Framus Artist Phil XG P90/P90 Testbericht

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Framus Artist Phil XG P90/P90 Testbericht
Framus Artist Phil XG P90/P90
Testbericht
Von Markus Hohmann
am 01. Februar 2016
Was kommt raus, wenn Richie Samboras Ersatzmann Phil X sich vom deutschen
Hersteller Framus eine Gitarre auf den Leib schneidern lässt? Das erfährst Du in
diesem Testbericht auf delamar - es ist eine echte Rockmaschine!
Was ist es?
Die Framus Artist Phil XG P90/P90 erinnert auf den ersten Blick stark an eine Gibsons SG
und ist in diversen Ausführungen erhältlich. Neben verschiedenen Lackierungen wird die EGitarre mit einem oder zwei Pickups bestückt, seien es Humbucker oder Single-Coils. Selbst
eine Variante mit Bigsby-Tremolo konnte der Tester dieser Zeilen im Sortiment ausfindig
machen.
Unsere Testausführung – die Phil XG P90/P90 in »Solid Cream White« – ist mit zwei PX90Pickups von Arcane und einer klassischen Tune-O-Matic Bridge ausgerüstet.
Dieses Crème-weiße Schätzchen kommt im Framus Artist Phil XG P90/P90 Testbericht unter
die Lupe.
Understatement pur
Unverbindliche 2.941 Euro ruft der deutsche Vertrieb Warwick auf seiner Webpräsenz auf.
Dafür bekommt man leider keine veredelnden Griffbrett-Inlays aus Perlmutt (von einfachen
»dots« ganz zu schweigen), Holzmaserungen oder aufwendigen Bindings. Selbst die
Lackierung ist im wahrsten Sinne des Wortes eintönig, dafür aber flächendeckend über
Korpus und Hals.
Der Lieferumfang ist etwas mager – ein Koffer hätte allerdings drin sein müssen, stattdessen
gibt es hier nur einen Gigbag. Doch wenn Du dir die Framus Artist Phil XG P90/P90 erst
einmal zur Brust nimmst, wird schnell klar, wie diese den geübten Rockgitarristen zu
überzeugen vermag.
Konstruktion: Neck-Through-Body
Für Hals und Korpus kommt Mahagoni zum Einsatz. Das Besondere: Die Verbindung beider
Teile entsteht weder durch Verschraubung, noch durch Anleimen des Halses an den Korpus.
Vielmehr kommt eine Technik zum Zug, die sonst eher im Bassbau anzutreffen ist: Der
einteilige Ahornhals entspricht der vollen Länge des Instruments, so dass der Korpus
zweiteilig ausfällt – die einzelnen Flügel sind über deren gesamte Länge an den Hals
angeleimt sind.
Dieser als »Neck-Through-Body« bekannten Konstruktion wird ein besonders langes Sustain
nachgesagt, die Praxis wird zeigen müssen, ob an der These etwas dran ist.
Fetter Hals
Der Hals ist nichts für Kinderhände, denn das bauchige Profil eines runden »D« liegt mehr als
satt in der Hand. Umso mehr verwundert mich, dass ich mich mit meinen doch sehr kleinen
Händen und kurzen Fingern nach bald sehr wohl mit diesem »Ast« fühlte. Vielleicht weniger
was für turboartige Shredder-Orgien, aber der Hals suggeriert meiner linken Hand
unmissverständlich: Rock mich hart!
Das Griffbrett mit modernem 12-Zoll-Radius aus Palisander ist mit 2 mm schmalen, aber 1,3
mm hohen Bünden aus Neusilber unterteilt. Es bietet keinerlei Inlays, die eine Navigation
über die Bünde erleichtern könnte. Die seitlich des Griffbretts eingelassenen
Bundmarkierungen fluoreszieren – ein nettes Detail für dunkle Bühnen. Die Mensur von
24,75 Zoll endet an der Kopfplatte mit einem Sattel aus »Black Tusq« von Graph Tech.
Kopfplatte
Die leicht abgewinkelte Kopfplatte bietet vorderseitig die einzige Fläche, die sich der
ansonsten vollflächigen »Solid Cream White«-Lackierung entzieht. Sie greift mit ihrem
Finish im schwarzen Klarlack die Farbgestaltung der Pickup-Kappen und Potis auf. Sie ziert
das Framus-Logo in Perlmuttdesign. Eine schwarze Truss-Rod-Abdeckung in Glockenform
legt nach der Entfernung einer Schraube den Halsstab frei.
Korpus
Auch am Korpus wurde nicht an Material gespart: Die beiden Mahagoniflügel, die sich nahtund übergangslos an den verlängerten Hals schmiegen, entsprechen in Ihrer Dicke mehr eine
Les Paul, denn einer SG: 4,7 cm dickes Mahagoni, dessen Kanten vorder- und rückseitig über
den kompletten Umfang konturiert wurden, was auch der Haptik zugutekommt. Trotzdem
beträgt das Gesamtgewicht der Gitarre tragefreundliche 3,4 kg. Ein erster Hinweis auf die
Qualität des verbauten Holzes?
Auf der Rückseite findet sich der Wartungszugang zum E-Fach: Schwarzes Plastik mit
einfachen Clip-Verschlüssen. Das ermöglicht zwar sekundenschnellen Zugang zur Elektronik,
allerdings hätte ich hier eine ordentliche Verschraubung bevorzugt. Sicheren Halt am
Gitarrengurt garantieren die Warwick Security Locks.
Elektronik und Pickups
Die Pickups stammen vom kalifornischen Hersteller ARCANE und wurden nach dem
Geschmack von Phil X entwickelt. Diese handgewickelten schwarzen Briketts hören auf den
Namen »Phil X Signature PX-90«. Sie werden einem satt einrastenden 3-Wege-Schalter in
Chrom angesteuert, der an der Unterseite des Korpus‘ auf Höhe des Stop Tailpiece liegt. Gut
erreichbar, ohne beim Spielen zu stören. Komplettiert wird die Steuerung der Pickups durch
Tonblenden- und Volumenpotis, deren Kappen das bekannte Design des Fender Jazz Bass
aufgreifen. Auch hier merkt man, dass ein Profimusiker am Design des Instruments beteiligt
war: Einerseits sind die Kappen sehr griffig, andererseits lassen sich die leichtgängigen
Drehgeber ohne Kraftaufwand mit dem kleinen Finger bedienen. Dabei ist das Volumenpoti
während des Spiels jederzeit erreichbar, ohne im Weg zu stehen, während der wohl weniger
genutzte Tonpoti mit sicherem Abstand zur rechten Hand weiter nach hinten gesetzt wurde.
Mechaniken & Tune-O-Matic Bridge
Der bisher hochwertige und vor allem funktionale Eindruck der Phil XG setzt sich auch bei
der Wahl der Mechaniken nahtlos fort: Locking Tuner von Graph Tech zieren die Kopfplatte
im passenden Chrom-Finish. Sie erinnern in Design und Funktion sehr an die bewährten
Mechaniken vom Typ Schaller M6, laufen butterweich und gewähren besondere
Stimmstabilität. Die Tune-O-Matic-Brücke von TonePros führt das Chrome-Design fort.
Brücke und Tailpiece werden mit in den Body eingelassenen Bolzen verschraubt. Auch hier
sind es die Details, die den Unterschied machen: Beide Teile werden mit kleinen
Inbusschrauben an ihren Verschraubungen gehalten. Ungewolltes Verstellen oder Abfallen
bei Saitenwechsel ist so ausgeschlossen.
Verarbeitung
Jenseits der 2.000 Euro bin ich sehr kleinkariert, was Unsauberkeiten in der Verarbeitung
angeht, schließlich finden sich bereits in dreistelligen Preisregionen hervorragend verarbeitete
Instrumente.
Hier gibt es indes praktisch nichts zu beanstanden. Die Lackierung ist gleichmäßig und
»nasenfrei«. Die Bünde sind perfekt eingearbeitet. Ohne Fehl und Tadel arbeitet die
hochwertige Hardware, zudem hat sie beim Einbau nirgends Dellen oder Lackschäden
hinterlassen. Die Potis eiern nicht. Der Sattel ist perfekt eingesetzt und abgerichtet, ebenso die
geplekten Bünde. Lackschützende Gummiringe trennen die bombenfest sitzenden Security
Locks vom Korpus.
Nur die erwähnten Plastikclips am Elektronikfachdeckel sind nicht erste Sahne. Na,
geschenkt.
Überzeugt schon unverstärkt
Wie ist die Bespielbarkeit? Wie balanciert klingt das Instrument unverstärkt? Wie resonant
wirkt die Gesamtkonstruktion? Bevor ich E-Gitarren verstärkt beurteile, lerne ich deren
Stärken und Schwächen immer gerne zuerst ohne Verstärkung kennen. Und auch hier darf ich
sagen, dass ich keine Schwächen entdeckt habe.
Unser Testmodell kommt mit einer Saitenlage, die dem satten Halsprofil entspricht: Nicht
High-Speed solierend niedrig, sondern mit dem Quäntchen Luft zwischen Saite und
Griffbrett. Wer etwas härter in die Saiten fährt, freut sich über genug Raum zum freien
Schwingen. Auch die Intonation und Bundreinheit ist makellos. Kurzum: Das Setup ist
perfekt. Nichts weniger erwarte ich aber auch bei einer Gitarre in dieser Preisklasse.
Schon »trocken« angespielt machen sich der massive Hals und die Body-Through-NeckKonstruktion positiv bemerkbar: Das Sustain ist außerordentlich, das Schwingungsverhalten
gleichmäßig. Man spürt das Resonanzverhalten des Holzes, die Gitarre lebt, der Ton ist
kräftig und ausgewogen. Ich bin gespannt, ob der äußerst positive Ersteindruck auch verstärkt
Bestand hat.
Praxis
Das Kabel rastet druckvoll in die Klinkenbuchse ein – Zeit, den Verstärker einzuschalten. Die
Töne Perlen perkussiv und klar aus den Boxen. Saitenseparation und das gleichmäßige, lange
Ausschwingverhalten machen Laune. Dabei wirkt der Stegtonabnehmer nie harsch, beweist
aber Biss und wird von einem ausbalancierten Mittenspektrum unterfüttert.
Der Hals-Pickup klingt naturgemäß wärmer. Ein solider Bass, der nie Gefahr läuft, matschig
zu klingen, paart sich zu warmen Mitten und frischen, klar akzentuierten Höhen. Die
Tonabnehmer harmonieren exzellent mit der restlichen Konstruktion, tonal direkt, spritzig mit
fokussierten Mitten.
Spielfehler werden nicht verziehen, was die Hände in das Instrument eingeben, übersetzt
dieses 1:1 am Kabelanschluss. Auch das dynamische Verhalten ist vorbildlich, die Gitarre
übersetzt feinfühlig jede Anschlagsstärke. Kein Höhenverlust bei Zurücknahme des
Volumenpotis, von Clean bis »volles Brett« braucht es nicht mehr als den kleinen Finger am
Lautstärkeregler der Gitarre.
Der Ton bietet eine Menge Charakter und ist vielseitiger, als es Konstruktion und Pickups
erwarten lassen. Der Schwerpunkt bleibt eindeutig Rock, Rock und nochmal Rock! Und
rocken tut sie –fehlerlos, gnadenlos, verzückend und charakterstark.
Klangbeispiele im Framus Artist Phil XG P90/P90 Testbericht
Clean – Steg-Pickup
Clean – Hals-Pickup
Clean – Steg- und Hals-Pickup
Clean – Hals-Pickup bis Gain – Steg-Pickup
Crunch – Steg-Pickup
Fazit: Framus Artist Phil XG P90/P90 Testbericht
E-Gitarre mit »Neck-Through-Body«-Konstruktion und zwei Single-Coils. Eine E-Gitarre,
die Rockerherzen höherschlagen lässt. Sustainreiche Konstruktion, hochwertige Hardware
und ein sattes Halsprofil erzeugen einen Ton, der charakterstark von Könnerhand moduliert
werden will. Das schlichte Äußere ist pures Understatement, Design und Funktionalität sind
bis ins Detail immer praxisbezogen.
PRO
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Saitenseparation und Schwingungsverhalten
Verarbeitung
Pickups
Locking Tuner
CONTRA
 Plastik-Clipverschlüsse des Elektronikfachs
 Gigbag statt Koffer
Die Framus Artist Phil XG P90/P90 ist keine Gitarre für jedermann. Im Vergleich zu manch
anderer Edelschmiede bleibt ihr Äußeres schlicht, der satte Hals ist die Antithese der
»Everybody‘s Darling«-Philosophie, P90-Tonabnehmer muss man auch noch wollen und der
Preis ist nicht von Pappe. Und dann gibt es nur einen Warwick Rockbag dazu, nicht einmal
einen richtigen Koffer. Aus der Ferne betrachtet, dürfte diese Gitarre eine Herausforderung
für Vertriebler und Marketingabteilung sein.
In der Praxis überzeugt sie jedoch vollends. Perfekte Verarbeitung, hochwertige Ausstattung
und durchdachtes Design mit praxisbezogener Funktionalität zeichnen diese Rockmaschine
aus. Wer abseits des ewigen Les-Paul-Themas eine hochwertige Gitarre sucht und nicht vor
dem voluminösen Hals (für mehr Ton und Sustain) zurückschreckt, sollte sich die Phil XG
unbedingt mal zur Brust nehmen.
Der bescheidene Lieferumfang in Form des Warwick Rockbag und die Plastikclips an der
Elektronikabdeckung trüben das Bild ein wenig. Schlussendlich gibt es starke viereinhalb von
fünf Punkten im Framus Artist Phil XG P90/P90 Testbericht auf delamar – das kann sich
sehen und vor allem hören lassen.