Volksbank Worms-Wonnegau eG

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Volksbank Worms-Wonnegau eG
Martin Krauß
Volksbank Worms-Wonnegau eG
Geschichte mit Zukunft
Impressum
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­
graphie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89735-636-8
Gesamtherstellung: ifu – Institut für Unternehmensgeschichte
Titel:
Volksbank Worms-Wonnegau eG
Geschichte mit Zukunft
Herausgeber: Volksbank Worms-Wonnegau eG
Marktplatz 19
67547 Worms
Telefon 06241 841 841 0
Internet: vb-worms-wonnegau.de
Redaktion: Martin Krauß, Heidelberg
Kristina Telge, Volksbank Worms-Wonnegau eG
Endkorrektur: Andrea Sitzler, verlag regionalkultur
Satz: Jochen Baumgärtner, verlag regionalkultur
Umschlaggestaltung: Jochen Baumgärtner, verlag regionalkultur
Druck: Heinrich Fischer Rheinische Druckerei GmbH, Worms
Diese Publikation ist entsprechend den Frankfurter Forderungen auf alterungs­
beständigem und säurefreiem Papier (TCF nach ISO 9706) gedruckt.
© 2010. Alle Rechte vorbehalten.
ifu – Institut für Unternehmensgeschichte im verlag regionalkultur
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Inhaltsverzeichnis
Grußworte
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12 Uwe Fröhlich,
Präsident Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken BVR
Edgar Schneider,
Verbandsdirektor – Mitglied des Vorstandes Genossenschaftsverband e.V.
Wolfgang Kirsch,
Vorstandsvorsitzender der DZ BANK AG
Michael Kissel,
Oberbürgermeister der Stadt Worms
Bernd Hühn, Armin Bork und Günter Schreiber,
Vorstand der Volksbank Worms-Wonnegau eG.
Die Geschichte der Volksbank Worms-Wonnegau
1860–2000
Die Volksbank Worms-Wonnegau eG
Im Spiegel des neuen Jahrtausends
Martin Krauß
Kristina Telge
14 16 24 41 54 62 72 86
93
98
Die Jahre 2001–2010
Die Volksbank Worms-Wonnegau eG heute
Unternehmen Zukunft:
Herausforderungen meistern – Chancen erkennen
106 110 112 116 120 Übersicht über die Fusionen
Tabellen zur Geschäftsentwicklung
Quellen und Literaturverzeichnis
Anmerkungen
Abbildungsnachweis
Einleitung
Die Ursprünge der Genossenschaftsbanken
Der Wormser Vorschuss- und Kreditverein
Im deutschen Kaiserreich
Zwischen Inflation und Weltwirtschaftskrise
NS-Diktatur, Nachkriegszeit und Währungsreform
Die Volksbank Worms in der Bundesrepublik
Die Geschichte der Volksbank
Worms-Wonnegau 1860–2000
Einleitung
Im Frühjahr 1860 regte der Wormser Unternehmer Markus Edinger die Gründung
eines Vorschuss- und Kreditvereins in seiner Heimatstadt nach dem von Hermann Schulze-Delitzsch entwickelten Muster an. Handwerker und Gewerbetreibende sollten sich
zusammenschließen, um sich gegenseitig Kredite zu gewähren und durch solidarische
Haftung ihre Kreditwürdigkeit zu verbessern. Am 29. Dezember 1860 fand die konstituierende Sitzung des Wormser Vorschuss- und Kreditvereins statt, der am 2. Februar
1861 offiziell seine Tätigkeit aufnahm.
Der Verein entwickelte sich vergleichsweise gut, anfängliche Unsicherheiten in Bezug
auf die Rechtsform wurden durch den Erlass eines Genossenschaftsgesetzes für das
Großherzogtum Hessen im Jahr 1869 beseitigt und am 1. Januar 1870 wurde der Verein
in das Genossenschaftsregister eingetragen. Innerhalb von rund zehn Jahren konnte sich
der Vorschuss- und Kreditverein als Genossenschaftsbank in Worms etablieren und sich
zu einem wichtigen Kreditinstitut für den gewerblichen Mittelstand entwickeln. Auch
in den folgenden Jahrzehnten gelang es dem Verein, sich trotz wachsender Konkurrenz
durch Aktienbanken gut zu behaupten.
Die Zeit nach 1914 war in Deutschland sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine nahezu ununterbrochene Abfolge von Krisen. Die militärische
Niederlage im Ersten Weltkrieg und das Ende des Kaiserreichs mündeten in die große
Inflation. Nach Überwindung der Inflation folgten die kurzen, „goldenen“ zwanziger
Jahre, an deren Ende die Weltwirtschaftskrise stand, die in Deutschland durch den
Zusammenbruch einer Reihe von Bankhäusern zusätzlich verschärft wurde. Die Vereinsbank Worms überstand die Bankenkrise aus eigener Kraft, dies war keineswegs
eine Selbstverständlichkeit, sondern einer umsichtigen Geschäftsführung zu verdanken,
der es gelang, auch in schwierigen Zeiten das Vertrauen der Genossenschaftsmitglieder
und Kunden zu gewinnen. Allerdings konnte sich auch die Vereinsbank nicht dem allgemeinen Abwärtstrend entziehen, der die Wormser Wirtschaft nach Ende des Ersten
Weltkriegs erfasste. Dies machte sich insbesondere in rückläufigen Mitgliederzahlen
und stagnierenden Umsätzen bemerkbar.
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Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten forderte die örtliche Parteileitung, den Aufsichtsrat der Bank umzubilden. Der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende
Clemens Goldschmidt schied aus, an seiner Stelle wurde mit Philipp Wilhelm Jung ein
vergleichsweise prominenter NS-Funktionär in das Gremium gewählt. Den Zweiten
Weltkrieg überstand die Bank ohne materielle Verluste, ihr repräsentatives Gebäude,
die 1901 erworbene „Villa Enzinger“, blieb vom Bombenhagel verschont, der Worms
im Februar 1945 in weiten Teilen zerstörte.
Die Währungsreform von 1948 und die Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949
schufen die Voraussetzungen für den beispiellosen wirtschaftlichen Wiederaufstieg Westdeutschlands, der 1950 einsetzte und als „Wirtschaftswunder“ in die Geschichte einging.
Auch die Volksbank Worms entwickelte sich in dieser Zeit – trotz eines anhaltenden
wirtschaftlichen Strukturwandels in der Stadt – ausgesprochen positiv, da sie sich weiterhin
auf ihren mittelständischen Kundenkreis konzentrierte. Gleichzeitig verbreiterte sie durch
die Gründung von Filialen im Wormser Umland nach und nach ihr Geschäftsgebiet.
Mitte der 1960er Jahre begann innerhalb des genossenschaftlichen Banksektors ein
Konzentrationsprozess, der im Jahr 1971 zur Verschmelzung der Dachverbände von
Volksbanken und Raiffeisenbanken führte. Außerdem wurden zahlreiche kleinere Banken von größeren übernommen. Im Zuge dieser Entwicklung fusionierte die Volksbank
Worms ab Mitte der 1980er Jahre mit einer Reihe anderer genossenschaftlicher Institute, die ihrerseits meist aus Fusionen kleinerer Banken hervorgegangen waren. Der
Vorstand verfolgte damit das Ziel, die Volksbank Worms zur einer großen Regionalbank
auszubauen. Im Zuge der im Jahr 2000 vollzogenen Verschmelzung mit der Volksbank
Wonnegau in Osthofen und der Volksbank Heppenheim-Offstein wurde auch die Firma in Volksbank Worms-Wonnegau geändert, um die Verbindung mit dem Wormser
Umland zu betonen.
Aus dem Wormser Vorschuss- und Kreditverein entwickelte sich innerhalb von 150
Jahren eine regional agierende Genossenschaftsbank mit einer Bilanzsumme von über
einer Milliarde Euro. Im Verlauf ihrer Geschichte gelang es der Bank, sich immer wieder
erfolgreich an veränderte politische und ökonomische Rahmenbedingungen anzupassen
und auf konjunkturelle Wechsellagen zu reagieren. Dabei konnte sie ihre Eigenständigkeit
bewahren und blieb fest in Worms und der Region verwurzelt.
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Die Ursprünge der Genossenschaftsbanken
Die Ursprünge der deutschen Genossenschaftsbanken sind in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu suchen. In dieser Zeit entstanden die Vorschussvereine für Handwerker und
Gewerbetreibende nach dem von Hermann Schulze-Delitzsch (1808–1883) propagierten
Vorbild sowie die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818–1888) begründeten landwirtschaftlichen Spar- und Darlehenskassen. Beide Modelle beruhten auf dem Grundprinzip
genossenschaftlicher Selbsthilfe und entstanden aus dem Bestreben, sowohl Handwerkern als auch Landwirten Kredit zu annehmbaren Konditionen zu gewähren.
Den gesellschaftlichen Hintergrund bildete die schrittweise Liberalisierung der Wirtschaftsordnung in den deutschen Staaten, die schließlich zu weitgehender Handels- und
Gewerbefreiheit führte. Damit einher ging die Industrialisierung, sie war gekennzeichnet
durch eine zunehmende Technisierung der Gewerbe und die Tendenz zum Fabrikbetrieb.
Hinzu kam die grundlegende Reorganisation der ländlichen Besitzverhältnisse im Zuge
der sogenannten Bauernbefreiung.
Mit der Einführung der Gewerbefreiheit fielen die Zunftschranken im Bereich des Handwerks und die Meister sahen sich mehr und mehr dem Wettbewerb ausgesetzt. Einigen
gelang es, ihre Betriebe zu vergrößern und zu modernisieren, die meisten führten jedoch
eine eher kümmerliche Existenz und zahllose Handwerker mussten die Selbstständigkeit
aufgeben und in Fabriken Arbeit suchen. Um mit der Entwicklung Schritt halten zu können,
benötigten die Handwerker Kapital zur Anschaffung neuer Werkzeuge und Maschinen
sowie für den Einkauf von Rohstoffen in größeren Mengen. Eigenkapital war in der Regel
nicht vorhanden und die existierenden Bankinstitute – meist Privatbankiers, aber auch
Sparkassen – gewährten Handwerkern mangels Sicherheiten entweder überhaupt keinen
Kredit oder verlangten hohe Zinsen, die nicht selten 30 bis 40 % oder mehr betrugen.
In der Landwirtschaft hatten die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgeführten Agrarreformen die Bauern zwar zu Eigentümern ihrer Höfe und Felder gemacht, im Gegenzug mussten sie jedoch ihren ehemaligen Grundherren entsprechende
Ablösesummen zahlen. Außerdem war auch dieser Wirtschaftzweig von wachsender
Konkurrenz und zunehmender Technisierung geprägt, etwa durch den Einsatz künstlicher
Düngemittel und erster Landmaschinen. Auch hier war Kapital zur Existenzsicherung
und Modernisierung der Betriebe notwendig, das jedoch selten zu annehmbaren Konditionen zu erhalten war.
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Hermann Schulze-Delitzsch
Am Anfang beider Genossenschaftsbewegungen stand der Einblick in die Not der
städtischen Handwerker bzw. der Landbevölkerung. Der Jurist Hermann Schulze aus
der sächsischen Kleinstadt Delitzsch, die seit 1814 zum Königreich Preußen gehörte,
war ab 1841 als Patrimonialrichter im Kreis Delitzsch tätig. In diesem Amt war er nicht
nur für die untere Gerichtsbarkeit in Zivil- und Strafsachen zuständig, sondern auch für
zahlreiche Bereiche der öffentlichen Verwaltung wie Gemeinden, Schulen und Straßen.
Im Jahr 1846, als die letzte durch Missernten ausgelöste Hungerkrise in Deutschland
herrschte, organisierte Schulze eine Hilfsaktion für die notleidende Bevölkerung im Kreis
Delitzsch. Mit Spendengeldern wurde Getreide aufgekauft und zu dessen Weiterverarbeitung eine Mühle sowie eine Bäckerei gepachtet. Anschließend verkaufte man das Brot
zu ermäßigten Preisen an Bedürftige oder gab es in Notfällen auch kostenlos ab. Nach
der Märzrevolution 1848 kandidierte Schulze erfolgreich für die Wahl zur preußischen
Nationalversammlung, in der er sich der Fraktion des linken Zentrums anschloss. Ab
diesem Zeitpunkt führte er den Doppelnamen Schulze-Delitzsch. Als Abgeordneter
leitete er eine Kommission für Handwerksangelegenheiten. In zahlreichen Petitionen an
die Nationalversammlung schilderten Handwerker und Gewerbetreibende ihre schlechte
wirtschaftliche Lage und forderten in der Regel die Beseitigung des freien Wettbewerbs
sowie die Rückkehr zur alten Zunftverfassung. Es wurden aber auch konstruktive Vorschläge unterbreitet, etwa die Gründung von Vorschusskassen oder die Einrichtung
gemeinschaftlicher Verkaufsräume. Schulze-Delitzsch war überzeugter Liberaler, daher
kam für ihn eine Einschränkung der Gewerbefreiheit nicht in Frage. Die Tätigkeit in der
Kommission sensibilisierte ihn jedoch für die Probleme des Handwerks, deren Lösung
seiner Ansicht nach nicht in einer Rückkehr zu den alten Zwangsinnungen, sondern in
einer zeitgemäßen Form der Vereinigung zu suchen war, der Genossenschaft.
Die preußische Nationalversammlung wurde im Dezember 1848 aufgelöst, gleichzeitig
erließ der König ohne Zustimmung des Parlaments eine oktroyierte Verfassung. Der darin
vorgesehenen Volksvertretung gehörte Schulze-Delitzsch nur kurzeitig an, erst 1861 kandidierte er wieder bei der Wahl zum preußischen Abgeordnetenhaus und wurde in einem
Berliner Wahlkreis gewählt. Nach der Gründung des deutschen Reiches war er von 1871
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Hermann Schulze-Delitzsch