Big Up! Magazin Nr.9 pdf
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Big Up! Magazin Nr.9 pdf
2 3 EDITORIAL 4 WILLKOMMEN ZU EINER NEUEN PRINTAUSGABE DES BIGUP!-MAGAZIN! WAS VIELE NICHT FÜR MÖGLICH GEHALTEN HABEN, HÄLTST DU NUN PÜNKTLICH ZUM SUMMERJAM IN DEINEN HÄNDEN: 24 SEITEN REGGAE, GROSSFORMATIGER ALS NOCH VOR EINEM JAHR UND IN KOMPLETT NEUEM GEWAND. INHALTLICH ABER NACH WIE VOR ZEITLOS UND DOCH AM PULS DER ZEIT; MIT AKTUELLEN INTERVIEWS, REVIEWS UND DEM ALLSEITS BELIEBTEN JAMAIKANISCHEN KOCHREZEPT ZUM NACHKOCHEN. WIR HOFFEN, DIR GEFÄLLT, WAS WIR IN MÜHEVOLLER ARBEIT MIT VIEL HINGABE FÜR DICH ZUSAMMENGESTELLT HABEN! VIEL SPASS MIT BIGUP! N° 9 WÜNSCHT DIE REDAKTION. .......................................................................................... IMPRESSUM BigUp! erscheint in unregelmäßigen Abständen in einer Auflage von 10.000 Stück. REDAKTION Bastian Eckhardt (BE), Chris Weber (CW), Katrin Basal (KB), Klaus Riebeth (KR), Lukas Schäfer (LS), Nadine Helfenbein (NH) REDAKTIONS- / VERLAGSADRESSE BigUp! Magazin / Bastian Eckhardt Steinmetzstr. 11 51103 Köln WEB www.bigupmagazin.de www.twitter.com/bigupmagazin LAYOUT Klaus Riebeth (www.riebethgrafik.de) MAIL [email protected] FOTONACHWEIS S. 12: Nadine Helfenbein; S. 18: ahelias.com PHONE +49.177.185.2943 (Hr. Eckhardt) 5 Wie kam es zum Titel Diversity? Ich habe Songs bei mir zu Hause und in Jamaika aufgenommen. Ohne überhaupt daran zu denken, wie was bei wem irgendwie ankommt. Ich habe einfach gemacht und nicht an das Album gedacht. Der Drang Musik zu machen war einfach da. Ich habe Montag und Dienstag ein paar Dancehall Stücke geschrieben und dann Donnerstag und Freitag einfach mit einigen Roots Riddims weiter gemacht. Auf einmal hatte ich 35 Tunes - es war einfach von allem was da. Irgendwann habe ich „Vielfalt“ übersetzt – Diversity war geboren. Diversity ist das vielseitigste Album, dass ich bisher gemacht habe. Das ist ja auch die Stärke der Musik, oder warum wir sie so sehr lieben. Wenn es nur Dancehall geben würde, wäre es wohl zu hart. Reggae ist schlicht und einfach die vielseitigste Musik und darum wollte ich auch ein Album machen, auf dem alle Facetten vertreten sind. 6 Es gibt ja auch einige Hip Hop - Einflüsse im Album. Persönlicher Hörgeschmack? Nein, ich höre fast nie HipHop. Dabei gibt es eigentlich viel guten HipHop, nur hört man den leider zu selten. Aktuelle jamaikanische Produktionen haben ja auch immer öfter einen HipHop- oder R´n´B-Touch. Ja, ich finde das auch sehr geil und fresh – solange es nicht überhand nimmt. Ich habe eng mit Ben Bazzazian zusammengearbeitet, z.B. bei „It No Pretty“. Als wir zusammen im Studio abgehangen haben, sind die Dinge einfach entstanden. Man macht ja keinen Plan „Ich will das es so klingt“, sondern man macht einfach Musik und merkt nachher: „Oh, das ist ja ganz schön HipHop lastig“. Gentleman - die Speerspitze des deutschen Reggae, das internationale Aushängeschild, unser Mann auf Jamaika. Von diesen Superlativen getrieben waren die Erwartungen an Tilmann Ottos letztes Album „Another Intensity“ hoch und wurden in den Augen vieler nicht erfüllt. Nun meldet sich der Kölner mit seinem neuen Album „Diversity“ eindrucksvoll zurück. Es sind auch viele sphärische Klänge auf dem Album. Es sind allgemein mehr Streicher da. Das liegt einfach an der Zeit, ich habe viel mit Produzenten zusammengearbeitet und weniger selber produziert. Die Musik, die ich bekommen habe, war zum größten Teil genau so. Das war vor 10 Jahren ganz anders und in 3 Jahren wird es bestimmt auch wieder anders sein. Anders als beim letzten Album hast du weniger zu Hause vorgearbeitet? „Regardless“ haben Ben und ich z.B. auch bei mir zu Hause gefunden. Sonst hat Don Corleon das meiste auf dem Album produziert. Ich habe viel bei ihm im Studio abgehangen. Dort sind Ideen entstanden, er hat einen Akkord gespielt, ich habe dazu eine Melodie gesungen... Wir haben die Riddims peu à peu zusammengeschraubt. Es gab für das Album auch schon fertige Musik. Jeder Song hat seine eigene Entstehungsgeschichte. Ich war z.B. mit der Firehouse Band im Studio („…and away“), habe einfach einen Song acapella gesungen und die Band sowie der Engineer haben dann herumgeschraubt, bis der Tune fertig war. Hattest du währenddessen immer das neue Album vor Augen? Nein, es ist zwar immer klar: Das neue Album kommt irgendwann, aber es gab kein Veröffentlichungsdatum, das hat mir eine gewisse Leichtigkeit gegeben. Irgendwann war der Grundstock von Songs da, die ich alle geil fand. Die Anzahl der Songs führte dann zu verschiedenen Ausführungen? Wie gesagt: Ich hatte 35 Songs. Ich musste mich schon von 7 Songs trennen und hatte immer noch 28. Von den 28 konnte ich mich auf gar keinen Fall trennen! Dann ist mir eingefallen, dass nur 70 Minuten auf eine CD passen. Also entweder eine DoppelCD oder halt mehrere Ausführungen. Wirt- 7 schaftlich wohl eher unklug, aber es war einfach ein Wunsch von mir. Ich will den Leuten etwas anbieten. Auf der einen Seite eine CD mit 19 Songs, um sie vielleicht nicht zu überfordern (lacht). Und die, die es wirklich wissen wollen, kaufen sich die beiden CDs mit insgesamt 28 Songs. Als Vinyl-Liebhaber eben noch eine Single Box dazu – wieder ein Traum in Erfüllung gegangen, wie bei meiner ersten Platte. „ Ich glaube, Vinyl wird die CD überleben“ Glaubst Du noch an Vinyl? Ich glaube, Vinyl wird die CD überleben. Es ist was für die Liebhaber, und das wird es auch bleiben. Im Gegensatz zur CD gibt es immer mehr Vinyl Liebhaber. 8 Produzierst du in Hinblick auf ein bestimmtes Veröffentlichungs-Medium? Nein. Wir werden es beibehalten, aber manchmal fragt man sich, warum man in ein riesengroßes Studio geht und tagelang an einem Song arbeitet. Ich finde die ganze Entwicklung traurig. Wenn ich früher eine Platte aufgelegt habe – das war einfach fetter Sound. Wenn du dir heute einen Vybz Kartel runterlädst, fehlt einfach untenrum ganz viel. Die Kids wollen auf ihrem iPod einfach 1 Million Songs haben und nicht nur 20 – dadurch klingt es auch nicht mehr so fett. Klar man muss mit der Zeit gehen. Ich finde immer wichtig: Es muss im Auto fett klingen, im Radio, im Club. Wenn es dann auch noch auf dem MP3-Player fett klingt: Super! Deine Cover haben sich auch im künstlerischen Sinne weiterentwickelt. Ich weiß nicht, ob die Cover sich entwickelt haben. Das Cover zu „Trodin’ on“ war ein Kunstwerk, das meine Schwester gemalt hat. Manche Leute sehen es so, manche so. Manchmal gibt es ein Cover, in dem nicht „die Tiefe“ ist, und dann kommt wieder ein Cover wie Diversity, wo einfach mehr drin und drauf ist. Es ist aber kein konkreter Plan dahinter gewesen. Die Evolution Band ist teilweise die alte Besetzung der Far East Band, wie kommt es zum neuen Namen? Wir entwickeln uns weiter. Klar ist die Entwicklung noch nicht zu Ende, wäre ja traurig. Wir entwickeln uns, und das steht auch für das Musikalische. Im Kern ist es die selbe Band, mit ein paar Umstellungen. Das Album klingt ja anders, es gibt viel mehr elektronische Sounds. Wir mussten von 2 Gitarren auf zwei Keyboards umstellen. Unser Percussionist hat zudem ganz andere Möglichkeiten, Sounds zu generieren. Evolution steht für einen Neuanfang und für Weiterentwicklung, aber nicht unbedingt für eine Veränderung. Benutzt du Autotune? Ich glaube, es gibt 2 Songs, wo Autotune benutzt wurde, jeweils im Intro. Also keine ganzen Songs mit Autotune; ich finde Autotune einfach nur schrecklich. Du hast einen Tune mit Stefanie Heinzmann gemacht. Wie kam es dazu? Ich habe ihre Stimme gehört und fand sie einfach unglaublich. Stefanie hat eine unfassbare Stimmfarbe und ist eine ganz nette und entspannte Zeitgenössin. Zuerst habe ich sie in Köln getroffen und bin dann zum Konzert in Bochum gefahren. Wir waren direkt auf einer Wellenlänge. Damals hat sie an ihrem Album gearbeitet und brauchte einen Feature-Part. Als sie mich gefragt hat und ich das Stück hörte, habe ich es direkt gespürt. Ich bin ein Fan von ihr. Vermisst du als Weltstar manchmal sponta- ne Auftritte à la „Straßenmusiker“? Ach, das ist eine schwierige Frage. Wenn man das eine hat, will man das andere irgendwie. Ich sehe mich aber nicht als Weltstar, wir machen noch in einer kleinen Gruppe Musik. Gerade haben wir z.B. viele Akkustik-Shows gemacht. Es gibt auch anderes, wie z.B. letztens bei einer RadioPromo in Frankreich. Ein Gitarrist und ich haben uns zur Promotion einfach in Paris an die Strasse gesetzt und Musik gemacht. Irgendwie stimmt das Sprichwort „Die Nachbarskirschen schmecken immer besser“. Aber, ich spiel halt immer 90 Minuten... und der Ball ist rund (lacht). Hast du einen Grundgedanken, den du mit dem Album präsentieren möchtest? Schwierig, das in einem Satz zu beantworten… Selbstständig denken und auch gerade uns selber immer wieder in Frage stellen, nichts selbstverständlich zu nehmen, einfach gucken, warum wir hier sind. Jede Existenz hat ihren Grund und den zu finden, sollte das Ding sein. Ich hoffe natürlich, dass sich dieser Gedanke auch irgendwie auf dem Album widerspiegelt. Wie lange hörst du schon Reggae? Ich glaube, seitdem ich 14 bin. in der SkaterZeit wurde ich angefixt. Die ersten Platten habe ich mir mit 15 oder 16 gekauft - Dancehall Sampler wie Greensleeves Nr.6, Shelly Thunder, Papa San, alles von Ninjaman, Carl Meeks... Es gab nicht viel. Im Saturn gab es damals ein Regal mit vielleicht 20 Platten. „ Jeder, der dabei war, hat es mitbekommen: Musik war unsere Leidenschaft“ Wolltest Du damals chon Künstler werden? Ich hatte nie den Plan, Reggaesänger zu werden. Jeder, der dabei war, hat es mitbekommen: Musik war unsere Leidenschaft. Reggae war da, war etwas Besonderes und hat uns etwas gegeben. Aber hättest du mir vor 7 Jahren gesagt, dass ich um die Welt touren und ein sorgenfreies Leben mit der Familie damit erreichen kann, dass ich vor 15.000 Leuten in Israel auftrete, die jede Zeile mitsingen - dann hätte ich dir gesagt, du hast sie nicht mehr alle! Es war sehr wichtig, dass man nicht diesen Ehrgeiz, diesen Plan hat „Ich will Karriere machen“. Es ist wichtig, im Moment zu bleiben und zu wissen, warum du diese Musik eigentlich machst: Weil es der einzige Weg ist, von der Angst wegzukommen, im Klaren zu sein, etwas zu spüren und sich dem Spirit zu öffnen. Wenn Reggae nicht gewesen wäre... Gerade in meiner jungen, wilden Zeit war Reggae ein Anker. Selbst wenn du auf einem komischen Film warst - man hörte einen Dennis Brown Song und alles war wieder gut. Da kam die Kraft her, dann war wieder alles Klar. In der Orientierungslosigkeit als Teenager auf Texte von Bob Marley und Dennis Brown zu hören, das war ein absolutes Geschenk. Da ist die Musik einfach wichtig gewesen und sie wird auch immer noch stetig wichtiger. Wie kamst Du dann zum Gesang? Die Fragen waren: „Wo ist mein Potenzial? Was kann ich?“. Das Feedback der Leute war wichtig. Da war z.B. eine kleine Session vor 50 Leuten: Ich singe einfach irgend einen Bullshit, aber die Leute spüren es und gehen ab und haben einen Vibe – das ist ein Talent, das ich habe, also musste ich da dran bleiben. Spread the Vibe. Es war nie das Ding „ich will Reggae Sänger werden“ , es war eher: Lasst uns Dances organisieren, BSeiten auflegen und eine Live-Session machen. Mit dem Schlüssel gegen`s Mikro und Leute, die vorbeigehen, gucken einfach (damals an den Poller Wiesen in Köln). Einfach 9 abgehen, den Vibe spüren und verbreiten. Du bist mit Chicken George in Jamaika aufgetreten . Erzähl uns davon! Das war auf einem Marktplatz um zwei Uhr nachts. Ich hatte schon gepennt, hatte ziemlich viel Rum getrunken und konnte eigentlich gar nicht mehr geradeaus gehen. Da kamen Chicken, Ingo, Alfred und Mr. Brown mit dem Diktiergerät. Die haben direkt gesagt: „Du MUSST aufstehen, Chicken hat gerade gesungen! Hör dir das mal an“. Chicken sagt nur einen Satz und Du hörst 5.000 Leute schreien und lachen. Der absolute Vibe! Ich stehe direkt auf, frage, wo das Mic ist und fange an zu singen. Es ist wirklich das Leben auf dem Marktplatz. Keine Konzerthalle, sondern ein ganz spontanes Sound-Ding. Raw, Ghetto und einfach total mittendrin – der Hammer! 10 Machst Du so was noch? Spontan singen? Ja, schon. Mir sind die Soundsystem-Sessions nach wie vor wichtig. Es ist nicht mehr ganz so oft wie früher, aber zwischen den ganzen großen Festivals und Konzerten muss das sein! Im stinkigen Club vor 200 Leuten mal wieder nasse T-Shirts zum auswringen bringen. Da passieren auch schon mal lustige Sachen... Ich habe vor ca.2 Jahren z.B. bei einem alten Kollegen gesungen, vor 5 Leuten. Danach kam einer an - das war total süß - und meinte: Hör mal, wir haben auch einen Sound und wenn du bei uns singst, kann ich dir garantieren, da kommen mehr Leute (lacht). „ Eine bestimmte DancehallSzene in Deutschland geht mir zum Teil ganz schön auf den Sack“ Was geht Dir in der deutschen Dancehall Szene gegen den Strich? Man kann die Szene natürlich nicht verallgemeinern. Viele mir liebe Menschen bewegen sich in der Szene und versuchen Reggae / Dancehall in Deutschland zu supporten. Aber eine bestimmte Dancehall-Szene in Deutschland geht mir zum Teil ganz schön auf den Sack. Kiddies hängen in ihren Internetforen fest und checken nichts. Sie denken, sie sind so nah dran, dabei sind sie so weit weg und werfen sich selbst solche Steine in den Weg. Wo ich mir echt denke: Das braucht kein Mensch. Deswegen gehe ich nur auf die Dances von meinen Bredrens. Was mir nicht gefällt, sind irgendwelche Bubis, die von Mama ein Turntable geschenkt bekommen haben, sich ein Bounty Killer Dubplate im Internet kaufen und dann mit „Suck yuh mumma!“ anfangen. Alter Schwede, ist das schlecht! Und ich habe das mitgemacht, habe das mit an den Start gebracht. Das ist das Produkt. Das ist die DancehallSzene in Deutschland. Guck sie dir an, die leeren Gesichter. Es selecten und operaten (falls überhaupt) oft Typen, die überhaupt kein Feuer unter dem Arsch haben. Typen, die keine Aufmerksamkeit bekommen haben, schüchterne Bubis, die auf einmal „Riiight“ brüllen (lacht). Und genau aus diesem Grund findet eine Gesund-Schrumpfung statt. Im Vergleich zu vor 7 Jahren ist es wirklich wenig geworden. Reggaemusic big in Germany? Es ist fucking small. Es gibt in Deutschland einige vereinzelt Acts wie Peter Fox, Seeed, Gentleman und Patrice, die kommerziell erfolgreich sind. Aber die haben ja mit dem Reggaeding an sich nicht viel zu tun. Die Leute, die die Artists kaufen, haben vielleicht auch eine Monrose Platte im Schrank. Außerdem findet in Deutschland im Gegensatz zum Beispiel zu Frankreich keine Weiterentwicklung statt. Das gilt für HipHop, aber auch für Reggae. In Frankreich hast du eine authentische reale Subkultur, die wegen ihrer Größe schon fast Kultur ist, aber dennoch im Underground stattfindet. In Deutschland überwiegt oft das kopflastige analysieren, kontrollieren. In Italien sprechen die MCs fast kein Englisch und die Leute gehen ab. Auch in Polen oder der Slowakei. Da gibt es zwar auch zwischendurch mal ein „Riiiight“, aber sonst ist alles in der Landessprache. Deswegen kommt die eigentliche Aussage beim deutschen Publikum kaum an? Die deutsche Sprache ist vom Sound her was anderes als italienisch. Aber es gibt ja immer wieder Künstler, wo es selbst auf deutsch flowt. Aber es ist halt... schwierig. Man muss sich trauen. Ich musste oft den Satz „In Deutschland könntest Du doch deutsch reden“ hören. Da denke ich mir: „Klar, du hast ja recht, aber...“. Stell Dir das doch mal vor: „Pull Up Pull Up - ja, und das nächste Stück ist jetzt ein Liebeslied“(lacht). Das geht irgendwie nicht. Aber bei MCs finde ich es viel progressiver, was in Italien etc passiert. Als MC kann man es echt bringen. „ Es ist wichtig, auf den Bauch zu hören“ Auf ein deutsches Lied von Dir wird man also vergebens warten? Auf Kölsch ist wahrscheinlicher (lacht), aber auf deutsch... Das ist zu regional beschränkt. Auch Smudo meinte damals: „Ey, kannste nicht auf deutsch?“, der Spiegel schrieb „wie der Rhein der davon träumt, die Karibik zu sein“. Es war keine Akzeptanz für das, was ich mache, immer à la „da ist jetzt so ein Bubi, der fährt nach Jamaika und will so sein wie die“. Aber es ist wichtig, auf den Bauch zu hören. Es sind nie Sachen, die man plant, die passieren einfach. Du hattest damals durch dein Party Touren schon eine grosse Fanbase. Das war eine gute Zeit. Silly Walks, Pow Pow – so Anfang der 90er. Bis hin zu Freundeskreis, was ja mein Sprungbrett war. Nach Tabula Rasa kam FourMusic. Ich hatte noch nie einen Song aufgenommen, aber die hatten Vertrauen in mich als Person. Wenn FourMusic nicht gewesen wäre, wäre ich nicht, wo ich heute bin. FourMusic hat mich mein Ding machen lassen, irgendwann hat sich das einfach ausgezahlt. Stichwort Bushhouse Records. Es fühlt sich gut an, es ist ein kleiner Rahmen, kraftvoll und familiär. Man geht automatisch immer mehr in die Selbständigkeit. Ich bin 35, mein Sohn geht jetzt in die Schule und macht „morgen“ den Führerschein... Eine Entwicklung ist da ganz natürlich. Mit dem Label haben wir viel vor, es gibt da ein paar Wünsche. Es ist einfach viel Potenzial da, und wir werden es machen. Machst Du eigentlich auch Dubplates? Selten, ich halte da nicht so viel von. Ich mache einige Dubplates in Jamaika, das hat da einen ganz anderen Wert. Und es muss irgendwie eine Beziehung zwischen mir und dem Sound vorhanden sein. Ich gebe nicht einfach für X Euro einen Song weg und singe „Selecta Zippelfrikkel is the best in the world“. Das ist bitch-business. Das Dubplate Business ist Teil der Kultur. Aber es ist so unpersönlich geworden. Ich hab z.B. in Jamaika mitbekommen, wie ein grosser Artist einen Song aufnimmt und der Engineer macht daraus 20 Dubplates. 20.000 $ - und alle zahlen das, die Japaner zahlen sogar noch viel mehr. Es gibt aber auch viele Sounds, mit denen ich gute Vibes habe. Wenn die mich fragen, mache ich natürlich auch Dubplates. » www.gentleman-music.com » www.myspace.com/gentleman 11 Wie kam es zur Erweiterung von Kingstone? Jens: Wir sind alle noch beruflich unterwegs. Rodney ist am Wochenende oft auf Tour, so wurde es einfach nötig, Leute zu haben, auf die man zurückgreifen kann. So kann man sich wieder um andere Sachen kümmern. 12 Nicht nur in ihrer Heimatstadt Köln sind Kingstone als Top-Sound bekannt: Ob international populäre Riddims wie „Señorita“ und „Cognition“, die zahlreichen Touren und Alben mit Artists wie T.O.K, Ce‘cile und General Degree oder die erfolgreiche Arbeit als Veranstalter legendärer Parties wie „Beat Down Babylon“ und „Kölle geht steil“ - der Name Kingstone bürgt für Qualität in jeder Hinsicht. Mittlerweile durch Backra, Tim und Sammy verstärkt, stehen uns die beiden sympathischen Masterminds Rodney und Jens, selbst als Lazy Youth erfolgreich, Rede und Antwort. Legt die neue Garde anders auf als ihr? Rodney: Tim legt schon etwas anders auf, das haben wir auch gebraucht. Unser Stil ist aber gleich geblieben - vor 5 Jahren oder jetzt, auf einer Kingstone Party weißt du: „Das ist der Sound von Kingstone“. J: Ich staune, wenn ich sehe, wie viele Tunes Tim an einem Abend spielt. Heutzutage muss man sich durch die mp3-Flut noch mehr in die Materie reinknien, da es ja keinen Plattenladen mehr gibt, der die Scheiben vorsortiert. Tim macht da einen super Job. Auch Sammy, der für die Effekte verantwortlich ist, trägt sehr zu unserem positiven „Betriebsklima“ bei. R: Da ist persönlich wie musikalisch alles auf einer Wellenlänge. Das muss auch so sein: Wenn ich „arbeite“, will ich Spaß haben. Wenn ich Spaß habe, haben die Gäste automatisch auch Spaß. Ich kann keinen Vibe generieren, wenn ich mit meinem Selector nicht klarkomme. Neben PowPow und Kingstone gibt es keinen Sound, der so lange im selben Club gespielt hat. Diese langjährige regelmäßige Party finde ich einen Megaerfolg. Köln ist nicht die größte Stadt und doch haben wir zwei regelmäßige Partys über viele Jahre hinweg konstant gefüllt – wo gibt es denn das? Da muss ich mir selber auf die Schulter klopfen und sagen: „Ok, alles richtig gemacht“. Das geht nur mit einem coolen Team und wenn man nicht immer nur den neuesten Shit auflegt, sondern seinen Style beibehält und sich trotzdem von innen erneuert. Backra ist ein erfahrener MC, von dem ich vorher selbst ein kleiner Fan war. Der weiß, wie es geht und passt super zu uns. J: Backra ist auch schon immer ein Kingstone-Fan gewesen (lacht). Was war eure erfolgreichste Produktion? R: Das war der Señorita Riddim von 2004, produziert von Ben Bazzazian. T.O.K haben wir im Mini Studio von Big Yard aufgenommen. Als ich den Tune gehört habe, wusste ich: Das ist eine Granate. Kurze Zeit später, noch bevor ich überhaupt die Platten gepresst hatte, kam aus Japan schon eine Anfrage über 400 Singles. Da hab ich mich schon gefragt: „Wie geht das denn?“, aber gut. Ich werde nie vergessen, wie die Platten ankamen: Der tschechische Fahrer hat vor unserem Büro gepennt und hatte in seinem LKW nur die Vinyls. Wir hatten keine Ahnung, wie viel Platz die Platten brauchen und dann standen da zwei Europaletten mit 7“. Keiner wusste, wie wir die Platten bewegen sollten, und ich musste zusehen, dass ich den Kram wegbekomme. Vom Büro aus habe ich den Vertrieb zu Soundquake, nach Japan, in die USA gemacht. Señorita war super erfolgreich. Haben sich in der letzten Zeit die Plattenverkäufe stark verschlechtert? R: Stark ist noch untertrieben, auch online geht momentan gar nichts mehr. Es ist so schlecht, dass ich nicht mal Zahlen sagen würde. Wegen illegaler Downloads? R: Auf jeden Fall! Leider wird durch illegale Downloads nichts verkauft. Reich konnte man früher auch nicht werden, aber man konnte Produktion, Mischer, Artists und Layout bezahlen. Jetzt kriegst Du vielleicht noch 10% der Kosten rein. Frustriert dich das als Engineer? J: Man darf kommerziell nicht viel erwarten. 13 14 Entweder es wird was oder nicht. Ich mache das ja auch nicht nur wegen des Geldes, sondern weil ich Spaß daran habe. R: Manchmal sehe ich Riddims nur noch als Promo an. Vor drei Jahren bin ich von Dubplates weggegangen, weil plötzlich jeder mit Internetzugang Dubs bestellen konnte. Vorher war es so: Kannte man den Artist, bekam man ein Dub. Oder man musste eine Show organisieren, um dann eine Dubplate-Session machen zu können. Ein Mausklick zum Dubplate – das gab es früher nicht. Mit der leichten Erreichbarkeit fiel der Wert eines Dubplates natürlich ungemein. Für mich war das nicht mehr interessant. Bei der RiddimProduktion fand ich es einfach geil, eine 7“ von uns auf den Plattenteller zu legen und die Leute zu „Runaway“ tanzen zu sehen. Wenn ich die Platten verschickt habe und z.B. Japan auf den UPS Zettel geschrieben habe, hat mir das immer viel gegeben. Auf jeden Fall deutlich mehr, als 300 Euro per WU zu versenden, um dann ein hingerotztes Dub zu bekommen. J: Was wir aber auch schon gemacht haben. R: Klar, jeder hat so seinen Part gemacht. Ich find‘s einfach nur schade, dass viele Selecter nicht bereit sind, Geld zu bezahlen für Riddims. Man muss auch sehen, wie viel Arbeit, Kreativität, Fleiß und Schweiß in einem Song stecken. Aber 99 Cent ist den Leuten zu teuer, das ist echt eine Frechheit. J: Genau. Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, dass gerade das ReggaeBusiness sehr simpel ist: Durch Riddims mit unterschiedlichen Sängern wird versucht, mit relativ geringen Kosten so viel wie möglich aus einer Produktion zu holen. Wenn man das mit der Alben-Produktion vergleicht, ist es eine Art Fast Food-Mentalität. Inzwischen hat jeder einen Computer und kann Riddims basteln - ich glaube, das geht auch zu Lasten der Qualität. Klar, jeder hat die Möglichkeit einen Hit zu basteln, wenn man es drauf hat. Es ist aber auch viel Schrott dabei – das war im Reggae schon immer so. Einfach durch den hohen Output – da kann ja nicht alles gut sein. Merkt Ihr einen Rückgang an Partygästen? R: Die Besucher werden leider tatsächlich weniger. Die Hype-Zeit 2004/05 ist vorbei. „ In Deutschland blickt man nur auf den Hype zurück was übrig geblieben ist, sind die selben Namen wie vor zehn Jahren“ Ist das nur in Deutschland so? R: Speziell Deutschland hat ein Problem. In anderen Ländern ist Reggae / Dancehall völlig durch die Decke geschossen, z.B. Portugal. In Frankreich etabliert sich wieder etwas, in Amsterdam gibt es durch DJ Waxfiend eine Party im Monat, wo 2000 Leute hingehen und gerne 15 Euro zahlen. In Deutschland blickt man nur auf den Hype zurück und das, was übrig geblieben ist, sind die selben Namen wie vor zehn Jahren. Von den Leuten, die vor 4-5 Jahren in Deutschland angefangen haben, sind vielleicht noch 1-2 übrig geblieben, die man ernst nehmen könnte. Im Ausland geht es viel krasser ab. Die Leute sind bereit, für Künstler Geld zu zahlen, was in Deutschland teilweise nicht mehr der Fall ist. Wie soll das funktionieren? Wenn man, wie in Berlin, 3 Euro Eintritt zahlt, kann man keine Qualität erwarten. Qualität hat ihren Preis, das wird auch immer so bleiben. Warum ist das in Deutschland so? R: Die Bereitschaft, Geld für das Nachtleben auszugeben, hat nachgelassen - nicht nur im Reggae, sondern übergreifend. Fakt ist: Abends ist einfach weniger los, da kannst du jeden Taxifahrer fragen. In meinen Augan hat das mehrere Gründe: Wirtschaftlich läuft es nicht so gut, und auch das Internet hat eine gewisse Mitschuld: Viele haben keinen Anreiz, sich selber etwas anzueignen oder Erfahrungen selber zu machen. Es ist ja alles schon vorgekaut: draufklicken, bekommen, fertig. Aber interessant ist es, wenn man nicht nur konsumiert, sondern selber etwas macht. Ohne eigene positive, negative oder kritische Erfahrungen geht es nicht. Reggae war für uns auch nicht immer easy, aber damit musste man sich auseinandersetzen. Vielen Leuten ist das jetzt anscheinend zu schwer. Wenn es beim ersten Mal nicht gut läuft, machen die meisten direkt etwas anderes. In anderen Ländern arbeiten MCs oft mit der Landessprache. R: Das ist vielleicht so, aber es gibt in anderen Ländern auch a) mehr Subkulturen und b) ist Reggae dort für die Leute Heimatmusik. Wir haben ja keine Kolonien wie Holland oder Frankreich, da sind karibische Länder noch Staatsfläche. Wenn ich in Holland auf einer Party sage: „Big up Surinam, St. Martin, Curacao“, geht es ab. Das sind alles Gebiete, wo man holländisch oder englisch spricht und in deren Kultur nur Reggae läuft. „ Ich finde es schade, dass in Deutschland so wenig Leute deutsch mc‘n“ J: Wir sollten mehr türkische Pop-Parties machen… (lacht). Ich finde es schade, dass in Deutschland so wenig Leute deutsch mc‘n. Viele trauen sich einfach nicht. Ich denke, ein deutsch-sprachiger MC wäre eine gute Brücke, um die Leute besser mit der Musik vertraut zu machen. Es macht keinen Sinn, wenn man Reggae auf einer AbiParty zu spielen und dabei Patois spricht. R: In Frankreich kommen die meisten Leute auf einer Reggae Party aus Guadalupe oder Martinique, Reggae ist deren Musik, die sie jeden Tag hören. Die kennen alle Tänze und das ganze Drumherum - es ist einfach deren Kultur, keine Subkultur wie bei uns. Da ist alles echt, da wird nichts kopiert, es ist so. Wir haben kopiert, so gut es geht – wie die Japaner. „ Viele Youths hierzulande wollen immer originaler sein als das Original“ J: Die Japaner und auch viele Youths hierzulande wollen immer originaler sein als das Original - ob das wirklich möglich ist? Man kann Sachen gut nachahmen, aber die Trends werden da gesetzt, wo es herkommt. Das schränkt die Kreativität manchmal etwas ein: Alles, was nicht Jamaika-konform ist, wird von den Heads nicht wirklich akzeptiert. auch wenn es innovativ ist. R: Reggae ist einfach nicht unsere Kultur. Den ursprünglichen Vibe können wir auf jeden Fall transportieren, auch wenn wir keine Jamaikaner sind. Ich wette, auf einer Kingstone- oder PowPow-Party fühlt sich jeder Jamaikaner wohl, genauso wie Deutsche. Deswegen ist das, was wir machen, die höchstmögliche Form von Integration. Was steht in Zukunft bei euch an? J: Zum einen gibt es noch einen neuen T.O.K-Song mit diversen Remixes. Eine Art Crossover-Nummer mit verzerrten Gitarren - voll auf die zwölf! Und zum anderen... R: ...auf jeden Fall auch weiterhin Parties rocken und positive Energie versprühen. Außerdem wollen wir auch weiterhin gute Artists aufbauen und supporten und damit Reggae in Deutschland hoffentlich auf ein Level bringen, wo er eigentlich sein sollte. » www.kingstone.de 15 bleme in einer Pizzeria jobben, um dich über Wasser zu halten. Auf Jamaika, vor allem im Dschungel, gibt es solche Möglichkeiten nur selten bis gar nicht. Vor allem in den letzten Jahren ging es mit der Wirtschaft rapide bergab. In meinem Geburtsjahr 1977 sah das sicher noch ganz anders aus, aber jetzt... Alberto D’Ascola hat schon früh seine Liebe zum Reggae gefunden. Wie er selber sagt: „Reggae hat mich für sich ausgesucht. Es ist wie mit einer Frau - vorher fühlt man sich leer, aber diese eine Begegnung verändert dein Leben“. Anfangs noch unter dem Namen Stena, brachte der Italiener als Alborosie mit „Jah Jah Crown“ und „Burning and Looting“ die ersten Tunes heraus, die Europa begeisterten. 16 Was war dein großer Durchbruch? „Herbalist“, „Kingston Town“, „Jah Jah Crown“ waren meine ersten größeren Erfolge in Europa, nicht aber auf Jamaica. Europa hat mich big gemacht. Ich habe Gott sei Dank überall eine Menge Brüder und Schwestern, die mir helfen, mich supporten und meine Musik pushen. Dafür ein großes Danke! Es gibt auch einige Leute, die mich nicht mögen - keine Ahnung wieso. Ich glaube, das sind Neider, die mit ihren eigenen Leben unzufrieden sind. Du hast dein damaliges Label verlassen, hast alles verkauft und bist mit 1000 Euro ab in die Karibik? Ich habe Universal Music verlassen, da sie ständig mit irgendwelchen Forderungen ankamen. Ständig hätte ich Geld für ausstehende Rechnungen zahlen sollen. Da dachte ich mir „Ab in den Dschungel!“. Wenn sie dann immer noch was von mir wollen, müs- sen sie mich dort besuchen kommen. Ich war also erstmal sicher vor all den nervigen Personen. Später bekam ich eine Anfrage für einen Gig in Italien und überlegte lange, ob ich annehmen sollte, da ich vermutete, dort die Leute meines Ex-Labels zu treffen. Aber scheinbar stand ich unter einem ganz besonderen Schutz, denn keiner von ihnen ließ sich blicken (lacht). Nach Jamaika bin ich mit relativ wenig Geld aufgebrochen. Mein Bruder, der mein Schlagzeuger ist, kam mit; wir mussten zwei Leute mit wenig Geld durchbringen, teilten uns fast zwei Jahre lang ein kleines Zimmer mit einem großen Bett und hatten meist nur Geld für Reis mit Chicken, Wasser und eine Packung Zigaretten. So struggleten wir, bis sich später langsam die ersten Erfolge einstellten. Jamaika ist ein armes Land, da kann man nicht einfach ankommen und erwarten, sofort das große Geld verdienen zu können. In Deutschland oder Italien kannst du meist ohne große Pro- Produzierst du auch andere Artists oder voicen diese nur deine Riddims? Ja, anfangs habe ich einige Produktionen mit jamaikanischen Künstlern gemacht, aber so wirklich war und ist das nicht mein Ding. Man ist ja meist nicht der alleinige Producer auf einem Album, sondern hat mindestens 7 weitere, wodurch für mich den Reiz am Ganzen verloren geht. Ich arbeite lieber für mich selbst, kreiere meinen eigenen Sound, mache meine Songs und promote mich als Artist. Aus Produzentensicht war die letzten 3 Jahre „Alborosie“ mein Hauptartist - der ist auch ein netter Kerl, mit dem es Spaß macht zu arbeiten (lacht). Wenn man Producer, Artist und Zuhörer / Musikliebhaber ist, kann man diese 3 Positionen nur schwer trennen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Clifton „Specialist“ Dillon? Specialist ist nicht nur ein sehr guter Producer, sondern auch ein guter Freund und für mich fast so etwas wie mein „jamaican Dad“. Uns verbindet mehr als nur das Business. Kennengelernt haben wir uns vor ca. 7 Jahren, als ich mit Ky-Mani Marley im Studio war. Von diesem Zeitpunkt an beobachtete er meine Arbeit nonstop, bis er schließlich zu mir meinte: „Ya time is right, step in and make it happen!“ Wie sieht dein Alltag aus, wenn du nicht gerade „on Tour“ bist? Oh, ich bin eine relativ langweilige Person, ich mache nicht viel. Ich bin meist nur im Studio. Eigentlich sollte ich öfter ausgehen, einfach das Leben genießen, Frauen kennenlernen… Aber ich mache sowas einfach nicht. Ich kümmere mich um meine 2 Pitbulls oder mache Musik. Hin und wieder schaut jemand im Studio vorbei, wir hören Songs, quatschen, schmieden neue Pläne. Danach gehe ich dann aber meistens zurück ins Studio und später ins Bett. Musik beansprucht einen eben total und Frauen bleiben somit meist auf der Strecke. Was für Interessen hast du außer der Musik? Ich liebe zwar fischen, gehe aber so gut wie nie Angeln. So traurig es klingt, ich bin meist nur im Studio anzutreffen. Ich hatte mal eine Phase, in der ich viel getrunken und geraucht habe, aber als ich damit abgeschlossen hatte, habe ich angefangen, mich in meiner Freizeit größtenteils im Studio zu verschanzen. Ich könnte aber auch nicht zufrieden und glücklich schlafen gehen, wäre ich nicht zuvor im Studio gewesen! Was ist dir wichtig in deiner Rolle als Reggaemusiker? Die Arbeit von uns Reggaekünstlern ist nicht immer so einfach, wie viele sich das vorstellen. „We are dealing with Spirituality, Politics and Music“. Wir spielen auch eine gewisse Rolle in der Gesellschaft, da wir für die nächste Generation versuchen, etwas für ein besseres Leben zu verändern. Wir hören Musik, egal ob man Auto fährt, duscht oder einen romantischen Abend mit einer Frau verbringt. Meist sind wir umgeben von Musik. Aber Reggae ist nicht nur Musik, Reggae ist Leben! „You need to listen carefully and understand where we going, where we at and where we came from.” Ist man sich dessen bewusst, können wir ein besseres Leben führen! „Please let’s change the World!” » www.myspace.com/alborosie 17 Es gibt wohl kaum deutsche Reggae-Interpreten, die so häufig in deutschen Tanzhallen gespielt werden wie Ranking Smo und Ronny Trettmann. Seit nunmehr vier Jahren spuken diese beiden Lichtgestalten durch die Landschaft und nach wie vor treffen sie mit ihren Songs den Nerv der Dancehall-Gemeinde. Grund genug für mich, die beiden „Heckorts“ in ihrer Heimat zu besuchen. Auf meinem Weg zum Interview muss ich mich erst einmal durch die Leipziger Innenstadt graben. Es ist gerade Wave & Gothic Treffen und überall sehe ich schwarz kostümierte Grufties und Neonund Mittelaltergothics... Nach ungefähr 45 Minuten Fußweg erreiche ich das Elsterflutbecken und nach weiterem Suchen entdecke ich Ronny und Smo beim Angeln am Elsterwehr. Als ich versuche mich zu nähern, kommt mir Ronny mit einem dicken Ast entgegen... Ronny: Ach so, du bist’s... wir dachten schon es wär’ einer vom Angelverband und will unsere Ausweise checken. Haha, da haste noch mal Glück gehabt! 18 Ja, ich hab’ gleich angefangen zu schwitzen. Petri Heil! Habt ihr denn schon was gefangen? Smo (resigniert): Nein, hier ham wir noch nie was gefangen, deswegen weigern wir uns ja auch diesen teuren Angelausweis zu kaufen. Ist doch eh alles Betrug, hier gibt’s doch nur Kröten und alte Stiefel... Mit euren Songs angelt ihr ja momentan mehr als nur alte Stiefel, wie man z.B. am Ergebnis des letzten RIDDIM-Leserpolls erkennt. Wie erklärt ihr euch diesen Erfolg? R: Wir versuchen einfach wir selbst zu bleiben und nisch auf Krampf etwas darzustellen. Dafür bin ich zu alt und mein Selbstfindungsprozess ist längst abgeschlossen. S: Meiner nicht, zumindest musikalisch. Aber auch ich hab’ aufgehört mir über jeden Pups Gedanken zu machen, sondern will einfach Spaß mit meiner Musik haben. Und wenn dann die Leute sagen „Das find isch gut!“ geht mir das Herz auf. An eurem Song „Sie kann’s nicht erwarten“ ist man als Dancehallfan im letzten Jahr kaum vorbeigekommen. Was für Eisen habt ihr dieses Jahr im Feuer? S: Ja tut uns leid, uns war nicht klar, was wir damit anrichten. Ich kann den Song mittlerweile auch nicht mehr hören, gerade deswe- gen bemühen wir uns um würdige Nachfolger. R: ...und davon gibt es gleich 17 Stück auf unserem Album „Zwei Chlorbleiche Halunken“ welches im Herbst auf Heckert Empire erscheinen wird. Alles neues und ungehörtes Material. Erzählt uns doch mal, was wir von der Platte erwarten können. S: Trotz einiger Songs, die wieder in die selbe Kerbe schlagen, wird es eher ein Album zum genauer Hinhören. Wir wollten beim ersten Album etwas Zeitloses abliefern. Klar kann man dazu prima feiern, aber eben nicht nur. R: Du wirst schon wieder so emo, Smo, soll ich dir erst mal n paar klatschen? Gebt mir doch noch ein paar Einzelheiten zur Entstehung des Albums. R: Wir haben uns ein Jahr im Studio eingeschlossen, einfach alles locker laufen lassen und uns in Trance gesungen, deshalb kann ich mich auch an fast nichts mehr erinnern aber ich vertraue Smo, dass er beim Arrangieren das Maximale rausholt. S: Und da geb’ ich mir natürlich die größte Mühe! Die Hälfte der Instrumentale kommt dabei auch von mir. Am liebsten hätte ich ja das ganze Album alleine produziert, aber das Label hat gesagt, wir brauchen die großen Top-Produzenten, sonst verkaufen wir nichts. Also sind noch Riddims von Bassrunner, Jr. Blender & Big Era dabei, und ich muss sagen, sooo schlecht sind die gar nicht! R: Zum Glück! Hättest du alleine produziert, wäre unser Album eher Britpop als Tanzmusik, und wahrscheinlich erst in fünf Jahren erschienen. S: Dann warte auf meine erste Solo LP, Herr Direktor, immerhin habe ich gerade meinen Knebelvertrag bei dir verlängert. (grinst) R: Isch lass‘ dich ausbluten, du Fischgesi- schd! Hahaha... Wie bringt ihr das Album auf die Bühne? R: Wir planen eine große Revue mit Balletttänzerinnen, Pferden, Pyrotechnik und zersägten Jungfrauen! Und Reggae! S: One Drop! R: Aber mal ernsthaft, natürlich gibt’s eine Albumtour, zusammen mit Marco Baresi von der Far East Band, sowie Tobi und Fabi von Feueralarm. Die Proben laufen und es fühlt sich gut an! S: Die Besetzung testen wir im Sommer schon mal auf ausgewählten Festivals, mit all unseren bisherigen Tunes, teilweise in neuem Gewand. Es wird eine Show sowohl für Reggaeheads als auch Dancehallfanatiker, jedoch fernab vom gewohnten Real Rock- und Sleng Teng-Gedöns. Wie werdet ihr den Fans die Wartezeit auf das Album versüßen? S: Auf unseren Seiten gibt’s immer wieder neue Singles, Free Downloads und PreReleases zum Album! Wir lassen euch nicht hängen und werden weiterhin den größten Blödsinn umsonst ins Netz stellen! (lacht als Einziger) R: Währenddessen sind wir ja weiterhin auf der niemals endenden und schlecht bezahlten Clubtour, um unser Gesicht zu wahren...... UOOR! Bei mir beißt’s!!!! In diesem Moment biegt sich Ronnys Angel enorm. Er schlägt sofort an, mit dem Effekt, dass der Fisch aus dem Elsterflutbecken seine gesamte Angelausrüstung mit in die Tiefe reißt. Danach rennen beide Künstler aufgeregt am Flussufer auf und ab. Ich stelle noch fünf Fragen, ernte aber nur entnervte Blicke. Ich verbringe noch zwei Stunden auf dem WGT und reise anschließend zurück. » www.heckertempire.com 19 REVIEWS CAPLETON: I-TERNAL FIRE 20 „I came to burn up all wicked politician“ - hoffentlich lässt Volker Beck diese Platte nicht auf den Index setzen - es wäre schade drum. Ganz wie man ihn kennt, meckert sich Capleton durch Tunes wie „When I Come to town“ oder „Babylon Go Down“. Etwas ruhiger und weicher wird es in „Mama you strong“ oder „Some Day“. Auch ein paar R‘n‘B-Einschläge wie in „It´s on“ bringt der Ausnahmekünstler mit. Obwohl Capleton das Rad nicht neu erfindet, ist „I-Ternal Fire“ ein gutes Album. Einen wirklichen Hit hat die CD nicht, was bei dem insgesamt recht hohen Nivau aber auch kein Beinbruch ist. Gut gefallen Tunes wie „All is well“ oder auch „Long way“. Durchweg gut produziert, für jeden Capleton-Fan ein Muss, allen anderen zumindest zu empfehlen.(KB) » www.capletonmusic.com ................................................................... HORACE ANDY: SERIOUS TIMES Das Horace „Sleepy“ Andy seine Zeit nicht nur mit schlafen verbringt, beweist er allen auf „Serious Times“. Auf den Stücken seines neuesten Albums klingt der Künstler mit der einzigartigen Stimme mehr als fresh und ausgeschlafen. Die Songs auf „Serious Times“ haben das Potenzial, in die Geschichte einzugehen, denn die 15 Tracks sind allesamt großartige Roots-Musikstücke, die man immer und immer wieder anhören kann und will (zu meinen Favouriten zählen „False Witness“, „Cool It Down“, „Rastafari“ und „Rumours of War“). Solche zeitlosen Alben, die durchgehend nur gute Tunes enthalten, wünscht man sich öfter! Ich jedenfalls kann „Sleepy`s“ neueste Ver- öffentlichung wärmstens empfehlen, denn zum alten Eisen gehören dieser Mann und diese Musik sicher noch lange nicht. (CW) » www.myspace.com/horaceandy1 ................................................................... SOJA: BORN IN BABYLON Soja enterten mit „Born In Babylon“ nicht nur die US-Billboard Charts, sondern sind auf bestem Wege, auch hierzulande durchzustarten, da ihr erfolgreiches Album nun auch in Europa erhältlich ist. Auf 15 Tracks präsentiert die Washingtoner Band ihren Mix aus Rock und Reggae, der mich etwas an Groundation erinnert, nicht zuletzt auch durch die Stimme des Leadsängers Jacob Hemphill. Die vom Tempo stark Roots-Reggae orientierten Songs animieren mehr zum in Ruhe hören als abfeiern. Die leidenschaftlichen Musiker von Soldiers Of Jah Army schaffen es, den Hauptaugenmerk den Texten zu widmen, die Themen behandeln, die in Mainstream-Musik viel zu oft vergessen werden. Kaufen und anhören lohnt sich also, denn auf dieser CD befindet sich wirklich nur gute, hochwertige Reggae-Musik, made in USA.(CW) » www.sojamusic.com ................................................................... ROJAH & SLONESTA: WER ZUM? Meinung a) Rojah Phad Full und Slonesta aus Südbaden waren auf der Tek-A-Train Riddim Selection zu hören. Auf „Wer Zum“ präsenitieren sie ihren musikalischen Output, der von Ska, Roots, Dancehall bis hin zu etwas Electro reicht. Die Rootdown Rookies haben ihre Arbeit echt gut gemacht, vernünftige, deutschsprachige und trotzdem Partytaugliche Songs, deren Basis Produzenten wie Teka, Soundquake, Soulforce, SWS oder MST lieferten. Ein sehr gutes deutsches Reggae-Album was Spaß beim Hören macht und noch dazu tanzbar ist - was will man mehr? (CW) Meinung b) Schlechte bis simple HipHop Texte auf (gut produzierten) Reggae-Riddims. Noch mehr D-Flames (und der war schon übel) braucht doch echt keiner. (KB) » www.rojahphadfull.de | » www.slonesta.de ................................................................... BOB SINCLAR vs. SLY & ROBBIE: MADE IN JAMAICA Bob Sinclar ist vielen mehr als Club DJ und Remix-Master ein Begriff, aber in Zusammenarbeit mit Sly&Robbie beschreitet er mit „Made in Jamaica“ neues musikalisches Terrain. Nach seinen eigenen Aussagen ist die Musik heutzutage immer elektronischer und formatgebundener, also war es an der Zeit, die Szene etwas zu verändern, zurück zu gehen und die Songs auf andere Weise zu betrachten. So ging es nach Kingston, um dort mit der Creme de la Creme der alten Schule an Songs zu basteln. Es entstand nicht die sonst so für Bob Sinclar typische Dancemusic, sondern eine Musik mit jeder Menge an positiven Vibes. „The Beat Goes On“ oder „Love Generation“, klingen meiner Meinung nach besser als das Original. Statt Club nun eben Kingstone Style. Fazit: Ein sehr gelungenes Album mit Herz. (CW) » www.bobsinclar.com ................................................................... SMILEY: LIVELY ROAD Bereits im letzten Jahr als Support-Act von Ziggi stellte der symphatische Niederländer dem deutschen Publikum seine Songs vor. Zeit also, diese auch auf CD zu bringen, was Smiley mit der „Lively Road“ EP nun in die Tat umsetzte. Der groovige ModernRoots Opener „Big Money Bag“ gibt bereits die Richtung vor, die sich konsequent durch das Minialbum zieht - eingängiger, melodiöser, rootsiger, treibender „gute Laune Reggae“, der Lust auf mehr macht. Leider sind 7 Tracks schnell durchgehört, aber zum Glück gibts als Bonus auf der CD noch zwei Videoclips obendrauf: „Dem A Wonder“ (feat. Jr Kelly) und „Distance“, Smileys grandioser Beitrag zum Tek A Train Riddim. Insgesamt ein tolles Album mit Tunes, die auf Anhieb überzeugen. Bleibt nur zu hoffen, dass wir bald mehr von diesem Artist aus unserem Nachbarland zu hören bekommen. (CW) » www.smileymusiq.com ................................................................... DAMIAN MARLEY & NAS: DISTANT RELATIVES Auf dieses Familientreffen haben große Teile der Reggae- und HipHop-Familie lange gewartet: Mit dem jüngsten Spross von Bob Marley und Nasir Jones treffen zwei der populärsten Vertreter des jeweiligen Genres aufeinander, um einen Reggae-HipHopHybriden höchster Güte zu erschaffen. Oft wurde das Release-Datum nach hinten verschoben, doch mit „As we enter“ als Appetithäppchen wussten die geifernden Massen, was sie erwartet: Treibende Beats, erstklassig produziert, gevoict von zwei Artists, die sowohl stimmlich als auch stilistisch kongenial miteinander harmonieren wie Gerhard Delling und Günter Netzer. Nicht nur bei den lauten Partykrachern, sondern gerade bei den ruhigeren Stücken wie „Friends“ wird die lyrische Ausnahmestellung der beiden eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Gäste wie K‘naan, Stephen Marley, Joss Stone oder der eigentlich verstorbene Dennis Brown ordnen sich nahtlos den beiden Meistern unter. Ein instant classic für alle, die Modern Roots auf allerhöchstem Niveau zu schätzen wissen. (KR) » www.distantrelatives.com 21 22 JAMAIKANISCHER SONNTAGSBRATEN 1 Rinderrollbraten ohne Knochen (ca. 1 kg) 4 TL Salz 1 TL frisch gemahlener schwarzer Pfeffer 1 Zweig frischer Thymian, gehackt 2 Schalotten, gehackt 2 Scotch-Bonnet- oder andere Chilischoten, gehackt 2 EL gehackter Knoblauch 2 EL Pickapeppa-Soße 2 EL Pflanzenöl Wasser ................................................................... Das Fleisch an der Oberfläche mit kleinen Einschnitten versehen. Salz, schwarzen Pfeffer, Thymian, Schalotten, Chilis, Knoblauch und Pickapeppa vermischen. Die Einschnitte mit dieser Mischung füllen. Zugedeckt über Nacht in den Kühlschrank stellen, damit sich die Aromen entfalten können. Einen gußeisernen Topf erhitzen, Öl hinein- geben und das gerollte und mit Fäden umwickelte Rindfleisch von allen Seiten scharf anbraten. 1/2 Tasse Wasser dazugeben und zugedeckt köcheln lassen, dabei immer wieder etwas Wasser hinzufügen. Nach ca. 1,5 - 2 Stunden ist das Fleisch gar, man sollte dann mit der Gabel leicht hineinstechen können. Jetzt die Fäden entfernen. Das Fleisch mit den Bratensaft (evtl. zuvor mit Mehl binden) servieren. ................................................................... Dazu: 1,5 kg Yamswurzel 500 ml Palmöl 1Prise Salz Yam schälen, in Stäbchen oder dünne Scheiben schneiden, in Schüssel mit gesalzenem Wasser geben, Wasser abgiessen, Öl erhitzen und frittieren. 23 24