Risiko Gelenkersatz
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Risiko Gelenkersatz
Seite 1 von 5 1 1 I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l v o m 1 5 . 0 1 . 2 0 1 5 Risiko Gelenkersatz Deutschland ist Weltmeister in Sachen künstlicher Gelenkersatz. Nirgendwo sonst werden so viele Gelenke durch künstliche Prothesen, sogenannte Endoprothesen, ersetzt. Vom kleinen Finger bis zum großen Zeh, fast alles ist dabei möglich. Die Jahresbilanz der orthopädischen Kliniken in Deutschland: etwa 200.000 künstliche Hüften, circa 160.000 Kniegelenke und 25.000 Schultergelenke. Bei Schmerzen im Gelenk handelt es sich häufig um Veränderungsprozesse des Gelenkknorpels, der Knochen oder der angrenzenden Strukturen wie Muskeln oder Bänder. Dahinter steckt meist ein fortschreitender Prozess, der sich oftmals nicht umkehren lässt. Meistens steckt eine Arthrose dahinter, ein Verschleiß des Gelenkes durch eine länger anhaltende Nicht- oder Fehlbelastung. Der Knorpel muss ernährt werden, damit er beweglich bleibt – das geschieht wiederum nur durch Bewegung. Auch Fehlstellungen wie X-Beine kommen als Auslöser in Frage sowie altersbedingte Abnutzungserscheinungen. Fehlt dem Gelenk die Gelenkschmiere zwischen den Knochen, reiben die Knochen bei jeder Bewegung aneinander, was starke Schmerzen auslöst. Die Beschwerden können sich so heftig äußern, dass Experten sogar von „Zahnschmerzen“ im Knie- oder Hüftgelenk sprechen. Schmerzbehandlung und Physiotherapie sind ein langwieriger Prozess mit offenem Ausgang. Deshalb erhoffen sich viele Patienten von einem Kunstgelenk die Erlösung von ihren Leiden. Erwartungen, die nicht immer erfüllt werden. Bei mehr als zehn Prozent der Patienten bleibt die Bewegung eingeschränkt, in manchen Fällen sind die Schmerzen schlimmer als vor dem Eingriff. Laut Gutachter der Ärztekammern gab es 2013 bei Gelenkoperationen die meisten Kunstfehler in Deutschland. Die häufigsten Risiken Natürlich stellt jede Operation ein Risiko dar, denn jeder Eingriff ist ein Eingriff in feinste Systeme. Doch was sind die häufigsten Gefahren, die beim Einsetzen eines künstlichen Gelenks drohen? Infektionen: Wie bei allen Operationen, gelten auch bei Gelenk-OPs besondere Vorsichtsmaßnahmen und hohe Hygienevorschriften. Doch trotz aller Gründlichkeit kann das Risiko einer Infektion mit Keimen nicht ausgeschlossen werden. Bei etwa einem Prozent aller Hüft- und Knieoperationen kommt es zu schweren Entzündungen, verursacht durch Keime, die sich am Gelenk angesiedelt haben. Besonders gefürchtet ist der 1 Seite 2 von 5 MRSA-Keim, da er gegen Antibiotika resistent ist. Die Keime können sich auf der Hautoberfläche des Patienten befinden und so in die Wunde gelangen oder es herrscht bereits ein Entzündungsherd im Körper, zum Beispiel an den Zähnen. Auch Diabetes, Nierenerkrankungen oder Rheuma sind Risikofaktoren, die zu einer Infektion führen können. Ist das Gelenk einmal mit Keimen infiziert, hilft oft nur eine zweite Operation. Die Infektion muss behandelt werden, ein Prozess, der manchmal Wochen dauert. Erst nachdem die Entzündung ausgeheilt ist, kann ein neues Kunstgelenk eingesetzt werden. Um das Infektionsrisiko zu minimieren, wurden inzwischen Prothesen mit speziellen Beschichtungen entwickelt, die Bakterien abtöten sollen. Keramik-Prothesen werden mit Antibiotika versetzt. Lockerung der Prothese: Innerhalb von zehn Jahren lockern sich bei circa acht Prozent der Patienten die Gelenkprothesen. Die Ursachen können Materialabrieb am Kunstgelenk, fehlende Stabilität des Gelenks oder auch eine Infektion sein. In den meisten Fällen muss das gelockerte Gelenk dann entfernt und durch ein neues ersetzt werden. Da bei einer Lockerung der Prothese auch der Knochen beschädigt wird, geht Knochensubstanz verloren. Durch besondere Techniken wird während der Folgeoperation versucht, Schäden am Knochen wieder zu rekonstruieren. Besonders häufig kam es bei Prothesen aus Stahl zum Abrieb. Um das Lockern der Prothese durch Abrieb zu verhindern, wird seit einigen Jahren an Materialien geforscht wie zum Beispiel Keramik. Vernarbung: Hinter dem medizinischen Fachausdruck „Arthofibrose“ steckt eine Vernarbung am Gelenk, die meistens am Knie auftritt und heftige Schmerzen auslösen kann. Die Ursache: Am frisch operierten Knie vermehrt sich das Bindegewebe um die Gelenkkapsel, es bilden sich Narben. Die Narben verkleben und werden fest. Es kommt zu Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Jeder zehnte Operierte ist davon betroffen. Was die genaue Ursache für die Bildung der Nar- ben ist, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. Um das überschüssige Narbengewebe im Gelenk wieder zu entfernen, muss häufig ein zweites Mal operiert werden. Die gute Nachricht: Nach dem Entfernen des Narbengewebes können sich die Patienten in den meisten Fällen wieder deutlich besser bewegen und sind schmerzfrei. Auskugeln (Luxation): Eine Komplikation, die besonders häufig an der Hüfte vorkommt, ist die Luxation (Auskugelung). Dabei handelt es sich um eine Fehlstellung des Hüftgelenkes. Der Gelenkkopf befindet sich nicht mehr in der Gelenkpfanne, das Hüftgelenk kugelt regelrecht aus. Das kann angeboren sein, kann aber auch bei einem Unfall oder Sturz passieren. Bei etwa zwei Prozent der Patienten mit einer Hüftprothese ist das der Fall. Für diese Patienten ist das Auskugeln besonders folgenschwer, denn sie verlieren das Vertrauen in ihr Kunstgelenk. Der Grund für das Auskugeln können sowohl fehlende Bänder oder Muskulatur sein, die dem Gelenk Halt geben, als auch eine falsche Bewegung. Manchmal ist das Implantat selbst schuld oder die mangelnde Erfahrung des Operateurs. Um das Kunstgelenk wieder komplett einzurenken und in die richtige Position zu bringen, ist meist eine weitere Operation erforderlich, bei der das Implantat ausgetauscht wird. Mehr Sicherheit mit EPRD Die vier Buchstaben stehen für das EndoProthesenRegister Deutschland. In diesem Register werden Routinedaten systematisch mit neuen Informationen über den Einbau künstlicher Hüft- und Kniegelenke verknüpft. Es wertet diese Informationen mit Blick auf die Qualität der Implantate und der medizinischen Behandlung aus. Damit sollen Langzeiterfahrungen nach Implantationen gesammelt werden. Langfristig soll sich die Zahl der Wechseloperationen damit deutlich verringern. In dem Register werden sowohl die Qualität der Prothesen, als auch die Patientenversorgung dokumentiert. Die gesammelten Daten sollen zukünftig Aufschluss über Behandlungsfehler und Kom2 Seite 3 von 5 plikationen geben für mehr Sicherheit der Patienten vor und nach der Operation sorgen. Im Januar 2014 ist das Projekt bundesweit gestartet. Teilnehmen können sowohl Kliniken als auch Patienten. mehr Infos unter: eprd.de Endocert – ein neues Zertifikat Jedes zweite Krankenhaus in Deutschland bietet künstlichen Gelenkersatz an. Doch nicht immer mit dem gleichen Erfolg. Die Patienten sind verunsichert. Deshalb wurde von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie im Oktober 2012 ein Zertifizierungssystem entwickelt, das Patienten bei der Auswahl der richtigen Klinik mehr Orientierung geben soll. Die Kriterien des Zertifikats „Endocert“ sollen zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen und für mehr Patientensicherheit sorgen. Dabei werden die Qualität der Operationen, die Zufriedenheit der Patienten und die Abläufe im Klinikalltag regelmäßig mindestens einmal im Jahr abgefragt und kontrolliert. Außerdem verpflichten sich die Kliniken zur Einhaltung von Hygienestandards, regelmäßigen Schulungen ihrer Mitarbeiter und strengen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Eine Liste von zertifizierten Kliniken ist zu finden unter: http://www.endocert.de/endocert/zertifiziert e-kliniken.html Den inneren Arzt unterstützen Wir alle kennen den Begriff der Selbstheilungskräfte. Am besten kann man diese bei der körpereigenen Wundversorgung beobachten – Blut gerinnt, die Wunde verschließt sich und Keime können nicht eindringen. Ist die Wunde abgeheilt, löst sich der Grind und siehe da – die Haut hat sich regeneriert. Wir verfügen über viele solcher Mechanismen, die oft nur angestoßen werden müssen – zum Beispiel durch eine veränderte Ernährung. Fasten statt Schmerzmittel Mediziner der Universitätsklinik Jena konnten 2007 in einer Studie einen Zusammenhang zwischen einer Schmerzlinderung bei Arthrose und dem Fasten belegen. Bei 50 Prozent der Studienteilnehmer ließen die Schmerzen während einer 15-tägigen Fastenkur nach. Sie konnten ihre Schmerzmedikamente deutlich reduzieren, einige von ihnen konnten sogar ganz darauf verzichten. Der positive Effekt hielt auch mehrere Wochen nach Ende der Fastenkur an. Einen Grund dafür sehen die Mediziner unter anderem in der Gewichtsabnahme besonders bei Kniepatienten, weil dadurch die Gelenke entlastet werden. Da tierische Fette Entzündungen verstärken, könnte der Verzicht auf Fleisch und tierische Nahrungsmittel ein weiterer Faktor sein. Auch Blutzucker und Blutfette regulieren sich während des Fastens. Hinzu kommt, dass der Körper während einer Fastenkur verstärkt das körpereigene Hormon Kortisol produziert, das schmerzstillend wirkt. Um die Gelenke nicht mehr als nötig zu belasten, ist es wichtig, ihnen nicht mehr Gewicht als nötig aufzulasten. Deshalb kann auch eine Gewichtsabnahme helfen, die Schmerzen besonders in den Knien zu lindern. In einer Studie konnte bewiesen werden, dass schon durch fünf Kilogramm Körpergewicht weniger eine Besserung der Beschwerden erreicht werden konnte. Mit Ayurveda der OP entronnen Andere Wege zur Aktivierung ihrer Selbstheilungskräfte ist Barbara G. gegangen. Flamenco ist ihre Leidenschaft. Seit sie Studentin ist, lebt sie für den Tanz. In ihrer Freizeit wandert sie, reitet, fährt Ski, schwimmt – ist also viel in Bewegung. Bis im Sommer 2000 ihr linkes Knie heftig zu schmerzen beginnt. Das Knie schwillt an, sie kann sich nicht bücken, nicht schlafen. Die Diagnose: Meniskus-Riss. Sie lässt sich operieren, um weiter tanzen zu können. Doch nur zwölf Monate später, sie ist gerade wandern in Griechenland, spürt sie Schmerzen im rechten Knie. Es folgt wieder eine Operation am Meniskus. Nur ein Jahr später sind die Schmerzen zurück, heftiger als je zuvor. Sie zieht sich aus dem aktiven Flamenco-Tanz zurück, studiert Tanzmedizin. Dass sie sich kaum noch bewegen kann, trifft sie hart, an tanzen ist nicht mehr zu denken. Barbara G. nimmt Schmerzmedikamente, die ihr auf 3 Seite 4 von 5 den Magen schlagen, sie macht Physiotherapie. Doch nichts hilft. Eine weitere Operation ist für sie ausgeschlossen. Im November 2013 kommt sie in die Abteilung für Naturheilkunde des ImmanuelKrankenhauses Berlin. Dort beginnt sie eine ayurvedische Behandlung In der indischen Heilkunst wird in drei verschiedene Typen unterschieden: Vata-, Pitta- und KaphaTypen. Vata-Typen neigen zu rheumatischen Beschwerden, Gelenkerkrankungen, Störungen des Halteapparates und Verdauungsbeschwerden. Nach ayurvedischer Lehre können folgende Faktoren Arthrose auslösen: körperliche Überbelastung, chronische Erkrankungen, physische Traumata, Sorgen, Ängste, innere Anspannung und Schlafmangel, um nur einige zu nennen. Den Gelenken Gutes tun Eine besondere Rolle wird der Ernährung zugeschrieben. „Vata“ hat austrocknende Eigenschaften und zerstört dadurch Gelenke und Gelenkstrukturen. Helfen können da warme, gekochte oder gedünstete Nahrungsmittel mit vielen wärmenden Gewürzen wie: Kurkuma (Gelbwurz), Kardamom, Ingwer, Kreuzkümmel, Zimt, Koriander, Minze. Zum Süßen eignen sich Rohrzucker, Honig oder Ahornsirup. Tee aus Kräutern ist ein ideales Getränk. Knie-Auflagen aus Myrrhe-Harz: Myrrhe ist das Harz aus der Rinde des Balsambaumes, es ähnelt Weihrauch. Die Myrrhe soll die Immunabwehr stärken und Pilze, Bakterien und Viren abtöten. Außerdem lindert das Harz Schmerzen, kann Fieber senken und regt die Durchblutung an. Als Tinktur hilft es bei Entzündungen der Mundschleimhaut. Myrrhe ist einer der wichtigsten Bestandteile des indischen Ayurveda und der traditionellen chinesischen Medizin. Ayurveda ist altindisch und bedeutet wörtlich „das Wissen vom Leben“. Diese Traditionelle Indische Medizin ist mit über 2.000 Jahren die älteste Gesundheitslehre und hat einen ganzheitlichen Ansatz. Sie wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO als medizinische Wissenschaft anerkannt. Ayurveda soll die Balance der vitalen Kräfte, der sogenannten „Doshas“, wieder herstellen. Ist sie aus dem Gleichgewicht, können dadurch Krankheiten verursacht werden. Die ganzheitlichen Therapien sind individuell auf den Patienten und seine Beschwerden ausgerichtet und umfassen Ernährung, Massagen, Bewegungstherapien wie Yoga und Meditation. Dadurch sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers angeregt werden. Mit der Ayurveda-Therapie hat Barbara G. es innerhalb weniger Monate geschafft, ihre Schmerzen wieder los zu werden. http://www.yoga.de/bdy-berufsverband/ Neue Therapien: Doppelkammerspritze aus Hyaluronsäuren Hauptbestandteil der Flüssigkeit in den Gelenken ist Hyaluronsäure. Bei jeder Bewegung wirkt die Gelenkflüssigkeit als Gleitmittel und verhindert so, dass die Knochen aneinander reiben. Außerdem sorgt Hyaluronsäure dafür, dass der Knorpel fest und stabil ist. Seit etwa 30 Jahren wird bei Arthrose Hyaluron in Gelenke gespritzt. Doch nicht in jedem Fall kommt es zu einer Verbesserung der Beschwerden. Je früher eine Arthrose erkannt und behandelt wird, umso größer der Erfolg. Eine neue Kombination aus zwei verschiedenen Hyaluronsäuren soll jetzt noch bessere Ergebnisse erzielen. Die Kosten für eine Hyaluron-Therapie übernehmen die meisten gesetzlichen Krankenkassen nicht, private Kassen übernehmen sie teilweise. Gäste im Studio Prof. Andreas Roth, Orthopäde, Spezialist für künstliche Gelenke, Universitätsklinikum Leipzig Dr. Christian Kessler, Arzt für Naturheilkunde, Immanuel Krankenhaus Berlin-Wannsee Barbara Gödl, Knie-Patientin 4 Seite 5 von 5 Buchtipps Volker Mehl und Christina Raftery: So schmeckt Glück: Meine ayurvedische Heimatküche. Kailash-Verlag, 2013. Hans Rhyner und Kerstin Rosenberg: Das große Ayurveda-Ernährungsbuch: Gesund leben und genussvoll essen. Königsfurt-Urania, 2003. Zoller A, Nordwig H: Heilpflanzen der ayurvedischen Medizin. Narayana 2012. Wertvolle Tipps, wie Sie dank einfacher Hausmittel Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren und Ihren Körper wieder ins Gleichgewicht bringen können, finden Sie auch im neuen Hauptsache Gesund-Buch „Meine besten Hausmittel“. ISBN: 978-3-89883-272-4; 19,95 Euro Erhältlich im Buchhandel und im MDR-Shop. Anschrift/ Thema der nächsten Sendung MDR FERNSEHEN, Redaktion Wirtschaft und Ratgeber „Hauptsache Gesund“ Internet: www.mdr.de/hauptsache-gesund; E-Mail: [email protected] Thema der Sendung vom 22.01.2014: “ Medikamente“ 5