller Kompetenz im Kontext des Fremdsprachenlernens diskutierten und nach
praktischen Lösungen für die Implementierung solcher Konzepte in die Lehrerfortbildung suchten.
Das Seminar wurde vom TransatlantikProgramm des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie mit 20.000
Euro gefördert und wird im Sommer 2008
in einen zweiwöchigen Fortbildungskurs
für amerikanische Deutschlehrer münden,
der von interDaF e.V. in Zusammenarbeit
mit dem AATG und dem Herder-Institut
organisiert und durchgeführt wird. Gastgeber des Seminars waren der Dekan der
Philologischen Fakultät der Universität
Leipzig, Prof. Erwin Tschirner, Prof. Claus
Altmayer, Herder-Institut Leipzig, und
Prof. Renate Schulz, University of Arizona, past president der AATG.
19
Forschung | Fakultäten und Institute
Alzheimerzellen ähneln im Verhalten Tumoren
Wird Gentherapie gegen
Alzheimer möglich?
Forschungserfolg macht Hoffnung
Von der Alzheimerkrankheit befallene
Nervenzellen weisen eine ähnliche Störung wie Tumorzellen auf. Forscher des
Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung
der Universität Leipzig fanden heraus, dass
erwachsene Nervenzellen unter bestimmten Bedingungen ihr genetisches Erbmaterial verdoppeln können, obwohl sich diese
Zellen eigentlich nicht teilen.
Über die Erkenntnisse der Wissenschaftler
berichtete jetztdas renommierte Journal of
Neuroscience. Während Tumorzellen sich
auf Grund der Störung ungebremst vermehren und dadurch eine Krebserkrankung auslösen, führt die Verdoppelung der
DNA in einer Nervenzelle langfristig zu
deren Tod.
„Die molekularen Grundlagen von Alzheimer und Tumorerkrankungen sind also
offensichtlich gleich“, erläutert Prof. Dr.
Thomas Arendt, der die Studie gemeinsam
mit Dr. Birgit Mosch, Dr. Markus Morawski, Anja Mittag, Dominik Lenz und
Dr. Attila Tarnok verfasste. Was sich für
den Laien relativ unspektakulär anhört,
könnte einen Durchbruch bei der Behandlung degenerativer Hirnerkrankungen bringen: So wie Tumore mit gentherapeutischen Maßnahmen behandelt werden können, könnte es auch eine Gentherapie gegen Alzheimer geben. Damit wäre es unter
Umständen möglich, den Prozess des Absterbens von Hirnzellen zu hemmen.
Bei ihren Untersuchungen stellten die
Leipziger Wissenschaftler fest, dass bei
Alzheimer-Patienten rund 20 Prozent der
Nervenzellen die beschriebene Veränderung aufweisen. Doch auch im gesunden
Gehirn wurden Zellen mit doppelter DNA
entdeckt, allerdings betrug ihr Anteil lediglich ein Prozent der Gesamtzahl der Zellen.
Diese seien jedoch ruhig und inaktiv, so
Arendt. Wann und wodurch die steigende
Zahl von Zellveränderungen eintritt, ist
noch nicht bekannt. „Es ist aber sicher kein
Ereignis, das plötzlich auftritt“, sagt der
Mediziner. Vielmehr habe man es mit einem langsamen Verlauf zu tun, was auch
daran deutlich wird, dass Alzheimer erst im
Alter auftritt.
Wenn es jedoch gelingt, eine solche Veränderung frühzeitig festzustellen, wäre ver20
mutlich auch eine Voraussage möglich, wie
hoch das Risiko des Patienten ist, an Alzheimer zu erkranken. Voraussetzung dafür
ist eine gesicherte Diagnose der Zellteilungsstörung. Doch auch da sind die Forscher bereits auf der Suche nach Lösungen:
„Wenn sich die Störung zum Beispiel in
anderen Geweben oder im Blut nachweisen
ließe, könnte man mit einer Therapie frühzeitig beginnen”, so Arendt. Allerdings
bedarf es noch einiger Anstrengungen
herauszufinden, wie eine solche Therapie
aussehen könnte: Hindert man nämlich die
Nervenzellen an der Teilung, könnten auch
andere Zellen in ihrem natürlichen Teilungsprozess gehemmt werden, was dann
allerdings unerwünscht wäre.
Jörg Aberger
CISH (Cromogene in situ Hybridisierung)-Markierungen mit einer Sonde
gegen das Chromosom 17 in Neuronen
des Entorhinalen Kortex, in einem in
fortgeschrittenem Stadium der Alzheimerschen Erkrankung. Ein Großteil der
Neuronen zeigte einen regulären,
diploiden Chromosomensatz (linkes
Bild, Pfeile). Aufgrund einer inkompletten Zellteilung mit Verdopplung der
DNA enthalten jedoch zahlreiche Neuronen einen vierfachen Chromosomensatz
(rechtes Bild, Pfeile). Skalierung: 10 µm.
Trotz Musik
im Internet
MDR-Chefredakteur
Jugendliche surfen im Internet, klicken
sich durch Online-Videoplattformen und
tippen eine SMS nach der anderen. Der
Fernseher, viele Jahre Top-Medium der Jugendlichen, bekommt zunehmend Konkurrenz. Welche Rolle TV-Nachrichten in der
digitalen Welt noch spielen, wollten Studenten der Kommunikations- und Medienwissenschaften in einem Seminar unter
Leitung von MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich wissen. Uni-Journal-Redakteur Tobias D. Höhn fragte nach.
Herr Kenntemich, der Abgesang auf das
Medium Fernsehen in der Generation
der Heranwachsenden wird immer lauter. Hat das Internet als Informationsund Unterhaltungsmedium dem Fernsehen den Rang abgelaufen?
In einer nicht repräsentativen Untersuchung haben wir 224 Achtklässler mehrerer Gymnasien im Raum Leipzig befragt.
Herausgekommen ist ein Stimmungsbild,
das auch junge Leute zum Nachdenken anregen sollte. Das Ergebnis ist für mich als
Fernsehmacher ernüchternd, aber eine
Herausforderung, denn die Zeiten der täglichen TV- und Internetnutzung sind fast
gleich. 33 Prozent der im Durchschnitt 14Jährigen gaben an, zwischen einer und drei
Stunden fern zu sehen – immerhin 23 Prozent bringen es auf das gleiche Maß an Internetnutzung. Das World Wide Web ist zur
Selbstverständlichkeit geworden, wenn 40
Prozent sagen, schon im Alter zwischen
zehn und zwölf Jahren mit dem Surfen begonnen zu haben.
Wonach suchen die Teenager im Netz –
Unterhaltung, Fiktion, News to use oder
harte Nachrichten?
Pauschalaussagen lassen sich nicht treffen.
Interessant ist aber, dass ein Großteil auch
im Internet Qualitätsnachrichten konsumieren will und diese nach den Kriterien
auswählt, die wir aus den etablierten Medien kennen. Wer Nachrichtenfilme im
Netz schaut, sucht überraschend stark auch
Themen wie Außenpolitik (37 Prozent), Injournal
Fakultäten und Institute
und Comedy sind Jugendliche
für Nachrichten nicht verloren
Wolfgang Kenntemich über die Generation Online
mich eher überrascht. Für Jugendliche um
die 14 Jahre ist es enorm wichtig, bei ihrer
Musik auf dem Laufenden zu sein. Daher
auch der große Zuspruch bei den Musikund Privatsendern mit ihren weichen Nachrichten-Themen. Da können und wollen
die Öffentlich-rechtlichen nicht mithalten
und so werden wir von den Jugendlichen
auch nicht so sehr als Nachrichtensender
wahrgenommen. Das gilt aber nicht für unsere starken Marken. Die Tagesschau wird,
wie von Ihnen ja schon erwähnt, von fast
50 Prozent der Befragten eingeschaltet,
wenn es um harte Informationen geht.
Foto: MDR/Axel Berger
nenpolitik (31 Prozent), Wirtschaft (26
Prozent) und Wissenschaft (46 Prozent).
Damit schlägt Wissenschaft sogar das
Thema Mode, für das sich 39 Prozent interessieren.
Das Image der Öffentlich-Rechtlichen
Fernsehsender gilt zuweilen als bieder –
stattdessen liegen die Privaten in der
Gunst der jungen Generation vorne.
Wirkt sich dies auch im Internet aus?
Die befragten Jugendlichen sind stärker
vertraut mit den Marken einzelner Sendungen als mit der herkömmlichen Einteilung
der Fernsehlandschaft in unterschiedliche
Sender und Senderfamilien. Ein Hinweis
darauf, dass sich in der digitalen Welt neue
Wahrnehmungsregeln entwickeln.
Wenn 45 Prozent der Gymnasiasten angeben, sich über die ARD-Nachrichtenflaggschiffe Tagesschau und Tagesthemen zu informieren, aber MDR aktuell
nur auf neun Prozent kommt, dürfte das
für Sie kein Grund zu Freude sein.
Immerhin wird MDR aktuell überhaupt als
Quelle bewusst wahrgenommen. Das hat
Heft 5/2007
Was lernen Sie daraus?
Starke Marken wie die Tagesschau werden
in der digitalen Welt mit ihrer Vielzahl an
Ausspielwegen die neuen Schlüssel zum
Markterfolg sein, auch bei den Jungen.
Jugendliche sind trotz ihres starken Interesses an Musik und Comedy für die Qualitäts-Nachrichtenangebote nicht verloren.
Es gibt eine solide Basis, die sich für klassische Nachrichtenthemen interessiert und
mit zunehmendem Alter vermutlich in die
Öffentlich-Rechtlichen Nachrichtenangebote hineinwachsen wird. Allerdings nehmen die Jugendlichen bei den ÖffentlichRechtlichen Anbietern nur die starken
Nachrichtenmarken wahr. Das Handy hingegen spielt als potenzieller Lieferant harter Nachrichten noch keine Rolle. Allerdings konnte hier wegen der derzeit noch
fehlenden Angebote im Sendegebiet nur
hypothetisch gefragt werden.
Noch. Denn für 2008 hat der MDR ein
Pilotprojekt angekündigt.
Richtig. Im Januar startet der einjährige
Testbetrieb im Digital Multimedia Broadcasting (DMB). Ausgestrahlt werden drei
aus den TV- und Hörfunkmarken des MDR
entwickelte Bewegtbild-Angebote und linear die Hörfunkprogramme MDR Info
und MDR 1 Radio Sachsen. Die Fernsehangebote beinhalten einen nachrichtenorientierten Kanal von Fernseh- und Hörfunkdirektion sowie den Landesfunkhäu-
sern, ein Angebot von MDR Sputnik sowie
ein Angebot des Kinderkanals Ki.Ka.
Zurück zur Uni: Sie geben seit mehreren
Jahren regelmäßig praxisorientierte Seminare am Institut für Journalistik, der
MDR bildet mehrere Uni-Volontäre aus.
Inwieweit profitiert die Dreiländeranstalt von dieser Kooperation?
Auch die Uni profitiert, das dürfen Sie
nicht vergessen: Sie partizipiert von der
hochmodernen TV-Technik und dem sehr
starken personellen Input des MDR. Und
wir bekommen die ein oder andere frische
Idee von den Studenten. Es ist ein sinnvolles Geben und Nehmen. Im zurückliegenden Seminar war ich überrascht über die
Begeisterung der Teilnehmer. Die digitale
Welt spielt eine zunehmende Rolle – auch
in unserer Ausbildung. Das Seminar hat
mir gezeigt, dass man in einer Laborsituation gut testen kann, welche Formate die
künftige Nachrichtenwelt bestimmen
könnten und wie sich journalistische Profile ausrichten.
Handwerklich bedeutet dies?
Dass wir die Qualität verbessern müssen!
Denn die vielen Fragen, die mit der Digitalisierung verbunden sind, treiben uns an:
Zum Beispiel, ob Gatekeeper wichtiger
werden, welche Rolle die Selektion im Vergleich zu bisherigen Arbeitsabläufen spielt
und wie wir mit user generated content
umgehen. Die Briten sagen uns, dass bis zu
einem Drittel des News-Materials durch
Nutzer bereitgestellt wird. Ein sehr hoher
Prozentsatz, meine ich, aber eine Größenordnung, die bald auch bei uns denkbar ist.
Dies stellt neue Anforderungen an die
(Überprüfungs-)Recherche und macht eine
noch professionellere Bewertung von
Quellen unerlässlich. Ganz besondere Bedeutung kommt den klassischen Relevanzkriterien zu. Sie sehen, die Digitale Welt
kommt mit vielen Herausforderungen,
aber mit noch mehr Chancen daher.
Vielen Dank für das Gespräch.
21
Fakultäten und Institute
Wenn man zu früh aussteigt …
Auswirkungen von Erwerbslosigkeit auf die
Lebensqualität im Alter
„Jeder kennt jemanden, der betroffen ist“,
sagt Dr. Ines Winkler und meint ältere
Menschen, die erwerbslos sind. Es klingt
ein wenig, als spräche die Erwachsenenpädagogin über Opfer eines Unglücks. Abwegig ist das nicht.
Senioren, die unmittelbar vor dem Übergang in den Ruhestand erwerbslos waren,
berichteten über deutlich mehr Ängste und
Sorgen bezüglich Tod und Sterben als
Nicht-Betroffene. Das ist nur ein Ergebnis
ihrer Doktorarbeit, an deren Beginn Ines
Winkler die Frage stellte: Wie wirken sich
erwerbsbiografische Brüche auf die subjektive Lebensqualität im Alter aus?
Erfahrungen aus verschiedenen Perspektiven sind in die Arbeit eingeflossen, denn
bis März arbeitete Winkler auf zwei halben
Stellen der Forschungsabteilung Public
Health an der Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und am Zentrum für Prävention
und Rehabilitation. Dort hatte sie ein
Messinstrument mitentwickelt, einen Fragebogen, der es erlaubt auch über verschiedene Kulturen hinweg Lebensqualität im
Alter zu erfassen. 2002 beantworteten 464
ältere Leipziger diese Fragen zu ihrem Arbeitsleben, zu materiellen Dingen wie die
Qualität der Wohnung und finanzieller
Lage, sowie zu Aspekten der körperlichen
und seelischen Befindlichkeit.
Ines Winklers Auswertung der Fragebögen
belegt: Erwerbslosigkeit wirkt sich nachhaltig negativ auf die subjektive Lebensqualität älterer Menschen aus. Festgemacht
wird das zum Beispiel an der eingeschränkten finanziellen Situation, den Betroffenen fehlt die Anerkennung für das in
der Vergangenheit Erreichte, sie zeigen
eine geringere Zufriedenheit mit dem Altern, haben verstärkt Ängste und Befürchtungen vor Tod und Sterben, sehen sich in
ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt.
Winkler stammt aus Frauenhain, einem
kleinen Dorf im Norden von Sachsen. Vor
der Wende beherrschten Textil- und Stahlindustrie die Region. Sie erlebte mit, wie
die Generation ihrer Eltern aus der Gewissheit fester Arbeitsverhältnisse in die Ungewissheit der Erwerbslosigkeit fielen.
22
Foto: Pixelio.de
„Es riecht schon ein bisschen nach Friedhof,“ sagte ein Interviewpartner, als er sich
an den Tag seiner Entlassung erinnerte. 44
Jahre hatte der Leipziger in ein und dem
selben Unternehmen gearbeitet und war
zwei Jahre lang erwerbslos, bevor er in den
Ruhestand ging. Auf „dumme Gedanken“
sei er in dieser Zeit gekommen, es sei einfach zu früh gewesen.
Mit Zitaten wie diesen belegt Winkler in
ihrer Arbeit die Ergebnisse der Fragebogen-Auswertung. Sie konnte einige Leipziger Ruheständler dafür gewinnen, über ihre
Erwerbslosigkeit und den Übergang in den
Ruhestand zu erzählen. „Ich wollte die Geschichten hinter den Zahlen kennenlernen,“ sagt Winkler. Dass Menschen, die
kurz vor der Rente erwerbslos waren, im
Ruhestand weniger zufrieden sind, konnte
sie statistisch belegen. Doch erst in den Interviews erfuhr sie, wen es besonders hart
traf, wie diese Brüche bewältigt wurden.
„Es ist passiert, dass sich nach dem Interview die Ehefrau dazu setzte und erzählte,
wie sie die Erwerbslosigkeit ihres Mannes
erlebt hat.
Und er erstaunt war über ihre Wahrnehmung. Da habe ich gemerkt, dass sie noch
nie darüber gesprochen hatten, dass diese
Zeit nicht bewältigt war,“ erzählt die 32Jährige.
Prof. Dr. Jörg Knoll, Leiter des Institutsfür
Erwachsenen-, Sozial- und Wirtschaftspädagogik, vergab für die Arbeit gemeinsam
mit den anderen Prüfern ein Summa Cum
Laude. „Mit den Interviews wird zugleich
ein Stück Geschichte der Wende lebendig“,
hebt Knoll hervor.
Auch wenn viele Ergebnisse der ArbeitAlltagserfahrungen bestätigen, so gibt es doch
einige, die desillusionieren könnten. Je
besser man gebildet ist, desto schlechter
bewältigt man die Erwerbslosigkeit. Und:
ABM und Ehrenamt sind kein adäquater
Ersatz für Erwerbstätigkeit.
Wie lässt sich gegensteuern? „Nachberuflichen Tätigkeiten sollte eine stärkere
Bedeutung zukommen“, sagt Ines Winkler
in ihrer Verteidigung. Selbst im Gespräch
kommt ihr das Wort „arbeitslos“, nicht über
die Lippen. Sie verweist auf die demographische Entwicklung: wer seine Enkel betreut, sich auch im Alter weiterbildet oder
Angehörige pflegt, dem gebührt Anerkennung.
„Die Übergänge von Erwerbsleben zu ehrenamtlicher Tätigkeit müssen fließender
gestaltet werden, sie brauchen viel mehr
Aufmerksamkeit und Unterstützung,“
meint auch Prof. Jörg Knoll. Alte in den
Ruhestand regelrecht abzuschieben, wie es
in den 1990er Jahren gängig war, könne
sich die Gesellschaft nicht mehr leisten, ist
sich Ines Winkler sicher. Ine Dippmann
journal
UniCentral
Dolmetschen fürs Europas
Entscheider
Beste Diplomanden erleben drei Tage hautnah
Arbeit des EU-Parlaments
Von Anne-Kathrin Ende, Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie
Seit mehr als 50 Jahren werden an der Universität Leipzig Dolmetscher und Übersetzer ausgebildet, die nach Abschluss ihres
Studiums als Spezialisten für interkulturelle Kommunikation in unterschiedlichsten Bereichen und Ländern tätig sind. Bei
der Vermittlung wissenschaftlich fundierter berufsspezifischer Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten während des Studiums spielt ein früher und vielfältiger
Kontakt zur künftigen Arbeitswelt eine
große Rolle.
Dank des Engagements von Mitarbeitern
und Absolventen des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie
(IALT) werden daher zur Vertiefung des in
den theoretischen und praktischen Lehrveranstaltungen vermittelten Wissens zusätzlich Vorträge, Seminare und Exkursionen angeboten, bei denen die Studenten die
Möglichkeit haben, künftige Arbeitgeber
und Kollegen kennen zu lernen und sich
vor Ort mit dem Arbeitsalltag, den Berufsfeldern, den Anforderungen und Arbeitsbedingungen vertraut zu machen. Diesem
Ziel dienen eine Veranstaltungsreihe mit
dem Titel „Willkommen in der Wirklichkeit“ und in Zusammenarbeit mit dem
Europahaus gestaltete Veranstaltungen
ebenso wie Betriebsbesichtigungen, Besuche von Dolmetschern der Europäischen
Kommission am IALT und Exkursionen zu
den Institutionen der Europäischen Union,
die zu den größten und wichtigsten Arbeitgebern für Übersetzer und Dolmetscher
gehören.
Insgesamt 23 Amts- und Arbeitssprachen
gibt es in der EU. Rund 350 fest angestellte
Dolmetscher arbeiten derzeit für das Europäische Parlament, zirka 65 festangestellte
Dolmetscher sind beim Europäischen Gerichtshof und etwa 500 bei der Generaldirektion Dolmetschen der Europäischen
Kommission beschäftigt. Hinzu kommen
rund 2700 freiberufliche Dolmetscher.
Heft 5/2007
Zwölf der besten Diplomanden des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) hatten in diesem Jahr erstmals die Möglichkeit, im Rahmen eines
von der Generaldirektion Dolmetschen angebotenen dreitägigen Besuchsprogramms
die Arbeit bei Kommission und Parlament
hautnah zu erleben. Jeweils an den Vormittagen hielten Konferenzdolmetscher der
verschiedenen Referate Vorträge, in denen
die Studenten Einblick in die vielfältigen
potenziellen Dolmetschthemen und -anforderungen, in das Aufnahmeverfahren, aber
auch in neue Konferenztechnologie erhielten und Fragen stellen konnten. Anschließend gab es Rundgänge durch das
Kommissions- und das Parlaments-
gebäude. Ab dem zweiten Tag war dann
jeweils Dolmetschen im Parlament und in
der Kommission vorgesehen. Hier arbeiteten die Studenten zu dritt oder zu viert in
stummen Kabinen, erlebten so, was es
heißt, mit hohem Stress, nicht-muttersprachlichen Rednern und einer hohen
Sprechgeschwindigkeit umzugehen und
dass Teamfähigkeit und Bereitschaft zu
lebenslangem Lernen unverzichtbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufsausübung sind. In unmittelbarem Kontakt mit den aktuellen politischen Ereignissen und Entscheidungen hatten sie so die
Möglichkeit, ihr theoretisches Wissen in
der Praxis zu erproben und von erfahrenen
Konferenzdolmetschern zu lernen.
Hautnah erlebten zwölf Diplomanden die Arbeit des EU-Parlaments und der Übersetzer.
Foto: IALT
23
UniCentral
Pilgerfahrt nach Brüssel
Studenten dolmetschen im Standesolymp der EU
Von Franziska Wehke und Franziska Pieloth, Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie
Was für Beatles-Fans Liverpool, das ist für
Dolmetscher Brüssel – Mekka der Sprachmittler und wahrscheinlich europäischste
aller Städte. Ein Dutzend Leipziger Dolmetsch-Studierende bekam im Juni die
Chance, die Pilgerfahrt dorthin anzutreten.
Auch wenn die Reise lang und beschwerlich war, erkundeten wir das Heiligtum
noch gleich am ersten Abend. Dank der
fachmännischen Führung unserer Kommilitonin Christiane fanden wir die imposante
Grande Place, das erschreckend unscheinbare Männeken Piss und die bierreichste
Kneipe der Stadt ohne größere Umwege.
eine Informationsveranstaltung durften wir
am darauf folgenden Morgen selbst die
Dolmetscherkabinen beziehen. Nachdem
die obligatorischen Erinnerungsfotos gemacht waren, dolmetschten die meisten
von uns eifrig in den komfortablen Glasboxen vor sich hin. Die Sprachenvielfalt
war fast schon babylonisch und der Ehrgeiz groß, das in der Uni Gelernte in einer Quasi-Praxissituation auszuprobieren.
Quasi, denn niemand konnte uns in den so
genannten stummen Kabinen hören.
Zu unser aller Überraschung fiel dann inmitten einer emotionsgeladenen italienischen Rede der Name unseres Außenministers und wir erkannten, dass er einer der
weit entfernt sitzenden ehrwürdigen Männer auf dem Podium war. Natürlich würden
wir später damit angeben, „den Stein-
meier“ gedolmetscht zu haben. Am Nachmittag durften wir zudem Sitzungen der
europäischen Parlamentsfraktionen beiwohnen und merkten, dass es auch unseren
verehrten Sprach-Idolen manchmal an ein
bisschen Motivation mangelt – eine Erkenntnis, die uns ob der bis dahin erlebten
Anbetungswürdigkeit erleichtert aufatmen
ließ.
Plötzlicher Blackout: „Wie
heißt unser Außenminister?“
Unseren letzten offiziellen EU-Tag sollten
wir wieder bei der Kommission verSicherheitscheck und EUbringen. Aufgrund der begrenzten Anzahl
Richtlinien-konforme Kaffeevon Dolmetschkabinen in den Sitzungsräumen teilten wir uns auf verschiedene
pause inklusive
Ausschüsse auf. Zur Auswahl standen
Der nächste Vormittag sollte uns der Erspannende Sitzungsthemen wie zum Beikenntnis näher bringen: Wie arbeitet ein
spiel RadiofrequenzharmonierungsreguDolmetscher bei der EU? Welche Volierungsmechanismen. Schnell wurde
raussetzungen sollte man mitbringen?
uns klar, dass hier auch das größte
Wie stehen die Chancen mit der eigenen
Sprachgenie ohne Fachwissen und termiSprachkombination eine Anstellung zu
nologische Vorbereitung verloren ist.
bekommen? Nachdem wir den SicherSelbst die deutsche Verdolmetschung
heitscheck bestanden und furchtbar
fremdsprachiger Fachvorträge, die sicher
wichtige Namensschilder erhalten hatsehr gut war, kam uns eher spanisch vor.
ten, begrüßten uns die Leiter der GeneEin bisschen Entspannung verschafften
uns jedoch die anschließenden Gespräraldirektion Dolmetschen im Kommissiche mit zwei EU-Dolmetscherinnen, die
onsgebäude. Begriffe, Statistiken und
uns erklärten, dass von den beamteten
Fakten prasselten auf uns ein. Nach einer
Sprachmittlern zwar viel erwartet werde,
EU-Richtlinien-konformen Kaffeepause
so sollte man zum Beispiel mindestens
bekamen wir schließlich einen Einblick
drei Fremdsprachen bei Arbeitsantritt
in die Sphären der Dolmetschertechnik
und darauf folgte ein Referat über die anbeherrschen und sich später weitere anscheinend weniger spaßige Arbeit der
eignen, aber dass ihnen auch viel Hilfe
Sprachmittler beim Europäischen Gegeboten wird, von Mutterschaftsteilzeit
richtshof. Noch leicht desillusioniert traüber Glossaraustausch bis hin zu Vorbefen wir uns nach den obligatorischen
reitungsmaterial, das sich einfach online
Fritten zum Mittag im Europäischen Parabrufen lässt.
lament wieder. Da sahen wir sie dann das
Den Abschlussabend nutzten wir neben
erste Mal live und in Farbe: die HalbgötAbstechern zum Atomium oder dem köter mit den Kopfhörern, die wir von der
niglichen Chocolatier für eine bierlauZuschauertribüne des Plenarsaales aus
nig-philosophische Diskussion über das
bei ihrer eindrucksvollen Arbeit beob- Das Europäische Parlament begrüßt seine
Erlebte. Und während sich auf der RückGäste in den 23 Amts- und Arbeitssprachen
achten und belauschen konnten.
fahrt unter einigen Ernüchterung breit
der EU und ist Arbeitgeber für mehr als 350
Doch wir waren ja nicht nur zum Zu- Dolmetscher. Wird die Studentin Katrin Hauffe machte, träumten sich andere schon in
Foto: IALT den Brüsseler Dolmetsch-Olymp.
schauen gekommen. Im Anschluss an auch bald dazugehören?
24
journal
Von der Tierliebe zum Tiermediziner:
Linda Kreipe und Theresa Mausberg
(beide 23) auf der Suche nach dem
Wattwurm.
Fotos: Tobias D. Höhn
Praxisluft statt Hörsaalduft
Einblicke in einen facettenreichen Beruf
zwischen Vogelhaltung und Fischverarbeitung
Von Tobias D. Höhn
Sie verhüten, lindern und heilen – vom
hustenden Hamster bis zur kalbenden Kuh.
Viele der in Deutschland rund 11000 praktizierenden Tierärzte werden an der Universität Leipzig ausgebildet, eine von fünf
bundesweiten
Hochschuleinrichtungen.
Und was viele unterschätzen: Tierarzt ist
alles andere als ein Streichelberuf. Es geht
nicht nur um Kleintiere und Pferde, sondern auch um unsere Nutztiere und um eine
Tätigkeit in der Tierseuchenbekämpfung,
im Tierschutz und beim gesundheitlichen
Verbraucherschutz, erklärt der Dekan der
Veterinärmedizinischen Fakultät, Prof. Dr.
Karsten Fehlhaber.
Sterilisieren eines Rüden, Nähen der
Wunde einer Katze, Impfen eines Rindes,
Einschläfern eines altersschwachen Ponys
– so sieht der Alltag eines niedergelassenen
Tierarztes aus. Die Verantwortung ist groß,
das Einstiegsgehalt von rund 1800 bis
2000 Euro vergleichsweise schmal. Doch
Heft 5/2007
die Faszination und der abwechslungsreiche Alltag machen dieses wieder wett,
wie Studenten bestätigen. „Die Liebe zu
den Tieren hat uns an die Veterinärmedizinische Fakultät geführt“, sagen Linda
Kreipe und Theresa Mausberg (beide 23).
Nach dem Studium wollen sie gerne praktisch arbeiten, am liebsten in einer Kleintierpraxis. Derzeit studieren beide noch im
achten Semester.
Eine zweitägige Exkursion, die sie und
weitere rund 70 Kommilitonen unter anderem nach Detmold und Cuxhaven führte,
war der Höhepunkt des eben zu Ende
gehenden Sommersemesters – und die
Voraussetzung für einen Leistungsschein
in Lebensmittelhygiene und Bestandsbetreuung.
Ein Platz in dem Bus zu bekommen, der
noch vor Sonnenaufgang den 500 Kilometer langen Weg Richtung Cuxhaven aufbricht, ist für die Studenten wie ein Glücks-
treffer. Weil das Interesse so groß war,
wurde zum Schluss ausgelost. Kein Wunder ob des Programms: Vogelpark, Adlerwarte, Fischverarbeitung und am Abend
gar ein Bad in den Nordseewellen locken.
Praxisluft statt Hörsaalduft!
An ein Nickerchen ist im Reisebus Richtung Norden nicht zu denken. Die einen
suchen einen Namen für ein neu geborenes
Fohlen. Andere diskutieren die Folgen der
Vogelgrippe, die seit Wochen rund um
Leipzig für Schlagzeilen sorgt. „Es gibt
keinen Grund zur Besorgnis, eine Übertragung des Erregers auf Singvögel und Papageien ist weltweit noch nicht beschrieben.
Dennoch sollten Sie vorsichtig sein und
keine Wasservögel anfassen“, appelliert
Prof. Dr. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, Chefin der Klinik für Vögel und
Reptilien, vor dem Besuch des Greifvogelparkes Heiligenkirchen bei Detmold. Seit
drei Jahrezehnten führt Friedrich-Wilhelm
25
Friedrich-Wilhelm Eckstein (o. l.) ist Leiter des Greifvogelparkes Heiligenkirchen bei Detmold und erklärt Dekan
Prof. Dr. Karsten Fehlhaber seine Not
mit der Vogelgrippe. Gespannt hören
die rund 70 Exkursionsteilnehmer seinen Ausführungen zu (Foto unten).
Strenge Hygienevorschriften herrschen
in der Fischmanufaktur Deutsche See in
Bremerhaven (Foto unten). Veterinärmedizin-Student Marcus Völz ist fasziniert von der Technik.
Eckstein den Park mit seinen 1000 Vögeln
300 unterschiedlicher Arten. Die Begeisterung für seine gefiederten Bewohner
schwingt bei dem Rundgang mit. Anders
als bei anderen Besuchergruppen, thematisiert er die Problematik offensiv und geht
auf die Fragen der künftigen Veterinärmediziner ein.
35 Prozent weniger Besucher verzeichnete
der private Park 2006 auf Grund der Vogelgrippe. Die Gäste blieben vor lauter Angst
fern, er stand kurz vor dem Ruin. Dabei sei
kein einziges Tier infiziert gewesen. „Und
jetzt fängt das wieder an.“ Rund 100 Anrufe und E-Mails bekomme er pro Woche,
besorgte Bürger wollen Papagei, Kakadu
und Co. abgeben. „Es gibt einen Mangel an
Tierärzten, die sich gut mitVögeln auskennen“, sagt Eckstein. Wasser auf die Mühlen von Professor Krautwald-Junghanns.m
Obwohl der Greifvogelpark gut zweieinhalb Autostunden von Leipzig entfernt
liegt, gibt es zwischen ihm und der Klinik
für Vögel und Reptilien eine Kooperation.
Derzeit forscht eine Leipziger Doktorandin
über Vogeljungtiererkrankungen in dem
Detmolder Greifvogelpark und kann auch
in Leipzig erworbenes Wissen unmittelbar
einsetzen. Und auch die wenige Kilometer
entfernte Alderwarte Berlebeck, eine Aufzuchts- und Pflegestation für verletzte
Greifvögel und Zuchtstätte für seltene Arten, greift auf das Know-How der Leipziger zurück. Dass die Studentengruppe aus
dem Bundesland mit der ersten gemeldeten
Vogelgrippe des Jahres kommt, ist dem
Verantwortlichen der Adlerwarte Berlebeck einen ironischen Kommentar wert.
„Wir wollen unseren Studenten einen unvermittelten Einblick in die Bestandshaltung von Vögeln geben. Sie sollen auch
sehen, wie die Zustände sind – und, dass es
nicht überall optimal läuft“, sagt Krautwald-Junghanns. Seit der H5N1-Epidemie
im vorigen Jahr seien Besuche in Geflügelbeständen mit Gruppen dieser Größe nicht
mehr machbar. Umso willkommener ist
das Engagement der Impfstofffirma Lohmann Animal Health. Seit mehreren Jahren
unterstützt der in Cuxhaven ansässige Familienbetrieb die Fahrt der Leipziger Tiermedizin-Studenten finanziell wie inhaltlich mit wissenschaftlichen Vorträgen.
„Natürlich hoffen wir, dass einige Studenten später in die Geflügelbranche gehen
und sich an uns erinnern“, sagt Organisatorin Marianne Becker. Außerdem sehe
sich das Unternehmen in der Pflicht, einen
Lehrbeitrag und Bildungsauftrag zu erfüllen. „Ebenfalls stellen wir die vielseitigen
Möglichkeiten vor, als Tierarzt bei uns zu
arbeiten und hoffen dadurch, den einen
oder anderen auf die Idee zu bringen, in die
Wirtschaft und vielleicht auch in unsere
Firma zu gehen“, so Becker.
Ein Ansatz, den Prof. Fehlhaber unterstützt. Er ist überzeugt, dass sich das Berufsbild des Tierarztes in den kommenden
Jahren ändern wird. Prävention und Rehabilitation rücken neben der Behandlung
immer stärker in den Mittelpunkt. „Aber
auch auf dem Land werden Tierärzte sich
immer stärker um Kleintiere kümmern
müssen. Viele Bauern geben die Rinderhaltung auf, die Milchviehbestände gehen
kontinuierlich zurück“, sagt er. Eine immer
wichtiger werdende Rolle spielen Tierärzte
bei der Erhaltung und Entwicklung eines
leistungsfähigen Tierbestandes und sie helfen, den Menschen vor Gefahren und Schädigung durch Tierkrankheiten sowie vom
Tier stammende Lebensmittel und andere
tierische Produkte zu schützen. Zum Beispiel im öffentlichen Veterinärwesen, wenn
es um Kontrollen und Überwachungen
geht, die dem Verbraucher Sicherheit geben.
Oder im Bereich der Lebensmittelhygiene.
Wie streng die Vorschriften sind, merken
auch die Exkursionsteilnehmer in der
Fischmanufaktur Deutsche See in Bremerhaven. Piercings und Ohrringe müssen mit
Pflaster überklebt werden, Uhren abgenommen, Einwegkittel, -hauben und -füßlinge sollen Bakterien fern halten. Bevor
die Produktion betreten wird, muss jeder
durch ein Desinfektionsbad gehen und sich
die Hände waschen. Dass die Vorschriften
streng sind, wissen die Studenten aus Lehrbüchern. Jetzt erleben sie den Alltag hautnah.
Rasch bestimmt Fachsimpeln die Diskussion: Schadstoffe im Fisch, Krankheiten
bei Meeressäugern, Kontrolle bei Fischtrawlern auf hoher See. Tierärzte in fischverarbeitenden Betrieben sind eine Nische.
Zum Abschluss geht es ins Wattenmeer –
das Reich von Krebsen, Muscheln und
Schnecken. Während einer eine Auster verkostet, buddeln andere schon nach dem
Sandpierwurm, bis sie einen etwa 30 Zentimeter langen, fingerdicken schwarzbraunen Wurm auf der Schippe haben. Professor Fehlhaber hört den Ausführungen
der Wattführerin schmunzelnd zu und
meint schließlich: „Wenn der Wattwurm so
wichtig ist, sollte man ihn vielleicht ins
Studium mit aufnehmen, wo er doch überall seine Häufchen hinterlässt.“
www.vmf.uni-leipzig.de
journal
UniCentral
Geschichte und Gegenwart der
Leipziger Veterinärmedizin
Die akademische Ausbildung in der Veterinärmedizin lässt sich in Deutschland
bis 1771 zurückverfolgen, als der Universalgelehrte Johann Christian Erxleben an der Universität Göttingen das
Vieharzeney-Institut gründete. Vier
Jahre später wurde in Sachsen eine private tierärztliche Lehranstalt gegründet.
Die erste Habilitationsordnung trat 1903
mit der Gründung der Tierärztlichen
Hochschule Dresden in Kraft.
1923 wurde die Tierärztliche Hochschule Dresden in die neu aufgebaute
Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig eingegliedert. 1968
wurde die Fakultät mit Teilen der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät in
Folge der 3. Hochschulreform zur Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin der Karl-Marx-Universität vereinigt.
Nach der Wiedervereinigung wurde die
Veterinärmedizinische Fakultät der Uni
Leipzig wiederbegründet.
Heute lehren und forschen an der Fakultät 31 Hochschullehrer und 70 Wissenschaftler in zwölf Instituten und vier Kliniken. Zu Beginn des Wintersemesters
werden jährlich zwischen 140 und 150
Studenten immatrikuliert. Die Regelstudienzeit beträgt elf Semester. T. D. H.
Die Organisatorinnen der Exkursion
(v. l.): Marianne Becker, Iris Ringel
und Prof. Dr. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns.
Foto: T. D. Höhn
Heft 5/2007
Außenstelle Zingst
Beliebte Adresse für
Exkursionen und Tagungen
Bis zur Neustrukturierung der Universität
Leipzig war die Liegenschaft in Zingst/
Darß als Maritimes Observatorium eine
Außenstelle der Sektion Physik – 200 Meter vom Ostseestrand entfernt. Die wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiter,
die dort ständig tätig waren, gehörten dem
damaligen Wissenschaftsbereich Geophysik an. Forschungsarbeiten wurden auf den
Gebieten (Küsten-)Meteorologie und
Ozeanographie durchgeführt. In der Ausbildung wurde die Liegenschaft vor allem
für Praktika und Exkursionen genutzt, auch
von der damaligen Sektion Biowissenschaften.
1999 begann die rund eine Million D-Mark
teure Sanierung des Backsteingebäudes
aus den 1930-er Jahren. Entstanden ist dabei ein gut ausgestattetes Haus, das sowohl
als Exkursionsstation als auch als Seminarund Tagungsstätte begehrt ist. Das Gebäude bietet Unterkunft für bis zu 18 Personen in vier Schlafräumen mit je vier
Betten sowie einem Zweibettzimmer. In
die Schlafräume integriert ist je eine
Sanitärzelle. Im Erdgeschoss vorhanden
sind ein Seminarraum, ein Computerraum
sowie Aufenthaltsraum und Küche. Im
Seitenflügel befinden sich spezielle Mess-
räume der Meteorologie. Das Gebäude ist
umgeben von einem etwa 2400 Quadratmeter großen Garten, der sich auch zum
Zelten eignet; zusätzliche Sanitäreinrichtungen für Camper gibt es im Untergeschoss.
Zingst liegt auf der Darß-Halbinsel, umgeben von einem ausgedehnten Naturschutzgebiet, und ist berühmt durch seinen lang
gezogenen steinfreien Strand.
Die Außenstelle Zingst wird für vor allem
für Exkursionen, Seminare, Workshops
und Tagungen von den Universitätseinrichtungen genutzt Sie ist mit Ausnahme der
Wintermonate nahezu vollständig ausgelastet.
Betrieben wird die Liegenschaft durch
einen ortsansässigen Hausmeisterdienst.
Die jährlichen Kosten für Betreibung,
Medien, Reinigung, Reparaturen, Ersatzbeschaffungen und anderes betragen rund
30.000 Euro und werden zu zirka 40 Prozent aus Einnahmen und zirka 60 Prozent
aus Haushaltsmitteln gedeckt.
Ansprechpartnerin: Frau Dr. Bärbel Köhler, Sachgebietsleiterin Liegenschaften
(Dezernat 1, Sachgebiet 14), Tel.: 0341/
97-31006, Mail: bkoehler@ uni-leipzig.de.
Dr. Uwe Löser
Die Außenstelle Zingst ist für Tagungen und Exkursionen eine beliebte Adresse. In
der Freizeit locken der nahegelegene Strand und der große Garten.
Foto. R. Kühn
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UniCentral
Beobachten, erfassen,
sammeln, bestimmen
Biologiestudenten auf Helgoland
Von Dr. Bärbel Adams
Der Botaniker Professor Dr. Werner Reißer tung der Mensch für das Funktionieren und sind. Nicht eigentlich zu den Pflanzen geund der Zoologe Professor Dr. Martin den Erhalt dieses Systems hat.“ Langzeit- hörend, betreiben einige von ihnen zwar
Schlegel führen regelmäßig alle zwei Jahre messungen haben immerhin gezeigt, das Photosynthese, entwickeln aber wesentlich
eine Gruppe von rund 20 Studenten auf die sich das Nordseewasser in den letzten einfachere Gestalten als die typischen aus
Insel Helgoland. Zehn Tage lernen sie wäh- 40 Jahren um 1,1 Grad Celsius erwärmte.m Wurzel, Sprossachse und Blatt bestehenrend der Exkursion „Fauna und Flora des Wenn sich bei Ebbe das Meer zurückzieht, den Arten. Einige von ihnen, die BlaualFelswatts“ vor Ort wie vielfältig und um- erschließt sich für die Studenten das Fels- gen, werden sogar nur noch als eine Art hisfangreich das Leben im Meer und auf der watt, eine regelrecht vom Wasser abra- torisches Relikt von den Botanikern behanInsel ist. Es wird beobachtet, erfasst, ge- dierte Felsplatte, die von großen Braunal- delt, zählen aber zu den Prokaryoten, gesammelt, gefilmt, gezeichnet, bestimmt, gen (Tangen) besiedelt ist. „Das Felswatt nauer zu den Cyanobakterien. Sie besitzen
ausgewertet und begriffen – die Tage ver- ist die Kinderstube vieler Meerestiere“, er- keinen echten Zellkern und gehören zu den
gehen wie im Fluge und niemand be- klärt Professor Schlegel. „Hier finden sich ältesten Lebensformen der Erde.
schwert sich, dass an einen regulären Acht- viele Eigelege, aus denen die Larven Die Ausbeute an Pflanzen und Getier wird
Stunden-Tag nicht zu denken ist, auch schlüpfen und hier ihre Juvenilphase ver- noch erhöht durch sogenannte Trätschen.
Das sind mit Fischkuttern gezogene und
wenn nach Wanderungen über die Insel bringen, bevor sie ins Meer himit Sperrbrettern versehene Netze, die
und das Watt am Ende vielleicht noch ein nausschwimmen.“
über den Meeresboden gezogen werden.
Referat steht, das zu Hause vorbereitet
So kann man auch Organismen, die auf
und jetzt den Kommilitonen vorgetragen
oder im oberen Meeresboden leben, erwird.
fassen. Im Labor wird dann alles näMöglich wird alles
N
E
N
O
durch das Alfredher untersucht.
SSI
E
R
Wegener-Institut für
Aber nicht nur Algen, Schwämme,
IMP
Polar- und MeeresQuallen und dergleichen sind Gegenstand der wissenschaftlichen
forschung in der
Neugier. Es bieten sich ideale
Helmholtz-GemeinBeobachtungsmöglichkeiten am
schaft, die den StudenVogelfelsen und auf der Düne.
ten das nötige Umfeld
„Seehunde und Kegelrobben
zur Verfügung stellt: Angefangen bei der Untersind mittlerweile wieder mit
kunft in den Gästehäusern
einer starken Population verD
über die Nutzung von Bitreten. Offensichtlich haben
LAN
O
G
bliothek, Seminarräumen,
sich die Bestände wieder gut
HEL
S
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Laboren und Forschungserholt“,
freut sich Professor
A
schiffen bis hin zur wissenSchlegel. „Diese Tiere in der freien Wildschaftlichen Betreuung und zu
bahn beobachten zu können, ist auch für
Unter
Workshopangeboten. „So haben
dem Getier, das hier unsere Studentinnen und Studenten etwas
unsere Studenten den besten Zugroß wird, sind keineswegs nur ganz besonderes.“
gang zur Vielfalt maritimer Lesehr kleine Lebewesen, sondern auch ganz Bei allem ist Disziplin gefragt. Das bröckbensformen der einzigen deutschen Fel- stattliche, wie der Nereus oder Meeres- lige Gestein der berühmten Helgoland-Felseninsel. Sie können anhand eines ganzen ringelwurm, der es immerhin auf 20 cm sen verlangt den Schutzhelm ebenso wie
Ökosystems nachvollziehen wie alles Le- Länge bringen kann. Interessant für Exkur- das Wattenmeer das richtige Schuhwerk.
ben voneinander abhängt. Die botanische sionsteilnehmer sind auch die Restlöcher, Außerdem darf niemand allein losziehen.
und zoologische Seite des Lebens können die bei Ebbe mit Wasser gefüllt bleiben, Alles andere, zum Beispiel Aufmerksamhier auf exemplarische Weise in ihrer und die Spritzwasserzonen, in denen sich keit, wissenschaftliche Neugier und StehGanzheit betrachtet werden“, meint der Or- Grün-, Blau- und Rotalgen in Fülle finden. vermögen, so die betreuenden Wissenganisator der Tour, Professor Reißer. Spätestens hier zeigt sich, warum Botani- schaftler, muss man nicht anmahnen. Dies
„Deutlich wird auch, welche Verantwor- ker und Zoologen gleichermaßen gefragt sei eine Selbstverständlichkeit.
28
journal
UniCentral
Disziplin ist Voraussetzung
Drei Monate Forschung an der Kobe Universität
Von Uwe Vollmer, Institut für Theoretische Volkswirtschaftslehre
Der Mann neben mir drückt mir seine Seife
in die Hand und deutet an, dass ich mich
damit kräftig einseifen soll. Ich hocke splitternackt auf einem Plastikschemel im onzen, einem öffentlichen Badehaus, und
schütte mir heißes Wasser über den Kopf.
Das Bad liegt in Rokkomichi und wird auch
von Mitgliedern der yakuza genutzt –
gründliches Einseifen ist deshalb angeraten. Nach der Vorwäsche geht es in das
heiße Becken, wo ein Schwätzchen mit
dem Nachbarn möglich ist. Ein kleiner
Junge will nicht zu dem gaikokujin (Ausländer) ins Becken steigen und sein Vater
lässt ihn gewähren. Da diesem nicht der
kleine Finger fehlt, lehne ich mich beruhigt
zurück.
Rokkomichi ist zehn Minuten vom Stadtzentrum Kobes (Sannomiya) entfernt, das
von den Anfängen der Globalisierung
zeugt. Nach der Meiji-Restauration durften
hier gaikokujin Handel mit Japanern treiben – in einem abgegrenzten Viertel am
Hafen. Sie selbst wohnten in Kitano oberhalb der Stadt, wo bis heute Wohnhäuser
aus der Gründerzeit stehen. Auch Deutsche
haben Spuren hinterlassen: Noch heute
gibt es eine Tor-Road, die damals zum Eingangstor des Handelsdistrikts führte; das
prächtigste Wohnhaus heißt Rhenania, ge-
hörte einem deutschen Kaufmann und ist
ein Wahrzeichen der Stadt.
Allerdings war aller Anfang schwer. Im
Januar 1869, kurz nach der Öffnung des
Hafens, pilgerten einige samurai zum Sannomiya-Schrein und stießen auf eine
Gruppe westlicher Matrosen. Ein samurai
erwies sich als früher Globalisierungsgegner und begann ein Handgemenge, wobei
ein Matrose verletzt wurde. Vier Tage später verkündete der Meiji-Imperator, dass
Japan ab jetzt ein ordentliches Land sei, in
dem sich nicht geprügelt sondern gearbeitet werde, und der Anführer der Samurai
beging öffentlich harakiri.
Heute sind Japaner freundliche Menschen,
die ihre Inseln ständig putzen. Auf dem
Gehweg liegt keine Zigarettenkippe; Graffiti sind eine Seltenheit. Als Kunde ist man
noch König und wird stets mit einem
freundlichen irasshaimase (Willkommen)
begrüßt. Natürlich verneigt sich der
Schaffner im shinkansen bei Betreten und
Verlassen des Abteils und gibt vor allem
das dem westlichen Reisenden ungewohnte
Gefühl, Kunde und nicht lästig zu sein.
Kobe Daigaku liegt schweißtreibende 200
Meter oberhalb von Rokkomichi. Für den
Aufstieg wird man durch einen Atem rau-
Prof. Dr. Uwe Vollmer forschte drei Monate in Japan.
Heft 5/2007
Foto: privat
benden Blick über die Bucht von Osaka
entschädigt. Der Campus ist gepflegt, die
Kollegen sind freundlich und hilfsbereit
und die Arbeitsbedingungen sind gut. Man
zieht die Schuhe aus, wenn man das Zimmer eines Kollegen betritt. Das ist zwar lästig, beruhigt aber manchmal die Gemüter.
Im Seminar zeigen sich die Studierenden
interessiert an Europäischer Geldpolitik,
und der Vortrag vor Kollegen stößt auf Interesse. Ich wohne im Smith-kan, zwei weitere schweißtreibende Hügel vom Campus
entfernt, in einer alten Villa mit japanischem Garten und 16-tatami-Raum.
Mich interessieren japanische Bankenregulierungen und die Ursachen der Krise in
den 1990er Jahren. Damals wurden in
Japan die Finanzmärkte dereguliert, ohne
dass ein Sicherheitsnetz bestand. Das gibt
es bis heute und funktioniert anders als in
Deutschland. Die japanische Regulierung
zu verstehen, helfen mir offizielle Behörden unkompliziert. Es benötigt nur zwei
E-Mails, um einen Gesprächstermin in der
Bank of Japan oder beim japanischen Einlagenversicherer zu erhalten.
Japan ist ein gut organisiertes Land, das
aber von seinen Bewohnern und Besuchern
Disziplin verlangt. Das macht es als Forschungsgegenstand interessant. Einen längeren Forschungsaufenthalt ist es allemal
wert.
www.jsps.go.jp
www.jsps-bonn.de
Haben Sie Lust auf einen Forschungsaufenthalt in Japan bekommen? Über Fördermöglichkeiten informiert die Japan Society for the Promotion of Science (JSPS)
am
19. Oktober um 8.30 Uhr
im Neuen Senatssaal (Ritterstraße 26). Interessierte sind herzlich willkommen. Wissenschaftliche Kontakte vermittelt die
Deutsche Gesellschaft für JSPS-Stipendiaten unter www.jsps-club.de.
29
UniCentral
University of Canterbury
ChemieProfessorin in
Neuseeland
Die Leipziger Professorin Evamarie HeyHawkins erhielt von der University of
Canterbury (Neuseeland) eine University
of Canterbury Visiting Erskine Fellowship
in Anerkennung ihrer wissenschaftlichen
Leistungen auf den Gebieten der Anorganischen Chemie und der Organometallchemie. Sie hielt von August bis Oktober als
Gastdozentin Fachvorträge an den meisten
neuseeländischen Universitäten sowie Vorlesungen über homogene Katalyse und
Clusterchemie an der University of Canterbury.
Mit der Visiting Erskine Fellowship werden international bekannte Wissenschaftler
mit weitreichender Lehrerfahrung ausgezeichnet. Benannt ist das Stipendium nach
John Angus Erskine, einem Alumnus der
University of Canterbury, aus dessen
Nachlass die Gastdozenturen finanziert
werden. Einer der letzten Laureaten war
Robert H. Grubbs, Nobelpreisträger für
Chemie im Jahr 2005.
Prof. Dr. Hey-Hawkins ist seit 1993 Professorin für Anorganische Chemie an der Universität Leipzig, leitete von 1997 bis 1999
das Institut für Anorganische Chemie, und
war 2001/2002 Dekanin sowie von 2002
bis 2005 Prodekanin der Fakultät für Chemie und Mineralogie. Als Sprecherin des
Graduiertenkollegs Mechanistische und
Anwendungsaspekte nichtkonventioneller
Oxidationsreaktionen und des Internationalen Promotionsprogramms Forschung in
Grenzgebieten der Chemie engagiert sie
sich für die Forschungs- und Studienbedingungen an der Fakultät. Sie ist Sprecherin
von einem der sechs Profilbildenden Forschungsbereiche der Universität Leipzig
(PbF 1, gemeinsam mit Prof. M. Grundmann), federführende Vertrauensdozentin
der Studienstiftung des Deutschen Volkes
und Vertrauensdozentin der Deutschen
Forschungsgemeinschaft. Ihre wissenschaftlichen Interessen liegen vor allem bei
Übergangsmetallverbindungen und deren
Anwendung in Katalyse und Materialwissenschaften aber auch bei biologisch aktiven Borverbindungen. Aus ihrer Feder
stammen mehr als 200 Publikationen in referierten Fachzeitschriften.
Dr. Ulrike Helmstedt
30
Chemie-Promovend Sven Stadlbauer forscht in Japan
Teezeremonie und Fachtagung
Im Rahmen seiner Promotion im Arbeitskreis von Prof. Evamarie Hey-Hawkins beschäftigte sich Sven Stadlbauer mit der
Synthese von Borhaltigen Verbindungen,
die Einsatz in der Bor-Neutronen-EinfangTherapie (BNCT) finden sollen. Die
BNCT ist eine binäre Methode der Krebstherapie, speziell zur Behandlung von
Gehirntumoren. Finanziell durch ein Stipendium der Japan Society for the Promotion of Science unterstützt, konnte er dank
einer Kooperation mit dem Arbeitskreis für
medizinische Chemie von Prof. H. Hori
von der Universität Tokushima die Bioaktivität dieser Substanzen testen. Tokushima
ist eine kleinere Stadt von etwa 300 000
Einwohnern auf der Hauptinsel Shikoku,
durch die Inlandsee von Osaka getrennt.
Einen Teil seiner gewonnen Ergebnisse
präsentierte der Promovend auf der 12th
International Conference on Neutron Capture Therapy in Takamatsu.
„Auf den Aufenthalt habe ich mich sprachlich durch den Besuch zweier Japanischkurse des Fremdsprachenzentrums der
Universität Leipzig vorbereitet“, erzählt
Stadlbauer. „Durch die intensive Kommunikation mit den Laborkollegen konnte ich
zum einen die Sprache verbessern und zum
anderen einen tieferen Einblick in die japanische Kultur gewinnen.“ Durch gemeinsame Wochenendausflüge wie nach Kyoto
und Nara habe er die alte Geschichte Japans erlebt. „In der Kaiserstadt Kyoto sind
die vielen alten Tempel und Shyntoschreine sehr schön. Ein Besuch des Kyoto
Gosho, des alten Kaiserpalastes (bis heute
Krönungsstätte des Tenno), ist sehr empfehlenswert, auch wenn man diesen nur in
der Woche und nach Genehmigung des
kaiserlichen Haushaltsamtes in einer geführten Gruppe besichtigen darf.“ Paradiesisch sei der Narapark gewesen, in dem
zwischen uralten Riesenbäumen und den
ältesten Tempeln Japans, Hunderte zahmer
Hirsche (die als heilig gelten) umherlaufen.
„Ein besonderes Erlebnis war die Einladung zu einer Teezeremonie, die mir
einen einzigartigen Einblick in die traditionelle Gedankenwelt und das ästhetische
Empfinden der Japaner bot“, so der Chemiker.
Von Prof. Hori und seinen Mitarbeitern sei
er sehr freundlich aufgenommen und in
den Arbeitskreis integriert worden. Sie haben mir viele der typisch japanischen Verhaltensregeln näher gebracht, die für ein
harmonisches Zusammenleben auf engem
Raum notwendig seien. Stadlbauers Fazit:
„Meine japanischen Kollegen haben mich
mit ihrer stets höflichen, allzeit hilfsbereiten und sehr disziplinierten Art beeindruckt.“
r.
Sven Stadlbauer forschte für seine Promotion in Japan.
Foto: privat
journal
UniCentral
Höhenluft mit Synergieeffekt
Ein Plädoyer für die Praxis –
Ausgrabungen auf dem Mont Beuvray
Von Prof. Dr. Sabine Rieckhoff, Historisches Seminar, Professur für Ur- und Frühgeschichte
Der Ruf nach mehr Praxisbezug in der akademischen Ausbildung ist selbst im Studiengang Ur- und Frühgeschichte (oder „Prähistorische Archäologie“) gelegentlich zu
hören gewesen – obwohl es doch gerade die
spezifisch archäologischen Quellen einer
schriftlosen Geschichte der Menschheit
von ihren Anfängen bis heute sind, die sich
gar nicht anders als mit praktischen Methoden erforschen lassen! Der 1993 an der
Universität Leipzig wiederbelebte Studiengang Ur- und Frühgeschichte hat daher
von Anfang an Wert auf die Praxis in
berufsbezogenen Lehrveranstaltungen gelegt. Dazu gehören der Umgang mit dem
Original in der hauseigenen Studiensammlung ebenso wie studienbegleitende Ausgrabungen, Exkursionen zu archäologischen Geländedenkmälern im In- und Ausland und nicht zuletzt Einführungen in die
Theorie der Praxis – sei es in Archäobotanik, Archäozoologie oder Archäometrie,
das heißt in biologische, chemische und
physikalische Analysemethoden. Die Arbeit im archäologischen Labor unterscheidet sich allerdings nicht prinzipiell von der
eines Naturwissenschaftlers. Ein der Archäologie vorbehaltenes Praxisfeld sind
jedoch die Ausgrabungen, vergleichbar der
Arbeit des Historikers im Archiv, aber mit
einem fundamentalen Unterschied: Jede
Ausgrabung ist auch eine Zerstörung. Einmal dem Boden entnommen, hat die Quelle
– ob Mauer, Scherbe oder Goldmünze –
ihren ursprünglichen Kontext verloren, der
von da an nur noch im Medium der Daten
existiert. Die Grabungsmethoden werden
daher immer subtiler, der Einsatz moderner
Technik immer höher, um immer mehr
Informationen zu gewinnen und zu bewahren. Nur wer diese komplexe Praxis
unmittelbar erfahren hat und darin geschult
worden ist, beherrscht die kritische Interpretation der Quellen und kann Geschichtswissenschaft leisten. Die Bodendenkmalpflege, das heißt die 16 Landesämter für Archäologie in Deutschland
sowie private Grabungsfirmen und damit
Heft 5/2007
zurzeit die beiden Hauptarbeitgeber zukünftiger Absolventen, legen daher bei der
Einstellung besonderen Wert auf Grabungserfahrung.
Bündelung von Wissen ist
Glücksgriff für Leipziger
Archäologen
Um deren Grundlagen zu erlernen, bieten
gute Universitäten „Lehrgrabungen“ an,
auf denen die Studierenden das archäologische Handwerkszeug von Grund auf kennenlernen. Leipzig hat in dieser Hinsicht
einen Glücksgriff getan. Seit 1995 ist die
Professur für Ur- und Frühgeschichte an
den Forschungsgrabungen im keltischen
Bibracte-Mont Beuvray in Burgund beteiligt. Sie ist Teil eines internationalen und
interdisziplinären Forschungsteams (Kasten). Durch diese Bündelung europäischen
Know-Hows in der Keltenforschung gehört
das antike Bibracte, wo Caesar seinen
Bellum Gallicum verfasst haben soll, zu
den am besten erforschten „keltischen
Städten“ des 2. und 1. Jh. v. Chr. in Mitteleuropa. Nur über solche Langfristprojekte
lassen sich Fragen beantworten, die von
allgemeinem historischem Interesse sind:
von der Rekonstruktion der sozio-ökonomischen Strukturen der keltischen Gesellschaft bis hin zur Modellbildung, sei es
hinsichtlich der Urbanisierung früher Gesellschaften, sei es hinsichtlich des Kulturwandels als Folge der Romanisierung Mitteleuropas.
Bibracte ist aber nicht nur ein sozialgeschichtlich herausragendes Forschungsobjekt. Das im Tal gelegene Centre
archéologique européen (CAE) mit
Arbeitsräumen, neuester IT-Technik, einer
vorzüglichen Bibliothek und einem breiten
Angebot an wissenschaftlichen Tagungen
bietet ideale Bedingungen für die archäologische Aus- und Weiterbildung. Das
kommt den Teilnehmern zugute: Absolventen der „Lehrgrabung Bibracte“ finden
leicht und schnell einen Grabungsjob in
den Semesterferien.
Leipziger Studierende bei der Arbeit auf der Ausgrabungsfläche îlot des Grandes
Forges im Oppidum Bibracte auf dem Mont Beuvray, Burgund (Frankreich).
Foto: Professur für Ur- und Frühgeschichte
31
UniCentral
Die Leipziger Professur, die einzige in
Deutschland, zu deren Forschungsprofil
die Keltische Archäologie gehört und die
zu den fünf führenden europäischen Institutionen in diesem Bereich zählt, hat bisher rund 120 Studierende der Ur- und Frühgeschichte in Bibracte ausgebildet. Dabei
lag die finanzielle Hauptlast bei dem französischen Kooperationspartner, der inzwischen mehr als 250.000 Euro in das Ausbildungsangebot der Universität Leipzig
investiert hat. Im Gegenzug dazu haben wir
mit unserem wissenschaftlichen und technischen Know-How die Ausgrabungen
vorangebracht und die Ergebnisse in diversen Abschlussarbeiten publikationsfähig
aufgearbeitet. Aus dieser engen Zusammenarbeit sind neue Drittmittelprojekte
entstanden, auf deren Basis Doktoranden
gefördert werden. Das Projekt Bibracte ist
ein Musterbeispiel für Synergieeffekte, die
aus dem Zusammenspiel von Forschung
und Lehre entstehen.
Praktika im neuen Bachelorund Masterstudiengang
Vor einem Jahr wurden die Bachelor- und
Masterstudiengänge „Archäologie der
Alten Welt“ eingeführt, eine Kooperation
der Professur für Ur- und Frühgeschichte
und des Instituts für Klassische Archäologie. Aufgrund unserer positiven Erfahrungen mit berufsqualifizierenden Praktika
haben wir auch in diese neuen Studiengänge Museums- und Ausgrabungstätigkeit als Pflicht- und Wahlpflichtmodule integriert. Im Rahmen des Bachelors absolvieren die Studierenden mit Schwerpunkt
Ur- und Frühgeschichte eine vierwöchige
Grabung. Ein Kooperationspartner ist das
Landesamt für Denkmalpflege und
Archäologie Sachsen-Anhalt, eine zweite
Kooperation mit dem Landesamt für
Archäologie Sachsen ist in Vorbereitung.
In diesem Sommer nehmen die ersten
Studierenden an Grabungen auf dem mittelpaläolithischen (Neandertalerzeitlichen)
Fundplatz Neumark-Nord und in einer
Siedlung des 4./3. Jahrtausends v. Chr. in
Salzmünde-Schiebzig (beide Sachsen-Anhalt) teil. Sie werden nicht nur einen Einblick in Grabungsmethodik, sondern auch
in verwaltungstechnische Abläufe der
archäologischen Denkmalpflege erhalten.
Dieser, für die berufliche Zukunft unserer
Absolventen so wichtigen engen Verbindung zur heimischem Landesarchäologie
konnte bislang leider keine adäquate Ko32
operationsvereinbarung mit dem CAE du
Mont Beuvray im Rahmen des Masterstudienganges zur Seite gestellt werden.
Hier zögert die Fakultät unerklärlicherweise, obwohl in der Studienordnung ein
Schwerpunkt auf die Keltische Archäologie gelegt worden ist. Die Forschungsgrabung auf dem Mont Beuvray ist ja nicht nur
für die Universität ein Aushängeschild auf
internationaler Ebene, sondern garantiert
auch eine Ausbildung auf höchstem methodischem Niveau. Bleibt nur noch zu
erwähnen, dass Studierende, die weniger
die Feldforschung, als vielmehr die
Museumsarbeit reizt, von der Verbindung
mit der Klassischen Archäologie und dem
Antikenmuseum der Universität Leipzig
profitieren. In Praktika zur Museumskunde
wird das notwendige Wissen von der Inventarisation bis zur Ausstellungstechnik
vermittelt.
In der archäologischen Erforschung
schriftloser Kulturen müssen Theorie und
Praxis notwendigerweise eng ineinander
greifen. Ein hoher Praxisanteil bedeutet
nicht, Abschied vom universitären Niveau
zu nehmen, sondern vielmehr den Einstieg
in den Beruf zu erleichtern. 80 Prozent unserer bisheriger Absolventen sind heute in
der Denkmalpflege, in Museen, aber auch
in Forschungsprojekten beschäftigt. Das
zeigt uns, dass wir mit einem starken Praxisbezug auf das richtige Pferd setzen.
Bibracte-Mont Beuvray, Burgund:
Ein internationales europäisches
Team
Università di Bologna (Italien), Université Libre de Bruxelles (Belgien), Universität Eötvös Loránd, Budapest (Ungarn), University of Leicester (Großbritannien), University of Reading (Großbritannien), Université de Lausanne
(Schweiz), Universität Wien (Österreich), Université de Bourgogne Dijon
(Frankreich), Panthéon-Sorbonne Université Paris 1 (Frankreich), Université
Paris 6 (Frankreich), Université MarcBloch Strasbourg (Frankreich), Centre
national de la recherche scientifique
UMR 5594 Dijon (Frankreich) sowie
Universität Leipzig (Deutschland).
Eine Reise um
die Welt
Seit Ende 2005 promoviert Despina Tzoulaki am Institut für Experimentelle Physik
I der Fakultät für Physik und Geowissenschaften. Ihr Thema, das Phänomen der
Diffusion in Zeolithen, ist für viele technische Prozesse – so unter anderem bei der
umweltfreundlichen Herstellung hochwertiger Benzine aus Erdöl mit einem jährlichen Nutzen im Bereich zweistelliger
Euro-Milliardenbeträge – von grundlegender Bedeutung und zugleich ein spannendes Problem der Grundlagenforschung, erklärt Betreuer Prof. Dr. Jörg Kärger.
Doch Kärger trifft seine Promovendin
durchaus nicht nur im Labor. Ihre letzten
Arbeitsbesprechungen hatten sie am Rande
von Fachtagungen in Beijing und nahe
Rom.
„Die Promotion ist für mich die Chance, in
der Welt herumzukommen, Kontakte zu
knüpfen und so meine Arbeit einem großen
ausländischen Publikum bekannt zu machen“, sagt die 24-jährige Griechin. Im
Februar nahm Despina Tzoulaki an einem
Workshop in Griechenland teil, im Juni
reiste sie als Vertreterin der Universität
Leipzig nach Mexiko zu einem Treffen im
Rahmen eines Kooperationsverbundes der
Europäischen Gemeinschaft mit lateinamerikanischen Universitäten. Es folgten
die erwähnten Kongresse in China und Italien. „Neue Länder, neue Bekanntschaften,
tolle Erlebnisse“, bilanziert die Doktorandin. Schon jetzt weiß sie: „Forschung ist
von großer Bedeutung. Doch wichtig ist
auch, auf allen Dienstreisen die Menschen
und ihre Kultur besser kennen zu lernen –
das gehört dazu.“
Tobias D. Höhn
Foto: privat
journal
Studiosi
Mehr Praxis im Lehramtsstudium
Das Mittelschulprojekt „Schülerwege ins Theater“
Von Dr. Doris Flagmeyer, Erziehungswissenschaftliche Fakultät
Unterstützt von der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät und dem Schauspiel
Leipzig haben engagierte Lehramtsstudenten, denen die obligatorischen Praktika
nicht ausreichten, seit vier Jahren an
Leipziger Schulen Arbeitsgemeinschaften
Theater als Spielleiter betreut. Ab dem Studien- bzw. Schuljahr 2006/07 konzentrierte
sich die Arbeit auf ältere Schüler an Mittelschulen, weil man Gewalt häufig gerade
hier findet und das kulturanregende Elternhaus vielfach fehlt. Folgende Ziele wurden
mit dem Projekt, das der Freundeskreis
Schauspiel Leipzig e.V. und die Deutsche
Bank förderten, verfolgt:
• Schüler entdecken Theater und dabei
sich selbst, lernen es als eine Einrichtung
kennen, die etwas mit ihrem Leben zu
tun hat, in der auch ihre Themen angesprochen werden, sie Freizeit verbringen
und sich wohl fühlen können. Durch die
Fokussierung auf das Thema Gewalt
werden die Schüler befähigt, ihren Alltag
wacher wahrzunehmen, achtsamer miteinander umzugehen und Gewalthandlungen vorzubeugen.
• Lehramtsstudierende lernen das Theater
als eine Einrichtung kennen, die Lehrern
ermöglicht, Schulleben anzureichern
und anderes Lernen anzuregen. Mit der
Tätigkeit als Spielleiter sollen Kompetenzen zur Bewältigung beruflicher Anforderungen wie das Erfassen von sozialen und kulturellen Lebensbedingungen
von Schülern, Gewähren individueller
Unterstützung, Anregung verantwortungsbewussten Handelns, Umgang mit
Normkonflikten, Erarbeiten von Regeln
des Umgangs in Schülergruppen erworben sowie ein Zugewinn an pädagogischer Erfahrung ermöglicht werden. Die
Studierenden erhalten Zugang zu Schulen, machen erste Schritte in der Theaterpädagogik und lernen Netzwerkbildung
kennen.
16 Lehramtsstudierende und zwei Referendarinnen gingen als Spielleiter an die beHeft 5/2007
teiligten neun Schulen, um mit Schülern
der 7. bis 10. Klassen entweder in Arbeitsgemeinschaften oder in Neigungskursen
zusammenzuarbeiten. Die AGs begannen
nach vorbereitenden Workshops für die
Spielleiter im Oktober 2006 zu arbeiten
und kamen einmal pro Woche an den jeweiligen Schulen zusammen. Darüber hinaus
lernten die Schüler den SpielortTheater im
Schauspiel Leipzig vor und hinter der
Bühne kennen.
Es zeigten sich folgende Probleme:
Erstens erwies es sich als schwer, Schüler
überhaupt für die AGs zu gewinnen. „Theaterspielen ist uncool“ meinten viele, und
wer sich dafür begeisterte, setzte sich dem
Verdacht aus, nicht „normal“ zu sein. Auch
Eltern zeigten Vorbehalte. Ihre Kinder sollten doch lieber etwas „Ordentliches“, etwa
Informatik oder Englisch, lernen oder erst
einmal für gute Noten sorgen.
Zweitens verlief die Arbeit in den AGs
nicht kontinuierlich, weil die Teilnehmer
häufig wechselten – für die Studierenden
eine riesige methodische Herausforderung.
Offensichtlich nahmen viele Schüler an,
dass Freiwilligkeit nicht zur ständigen Teilnahme verpflichte – eine Auffassung, die
auch verschiedene Eltern stützten.
Schließlich hatten die Schüler drittens
andere Vorstellungen vom darstellenden
Spiel als im Projekt konzipiert. Sie erwarteten ein fertiges Stück mit vorgegebenen
Rollen, für die sie Texte lernen und dann
„aufsagen“. Die Aufforderung, selbst etwas zu entwickeln, Ideen einzubringen,
befremdete und verunsicherte sie. Der Verzicht auf einengende Vorgaben wurde als
„Führungsschwäche“ der Spielleiter gedeutet.
Über diese Probleme wurde bei jedem
Treffen der Spielleiter diskutiert, die Studierenden holten sich Anregungen und
suchten Möglichkeiten, ihre Schützlinge
„dort abzuholen, wo sie gerade stehen“ und
sie so zu fordern, dass sie ihre bisherigen
Angehende Lehrer setzten sich mit dem Thema Gewalt in der Schule auseinander.
Foto: Erziehungswissenschaftliche Fakultät
33
Studiosi
Potentiale ausweiten und Grenzen überschreiten können.
Im März wurden die Arbeiten in der
Albert-Schweitzer-Schule präsentiert. Die
Arbeitsgemeinschaften stellten dabei vor
rund 150 Mitschülern, Verwandten, Lehrern, Theaterleuten und Freunden ihre szenische Version von Gewalt im Alltag vor.
Die Themen behandelten Mobbing und
Ausgrenzung, Fremdes, Andersartiges und
Unbekanntes wurden offensichtlich als bedrohlich empfunden, fehlende Empathie
als eine Ursache für Gewalt dargestellt.
Eine Woche danach fanden sich die Gruppen im Schauspiel Leipzig ein, um das
Stück „Der Kick“ von Andres Veiel und
Gesine Schmidt, das eine extreme Form
von Jugendgewalt auf der Grundlage tatsächlichen Geschehens thematisiert, anzusehen. Das Stück erfordert hohe Konzentration, da jeder Schauspieler mehrere Rollen verkörpert und den Wechsel weniger
mit äußeren Attributen, sondern vielmehr
mit Haltungen, Mimik und Gestik bewältigt. Und es ist kein „angenehmes, schönes“ Stück, sondern eines das ergreift,
schockiert, abstößt. Die Schüler, die in der
Schule kaum 45 Minuten Unterricht ohne
Nebentätigkeiten oder Störungen aushalten, waren 95 Minuten mucksmäuschenstill und hochkonzentriert.
Als Fazit kann festgehalten werden, dass
das Projekt allen Seiten Gewinn gebracht
hat. Die Schüler haben erfahren, dass sie
gemeinsam Beachtliches leisten können,
wenn sie verantwortungsbewusst miteinander umgehen, und sie sind sensibler für Anfänge von Gewalt geworden. Eine detaillierte Analyse der Entwicklung der Schüler
in einer Staatsexamensarbeit ist noch nicht
abgeschlossen. Die Studierenden reflektierten, dass sie für sich einen Zuwachs an
Kompetenzen verbuchen können. Sie zeigten sich weiterhin erfreut über die Verbindungen zu den Schulen, die ihnen beispielsweise bei Praktika zugute kommen.
Die Schulen begrüßten die Bereicherung
ihres Schullebens. Einige vereinbarten bereits eine Fortsetzung im kommenden
Schuljahr. Auch im Sinne einer kulturpolitischen Netzwerkbildung innerhalb der
Stadt Leipzig war das Projekt ein großer
Erfolg, denn es führte Bemühungen von
Universität, Schulen und Schauspiel Leipzig zusammen. Die Regionalstelle Leipzig
der Sächsischen Bildungsagentur hält eine
Fortsetzung für wünschenswert und förderungswürdig.
34
Sind Nebenjobs mit Bachelor und Master vereinbar?
Mal wegfliegen und ein Buch mehr
Der jobbende Student – eine aussterbende
Spezies? Zu Zeiten des Magisterns und
Diplomierens gehörte er ebenso fest zum
Inventar einer Universitätsstadt wie Mensagerüche und übervolle Fahrradständer.
Mit dem Einzug von Bachelor und Master
in die Interimsgebäude schien es aus zu
sein mit dem Arbeitgebertraum von der
flexibel einsetzbaren Arbeitskraft. Seit
einem Jahr lernen Leipzigs Uni-Studenten
in mehr als 60 Studiengängen nach engem
Stundenplan, mit präzise vorgeschriebenem Arbeitspensum und mehreren Prüfungen am Ende eines jeden Semesters. Bleibt
da noch Zeit zum Arbeiten, wollte Caroline
Kieke wissen und fragte nach.
„Offenbar schon“, sagt Martina Lindhorst
von der Jobvermittlung des Studentenwerks in der Goethestraße. 6000 Einträge
verwaltet sie in der Studentendatenbank für
Arbeitswillige, einen Rückgang der Nachfragen seit der Studienreform hat sie nicht
bemerkt. Die langjährige Leiterin der
Anlaufstelle für Studenten in Geldnöten ist
sicher, dass ein Nebenjob dem Studium
nicht schaden muss. Aus eigener Erfahrung
mit ihrer Tochter ist sie jedoch selbst unzufrieden mit den gesetzlichen Vorgaben:
„Das System an sich ist nicht stimmig.“
Studenten, die kein BAföG und kaum
elterliche Unterstützung bekommen, könnten bei den Leipziger Stundenlöhnen von
durchschnittlich 6,50 Euro kaum ihren Bedarf decken.
Der Spagat zwischen Job und Studium ist
definitiv schwieriger geworden, glaubt
Almut Ketzer vom StuRa. „Im Prinzip ist
man Vollzeitstudent und wird kaum dazu
kommen, etwas anderes zu machen.“ Besonders hart treffe das die Lehramtsstudenten, weil ihre Seminare und Vorlesungen
sich, wenn auch mit Pausen, über den gesamten Tag erstrecken. Das soll Überschneidungen der Lehrmodule an den verschiedenen Instituten verhindern – macht
es aber schwer, noch eine Nebentätigkeit
einzutakten. Das bestätigt eine Umfrage
des StuRa unter mehr als 500 Studenten.
Demnach kann sich knapp ein Drittel von
ihnen eine Arbeit von wöchentlich bis zu
zehn Stunden vorstellen. Knapp zwei Drittel der Befragten beantworteten die Frage
jedoch negativ oder konnten sich das „eher
nicht“ vorstellen. Leider gibt es keine Vergleichsergebnisse von den Magister- und
Diplom-Studiengängen, „aber“, so Almut
Ketzer, „wir wissen aus Erfahrung, dass
bisher relativ viele Studierende gearbeitet
haben.“ Um das auch weiterhin zu ermöglichen, arbeitet der Stura gerade an einem
Konzept für einen freien Nachmittag in der
Woche. Der ist zwar noch Zukunftsmusik,
könnte aber einen regelmäßigen Job oder
ehrenamtliches Engagement in Vereinen
oder studentischen Gremien erleichtern.
Oriana Gaetaniello (21) studiert Arabistik auf Bachelor, drittes Semester:
„Im ersten Semester habe ich nicht gejobbt, im zweiten aber recht viel. Klar
macht man dadurch weniger für die Uni,
aber nur so konnte ich mir meinen sechswöchigen Sprachkurs in Damaskus finanzieren. Ich habe letztes Semester drei Mal
die Woche als Eisverkäuferin gearbeitet –
zum Glück hatte mein Chef Verständnis,
wenn ich für eine Prüfung lernen musste.
Trotzdem muss man sich daran gewöhnen,
mit weniger Schlaf auszukommen. In den
Semesterferien war es zum Beispiel so,
dass ich abends nach acht Stunden Arbeit
noch für meine Hausarbeit gelesen habe.
Mein Studium besteht aus 20 Semesterwochenstunden plus anderthalb Stunden
Vor- und Nachbereitung täglich. Das lässt
sich auf Dauer nicht mit einem Job vereinbaren. Wenn ich nicht müsste, würde ich es
jedenfalls nicht machen.“
Michael Schenke (23) studiert Betriebswirtschaftslehre auf Diplom, neuntes
Semester:
„Ich arbeite in einem Café in der Innenstadt, um die regelmäßigen Fahrten nach
Dresden bezahlen zu können. Ich bin dort
an der Technischen Universität als Nebenhörer eingeschrieben und fahre die Strecke
zwei Mal pro Woche. Mit dem BAföGGeld komme ich am Ende des Monats bei
plus minus Null raus. Die Fahrtkosten nach
journal
Studiosi | Personalia
Neu
berufen:
Neu
berufen:
J.-U. Stolzenburg Karin Kurz
Dresden muss ich mir deshalb dazu erwirtschaften, vorwiegend freitags bis sonntags,
auf jeden Fall aber zwei bis drei Mal die
Woche jeweils einen halben Tag.“
Lars Weise (24) studiert Amerikanistik
und KMW im Magisterstudiengang,
neuntes Fachsemester:
„Arbeiten ist für mich selbstverständlich
und gehört fest zu meinem Rhythmus. Ich
war schon Pauschalkraft bei Steinbruch,
Saturn und Quiksilver. In diesem Semester
werde ich mir wieder einen Laden in der
Innenstadt suchen. Mit zehn bis 15 Stunden pro Woche komme ich auf 300 bis
400 Euro pro Monat für meine finanzielle
Unabhängigkeit. Das Geld ist allein dafür
da, entspannter leben zu können: zum Wegfliegen im Sommer, mal schön essen gehen
oder ein Buch mehr – und vor allem
möchte ich am Ende des Monats nicht bei
Null ankommen. Ich finde es heilsam,
wenn man sich seine Woche etwas voller
packt und auch mal mit Nicht-Studenten zu
tun hat. Bei zwölf Semesterwochenstunden
ließen sich Studium und Arbeit zuletzt gut
verbinden, jetzt habe ich zum Master of
American Studies gewechselt. Ich bin
sicher, dass es auch mit dem dort vorgesehenen ‚work load‘ von 40 Semesterwochenstunden funktionieren kann. Die
Leute wissen, dass Studenten in Deutschland nicht von Stipendien leben und auf
einen Nebenverdienst angewiesen sind.“
Heft 5/2007
Am 1. Mai wurde Dr. Jens-Uwe Stolzenburg zum Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie und als W3-Professor für
Urologie am Universitätsklinikum Leipzig
AöR berufen. „Von dem künftigen Direktor der Urologischen Klinik darf erwartet
werden, dass er die Institution weiterentwickelt und auf einem Niveau leitet, das dem
hohen Anspruch der Fakultät und des Klinikums entspricht“, lauten Stolzenburgs
hohe Forderungen an sich selbst. Der 42Jährige arbeitet am Auf- und Ausbau einer
international konkurrenzfähigen Klinik
und Spitzenleistungen in der Forschung.
Seine Spezialgebiete sind die Tumorchirurgie (Erforschung der Zusammenhänge
zwischen Embryologie und Tumorausbreitung urologischer Tumore) und die minimalinvasive Chirurgie. 2001 gründete er
eine entsprechende Arbeitsgruppe und ein
Jahr später das International Training Centre of Urologic Laparoscopy.
Seine Karriere begann Stolzenburg noch
vor dem Hochschulstudium als Pfleger an
der Klinik für Urologie 1985. Nach dem
Studium (1985–1992), der Weiterbildung
zum Facharzt wurde Stolzenburg 1999
zum Funktionsoberarzt und 2003 zum
stellvertretenden Klinikdirektor ernannt.
Seit April 2005 führte er die Geschäfte
kommissarisch. Nach längerem Überlegen
und anderen Angeboten entschied er sich
zum Bleiben. Der Neubau des Operativen
Zentrums, die aktiven Beziehungen zu anderen Kliniken und das leistungsstarke
Team aus Ärzten und Schwestern hätten für
Leipzig gesprochen. „Das Reizvolle an
meiner Arbeit ist die Entwicklung universitärer Hochleistungsmedizin in Verbindung mit projektbezogener wissenschaftlicher Arbeit und praxisorientierter studentischer Ausbildung im Spannungsfeld
aktueller gesundheitspolitischer Herausforderungen.“ Seit 1999 engagiert sich der
begeisterte Fußballer, Triathlet und ehemalige Leistungssportler für den Aufbau einer
urologischen Versorgung in mehreren
Krankenhäusern von Kamerun. T. D. H.
„Lebensläufe und soziale Ungleichheit“
sind Spezialgebiete der neu berufenen
Soziologie-Professorin Dr. Karin Kurz.
Die 1959 im Saarland Geborene hat seit
April den Lehrstuhl „Vergleich moderner
Gegenwartsgesellschaft“ am Institut für
Soziologie inne, zuvor hatte sie die Professur ein halbes Jahr lang vertreten. Habilitiert hatte sich Kurz an der Otto-FriedrichUniversität Bamberg (2006) zum Thema
„Beschäftigungsunsicherheiten und langfristige Bindungen. Analysen zu Partnerschaftsverhalten, Familiengründung und
zum Erwerb von Wohneigentum“. Die
Buchform der Habilitationsschrift ist derzeit in Arbeit. Zuvor hatte sie in Mannheim
promoviert. Das Thema: „Das Erwerbsverhalten von Frauen in der intensiven Familienphase. Ein Vergleich zwischen Müttern
in der Bundesrepublik Deutschland und
den Vereinigten Staaten von Amerika“, das
gleichnamige Buch erschien 1998 bei
Leske+Budrich. Überhaupt liest sich die
lange Liste der Publikationen empirischer
Arbeiten interessant – auch für Fachfremde. Immer wieder befasste sie sich mit
den Folgen des Arbeitsmarktes auf das
soziale Miteinander und Partnerschaftsbeziehungen in verschiedenen Ländern.
Studiert hatte Kurz von 1979 bis 1986 in
Mannheim und war zu einem Forschungsund Studienaufenthalt von 1989 bis 1991
an der University of Wisconsin, Madison
(USA).
Nach Leipzig kam die 47-Jährige wegen
der reizvollen Tätigkeit, die mit der Professur für Vergleich moderner Gegenwartsgesellschaften verbunden ist. Die Ausrichtung des Instituts und die Attraktivität der
Messestadt leisteten zudem ganze Überzeugungsarbeit. Vorgenommen hat sich
Kurz den „Ausbau der Forschung zur international vergleichenden Sozialstrukturanalyse in Leipzig“.
In der knapp bemessenen Freizeit widmet
sich die Professorin ihren drei Hobbys:
Wandern, Kanu fahren und gut Essen.
T. D. H.
35
Personalia
NOMEN
Die Kolumne von Namenforscher
Prof. Dr. Jürgen Udolph
Der Familienname „Mehlhorn“
Neu
berufen:
Neu
berufen:
Ulrich Bröckling
Grit Mehlhorn
Ethik, Politik, Rhetorik. So lautet der Titel
der neu geschaffenen Professur am Institut
für Politikwissenschaft, die Ulrich Bröckling seit April inne hat. Der aus Freiburg
stammende 48-jährige Soziologe unterstützt insbesondere die Ausbildung für
künftige Gemeinschaftskunde- und Ethiklehrer. Dabei liegt sein Schwerpunkt weniger bei der Fachdidaktik im engeren Sinne.
Bröckling interessiert sich vielmehr für die
wissenssoziologischen Grundlagen pädagogischen Handelns, etwa die Lebenswelten Jugendlicher, ihre Wertorientierungen
und die Schule als Lernort. Er lehrt und
forscht aber auch im Bereich der politischen Theorie und der politischen Soziologie.
Nach einer Ausbildung zum Heilpädagogen promovierte Ulrich Bröckling im Fach
Soziologie, habilitierte in Freiburg und arbeitete vor seiner Berufung nach Leipzig
einige Jahre als Verlagslektor und danach
als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich „Literatur und Anthropologie“ der Universität Konstanz. Von
2003 bis März diesen Jahres koordinierte
Bröckling dort das kulturwissenschaftliche
Graduiertenkolleg „Die Figur des Dritten“.
Seine Forschungsarbeit würde er in Leipzig gern im Rahmen des profilbildenden
Forschungsbereichs Riskante Ordnungen
fortsetzen. In den letzten Jahren hat er sich
insbesondere mit Fragen der Menschenund Selbstführung beschäftigt. Darum geht
es auch in seinem soeben erschienenen
Buch „Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform“
(Suhrkamp-Verlag).
Nach Leipzig ist Professor Ulrich Bröckling im übrigen bereits umgezogen: „Besonders schön ist für mich die Fahrradtauglichkeit der Stadt, die auf dem Weg zu den
verschiedenen Interimsgebäuden besonders schnell kennen lerne“.
M. R.
Grit Mehlhorn ist neu berufene Professorin für Didaktik der slawischen Sprachen
(Russisch, Polnisch, Tschechisch) – und
kennt Leipzig wie ihre Westentasche. Von
1992 bis 1997 hatte die in Quedlinburg
Geborene hier Ostslawistik, Ost- und Südosteuropawissenschaften sowie Angewandte Sprachwissenschaften studiert –
unterbrochen durch zwei Semester Russisch und Ukrainisch an der TarasŠevčenko-Universität Kiew, promovierte
sie am Zentrum für Höhere Studien der
Universität Leipzig und absolvierte ein
Aufbaustudium Deutsch als Fremdsprache. Außerdem lehrte sie am Herder-Institut, war wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Institut für Linguistik/Germanistik der
Universität Stuttgart und Juniorprofessorin
für Didaktik/Methodik im Bereich Deutsch
als Fremdsprache an der TU Berlin.
Dass sie Leipzig treu bleibt, hänge vor allem mit dem guten Ruf der hiesigen Slawistik zusammen und dem Stellenprofil,
das „einzigartig in Deutschland“ sei. „Ich
kann sprachenübergreifend arbeiten und
auch Aufbauarbeit leisten, da bisher keine
Polnisch- und Tschechischlehrenden ausgebildet wurden. Hinzu kommt die räumliche Nähe zu diesen Nachbarländern“,
erklärt Mehlhorn. Mit der Schaffung der
Professur wurden auch Promotionen im
Bereich Fremdsprachendidaktik und
Sprachlehrforschung möglich. „Ich möchte das Lernen slawischer Sprachen attraktiver machen, vor allem an den Schulen in
Sachsen, aber auch an der Universität“,
sagt sie couragiert. Aber auch für eine größere Wertschätzung angehenden Lehrern
gegenüber will sie sich einsetzen.
Zu ihren wichtigsten Publikationen zählt
Professor Mehlhorn ihre Promotionsschrift
„Kontrastierte Konstituenten im Russischen. Experimentelle Untersuchungen zur
Informationsstruktur“ (Peter Lang Verlag,
Frankfurt, 2002) und das 2005 erschienene
Buch „Studienbegleitung für ausländische
Studierende an deutschen Hochschulen“.
T. D. H.
36
Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern
(Stand: 1998; neuere CD-ROMs sind aus
Datenschutzgründen schlecht zu verarbeiten) ist der Name in Deutschland 1.584mal belegt.
Die Verbreitung zeigt, daß er vor allem in
Westsachsen zuhaus ist:
Die höchste Dichte erreicht der Name in
den Kreisen Aue-Schwarzenberg (133 Einträge), Stollberg (81), Zwickauer Land
(68), Stadt Chemnitz (61).
In der deutschen Familiennamenforschung
ist Mehlhorn schon des öfteren behandelt
worden. So meint J. K. Brechenmacher,
Etymologisches Wörterbuch der deutschen
Familiennamen, Bd. 1–2, 1960–63, es
handele sich um einen sogenannten „gedeckten“ Berufsnamen, gibt aber keine
weitere Erläuterung.
R. Zoder, Familiennamen in Ostfalen,
Bd. 2, Hildesheim 1968, S. 134 geht etwas
weiter und vermutet einen Berufsnamen
nach dem Gegenstand der Arbeit „zum
Grundwort horn im Sinne von Behälter?“.m
Im Duden – Familiennamen. Herkunft und
Bedeutung, 2. Aufl., bearb. v. R. u. V. Kohlheim, Mannheim usw. 2005, S. 453 heißt
es: „Berufsübername zu mhd. mël ,Mehl‘
und mhd. horn ,Horn‘ (wohl im Sinne von
,Mehlbehälter‘) für einen Müller, Mehlhändler oder Bäcker“.
Die umfassendste Deutung des Familiennamens findet sich bei V. Hellfritzsch,
Familiennamenbuch des Sächsischen Vogtlandes, Berlin 1992, S. 138: „1388 junchfraw Melhornyn …, 1438 Melhorn … um
1800 Mehlhorn … Übername: mittelhochdeutsch mël ,Mehl‘ und horn ,Horn‘. Nach
K. Müller-Fraureuth, Wörterbuch der obersächsischen und erzgebirgischen Mundarten, Dresden 1914, S. 87 u. 22 synonym
mit Mahlwurm. Berufsname des Müllers,
Bäckers (H. Klenz, Scheltenwörterbuch,
Straßburg 1910, S. 11; Material des an der
Sächsischen Akademie der Wissenschaften
zu Leipzig neu entstehenden Wörterbuchs
der obersächsischen Mundarten)“.
journal
Michael Schrodt, Schauspieler
INNERE SICHERHEIT---
Hat Schäuble recht?
Spielzeit 07 | 08
Wir nehmen sowohl Bezug auf aktuelle politische Vorgänge als auch auf den zutiefst menschlichen Wunsch, seiner selbst sicher sein zu
können. Unsere Helden sind gerade das in aller Regel nicht. Ob sie in der Begegnung mit einem anderen aus fest gefügten Überzeugungen
geschleudert werden (wie Achill und Penthesilea in Kleists Penthesilea), ob sie beim Enträtseln der Geheimnisse ihres Vaters entdecken
müssen, dass dieser ihr Bruder ist (wie Jeanne und Simon in Verbrennungen von Wajdi Mouawad), oder erfahren, dass ihre Gemeinschaft
Stabilität und Ruhe schafft, indem sie aus ihnen Außenseiter macht (wie Antonio und Shylock in Shakespeares Der Kaufmann von Venedig) – mit
dem Wunsch, sicher leben und der eigenen Identität sicher sein zu können, treffen sie alle einen Nerv unserer Zeit. Sicherheit hat Konjunktur!
DAS THEMEN-ABO
6 Stücke zum Thema – Einladungen zu Lesungen, Gastspielen und Gesprächen – Programmhefte kostenlos frei
Haus – 30 % Ermäßigung | Infos/Buchung Theaterkasse im Schauspielhaus | Bosestraße 1 | Mo–Fr 10–19 Uhr |
Sa 10–13 Uhr
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Heft 5/2007
k
17. Oktober, 19.30 Uhr, Schauspielhaus | Eintritt frei
Gestaltung:
Auftaktveranstaltung zur Themenreihe „Innere Sicherheit“ mit Politikwissenschaftler Andreas Anter (Leipzig)
Foto: Rolf Arnold
ZAUBERWORT SICHERHEIT
37
Personalia
Geburtstage
Neu
berufen:
Neu
berufen:
Kurt Engeland
Barbara Kirchner
Der Biochemiker Kurt Engeland hat seit
Juli die Professur für Molekulare Gynäkologische Onkologie an der Universitätsfrauenklinik inne. Zugleich ist er Leiter des
Labors und der experimentellen Forschung
an der Einrichtung. Zuvor leitete er das
Forschungslabor an der Medizinischen
Klinik II der Universität Leipzig. Dort in
der Gastroenterologie verankert, sucht er
jetzt in der Universitätsfrauenklinik nach
den molekularen Ursachen für die Ausbreitung von Krebszellen im Körper.
Was veranlasst die Krebszelle sich in
Körperregionen anzusiedeln, deren Eigenschaften nicht mit dem Primärtumor übereinstimmen? Wie entscheiden die Zellen,
wo sie sich ansiedeln? Welche Gene werden für die Zellteilung genutzt, welche
Mechanismen liegen dem zugrunde? Wie
stellt eine Zelle fest, ob sie entartet ist?
Wovon hängt es ab, ob es zum programmierten Zelltod einer entarteten Zelle
kommt, wann kommt es zu Krebs? Das
sind einige der grundlegenden Fragen, denen der Wissenschaftler mit molekulargenetischen Experimenten in Zellkulturen
nachgeht und zu beantworten versucht. Natürlich wird er auch Ansätze verfolgen, die
dann in späteren Anwendungen Patienten
direkt helfen können.
Prof. Engeland hat sich für Leipzig und gegen zwei Angebote an anderen Universitäten entschieden: „Ich habe hier bezüglich
der Ausstattung der Professur ein sehr
attraktives Angebot bekommen. Ein sehr
wichtiger Faktor war zudem, dass fünf meiner Mitarbeiter mit mir an die Frauenklinik
wechseln konnten. Außerdem waren Kooperationen an der Universität Leipzig bei
einem Verbleiben an der hiesigen Fakultät
besser fortzuführen. Hierbei spielte meine
Mitgliedschaft im IZKF als Forschungsverbund eine wichtige Rolle.“m
Engeland ist Vater von zwei erwachsenen
Kindern. Seine Familie lebt seit seinem
Amerikaaufenthalt an der Harvard Medical
School (Boston) in Marburg, wo seine Frau
als Diplom-Bibliothekarin arbeitet. B. A.
Einen der Lehrstühle am Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie hat jetzt Prof. Barbara
Kirchner inne. Die 37 Jahre alte Freiburgerin kam aus Bonn nach Leipzig. Sie hat
ihre Passion für Chemie und Mathematik
zum Beruf gemacht und sich deshalb für
die Theoretische Chemie entschieden. Mit
theoretischen Methoden beschreibt sie
Moleküle in kondensierter Phase, genauer
gesagt kombiniert sie MolekulardynamikSimulationen mit elektronischen Strukturmethoden.
In einer Studie ist es ihr gelungen, durch
geschickte Substitution die Struktur eines
Barbaralan-Moleküls so zu ändern, dass
ein Zustand erreicht wurde, der eigentlich
nicht stabil sein will. Scherzhaft sei sie
schon gefragt worden, ob sie dieses Molekül nach ihr selbst benannt habe. Zur Zeit
arbeitet sie unter anderem an einer relativistischen Beschreibung innerhalb dieser
Methodenkombination. So ergeben sich
neue Wege, Verbindungen schwerer Elemente dynamisch zu untersuchen. Möglich
wurde dies erst mit der Entwicklung der
Computertechnik seit den 1980er Jahren.
Allerdings kosten diese Berechnungen
sehr viel Computerzeit, die das Verfahren
kostenspielig macht.
Die junge Wissenschaftlerin freut sich über
die Bedingungen auch für Frauen, die sie
in Leipzig vorfindet. „Ich habe gesehen:
Frau Hey-Hawkins ist Lehrstuhlinhaberin,
Frau Beck-Sickinger Dekanin. Die Kollegen mussten sich schon an Frauen gewöhnen.“ Aber auch Leipzig als Stadt gefällt
ihr gut, so dass ihr der Abschied vom geliebten Bonn nicht ganz so schwer fiel. Sie
nutzt die Kulturangebote der Stadt, besonders die des Gewandhauses und freut sich
über die schöne Innenstadt.
B. A.
38
Theologische Fakultät
70. Geburtstag
Prof. (emer.) Dr. theol. Jürgen Ziemer, Institut für Praktische Theologie, am 20. Oktober
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
60. Geburtstag
Prof. Dr. Manfred Röber am 18. Oktober
70. Geburtstag
Prof. Dr. Dieter Ehrenberg am 10. Oktober
Medizinische Fakultät
80. Geburtstag
Prof. Dr. rer. nat. Hans Wußing, Karl-Sudhoff-Institut, am 15. Oktober
Prof. Dr. med. dent. Joachim Weißkopf, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und
Werkstoffkunde, am 5. November
Der Rektor der Universität Leipzig und die
Dekane der einzelnen Fakultäten gratulieren herzlich.
(Die Geburtstage werden der Redaktion direkt von den Fakultäten gemeldet. Die Redaktion übernimmt für die Angaben keine
Gewähr. Das gilt auch für deren Vollständigkeit.)
Kurz gefasst
Beim Benjamin-Franklin-Contest von Medizinischen Fakultäten an der Berliner
Charité konnte die Medizinische Fakultät
der Universität Leipzig den 3. Platz belegen. Das Team wurde intensiv unter Leitung von Professor Christoph Baerwald,
Martin Neef (beide Zentrum für Innere
Medizin) und Maik Behnke (Zentrum für
Chirurgie) gecoacht. Die erfolgreiche studentische Mannschaft, die sich gegen
Berlin, Hannover, Mainz und Wien durchsetzen konnte, bestand aus Muriel Baum,
Diana Blaschke, Verena Puppe, Robert
Anders, Stefan Kabisch und Felix Woitek. Der Benjamin-Franklin-Contest ist
ein studentischer Wettbewerb zwischen
sieben medizinischen Fakultäten aus dem
deutschsprachigen Raum. Bei der rasanten
Jagd auf die meisten Punkte müssen in
kürzester Zeit Blickdiagnosen gestellt,
möglichst kostengünstig klinische Fälle
diagnostiziert und Internetrecherchen
durchgeführt werden.
journal
Personalia
Prof. Dr. Stefan Troebst (Institut für Slavistik) hat von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Mittelbewilligung für
das internationale Ausstellungsprojekt
„Europa Jagiellonica – Kunst und Kultur in
der Mitte Europas um 1500“ erhalten. Die
Ausstellung wird 2010 in Leipzig und sodann in Prag, Wilna und Warschau gezeigt.
Kooperationspartner sind das GRASSI
Museum für Angewandte Kunst und das
GWZO in Leipzig sowie das Königsschloss in Warschau, die Galerie der
Hauptstadt Prag sowie das Litauische
Kunstmuseum in Wilna. Die wissenschaftliche und organisatorische Leitung liegt in
den Händen der Leipziger Kunsthistorikerin Dr. Andrea Langer.
Des weiteren hat der wissenschaftliche
Beirat des Moldova InstitutsLeipzig (MIL)
Prof. Dr. Stefan Troebst zu seinem Vorsitzenden gewählt. Desgleichen hat die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Berlin) ihn zum Mitherausgeber des
Jahrbuchs für historische Kommunismusforschung ernannt.
Die Europäische Gesellschaft für Kinderendokrinologie (ESPE) wählte auf ihrer
diesjährigen Jahrestagung Professor Dr.
Wieland Kiess, Direktor der Klinik und
Poliklinik für Kinder und Jugendliche der
Universität Leipzig, für das Jahr 2012 zu
ihrem Präsidenten. Dies bedeutet, dass
2012 die 51. Jahrestagung der ESPE mit
rund 2500 Wissenschaftlern aus aller Welt
in Leipzig stattfinden wird.
Auf Initiative von Prof. Kiess, wurde ebenfalls für die Zeit von 2009 bis 2017 die Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) im Zweijahres-Rhythmus
nach Leipzig geholt. In den ungeraden Jahren ist Leipzig Austragungsort, in den geraden Stuttgart. Die Jahrestagung der DDG
ist mit ihren rund 7000 Teilnehmern eine
der größten und bedeutendsten medizinischen Tagungen in Deutschland.
Im Sommer war Prof. Kiess als Mitglied
einer internationalen Expertengruppe im
Auftrag der Universität Zürich an der Evaluierung des dortigen Kinderspitals und
der Erarbeitung von Empfehlungen für die
zukünftige Struktur und Ausrichtung der
Einrichtung beteiligt.
Prof. Dr. Siegfried Gottwald, geschäftsführender Direktor des Instituts für Logik
und Wissenschaftstheorie, ist erneut für
drei Jahre von der internationalen Zeitschrift „Fuzzy Sets and Systems“, dem
offiziellen Publikationsorgan der InternaHeft 5/2007
tional Fuzzy Systems Association, zum
Herausgeber für das Spezialgebiet „nonclassical logics and fuzzy set theory“ ernannt worden.
Professor Dr. Arne C. Rodloff, Direktor
des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, wurde
vom Amtschef des Sanitätsamtes der Bundeswehr, Generalstabsarzt Dr. Hartmut
Siebertz, in den Wissenschaftlichen Beirat
für die drei Institute des ABC-Schutzes
berufen.
Dr. Dr. Holm Uhlig, Klinik und Poliklinik
für Kinder und Jugendliche, erhielt von der
Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung den Professor
David Shmerling Forschungspreis für
seine zwei Arbeiten „Characterization of
Foxp3+CD4+CD25+ and IL-10-Secreting
CD4+CD25+ T Cells during Cure of Colitis“ und „Differential Activity of IL-12 and
IL-23 in Mucosal and Systematic Innate
Immune Pathology.“ Außerdem erhielt der
Wissenschaftler den Charlotte Anderson
Travel Award der European Society für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatology
and Nutrition für seine Laborprojekte zu
„Mucosal regulatory T cells in patients of
IBD and mouse models of intestinal inflammation“. Damit kann er die Kooperation mit Prof. Dr. Fiona Powrie von der
University of Oxford ausbauen.
Dr. Gero Strauß, ICCAS und Klinik und
Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde erhielt mit seiner klinischen Arbeitsgruppe auf der diesjährigen International
Conference on Computer Aided Surgery
around the Head den „Award for Excellence in Computer Aided Surgery around
the Head“. Dr. Strauß konnte den Preis in
Innsbruck entgegennehmen. Der Preis ist
mit 2.000 ChF dotiert.
Prof. Dr. Hannes Siegrist, Inhaber der
Professur für Vergleichende Kultur- und
Gesellschaftsgeschichte im Institut für
Kulturwissenschaften, ist zum Ordentlichen Mitglied der Philologisch-historischen Klasse der Sächsischen Akademie
der Wissenschaften zu Leipzig gewählt
worden.
Der Vorstand des Translationszentrums für
Regenerative Medizin (TRM) hat sich konstituiert: Prof. Dr. med. Frank Emmrich,
Direktor; Falk Stenger, Vertreter der Universität Leipzig, Referent des Kanzlers;
Dr. rer. nat. Michael Cross, Sprecher konzeptionelles Gate Board, Hämatoonkologie; Dr. rer. med. Jörg Meisel, Sprecher
präklinisches Gate Board, Neurochirurgie,
BG Kliniken Bergmannstrost, Halle; Prof.
Dr. med. Dr. med. dent. Alexander
Hemprich, Sprecher klinisches Gate
Board, Klinik und Poliklinik für Mund-,
Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie;
Dr. rer. nat. Jan Matthias Braun, Stellvertretender Direktor für Forschung und
Verwaltung. Noch nicht benannt sind: Der
Stellvertretende Direktor für Weiterbildung und Personalentwicklung und der
Vertreter der Uni Halle.
Vorsitzender des Internen Beirats ist: Prof.
Dr. rer. nat. Martin Schlegel, Prorektor
für Forschung und wissenschaftlichen
Nachwuchs.
Sprecherinnen und Sprecher der Forschungsbereiche sind: Prof. Dr. rer. nat
Bernd Rauschenbach, Fakultät für Physik
und Geowissenschaften, IOM/Angewandte
Physik, Tissue Engineering, Interfaces and
Materials (TEMAT); Prof. Dr. med.
Johannes Schwarz, Neurologie, Medizinische Fakultät, Cell Therapies for Repair
and Replacement (CELLT); Prof. Dr. rer.
nat. Anette Beck-Sickinger, Dekanin der
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie
und Psychologie, Biochemie/Bioorganische Chemie, Regulatory Molecules and
Delivery Systems (REMOD); Prof. Dr.
rer. nat. Andrea Robitzki; Biotechnologisch-Biomedizinisches Zentrum, Fakultät
für Biowissenschaften, Pharmazie und
Psychologie, Molekularbiologisch-biochemische Prozesstechnik, Imaging and Monitoring of Regeneration (IMONIT).
Zur XXIV. Sommer-Universiade in Bangkok entsandte die Universität vom 8. bis
18. August drei Sportler und einen Betreuer. Das Ergebnis: Eine knappe Niederlage im Viertelfinale ereilte Christoph
Helbig mit dem Volleyballteam. Am Ende
sprang ein beachtlicher 5. Platz heraus und
damit die beste Universiade-Platzierung
seit zwei Jahrzehnten. Kathleen Radtke
erreichte mit der Fußballmannschaft der
Frauen den 13. Platz. Die Judoka Anja
Wagner schied bereits in der Vorrunde
aus. Mit insgesamt el Medaillen gehörte
das Schießen zu der erfolgreichsten deutschen Sportart. Betreut wurden die Schützen unter anderem von dem Leipziger
Enrico Friedemann. Insgesamt nahmen
10 000 Sportler aus 160 Nationen teil, davon 175 deutsche Athleten.
39
Personalia
Nachruf für Professor Dr. med. Werner Ries
Professor Dr. med.
Werner Ries ist am
26. Mai nach langem
schwerem Leiden im
Alter von 86 Jahren
gestorben. Die deutsche Innere Medizin,
insbesondere
die
Gerontologie, verliert
mit ihm einen international renommierten Internisten und
Gerontologen, ausgewiesenen Hochschullehrer und Wissenschaftler.
Als Schüler von Max Bürger ist es ihm
gelungen, dessen Vorstellungen von der
Gerontologie weiter zu entwickeln und in
den medizinischen Betreuungsalltag umzusetzen. Werner Ries wurde am 20. März
1921 in Nürnberg geboren, studierte in
Würzburg und Leipzig, promovierte 1945
und absolvierte seine Facharztausbildung
für Innere Medizin an der Medizinischen
Universitätsklinik Leipzig. Nach der Habilitation 1956 erfolgte 1969 die Ernennung
zum Universitäts-Professor für Innere Medizin und Gerontologie an der Universität
Leipzig. Mit Engagement und Zielstrebigkeit gründete er in dieser Zeit die Gerontologische Abteilung der Medizinischen
Klinik und widmete sich seinem Hauptforschungsgebiet, der Adipositas und dem
Stoffwechselgeschehen der Gerontologie.
Seine Verdienste um die Entwicklung der
Alternsforschung sind unbestritten, sein
persönlicher Anteil bei der Gründung der
Gesellschaft für Alternsforschung der
DDR, deren erster Vorsitzender er wurde,
und seine Mitarbeit als Vorstandsmitglied
der Gesellschaft für Gerontologie sind hervorzuheben. Darüber hinaus wurde er zum
Leiter der Sektion Geriatrie der Gesellschaft für Gerontologie der DDR ernannt.
1992 führte der engagierte Humanist die
beiden deutschen Gerontologiegesellschaften zur Deutschen Gesellschaft für
Gerontologie und Geriatrie zusammen und
wurde Tagungspräsident ihres ersten gesamtdeutschen Kongresses.
Sein wissenschaftliches Werk umfasst elf
Monographien und Lehrbücher, zehn
Buchbeiträge, 225 Publikationen in Fachzeitschriften und 130 Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen. Er war
ordentliches Mitglied der Sächsischen
Akademie der Wissenschaften und Leiter
der Arbeitsgruppe Biologisches Altern. In
seiner mehr als 34-jährigen Lehrtätigkeit
bildete er viele Ärztegenerationen fachkompetent und in humanistischem Sinne
aus. Viele Studenten und Doktoranden verdanken ihm die Hinführung zu einer Ganzheitsbetrachtung der Inneren Medizin. Aus
seinem umfangreichen wissenschaftlichen
Werk sind hervorzuheben die Entwicklung
zur Bestimmung des biologischen Alters
sowie die umfangreiche Längsschnittuntersuchung zum Alternsvorgang in der
Leipziger Bevölkerung.
Geachtet von der Ärzteschaft fand er auch
Anerkennung in zahlreichen Ehrungen und
Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Außerdem war
er Mitglied und Ehrenmitglied in zahlreichen nationalen und internationalen
Fachgesellschaften. Die große Anzahl
seiner Schüler, Mitarbeiter, Kollegen und
Wegbegleiter gedenken seiner in großer
Dankbarkeit. Sie werden ihn als stillen,
feinen Menschen und engagierten Arzt,
Wissenschaftler und Hochschullehrer in
Erinnerung behalten.
Joachim Schauer
im Namen der Internisten der Universität
Nachruf für Professor em. Wolfgang Lorenz
Am 19. Juni verstarb
im Alter von 81 Jahren
nach
kurzer
schwerer Krankheit
Prof. Dr. rer. nat. habil. Wolfgang Lorenz.
Am 29. Oktober 1925
in Zwickau geboren,
studierte er von 1946
bis 1950 Physik an
der Universität Leipzig. 1951 nahm er
seine Lehr- und Forschungstätigkeit am Physikalisch-Chemischen Institut der Universität Leipzig auf,
promovierte und habilitierte sich hier und
erhielt im Jahr 1961 eine Professur für Physikalische Chemie.
Seine mehr als 45-jährige Schaffensperiode, die weit über die Emeritierung im
Jahr 1991 hinausreichte, war geprägt durch
grundlegende Arbeiten auf dem Gebiet der
elektrochemischen Kinetik. Von wesentlicher Bedeutung für die moderne Elektro40
denkinetik war die Einführung des Konzepts des partiellen Ladungsübergangs bei
elektrochemischen Reaktionen, das durch
umfangreiche Experimente verifiziert
wurde. Theorie und Experiment gleichermaßen zu beherrschen, war ein wesentlicher Zug seiner Forschung.
Vor dem Hintergrund, dass Wolfgang
Lorenz als „Nicht-Reisekader“ der lebendige Kontakt mit westlichen Kollegen weitgehend verschlossen blieb, muss man im
Rückblick seine wissenschaftlichen Leistungen noch höher schätzen.
Die äußerst fruchtbare, eigenschöpferische
wissenschaftliche Tätigkeit, die in über 200
Publikationen und mehreren Patenten ihren
Niederschlag fand, war jedoch nur eine
Seite des Wirkens von Prof. Lorenz.
Brachte er zunächst einer kleinen Zahl von
Studenten in Spezialvorlesungen ein modernes Bild der Physikalischen Chemie
nahe, wurden seine modernen Lehrinhalte
später fester Bestandteilteil des Chemiestudiums überhaupt und insbesondere der
Fachstudienrichtung „Theoretische Physikalische Chemie“. Neben seiner Ausstrahlung als Hochschullehrer und Wissenschaftler war es wohl auch der Ruf einer
ausgezeichneten wissenschaftlichen Betreuung und einer sehr intensiven Zusammenarbeit, der überwiegend leistungsstarke Studenten veranlasste, sich um ein
Diplom- bzw. Promotionsthema in seiner
Forschungsgruppe zu bemühen. So entstanden über 60 Diplomarbeiten, 28 Promotionsarbeiten und drei Habilitationsschriften unter seiner wissenschaftlichen
Anleitung. Dass fast alle ehemaligen Schüler anlässlich des Kolloquiums zu seinem
80. Geburtstag im November 2005 den
Weg teils von weit her nach Leipzig fanden, ist ein Ausdruck der hohen Wertschätzung für ihren akademischen Lehrer.
PD Dr. Cornelia Engler,
PD Dr. Klaus-Dieter Schulze,
Wilhelm-Ostwald-Institut für
Physikalische und Theoretische Chemie
journal
Personalia
Ein Leben für Wissenschaft,
Universität und Kirche
Nachruf für Prof. Dr. Dr. Günther Wartenberg
Nach schwerer Krankheit ist Professor Dr.
Dr. Dr. h.c. Günther Wartenberg am 9. Juli
im Alter von 64 Jahren verstorben. „Damit
hat uns eine außergewöhnliche Persönlichkeit, der die Universität Leipzig zu großem
Dank verpflichtet ist, viel zu früh verlassen“, betonte Rektor Prof. Dr. Franz Häuser.
Günther Wartenberg war seit 1982 Dozent
an der Theologischen Fakultät Leipzig und
seit 1992 Professor für Kirchengeschichte.
Als Leiter der Abteilung Spätmittelalter/
Reformation bewahrte er das Erbe der Reformationsforschung an dieser Fakultät.
Auch nach der Wende 1989/90 konnte er
durch seine weit reichende nationale und
internationale Tätigkeit Leipzig als Ort der
Reformations- und Lutherforschung weiter
etablieren. Mit seinen wissenschaftlichen
Arbeiten zur Territorialkirchengeschichte
leistete er einen bedeutenden, weit über die
Universität hinauswirkenden Beitrag zur
Landeskirchengeschichtsforschung.
Daneben galt seine besondere Liebe der
Geschichte seiner sächsischen Landeskirche. In Anerkennung seiner Mühen um
die Kirchen in der Diaspora, besonders in
den Ländern Ostmitteleuropas, verlieh ihm
die Babeş-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca (Klausenburg/Rumänien) im Jahre
2003 die Ehrendoktorwürde.
Sein Ziel: Gemeinsam die
Universitätsgeschichte bis
2009 aufarbeiten
Seit Januar 2000 widmete sich Professor
Wartenberg der Aufgabe, eine Arbeitsgruppe Universitätsgeschichte aufzubauen. In Zusammenarbeit mit den Professoren Döring, von Hehl, Rudersdorf und
Zwahr entwickelte er ein Konzept für eine
mehrbändige „Geschichte der Universität
Leipzig“, in der sowohl eine historische
Standortbestimmung der Universität als
auch eine Verknüpfung mit der Stadt-, Landes- und Reichsgeschichte vorgenommen
Heft 5/2007
werden soll. Als Leiter der 2002 eingerichteten Senatskommission zur Erforschung
der Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte trieb er dieses Projekt
weiter voran. Gleichzeitig wurde damit
begonnen, die Fakultäten und Institute für
die Aufarbeitung ihrer Geschichte zu gewinnen.*
Überlegungen führten zu einer Erweiterung des Projekts Universitätsgeschichte
sowie zur Einrichtung der Reihe „Beiträge
zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte“, in der neue wissenschaftliche Forschungen und Arbeiten publiziert werden. Dank seines Einsatzes und
Organisationsgeschicks sind wesentliche
Arbeiten für die mehrbändige Geschichte
der Alma mater Lipsiensis erbracht, die im
Jubiläumsjahr 2009 erscheinen wird.
„International anerkannter
Wissenschaftler, kluger Ratgeber und liebenswürdiger
Kollege“
Historiker, Theologe, Prorektor, Dekan
und Vorsitzender der Senatskommission
zur Erforschung der Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte: Am
9. Juli starb Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Günther Wartenberg.
Foto: Karin Kranich
Günther Wartenberg ging auf die einzelnen
Einrichtungen und deren Leiter zu und
warb um ihre Mitarbeit am Projekt einer
Gesamtgeschichte der Universität Leipzig.
In den unzähligen Gesprächen, die er
führte, zeichnete sich ab, dass die historische Darstellung nicht nur auf Längsschnitte beschränkt werden könne, sondern
auch die Entwicklung der einzelnen Fächer
und Disziplinen und der sie tragenden Personen berücksichtigt werden müsse. Diese
Professor Wartenberg engagierte sich
mehrmals als Dekan der Theologischen
Fakultät und betrieb von 1990 bis 1997 als
Prorektor für Lehre und Forschung die
Umgestaltung und Modernisierung der
Universität Leipzig voran. „Mit besonderer
Umsicht, mit Sachverstand und in sehr persönlicher Weise hat er es verstanden, den
Reformprozess jener Jahre maßgeblich
mitzugestalten“, unterstrich Rektor Häuser
die große Verdienste von Professor Wartenberg.
Für die Theologische Fakultät hob Dekan
Rüdiger Lux in der Trauerfeier für Professor Günther Wartenberg in der Leipziger
Nikolaikirche hervor: „Die Fakultät verliert mit dem Verstorbenen einen national
und international angesehenen Wissenschaftler, einen klugen Ratgeber und einen
liebenswürdigen Kollegen. Sein Leben war
der Wissenschaft und der Universität gewidmet.“
r.
* In der nächsten Ausgabe folgt eine Würdigung der Tätigkeit von Prof. Wartenberg
als Vorsitzender der Kommission zur Erforschung der Leipziger Universitäts- und
Wissenschaftsgeschichte.
41
Personalia
Ein Leben für die Wissenschaftsgeschichte
Dem Mathematikprofessor Hans Wußing zum
80. Geburtstag
Von Dr. Fritz König und Dr. Karl-Heinz Schlote
Wenn Prof. Hans Wußing am 15. Oktober
seinen 80. Geburtstag feiert, kann er
zugleich auf 50 Jahre aktive, erfolgreiche
Tätigkeit auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte zurückblicken. Mit
seinen Arbeiten zur Geschichte der Mathematik erlangte er Weltgeltung. Als
junger Gelehrter erlebte er die Gründung
einer mathematik- und naturwissenschaftsgeschichtlichen Abteilung am traditionsreichen Karl-Sudhoff-Institut und musste
frühzeitig nach dem Tod von Gerhard
Harig deren Aufbau fortsetzen und vollenden.
1927 im sächsischen Waldheim geboren,
wurde der 15-jährige Hans Wußing als
Luftwaffenhelfer eingezogen und erlebte
die Schrecken des Krieges. Nach der Rückkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft
1946, dem Schulabschluss 1947 und der
als großes Glück empfundenen Zulassung
zum Studium an der Leipziger Universität,
führte ihn sein Lebensweg über das Staatsexamen für Mathematik und Physik
(1951), als Basis für den angestrebten
Beruf des Oberstufenlehrers, zu einer
Aspirantur an der Universität Leipzig bei
Walter Schnee (1885 –1958). 1957 wurde
er mit einer gruppentheoretischen Arbeit
promoviert und wandte sich nach zweijähriger Lehrtätigkeit in Mathematik und
Physik an der „Arbeiter- und Bauern-Fakultät“ in Leipzig 1958 als Assistent am
Karl-Sudhoff-Institutder Mathematik- und
Naturwissenschaftsgeschichte zu. Der Habilitation 1966 folgten ein Jahr später die
Verleihung einer Dozentur für Geschichte
der Mathematik und der Naturwissenschaften, 1968 die Berufung zum außerordentlichen Professor und 1970 zum
Ordinarius für dieses Fachgebiet.
Es war wesentlich ihm zu verdanken, dass
ab Mitte der 1970er Jahre Vorlesungen zur
Geschichte der Mathematik, Physik, Che42
mie und Biologie zu einem festen Bestandteil des Curriculums dieser Fachrichtungen
wurden, für die entsprechenden Lehramtsstudiengänge als Pflichtfach. Es gelang
ihm, eine international angesehene wissenschaftliche Schule in Leipzig zu etablieren,
aus der mehr als 20 Promotionen und
Habilitationen hervorgingen. Seine Forschungsaktivitäten zur Wissenschafts- und
speziell der Mathematikgeschichte reichen
von wissenschaftlichen Themen über die
Geschichte der Naturwissenschaften insgesamt bis zu biographischen und detaillierten mathematikhistorischen Analysen.
Eine umfangreiche Publikationsliste mit
etwa 200 Einträgen, davon über 15 Bücher,
zeugt davon.
Der Leipziger Professor Hans Wußing
machte sich mit Forschungen zur Wissenschafts- und speziell Mathematikgeschichte weltweit einen Namen. Am
15. Oktober wird er 80 Jahre alt.
Foto: Universitätsarchiv
Stellvertretend seien einige seiner teilweise
schon zu den Klassikern der Wissenschaftsgeschichte gehörenden Schriften
genannt, wie die „Mathematik in der Antike“ (1962), „Die Genesis des abstrakten Gruppenbegriffes“ (1969) die „Vorlesungen zur Geschichte der Mathematik“
(1979, gemeinsam mit Kollegen), die
„Geschichte der Naturwissenschaften“ von
den Anfängen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (1982 gemeinsam mit Kollegen),
„Adam Ries. Die Coß“ (1992, mit W.
Kauzner) und „Die große Erneuerung“
(2002).
Seit über einem Jahrzehnt beteiligt sich der
Jubilar intensiv an dem Projekt Hildesheimer Kollegen, durch die Einbettung des
Werdegangs der Mathematik in die kulturelle Entwicklung einem breiten, in der
Regel weniger einschlägig mathematisch
vorgebildeten Publikum, einen Zugang zur
Mathematik und ihrer auch kulturhistorischen Bedeutung zu liefern.
Sein vielfältiges Wirken für die Wissenschaft verdient und fand internationale
Anerkennung, wovon unter anderem die
Mitgliedschaft in der Académie Internationale d’Histoire des Sciences und die Verleihung der Kenneth O. May Medaille (1993)
zeugen. Hans Wußing hat in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts das Renommee
Leipzigs und seiner Universität, die Wissenschaft Mathematik, seine Geschichte
und Didaktik betreffend, nachhaltig gefördert. Nicht zuletzt auch dadurch genießt
die Mathematik Leipzigs national wie
international hohe Wertschätzung, was sich
beispielhaft durch den bislang sehr Erfolg
versprechenden Antrag auf Einrichtung
des „Felix-Klein-Zentrums“ im Rahmen
der Exzellenzinitiative der Bundesrepublik
zeigt. Umso bedauerlicher ist es, dass seine
Professur nach 1992 nicht weitergeführt
wurde.
journal
Personalia
Prof. Jürgen Innenmoser
zum 65. Geburtstag
Der Weg ist
beim Aquajogging das Ziel
Zwei Mal wöchentlich treffen sich die Teilnehmer der Übungsgruppe und werden
sogleich mit dem Appell „Der Weg ist das
Ziel“ ins Wasser geschickt. Da von Prof.
Dr. Jürgen Innenmoser immer Freude und
volle Konzentration auf die Trainingsstunde im Einklang stehen, freut sich jeder
darauf. Wenn man die leise Energie eines
Mannes am Beckenrand spürt, der es mit
jedem ernst meint, schwingt man sich
selbst zur Leistung auf. Sabine Friedrich
(65) sagt: „Prof. Innenmoser trainiert trotz
der großen Gruppe sehr individuell und,
egal ob Behinderten-Gruppe oder Flitzer,
er korrigiert Haltung und Einsatz. Wir
kommen ordentlich in Schwung!“ Da er
sich intensiv mit der Krankengeschichte
und der Person beschäftigt, wird die Belastung genau beobachtet, zurückgenommen
oder gesteigert. Man hat zu sich selbst Vertrauen und verlangt sich etwas ab, was man
alleine wohl nicht tun würde. Jeder, ja jeder!, ist belastbarer und besser im Training,
und so auch im Alltag, geworden.
Singen, scherzen, lachen, auch manchmal
laut reden oder zählen, schaffen eine launige Atmosphäre und sprechen Geist und
Koordinationsfähigkeit an. Der Spaß darf
nicht zu kurz kommen, verbissener Druck
im Gesicht wird sofort korrigiert. Und da
der Mann aus Köln kommt, geht’s zur Faschingszeit nur im Kostüm ins Wasser.
Die Fakten sprechen für sich: Übersicht zur
Leitung des Vereins, Kompetenz in der
Vorstandsarbeit und Zusammenarbeit mit
den Sportlehrern, der Weitblick und die
Übersicht für die Notwendigkeit neuer
Übungsgruppen, der Kontakt zu jedem
einzelnen – das ist ein Ausnahme-Hochschullehrer. Ehrlich gesagt: Er könnte doch
ruhiger leben, wissenschaftlich arbeiten,
was sammeln und gut. Aber nein, das will
er nicht. Bei ihm gehört alles zusammen:
Training und Kommunikation, Essen und
Reden, Sommerfest und Auswertung der
Unterwasserkamera mit allen.
Katrin Hart
Prof. Dr. Jürgen Innenmoser in seinem
Element. Am 2. September vollendete er
das 65. Lebensjahr.
Foto: Jan Woitas
Heft 5/2007
43
Personalia
Habilitationen
Medizinische Fakultät
Dr. Daniel Teupser (5/07):
Molekulare Zellfunktion und Genetik der Atherosklerose
Dr. Konrad Seller (7/07):
Biomechanische, klinisch-radiologische und operationstechnische Untersuchungen zur Instrumentation
von skoliotischen Wirbelsäulendeformitäten
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie
und Psychologie
Dr. Evelyn Ferstl (5/07):
The functional neuroanatomy of text comprehension
Dr. Marcus Stück (6/07):
Entwicklung und empirische Überprüfung eines Belastungs-Bewältigungskonzeptes für den Lehrerberuf
Dr. Thomas Berendonk (6/07):
Analyse historischer und rezenter ökologischer Prozesse und deren Einfluss auf die genetische Diversität einer Art
Sportwissenschaftliche Fakultät
Dr. Christoph Freiherr von Laßberg (6/07):
Zur okulomotorischen Orientierungsregulation und
Bewegungssteuerung bei mono- und multiaxialen
Ganzkörperrotationen in technisch-kompositorischen
Sportarten
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften
Dr. Anke Reichenbach (6/07):
Goldenes Lächeln und mächtiges Gelächter. Die
Lachkultur arabisch-muslimischer Frauen am Persischen Golf
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Dr. André Casajus (7/07):
Beyond basic structures in game theory
Promotionen
Fakultät für Chemie und Mineralogie
Christiane Ulrike Eva Berghof (2/07):
Synthese, Charakterisierung und Komplexierungseigenschaften von Metallkomplexen mit S,O-Donorliganden
Yan-Chun Liu (2/07):
Nickel auf NiO-Filmen: Analyse von Struktur und
Reaktivität mittels Metastabilen Induzierter Elektronenspektroskopie (MIES)
Hui Zong (2/07):
Transition from the single phase into the double-phase
regime in the ternary mixtures of Formamide,
Hex4NCl, CsCl and Formamide, Hex4NCl, CsF
Claudia Gey (3/07):
Development of new inhibitors for histone modifying
enzymes:library screening, natural product isolation
and biological evaluation
Jörg Fröhlich (3/07):
Untersuchungen zur Reduktion von N-substituierten
Oxazolidin-2-onen
Tatiana Luts (3/07):
Immobilization of metal Salen complexes into mesoporous silica and their study in the catalytic epoxidation of olefins
Kshama Parajuli (3/07):
Laser based kinetic investigations of halogen radicals
in aqueous solution
44
Ingo Hartmann (4/07):
Untersuchungen zur Katalytischen Nachverbrennung
von Luftschadstoffen mit Unterstützung durch Mikrowellenenergie
Thomas Machold (4/07):
Mechanistische Untersuchungen zur selektiven Oxidation von n-Buten/n-Butan an Vanadiumoxid-haltigen Katalysatoren
Ulf Trommler (4/07):
Einfluss von Huminstoffen auf chemische Reaktionen
bei der Reinigung von kontaminierten Wässern
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Dirk Bessau (4/07):
Politischer Innovator, Institutionen und wirtschaftliches Wachstum. Ein Beitrag zur ökonomischen
Theorie der Verfassung aus neoklassischer Sicht.
Jochen Kliver (4/07):
Duktilitätsanforderungen an vorwiegend biegebeanspruchte Stahlbeton- und Spannbetonbauteile
Paola Thomas (4/07):
Ermittlung der Aufwendungen für die Bewirtschaftung der Wasserressourcen – ein Beitrag zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie
Matthias Klumpp (5/07):
Modern Public Budgeting – Anforderungen an Informations- und Risikomanagementsysteme in öffentlichen Einrichtungen am Beispiel einer Risk-ReturnSteuerung für Hochschulen
Martin Nowack (6/07):
Projektentwicklung von Gewerbeimmobilien mit der
Scorecard PE
Rosemarie Schumann (6/07):
Genealogische Analyse zur Inhaltsbestimmung des
Wertefundaments der Sozialen Marktwirtschaft und
dessen Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Konzeptes
Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie
und Psychologie
Olaf Thalmann (3/07):
Genetic variation in Gorillas
Søren Krogh Andersen (3/07):
Feature-based visual attention in human EEG
Claudia Heine (3/07):
Expression purinerger Rezeptoren im dopaminergen
System – Einfluss von P2-Rezeptoragonisten und
-antagonisten auf das Wachstum von organotypischen
Gewebe-Co-Kulturen
Felix Warneken (4/07):
The Origins of Helping and Cooperation
Uta Wagner (4/07):
Die Bedeutung genetischer Variationen im Bereich
des Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) Locus
bei rheumatoider Arthritis (RA)
Birgit Mosch (4/07):
Die Bedeutung genetischer Variationen im Bereich
des Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) Locus
bei rheumatoider Arthritis (RA)
Katrin Tefs (4/07):
Schwerer Typ I Plasminogenmangel als Ursache der
Conjunctivitis lignosa – Molekulargenetische, hämostaseologische u. protein-analytische Untersuchungen
Jens Kolander (4/07):
Synthese sowie chemische und biologische Eigenschaften von 1-Amino-2,4-dihydroxy-9,10-anthrachinonen
Jasem Al-Mansour (4/07):
Die Bedeutung von psychosozialen Bedingungen für
die Lebenszufriedenheit im Alter – Ein interkultureller Vergleich zwischen der deutschen und syrischen
Kultur
Dirk Mischke (4/07):
Generierung regulatorischer CD4+ T-Zellen aus naiven CD4+CD45RA+ T-Zellen durch Anti-CD4-Interaktion
Ophir Tal (4/07):
Comparative flowering ecology of Fraxinus excelsior,
acer platanoides, Acer pseudo-platanus and Tilia
cordata in the canopy of Leipzig‘s floodplain forest
Matthias Salomo (5/07):
Optische Pinzetten zum Studium der Wechselwirkungen zwischen histonähnlichen Proteinen und einzelnen DNA-Molekülen
Jasna Martinovic (5/07):
Event-related Gamma-band Activity in Visual Object
Representation
Carolin Donath (5/07):
Tabakkontrollpolitik in stationären Suchtrehabilitationskliniken in Deutschland: Status und Auswirkungen
Christiane Fischer-Münnich (5/07):
Gestaltung intergenerativer Beziehungen in der Familie – Eine Fragebogenuntersuchung in ostdeutschen
Drei-Generationen-Familien
Sascha Göttling (5/07):
Am Rande der Arbeitsgesellschaft – Psychologische
Analyse der Arbeit langzeiterwerbsloser Menschen
Claudia Claus (5/07):
Influence of rubella virus structural proteins on entry
and early post-entry events and on maintenance of
viral RNA genome
Gerd Müller (5/07):
Charakterisierung zweier neuer Zellzyklusgene
Maik Friedrich (6/07):
Untersuchungen zur Charakterisierung der humanen
Mono-ADP-Ribosyltransferase ART3
Stephanie Schmidt (6/07):
Molecular analyses of ciliates: implications on species differentiation and phylogeny
Jacqueline Maier (6/07):
DNA damage and spontaneous mutagenesis in the
thyroid gland of rats and mice under the influence of
iodine and/or selenium deficiency
Ulrica Dengl (6/07):
Aktuelle Fragestellungen zur Analytik von Dimenhydrinat und Molsidomin im Rahmen der Qualitätssicherung von Arzneimitteln
Susan Kralisch (6/07):
Adipokines: Link Between Insulin Resistance and
Obesity
Cornelia Deckert (6/07):
Molecular Aspects of Adiponectin Receptors
Fakultät für Geschichte, Kunst- und
Orientwissenschaften
Susanne Karam (5/07):
Lesestrategien im Arabischen als Fremdsprache. Eine
qualitative Studie zum Einsatz von Strategien
deutschsprachiger Lerner beim Leseverstehen arabischer Texte
Atef Botros (5/07):
Kafka aus Sicht arabischer Intellektueller. Die Wahrnehmung des jüdischen Beitrages zur europäischen
Moderne zwischen universalistischer Integration und
partikularistischer Politisierung
Jessica Böttcher-Ebers (6/07):
Der Bogen als visuelles Zeichen im römischen Stadtbild. Zum Bedeutungswandel eines Architekturelements in der späten Republik
Olaf Czaja (6/07):
Medieval Rule in Tibet: The Rlangs Clan and the
Political and Religious History ot the Ruling House
of the Phag mo gru pa
journal
Personalia
Ulrike Ludwig (7/07):
Philippismus und orthodoxes Luthertum an der Universität Wittenberg – Die Rolle Jakob Andreäs im lutherischen Konfessionalisierungsprozeß Kursachsens
(1576–1580)
Stefan Weixler (7/07):
Kreuzgänge und kreuzgangsgleiche Gangsysteme im
mittelalterlichen England. Die Entwicklung eines
Bautypus im sakralen und profanen Kontext
Felix Fleischer (7/07):
Siedlungsarchäologie auf dem Mont Beuvray. Die Ausgrabungen der Universitäten Kiel und Leipzig 1989–
1998 im Oppidum Bibracte (Nièvre – Saône-et-Loire)
Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie
Sandra Baquedano Jer (5/07):
Wille zur Phantasie. Versuch das ,Nichts‘ bei Schopenhauer auszuloten
Anthony Onyemachi Agwuele (5/07):
Rorty’s Deconstruction of Philosophy and the challenge of African Philosophy
Andrea Claudia Hoffmann (6/07):
Imagination und Medienaneignung: Ein Vergleich der
Erinnerung an Traumplots und medial vermittelte
Fiktionen
Frank Herkenhoff (6/07):
Risikomanagement für Public Relations. Theoretische
Fundierung und instrumentelle Systematik zur Handhabung publizistischer Risiken
Barbara Könczöl (7/07):
„Ich war, ich bin, ich werde sein“ – Die SED und das
Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl-Liebknecht.
Eine Studie zur Sakralisierung von Politik und politischen Mythen in der DDR
Sandra Fleischer (7/07):
Mediale Beratungsangebote als Orientierungsquellen
für Kinder. Ein Beitrag zur Theorie der Orientierungsfunktion des Fernsehens
Gabriele Kühne (7/07):
Europäische grenzüberschreitende Zusammenarbeit
an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland: Die
EUREGIO und die Euroregion Neiße als EU-Binnengrenzregion und EU-Außengrenzregion bis zur EUOsterweiterung 2004
Jörn Bohr (7/07):
Raum als Sinnordnung bei Ernst Cassirer
Stefan Jarolimek (7/07):
Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung. Theoretische Annäherung und das Fallbeispiel Belarus
Axel Philipps (7/07):
Zwischen Unsicherheit und Zurückweisung. Alltäglicher Umgang mit Lebensmittelskandalen
Sebastian Noll (7/07):
Das Verhältnis zwischen Kommune und Bürger im
Wandel der Zeit – Reformen für mehr Bürgernähe in
der Evaluation
Falk-Thoralf Günther (7/07):
Afrika- und Lateinamerikaforschung in Deutschland
zwischen Kaiserreich und Drittem Reich: Wissenschaftsentwicklung und äußere Einflüsse im Vergleich der Standorte
Fakultät für Mathematik und Informatik
Timm-Ulrich Lochmann (5/07):
Uncertainty in Neural Preceptual Systems
Asvin Goel (6/07):
Fleet telematics: Real-time management and planning
of commercial vehicle operations
Patryk Burek (7/07):
Ontology of Functions: A Domain-indepentend Framework of Modelling Functions
Heft 5/2007
Fakultät für Physik und Geowissenschaften
Manuela Reichelt (5/07):
Entwicklung und atmosphärische Anwendung eines
optischen Partikelzählers für Tropopausenbedingungen
Daniel Fritsch (5/07):
Investigation of Nitride and Oxide Semiconductors
by means of the Empirical Pseudopotential Method
Daniel Spemann (6/07):
Anwendungen hochenergetischer Ionenstrahlen in
den Materialwissenschaften: Quantitative Ionenstrahlanalyse von optoelektronischen Halbleitermaterialien und Graphit sowie Erzeugung magnetischer
Ordnung in Kohlenstoff mittels Ionenbeschuss
Vijayasarathi Nagarajan (7/07):
Vanadium(IV) Complexes on Solid Surfaces and in
Frozen Solutions as Studied by Pulsed EPR Spectroscopy
Philologische Fakultät
Torsten Andreas (5/07):
Zur Perzeption gesungener Vokale
Katrin Max (7/07):
Niedergangsdiagnostik. Zur Funktion von Krankheitsmotiven in Thomas Manns Roman „Buddenbrooks“
Eike Lauterbach (7/07):
Eine Untersuchung von Sprechfehlern und Interferenzprozessen beim Dolmetschen
Medizinische Fakultät
jeweils 9/06:
Holm Sörgel:
Untersuchung zu Wechselwirkungen zwischen Atmung und visuell geführten Folgebewegungen der
oberen Extremität
Anne-Berit Trenkmann:
Nachtestung von Patienten mit Wachstumshormonmangel im Adoleszentenalter
Ulrike Magdalena Winter:
Epidemiologie frauenspezifischer Beschwerden in
der Gesamtbevölkerung und Konstruktion eines
Fragebogens zur Erfassung gynäkologischer Krankheitssymptome unter besonderer Berücksichtigung
psychischer und somatischer Interaktionsmuster
Kerstin Böhm:
Polymorphismen im transforming growth factor-beta
(TGF-beta1) bei Patienten mit chronischer nichtalkoholischer Pankreatitis
Hella de Paly:
Konzentration vo Leptin und dem löslichen Leptinrezeptor im Serum gesunder Schulkinder – Zusammenhang mit dem Körperfettgehalt
Sebastian Wulff:
Chronisch kranke Kinder und ihre Eltern – Eine Untersuchung zu Partnerschaft und Bindung bei Eltern
von Kindern mit Diabetes mellitus Typ 1
Christian Karl Brinkmann:
Reproduzierbarkeit der Messung makulärer Pigmentdichte mit der konfokalen Scanning-Laser-Ophthalmoskopie
Carolin Kunz:
Morphometrische Untersuchungen der Haut verschiedener Körperregionen Neugeborener
Wolfgang Tobias Vogel:
Beteiligung der Proteinkinase C an der Vermittlung
der Effekte von oxidativen Stress in der pulmonalen
Mikrozirkulation
Margret Wegner:
Arthrogrypsis multiplex congenita – Eine Klassifikation
Franziska Philomena Busse:
Evaluation des Überganges von Jugendlichen und
jungen Erwachsenen mit Diabetes mellitus Typ-1 von
der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin
Eva Veronika Ludwig:
Erlaubt die zervikale Lymphknotenmorphologie
Rückschlüsse auf die Primärtumorlokalisation bei
Kopf-Hals-Karzinomen
Steffen Otte:
Verlauf und Korrelation funktioneller, Angiographischer und morphologischer Befunde bei exsudativer
altersabhängiger Makuladegeneration
Carolyn Finck:
Attitudes towards Preimplantation Genetic Diagnosis
(PGD) in the German General Population
Robert Rabenalt:
Die endoskopische extraperitoneale radikale Prostatektomie (EERPE) – Ergebnisse nach 700 Operationen
Thilo Schwalenberg:
Histomorphologische Untersuchungen zu den Muskelsystemen am unteren Harntrakt beim männlichen
Hund – Prüfung der Eignung als Modelltier in der urologischen Forschung
Julia Teresa Kolloch:
Einfluß einer Carvedilol- und Metoprolol-Therapie
auf die Expression und Aktivität antioxidativer
Enzyme der Skelettmuskulatur bei chronischer Herzinsuffizienz: Ergebnisse einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie
Horst Leitsmann:
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen der Region Leipzig im Zeitraum 1977 bis 1999
Christian Kulla:
Modulation der T-Zellfunktion durch flüchtige aromatische Verbindungen
Alexander Wolfgang Göckritz:
Die Analyse der regionalen myokardialen Durchblutung unter Ruhebedingungen mit Anwendung des
Power-Doppler-Harmonic-Imaging und der myokardialen Kontrastechokardiographie-Ermittlung von
Parametern zur Detektion von regionalen Ischämien
– Überprüfung eines vereinfachten Analyse-Algorithmus zur Diskriminierung
Steffen Kolschmann:
Klinische Effizienz und Sicherheit der thorakoskopischen Talkum-Pleurodese bei malignem Pleuraerguss
Johannes Reuter:
Untersuchungen zur Rolle der Koilozyten (durch humane Papillomaviren infizierte Epithelzellen) bei der
Karzinogenese von Larynx- und Tonsillentumoren
Johannes Köhler:
Untersuchungen zur Expression von Proteasen und
Zytokinen in melanomzellstimulierten Hautfibroblasten
Silke Raab-Pless:
Mutationsanalyse therapieresistenter humaner Zytomegalieviren mittels Echtzeit-PCR
Thorsten Kaiser:
Entwicklung, Etablierung und Anwendung einer
Real-Time-PCR-Methode zur Untersuchung der Relevanz einer GB-Virus C-Infektion bei HIV-infizierten Patienten
Julia Borsche:
Vorstellungen der deutschen Allgemeinbevölkerung
über die Schizophrenie
Alexander Dünnebier:
Analyse der klinischen Symptomatik von Maligne
Hyperthermie verdächtigen Narkosezwischenfällen,
die an der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie
und Intensivtherapie der Universität Leipzig bis 2001
erfasst wurden
45
NÜRNBERGER
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Verschenken Sie nichts
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46
journal
Personalia
Ina Hartnack:
Behandlungsergebnisse beim infrarenalen Aortenaneurysma unter besonderer Berücksichtigung der
Prothesendilatation und der Lebensqualität
Robert Scheibe:
Multiplex-Analyse inflammatorischer Zytokine im
Atemkondensat von Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung
Robert Stöhr:
Quantifizierung viraler RNA verschiedener Gene
durch Real-Time PCR in Masernvirus infizierten
Zellkulturen
jeweils 12/06:
Dipl.-Med. Margarete Jungnickel:
Ergebnisse der klinischen Lebertransplantation am
Transplantationszentrum Leipzig von 1993 – 2003
Chris Heyter:
Die Meniskusrefixation mittels biodegradabler Implantate
Oliver Christoph Spies:
Beteiligung von Adenosin-Rezeptoren an Mechanismen der endogenen Belohnung
Kristina Richter:
Untersuchung neuropsychologischer Parameter an
forensischen Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit –
Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
Marieluise Baumberger:
Geburten von Kindern mit Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten in Koinzidenz zu maternal-gynäkologischen
Risikofaktoren – eine retrospektive Studie
Patricia Michaela S. Buck:
Der Einfluss humanen Leptins auf die Proliferation
von humanen Nabelschnurvenen-Endothelzellen
Katja Oehring:
Die Expression von Mumpsgenen in eukaryontischen
und prokaryontischen Expressionssystemen
Kristin Donaubauer:
Untersuchungen zu Atherosklerosefaktoren und Autoimmunreaktionen in der Genese des einseitigen
Hörsturzes
Alexander Franck:
Die operative Behandlung von Wirbelsäulenmetastasen zur Therapie instabilitätsbedingter Schmerzsyndrome und Prophylaxe neurologischer Ausfälle.
Eine retrospektiv-deskriptive Studie über sekundäre
Tumoren an der Wirbelsäule in den Jahren 1996 bis
2003
Pia Heinrich:
Die Geschichte des Kreiskrankenhauses Herzberg/
Elster von der Gründung bis zur Gegenwart
Anna-Sophia Grosspeter:
Die Hydroxylapatitkeramik „Endobon“ in der Behandlung von Knochensubstanzdefekten – Literaturüberblick und Analyse von 58 Fällen
Simone Kimmel:
Operative Behandlung der Subarachnoidalblutung –
Neuroprotektion durch Hypothermie – Eine tierexperimentelle Studie
Thomas Alexander Kupka:
Funktionelle Nahinfrarotspektroskopie in den kognitiven Neurowissenschaften – multimodale Bildgebung und ereigniskorrelierte Stimulationsdesigns
Diana Meiler:
Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen mit
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
Sandra Beez:
Der Einfluss von verschiedenen Chemotherapeutika
auf das Wachstumsverhalten permanenter Gliomzelllinien in vitro
Katrin Meyer:
Wirkungen von Organoschwefelverbindungen des
Knoblauchs auf Matrix-Metalloproteinasen und ihre
Heft 5/2007
Inhibitoren in Kulturen von humanen Nabelschnurvenen- und Koronararterien-Endothelzellen
Raik Mühe:
NMDA-Rezeptorexpression im Rattenhirn nach unilateraler dopaminerger Läsion der Substantia nigra
Verena Reichenberger:
Schweres Silkonöl als Endotamponade bei komplizierter Amotio retinae – Studie zum Einsatz von
„Oxane HD R“
Benny Schulz:
Candida albicans: In vitro-Empfindlichkeitstestung
gegenüber Fluconazol und Itraconazol und molekularbiologische Charakterisierung mit der Sonde Ca3
bei hämatologisch-onkologischen Patienten
Robert Schumann:
Untersuchungen zur spezifischen Regulation der Glutamin-Synthetase unter Glucocorticoideinfluss in primär kultivierten Hepatozyten und Hepatomzelllinien
Jan-Peter Streidl:
Optimierungsansätze für die Klinische Umweltmedizin anhand der Auswertung von Patientendaten der
Umweltmedizinischen Sprechstunde am Umweltmedizinischen Zentrum der Universität Leipzig
Hans Christian Volz:
Myokardinfarkt in Ratte und Maus: Expression von
TNF-a, IL-1b und IL-6 im Myokard und Einfluss von
Propranolol auf die Zytokinexpression und auf die extrazelluläre Matrix
Gitte Haßhoff:
Zur Screeningwertigkeit von In-vitro- und In-VivoBewertungen am Beispiel einer spezifischen Produktkette für die Kompositfüllungstherapie
Ines Kranz:
Die Wertigkeit der Nah-Infrarot-Spektroskopie
(NIRS) in der Karotischirurgie. Vergleichende Untersuchungen in Allgemeinanästhesie und Regionalanästhesie.
Jana Redemske:
Auswirkungen einer Anstiegserhöhung auf die biologischen Messgrößen und die Schrittstrukturparameter
beim Laufbandstufentest
Julia Bratanow:
Postoperative Morbidität und Mortalität nach Operationen angeborener Herzfehler im Neugeborenenalter
am Herzzentrum Leipzig im Zeitraum August 1998
bis August 2001 unter besonderer Berücksichtigung
des sekundären Thoraxverschlusses
Kristin Tischendorf:
Stimulation der Toxinproduktion in Clostridium difficile durch subinhibitorische Antibiotika-Konzentrationen
Michael Saborowski:
Kardiale Induktion im sekundären Herzfeld
Susanne Erler:
Fatigue bei Tumorpatienten – Untersuchungen im
Quer- und Längsschnitt
Andualem Mossie Ayana:
Therapeutic role of proteases in preclinical models of
sepsis
Sherif Fathy Soliman:
Entwicklung der Vorfußchirurgie im Bundeswehrkrankenhaus Leipzig
Sebastian Brock:
Therapiemotivation im Maßregelvollzug gemäß § 63
StGB – Entwicklung eines Fragebogens und erste empirische Ergebnisse
Siad Faisal Odeh:
Aerosolassoziierte kardiovaskuläre Notfalleinsätze
Tobias Graf:
Untersuchung zur Wechselwirkung des RötelnvirusNichtstrukturproteins NSP 2 mit dem Retinoblastomprotein und deren Einfluss auf den Zellzyklus
Daniel Surall:
Alkohol-, Zigaretten- und Cannabiskonsum von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Sebastian Riha:
Liposomaler Gentransfer in retinales Pigmentepithel
Karsten Kluba:
Vergleichende Untersuchungen zur Eignung des Bispectral Index TM (BIS) und des Narcotrend-Index R
(NCT) zur Beurteilung der Hypnosetiefe in der Kinderanästhesie
Gabriele Itting:
Körperlich – konstituelle Entwicklung von ad libitum
gestillten Säuglingen von Frauenmilchspenderinnen
Dipl.-Med. Uwe Sievert:
Analyse von Blutspender-Screeningprogrammen zur
Erhöhung der Sicherheit einer Transfusion
Katja Busse:
Detektion von Abbauprodukten der Hyaluronsäure
mittels MALDI-TOF Massenspektrometrie
Sandra Weidhaas:
Das Stigma psychischer Krankheit aus der Sicht schizophren und depressiv Erkrankter
Hauke Paarmann:
Evaluation einer geringinvasiven transösophagealen
Ultraschallmesssonde zur kontinuierlichen Messung
des Herzzeitvolumens unter Zuhilfenahme der Pulskonturanalyse an Patienten während aortokoronarer
Bypassoperationen
Chris König:
Der Einfluss der ärztlichen Aufklärung auf das Empfinden von subjektiven Sensationen bei der intravenösen Applikation jodhaltiger Kontrastmittel bei der
Computertomographie
Susanne Bosse:
Der Nachweis des Zytomegalievirus in Leukozyten
des peripheren Blutes organtransplantierter Patienten
mit Hilfe der in situ-Reverse Transkriptase Polymerasekettenreaktion
Thomas Greuner:
Qualitätsmanagement in der Kieferorthopädie im
Rahmen einer Fragebogenstudie für Patienten, Eltern
und Kieferorthopäden
Beatrix Meumann:
Evaluation prospektiver arbeitsprozessbegleitender
Datenerhebungen andrologischer Patienten zur Gewinnung neuer Einsichten in die Fertilitätsentwicklung
jeweils 1/07:
Michael Göbbeler:
Entwicklung einer dreidimensionalen Zellkulturmethode für Müllersche Gliazellen
Marcus Rönitz:
Überprüfung von Wachstumsprognosen sowie Untersuchungen zum Verhältnis Knochenalter – chronologisches Alter bei groß- und kleinwüchsigen Kindern
Janett Bartsch:
Zum Einfluss von oxidativem Stress auf die cholinerge Neurotransmission bei Morbus Alzheimer –
Untersuchungen an transgenen Tiermodellen
Christian Franke:
Bakterielles Erregerspektrum bei Infektionen des unteren Resprationstraktes in Beziehung zur Diagnose
und Antibiotikatherapie
Marit Schendel:
Die Positronen-Emissions-Tomographie und ihr Stellenwert in der Aktivitätsbeurteilung und Ausbreitungsdiagnostik der Sarkoidose
Dörthe Heimann:
Funktionsveränderungen des Schmeckorgans durch
die lokale Strahleneinwirkung bei Radiotherapie in
der Kopf-Hals-Region
47
Personalia
Alexander Kühn:
Untersuchungen zum Einfluss von Schimmelpilzexposition im dritten Lebensmonat und im dritten Lebensjahr auf Zytokinsynthese und allergische Sensibilisierung dreijähriger Kinder
Matthias Rubach:
Intraoperative MR-Bildgebung zur Resektionsführung bei primären Glioblastomen – Eine quantitative
Untersuchung zu Resektionsradikalität und Überlebenszeit
Margit Thurmaier:
Untersuchungen zur Entwicklung des Immunsystems
von ehemaligen hypotrophen Neugeborenen und
Frühgeborenen im Vergleich zu ehemaligen reifen
Neugeborenen am Ende des 2. Lebensjahres unter
dem Aspekt erhöhter Infektanfälligkeit und der Ausbildung einer allergischen Reaktionslage und Vergleich der Untersuchungsergebnisse am Ende des 1.
Maria Thieme:
CT-Morphologie der Lebergefäße: Detaillierte retrospektive Analyse im Hinblick auf operative Maßnahmen unter Verwendung unterschiedlicher Bildnachbearbeitungsmethoden
Lena-Friederike Kauschen:
Denaturing High Performance Liquid Chromatography (DHPLC) als Methode zur Mutationssuche im
MSH6-Gen bei Patienten mit Verdacht auf HNPCC
(Hereditäres Nichtpolypöses kolorektales Karzinom)
Marcus Oliver Hollenstein:
Tierexperimentelle Evaluierung eines mathematischen Modells zur aortokoronaren Bypass-Quantifizierung mittels hochauflösender Thermographie und
erste klinische Erfahrungen
Stephanie Charlotte Bauer:
Expression von P2X-Rezeptoren in sympathischen
paravertebralen Ganglien und Fibroblasten der Ratte
Katja Töpfer:
DNA-Nachweis p53-Mutationsanalyse im Atemkondensat
Juliane Elisabeth Majer:
Auswirkungen zyklus- und fertilitätsabhängiger Faktoren auf die beta-hCG-mRNA-Expression im Endometrium nongavider Frauen, sowie Nachweis der
dezidualen beta-hCG-mRNA-Expression bei früher
intrauterinerund evtrauteriner Schwangerschaft
Sebastian Weihrauch:
Zellzyklusregulation bei myeloproliferativen Erkrankungen
Carina Weidlich:
Interventionelle Therapie komplexer femoraler Obstruktionen mit selbstexpandierenden Nitinolstents
Thomas Düsing:
Therapieergebnisse und Endgrößen von Patienten mit
Neurosekretorischer Dysfunktion (NSD)
Lito-Laura Gerhold:
Frühe Prädikatoren für das Rehabilitationsergebnis
bei Patienten nach Hirninfarkt
Anke Jahn:
Radiologische Diagnostik bei zervikalen Dystonien
und die Bedeutung für die Therapie mit Botulinumtoxin
Ansgar Kutscha:
Modellierung ökonomischer Bewertungskriterien zur
Unterstützung des strategischen Informationsmanagements bei der Beurteilung von Krankenhausinformationssystemen
Ursula Eleonore Reuß:
Suizide in Leipzig – Der Zeitraum von 1935 bis 1945
Lars Rödel:
Immunhistochemische Charakterisierung von Proteinen der Signaltransduktion und des Zytoskelettes an
p21 H-ras Val12 transgenen Mäusen
48
Ehrendoktorwürde für Pfarrer Ralf Thomas
Beispielhafte Verbindung
zwischen Gemeindepfarrer und
Wissenschaftler
Für seine Verdienste um die Bewahrung
von Landesgeschichte in schwieriger Zeit
und die Verknüpfung von pfarramtlicher
Praxis und wissenschaftlichem Arbeiten
bekam am 6. Juli der Pfarrer Ralf Thomas
die Ehrendoktorwürde durch die Theologische Fakultät verliehen.
„Wir ehren damit einen Mann, dessen Wirken beispielhaft für die Verbindung
zwischen der praktischen Tätigkeit als Gemeindepfarrer und wissenschaftlicher
Arbeit gewesen ist“, erklärte Professor
Rüdiger Lux, Dekan der Theologischen
Fakultät. Ralf Thomas gehört zu den Pfarrern in der sächsischen Landeskirche, die
ihre praktische pfarramtliche Tätigkeit mit
weiterführender wissenschaftlicher Arbeit
verbinden. So wirkte Thomas jahrelang
im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für
Sächsische Kirchengeschichte mit, die
strukturell mit dem Institut für Kirchengeschichte der Universität Leipzig verbunden
ist. Fast vier Jahrzehnte lang betreute Pfarrer Thomas als ehrenamtlicher Archivpfle-
ger der Landeskirche das Ephoralarchiv
und die Archive der Kirchengemeinden in
Wurzen, später in Grimma.
Der in Wurzen Geborene studierte von
1952 bis 1959 an der Universität Leipzig
und trat nach seinem zweiten Theologischen Examen eine Pfarrstelle in Dölzig
an. Von 1971 bis 1997 war Thomas als
Pfarrer an der Lutherkirche in Freital-Döhlen tätig.
In seinen bisherigen wissenschaftlichen
Veröffentlichungen konzentrierte er sich
auf diese Schwerpunkte: das Wurzener
Land, besonders im Mittelalter; die Reformationszeit in Sachsen; die Vergangenheit
nach 1989/1990. Damit erhält sein bisheriges wissenschaftliches Werk eine außergewöhnliche Breite, die sich auf über 1000
Jahre Kirchengeschichte erstreckt.
Anlässlich der Verleihung der Würde eines
Ehrendoktors sprach Ralf Thomas in seinem Festvortrag zu „Kirche in Sachsen und
ihre Geschichtsschreibung“.
Dr. Manuela Rutsatz
Pfarrer Ralf Thomas (M.) erhielt die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät
aus den Händen von Dekan Prof. Dr. Rüdiger Lux (l.) und Rektor Prof. Dr. Franz
Häuser.
Foto: Anja Jungnickel
journal
Personalia
Führender Maghreb-Forscher
mit fliegendem Teppich
Ehrenpromotion für Professor Charles Bonn
Die Philologische Fakultät verlieh am
17. Juli Prof. Dr. Charles Bonn von der
Partneruniversität Lyon II die Ehrendoktorwürde für seine großen Verdienste in
Lehre und Forschung, vor allem im Bereich
der Maghreb-Forschung und der Völkerverständigung. „Professor Bonn ist durch
seine Arbeit am romanistischen Seminar
seit langem mit der Universität Leipzig
verbunden“, betonte Rektor Franz Häuser.
„Sie haben auf Grund all dieser konkreten
gemeinsamen Aktivitäten zur Mehrung
und zur Erweiterung der Forschungsmöglichkeiten unserer Universität sowie zu
ihrer internationalen Reputation beigetragen.“
Laudator Professor Arnold Rothe vom
Romanischem Seminar der Universität
Heidelberg bezeichnete den Geehrten als
eine Persönlichkeit, die ihr Leben nicht
schlechthin nur der LiteraturAlgeriens und
später des gesamten Maghreb gewidmet
hatte. Charles Bonn habe sie gewissermaßen aus der Taufe gehoben und gilt heute
als einer der weltweit führenden Forscher
auf diesem Gebiet. „Sich der jungen Literatur des Maghreb zu verschreiben, auch
dazu gehörte Mut, denn in akademischen
Kreisen galt ein derartiger Forschungsgegenstand damals noch als ‚non respectable‘
und war einer universitären Karriere in
Frankreich hinderlich. Noch hatte man die
Chancen der so genannten Frankophonie
nicht erkannt, ihr Innovationspotenzial und
ihren Beitrag zur Rettung des Französischen als Weltsprache“, sagte Rothe.
Weiter hieß es in der Laudatio: „Bereits
Bonns 1972 als Buch gedruckte Doktorarbeit La littérature algérienne de langue
française et ses lecteurs packte eine zentrale, bis heute währende Problematik an:
Jene Literatur ist ja ganz überwiegend in
der Sprache des anderen, sogar des Kolonialherren abgefasst. An wen richtet sie
sich also, an die eigenen Leute, die großenteils des Französischen doch gar nicht
mächtig sind, oder gleich an die Europäer?
Passt man sich mit der französischen
Sprache auch der französischen Kultur an,
Heft 5/2007
oder vermag man seine Eigenständigkeit
zu wahren, oder versucht man, beides miteinander zu verbinden? Ist die Literatur
vielleicht auf unterschiedliche Lektüreweisen angelegt? Nicht spekulativ, sondern
empirisch hat Monsieur Bonn hier nach
Klärung gesucht, durch eine Leserumfrage, für Philologen damals noch ein anrüchiges Verfahren.“
Der Laudator folgte weiteren Stationen, lokalen und wissenschaftlichen, im Schaffen
des Geehrten, um am Ende ihn selbst zu
würdigen: „Zurück zu Charles Bonn. Auch
ein bloßer Schreibtischtäter ist er nicht geblieben. Kaum ein Fachkongress, auf dem
er nicht referiert hätte. Viele Tagungen hat
er selbst vorbereitet und betreut, oft auch
im Ausland, wie in Heidelberg oder zuletzt
hier in Leipzig. Ein Kalif muss ihm den
legendären fliegenden Teppich geborgt
haben. Kaum in Paris-Nord angekommen,
hat er in großer Zahl Kooperationsverträge
mit auswärtigen Universitäten abgeschlossen, unabdingbare Voraussetzung für die
Erteilung von Einreisevisa und für die Beschaffung von Zuschüssen und Stipendien.
Besonders am Herzen lag ihm die Förde-
rung des wissenschaftlichen Nachwuchses, des autochthonen. Schließlich und
endlich: Im Wissen darum, dass man auf
Dauer nicht erfolgreich in einem gesellschaftsfreien Raum agieren kann, hat
Charles Bonn Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Er hat sich von algerischen Tageszeitungen interviewen lassen und mit seinen
allgemein verständlichen, stets frei gehaltenen Vorträgen ein breites Publikum zu
fesseln vermocht. Auch die zahllosen Artikel kann man der Öffentlichkeitsarbeit
zuschlagen, die er für renommierte Lexika
wie Larousse und Laffont-Bompiani verfasst und regelmäßig aktualisiert hat.
Summa summarum: Bonn ist ein hochangesehener Forscher und Lehrer, Wissenschaftsorganisator, Promotor und Diener
seines Fachs. Er ist ein wacher Zeitgenosse
und ein effizienter Kulturvermittler, jemand, der auch zur Vergangenheitsbewältigung der Franzosen beiträgt.“m
So kann, wie der Dekan der Philologischen
Fakultät, Professor Erwin Tschirner, feststellte, seine Fakultät „stolz darauf sein, in
die Reihe ihrer bekannten Namen, den von
Charles Bonn einzufügen“. Dr. B. Adams
Professor Charles Bonn: hochangesehener Maghreb-Forscher, Wissenschaftsorganisator, Promotor und Diener seines Fachs, ein wacher Zeitgenosse, effizienter Kulturvermittler – und seit kurzem Ehrendoktor der Univerisität Leipzig. Foto: Jan Woitas
49
Dezember 2007
Von Bach zu Mahler –
Die Leipziger Notenspur
Heft 6/2007
ISSN 1860-6709
S. 10
Erfolg im Exzellenzwettbewerb für
Graduiertenschule BuildMoNa
S. 16
Studenten machen Programm:
„Unicato“ seit einem Jahr auf Sendung S. 33
Zwischen Philistern und Ägyptern –
Ausgrabungen in Beerscheba
S. 19
Onlinebefragung: Die Universität
analysiert ihr Image
S. 38
Alle in einem Boot –
Religionsbuch in mehreren Sprachen
journal
Alte Studentenverbindungen, die Feminisierung des Studiums und die Männerdomäne Professor
Typisch Mann? Typisch Mann!
S. 41
EDITORIAL
UNIVERSITAT LEIPZIG
Inhalt
UniVersum
Jahr der Geisteswissenschaften – eine Bilanz
Feierlaune und Preisregen
Am Rande
Ein Jahr Research Academy Leipzig
Kustos Hiller von Gaertringen über das
Kunstkonzept des Neubaus
Die Notenspur wird Realität
Deutsch-russische Forschungskooperation
Forschung
Strategien für schrumpfende Städte
Universität erfolgreich im Exzellenzwettbewerb – BuildMoNA-Sprecher im Interview
Gremien
Sitzung des Senats am 11. September
Sitzung des Senats am 9. Oktober
UniCentral
Braucht die Uni einen Männertag?
Studentische Verbindungen im Lauf der
Jahrhunderte
Männer und Familiengründung
Zwischen Rubenstyp und Kate Moss
Rektor Erwin Jacobi – Hoffnungsträger in
schwerer Zeit
3
4
6
7
8
10
13
15
16
22
22
24
26
29
30
32
Studiosi
Global Studies – 55 Studenten aus 28 Ländern
mephisto 97.6: Der Teufel geht online
34
34
Jubiläum 2009
Prof. Rudersdorf über seine Arbeit als
neuer Vorsitzender der Kommission für
Universitätsgeschichte
Gesichter der Uni: Adolf von Anhalt
Anekdoten, Fragmente, Notizen
35
37
37
Fakultäten und Institute
Amerikanistik-Stipendium ermöglicht
Forchungsaufenthalt in Leipzig
Jubelfeier in der Analytik
39
40
Personalia
Picador-Professor im Radfahr-Paradies
Neu berufen
Nomen
Kurz gefasst
Geburtstage
Habilitationen und Promotionen
45
47
49
49
50
50
Impressum
2
Der Mann –
ein unerforschtes Wesen?
Überall auf der Welt sterben Männer durchschnittlich früher
als Frauen, was sicher auch mit einer ungesünderen Lebensweise zu tun hat: Sie rauchen und trinken mehr, bevorzugen
deftige statt cholesterinbewusste Ernährung und treiben zu
selten Sport. Typisch Mann eben – oder doch nicht?
Jedenfalls hatten diese und ähnliche Befunde der Andrologen
vor sieben Jahren die Gorbatschow-Foundation und die Stadt
Wien veranlasst, den Welttag des Mannes auszurufen. Seither rückt der Mann jährlich am 3. November in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Auch unsere Universität beteiligte
sich dieses Jahr wieder an dem breiten Spektrum von Veranstaltungen und Vorträgen.
Für die Redaktion des Universitätsjournals ein Anlass, das
letzte Heft des zu Ende gehenden Jahres dem Mann zu widmen. Aber, soviel sei verraten, auch Frauen werden in den
Forschungs- und Geschichtsbeiträgen Neues und
Spannendes erfahren. Aber das vorliegende Heft
ist auch ein Akt der Gleichstellung, denn zwei
Jahre zuvor war das Uni-Journal mit „Frauen an
der Universität: Barrieren beseitigen, Karrieren
fördern“ überschrieben. Wie weit diese Bestrebungen vorangeschritten sind und was noch zu
tun ist auf diesem langen Weg, lesen Sie auf
Seite 24.
Nur wer aus der Geschichte seine Lehren zieht,
kann für die Zukunft lernen. Vor gut 100 Jahren,
am 12. Dezember 1900, tagt in Leipzig eine vom Staatsministerium für Kultus einberufene „allgemeine Medizinerversammlung“ des sächsischen Landesmedizinalkollegiums, die
die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium prüfen sollte
und unter anderem beschloss: „Von der Schweiz aus schwärmen die Damen wie die Bienen nach den deutschen Universitäten hin und setzen sich fest. In Deutschland selbst dürfen
sie bereits Kliniken und Vorlesungen besuchen, in absehbarer Zeit wohl auch Examina ablegen, wenn nicht etwas Elementares dagegen geschieht.“
Gemeinsam obliegt es uns, dafür Sorge zu tragen, dass die
bisherige Männerdomäne Universität weiter geöffnet wird.
Dass das Schwerpunktthema dieser Ausgabe Gegenstand
zahlreicher Forschungen ist, beweisen die Autoren eindrucksvoll. Zu nennen sind unter anderem die Ergebnisse der Sächsischen Längsschnittstudie (Seite 29) oder die fachübergreifenden physiologisch-philosophischen Betrachtungen des
Tiermediziners Professor Dr. Manfred Coenen (Seite 30).
Ich wünsche Ihnen, liebe Uni-Journal-Leser, eine erkenntnisreiche Lektüre, erholsame Weihnachtsfeiertage und einen
guten Start in das Jahr 2008.
Prof. Dr. Franz Häuser,
Rektor der Universität Leipzig
Titelfoto: Jan Woitas
1
UniVersum
Konfuzius in Leipzig
Einziges Konfuzius-Institut Ostdeutschlands
Die Universität Leipzig wird in Zusammenarbeit mit der Chinesischen Staatlichen Leitungsgruppe für Chinesisch als
Fremdsprache („Hanban“) das KonfuziusInstitut an der Universität Leipzig errichten. Rektor Prof. Dr. Franz Häuser und die
Direktorin von Hanban, Frau Xu Lin, unterzeichneten dazu Mitte Oktober einen
Kooperationsvertrag.
Seit drei Jahren werden auf Initiative der
chinesischen Behörde Hanban weltweit
diese chinesischen Sprach- und Kulturinstitute eingerichtet. Im Unterschied zu
den Goethe-Instituten stützt sich ein Konfuzius-Institut auf die Kooperation zweier
Universitäten. Die Vorbereitungen für das
Leipziger Konfuzius-Institut wurden federführend durch Prof. em. Dr. Ralf
Moritz, vormals Lehrstuhl Klassische Sinologie am Ostasiatischen Institut begleiJournal
Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen
und Freunde der Universität Leipzig
tet. Die Universität Leipzig arbeitet für ihr
Konfuzius-Institut mit ihrer langjährigen
Pekinger Partneruniversität, der renommierten Renmin University, zusammen.
Als zusätzlicher Förderer konnte die Stadt
Leipzig gewonnen werden.
„Internationales Profil
schärfen“
„Wir sind sehr stolz darauf, dass sich ein
solches Institut an unserer Universität und
in unserer Stadt ansiedelt. Neben den bereits bestehenden sechs Konfuzius-Instituten (Berlin, Nürnberg-Erlangen, Düsseldorf, Hannover, Frankfurt/M., Hamburg)
wird es das einzige in den neuen Bundesländern sein“, erklärte Rektor Häuser. „Es
wird das internationale Profil der Universität Leipzig schärfen und die Position
Leipzigs auf der Landkarte deutsch-chinesischer Beziehungen stärken.“
Die Aktivitäten des Konfuzius-Institutes
dienen der Vermittlung der chinesischen
Sprache und Kultur sowie der Stärkung des
Dialogs zwischen Deutschland und China.
Mit einen entsprechendem Angebot, das
von differenzierten Sprachkursen und
Schulungen über Fachvortragsreihen bis
hin zu Ausstellungen reicht, wendet sich
das Konfuzius-Institut an Schüler, Studenten und die interessierte Öffentlichkeit. Auf
Anfrage werden maßgeschneiderte Programme für Institutionen und Unternehmen durchgeführt.
In den kommenden Monaten werden die
konkreten Vorbereitungen getroffen und
die für das Konfuzius-Institut bereit gestellten Räumlichkeiten in der Otto-SchillStraße 1 im Zentrum Leipzigs bezogen. im
Jahr 2008 wird das Konfuzius-Institut
seine Türen öffnen.
Dr. Manuela Rutsatz
Herausgeber: Rektor der Universität Leipzig,
Ritterstr. 26, 04109 Leipzig
Redakteur: Dipl.-Journ.Tobias D. Höhn
Ritterstr. 26, 04109 Leipzig
Tel.: 03 41 97-3 50 24, Fax: 03 41 97 - 3 50 29
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V.i.S.d.P.: Dr. Manuela Rutsatz
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die
Meinung der Autoren wieder.
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Die Redaktion behält sich vor, eingesandte
Artikel zu redigieren und zu kürzen. Bei unverlangt eingesandten Manuskripten besteht keine
Gewähr für einen Abdruck.
Der Nachdruck von Artikeln ist gestattet, sofern
die Quelle angegeben wird. Ein Belegexemplar an
die Redaktion wird erbeten.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 1. 11. 2007
ISSN 1860-6709
2
Das einzige Konfuzius-Institut Ostdeutschlands und siebte in Deutschland wird
2008 an der Universität Leipzig eröffnet. Rektor Prof. Franz Häuser und HanbanDirektorin Xu Lin unterzeichneten bereits den Kooperationsvertrag.
Foto: Anja Jungnickel
journal
UniVersum
Das wundertätige Jahr der
Geisteswissenschaften
GWZO erhält langfristige Bundesförderung
Von Prof. Dr. Stefan Troebst, Institut für Slavistik und GWZO
Zum 31. Dezember 2007 läuft das so genannte GWZ-Modell der Deutschen Forschungsgemeinschaft aus, im Rahmen dessen seit 1996 auch die Projektforschung
des Leipziger Geisteswissenschaftlichen
Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) mit durchschnittlich
zwei Millionen Euro pro Jahr gefördert
wurde. Soweit die schlechte Nachricht.
Anschlussförderung bis 2019
in Aussicht gestellt
Eine gute allerdings ist, dass unlängst das
Bundesministerium für Bildung und Forschung, inspiriert durch das zu Ende
gehende Jahr der Geisteswissenschaften
sowie gestützt auf ein überaus positives
Evaluierungsgutachten des Wissenschaftsrats zum GWZO, ein Folgefördermodell
aufgelegt hat, mittels dessen das Leipziger
Zentrum weitere sechs Jahre im gleichen
finanziellen Umfang wie bisher
gefördert werden wird. Überdies
ist eine Anschlussförderung über
das Jahr 2013 hinaus bis 2019 in
Aussicht gestellt. Damit kann das
seit 2003 als An-Institut der Universität Leipzig firmierende und
vom sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst
grundfinanzierte GWZO auch in
Zukunft mit insgesamt rund 40
wissenschaftlichen Mitarbeitern
ein gutes Dutzend Gruppenprojekte durchführen. Es bleibt damit die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit
geisteswissenschaftlichem Profil im Freistaat Sachsen.
Aufgabe des Zentrums ist die Erforschung
von Geschichte und Kultur der zwischen
Adria, Schwarzem Meer und Ostsee gelegenen Geschichtsregion Ostmitteleuropa
vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart.
Dies geschieht in interdisziplinärer und
Heft 6/2007
vergleichender Weise sowie in Kooperation mit zahlreichen Partnern in Leipzig,
Sachsen, Deutschland, Ostmitteleuropa,
anderen Teilen Europas und Übersee. Das
nach der Wende in einer Vorform 1992 in
Berlin gegründete und 1995 nach Leipzig
transferierte GWZO ist dabei insofern ein
Kind seiner Zeit, als es die auf gemeinsame
Traditionen zurückgehende Ostmitteleuropaforschung in alter Bundesrepublik und
kollabierter DDR zum einen zusammenführte, zum anderen fortführt und dabei
weiter entwickelt. Dabei hat sich sein Forschungsgegenstand in den vergangenen 15
Jahren grundlegend gewandelt, nämlich
von einem „anderen“ Europa zu einem Teil
der 2004 und erneut 2007 erweiterten
Europäischen Union. Aus dem Forschen
über Ostmitteleuropa ist somit ein Forschen mit Ostmitteleuropa geworden.
Deutlicher Beleg dafür ist neben einem
engmaschigen Kooperationsnetzwerk des
GWZO mit Forschungseinrichtungen von
Riga bis Sofia und von Kiev bis Prag der
Umstand, dass mittlerweile zirka ein Viertel der wissenschaftlichen Mitarbeiter des
Zentrums aus Ostmitteleuropa kommen.m
Von 2008 an wird das GWZO seinen drei
Leitfragen nach Kulturtransfer, Modernisierungsprozessen und Identitätsbildungen
in insgesamt 15 Projektgruppen nachgehen. Neu sind dabei Forschungsvorhaben
zu frühmittelalterlichen Wandlungsprozessen und Strukturbildungen in den Einzugs-
gebieten von Flüssen und Seen, zu den
Armeniern in Wirtschaft und Kultur der
Region vom 14. bis zum 19. Jahrhundert,
zu Religionsfrieden und Konfliktbewältigungsmodi in der Frühen Neuzeit sowie
zur Reflexion kultureller Interferenzräume
im 20. Jahrhundert. Desgleichen werden
zwei Handbuchprojekte in Angriff genommen, wovon das eine die Geschichte der
bildenden Kunst und Architektur der Region, das andere die Geschichte Ostmitteleuropas in transnationaler Perspektive
behandelt.
Die Nummer eins in der
Ostmitteleuropa-Forschung
Fortgeführt werden die von der VolkswagenStiftung geförderten Kooperationsprojekte mit der Uni Leipzig, nämlich „Remembering Communism: Methodological
and Practical Issues of Approaching the
Recent Past in Eastern Europe“ mit
dem Institut für Slavistik und „Bodenrecht, Kataster und Grundbuchwesen im östlichen Europa 1918 –
1945 – 1989: Polen, Rumänien und
Jugoslawien im Vergleich“ mit dem
Institut für Kulturwissenschaften.
Und zwei neue gemeinsame Forschungsvorhaben mit dem Institut
für Slavistik werden mit Förderung
der DFG die Rechtsgeschichte
des frühneuzeitlichen polnischlitauischen Commonwealth sowie Erinnerungskultur, Geschichtspolitik und Öffentlichkeit im Südosteuropa der Gegenwart
am Beispiel des griechisch-makedonischen Konflikts behandeln.
In Gestalt der langfristigen Bundesförderung für das GWZO hat Leipzig als mittlerweile unumstrittener bundesdeutscher
Ostmitteleuropa-Forschungsstandort Nr. 1
im Jahr der Geisteswissenschaften also
eine deutliche Festigung erfahren.
3
UniVersum
Feierlaune und Preisregen
zum Studienbeginn
Universität begrüßt 4 800 Erstsemester und verleiht
Ehrungen an Wissenschaftler und Studierende
In einem bis auf die Treppenplätze ausgebuchten Gewandhaus wurden die Erstsemester zum Auftakt des Studienjahres
2007/2008 willkommen geheißen. In diesem Semester haben sich nach heutigem
Stand 4800 Erstsemester in die 85 Bachelor-, Master- Diplom- und Staatsexamensstudiengänge immatrikuliert. Insgesamt
studieren damit etwa 29 000 junge Leute an
der Alma mater.
Nach der Begrüßung der Studierenden und
der Ehrengäste durch Rektor Prof. Franz
Häuser und die Sprecher des StudentInnenRates (StuRa) hielt der Schriftsteller und
Professor am Deutschen Literaturinstitut
der Uni Leipzig, Hans-Ulrich Treichel, die
Festrede. Unter der Überschrift „Von der
Lust und der Last des Studierens“ bot er ein
augenzwinkerndes Willkommen im neuen
Lebensabschnitt Studium, seinen Heraus-
forderungen und Chancen – auch außerhalb des eigentlichen Studierens.
Der diesjährige Theodor-Litt-Preis wurde
geteilt und an Professor Dr. Frank Schulz,
geschäftsführender Direktor des Instituts
für Kunstpädagogik, und Dr. Harald
Homann, Institut für Kulturwissenschaften, vergeben. Frank Schulz ist im Bereich
der Geisteswissenschaften der Universität
Leipzig der Vorreiter in Bezug auf die
Umstellung von Studiengängen im Rahmen des Bologna-Prozesses: Bereits 2002
wurde ein bundesweit neuer Studiengang
zur Ausbildung von Bachelor und Master
für Kunstpädagogik auf außerschulischen
Gebieten entwickelt und 2003 der Bachelorstudiengang eingeführt. 2006 konnten
die ersten Absolventen dieses Studiengangs in die Praxis entlassen oder in den
Masterstudiengang aufgenommen werden.
Den 11. Natonek-Preis verliehen die
Förderer und Freunde der Universität
Leipzig an Bastian Lindert, Student am
Historischen Seminar.
Prof. Dr. Frank Schulz (r.), geschäftsführender Direktor des Instituts für Kunstpädagogik, und Dr. Harald Homann, Institut für Kulturwissenschaften, teilen sich den
Theodor-Litt-Preis. Foto rechte Seite: Bis auf die Treppenplätze gefüllt war die
Immatrikulationsfeier im Gewandhaus.
Fotos: Anja Jungnickel
4
In multimedial angelegten Lehrveranstaltungen werden im Projektunterricht, die
einzelnen fachspezifischen Gebiete übergreifend, Spiel- und Aktionsformen erprobt, die die Grenzen zur bildenden Kunst
erweitern bzw. überschreiten. Besonders
hob Laudator Senator e. h. Peter Krakow,
Vorsitzender der Vereinigung der Förderer
und Freunde der Universität Leipzig, die
Anwendung und Vermittlung neuer Lehrund Lernmethoden auf der Grundlage
neuer Medien und multimedialer Vermittlungsformen (Internet, Intranet, E- und
Blended-Learning) hervor.
Ausgezeichnete Lehre ist kein Privileg der
Hochschullehrer, sondern wird auch (in
großem Umfang und oft nicht sichtbar) von
wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern geleistet. Dr. Harald Homann
gelingt es, die Studierenden für das Fach
journal
UniVersum
Kultur- und Gesellschaftsgeschichte zu
begeistern, indem er aktuelle und praxisrelevante Themen und Fragestellungen
aufgreift, sie historisch-systematisch vertieft, auf hohem wissenschaftlichen Niveau
lehrt und mit besten didaktischen Methoden in die Forschung und das wissenschaftliche Arbeiten einführt. Er hat unter anderem mit dem Leitfaden für die Erstellung
wissenschaftlicher Hausarbeiten (zusammen mit Professor Siegrist), der seit 1997
ständig neu aufgelegt wurde und Tausenden Studierenden als Handreichung gedient hat, dazu beigetragen, dass sich auch
in den schlimmsten Zeiten der Überfüllung
kein Studierender im Stich gelassen fühlen
musste.
Ausgezeichnete Lehre,
gesellschaftliches Engagement
und Zielstrebigkeit
Die jährliche Verleihung des WolfgangNatonek-Preises ist zu einer guten Tradition an der Universität Leipzig geworden.
Nach einer Pause im vergangenen Jahr
wird der 11. Natonek-Preis von der Vereinigung von Förderern und Freunden der
Universität Leipzig an Bastian Lindert,
Student am Historischen Seminar verliehen. Mit dem Wolfgang-Natonek-Preis soll
neben hervorragenden Leistungen auch ein
besonderes gesellschaftliches Engagement
Heft 6/2007
für die Universität Leipzig ausgezeichnet
werden. Und auch dieses bewies Bastian
Lindert: Ihn zeichnete eine rege Tätigkeit
in studentischen bzw. universitären Gremien aus. Er hat im Fachschaftsrat Geschichte einen intensiven Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden etabliert; er war studentischer Studienberater,
ist studentische Hilfskraft und arbeitet im
Konzil mit.
Bastian Lindert hat außerdem eine beachtliche Reihe Projekte mit Leben gefüllt:
Er organisierte Studien-Einführungsveranstaltungen am Historischen Seminar und
einen Studieninformationstag an seinem
ehemaligen Gymnasium. Er schuf eine
Kooperation mit dem Stipendiaten-Netzwerk sowie einen Studentenaustausch
mit der Ludwig-Maximilians-Universität
München. Auch seine fachlichen Leistungen erfüllen die Forderungen an einen
Preisträger, so die Jury.
Den DAAD-Preis 2007 erhielt Kefa
Hamidi, Student der Kommunikationsund Medienwissenschaften. Für seine
hervorragenden akademischen Leistungen
sowie für sein außergewöhnliches gesellschaftliches und interkulturelles Engagement erhielt der aus Afghanistan stammende Hamidi diesen Preis. Besonders
hob Rektor Häuser in seiner Laudatio Zielstrebigkeit und Gründlichkeit in der wissenschaftlichen Arbeit von Kefa Hamidi
hervor. Seit Jahren engagiert sich der
DAAD-Preisträger 2007 über seine Studienleistungen hinaus. So ist er Gründungsmitglied von Oxuss e.V., ein Zusammenschluss afghanischer, deutscher und türkischer Studierender. Er plante auch eine
Ringvorlesung des Institutes für Philosophie.
Dr. Manuela Rutsatz
Kefa Hamidi, Student der Kommunikations- und Medienwissenschaften,
erhielt den DAAD-Preis 2007.
5
UniVersum
Kommentar zur Begrüßungsrede des StuRas
KontRa statt StuRA?
Weder Kompetenz noch
Taktgefühl
Auch dieses Jahr hat es der StudentInnenrat wieder geschafft, bei der Feierlichen
Immatrikulation der Erstsemester die Gemüter zu erhitzen. Nachdem Rektor Franz
Häuser einladende Worte in seiner Begrüßungsrede gefunden hatte, versuchten die
drei Mitglieder des StuRas, den Studiennachwuchs auf sein Leben an der Universität Leipzig vorzubereiten.
Die vernichtende Botschaft: Ein Studium
an der Alma mater ist an Chaos, unmenschlichen Studienbedingungen und Elend
nicht zu überbieten. So ließen sich die
Worte der Sprechergruppe interpretieren.
In einem polemischen und aggressiven
Rundumschlag wurden sowohl die Universitätsleitung, die neuen Bachelor- und
Master-Studiengänge als auch der Campusumbau aufs heftigste kritisiert.
Dieser Meinung können wir uns nicht anschließen. Es ist sicherlich richtig, dass es
momentan Probleme in vielen Bereichen
des studentischen Alltags gibt. Weiterhin
ist es die gewünschte Aufgabe des StuRas
als die gewählte Vertretung der Studenten
gegenüber der Hochschule, eben diese Probleme zu thematisieren und zu artikulieren.
Jedoch bezweifeln
wir, ob ein Festakt,
der dazu dienen
soll, die jüngsten
Mitglieder der Universitätsgemeinschaft willkommen
zu heißen, als Plattform für plakative
Anschuldigungen
missbraucht werden sollte. Der Ablauf der
Moduleinschreibungen für die Bachelorstudenten verlief tatsächlich unkoordiniert
und stellte Studenten und Dozenten gleichermaßen vor unvorhergesehene Schwierigkeiten. Die Großbaustelle Universität
Leipzig erschwert Lehre und Leben, und
die Verzögerungen sind nicht gerade hilfreich. Die vom StuRa kritisierte ökonomische Ausrichtung der Lehre kann nicht förderlich für die Bildung sein.
Eine genauere Betrachtung der finanziellen Lage der Hochschule und eine Abwägung des Verhältnisses von Leistung und
Bezahlung der Dozenten führen uns aber
„
zu dem Schluss, dass die Situation nur
durch Förderung von außen verbessert
werden kann. Dem Vorwurf des StuRas, die
Zusammenarbeit von Universität und Wirtschaft sei ein auf Profit und Erfolg orientiertes Unternehmen, bei dem die Studenten und die Freiheit der Lehre hinten
anstehen, setzen wir entgegen, dass nur
Studiengebühren eine Alternative zu diesem Ansatz wären – und die will keiner bezahlen, auch der StuRa nicht. Die Baustelle
hat das Ziel, unsere Uni modern und schön
zu machen und sie der gewachsenen Studentenzahl anzupassen.
Die momentane Interimsphase kann also
für alle letztendlich nur eine Verbesserung
bedeuten. Zudem sind die anhaltenden Verzögerungen von niemandem beabsichtigt,
schon gar nicht von der Universitätsleitung. Zu guter Letzt: Probleme bei der Studienplanung haben auch Magister- und
Diplomstudenten. Wir kämpfen mit Wartelisten, unmöglich koordinierbaren Stundenplänen und überfüllten Seminaren. Die
gesamte Organisation der modularisierten
Studiengänge ist neu und bedarf noch einer
gewissen Routine. Mit diesem Umstand ist
die
Universität
Leipzig überdies
nicht allein.
Diese
Aussagen
sind bei einer Veranstaltung wie der
Immatrikulationsfeier fehl am Platz.
Äußerungen wie
„Die Uni will euch
nicht, aber sie braucht euch“ (für eine
nötige Mindeststudentenzahl) oder „So
schlimm, wie wir es jetzt dargestellt haben,
ist es nicht. – Es ist schlimmer“ zeugen weder von rhetorischen Kompetenzen noch
von Taktgefühl gegenüber den Erstsemestern. Auf uns wirkt die konsequente Ablehnung aller universitären Belange lächerlich
und primitiv. Eine Vertretung, die sich als
Sprachrohr der Studentenschaft versteht,
sollte konstruktiv Kritik üben, anstatt immer nur kontra zu geben.
Julia Seidel und Silvia Lauppe,
Magisterstudentinnen
im 7. bzw. 5. Fachsemester
Konstruktiv Kritik
üben, anstatt immer
nur kontra geben.
6
“
Am
Rande
Papier ist geduldig, der Leser nicht.
Oder wie lässt sich das Phänomen
Harry Potter sonst erklären? Der kleine
Zauberjunge mit der Nickelbrille. Das
berühmte Gleis 9 3/4. Und hinter allem
eine millionenschwere und PR-schlaue
Autorin, die Literatur-, Kinder- und mittlerweile auch Klatschseiten der Massenmedien füllt und so den Bücherherbst 2007 für sich bestimmte. Diese
Jahreszeit der Neuerscheinungen gehört Frankfurt. Wir Leipziger haben
dafür den (viel schöneren, werden
viele einstimmen) Bücherfrühling. Das
Ambiente mit Lesungen in der Innenstadt, die Glashalle mit ihren Veranstaltungen und nicht zu vergessen: Es
ist ein Heimspiel, die Buchmesseakademie mit Neuem und Spannendem aus Forschung und Lehre der
Alma mater.
Doch Lokalpatriotismus in allen Ehren,
man muss den Frankfurtern Respekt
zollen mit ihrem diesjährigen Mammutprogramm. Zumal, da die Universität
Leipzig respektabel vertreten war.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit
seien erwähnt Professor Hartmut
Zwahrs Tagebuchaufzeichnungen von
1968 bis 1970 „Die erfrorenen Flügel
der Schwalbe“ – 434 Seiten, Professor
Elmar Schenkels Biographie über den
englischsprachigen Schriftsteller Joseph Conrad – 350 Seiten. Nicht fehlen dürfen auch die Werke aus der
Schriftstellerschmiede der Nation, dem
zur Universität Leipzig gehörenden
Deutschen Literaturinstitut, als da wären „Schilf“ – ein 384 Seiten starker
Roman der Absolventin Juli Zeh oder
aber „Der Papst, den ich gekannt
habe“ aus der Feder von Literaturprofessor Hans-Ulrich Treichel – 118 Seiten, dafür aber laut Verlag „eine grandios komische Erzählung“.
Sie die Wahl: Fiktion oder Realität, Humor oder Zeitgeschichte, dick oder
dünn. Und zugegeben, es wäre doch
schade, wenn wir alle dasselbe
Mosaiksteinchen Literatur wählen würden, nur weil Werbung und Bestsellerlisten es so wollen. Die Dubletten verursachenden Dramen unterm Weihnachtsbaum nicht auszudenken. Wer
braucht schon Harry Potter im Doppelpack? Viel Freude beim Finden und
Suchen der richtigen Lektüre sowie ein
besinnliches Weihnachtsfest wünscht
Tobias D. Höhn
journal
UniVersum
Research Academy Leipzig –
in einem Jahr viel erreicht
HRK-Vizepräsident Klaus Dicke hält Festvortrag
Als übergreifende Einrichtung für die
Nachwuchsförderung eröffnete im Dezember 2006 die Research Academy Leipzig
(RAL, Forschungsakademie Leipzig). Die
RAL besteht aus drei Graduiertenzentren
in den Bereichen Mathematik/Informatik
und Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften.
„Damit ist die Forschungsakademie eine
Basis der strukturierten Doktorandenqualifizierung der Universität Leipzig“, erklärt
Gründer und Prorektor für Forschung und
Wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr.
Martin Schlegel. Ein Schwerpunkt ist die
internationale Doktorandenrekrutierung:
Nachwuchswissenschaftler haben hier unter anderem die Möglichkeit, mit international renommierten Wissenschaftlern
zusammenzuarbeiten und somit den
Grundstein für ihre internationale Konkurrenzfähigkeit zu legen. „Auch methodisch
haben wir eine ganze Reihe von Angeboten, zum Beispiel Workshops zum Zeitmanagement, wissenschaftliches Schreiben
und Einstieg in eine Wissenschaftskarriere.
Diese Veranstaltungen, werden von unseren Doktoranden stark nachgefragt“, erklärt Prorektor Schlegel weiter. Großen
Anklang fand insbesondere der erstmalig
organisierte dreiwöchige Deutschkurs für
neu eintreffende Doktoranden, der im September in Zusammenarbeit mit interDaF
e. V. und dem Helmholtzzentrum für Umweltforschung durchgeführt wurde. Dieser
bot nicht nur eine Einführung in die Sprache, sondern machte die Doktoranden
ebenso mit ihrem neuen Umfeld, der Forschungslandschaft in Leipzig, und ihren
zukünftigen Arbeitsplätzen vertraut.
Neu in der Research Academy Leipzig eingerichtet ist das Deutsch-Amerikanische
Promotionsprogramm
„Deutsch
als
Fremdsprache“, eine Kooperation mit der
University of Arizona in Houston, und das
Deutsch-Französische Doktorandenkolleg
„Komplexe Systeme im Gleichgewicht und
Nichtgleichgewicht“ eine Kooperation mit
Heft 6/2007
der l’Université Henri Poincaré, Nancy I.
In Gründung befindet sich die Klasse:
„Kultureller Austausch: Altertumswissenschaftliche, historische und ethnologische
Perspektiven“. In Planung ist gemeinsam
mit dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften die
Gründung einer neuen Internationalen
Max-Planck Research School für Neurowissenschaften im Graduiertenzentrum
Lebenswissenschaften.
Aber auch die „weichen Kriterien“ der
Nachwuchsförderung werden in der RAL
angegangen: So gibt es seit Mai diesen Jahres eine Tagesmutter, die Kinder im Alter
bis drei Jahre betreut. Aufgrund des großen
Bedarfs an Betreuungsmöglichkeiten für
Doktorandenkinder wird eine zweite Tagesmutter in Kürze hinzukommen.
Gebührend wird das einjährige Bestehen
der RAL begangen: Am 13. Dezember
wird nicht nur der erste Geburtstag mit
einem Festvortrag des Vizepräsidenten der
Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr.
Klaus Dicke, gefeiert. Die Veranstaltung
wird auch genutzt, um die in der
Exzellenzinitiative geförderte Graduiertenschule Building with Molecules and
Nano-Objects (BuildMoNa) festlich zu eröffnen. Zudem werden erstmals Doktoranden der Research Academy Leipzig für ihre
wissenschaftlichen Leistungen ausgezeichnet. Preise für herausragende Arbeiten im Rahmen der Promotion sollen in
Zukunft regelmäßig ausgelobt werden, um
den Anreiz zur Promotion in Leipzig und
die Sichtbarkeit der Doktoranden innerhalb der Universität zu verstärken.
Im Anschluss an die Festveranstaltung organisiert die RAL am 14. und 15. Dezember ein weiteres Seminar der Reihe „Junge
Wissenschaft und Praxis“ im Breitenfelder
Hof bei Leipzig, welches von der Hanns
Martin Schleyer-Stiftung großzügig gefördert wird.
Mit verschiedenen Diskussionen und Vorträgen zum Thema „Die Universitäten am
Scheideweg: Exzellenzinitiative und die
Differenzierung in Lehr- und Forschungsuniversitäten“ möchte sich die Research
Academy in die aktuellen hochschulpolitischen Diskussionen einmischen und Position beziehen, um die strukturierte Doktorandenqualifizierung als Teil der Profilbildung der Universität Leipzig zukunftsweisend weiterzuentwickeln.
M. R. /A. L.
Nicht nur Nachwuchswissenschaftler arbeiten in der
Research Academy Leipzig
mit international renommierten Wissenschaftlern zusammen, auch
die weichen
Kriterien zählen, wie die
Betreuung von
Doktorandenkindern.
Foto: Stefanie
Müller
7
UniVersum
„Im Neubau wird sich die
Sammlung voll entfalten“
Der Kustos und das Kunstkonzept –
Rudolf Hiller von Gaertringen im Interview
Die 600-jährige Geschichte der Universität
Leipzig offenbart sich nicht zuletzt in einem reichen historischen und künstlerischen Erbe. Auf dem neuen innerstädtischen Campus sollen diese Sammlungen
der Alma mater Lipsiensis den Angehörigen und Gästen der Universität Leipzig
vermehrt zugänglich gemacht werden.
Hierfür wurde ein eigenes Kunstkonzept
erstellt, über das Dr. Manuela Rutsatz mit
Kustos PD Dr. Hiller von Gaertringen
sprach.
Was ist unter dem „Kunstkonzept der
Universität Leipzig für den Campus
8
Augustusplatz“ zu verstehen? Wo überall wird sich Kunst wiederfinden?
Das von einer Kommission erarbeitete
Kunstkonzept schlägt vor, vorhandene, in
der großen Mehrzahl mit dem Areal des
ehemaligen Dominikanerklosters verbundene Kunstwerke in fünf so genannten
Erinnerungskomplexen zu organisieren
und bestimmten Räumen zuzuordnen. Sie
beginnen erstens mit mittelalterlichen
Wandbildern der Klosterzeit, es folgen
zweitens die Kunstwerke aus der gesprengten Universitätskirche, darunter neuzeitliche Epitaphien und Grabplatten, drittens
eine Portraitgalerie mit Professorenbildnis-
sen des Barock, viertens die – vorrangig
plastischen – Bildwerke des 19. Jahrhunderts aus dem Augusteum, darunter das
Schinkeltor und zahlreiche Portraitbüsten,
sowie fünftens die sozialistische Phase der
Universität, hier vor allem das Wandbild
Werner Tübkes „Arbeiterklasse und Intelligenz“.
Die Grundidee ist, die Kunst – soweit konservatorisch vertretbar – zum Betrachter zu
bringen, das heißt sie vorrangig im öffentlichen Raum zu präsentieren, im Paulinum,
im Foyer, in Passagen etc. Dabei sollen die
Werke auch didaktisch aufbereitet und vermittelt werden.
journal
UniVersum
Der Kustos PD Dr. Rudolf Hiller von
Gaertringen (Mitte) und das Kunstkonzept, hier in den Studiensammlungen
der Universität mit Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange und Rektor
Prof. Franz Häuser.
Foto: Jan Woitas
Wie verändern sich damit die Möglichkeiten zur Präsentation des Kunstbesitzes der Universität?
Sie verbessern sich dramatisch! Erst in den
neuen Räumen wird für die oftmals monumentalen Werke genügend Platz vorhanden
sein. Erst im Neubau wird sich die Sammlung in all ihren Facetten entfalten können.
Erst für diesen neuen Zusammenhang werden zahlreiche Werke, die in sozialistischer
Zeit bewusst vernachlässigt wurden, restauriert und ausstellungsfertig gemacht.
Nur die Perspektive, sie künftig zeigen zu
können, verleiht den Mut, diese Aufgabe in
Angriff zu nehmen …
Welche Ausstellungsstücke liegen Ihnen
besonders am Herzen? Können Sie
schon sagen, welche Höhepunkte Nutzer
und Besucher erwarten dürfen?
Angesichts der Fülle hochrangiger Werke
ist das schwer zu beantworten. Sicher liegen mir die Epitaphien aus der Universitätskirche besonders am Herzen. Ein
persönlicher Favorit ist das Epitaph für
Heinrich Heideck von 1603 mit einer weißgoldenen, in Teilen
originalen
Fassung. Im 19. Jahrhundert beispielsweise die Portraitbüste Anton Springers von Seffner,
Werner
Tübkes
Wandbild natürlich, trotz seiner
historisch teilweise problematischen Aspekte. Das sind schon sehr bemerkenswerte Bestände, auch in ihrer Gesamtheit.
„
stand, thematisiert durch ihre Modernität
aber zugleich die Brüche. Im Zuge der
Restaurierungen sollen daher auch die
geschichtlichen Spuren der Kunstwerke
erhalten bleiben und entsprechende Fragen
aufwerfen. Schließlich sind diese Werke
selbst durch die Ereignisse von 1968 gezeichnet. Außerdem soll eine Fotodokumentation im Bereich des südlichen Seiteneingangs Baugeschichte und Sprengung
der Kirche sowie den studentischen und
anderen Widerstand dagegen vor Augen
führen.
Wie ist der aktuelle Bearbeitungsstand
des Kunstkonzeptes? Welche aktuellen
und temporären Ausstellungen sind vorgesehen?
Nachdem die entsprechende Raumzuordnung nunmehr definiert ist, arbeiten wir
derzeit am Feinschliff. In der nächsten
Sitzung werden wir zum Beispiel die Hängung der Epitaphien nochmals objektgenau diskutieren. Natürlich stehen auch
Anbringungsfragen, beispielsweise bei
Skulpturen oder Grabplatten, immer wieder auf der Tagesordnung, zumal es im
Bereich der Architektur Detailanpassungen oder Konkretisierungen gibt. Zu berücksichtigen sind ferner bestimmte künftige Festlegungen, wie die Materialität und
Farbigkeit bestimmter Wände, die uns
noch nicht vorliegen. Insgesamt aber sind
wir auf einem sehr guten Weg. Die Mehrzahl der Kunstwerke
des Kunstkonzeptes wird als Dauerausstellung präsentiert. Ereignisbezogene Änderungen
wird es insbesondere
in der erwähnten
Porträtgalerie geben.
Für Sonderausstellungen wird ein eigener Ausstellungsraum
der Kustodie im Bereich des Foyers entstehen, wo wir wie bisher Ausstellungen zu
verschiedensten Themen mit Universitätsund Kunstbezug anbieten werden. Für
2009 planen wir in Zusammenarbeit mit
der Stadt Leipzig, insbesondere dem Stadtgeschichtlichen Museum, und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften eine
große Ausstellung zum Thema Aufklärung
in Sachsen mit dem Titel „Erleuchtung der
Welt“, die im Alten Rathaus gezeigt werden soll. In der Studiensammlung im Rektoratsgebäude soll es eine Kabinettausstellung zum Thema „Studentisches Leben“
geben.
Die Hängung
thematisiert zugleich
die Brüche.
Wie soll mit dem Kunstkonzept an die
Paulinerkirche erinnert werden?
Kernstück der Erinnerungshaltung jenseits
der Architektur sind natürlich die Epitaphien, die im Andachtsraum in einer auch
formal an die historische Situation erinnernden Weise gehängt werden sollen. Damit sind die kunsthistorisch wichtigsten
originalen Zeugnisse aus der Kirche in
einer feierlichen Weise in einem liturgisch
genutzten Kontext präsentiert. Die Hängung orientiert sich am historischen ZuHeft 6/2007
“
Leserbrief
Außenstelle
Zingst hat
lange Vorgeschichte
Zum Beitrag „Außenstelle Zingst – Beliebte Adresse für Exkursionen und Tagungen“ in der vergangenen Ausgabe des UniJournals erreichte die Redaktion folgender
Leserbrief:
Die Lektüre des ersten Absatzes dieses
Artikels wirft die Frage auf, wann genau
das Maritime Observatorium in Zingst eingerichtet wurde. Es dürfte in diesem Zusammenhang von Interesse sein, dass es im
Jahre 1910 bereits Überlegungen zur Errichtung eines Lehrstuhls und Instituts für
Ozeanographie gegeben hatte. Damals
hatte sich Alexander Nathansohn für die
Besetzung eines solchen Lehrstuhles empfohlen. Er promovierte 1900 in Leipzig
zum Thema: Physiologische Untersuchungen über amitotische Kernteilung. Sein
Antrag auf Habilitation erreichte Leipzig
1902 von der Zoologischen Station Neapel
aus, wo er über maritime Bacterien
forschte. Das Verfahren verlief für den
Petenten sehr erfolgreich.
Er wird laut Schreiben, datiert auf den
24. 04. 1907, vom Königlichen Sächsischen Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts sogar zum Sommersemester 1907 von der Abhaltung von Vorlesungen zwecks Vornahme biologischer
Untersuchungen in den Norwegischen
Gewässern befreit. Im März 1909 erfolgt
seine Ernennung zum außerordentlichen
Professor. Aber seine Hoffnungen auf ein
Institut für Ozeanographie werden zerschlagen, unter anderem mit der Begründung des Fehlens einer maritimen Forschungsstätte.
(Quelle: UAL PA 826)
Dr. med. vet. Kirsten Büsing,
Institut für Bakteriologie und Mykologie
Anne Büsing, Herne
9
UniVersum
Zu Fuß von Bach bis Mahler
Statik-Professor Werner Schneider liebt Musik und
schenkt Leipzig (s)eine Notenspur
Von Tobias D. Höhn
Bach, Mendelssohn, Schumann, Reger,
Grieg, Mahler … – ganz Leipzig ist
Musik, scheint es. In kaum einer
anderen
Stadt
haben
so viele
Komponisten von
Weltruf gelebt und gewirkt, ihre Spuren mehr oder weniger
sichtbar für die jetzige Generation hinterlassen. Ein Mathematiker würde angesichts dieses Fakts vielleicht nach der Zahl
der „Musiker pro Quadratkilometer“ fragen. Aber auch Musikwissenschaftler, Historiker und Theologen hätten ihre eigenen
Fragestellungen. Doch ein Statiker?m
Werner Schneider, außerplanmäßiger Professor für Statik, sieht es von der praktischen Seite. Er liebt Musik, spielt seit seiner Kindheit Klavier, ist gerne in der Natur
unterwegs, vermisst aber in Leipzig seit
Jahren eines ganz Besonders: Eine Route,
auf der man die einzigartigen Musikschätze der Stadt zu Fuß oder per Rad
individuell erkunden kann. Eine Tour, die
Touristen wie Einheimische zu den Wirkungsstätten der Musiker, ihren Geburtsoder Wohnhäusern führt. Das war der
Beginn eines jahrelangen und noch nicht
abgeschlossenen Projekts, der Leipziger
Notenspur.
Wir sitzen im Riquet Café in der Leipziger
Innenstadt, ein Mix aus Jugendstil, Wiener
Kaffeehaustradition und chinesischer Baukunst bestimmen das Interieur. Der Ort ist
bewusst ausgewählt. „Hier wurde die Idee
zur Notenspur geboren, hier wurde es konkret“, sagt Professor Schneider. Das war im
April 2005, als er mit Gewandhausmusikern nach einer Ballett-Aufführung zusammensaß. Es war die Zeit, als in Leipzig
auf den Siegestaumel beim nationalen
Ausscheid um die Olympia-Bewerbung die
Ernüchterung folgte und alle Träume von
10
2012 wie Seifenblasen zerplatzen. „Davor
hatte die Stadt das Projekt abgelehnt. Für
mich stand fest: Entweder es klappt jetztim
dritten Anlauf oder nie“, sagt Schneider.
Zu diesem Zeitpunkt gärte die Vision der Notenspur schon sieben
Jahre in seinem Kopf. Zuvor hatte
die Stadt dem engagierten Professor
einen Korb gegeben – man fühlte sich mehr
als Sportstadt, denn der schönen Künste
verbunden.
Er wusste, zuerst musste er das Argument
der Rathausspitze über die Nichtmachbarkeit entkräften. Dazu holte sich der engagierte Uni-Professor andere Disziplinen
mit ins Boot: Musikgeschichtler, Musikwissenschaftler und Stadplaner der Universität unterstützen ihn, die Hochschule für
Grafik und Buchkunst tüftelte am Design
und die Hochschule für Musik und Theater
zog ihre Archive zu Rate.
Physiker im Hauptberuf,
Kulturpolitiker im Ehrenamt
15 Monate später stand das überarbeitete
Konzept, fand die Idee Anklang bei den
großen Musikinstitutionen Leipzigs und
wurde, unterstütztvon Leipzig Tourist Service, im Kulturausschuss des Stadtrates
vorgelegt und einstimmig angenommen.
Jetzt war das Projekt Notenspur „amtlich“.
Und der Professor hatte neben seinen abstrakt klingenden Forschungsschwerpunkten wie „Konsistente Bewertung der Imperfektionen stählerner Schalentragwerke“
oder „Dynamische Strukturanalyse von
Versagensvorgängen unter quasistatischer
Belastung“ eine neue Mammutaufgabe zu
stemmen.
Der promovierte Physiker musste manchen
Arbeitstag neu aufteilen. Aus dem Hörsaal
ging er nach der Vorlesung ins Rathaus,
sprach mit Kulturpolitikern, Musikinstitutionen und Touristikern. In der „Spätschicht“ und am Wochenende wurde dann
geforscht. Dabei ist die Idee der Notenspur
so einfach – wie genial –, dass man sich
fragen muss, wieso Stadtmarketing-Experten und Touristikfachleute nicht selbst und
vor allem schon früher darauf gekommen
sind.
Auch die Universität selbst holte Schneider
mit ins Boot. Die Alma mater Lipsiensis
meldete beim Deutschen Patent- und
Markenamt den Namen Notenspur an, was
bereits bestätigt wurde und damit deutschlandweit geschützt ist.
Werner Schneider hat viel erreicht in den
letzten Monaten, eine Vielzahl von Institutionen mit manchmal widerstreitenden Interessen an einen Tisch gebracht. 21 Einrichtungen finden sich auf dem Band der
Notenspur. Der Sieger im Designwettbewerb für die Konzeption des benötigen
Wegeleitsystems wurde gekürt, so dass
sich spätestens im Frühsommer 2009 die
Notenspur 4,7 Kilometer durch Leipzig
schlängeln soll – gerade rechtzeitig zum
großen Uni-Jubiläum. Silberne, in den
Boden eingelassene Abschnitte eines
schwingenden Bandes sollen die einzelnen, durchschnittlich 225 Meter voneinander entfernten Stationen miteinander verbinden. „Zusätzliche Hinweisschilder in
Deutsch und Englisch sollen dem Besucher
den Weg weisen“, sagt Heide Luckmann,
Geografin und Projektleiterin für das
Wegeleitsystem der Notenspur. Die Personalmittel für sie wurden über den Verein
der Freunde des Bauingenieur- und Wirtschaftsingenieurwesens der Universität
Leipzig eingeworben. Jeder kann einsteigen, wo er möchte – ob am SchumannHaus oder dem Geburtshaus von Clara
Wieck – und sich so seinen individuellen
Rundweg zusammenstellen.
Die Tragweite des Projekts lässt sich momentan nur auf einem Stadtplan erahnen,
den Professor Schneider aus seiner braunen Aktentasche zieht und auf dem die
einzelnen Stationen durch eine schwarze
Linie verbunden sind. „In Thomaskirche
journal
UniVersum
und Gewandhaus kommt jeder Besucher,
doch außerhalb des Innenstadtrings bewegt
sich kaum jemand. Dabei sind hier die
Komponistenhäuser zu finden, Leipzigs
größter Schatz, der leider noch viel zu
wenig wahrgenommen wird.“ Mit der Notenspur sollen zum Beispiel das zur Universität gehörende Museum für Musikinstrumente (mit Deutschlands größter
Instrumentensammlung und dem ältesten
erhaltenen Hammerflügel der Welt), die
Grieg-Begegnungsstätte, das Mendelssohn-Haus (Residenz der Universitätsmusik) aus dem Dornröschenschlaf geweckt
und ins Bewusstsein der Leipzig-Besucher
gerückt werden.
Eine der Attraktionen entlang des musikalischen Bandes dürfte auch das neue
Hauptgebäude der Universität am Augustusplatz werden, das neue Paulinum. „Es
wird der Nachfolgebau einer Bachstätte
sein mit großem Potenzial für die Zukunft“, sagt Universitätsmusikdirektor
David Timm. Die Notenspur bietet in seinen Augen die Chance, das Historische ins
Bewusstsein zu rücken und durch Musikaufführungen der Gegenwart lebendig zu
halten. So stellt er sich das auch für den
900 Plätze fassenden Mehrzweckbau vor:
„Die Universitätsmusik bekommt wieder
eine eigene Wirkungsstätte innerhalb der
Universität, die sie über 40 Jahre lang
Heft 6/2007
nicht hatte. Wir kommen wieder nach
Hause.“m
Schneider weiß um die Schätze der Stadt:
„Weltweit keine andere Stadt bietet diese
Vielzahl authentischer Musikstätten, die
fußläufig erreichbar sind.“ Zwar überflügele Wien mit der Anzahl originaler
Musikschauplätze die Pleiße-Stadt, doch
diese liegen meilenweit auseinander. Zu
Fuß an einem Tag unmöglich.
Denkmäler wie an einer
Perlenkette aufgereiht
Wenn die Notenspur im Sommer 2008 oder
Frühjahr 2009 mit einem Bürgerfest, so
schwebt es Schneider vor, eingeweiht wird,
geht für den Statiker die Arbeit weiter.
Seine Vision, Kulturorte und Denkmäler
wie an einer Perlenkette aufzureihen, soll
eine neue Dimension erreichen. Der Leipziger Notenbogen ist eine Weiterentwicklung und führt den Spaziergänger durch
Gründerzeitviertel und Parkanlagen westlich der Innenstadt. Noch weiter geht das
Notenrad, mit dem der passionierte Radfahrer Schneider Interessierte auf eine
35 Kilometer lange musikalische Radtour
einlädt, die zentrumsferne musikgeschichtlich interessante Orte miteinander
verbindet. Auch hier unterstützt die Uni-
versität Schneiders Tun: Notenrad und Notenbogen hat die Uni beim Deutschen Patent- und Markenamt in München angemeldet.
„Viele der Altersgeneration 50 plus werden
einwenden, dass diese Orte doch altbekannt sind. Stimmt. Doch wir wollen erreichen, dass sie die Besucher mit neuen
Augen sehen, junge Menschen heranführen und jene gewinnen, die sich nicht
vordergründig mit Musik beschäftigen“,
erwidert der 56-Jährige. Der Weg soll zum
Erlebnis werden. Dazu könnte auch beitragen, dass zu den einzelnen Stationen
passende Musikstücke im Internet abgerufen werden. Dies gehört jedenfalls zu den
ersten Ideen für ein Musikerlebnis-Leitsystem, das der Notenspur eine unverwechselbare musikalische Atmosphäre verleihen
soll. Ein generationsübergreifender Ansatz: Der Opa geht mit seinen Enkeln
spazieren, an den einzelnen Touretappen
spielen sie ihm die heruntergeladenen
Werke auf dem iPod vor.
www.notenspur-leipzig.de
Die Notenspur, dessen Spiritus Rector
apl. Prof. Werner Schneider ist, soll
künftig musikalische Kleinode und bedeutende Häuser auf einem Rundweg
verbinden. Gemeinsam mit Heide Luckmann präsentiert er ein erstes Prospekt.
Foto: Tobias D. Höhn
11
UniVersum
Die Gerechtigkeit, das Universum und ein Ministertag
Kinderuniversität mit spannendem Programm
Auch im Wintersemester will die Kinderuniversität Leipzig, kurz KUNI, die Wissbegierde der Sieben- bis Elfjährigen stillen.
Den Auftakt machte Ende Oktober Rektor
Prof. Dr. Franz Häuser. Sein Thema: „Was
ist gerecht?“ Eine Pauschalantwort hatte
der Jurist nicht zu bieten, dafür aber mehrere Lösungsansätze, anschaulich erklärt
am Beispiel einer zu vergebenden Freikarte
für ein Fußballspiel.
Professor Häuser nahm aber auch eine „offizielle Amtshandlung“ vor, indem er den
ersten Kinderbeirat der KUNI ernannte
und mit leuchtend blauen T-Shirts ausstattete. „Dass ich jetzt bei KUNI mitbestimmen darf, finde ich super“, freute sich
Anne (7 Jahre). Sie ist eine von sieben Beiratsmitgliedern. Der Organisatorin von
KUNI, Jana Both, sind die Meinungen und
Vorschläge der Kinder wichtig: „Die Kinderuni ist eine Veranstaltung für Kinder.
Sie wissen am besten, was ihnen gefällt
und was sie sich für KUNI wünschen. Wir
nehmen die Wünsche und Fragen der Kinder auf und setzten sie entsprechend um.“
Die ersten Aufgaben hat der KUNI-Beirat
bereits erfolgreich bewältigt: Die Gestaltung der Vorlesungsplakate für das Winter-
semester sowie der neu eingeführten Studentenausweise.
Und worauf dürfen sich die Kleinen in diesem Semester noch freuen? Drei weitere
Vorlesungen stehen auf dem Programm.
Am 14. Dezember spürt Prof. Dr. Michael
Soffel von der TU Dresden der Unendlichkeit des Weltraums nach. Am 18. Januar
plaudert Kultusminister Steffen Flath über
Jana Both ist nach außen das Gesicht
der Kinderuni und organisiert die
Veranstaltungen für Kinder und Vortragende.
Foto: Jan Woitas
Der frisch gekürte KUNI-Beirat in neuen T-Shirts samt Uni-Rektor Prof. Franz
Häuser. Von links, untere Reihe: Dieter Hofmann, Martin Hoffmann, Prof. Dr. Franz
Häuser, Anne Wille, Theresa Prenzel; obere Reihe: Philipp Sonntag, Franziska Ritter
und Michael Ritter.
Fotos: Tobias D. Höhn
12
den Arbeitsalltag eines Ministers. Und am
22. Februar erklärt Dr. Katrin ReichelWehnert vom Sächsischen Kultusministerium, warum Freunde so wichtig sind.
Die Veranstaltungen beginnen jeweils um
16.30 Uhr, Hörsaal der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie/
Institut für Biologie II (Talstr. 33).
M. R./T. D. H.
journal
DeutschWeißrussische
Forschungskooperation
Die Universität Leipzig als Drehscheibe
und Brückenkopf nach Mittel- und Osteuropa. Das hat in Leipzig eine lange Tradition. Auch wenn man in den Jahren nach
der Wende mehr gen Westen schaute, konzentriert man sich heute wieder stärker
darauf, Kooperationen mit mittel- und osteuropäischen Universitäten zu pflegen und
aufzubauen. Nun kann man auf der Landkarte von Kooperationen ein weiteres
Fähnchen hissen, denn seit kurzem gibt es
ein Kooperationsabkommen mit der Staatlichen Universität Minsk in Belarus, dem
ehemaligen Weißrussland, einem der isoliertesten Länder Osteuropas. Unterzeichnet wurde das Kooperationsabkommen im
März in Leipzig von beiden Rektoren,
Prof. Dr. Franz Häuser und Prof. Dr.
Vassili Strazhev.
Damals war eine Delegation von Wissenschaftlern aus Minsk zu Gast in Leipzig.
Diesen September stand nun der Gegenbesuch einer Leipziger Delegation in Minsk
an. Denn dem gezeichneten Kooperationsabkommen sollten Taten folgen. Man
wollte konkret werden, Symposien planen,
den Studentenaustausch anschieben, gemeinsam über Buchveröffentlichungen
nachdenken und Forschungsgelder bei der
EU beantragen.
Und so steht Prof. Berthold Kersting, Teilnehmer der Delegation und Professor für
Anorganische Chemie in Leipzig, Ende
September vor einer kleinen Gruppe in
einem Vorlesungsraum in Minsk und präsentiert die Forschungsgebiete seiner Fakultät. Die Studierenden und Professoren
sind angetan von der lebendigen und humorigen Art des Leipziger Professors.
Denn neben dem Fakultäts- und Forschungsprofil liefert Kersting ihnen auch
gleich noch ein Leipziger Stadtportrait. In
normalen Vorlesungen ist man hier anderes
gewohnt. Kurz nach dem Vortrag bildet
sich schnell eine kleine Traube Menschen
um den Leipziger Chemiker.
In den Händen hält Kersting drei kleine
Plastikröhrchen, gefüllt mit Chemikalien.
„Die haben wir gestern von einem Forscher
Heft 6/2007
Minsk–Leipzig
hier aus Minsk bekommen, der uns ein Projekt vorgestellt hat, wo wir jetztgemeinsam
weitere Untersuchungen in Leipzig durchführen wollen.“ So schnell kann man zusammen arbeiten.
Ein paar hundert Meter weiter, die sauber
geputzte und aufgeräumte Karl-MarxStraße entlang, in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Staatlichen Universität Minsk, werden die anderen Teilnehmer der Delegation Dr. Cornelie Kunze
vom Leipziger Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Dr. André
Bleicher, Energiewirtschaftsexperte an der
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in
Leipzig und Prof. Dr. Rolf Hasse vom
Fraunhofer Zentrum für Mittel- und Osteuropa von belarussischen Studierenden
umringt. Fragen über Fragen, denn das
Interesse an Studienmöglichkeiten in
Deutschland scheint sehr groß.“
Gemeinsame Forschungen
und Austausch von
Studierenden sind das Ziel
In gebrochenem Deutsch erzählt Violetta,
die 20-jährige Studentin, wie sie sich freut
über den Besuch aus Leipzig. „Das ist cool,
wir können ein bisschen von Deutschland
lernen. Wir haben jetzt vielleicht die Möglichkeit, in deutsche Unis zu gehen, um
dort zu studieren. Und am Ende wieder
zurück zu kommen und alles ein wenig
besser zu machen für unsere Republik. Das
ist toll. Und Deutschland ist toll.“
Denn neben dem Austausch von Wissenschaftlern und der gemeinsamen Arbeit an
Forschungsprojekten, will man mit dem
Forschungskolloquium vor allem eines erreichen: den Austausch von Studierenden,
und das in beide Richtungen, sagt Dieter
Schulz, Professor für Erziehungswissenschaften an der Uni Leipzig und Initiator
des Projektes. „Das Entscheidende ist vor
allem, dass wir den Weg vorbereiten für unsere Studenten. Die Studenten sind unsere
Zukunft. Wir können nur noch vermitteln
und zeigen, dass ist die richtige Richtung.
Traditionen, die wir anfangen zu knüpfen,
haben einen Zukunftscharakter, und der
löst sich über die Studierenden ein.“
Wie wichtig es ist, einen Austausch zu haben, erfährt man unter vorgehaltener Hand
auch von weißrussischen Studierenden. Sie
sprechen von der politischen Situation im
Land und auch an ihrer Universität. Es gibt
kein unabhängiges Radio, kein freies Fernsehen und wer sich gegenüber der Regierung Lukaschenko und deren anti-westlicher Politik kritisch äußert, verliert unter
Umständen seinen Studienplatz. Auch
Viktor Shadurski, Professor für internationale Beziehungen an der Belarussischen
Staats-Universität, begrüßt die gemeinsame Zusammenarbeit. „Die Wissenschaft
ist international. Es geht nicht, dass wir
eine isolierte Wissenschaft in Belarus,
Deutschland oder Japan haben. Wissenschaft braucht nun mal eine starke Zusammenarbeit. Wir müssen Möglichkeiten finden diese Zusammenarbeit zu entwickeln.
Sicherlich gibt es auf der politischen Ebene
Probleme, vor allem seit 1997 zwischen
Belarus und der EU, aber trotz dieser Probleme müssen wir Wege finden, um zusammen zu arbeiten. Um einen kulturellen
und persönlichen Austausch zu haben. Wir
müssen also andere Wege finden, vielleicht
durch eine Art persönliche Diplomatie.“
Am Ende des Kolloquiums sitzen die
Minsker Dekane und Professoren mit den
Leipziger Wissenschaftlern an einem
13
UniVersum
großen Tisch, um die Ergebnisse zu protokollieren. Geplant sind gemeinsame Forschungsprojekte in der Chemie, Physik,
Biologie und der Geschichtswissenschaft.
Vor allem will man aber den Studentenund Doktorandenaustausch intensivieren.m
Auch Cornelie Kunze und Dr. André
Bleicher konnten etwas Konkretes mit den
Kollegen aus Minsk vereinbaren, erzählt
Bleicher: „Herausgekommen ist ein Buchprojekt, was momentan das konkreteste
Vorhaben ist. Wir wollen die Transformation Weißrusslands beschreiben und das
von zwei Seiten her tun.“ Doch wie einfach
das sein wird, darüber ist sich Kunze nicht
sicher. „Die Bereitschaft ist sehr groß, aber
ich weiß nicht ganz genau, ob das nicht die
gleichen Erwartungen sind. Jeder hat ein
bisschen andere Ziele, und man muss dann
im Verlaufe der Arbeit sehen, wie man da
Kompromisse findet, oder eben auch gemeinsame Ziele aufstellen kann. Das wird,
so denke ich, noch ein spannender Arbeitsprozess werden.“ Denn ideologisch und
politisch liegen oftmals noch Welten zwischen Minsk und Leipzig, dass haben zumindest die Treffen der Wirtschaftswissenschaftler gezeigt.
Abendessen und Erfahrungsaustausch mit Wissenschaftlern aus Minsk.
Foto: Mark Michel
Schon im März nächsten Jahres ist dann
das dritte gemeinsame Forschungskolloquium geplant. Und alle freuen sich jetzt
schon darauf, denn in Minsk haben sich
nicht nur Wissenschaftler getroffen, sondern Menschen, die sich näher gekommen
sind und Freundschaft geschlossen haben.
Mark Michel
Studentica-Sammlung ist um einen Schatz reicher
Die Studentica-Sammlung des Universitätsarchivs ist um einen Schatz reicher:
Michael Schuster (links) und Maik Thiem
(rechts) von der Leipziger Burschenschaft
Germania überreichten im Oktober 2007
dem Archivar Dr. Jens Blecher einen altehrwürdigen Glockenschläger aus dem
Besitz der Burschenschaft.
Die Burschenschaft Germania war 1818
als pflichtschlagende Verbindung gegründet worden und verlangte von ihren Mitgliedern für die eigene und die Ehre der
Burschenschaft „notfalls mit der Waffe in
der Hand, einzutreten“.
Mensuren werden im Waffenring HalleLeipzig geschlagen. Das akademische
Hiebfechten erfüllt dabei mehrere Zwecke.
Es dient unter anderem der Charakterschulung, der Auslese geeigneter Mitglieder und nicht zuletzt bildet die
gemeinsame Mensurerfahrung eine besonders feste Gemeinschaft. Im Gegensatz zu
den westelbischen Korporationen ist an
den meisten ostelbischen Hochschulen der
14
Glockenschläger traditionell die commentgemäße akademische Waffe. Die Burschenschaft kehrte nach langem Exil 1993
an ihren alten Hochschulort nach Leipzig
zurück.
r.
Foto: Maik Thiem
journal
Forschung
Frühzeitiges Erkennen und
Simulieren sichert Zukunft
Interdisziplinarität und praxisrelevante Forschung
Von Prof. Johannes Ringel, Christian Strauß und Jun.-Prof. Dr. Silke Weidner,
Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft
Die gegenwärtigen komplexen Transformationsbedingungen für die räumliche
Entwicklung sind unter anderem auf die
Gegensätzlichkeit der Verläufe von Wachsen und Schrumpfen der Städte und Regionen zurückzuführen. Mit der daraus
resultierenden Notwendigkeit für einen
neuen Handlungsrahmen geht die Entwicklung innovativer Strategien und Instrumente einher. Das Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft (ISB) der
Universität Leipzig hat mit zwei gerade
abgeschlossenen Verbundprojekten einen
wissenschaftlichen Beitrag zu dieser Instrumentendebatte geleistet.
Innovative Strategien für
schrumpfende Städte
In dem interdisziplinären Verbundprojekt „Entwicklung eines Früherkenungsund Kontrollsystems zur Unterstützung
einer flexiblen Stadtentwicklungsplanung
(FKS)“, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, wurde
ein Instrument für die Stadtentwicklungsplanung erarbeitet. Partner waren dabei
die Firma innova AG, die beiden kommunalen Praxispartner Forst (Lausitz) und
Selb.
Das Verbundprojekt hat ein Instrument
für die früherkennende, vertiefend analytische und kontrollierende Phase des städtischen Informationsmanagements erarbeitet. Noch vor Konzeptionierung und Maßnahmenumsetzung soll eine fundierte
Grundlage über die derzeitige funktionale
und räumliche Struktur der Stadt und ihrer
Quartiere ermittelt werden.
Unter der Leitung von Prof. Johannes
Ringel koordinierte das ISB das Projekt
und zeichnete für die wissenschaftliche
Herleitung und Fundierung verantwortlich.
Im Kern stand die Entwicklung der SoftHeft 6/2007
ware „umacs®“. Dabei wurden praxisrelevante Ergebnisse erzielt, die auf dem Markt
nachgefragt werden und zugleich den Anspruch auf wissenschaftliche Gültigkeit
wahren.
Aufbauend auf diesem Erkenntnisgewinn
hat das ISB ein weiteres Instrument entwickelt. Im Rahmen des Forschungsfeldes
„Stadtquartiere im Umbruch“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesamtes für Bauwesen
und Raumordnung wurde der Baustein
„Szenarien und Modellrechnungen zur
Entwicklung von Quartieren im Stadtumbau“ bearbeitet. Für die Diskussions- und
Entscheidungsphase zur Leitbildentwicklung untersucht das Instrument alternative
Entwicklungsmöglichkeiten mithilfe von
Szenarien.
Die Auswertung der Szenarien liefert
Erkenntnisse beispielsweise zu den spezifischen Funktionen und Potenzialen einzelner Indikatoren und bestimmter Vollzugsinstrumente des Urban Management
in Abhängigkeit zu unterschiedlichen
Quartierstypen sowie dem Anteil kommunaler Kosten zur Umsetzung bestimmter
Strategien.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse der
beiden Projekte werden durch das ISB in
vielfältiger Weise verwertet. Sie werden
unter anderem im Rahmen der Politikberatung des Instituts herangezogen. In der
Lehre dienen die ermittelten Erkenntnisse
im Sinne des Humboldtschen Grundsatzes
vor allem dem berufsbegleitenden Aufbaustudiengang „Master of Science in Urban
Management“, der vom ISB federführend
betreut wird.
In den beiden interdisziplinären Projekten
wurden jeweils mehrere Perspektiven auf
den Untersuchungsgegenstand unternommen. Diese Methode führte zu einer Erweiterung der Modellannahmen. Die Projekt-
ergebnisse weisen dadurch eine große Realitätsnähe und einen hohen Anwendungsbezug auf. Das ISB liefert demnach wertvolle Ergebnisse für die öffentliche Hand
und die Privatwirtschaft.
Diese Form der angewandten Forschung
hat dem noch relativ jungen Institut – genau zehn Jahre sind seit seiner Gründung
vergangen – eine erfolgreiche Akquisition
und Bearbeitung von Verbund- und Forschungsprojekten gebracht. An dem Erfolg
haben die Projektpartner des Institutsmaßgeblichen Einfluss. Daher hat das ISB das
Jubiläum zum Anlass genommen und im
November seine Wegbegleiter, Unterstützer, Förderer und Ideengeber zu einer
Jubiläumsfeier empfangen.
Das Institut für Stadtentwicklung und
Bauwirtschaft existiert seit zehn Jahren.
1995 als Lehrstuhl für Baubetriebswesen
und Bauwirtschaft gegründet, wurde
1998 die Stiftungsprofessur für Technisches und Infrastrukturelles Management baulicher Anlagen, 2000 die Honorarprofessur für Projektsteuerung und
Projektentwicklung, die Stiftungsprofessur für Stadtentwicklung und 2005 die
Honorarprofessur für Bauwirtschaft eingerichtet. Vor dem Hintergrund der derzeitigen ökonomischen und soziodemografischen Entwicklungen beschäftigt
sich das ISB sowohl in Lehre als auch in
Forschung mit den Schwerpunkten Urban Management, Prozessmanagement
und Virtuelle Planung sowie Entwickeln
und Bauen im Bestand. Seit Oktober
2003 bietet das Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft den postgradualen Aufbaustudiengang Master of
Science in Urban Management an, welcher sich an Absolventen der zahlreichen
Fachrichtungen richtet, die in den Stadtumbauprozess integriert sind.
r.
15
Forschung
Exzellenzwettbewerb
Erfolg für Uni
Leipzig
Die Universität Leipzig hat sich mit ihrer
Graduiertenschule BuildMoNa. Leipzig
School of Natural Sciences – Building with
Molecules and Nano-objects in der zweiten
Auflage der von Bund und Ländern initiierten Exzellenzinitiative durchgesetzt.
Damit gehört die Universität Leipzig zu
den 35 Universitäten deutschlandweit, die
nun durch die Exzellenzinitiative von DFG
und Wissenschaftsrat gefördert werden.
„Damit hat sich Leipzig in Sachsen als einzige Universität in der zweiten Runde der
Exzellenzinitiative durchgesetzt“, freute
sich Prof. Dr. Franz Häuser über den Erfolg. Prorektor Prof. Dr. Martin Schlegel
fügte hinzu: „Dieser Erfolg ist von großer
Bedeutung für die weitere Entwicklung der
Universität Leipzig zu einer international
sichtbaren Forschungsuniversität.“
Die Universität Leipzig hatte sich insgesamt mit Antragsskizzen für zwei Exzellenzcluster, drei Graduiertenschulen sowie
für ein Zukunftskonzept beworben. Aufgefordert zur Vollantragstellung wurde sie für
das Exzellenzcluster Felix Klein Center for
Mathematical Sciences and their Application (Mathematik und ihre Anwendung in
den Naturwissenschaften) sowie die Graduiertenschule BuildMoNa.
Für Prof. Dr. Martin Schlegel, Prorektor
für Forschung und wissenschaftlichen
Nachwuchs an der Universität Leipzig, ist
dieser Erfolg auch das Ergebnis der Forschungspolitik der vergangenen Jahre:
„Um in unserer Forschungsarbeit effektiver zu werden, haben wir zum Beispiel die
Research Academy Leipzig (RAL) gegründet, mit der wir insbesondere Nachwuchswissenschaftler fördern.“
„Es macht sehr viel
Die beiden Sprecher der Exzellenzand Nano-objects über Geschichte,
Mit der Graduiertenschule Leipzig School
of Natural Sciences – Building with Molecules and Nano-objects ist die Universität bei der Exzellenzinitiative des Bundes dabei. Was hat Sie bewogen, sich mit
der Graduiertenschule zu bewerben?
Prof. Evamarie Hey-Hawkins: Wir haben
nicht einfach gedacht, jetzt machen wir
mal eine Graduiertenschule, sondern die
Graduiertenschule hat sich folgerichtig aus
dem ergeben, was schon da war. Im Rahmen der Diskussion zur Beteiligung an der
Bundesexzellenzinitiative wurden vor etwa
vier Jahren in der Forschungskommission
der Universität Exzellenzbereiche präzisiert und strukturiert, und ich schlug damals bestehende Aktivitäten in Chemie
und Physik als Exzellenzcluster I vor, aus
dem dann in den letzten Jahren der Profilbildende Forschungsbereich I „Von Molekülen und Nanoobjekten zu multifunktionalen Materialien und Prozessen“ wurde.
Grundgedanke war, die Spitzenforschung
in Physik und Chemie zu verbinden und
auch andere thematisch verwandte Bereiche einzubeziehen.
Prof. Marius Grundmann: Die in der zweiten Runde des Exzellenzwettbewerbs erfolgreiche Graduiertenschule BuildMoNa
ging aus unseren Antragsskizzen zu einem
Exzellencluster und einer Graduiertenschule in der ersten Runde des Exzellenzwettbewerbs hervor. Wir haben uns die interdisziplinäre Ausbildung von jungen Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern auf die Fahnen geschrieben, die
verzahnt sein muss mit der Forschung des
Profilbildenden Forschungsbereiches. Die
Graduiertenschule hätten wir auf jedem
Fall aufgebaut, so dass eine Bewerbung im
Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes nur folgerichtig war.
Was ist das Besondere an der Leipziger
Graduiertenschule?
Grundmann: Ich kenne natürlich die anderen Anträge der Kollegen nicht. Aber: Unsere Schule hat ein sehr klar ausgerichtetes
wissenschaftliches, eindeutig beschriebenes, sehr kreatives Konzept. Und es baut
auf die exzellente Forschung, die wir bisher geleistet haben.
Sprecherin und Koordinatorin der
Graduiertenschule BuildMoNa
Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins
Telefon: 03 41 97 -3 61 51
E-Mail: hey@ uni-leipzig.de
www.uni-leipzig.de/chemie/hh/
framehh.htm
Stellvertretender Sprecher der
Graduiertenschule BuildMoNa
Prof. Dr. Marius Grundmann
Telefon: 03 41 97 -3 26 50
E-Mail: grundmann@ physik.uni-leipzig.de
www.uni-leipzig.de/~hlp
16
„Jetzt liegt viel Arbeit vor uns; nun muss der Antrag in die Praxis umgesetzt
werden“, sagt Prof. Evamarie Hey-Hawkins.
Fotos: Jan Woitas
journal
Forschung
Spaß und Freude ...“
Graduiertenschule Building with Molecules
Gegenwart und Zukunft des Projektes
Hey-Hawkins: Es ist die Einheit von Doktorandenqualifizierung und Forschung.
Und nicht zu vergessen unsere hervorragende Infrastruktur durch die Einbettung in
die Research Academy Leipzig (RAL).
Das alles zusammen kann man sicher als
Grundlage des Erfolges bezeichnen.
Die Graduiertenschule ist nun bewilligt.
Wie fühlt man sich nach einem solchen
Erfolg?
Hey-Hawkins: Ich fühle mich gut, eigentlich unheimlich gut. Ich war in Dubai, bei
der Zwischenlandung auf dem Weg nach
Leipzig aus Neuseeland kommend, als ich
die SMS zum Erfolg unserer Graduiertenschule von Herrn Grundmann und Frau
Beck-Sickinger bekam. Ich habe mich natürlich unglaublich gefreut, aber es wäre in
diesem Moment noch schöner gewesen,
dieses Hochgefühl auch mit all denen zu
teilen, die zum Erfolg unseres Antrags beigetragen haben. Dann, langsam, realisiert
man: Wir sind dabei. Wir gehören zum
Kreis der ausgewählten Unis. Jetzt liegt
viel Arbeit vor uns; nun muss der Antrag in
die Praxis umgesetzt werden.
Grundmann: Es ist toll für Leipzig, dass es
auf der Exzellenzlandkarte Deutschlands
zu finden ist. Der Zuschlag eröffnet uns
fantastische Möglichkeiten. Es macht einfach sehr viel Spaß und Freude.
Das beflügelt natürlich auch im Alltag.
Wie geht es jetzt weiter?
Grundmann: Jetzt wird genau das umgesetzt, was im Antrag steht. Da ist zu unserer nachträglichen Überraschung alles sehr
genau und gut aufgeschrieben. Zunächst
haben wir ein Steering Committee gebildet, das die wichtigen nächsten Schritte der
Graduiertenschule plant. Dann müssen die
rechtlichen Voraussetzungen geprüft werden: Wie viel Geld bekommen wir genau?
Wie darf es ausgegeben werden? Wir warten also auf den Bewilligungsbescheid.
Aber im Wesentlichen ist klar, dass jetztdie
Stipendien ausgeschrieben und Anzeigen
geschaltet werden. 40 Doktoranden, die beHeft 6/2007
reits im Rahmen anderer Projekte finanziert werden, werden in den nächsten
Wochen aufgenommen, und im nächstes
Jahr kommen dann pro Quartal jeweils
zehn bis 15 Stipendiaten dazu.
Hey-Hawkins: Das Lehrprogramm für das
erste Jahr steht ja schon in dem Antrag. Für
die folgenden Jahre haben wir jetzt nicht
weiter Papier produziert, weil sich die Module natürlich mit neuen Erkenntnissen
ändern, und die Inhalte auch von den Kollegen, die dann aktuell als Lehrende eingeladen werden, abhängen. Dann müssen für
jeden Doktoranden/jede Doktorandin jeweils ein Betreuer und ein Ko-Betreuer
festgelegt werden. Das erfordert einfach
unser interdisziplinärer Ansatz.
Und wo soll es hingehen? Welches Ziel
steht am Ende der Arbeit?
Grundmann: Da kann man vieles aufzählen. Wir möchten natürlich exzellente Mitarbeiter hier in Leipzig halten. Wir werden
zumindest in unseren Fächern die Gelegenheit haben, mit einer attraktiven Graduier-
tenschule diese Leute in Leipzig zu halten,
und natürlich insbesondere aus dem Ausland exzellente neue Mitarbeiter nach
Leipzig zu holen. Das ist, denke ich, ein
ganz wichtiger Faktor. Mehr Internationalität. Das zeigt sich auch darin, dass wir für
wissenschaftliche Symposien, Kolloquien
und dergleichen, auch renommierte Wissenschaftler für Vorträge nach Leipzig
holen können. Ich denke, dass wird insgesamt für unsere Fakultäten und damit auch
für die Universität ein absoluter Gewinn
sein.
Hey-Hawkins: Dann die stärkere Vernetzung von Chemie, Physik und Biowissenschaften, gerade innerhalb der nächsten
Jahre. Das bringt völlig neue Sichtweisen
mit sich mit Auswirkungen auf die wissenschaftlichen Ergebnisse. Die Graduiertenschule wird auch eine Rolle bei den
Neuberufungen spielen. Ich könnte mir
vorstellen, dass die Aussicht, an unserer
Graduiertenschule mitzuwirken, zum Beispiel als assoziiertes Mitglied oder vielleicht als Antragsteller des Fortsetzungs-
„Ich denke, das wird insgesamt für unsere Fakultäten und damit auch für die Universität ein absoluter Gewinn sein“, sagt Prof. Marius Grundmann.
17
Forschung
antrags hochrangige Bewerber schon
motivieren könnte, sich für Leipzig zu
entscheiden.
Und die Stipendiaten? Was haben sie zu
erwarten und was erwarten Sie von
Ihnen?
Hey-Hawkins: Für die Stipendiaten bedeutet unsere Graduiertenschule zuallererst
die Möglichkeit, unter besten Voraussetzungen forschen zu können. Und damit
meine ich nicht nur, dass Ihnen die besten
Lehrer, die besten Labore mit modernster
Ausstattung und hervorragende wissenschaftliche Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Damit meine ich
auch, dass sie frei von finanziellen Zwängen forschen können. Sie bekommen ein
Stipendium, von dem sie, wenn auch nicht
üppig, aber doch gut leben können. Und
der Erfolg der Schule wird natürlich in
erster Linie am Erfolg der Stipendiaten gemessen.
Interview: Dr. Bärbel Adams
Doktorand Sebastian Bauer arbeitet an einem Röntgendiffraktometer an der Fakultät für Chemie und Mineralogie. Das Gerät wird eingesetzt um Strukturen von Kristallen aufzuklären.
ICCAS: Autopilot für die Ohrchirurgie
Weltweit erster Einsatz einer automatisierten Fräse
Das interdisziplinäre Team des Innovation
Center Computer Assisted Surgery (ICCAS) an der Medizinischen Fakultät der
Universität Leipzig, des Lehrstuhls für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik der
TU München und der Firma Karl Storz
Tuttlingen kann einen weiteren Erfolg verbuchten: Nach der ersten Nasennebenhöhlenoperation mit einem automatisierten
motorgetriebenen Saug- und Schneidinstrument (Shaver) setzte PD Dr. Gero Strauß
die weltweit erste automatisierte Fräse in
der Ohrchirurgie erfolgreich ein.m
Dazu Dr. Strauß, leitender Oberarzt der
Hals-, Nasen-, Ohrenklinik der Universität
Leipzig: „Chirurgische Eingriffe am Ohr
sind kompliziert und erfordern eine genaue
Kenntnis der Anatomie. Trotz bester Ausbildung kann es dabei zu Verletzungen des Gesichtsnerves
oder des Hörorgans kommen.
Das verhindert die von uns eingesetzte Steuerung der Fräse.“
„Das Prinzip der Automation
kommt aus der Automobil- und
Luftfahrtentwicklung: Ein zusätzlicher Sicherheitsmechanismus bewirkt, dass das Instrument automatisch abgeschaltet wird, wenn gefährdete
Strukturen erreicht werden“,
sagt Professor Dr. Tim Lüth,
Lehrstuhlinhaber für MikroProf. Dr. Gero Strauß von
der Hals-, Nasen-, Ohrenklinik der Uni Leipzig setzte
weltweit erstmals den Autopiloten für die Ohrchirurgie
ein.
Foto: Klinik
18
und Medizingerätetechnik an der TU München. „Mit diesem Sicherheitsmechanismus wird jetzt die chirurgische Fräse ausgestattet, mit der der Ohrchirurg Knochen
abträgt, um an sein eigentliches Operationsfeld zu kommen.“ Voraussetzung
dafür ist eine detailgetreue Computertomographieaufnahme (digitales Patientenmodell), mit der schon vor der Operation
festgelegt wird, welchen Umfang die Operation haben soll und welche Strukturen
geschont werden müssen. Das muss dann
wieder in komplizierte Datensätze umgesetzt werden. Das chirurgische Instrument
wird dann mit den so erhobenen Daten versehen, damit es entsprechend wirksam
werden kann.
„Mit der weltweit ersten Operation mit
einer automatisierten Fräse konnten die
Partner von der TU München, der Fa. Karl
Storz Tuttlingen und nicht zuletzt von
ICCAS erneut ihre Leistungskraft und Innovationsfähigkeit unter Beweis stellen“,
freut sich Professor Dr. Andreas Dietz,
Vorstandsmitglied von ICCAS und Direktor der Hals-, Nasen-, Ohrenklinik Leipzig.
„Und für unsere Patienten konnte wieder
ein Stückchen mehr Sicherheit erreicht
werden.“
Dr. Bärbel Adams
journal
Forschung
Ausgrabungen in Beerscheba
Zwischen Philistern und Ägyptern
Von Prof. Dr. Angelika Berlejung, Institut für Alttestamentliche Wissenschaft
20 Studenten der Universität Leipzig haben
im Sommer dreieinhalb Wochen an einer
internationalen archäologischen Ausgrabung in Israel teilgenommen. Die Ausgrabung fand in Qubur al-Walaydah südlich
von Beerscheba statt, 12 Kilometer entfernt vom Gaza-Streifen, und war ein gemeinschaftliches Projekt der Universitäten
von Beerscheba, Saskatchewan (Kanada),
Rostock und Leipzig. Grundlage der Leipziger Zusammenarbeit mit der Universität
Beerscheba ist seit kurzem eine offizielle
Partnerschaft beider Institutionen.
Wegen der politischen Lage der letzten
Jahre, die bis heute brisant ist, waren archäologische Arbeiten in dieser Region in
der letzten Dekade die Ausnahme gewesen.
Insofern hat die diesjährige Grabung auch
versucht, das Studium des Negev-Gebiets
in Südpalästina nach längerer Unterbrechung wieder aufzunehmen. In vorchristlicher Zeit war die Region ein Übergangs-
gebiet verschiedener Interessensphären
gewesen. Vor allem die Philister und Ägypter hatten klare Interessen vor Ort, unter
anderem auch weil sie das Hinterland von
Gaza wirtschaftlich wie strategisch kontrollieren wollten. In der Zeit der Könige
von Juda gehörte die Region wohl wenigstens zeitweise zum Königreich von Jerusalem.
Die Grabung war die erste von insgesamt
vier Kampagnen und wurde von der Universität von Beerscheba finanziert, die sich
für die künftigen Grabungen finanzielle
Beihilfen von Seiten der Partneruniversitäten erhofft. Ziel ist die wirtschaftliche, soziale, kulturelle und religiöse Lebenswelt
von Qubur al-Walaydah zu untersuchen.
Die Siedlung war Marktplatz der dort ansässigen Bauern, aber auch der Nomaden
des Umlands, so dass die Ergebnisse der
Arbeiten vor Ort auch für den SFB 586
„Differenz und Integration. Wechselwir-
kungen zwischen nomadischen und sesshaften Lebensformen in Zivilisationen der
Alten Welt“ der Universitäten Leipzig/
Halle von Interesse sind.
Dabei zeigten die Grabungsfunde schnell,
dass sich an dem kleinen Ort aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen die
Kultur- und Interessensphären der Ägypter
und Philister überschnitten. Insbesondere
die Beziehungen zum nahegelegenen Gaza
waren damals wie heute von besonderer
Natur.
Ägyptische Residenzgebäude
mit zwei Meter breiten
Mauern entdeckt
Schon die erste Kampagne der Ausgrabungen in Qubur al-Wadaydah 2007 hat umfangreiches Material zu Befestigungsanlagen der späten Bronzezeit (1550 –1150 v.
Forschung
Chr.) und zur dörflichen Kultur der EisenI-Zeit (1200–1000 v. Chr.) ans Licht gebracht. So wurden in dem Dorf der EisenI-Zeit verschiedene Getreidesilos gefunden, eine Weinpresse, ein Webstuhl und ein
Ofen, in dem Brot gebacken wurde. Die
Keramikfunde sind philistäisch.
Unter der eisenzeitlichen Siedlung, die offenbar die Verbindung zum philistäischen
Gaza gepflegt hatte oder einfach aus philistäischen Siedlern bestand, entdeckte das
Grabungsteam eine weitläufige Anlage aus
der späten Bronzezeit, die ägyptischen Ursprungs ist. Dabei handelt es sich um ägyptische Residenzgebäude mit massiven, bis
zu zwei Meter breiten Mauern. Die Anlage
in Qubur al-Walaydah dokumentiert, dass
die Ägypter nicht nur die Küste, sondern
auch ihr Einflussgebiet im Hinterland
massiv mit einer Linie von Festungen absichern wollten. Mit der Entdeckung der
Festung von Qubur al-Walaydah wird in
dieser antiken ägyptischen „Maginot-Linie“ der Spätbronzezeit eine weitere Lücke
geschlossen.
Neue Methode: Grabungsareal wird zum Schachbrett
Neuartig ist die Methode, die bei der
Grabung angewandt wird. Dabei wird das
Grabungsareal wie ein Schachbrett aufgeteilt. In der ersten Kampagne haben die
Volontäre die Hälfte der Felder ausgegraben, verglichen mit einem Schachbrett die
„weißen Felder“. So ist es möglich, schon
für das gesamte Feld die einzelnen Schichten festzustellen und die Profile zu fotografieren und zu zeichnen. Es lässt sich also
relativ exakt vorhersagen, welche Schichten in den noch nicht ausgegrabenen
Feldern zu erwarten sind. Das erhöht die
Genauigkeit, mit der bei der nächsten
Kampagne diese „schwarzen Felder“
ausgegraben werden können. Zusätzlich
wurden geomagnetische Messungen und
Radio-karbonuntersuchungen
durchgeführt, deren Ergebnisse derzeit noch ausgewertet werden.
Neben der eigentlichen Grabungstätigkeit
wurden die Studenten in archäologischer
Feldarbeit geschult und erhielten Einblicke
in die Laborarbeit zur Analyse der Funde.
Durch das Schulungsprogramm, das mit
dieser Lehrgrabung verbunden war, haben
die Studenten zusätzlich Einblicke gewonnen in aktuelle Fragestellungen der
Palästina-Archäologie, in die wissenschaftlichen Methoden der Archäologie,
Archäo-Botanik und Archäo-Zoologie, die
Anthropologie und in die Bestimmung von
Keramikfunden.
Annette Graeber ist eine der Leipziger
Studentinnen, die an der Lehrgrabung teilnahmen, obwohl dies nicht zum Pflichtprogramm der Theologie-Studentin zählt. Für
sie war es beeindruckend, Gegenstände
auszugraben, die bereits die Menschen zur
Zeit des Alten Testaments in der Hand hielten, sagte sie hinterher. Biblische Texte
würden so erst konkret. Auch die Internationalität der Grabung, die Zusammenarbeit mit Kanadiern und Israelis sowie das
allgemeine Sprachendurcheinander, seien
eine schöne Erfahrung gewesen.
Die Ausgrabung ist ein internationales Projekt, das gerade nicht den Blick auf große
Städte und Palastbauten richten will, sondern das Verständnis der dörflichen Kultur
in Palästina fördern soll. Sie folgt damit
dem neuen Konzept der „landscape and
village archaeology“ für das es in Palästina
bisher nur wenige Beispiele gibt. Während
die städtischen Zentren an der Küste und in
der Jesreel-Ebene schon gut erforscht sind,
sind Untersuchungen zur das Land prägenden dörflichen Peripherie bisher immer
noch ein Desiderat.
Die Publikation der Grabungsergebnisse
der diesjährigen Kampagne ist in Vorbereitung. Im nächsten Jahr wird eine Oberflächenuntersuchung und eine geomagnetische Prospektion durchgeführt und ein
Grabungsvorbericht erarbeitet und publiziert werden. Die nächste Grabungskampagne findet 2009 statt, zu der man sich als
Volontär dann ab Mai 2008 per Internet
(www.uni-leipzig.de/~a t/berlejung/index.
htm) einschreiben kann.
Prof. Dr. Angelika Berlejung (Theologische
Fakultät) ist auf Leipziger Seite für die
Grabung verantwortlich. Die Ausgrabung
vor Ort wurde von Prof. Gunnar Lehmann
und Prof. Steven A. Rosen von der BenGurion-Universität in Beerscheba geleitet,
weitere Verantwortliche waren Prof. Chris
Foley von der Universität von Saskatchewan und Prof. Hermann M. Niemann von
der Universität Rostock.
Qubur al-Walaydah (linkes Foto) ist ein ländliches Dorf in der Umgebung von Gaza. 2007 wurden dort die ersten Ausgrabungen in zwei Feldern unternommen. In Feld 1 (rechtes Foto) fand man Überbleibsel eines Dorfs der Eisen-I-Zeit. Silos, Weinpressen und ein Backofen dokumentieren den Alltag des Dorfs.
Fotos: G. Lehmann/A. Graeber
20
journal
Forschung
Wie bei Pferden die Bornasche Erkrankung
nachgewiesen werden kann
Die Bornasche Krankheit bei Pferden
wurde erstmals beschrieben bei Kavalleriepferden in der sächsischen Kleinstadt
Borna. Sie wird verursacht durch ein Virus,
das Borna- oder Borna-Disease-Virus
(BDV), das Pferde in sich tragen können,
ohne dass die Krankheit zum Ausbruch
kommt. Geschieht dies, kommt es zu
schwersten neurologischen Ausfällen und
Verhaltensstörungen. Wie sich die Tiere
anstecken, ist unbekannt; 100 Prozent der
Pferde mit Symptomatik sterben.
Professor Dr. Gerald Schusser, Direktor
der Medizinischen Tierklinik an der Veterinärmedizinischen Fakultät, wollte Immunglobuline im Liquor cerebrospinalis
von 33 Pferden nachweisen, bei denen post
mortem eindeutig die Bornasche Krankheit identifiziert werden konnte. Er stellte
fest, dass einige der Tiere im Gehirn Immunglobuline (IgG, IgA, IgM) produzie-
ren, andere nicht. Das war also kein Unterscheidungsmerkmal. Außerdem war nicht
nachweisbar, dass erhöhte ImmunglobulinWerte Rückschlüsse auf eine frühe Infektion mit BDV zulassen. „Wir gehen aber
davon aus, dass es im Gehirn der befallenen Tiere auch entsprechende Antikörper
gibt. Höchstwahrscheinlich ist es auch so,
dass es durch das Borna-Virus zu einer
Autoimmunreaktion kommt und die Antikörper die Nervenzellen destruieren“, erklärt Schusser. Letztlich müsste es also
darum gehen, eine Methode zu finden, mit
der zuverlässig eine intravitale Diagnose
möglich ist.
Das gelang den Forschern um Professor
Schusser über die Berechnung des Ig-Quotienten. Dazu gingen sie weg von der bisher üblichen linearen Darstellung mittels
Ig-Index hin zum Quotientendiagramm
mittels spezifischer hyperbolischer Diskri-
minierungslinie für das Pferd. Grundlage
dafür ist die Relation der Immunglobulinkonzentration im Liquor zur Immunglobulinkonzentration im Serum, einem flüssigen Anteil des Blutes. Das lässt sich mit
Hilfe des so genannten Reiberdiagrammes
darstellen. Bei den Pferden ließ sich durchweg eine Immunglobulin-Reaktion verschiedener Klassifizierung nachweisen.
„Diese Methode erlaubt den Nachweis
einer neurologischen Erkrankung mit Immunglobulinen, die innerhalb des Liquorraumes erzeugt werden, wie das bei der
Bornaschen Krankheit der Fall ist, im Gegensatz zu Erkrankungen, bei denen die
Ig-Werte durch eine Blut-Liquor-Schrankenstörung zustande kommen.“, resümiert
Professor Schusser.
Die Studie wurde kürzlich in der Wiener
Tierärztlichen Monatsschrift veröffentlicht.
Dr. Bärbel Adams
Deutsch-Englischer Stadtführer behandelt Naturphänomen
„Leipzig, Einstein, Diffusion“
Ein besonderer Stadtführer ist beim Leipziger Universitätsverlag erschienen: „Leipzig, Einstein, Diffusion“. Aquarelle des
japanischen Physikers Taro Ito illustrieren
den Band, der den Leser mit einem der
grundlegenden Phänomene in Natur und
Technik, der Diffusion, bekanntmachen
will. Niemand kann Anliegen und Inhalt
besser beschreiben als der Diffusionsexperte, Herausgeber des Bandes und Ausrichter der Internationale Konferenz Diffusion Fundamentals I, Prof. Jörg Kärger:m
Heft 6/2007
„Seien Sie herzlich begrüßt, liebe Leser, zu
einem Spaziergang durch eine wunderschöne Stadt und durch ein faszinierendes
Gebiet der Wissenschaft und Technik. (…)
Unter den vielen Anlässen, die 2005, im
Jahr der Physik, zu begehen waren, besitzen zwei Jubiläen für die Diffusionsforschung eine ganz besondere Bedeutung. In
diesem Jahr jährte sich nämlich zum 150.
Mal die Veröffentlichung der grundlegenden Gesetze der Diffusion, des ersten und
zweiten Fickschen Gesetzes, und es waren
genau 100 Jahre vergangen, seit Albert
Einstein diese Gesetze mit dem Phänomen
der Brownschen Bewegung korrelieren
konnte und damit den Weg zum ersten allgemein anerkannten Nachweis dafür ebnete, dass unsere Materie aus Atomen und
Molekülen aufgebaut ist. Die Tatsache,
dass diese beiden richtungsweisenden Arbeiten in Leipzig in den berühmten ,Annalen der Physik und Chemie‘ und ,Annalen
der Physik‘ gedruckt worden sind, mag
die internationale Forschergemeinschaft
bewogen haben, diese Anlässe mit einer
Diffusionskonferenz in Leipzig zu würdigen.“
„Leipzig, Einstein, Diffusion“ beinhaltet
Beiträge der Konferenz, die weit über das
eigentliche Fachgebiet hinausgehen, zur
Geschichte der Diffusion, in der auch viele
Nobelpreisträger zu Wort kommen, und
über die erstaunlich vielen diffusions-ähnlichen Vorgänge in Natur und Gesellschaft,
angefangen bei der Besiedlung des amerikanischen Kontinents durch die Paläo-Indianer bis hin zur Verbreitung der braunen
Flecken auf den Blättern unserer Kastanienbäume.
Der Band ist über die Buchhandlungen für
19 Euro erhältlich. Der relativ niedrige Ladenpreis ist der Förderung durch den Fonds
der Chemischen Industrie zu danken. B. A.
21
Gremien
Sitzung des Senats am 11. September
1. Der Senat verabschiedete den Ausschreibungstext und billigte die Zusammensetzung der Berufungskommission für
die W3-Professur „Afrikanistik“
2. Weiterhin nahm der Senat zustimmend
die Änderung folgender Berufungskommissionen zur Kenntnis: W3-Professur
„Kultur und Geschichte Chinas, W2-Professur „Allgemeine Pädriatrie/Neonatologie“.
3. In geheimer Abstimmung befürwortete
der Senat die Berufungsvorschläge für die
W2-Professur „Germanistische Linguistik“, für die W2-Professur „Institutionsökonomische Umweltforschung“ sowie für
die W2-Professur „Innere Medizin/Nephrologie“.
4. Der Senat befürwortete die Verleihung
des Rechts zur Führung der Bezeichnung
„außerplanmäßiger Professor“ für PD Dr.
Andreas Hinz (Medizinische Fakultät).
5. Der Senat nahm zustimmend Stellung
zu dem Antrag der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, Herrn Dr.
Dieter Kugele, Richter am Bundesverwaltungsgericht, zum Honorarprofessor zu bestellen.
6. Der Senat stimmte weiterhin der Verleihung der mitgliedschaftsrechtlichen Stellung eines Hochschullehrers für Prof. Dr.
Peter Zimmerling (Theologische Fakultät)
zu.
7. Weiterhin stimmte der Senat der Verleihung des Titels eines Ehrendoktors an
Kai Friedrich Schade (Antrag der Fakultät
für Sozialwissenschaften und Philosohie)
zu sowie an Prof. em. Dr. med. Gottfried
Geiler (Antrag der Medizinischen Fakultät).
8. Unter dem Tagesordnungspunkt „Besondere universitäre Angelegenheiten“
stellte Prof. Dr. Martin Schlegel, Prorektor
für Forschung und Wissenschaftlichen
Nachwuchs, den Stand des Antrages auf
Einrichtung des SFB 762 „Funktionalität
oxidischer Grenzflächen“ (gemeinsamer
Antrag mit Uni Halle) vor.
9. Der Senat billigte den Antrag der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, Masterstudiengänge um ein weiteres
Jahr in das WS 09/10 zu verschieben.
10. Entsprechend der Vorlage des Kanzlers der Universität, Dr. Nolden, beschloss
der Senat die Bezügeordnung W der Universität Leipzig.
11. Der Senat beschloss weiterhin eine
Reihe von Prüfungs-, Studien und Eignungsfeststellungsordnungen sowie Änderungssatzungen verschiedener Studiengänge.
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
Sitzung des Senats am 9. Oktober
1. Zum Auftakt der ersten Senatssitzung
im neuen Studienjahr präsentierte Prof. Dr.
Elmar Schenkel das aktuelle Programm
des Studium universale, das in diesem Semester unter dem Titel „Kosmos Sprache“
steht.
4. In geheimer Abstimmung empfahl der
Senat die Berufungsvorschläge für die
W3-Professur „Rechtsmedizin“, für die
W2-Professur „Geologie“, für die W3-Professur „Physikalische Chemie/Reaktionsdynamik“.
2. Unter dem Tagesordnungspunkt „Ausschreibungen und Zusammensetzung von
Berufungsvorschlägen“ stimmte der Senat
den Vorlagen zu für die W2-Professur
„Betriebswirtschaftslehre, insbesondere
betriebswirtschaftliche Steuerlehre und
Unternehmensrechnung“, für die Juniorprofessur „Biomechanische Grundlagen
der Netzhautchirurgie“, und die W3-Professur „Physik der Atmosphäre“.
Weiterhin stimmte der Senat der Denominationsänderung für die W3-Professur
„Spezielle Botanik und funktionelle Biodiversität“ zu.
5. In geheimer Abstimmung nahm der
Senat zu dem Antrag auf Verleihung
des Rechts zur Führung der Bezeichnung „außerplanmäßige Professorin“ an
Rebecca Pates, PhD, ablehnend Stellung,
gegen die Mehrheit der Professoren.
3. Der Senat nahm die Änderung der Zusammensetzung der Berufungskommission für die W2- Professur „Technische
Chemie mit dem Schwerpunkt Chemische
Reaktionstechnik“ zustimmend zur Kenntnis.
22
6. Den Antrag auf Bestellung von Prof. Dr.
Harald Möller zum Honorarprofessor befürwortete der Senat in geheimer Abstimmung.
7. Der Senat stimmte den Antragsskizzen
zur Landesexzellenzinitiative, vorgelegt
durch den Prorektor für Forschung und
wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr.
Martin Schlegel, zu.
8. Weiter bestellte der Senat Daniel
Fochtmann als studentisches Mitglied in
die Kommission zur Verleihung der Leipziger Universitätsmedaille.
9. Der Senat beschloss die folgenden Studiendokumente:
Änderungssatzungen zur Studien- und zur
Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Musikwissenschaft (Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften), die Prüfungs- und Studienordnung für
den Masterstudiengang Deutsch als
Fremdsprache, die Änderungssatzungen
zur Prüfungs- und zur Studienordnung für
den Bachelorstudiengang Literarisches
Schreiben, die Änderungssatzungen zur
Prüfungs- und zur Studienordnung für den
Bachelorstudiengang Sorabistik sowie die
Änderungssatzungen zu den Prüfungsund zur Studienordnungen für die polyvalenten Bachelorstudiengänge mit dem
berufsfeldspezifischen Profil Lehramt an
Grund-, Mittel und Förderschulen sowie
Höheres Lehramt an Gymnasien, jeweils
für das Kernfach Polnisch, Tschechisch
und Russisch. Der Beschluss steht für alle
Studiendokumente der Philologischen Fakultät mit Ausnahme der Studien- und
Prüfungsordnung für den Masterstudiengang Deutsch als Fremdsprache unter dem
Vorbehalt der Zustimmung des Fakultätsrates.
journal
Gremien | UniCentral
grundlegenden Angelegenheiten der Studienreform zu befassen. Prof. Wolfgang
Fach, Prorektor für Lehre und Studium,
erklärte sich bereit, einen Vorschlag zur
organisatorischen Umsetzung dieses Vorhabens zu unterbreiten.
Auch Männer
haben ein
Geschlecht
11. Weiterhin beschloss der Senat die Änderungssatzungen zur Prüfungs- und zur
Studienordnung für den Bachelorstudiengang Sportwissenschaft.
13. Der Senat bat ferner den Prorektor für
Lehre und Studium um organisatorische
Umsetzung des von den studentischen Senatsmitgliedern eingebrachten Antrages
auf Einrichtung einer Kommission Studienberatung.
12. Der Senat unterstützte das von den
studentischen Senatsmitgliedern verfolgte
Anliegen, eine Senatskommission mit
Prof. Dr. F. Häuser
Rektor
Nach Jahren der Fokussierung auf Frauenthemen sowie der wahren Explosion von
Frauenforschung stellt sich das 2001 gegründete Zentrum für Frauen- und
Geschlechterforschung der Aufgabe, in
Forschung und Lehre den Blick auf beide
Geschlechter zu richten, Präsentationsformen des Weiblichen und Männlichen zu
erkunden, um so auf der Basis der Interdisziplinarität den vielfältigen Fragestellungen, die sich aus unseren Disziplinen ergeben, nachzugehen.
In Zeiten zunehmender Anforderungen an
beide Geschlechter ist es erforderlich,
darüber nachzudenken, was unter typisch
weiblich und männlich zu verstehen ist und
welche Ableitungen zu treffen sind. Woran
liegt es, dass das männliche Prinzip noch
immer als Bewertungsmaßstab gilt und die
in die Gesellschaft eingeschriebene Geschlechterhierarchie gleichermaßen den
realen Mann in der Ausprägung differenzierter Lebensmuster mehr und mehr hindert? Warum sind Jungen gewalttätiger und
Mädchen haben die besseren Zensuren?m
Wie reagiert die Gesellschaft darauf, dass
immer mehr Mädchen den Osten verlassen
und immer weniger Akademiker und Akademikerinnen einen Kinderwunsch äußern? Warum gehen Männer seltener zum
Arzt und warum leben Frauen länger? Was
versteht man unter dem „neuen Mann“?m
Diese und andere Fragen beschäftigen uns
seit Jahren. Über die Durchführung von
Konferenzen, das Einwerben und die
Durchführung von Drittmittelprojekten ist
es uns wesentlich, das andere Bildungsund Politikkonzept von Gender-Mainstreaming zunehmend im Bewusstsein der
Universität zu verankern. Im Schlüsselqualifikationsmodul „Genderkompetenz“ bekommen die Studierenden in den neuen
Studiengängen über eine Ringvorlesungsreihe differenzierte Einblicke in aktuelle
Forschungsansätze und -vorhaben und
haben über ein Kommunikationstraining
die Möglichkeit, sich in ihrem Verhalten zu
beobachten und mit anderen Augen zu
sehen.
Ilse Nagelschmidt,
Zentrum für Frauen und
Geschlechterforschung
10. Ferner beschloss der Senat die Änderungssatzungen zur Prüfungs- und zur Studienordnung für den Bachelorstudiengang
Wirtschaftswissenschaften, für den Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik, für
den Masterstudiengang Urban Management (einschließlich Eignungsfeststellungsordnung).
Dr. M. Rutsatz
Pressesprecherin
Der bewegte Weihnachtsmann
Wer passt in ein Dezemberheft zum Thema
„Typisch Mann?!“ besser als der Weihnachtsmann? Zumal er sich in der Physik
als ein ganz besonderer Weihnachtsmann
zeigt, wie auf der Titelseite leicht erkennbar ist. Professor Jörg Kärger zeigt sich
hier in anlassgemäßer Dienstkleidung, so
wie ihn am 14. Dezember seine Fans zu
sehen bekommen.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Marius Grundmann und den „Wichteln“ Dr. Jens Gabke und Axel Märcker
führt er vor, was die physikalische Trickkiste an Überraschungen zum Thema Bewegung zu bieten hat. Dabei wird mit
physikalischen Experimenten viel von dem
erhellt, womit jeder von uns im Alltag zu
tun hat. Aha-Erlebnisse sind also programmiert. An weihnachtlichem Ambiente wird
dabei nicht gespart.
Orgelpfeifen und Lichterketten zum Beispiel. Beide zusammen zeigen, dass der
Ton, der beim Anblasen in der Orgelpfeife
Heft 6/2007
erzeugt wird, sich als Welle ausbreitet.
Unser Titelbild gibt einen Vorgeschmack
darauf. Alle anderen Überraschungen lassen wir noch im Sack, denn sonst wären es
ja keine Überraschungen mehr. Für ihre IaQualität sorgt nicht nur die sorgfältige
Vorbereitung, sondern auch die Erfahrung
unserer Weihnachtsmänner.
Seit zwölf Jahren steht Professor Kärger
seinen (Weihnachts)-Mann und Professor
Grundmann ist auch schon eine Weile dabei. Ein brechend voller Hörsaal wird wohl
auch in diesem Jahr wieder die Belohnung
für die kreative und intensive Arbeit der nebenberuflichen Weihnachtsmänner und
Wichtel sein. Denn das Jahr über sind sie
Wissenschaftler und Hochschullehrer – mit
Forschungsergebnissen, die sich sehen lassen können.
Dr. Bärbel Adams
Die Weihnachtsvorlesung der Physiker ist
am Freitag, den 14. Dezember, 9.15 Uhr, im
Großen Hörsaal der Physik, Linnéstraße 5.
23
UniCentral
Braucht die Uni einen
Männertag?
Die Feminisierung des Studiums und die
Männerdomäne Professor
Von Dr. Bärbel Adams
Die Universität feierte den Weltmännertag
am 3. November nicht zum ersten Mal auch
in diesem Jahr mit einer wissenschaftlichen Veranstaltung, auf der Referentinnen und Referenten aus ganz Deutschland
sich mit Fragen beschäftigten, bei denen
der Mann im Mittelpunkt stand. „Wie man
„
Wir sind nach wie
vor eine Männeruniversität.
“
heute zum Mann wird“ oder
„Männer – doch das schwache Geschlecht?“ waren
zwei der Themen, die zeigen, wie ernst es den Vortragenden mit dem Thema
„Mann“ war. Angesprochen
jedenfalls fühlten sich die
Männer, denn „sie waren
überraschend erstmals in
der Überzahl“, sagt Gleichstellungsbeauftragte
Dr.
Monika Benedix.
Fühlt „Mann“ sich inzwischen angesichts der Förderprogramme für die Frauen benachteiligt? Sind die Frauen ihm davon gelaufen? Hat die Universität jetzt
Nachholbedarf bezüglich der Männerförderung? Der Rektor, Professor Dr. Franz
Häuser, hat dazu eine zwiespältige Meinung: „Die Universität sieht den Blick auf
den Mann mit einem lachenden und einem
weinenden Auge. Lachend deshalb, weil
auch wir der Meinung sind, ‚Mann‘ muss
mehr für seine Gesundheit tun. Weinend
deshalb, weil wir nach wie vor eine ‚Männeruniversität‘ sind, wenn wir uns die
24
Karriereleitern anschauen: Unter den Professoren finden wir nur wenige Frauen.
Der besondere Blickwinkel unserer ‚Männerveranstaltungen‘ kann bei der Lösung
dieses Dilemmas nur hilfreich sein.“
Wir befinden uns also in einem Dilemma,
das deutlich wird, wenn wir uns die vom
Rektor genannten Karriereleitern einmal
genauer anschauen: Ganz unten, sozusagen auf der ersten Sprosse, drängeln sich
die Frauen: zirka 60 Prozent der Studierenden sind weiblich. „Teilweise sprechen
Die Professur ist eine Männerdomäne,
die Kinderbetreuung nicht. Doch es gibt
auch Ausnahmen.
Foto: Pixelio.de
wir schon von einer Feminisierung des Studiums“, sagt Monika Bendix. „Die Veterinärmedizin beispielsweise: über 80 Prozent Studentinnen belegen hier die Vorlesungen, Kurse und Seminare. Ähnlich sind
die Verhältnisse in den Erziehungswissenschaften, bei den Medizinern und den Juristen sind es 60 Prozent beziehungsweise
55 Prozent. Die Frauen haben eben die
besseren Abiturnoten und können sich damit in einem größeren Ausmaß für das
Fach ihrer Wahl entscheiden.“ Sind die
Männer also dümmer? Oder ist die
Schule zu sehr auf Mädchen zugeschnitten, also jungenfeindlich? Unter diesem Aspekt
scheint Männerförderung
also durchaus angebracht
zu sein.
Aber gleich nach
dem Studium
kippt das Verhältnis. Auf
unserer Karriereleiter finden wir von
Sprosse
zu
Sprosse nach
oben
immer
mehr Männer. Bei
Promotionen liegt der
Männeranteil
immerhin
schon bei 48 Prozent, bei den Habilitationen haben die Männer mit 78 Prozent das Zepter wieder endgültig in
die Hand genommen. Die Professur
ist dann schon wieder eine typische
Männerdomäne: Mit weit über 80
Prozent Männeranteil sind hier die
Frauen hoffnungslos abgeschlagen.
Die vielfältigen Maßnahmen für
Frauenförderungen erklären sich
also schon rein quantitativ.m
Gleichstellungsbeauftragte Benedix allerdings ist überzeugt, dass viele so genannte
journal
Frauenfördermaßnahmen letztlich Maßnahmen für die Gleichstellung von Mann
und Frau sind. Sie nennt sich ja auch
Gleichstellungsbeauftragte und nicht
Frauenbeauftragte. Folgerichtig stellt sie
die Familie in den Mittelpunkt ihrer
Bemühungen, wenn sie um mehr – dem
Wissenschaftsbetrieb angepasste – Kinderbetreuungsmöglichkeiten kämpft. „Jeder
„
Man muss immer
auch die andere
Seite im Blick
haben.
“
Kindergartenplatz mit flexiblen Öffnungszeiten ist Unterstützung nicht nur für unsere Frauen, sondern auch für unsere Männer, die so in stärkerem Maße ihrer Rolle
als Familienvater nachkommen können.
Das ist die Chancengleichheit, die wir anstreben“, sagt sie.
Der Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr. Martin
Schlegel ist stolz auf das Angebot der
Research Academy Leipzig (RAL), in der
die Kinderbetreuung über das „Modell
Tagespflege mit Tagesmüttern“ geregelt
wird. „Seit Mai 2007 können Doktorandinnen und Doktoranden – wohlgemerkt auch
Doktoranden! – für ihren Nachwuchs diese
Betreuungsmöglichkeit in Anspruch nehmen“, freut er sich.
„Man muss immer auch die andere Seite im
Blick haben, wenn wir von Chancengleichheit reden. Ein Männertag ist also auch an
unserer Universität sehr sinnvoll, wenn
man ihn als Plattform versteht, um die Bedürfnisse von Männern und Frauen ins
ihnen gebührende Blickfeld zu rücken“,
bilanziert die Gleichstellungsbeauftragte.
Heft 6/2007
Neandertaler hatten
wahrscheinlich rote Haare
Einem internationalen Forscherteam um
Holger Römpler von der Universität Leipzig, Carles Lalueza-Fox von der Universität Barcelona, und Michael Hofreiter vom
Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ist es
gelungen, einen Genabschnitt des Neandertalers zu sequenzieren, der den Namen
Melanocortin-Typ 1-Rezeptor-Gen trägt.
Analog zu entsprechenden Mutationen
beim Menschen zogen die Wissenschaftler
die Schlussfolgerung, dass auch ein Teil
der Neandertaler möglicherweise rote oder
hellere Haare und auch hellere Haut hatten.
Das wurde jetzt in der Fachzeitschrift
Science veröffentlicht.
Zusammen mit anderen Genen bestimmt
dieses bei Menschen und anderen Säugetieren die Haut- und Haarfarbe. Eine Funktionsveränderung dieses Gens kann beim
Menschen zu roten Haaren und zu einer
sehr hellen Haut führen. Dabei fanden die
Wissenschaftler eine Variante, die beim
modernen Menschen bisher nicht beobachtet wurde.
Aufgrund ausführlicher Replikationen sowie der genetischen Typisierung von an-
nähernd tausend menschlichen DNA Proben konnten sie ausschließen, dass diese
Variante eine Kontamination der Experimente mit moderner menschlicher DNA
oder ein zufälliges Ergebnis aufgrund von
DNA-Schäden oder PCR-Fehlern darstellt.
Funktionelle Tests dieser Variante zeigten,
das die Aktivität im Vergleich mit der
normalen menschlichen Variante deutlich
reduziert ist. Varianten, die eine ähnliche
Reduktion in der Aktivität zeigen, sind
auch beim modernen Menschen bekannt,
allerdings aufgrund anderer Mutationen.
Interessanterweise führen solche Varianten
beim Menschen zu roter Haarfarbe, woraus
die Autoren die Schlussfolgerung zogen,
dass auch ein Teil der Neandertaler möglicherweise rote oder hellere Haare und
auch hellere Haut hatten.
Die in der Studie benutze Methode der
Leipziger Wissenschaftler könnte künftig
neue Einblicke geben, wie ausgestorbene
Hominiden, Tiere und Pflanzen lebten.
Aber auch die forensische Genetik, eine
Disziplin der Gerichtsmedizin, wird von
dem Verfahren dieser Studien profitieren.
B. A./Foto: MPI
25
UniCentral
„Entsetzliche Schlägereien und
Eine Männerdomäne: Studentische Verbindungen im W
Von Harald Lönnecker, Bundesarchiv Koblenz
In einem Roman jüngeren Datums um
Kants in den 1780er Jahren erschienene
„Kritik der reinen Vernunft“ lässt der Autor Wolfram Fleischhauer einen fränkischen Grafensohn in Leipzig studieren und
sterben: „Er ist erschlagen worden. Von einem Studenten. Er ist in eine Fehde zwischen Burschenschaften geraten. … Aber
sie wissen ja sicher aus eigener Erfahrung,
wie es in Universitätsstädten zugeht.“ Der
angesprochene Arzt weiß es, denn er „hatte
einmal eine Woche in Gießen verbracht
und die entsetzlichen Schlägereien und
Saufereien aus nächster Nähe mit angesehen. Und in Würzburg war es auch nicht
viel besser gewesen. Aber Maximilian von
Postkarte der Leipziger Verbindungen zur
Feier der Universität anno 1909.
26
Alldorf war doch wohl kaum Mitglied in
einer Burschenschaft gewesen. Die Adeligen saßen hier und da vielleicht mit Bürgerlichen zusammen in den Kollegien, aber
außerhalb der Universität lebten sie in völlig getrennten Welten.“
Die Sätze enthalten kaum historische
Wahrheit, sagen aber viel über das Bild des
Autors vom Studentenleben des späten
18. Jahrhunderts aus. Zunächst gab es in
dieser Zeit keinen Korporationstypus, der
sich „Burschenschaft“ nannte, sondern
Landsmannschaften, Orden, Kränzchen
und Logen. Die Burschenschaft ist eine Erscheinung des frühen 19. Jahrhunderts, auf
Grund ihrer politisch-gesellschaftlichen
Breitenwirkung von der
deutschen „Urverfassung“
– den „Beschlüssen des
18. Oktober“ 1817, die
teilweise wortwörtlich in
die Reichsverfassungen
von 1848/49 und 1919 und
selbst noch ins Grundgesetz einflossen – bis hin
zur schwarz-rot-goldenen
Bundesflagge immerhin
aber so prägend, dass jeder
Student mit Band und
Mütze bis in die Gegenwart dem Unkundigen ein
„Burschenschaftler“ ist.
Sodann verbringen die
Verbindungen ihre Zeit
mit „Schlägereien und
Saufereien“. Die etwa
1750 beginnende studentische Reformbewegung mit
ihrer freudigen Begrüßung
der französischen Revolution wird nicht zur Kenntnis genommen, vielmehr
das Zeitalter des Pennalismus, das 17. und frühe
18. Jahrhundert fortgeschrieben.
Schließlich
finde sich der Adel nicht in
den Verbindungen. Das ist
schlicht
falsch. Neben
500-Jahrzahlreichem niederen Adel
findet sich auch der hohe, bei den Leipziger Corps Saxonia, Misnia, Thuringia und
Lusatia seit der Zeit um 1800 etwa Grafen
Schulenburg aller Linien oder der bessarabische Anastasius Fürst von Baschotta.
Mitglieder der 1818 gegründeten Leipziger
Burschenschaft waren die Fürsten Karl und
Edmund Schwarzenberg, Franz Graf Colloredo-Mansfeld oder Albert Graf Carlowitz, der spätere sächsische Justizminister
und Präsident der ersten Kammer.
Auf den nicht-katholischen Hochschulen
entwickelte sich im 18. Jahrhundert, gebrochen durch die studentische, selbstdisziplinierend und verantwortungsethisch
wirkende Reformbewegung ab etwa 1770,
der Typus der Korporation, der für das 19.
und 20. Jahrhundert bestimmend wurde.
Sie war Integrations-, Symbol-, Ritual-,
Hierarchisierungs-, Werte- und Weltanschauungs- sowie Lebensbundgemeinschaft.
Da die neuhumanistische Universität Humboldts die selbstständige geistige und sittliche Entwicklung des Studenten propagierte, bildete, aber nicht erzog, bot sich
diesem Typus ein weites Feld von Ansprüchen, die er sich zu eigen machte und auszufüllen suchte. Verbindung war daher
auch ein Bildungsinstrument und -element,
das nach eigenem Verständnis eine Lücke
als Korrektiv der akademischen Freiheit
ausfüllte und im Rahmen einer innerkorporativen „Charakterbildung“ die wissenschaftlich-berufliche Ausbildung der Universität abzurunden versuchte, zugleich
aber auch eine Erziehung für die Zugehörigkeit zur Oberschicht der deutschen
Gesellschaft bezweckte.
Kurz: Die Universitäten unterrichteten, die
Verbindungen erzogen. Dabei muss allerdings klar sein, dass sich hinter ähnlichen
Lebensformen gänzlich verschiedene Zielsetzungen verbergen, die von der betont
„deutschen“ Burschenschaft als der Speerspitze der deutschen Nationalbewegung –
der ersten politischen Jugendbewegung in
Deutschland und Europa, zudem die erste
nationale Organisation des deutschen Bürgertums überhaupt – bis zu den katholijournal
UniCentral
Saufereien aus nächster Nähe“
Wandel der Jahrhunderte
schen Korporationen der Zeit nach dem
Kulturkampf reichen.
Von rund 8 000 Studenten im Deutschen
Bund 1815 gehörten zwei Drittel der Burschenschaft an. 1914 gab es rund 100 000
Studenten im Deutschen Reich. Es gilt die
Faustregel: Je kleiner die Universität, desto
größer der Anteil der Korporierten an der
Studentenschaft. Während in Jena, Marburg, Tübingen oder Heidelberg leicht drei
Viertel aller Hochschüler korporiert waren,
lag der Anteil an einer Großstadtuniversität wie Leipzig bei rund einem Drittel bis
einem Fünftel. Eine Besonderheit unter
den um 1900 etwa 100 Leipziger Verbindungen und Vereinen waren dabei die bei-
den Sängerschaften St. Pauli (gegr. 1822)
und Arion (gegr. 1849). Sie vereinten um
1860 rund 150 Studenten auf sich, etwa
17 Prozent der gesamten Studentenschaft.
Selbst als die Gesamtzahl der Leipziger
Studenten bis 1914 auf rund 5400 stieg,
waren davon noch etwa sieben Prozent
Arionen und Pauliner. Jeder, der sich in
Leipzig mit Musik befasste, gehörte entweder einer der beiden Sängerschaften an
oder war ihnen auf andere Art und Weise
verbunden.
Bis 1935 stellten die Pauliner den Chor des
Gewandhauses, alle Kapellmeister waren
Pauliner, die Gründung des Collegium musicum und des Musikwissenschaftlichen
Seminars geht auf die Sängerschaften zurück.
Die Studenten waren um 1900 in ihrer
Mehrzahl national. National zu sein galt
nicht als politisch, sondern als selbstverständlich, ein Erbe der Burschenschaft aus
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die
Burschenschaft wurde 1820, 1837 und
1852 in Leipzig unterdrückt, lebte aber
stets wieder auf. Sie erstand nach 1859 in
Germania, Arminia, Dresdensia und Normannia neu, später auch in weiteren Burschenschaften: Suevia gehörte etwa der
Friedensnobelpreisträger Gustav Stresemann an. Es bildete sich daneben ein überaus buntes Spektrum von Vereinen und
Thüringer Hof, Frühschoppenlokal der Leipziger Verbindungen, um 1890.
Abbildungen: Bundesarchiv, Koblenz, Bestd. DB 9: Deutsche Burschenschaft
Heft 6/2007
27
UniCentral
Der Komponist Robert Schumann
(1810 – 1856), Mitglied der Leipziger
Burschenschaft Markomannia.
Verbindungen, das vom Akademischen
Schachverein Joannea über Turnvereine,
jüngere Landsmannschaften bis hin zur
Agronomia reichte, die nur Studenten der
Agrar- bzw. Forstwissenschaft aufnahm.
Besonders exotisch war der Rote Löwe, die
einzige heraldisch-genealogische Korporation in Deutschland, getragen vor allem
von Geschichtsstudenten. Und als um 1900
erstmals Studentinnen in den Auditorien
erschienen, schlossen auch sie sich zu Verbindungen und Vereinen verschiedener
Richtungen zusammen. Besonders bekannt
wurde in Leipzig die Verbindung Katholischer Hochschülerinnen St. Hildegard.
Zugleich wandelte sich der Charakter der
Studentenschaft und damit auch der Korporationen, verdrängte auf Grund außenund innenpolitischer Umbrüche das nationale Element, zunächst nur in der Burschenschaft als eine Tradition des studentischen Radikalismus vorhanden, liberale
und konstitutionelle Tendenzen, so dass
sich die Studentenschaft nach 1880 selbstbewusst antiliberal gab. Der Nationalismus
wurde als kreativ und innovativ in einer
dissonanten Fin-de-siècle-Stimmung begriffen. Dabei wurde er selten konkret und
wirkte entsprechend integrativ bei Ausschluss jüdischer Hochschüler und zunehmendem Antisemitismus. Politische Gestalt gab dieser studentischen Generation
vor allem der Verein Deutscher Studenten,
der die anderen Korporationen zeitweilig
personell und politisch überspielte.
28
Im Ersten Weltkrieg fiel ein Fünftel
der Studentenschaft, ein weit größerer Anteil als bei allen anderen
Bevölkerungsschichten. Die
aus dem Weltkrieg zurückkehrenden Studenten waren andere geworden. Der
vergangene Massen- und
Materialkrieg verlangte
nach einer Sinngebung.
Vor 1914 waren die Studenten national. Nun
wandte sich der studentische Nationalismus erstmals gegen den Staat. Wie
das Bürgertum, dem die
Mehrzahl der Studenten nach
wie vor entstammte, fühlten sie
sich deklassiert, gedemütigt und
orientierungslos, konnten den Umwälzungen innerlich nicht zustimmen.
Im Ergebnis mündete das in die mehr oder
minder starke Ablehnung der Weimarer
Republik. Die radikalste Gruppe war in
dieser Hinsicht der 1926 in Leipzig gegründete NS-Studentenbund, die erste politisch-nichtkorporative Studentengruppe
von einigem Einfluss in der Universitätsgeschichte. Standen dem Zusammengehen
von Korporationen und Studentenbund zunächst vor allem totalitäre, egalitäre und
antibürgerliche Zielsetzungen des letzteren
entgegen, so zog die zunehmende wirtschaftliche Krise – die Akademikerarbeitslosigkeit betrug rund 35 Prozent – 1931 die
gegenseitige Anerkennung nach sich. Doch
schon im Folgejahr verboten die meisten
Leipziger Verbindungen ihren Mitgliedern
die Mitgliedschaft im Studentenbund, der
über Doppelmitglieder die Beeinflussung
der Korporationen versucht hatte.
Das Leben der Verbindungen in Deutschland
veränderte sich nach
1933 nachhaltig. Sie wurden in Kameradschaften
zusammengefasst
und
der Kontrolle von staatlicher Deutscher Studentenschaft (DSt) und parteiamtlichem Studentenbund unterstellt. Dabei
ging es vor allem um die
Macht in der Studentenschaft, teilweise auch um
weltanschauliche Differenzen, die aus unterschiedlicher sozialer Herkunft resultierten und die Korporationen auf den wesentlich weniger elitären Studentenbund herabblicken ließ. Die NS-Führer lehnten die
Verbände ab, weil sie in ihnen eine konkurrierende, manchmal sogar gegnerische politische Macht sahen, die sich ihrer Kontrolle weitgehend entzog. Im Herbst 1935
wurden die Verbände und nachfolgend
etliche Korporationen aufgelöst. In den
Deutschland-Berichten der Exil-SPD in
Prag heißt es im Oktober 1936 zu den Auflösungen: „Die entschiedensten Gegner
der Nazis sind die Korps und Burschenschaften. Denn gerade ihre alte Tradition
will man treffen und beseitigen. Und in
dem Kampf um die Erhaltung dieser Tradition sind sie derart fanatisch, daß sie … es
ablehnen, mit den Nazis irgend etwas zu
tun zu haben.“
Der Studentenbund vermochte nicht in die
von den Korporationen in der Studentenschaft hinterlassene Lücke einzurücken.
Die neue Reichsstudentenführung erkannte dies klar, steuerte ab 1936 einen
Kurs der Annäherung an die Altherrenverbände und ließ die Betreuung von NS-Kameradschaften durch sie zu. Unter dem
Einfluss der ehemaligen Korporationsangehörigen näherten sich die Kameradschaften bis 1945 nach innen vielfach immer mehr den alten Verbindungen an und
wurden teilweise zu „verkappten Korporationen“, die sich selbst natürlich als „richtige“ Verbindungen begriffen. Diese Renaissance wurde nach dem Krieg oft als
Widerstand oder Ausdrucksform der inneren Emigration gesehen.
Nach 1935/36 gab es kein offenes Korporationsleben mehr in Leipzig. Im Unter-
Leipziger Studenten und
Burschenschafter in altdeutscher Tracht (um
1820).
journal
UniCentral
grund bestanden allerdings bis in die
1980er Jahre Stammtische Ehemaliger
weiter. Ebenso gründeten sich in der Endphase der DDR ab 1987/88 neue Verbindungen im Verborgenen, alte, die nach
1945 an westdeutschen Hochschulen fortexistierten, kehrten nach 1989 nach Leipzig zurück.
Aus den Leipziger Korporationen sind
Ärzte, Lehrer und Juristen ebenso hervorgegangen wie Militärs und Historiker, Industrielle und Wirtschaftsführer, Philosophen und Bürgermeister, Minister und
Abgeordnete in der Paulskirche, in Land-,
Reichs- und Bundestagen. Der Pädagoge
und Philosoph Theodor Litt, 1931/32 Leipziger Rektor und seit seiner Studentenzeit
Mitglied einer Bonner Verbindung, bekannte, „den Kern dieses ganzen Wesens
hochzuhalten und … zu lieben“. Ähnliche
Äußerungen gibt es von Arionen, etwa dem
Reichsinnenminister und Dresdner Oberbürgermeister Wilhelm Külz, nach 1945
LDPD-Gründer, oder Paulinern, etwa den
Historikern Karl Lamprecht und Rudolf
Kötzschke, anderen Korporierten oder
auch dem Juristen Adolf Wach und Karl
von Binding, Jubeldekan bzw. -rektor von
1909.
Eine Verbindung war vom Ende des 18. bis
zur Mitte des 20. Jahrhunderts für zahlreiche Akademiker konstitutiver Bestandteil
ihres Lebens und ihrer Persönlichkeit, das
nicht zu überschätzen, keinesfalls aber
auch zu unterschätzen sein sollte. Die Mitgliedschaft war einmal ein politisch-weltanschauliches Bekenntnis zu einer nationalen, fachlichen, geselligen oder wie auch
immer gearteten Gemeinschaft. Ebenso
wichtig war zum anderen der Anteil des
ursprünglichen, meist durch emphatische
Freundschaft bestimmten Beziehungsgefüges einer Studentenverbindung, der allerdings kaum messbar ist. Prägend ist auf
jeden Fall diese Doppelung, bezogen auf
die Verbindung als einer Gemeinschaft mit
verbindlichen Idealen und Werten und auf
deren Mitglieder, die meist untereinander
als enge Freunde verbunden waren. Sie
geben den Korporationen eine Dauerhaftigkeit und Festigkeit, die sie die letzten
beiden Jahrhunderte meistern ließ. Was
nächst ihnen übrigens nur den Kirchen
gelang.
Dr. Harald Lönnecker ist im Bundesarchiv
in Koblenz zuständig für die Archivalien
der Deutschen Burschenschaft und arbeitet an der Leipziger Matrikel 1809–1909
mit.
Heft 6/2007
Männer und
Familiengründung
Sächsische Längsschnittstudie
Prof. Dr. Yve Stöbel-Richter, Dr. Hendrik Berth und Prof. Dr. Elmar Brähler,
Selbständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische
Soziologie der Universität Leipzig
Dieser Beitrag ist Prof. Peter Förster, dem
Begründer der Sächsischen Längsschnittstudie, zum 75. Geburtstag gewidmet.
Familiengründung ist – nicht zuletzt durch
den gesellschaftlichen Wandel in den letzten Jahrzehnten – immer mehr zu einem
Spannungsfeld zwischen Freiheit und Risiko geworden und darüber hinaus auch
nur noch eine Wahloption unter vielen
Lebensalternativen. Somit ist auch die
Option gar keine Familie zu gründen, inzwischen gesellschaftlich immer stärker
akzeptiert.
Was bewegt Männer, eine Familie zu gründen bzw. dies zu unterlassen? Mögliche
Antworten hierauf bieten die Ergebnisse
der Sächsischen Längsschnittstudie (SLS),
aus welchen im Folgenden einige dargestellt werden.
Bei der Sächsischen Längsschnittstudie
handelt es sich um eine Längsschnittuntersuchung, welche im Jahr 1987 begonnen
und seitdem jährlich bis zum Jahr 2007
durchgeführt wurde. Bei dem 1987 gebildeten Panel handelte es sich um eine
Zufallsauswahl der seinerzeit 14-jährigen
Schüler des Jahrganges 1973 aus Schulen
der Bezirke Leipzig und Karl-Marx-Stadt
(Chemnitz), welche repräsentativ für die
damalige Grundgesamtheit der 14-Jährigen in der DDR war.
Inzwischen liegen die Daten von zirka 400
Probanden zu 21 Erhebungszeitpunkten
vor und damit „eine umfangreiche, zusammenhängende Dokumentation über wichtige Etappen des Lebensweges einer identischen Gruppe von jungen Menschen“,
welche auch Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Familiengründung gestatten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Familie einen
hohen Stellenwert bei den Befragten hat.
80 Prozent leben in einer Beziehung, wobei Frauen sich zeitiger binden, als Männer. Dies kann auch daran liegen, dass die
jungen Männer viel länger im „Hotel
Mama“ verbleiben: Während bei den
Frauen schon 50,4 Prozent mit 20 Jahren
ihre eigenen Wege gingen, waren dies bei
den Männern lediglich 22,4 Prozent. Erst
im Alter von 27 Jahren haben sich die beiden Geschlechtergruppen fast angenähert,
aber auch mit 30 Jahren gibt es bei den
Männern noch 8,3 Prozent und bei den
Frauen 4,0 Prozent, die noch im Elternhaus
wohnen. Männer und Frauen unterscheiden
sich ebenfalls in der Partnerschaftsdauer:
Frauen geben im Jahr 2006 eine durchschnittliche Dauer von 10,6 Jahren; Männer von 8,18 Jahren an.
Zwei Drittel der Befragten haben im Alter
von 33 Jahren Kinder, dabei überwiegt
allerdings die Ein-Kind-Familie. Frauen
haben signifikant zeitiger und mehr Kinder
als Männer; im Alter von 25 Jahren haben
bereits 16,1 Prozent der Frauen, aber nur
5,4 Prozent der Männer ein oder zwei Kinder. Im Alter von 33 Jahren sind immerhin
noch 45,3 Prozent der Männer und 27,4
Prozent der Frauen kinderlos. Somit entscheiden sich Männer nicht nur später für
die Elternschaft als Frauen (im Mittel mit
27 Jahren); sondern sind auch häufiger
(noch) kinderlos. Ein möglicher Grund
hierfür kann darin bestehen, dass Männer
in der Regel mit durchschnittlich 3 Jahre
jüngeren Frauen zusammenleben und damit das Thema Elternschaft für sie bis dato
eine andere Priorität besessen hat. Inzwischen ist der aktuelle Kinderwunsch aber
höher als bei den Frauen: im Jahr 2006
gaben 24 Prozent der Männer und 19,8
Prozent der Frauen einen starken Kinderwunsch an. Dementsprechend ist auch
einem größeren Teil der Männer die
Vermeidung einer Schwangerschaft nicht
wichtig und 20,4 Prozent der Männer, im
Gegensatz zu 17,7 Prozent der Frauen halten eine Schwangerschaft in den nächsten
zwei Jahren für wahrscheinlich.
29
UniCentral
Betrachtet man die Motive, die für oder gegen die Realisierung des Kinderwunsches
sprechen, so befürchten Männer häufiger
als Frauen, dass sie von Kindern persönlich
eingeschränkt wären und geben häufiger
an, dass ein Kind für ihren sozialen Status
als Erwachsener wichtig sei: Männer sind
stärker der Meinung, dass zu einem erfolgreichen Mann/ einer erfolgreichen Frau
auch ein Kind gehört und dass sie mit
einem Kind ihre Freundschaften nicht
mehr so pflegen könnten, wie bisher. Darüber hinaus sehen sich Männer vom Alter,
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
und von den beruflichen Konsequenzen
nach der Babypause weniger in der Entscheidung für oder gegen ein Kind beeinflusst als Frauen.
Der Wunsch nach einem Kind – gemessen
an der idealen Kinderzahl – erweist sich bei
denjenigen, die sich ein oder zwei Kinder
wünschen als erstaunlich stabile Größe.
Mit zunehmendem Alter wird die Zahl
derjenigen, die ein Leben ohne Kinder als
ideal angeben, geringer. Prinzipiell zeigen
sich in der idealen Kinderzahl der Männer
zwischen dem 22. und 33. Lebensjahr
weniger Schwankungen als bei den Frauen.
Nach wichtigen Lebenszielen befragt,
nimmt bei den Männern mit zunehmendem
Alter die Wichtigkeit der Ziele „eigene
Kinder groß ziehen“ und „eine glückliche
Partnerschaft führen“ zu, was auf eine
wachsende Familienorientierung schließen
lässt. Die Männer der Studie sind überwiegend vereinbarkeitsorientiert, d. h. sie
finden sowohl Arbeit als auch Familie
wichtig.
Ein starker Hinderungsgrund, die familienorientierten Lebensziele zu realisieren, ist
allerdings die Erfahrung von Arbeitslosigkeit. Die Studienergebnisse zeigen,
dass mit zunehmender Dauer von Arbeitslosigkeit die Zahl der gewünschten Kinder
sinkt und eine dauerhafte Partnerschaftsbindung seltener eingegangen wird.
War Elternschaft also früher selbstverständlich, so wird inzwischen mehr und
mehr ein Problem daraus. Dabei sind Zögern, Abwägen und Aufschub kein privater
Konflikt, sondern vielmehr Ausdruck des
derzeitigen epochalen gesellschaftlichen
Wandels.
Weitere Studienergebnisse finden sich in:
Berth, H., Förster, P., Brähler, E. & StöbelRichter, Y. (2007). Einheitslust und Einheitsfrust. Junge Ostdeutsche auf dem Weg
vom DDR- zum Bundesbürger. Gießen:
Psychosozialverlag.
30
Zwischen
Rubenstyp und
Kate Moss
Physiologisch-philosophische
Betrachtung eines Tiermediziners
Von Prof. Dr. Manfred Coenen,
Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik
Na, was wird da wohl herauskommen,
wenn man „typisch Mann“ schreibt; ich
gehe optimistisch mal davon aus, wenn
Mann „typisch Mann“ schreibt, ist es anders, aber vermutlich ist auch das schon
typisch Mann.
Das Ganze klingt doch nach Sozialwissenschaften und die sind schließlich weiblich,
wie die Göttin der Wissenschaft eben auch.
Was hat da ein Veterinär zu suchen? Bei
mehr als 90 Prozent Damen – herrlicher
Begriff, Dame, eine Schande, dass dieser
nur noch zur Geschlechterkennung der
Toiletten genutzt wird, aber das ist ein an-
deres Thema. Also noch mal: bei mehr als
90 Prozent Damen in der studentischen
Klientel ist doch Mann, nun sagen wir mal
vorsichtig, er kommt abhanden.
Warum sollte Mann da was sagen zu dem,
was typisch Mann ist, wenn das Typische
eine Rarität ist? Und nicht alles spricht
für die Qualität des Raren. Haben doch
beispielsweise epidemiologische Untersuchungen in Rinderbeständen gezeigt, das
der Gesundheitszustand der Kälber in den
ersten Lebenstagen am besten war – oder
sollte ich schreiben ist, was mir wahrscheinlich eine „Chauvi“-Schelte einbringt
–, wenn die Frau des Landwirts für die
Versorgung der Tiere verantwortlich zeichnet/e. Dies lag eindeutig nicht am Ausbildungsstand der beteiligten Personen, Fachwissen erklärte die Differenz nicht. Aber
das ist ja schon mehr als 30 Jahre her, heute
ist ja alles besser, Mann bringt sogar den
Müll raus – typisch Mann.
Andererseits halten die Kerle manches aus,
was die Mädels nicht abkönnen, ich meine
nicht Gewichtheben und anderen gravitationsphysikalischen Kram. Bei der Umsiedlung von Nashörnern in ein Schutzgebiet geriet das ganze Programm in die
Krise, Grund: Die Nashorndamen schenkten nur Jungs das Savannenleben, die Kälber waren überwiegend männlich, exakt
2,7 Mal mehr Rhinojungs als Rhinomädels, fatal, wie soll man/Mann da eine Art
erhalten. Die Erklärung sieht einfach aus:
Stress.
Stress kurz nach der Konzeption erhöht
verschiedene Metaboliten in der Zirkulation unter anderem auch Glukose; deren
Konzentration steigt vermutlich auch im
Uterus, das wiederum halten die männlijournal
UniCentral
es aber auch daran, dass Jungs grundsätzlich schwerer erziehbar sind. Warum
männliche Individuen mehr brauchen als
weibliche.
„
Liegt es am
speziesübergreifenden Übermut?
chen Blastocysten besser aus als weibliche,
für die zudem Produkte des embryonalen
Glukosestoffwechsels toxisch sind. Der
Glukosemetabolismus ist von Genen auf
dem x-Chromosom kontrolliert, davon haben Mädels bekanntlich zwei, womit zugleich die Frage geklärt ist warum Mädels
zweimal soviel Schokolade futtern wie
Jungs. Allerdings ist die Rhinostory nicht
ganz zu Ende. Werden die besseren Umstände – bemerkenswerte Umschreibung
übrigens für einen Zustand mit ungleichen
Lastenverteilungen, typisch Mann – der
Rhinomütter im fortgeschrittenen Stadium
mit Stress belastet, geht die Sache anders
aus: mehr weibliche Rhinokälber.
Dass Stressfaktoren während der Gravidität das Geschlechterverhältnis der Nachkommenschaft verändert ist allerdings kein
singuläres Phänomen der Rhinicerotidae
wie sie sich lateinisch zu nennen pflegen.
Vergleichbares ist bei heimischen Species
einschließlich des Menschen gleichfalls
beobachtet worden Der Anteil männlicher
Nachkommen sinkt.
Bemerkenswerterweise haben die Söhne
bei ihren Müttern einen dicken Stein im
Brett; typisch Mann? nee, gilt nur für
Pferde. Stuten investieren in Verhalten und
bezüglich des Abbaus maternaler Körperreserven mehr in die männlichen Nachkommen als in die weiblichen. Was nicht
ganz unlogisch ist bei Spezies bei denen
sich ein männliches Tier um einen Harem
mit anderen messen muss. Vielleicht liegt
Heft 6/2007
“
bereits zu weit ist. Zumindest ist das bei
Schweinen, Rindern und Pferden so. Also
kurzum, Muskelmasse plus Androgenmotor machen einen höheren Bedarf bei den
männlichen Tieren aus. Nutritive Restriktion in der praepubertären Entwicklung
sind tatsächlich unangenehm, Spermaqualität und -quantität sind reduziert. Aber
übertriebenes Päppeln ist ebenso wortwörtlich kontraproduktiv und dieser Effekt
setzt offenbar schon früh ein, zumindest
sind Jungs von Müttern mit betontem
Fleischkonsum während der Schwangerschaft nicht die Erfolgreichsten. Bleibt da
Es könnte am offensichtlich speziesübergreifenden Übermut liegen, „nix tun, alles
kriegen, Spaß haben, und an nix schuld
sein“.
Tatsächlich aber verfügen männliche Tiere
über einen höheren Muskelbestand (= Eiweiß) als weibliche und die Muskulatur
verursacht eben höhere Betriebskosten als
die „Rettungsringe“ (= Fett), was nicht
heißen soll, dass weibliche grundsätzlich
solche haben, aber ein bisschen weniger
Körperfett und ein bisschen mehr Muckis,
naja eben typisch Mann, jedenfalls bei den
Pferdemännern.
Rein reproduktionsphysiologisch betrachtet sind „Rettungsringe“ bei den Weibchen
ein Hammer, da die Trächtigkeitsaussichten bei „Rubenstypen“ eindeutig besser
sind als bei Kate Moss, wenn ihr Größe 36
Fotos: Pixelio.de
noch die Tatsache, dass körperliche Anstrengung die Spermaqualität – sagen wir
es einmal vorsichtig – verändert; diese
kann als Hinweis aufgenommen werden, –
typisch Mann – mit entsprechenden körperlich anspruchvollen Aufträgen an die
Produzenten äußerst vorsichtig zu sein. Da
ich verbal „Hinweis“ nicht mit dem Verbum „verstanden“ kombiniert habe, ist
wohl klar, was davon zu halten ist.
Wie halten wir’s denn jetzt? Zumindest seitens der Tierernährung werden die männlichen, reproduktiv erfolgversprechenden
Individuen so ernährt, wie es einem mittleren Aktivitätsniveau entspricht. Energetisch betrachtet ist das etwa 25 Prozent
oberhalb des Erhaltungsbedarfs.
31
UniCentral
Hoffnungsträger
in schwerer Zeit
Vor 60 Jahren trat Erwin Jacobi das Rektoramt an
Von Dr. Jens Blecher, Universitätsarchiv
Vor rund 60 Jahren, am 31. Oktober 1947,
übernahm der Jurist Erwin Jacobi das
Rektorat. Traditionsbewusst und realiter
wurde es ihm von seinem Vorgänger HansGeorg Gadamer in Form von „Hut und
Mantel als Abzeichen Ihrer freien Würde“
und der Amtskette, „mit der einst königliche Huld den Rektor schmückte“, überreicht.
Schon in den wenigen semantischen Wendungen bei der Amtsübergabe wird der
Traditionsbruch und das ungewisse
Schicksal der Universität deutlich: die Universitätsstatuten, einst das Zeichen der
selbstverwalteten akademischen Gemeinschaft beim Rektoratswechsel, waren –
ebenso wie die alten schmuckvollen Talare
– nur noch ein Häufchen Asche. Auch die
Universitätssiegel, das Original der Rektoratskette und die Szepter als Teil der
Investiturfeiern galten als Kriegsverlust,
sie wurden erst 1958 in den Trümmern am
Augustusplatz wiedergefunden.
Seine Arbeiten zum Recht der Diktatur des
Reichspräsidenten und der Verfassungsänderung brachten ihn in ein enges persönliches Verhältnis zu dem Bonner Carl
Schmitt (1888 –1985) und trugen ihm eine
Reputation als moderner, demokratisch
gesinnter Staatsrechtslehrer ein.
1933 endete diese Ära und Jacobi wurde
wegen seiner jüdischen Herkunft zur persona non grata an der Universität Leipzig.
Sein hohes Ansehen und ein weit gespanntes Freundesnetzwerk retteten ihn vor
weiteren Repressalien und ermöglichten
immerhin ein, wenn auch sehr
bescheidenes, Arbeiten auf
juristischem Gebiet als Gutachter.
Wer war der Nachfolger von
Gadamer und wie begann
sein Rektoratsjahr?
Die Zwangspause endete im
Oktober 1945, als Jacobi auf
seinen Lehrstuhl zurückkehrte.
Neben seinen Lehrverpflichtungen, die durch den Totalverlust des Petrinums und die allgemeine Knappheit an Lehrmaterial, an warmen Unterrichtsräumen und drückenden
Nachkriegssorgen geprägt waren, engagierte sich Jacobi für
die Neugestaltung der Leipziger Verhältnisse. In den Nachkriegswirren an ihn ergangene
Rufe auf andere Universitäten
lehnte er ab, auch wenn sie eine
deutliche materielle Besserung
bedeutet hätten.
So ist es kein Wunder, wenn
der Nachkriegsrektor Gadamer
sich keinen besseren Nachfolger vorstellen kann als
Jacobi, um den Neuaufbau der
Erwin Jacobi wurde 1884 in Zittau in einer
jüdischstämmigen Kaufmannsfamilie geboren. Seine früh geweckte Liebe zur Musik (er war ein begnadeter Geiger) wurde
jedoch von der elterlichen Bestimmung auf
einen „ordentlichen“ Beruf überwogen. In
Leipzig fand der angehende Jurist beim
Studium ihn persönlich beeindruckende
Lehrautoritäten vor. Im Umfeld von Otto
Mayer (1846–1924) und Rudolf Sohm
(1841–1917) begann sich Jacobi seit 1907
auf eine wissenschaftliche Karriere zu orientieren, die schließlich 1921 mit seiner
Berufung zum ordentlichen Professor in
Leipzig (als Nachfolger von Otto Mayer
auf dem Lehrstuhl für öffentliches Recht,
Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht)
eine wissenschaftliche Anerkennung fand.
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Universität zu forcieren. Denn am Ende
des Rektoratsjahres von Gadamer ist die
Lage keineswegs rosig. Noch im August
1947 teilt er dem Dresdner Ministerium
mit: „Ich habe von früh bis spät arbeiten
müssen … habe jeden Brief selber diktieren müssen, jede Akte selber prüfen, jedes
Telefongespräch selber führen, jede Verhandlung selber leiten müssen. Ich halte es
daher für vollkommen ausgeschlossen,
dass ein Nachfolger in meinem Amte gefunden werden kann …“ Unter diesen
Voraussetzungen avancierte Erwin Jacobi
Suche nach
Unterrichtsräumen
und Personalsorgen
Erwin Jacobi trat vor 60 Jahren das Rektoramt an
und forcierte den Neuaufbau der Universität Leipzig
nach dem Zweiten Weltkrieg.
Foto: Universitätsarchiv
journal
UniCentral | Studiosi
zum Hoffnungsträger der am 1. Oktober
1947 mit 55 Stimmen zum neuen Rektor
gewählt wurde. Ganz und gar Arbeitsrechtler, erklärte Jacobi, dass er die Wahl annehme und den Dienst antreten werde,
„nach Erfüllung gewisser arbeitstechnischer Voraussetzungen.“
Am 31. Oktober1947 fand die Investitur im
Weißen Saal am Zoo statt. In seiner Antrittsrede dankte Jacobi zunächst seinem
Vorgänger für seinen unermüdlichen Einsatz, um sich dann einem einstündigen
Vortrag aus seinem Fachgebiet, dem Arbeitsrecht, zuzuwenden. In einem breit gefächerten Vortrag spannte er einen Bogen
von den bereits 1848 geforderten Arbeiterausschüssen in den Betrieben, über das
Reichsgesetz zum Vaterländischen Hilfsdienst von 1916, die Betriebsrätegesetze
von 1920 und von 1946 bis hin zu Auslegungsfragen der alliierten Rechtssetzungen in den einzelnen deutschen Länderfassungen. Dringend und ganz am Ende
seiner Antrittsrede weist er die Zuhörer, zu
denen auch der sächsische Ministerpräsident Max Seydewitz (1892 –1987) gehört,
auf die Probleme der zersplitterten Rechtsordnung in den Besatzungszonen hin.
Dazu bedarf es einer rechtlichen Ordnung,
die „wenn es überhaupt eine deutsche Wirtschaft geben soll, einheitlich für ganz
Deutschland erfolgen muss.“
Zu Jacobis dringendsten Obliegenheiten
gehören aber zunächst die Suche nach
geeigneten Unterrichtsräumen und die Personalsorgen. Lediglich 800 Studenten
konnten neu immatrikuliert werden – bei
3500 Bewerbern und einer hohen Personalfluktuation. Statt vier hatte die Universität
nun acht Fakultäten, in denen rund die
Hälfte der Studenten kein Regelabitur
besaß.
Erstmals bekam die Universität auch einen
direkten Landesbeamten (Kurator) zugeordnet, der die Universitätsgeschäfte im
Sinne der Landesregierung politisch steuern sollte.
Im Oktober 1948 endete das Rektoratsjahr
Jacobis und er konnte seinem Nachfolger
eine Universität überlassen, in die zumindest die Hoffnung wieder eingezogen war.
Jacobi selbst übernahm schon im Wintersemester 1948/49 das nächste Amt als gewählter Dekan der Juristenfakultät, das er
bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1958,
neben seiner eigentlichen Lehrtätigkeit,
ausübte.
Im Alter von 81 Jahren ist Erwin Jacobi am
5. April 1965 in seiner Wahlheimat Leipzig
verstorben.
Heft 6/2007
Studenten machen Programm
Filmmagazin Unicato
ist ein Jahr auf Sendung
Normalerweise findet man Studenten im
Fernsehen eher als Praktikanten, Statisten
oder Kabelträger. Das hat sich geändert.
Seit einem Jahr machen Studenten beim
Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) Programm. Im Oktober 2006 startete dort das
Filmmagazin Unicato.
Das Besondere: Das Programm ist ein
Kooperationsprojekt zwischen dem MDR
und den Hochschulen im Sendegebiet.
Eine Kommission aus je zwei Hochschullehreren wählt die Filme aus, gesendet wird
eine Vielfalt an filmischer Kreativität. Das
bundesweit einmalige Magazin startete als
Experiment und war eigentlich nur auf
neun Folgen angelegt. Doch Unicato überzeugte und hatte teilweise einen Marktanteil von 7,3 Prozent. Die Montage, also der
letzte Schnitt, wird im Landesfunkhaus
Thüringen in Erfurt gemacht, genau wie
die technische Endabnahme. Dort wird
auch geprüft, ob die Qualität stimmt, die
Beiträge juristisch einwandfrei sind und
mehr. „Der MDR gibt damit bewusst jungen Leuten eine Chance, ihre kreativen,
manchmal auch verblüffenden Filme
einem breiten Publikum zu präsentieren“,
erklärt Werner Dieste, Direktor des MDRLandesfunkhauses Thüringen.
Unter Quotendruck steht Unicato aber
nicht, denn es läuft nur einmal im Monat
auf einem Sendeplatz nach Mitternacht.
Doch diese große Resonanz war wohl auch
ein Grund dafür, dass
das
Studentenprogramm nun seinen
ersten Geburtstag feiern konnte und eben
nicht nach neuen Folgen wieder abgesetzt
wurde.
Prof. Rüdiger Steinmetz vom Lehrstuhl
für Medienwissenschaft und Medienkultur am Institut
für Kommunikationsund Medienwissenschaft ist überzeugt
von Unicato, bringt es
doch neuen Schwung
in
das
Angebot
der Dreiländeranstalt.
„Der MDR ist hin-
sichtlich seiner Zielgruppe überaltert. Er
hat endlich erkannt, dass Unicato gut dafür
ist, junges Publikum an sich ran zu ziehen.
Außerdem hat das Öffentlich-Rechtliche
Fernsehen die besondere Aufgabe, die
kreativen Möglichkeiten junger Filmemacher zu fördern.“
Einer dieser jungen Filmemacher ist Mitja
Frank. Der Student der Universität Leipzig
kam eher zufällig zu dem Projekt: „Im
Januar erreichte mich eine E-Mail vom
Unicato-Team, in der stand, dass sie gern
meinen Film ‚Boskopismus‘ dort zeigen
würden.“ Mitja Frank sagte gerne zu, denn
nicht oft bekomme man als Student die
Chance, seine Filme einem so breiten Publikum vorzustellen. „Da fühlt man sich
gut! Es ist wunderbar, wenn viele Menschen im Fernsehen die Geschichte miterleben können, die man als Filmteam gemeinsam mit seinen Protagonisten erlebt
hat.“
Doch damit noch viel mehr Menschen die
Geschichten der jungen Filmemacher
miterleben können, fordert Frank für die
Zukunft: „Unicato muss einen ernstzunehmenden Sendplatz bekommen beim MDR,
wöchentlich.“ Das ist vielleicht gar kein
unrealistischer Wunsch. Laut Professor
Steinmetz hat auch der Hessische Rundfunk Interesse an einem solchen Format
angemeldet.
Sophia Sieber
www.mdr.de/unicato
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Studiosi
European Master
Global Studies
55 Studenten
aus 28 Ländern
Das Europäische Konsortium des ErasmusMundus-Masterstudienganges Global Studies – A European Perspective freut sich,
zum Wintersemester 2007/2008 an den vier
Partneruniversitäten (Universität Leipzig,
London School of Economics and Political
Sciences, Universität Wien und Universität
Wroclaw) 55 neue Masterstudenten aus 28
Ländern begrüßen zu können.
An der Universität Leipzig werden sich im
akademischen Jahr 2007/2008 32 dieser
Studenten mit Fragen zur Globalisierung
beschäftigen. Ende September trafen die
Masterstudenten in Leipzig ein und hatten
während eines 14-tägigen Einführungskurses die Möglichkeit, ihren neuen Studienort und ihre internationalen Kommilitonen
in entspannter Atmosphäre kennen zu lernen. Außerdem erhielten sie kompetente
Unterstützung in allen administrativen
Angelegenheiten, kurze Einführungsveranstaltungen in die Kurse des Studienganges sowie einen 20-stündigen Deutschkurs,
um die erste Kommunikation mit den Leipzigern zu erleichtern.
„Der Einführungskurs hat mir das Gefühl
gegeben, in Leipzig sehr willkommen zu
sein. Er war eine gute Gelegenheit die anderen Studenten und die Stadt kennen zu
lernen. Die administrative Unterstützung
war eine große Hilfe“, bilanzierte ein Teilnehmer.
Besonders erfreulich für 27 Studenten ist,
dass sie ein Erasmus-Mundus-Stipendium
der Europäischen Union erhalten und ihr
Studium in Europa somit finanziell abgesichert ist.
Das Erasmus-Mundus-Proramm verfolgt
Willkommenswoche
mephisto 97.6
Die Willkommenswoche für ausländische
Studierende endete mit einer internationalen Semesterauftaktsparty. Erstmals wurden in diesem Jahr auch ehemalige deutsche Austauschstudierende der Universität
Leipzig zur Willkommensparty eingeladen, um den „Neuankömmlingen“ den
Kontakt zu ihren Kommilitonen von Anfang an zu erleichtern. Bauchtänzerin Lina,
der chinesische Chansonnier Ming Cheng
und nicht zuletzt drei Crewmitglieder von
L.E. mit ihrer Breakdance-Einlage bildeten
den künstlerischen Auftakt für einen lebendigen Abend, der bis in die frühen Morgenstunden reichte. Die Party bildete den Abschluss der Willkommenswoche für neue
ausländische Studierende. Das Akademische Auslandsamt hat wie im vergangenen
Jahr etwa 800 Studierende aus aller Welt
eingeschrieben.
Dajana Burgdorf
Universität Leipzig und Lokalsender mit
eigener Lizenz, hat sein Angebot auf mehreren Ebenen erweitert. Mitte November
nahm die neue Online-Redaktion ihre
Arbeit auf und will dem Publikum künftig
neben dem OnAir-Programm Informationen, Kontraste und Hintergründe im Internet bieten.
Die Online-Redaktion will nach eigenem
Bekunden versuchen, ein ausgefallenes
Eigenleben zu entwickeln. „Sie versteht
sich nicht als Aufbereiter des RundfunkProgramms für das Internet. Vielmehr begleitet sie Themenschwerpunkte, die im
laufenden Programm gesetztwerden“, hieß
es aus der Chefredaktion. Parallel verabschiedete sich mephisto 97.6 vom bisherigen Corporate Design.
Dezentes Weiß und Grau ersetzt das bisherige dominierende Grün. Der rote Akzent,
der vor allem mit dem markanten me-
das Ziel, die Attraktivität europäischer
Hochschulen für exzellente Wissenschaftler und Studenten aus aller Welt zu erhöhen und gleichzeitig die Zusammenarbeit europäischer Hochschulen zu stärken.
Im Falle des Masterstudienganges Global
Studies ist es gelungen, die Zahl der Studenten kontinuierlich zu steigern. Während
zum Wintersemester 2005/06 35 Studenten
immatrikuliert wurden, erhöhte sich die
Zahl ein Jahr später auf 47 und nun um weitere acht Personen.
r.
Breakdance und Der Teufel geht online
mephisto 97.6, Ausbildungssender der phisto-97.6-Punkt ins Auge sticht, ist geBauchtanz
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blieben.m
Und auch in Sachen Journalisten-Ausbildung gibt es Erfreuliches zu berichten: In
diesem Wintersemester startete an der Universität Leipzig mit dem Hörfunk-Master
ein einzigartiger Studiengang.
Insgesamt sieben Studenten wurden aufgenommen und sollen in den kommenden
vier Semestern den Abschluss Master of
Arts Hörfunk 

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