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Freistellung - Vergütung
Inhaltsübersicht
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Allgemeines
Anspruchsgrundlage
Gesetzliche Anspruchsgrundlagen
Tarifliche Anspruchsgrundlagen
Vertragliche Anspruchsgrundlagen
Rechtsprechungs-ABC
6.1 Ehrenamtliche Richter
6.2 Entgeltfortzahlung
6.3 Originärer Vergütungsanspruch
6.4 Umrechnung von Zeit-Wertguthaben
6.5 Wettbewerbsverbot
6.6 Zulage
Information
1. Allgemeines
Der Anspruch auf bezahlte Freistellung sagt allein noch nichts darüber aus, wie der Zeitraum dieser
Freistellung zu vergüten ist. Die Entgeltfrage ist je nach Anspruchsgrundlage unterschiedlich zu beantworten.
Das Spektrum reicht vom schlichten Entgeltausfallprinzip bis hin zu komplizierten Berechnungsmethoden in
Tarifverträgen. Im Einzelfall muss man sich an die maßgebenden Rechtsgrundlagen halten.
Praxistipp:
Die wohl einfachste Methode im Umgang mit der Vergütung aus Anlass einer Freistellung ist das
Entgeltausfallprinzip. Der Arbeitnehmer wird vergütungsmäßig so gestellt, wie er stehen würde, wenn er
nicht frei gehabt, sondern gearbeitet hätte. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Gehalt oder einen
Fixlohn vereinbart, werden dieses Gehalt oder dieser Fixlohn einfach weiter gezahlt. Schuldet der
Arbeitgeber eine Vergütung auf Stundenlohnbasis, werden die wegen der Freistellung ausgefallenen
Stunden einfach mit dem vereinbarten Stundenlohn abgerechnet.
Als Anspruchsgrundlage für die Vergütung während einer Freistellung kommen in der Regel der
Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag in Betracht. Wo es keine besondere
Anspruchsgrundlage gibt, erfolgt ein Rückgriff auf § 616 BGB . Ob für eine Freistellung immer ein
Vergütungsanspruch besteht, lässt sich nur nach der jeweils maßgeblichen Rechtsgrundlage für den
Freistellungsanspruch beantworten. Es kann daher auch Fälle geben, in denen der Arbeitgeber einen
Mitarbeiter zwar freistellen, aber ihn während dieser Zeit nicht bezahlen muss.
2. Anspruchsgrundlage
Die Höhe des während einer Freistellung fortzuzahlenden Arbeitsentgelts richtet sich nach der maßgeblichen
Anspruchsgrundlage. Basis für einen Freistellungs-/Vergütungsanspruch kann eine
• gesetzliche ( Freistellung - Gesetzliche Ansprüche ),
• tarifliche ( Freistellung - Tarifliche Ansprüche ) oder
• vertragliche ( Freistellung - Vertragliche Ansprüche )
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Regelung sein. Diese Regelungen enthalten oft auch Bestimmungen dazu, wie das fortzuzahlende Entgelt zu
ermitteln ist und welche Faktoren dabei zugrunde zu legen sind. Geben die Anspruchsgrundlagen für die
Freistellung keine Hilfe, kann man nur auf allgemeine Grundsätze zurückgreifen: zum Beispiel das
Entgeltausfallprinzip.
3. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen
Die allgemeine gesetzliche Vergütungsvorschrift steckt in § 616 Satz 1 BGB (s. dazu das Stichwort
Freistellung - Gesetzliche Ansprüche ). Danach wird ein Arbeitnehmer bei Arbeitsverhinderung "des
Anspruchs auf Vergütung nicht ... verlustig." Das heißt: Der Mitarbeiter behält seinen Vergütungsanspruch
in der Höhe, in der er auch bei - gedachter - Arbeitsleistung entstanden wäre. Und das heißt: in gleicher
Höhe, im gleichen Umfang und mit allen Vergütungsbestandteilen (z.B. Provisionen, Prämien, Zuschlägen
etc.). Hier gilt das Entgeltausfallprinzip 1 : 1.
Betriebsratsmitglieder sind nach § 37 Abs. 2 BetrVG für ihre Betriebsratstätigkeit "ohne Minderung des
Arbeitsentgelts" von der Arbeitsleistung zu befreien. Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus
betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied
"Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts - § 37 Abs. 3
Satz 1 BetrVG ." Hier gilt das Entgeltausfallprinzip ebenfalls. Das Betriebsratsmitglied hat Anspruch auf das
Arbeitsentgelt, dass es auch bei - gedachter - Arbeitsleistung bekommen hätte.
Beispiel:
Betriebsrat B meldet sich um 16:00 Uhr zum Besuch einer entfernt gelegenen Filiale ab. Bs reguläres
Arbeitszeitende wäre 18:30 Uhr. Da sich die Gespräche in der Filiale einige Zeit hinziehen, kann B erst
gegen 20:35 Uhr den Rückweg antreten. B ist um 21:15 Uhr wieder zu Hause. Arbeitgeber A muss die 2,5
Stunden von 16:00 Uhr bis 18:30 Uhr mit dem Entgelt bezahlen, das B sonst bekommen hätte, wenn er
dafür gearbeitet hätte. Für die weiteren 3,75 Stunden hat A den B freizustellen. Für die Zeit dieser
Freistellung hat B Anspruch auf die Vergütung, die er sonst bei - gedachter - Arbeitsleistung bekommen
hätte.
Bei stillenden Müttern darf durch die Gewährung von Stillzeit "ein Entgeltausfall nicht eintreten" ( § 7 Abs. 2
Satz 1 MuSchG ). Auch hier gilt das Entgeltausfallprinzip.
Beispiel:
Arbeitnehmerin N unterbricht ihre Arbeit von 10:30 Uhr bis 11:45 Uhr. 15 Minuten benötigt N jeweils für
den Weg nach Hause und von zu Hause wieder zurück. Die Stillzeit beträgt einschließlich Vor- und
Nachbereitung 45 Minuten. N hat Anspruch darauf, die 1,25 Stunden so vergütet zu bekommen, als wenn
sie in dieser Zeit gearbeitet hätte.
Besteht an Tagen oder zu Zeiten, für die eine Freistellung erfolgen soll, keine oder nur eine teilweise
Arbeitspflicht, entsteht in der Regel - Ausnahme z.B. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG , Betriebsratstätigkeit
während der Arbeitszeit - kein oder nur ein teilweiser Vergütungsanspruch. Der Arbeitnehmer soll durch
die Freistellung keinen Entgeltausfall erleiden. Tritt der Entgeltausfall aus anderen Gründen - Freistunde,
Streik - ein, fehlt die Kausalität zwischen Freistellung und Entgeltausfall. Dann braucht der Arbeitgeber das
Arbeitsentgelt für die Ausfallzeit nicht fortzuzahlen. Dann ist die Freistellung nicht für den Entgeltausfall
kausal.
4. Tarifliche Anspruchsgrundlagen
Die Ausgestaltung tariflicher Regelungen ist recht unterschiedlich (s. dazu das Stichwort Freistellung Tarifliche Ansprüche ). Nach den dort vorgestellten Tarifverträgen gilt Folgendes:
Gaststätten-/Hotelgewerbe - Nordrhein-Westfalen: § 8 2.2 MTV Gaststätten-/Hotelgewerbe NW sagt, dass
"bei Arbeitsversäumnis in folgenden Fällen ... der Lohn weiterzuzahlen" ist. Er stellt damit auf das klassische
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Entgeltausfallprinzip ab.
Beispiel:
Arbeitnehmerin N hat einen eigenen Hausstand. Sie zieht um und bekommt von ihrem Arbeitgeber A
dafür nach § 8.2.2.1 MTV Gaststätten-/Hotelgewerbe NW einen Tag frei. N hätte an diesem Tag 7
Stunden gearbeitet, ihr Stundenlohn hätte 12,50 EUR betragen. N bekommt die wegen der Freistellung
ausgefallenen Stunden mit (12,50 EUR x 7 h =) 87,50 EUR bezahlt. Würde N einen Festlohn bekommen,
müsste A die wegen der Freistellung ausgefallenen Stunden auf die Arbeitszeit anrechnen. Die
regelmäßige tarifliche monatliche Arbeitszeit im Geltungsbereich des MTV Gaststätten-/Hotelgewerbe NW
beträgt 169 Stunden. Der Tag der Freistellung reduziert die Arbeitszeitvorgabe um 7 auf 162 Stunden.
Öffentlicher Dienst - Bund: § 29 Abs. 1 TVöD spricht von Freistellung unter "Fortzahlung des Entgelts". Er
sieht keine Sonderregeln vor. Insoweit gilt auch hier das klassische Entgeltausfallprinzip.
Beispiel:
Dezernent D's Lebenspartner ist gestorben. D hat damit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 lit. b) TVöD Anspruch
auf zwei Arbeitstage Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts. D bekommt eine feste Vergütung. Diese
Vergütung wird einfach weitergezahlt. Die ausfallende Arbeitszeit wird als geleistete Arbeitszeit auf die
nach § 6 Abs. 1 TVöD geschuldete 39-stündige Wochenarbeitszeit angerechnet. D braucht in der Woche,
in der die Freistellung erfolgt, von der tariflichen Arbeitszeit nur noch (39 h - 15,6 h =) 23,4 Stunden zu
arbeiten. Der Einfachheit halber geht dieses Beispiel von einer täglichen Arbeitszeit von 7,8 Stunden (=
39 h : 5 d) aus.
Einzelhandel - Nordrhein-Westfalen: § 16 Abs. 2 Satz 1 MTV Einzelhandel NW sieht für
Freistellungstatbestände in § 16 Abs. 1 lit. a) bis h) MTV Einzelhandel NW vor, dass das "regelmäßige
Arbeitsentgelt weitergezahlt" wird. Der Tarifvertrag hat sich damit - wie § 4 Abs. 1 EFZG - vom strikten
Entgeltausfallprinzip verabschiedet.
Beispiel:
Verkäuferin V soll in der 51. KW vor Weihnachten täglich 2 Stunden Mehrarbeit machen. Am
Wochenende vom Wechsel der 50. auf die 51. KW stirbt Vs Schwager. Sie hat damit nach § 16 Abs. 1 lit.
h) MTV Einzelhandel NW Anspruch auf Arbeitsbefreiung für einen Werktag. Vs regelmäßige Arbeitszeit
beträgt 7,5 Stunden. Nach dem reinen Entgeltausfallprinzip würde V den Tag der Freistellung mit der
regulären Arbeitszeit und den zusätzlichen zwei Stunden vergütet bekommen. Da nach § 16 Abs. 2 MTV
Einzelhandel NW aber nur das "regelmäßige Arbeitsentgelt" weitergezahlt wird, hat V bloß Anspruch auf
Fortzahlung des Entgelts für die regelmäßig anfallenden 7,5 Stunden.
Dass die Freistellung kein Sonderurlaub ist, zeigt der Einleitungssatz des § 16 Abs. 1 MTV Einzelhandel
NW ganz deutlich. Er sagt, dass ein Anspruch auf Freistellung nur in "unmittelbarem Zusammenhang mit
den nachfolgenden Ereignissen" besteht. Hat ein Arbeitnehmer sowieso frei oder merkt er erst nach dem
Ereignis, dass er einen Freistellungsanspruch gehabt hätte, reicht das nicht. V aus dem voraufgehenden
Beispiel kann daher nicht verlangen, für die Beerdigung des Schwagers in der 51. KW erst in der 3. oder 4.
KW des neuen Jahres noch einen Tag "Sonderurlaub" zu bekommen, weil sie diesen freien Tag im
Zusammenhang mit dem Todesfall nicht nehmen konnte oder erst im neuen Jahr erfahren hat, dass es diese
tarifliche Freistellungsregel gibt. Der Anspruch zielt auf Befreiung von einer ansonsten am Tag des
Ereignisses oder unmittelbar mit dem Tag dieses Ereignisses in Zusammenhang stehenden Arbeitspflicht.
Und diese Arbeitsbefreiung kann nicht mehr gewährt werden, wenn der Tag des Ereignisses schon längst
zurückliegt. Die Arbeitsbefreiung ist kein Sonderurlaub.
5. Vertragliche Anspruchsgrundlagen
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Vertragliche Anspruchsgrundlagen (s. dazu das Stichwort Freistellung - Vertragliche Ansprüche ) sollten nicht
nur den Anlass für eine bezahlte Freistellung regeln, sondern auch die Höhe der fortzuzahlenden
Vergütung. Dort, wo keine eigene Regelung getroffen wurde, kann man nur auf § 616 Satz 1 BGB
zurückgreifen.
Beispiel:
Arbeitgeber A und Mitarbeiter M vereinbaren im Arbeitsvertrag, dass M - unter anderem - bei eigener
Eheschließung Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit hat, und zwar für zwei Tage. Haben A
und M keine Vereinbarung über die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts getroffen, wird A dem M für die
beiden Tage der Arbeitsverhinderung nach dem klassischen Entgeltausfallprinzip die Vergütung zahlen
müssen, die M bekommen hätte, wenn er an den beiden Tagen gearbeitet hätte.
Da § 616 BGB abdingbar ist, können die Vertragsparteien auch vereinbaren, dass für die Zeit einer
vertraglich geregelten bezahlten Freistellung von der Arbeit nur das
• regelmäßige oder
• durchschnittliche
Arbeitsentgelt zu zahlen ist.
Beispiel:
Arbeitgeber A vereinbart mit seinen Arbeitnehmern für den Fall des Todes naher Angehöriger, sie für die
Dauer von zwei Tagen von der Arbeitsleistung zu befreien, damit sie Behördengänge erledigen und an
der Trauerfeier teilnehmen können. Zur Höhe des fortzuzahlenden Entgelts steht folgende Klausel in den
Formulararbeitsverträgen: "Während der Zeit einer durch Freistellung von der Arbeit verursachten
Arbeitsverhinderung wird das Arbeitsentgelt fortgezahlt, das der Arbeitnehmer in den letzten drei
Kalendermonaten vor der Freistellung durchschnittlich je Arbeitstag erzielt hat. Zusätzlich für Mehrarbeit
gezahltes Entgelt wird bei der Berechnung der Durchschnittsvergütung nicht berücksichtigt, ebenso wenig
Einmalzahlungen und Prämien, die vom Erfolg der Arbeitsleistung abhängig sind."
Die Frage, wie weit § 616 BGB tatsächlich abdingbar ist, wird in der juristischen Literatur kontrovers
diskutiert. Ja nach Lager - Arbeitgeber/Arbeitnehmer - wird die Reichweite der Abdingbarkeit
unterschiedlich beantwortet.
Praxistipp:
Der Anwendungsbereich des § 616 BGB ist nicht zu überschauen. Wenn es für einen Anspruch auf
Fortzahlung des Entgelts schon ausreicht, dass ein Arbeitnehmer "für eine verhältnismäßig nicht
erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der
Dienstleistung gehindert wird", dann sind viele Fälle denkbar, in den es zu einem Anspruch auf bezahlte
Freistellung von der Arbeit kommen kann. Daher wird empfohlen, § 616 BGB entweder - so es denn für
zulässig gehalten wird - komplett auszuschließen oder einen Katalog von Freistellungstatbeständen zu
vereinbaren, in denen der Arbeitgeber trotz Arbeitsverhinderung das Arbeitsentgelt weiterzahlt.
Gleichzeitig damit sollte auch eine Vereinbarung über die Anzahl der Tage getroffen werden, für die eine
Freistellung erfolgen soll, und über die Höhe und die Berechnung des für die Freistellung zu zahlenden
Entgelts. Abschließen sollten dann die Sätze "Darüber hinaus wird Arbeitsentgelt nur für eine tatsächliche
Arbeitsleistung gezahlt. Die Anwendung des § 616 BGB wird über die hier vereinbarten Fälle hinaus
ausdrücklich abbedungen."
In der Regel ist es so, dass der Arbeitnehmer die Freistellung - förmlich oder formlos, je nach Arbeitgeber beantragen muss. Das sollte natürlich möglichst frühzeitig passieren, damit der Arbeitgeber vorsorgen und
den Verhinderungsfall überbrücken kann (auch darin zeigt sich der Unterschied zwischen bloßer
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Arbeitsverhinderung und Freistellung). Der Arbeitgeber ist berechtigt, einen entsprechenden Nachweis zu
verlangen. So lange dieser Nachweis nicht vorliegt, hat der Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht.
Der Arbeitgeber hat auch die Möglichkeit, die bezahlte Freistellung auf eine bestimmte Anzahl von Tagen im
Kalenderjahr zu beschränken. Je nach Art des Verhinderungsfalls ist der Arbeitnehmer dann gehalten,
• unbezahlte Freistellung oder
• Urlaub
zu nehmen.
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zu Vergütungsfragen bei einer
Freistellung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt:
6.1 Ehrenamtliche Richter
"§ 29 Abs. 2 Satz 1 TVöD verpflichtet als ehrenamtliche Richter tätige Arbeitnehmer des öffentlichen
Dienstes, soweit ihnen dies aufgrund einer Gleitzeitvereinbarung möglich ist, für die Ausübung des
Ehrenamtes Gleitzeit in Anspruch zu nehmen. Dass die als ehrenamtliche Richter tätigen Arbeitnehmer
insoweit keinen Anspruch auf Zeitgutschrift erwerben, steht mit § 616 Satz 1 BGB im Einklang und verletzt
nicht die Benachteiligungsverbote gem. § 26 Abs. 1 ArbGG iVm § 45 Abs. 1a Satz 2 DRiG " ( BAG,
22.01.2009 - 6 AZR 78/08 - Leitsätze).
6.2 Entgeltfortzahlung
Steht in einem gerichtlichen Beendigungsvergleich "Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis
ordnungsgemäß abgerechnet, wobei die Klägerin ab 15.12.2003 unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge
und unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freigestellt wird", heißt das
nicht, dass damit eigenständige, über die vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Vergütungsansprüche
hinausgehende Forderungen begründet werden. Soll der Arbeitnehmer beispielsweise über den
sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hinaus Vergütungsansprüche
haben, muss das in einer besonderen Regelung vereinbart werden. So ist auch bei dauernder
unwiderruflicher Freistellung nur dann von einem mehr als sechswöchigen und vom Vorliegen einer
Arbeitsunfähigkeit unabhängigen Fortbestehen des Anspruchs auf Arbeitsvergütung auszugehen, wenn
dies von den Vertragsparteien ausdrücklich so vereinbart worden ist ( BAG, 23.01.2008 - 5 AZR 393/07 ).
6.3 Originärer Vergütungsanspruch
Stellt der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung frei, folgt
aus dieser Freistellung kein eigenständiger Vergütungsanspruch. Der entstandene Annahmeverzug hat
seine Grundlage in § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB . Das bedeutet: Die Freistellung erhält dem
Mitarbeiter - abweichend vom Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn - den originären vertraglichen
Vergütungsanspruch ( BAG, 26.06.2013 - 5 AZR 432/12 ).
6.4 Umrechnung von Zeit-Wertguthaben
VW-Arbeitnehmer können seit Jahren auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung Zeit-Wertkonten mit
Bonuszahlungen, Jubiläumszahlungen, Monatsentgeltbestandteilen und Sonderurlaub etc. ansparen. Zweck
dieser Zeit-Wertkonten ist die Verkürzung der Lebensarbeitszeit vor dem Übergang in Altersteilzeit oder
Rente. Rechtzeitig vor dem Tag X werden die in Geld erfassten Guthaben in bezahlte Freizeit umgerechnet.
Dabei hängt die Dauer der bezahlten Freistellung zum einen von der Höhe des angesparten
Zeit-Wertguthabens ab, zum anderen von dann geltenden arbeits- und tarifvertraglichen Bedingungen. Ist bei
einer regelmäßigen Arbeitszeit von 34 Wochenstunden in der 5-Tage-Woche auszugehen, sind das bei
Umrechnung des Zeit-Wertguthabens von (34 : 5 =) 6,8 Arbeitsstunden pro Freistellungstag (LAG
Niedersachsen, 13.01.2014 - 13 Sa 1455/12).
6.5 Wettbewerbsverbot
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Hat der Arbeitgeber einen Produktmanager und technischen Leiter aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs im
Kündigungsschutzverfahren bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt, muss der Arbeitnehmer
ohne ausdrückliche Aufhebung dennoch ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot beachten. Für das
in einer abhängigen Konkurrenztätigkeit erzielte Arbeitsentgelt gilt: "Ein Anspruch aus § 60 iVm. § 61
Abs. 1 Halbs. 2 HGB auf Herausgabe bezogener Vergütung setzt voraus, dass diese unmittelbar aus
Drittgeschäften erzielt wird, die der Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot am Markt
tätigt. Der Anspruch erstreckt sich nicht auf das für eine sonstige wettbewerbswidrige Tätigkeit erzielte
Festgehalt" ( BAG, 17.10.2012 - 10 AZR 809/11 ).
6.6 Zulage
Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst hatten unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine
Vergütungsgruppenzulage (hier nach BAT iVm. § 9 des Überleitungstarifvertrags der Beschäftigten der
Länder - TVÜ-Länder - in den TV-L). Die Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 TVÜ-Länder sah vor, dass
"Unterbrechungen wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit und Urlaub [für die Zulage] unschädlich" seien.
Der Begriff "Urlaub" wird von den Tarifpartnern als Oberbegriff verwendet, sodass er auch einen
Sonderurlaub abdeckt, den der begünstigte Arbeitnehmer zur Betreuung eines noch nicht volljährigen Sohns
in Anspruch nimmt ( BAG, 24.05.2012 - 6 AZR 586/10 ).
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