Risiko Gelenkersatz

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Risiko Gelenkersatz
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I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l
v o m
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Risiko Gelenkersatz
Deutschland ist Weltmeister in Sachen künstlicher Gelenkersatz. Nirgendwo sonst
werden so viele Gelenke durch künstliche Prothesen, sogenannte Endoprothesen,
ersetzt. Vom kleinen Finger bis zum großen Zeh, fast alles ist dabei möglich. Die Jahresbilanz der orthopädischen Kliniken in Deutschland: etwa 200.000 künstliche Hüften,
circa 160.000 Kniegelenke und 25.000 Schultergelenke.
Bei Schmerzen im Gelenk handelt es sich
häufig um Veränderungsprozesse des Gelenkknorpels, der Knochen oder der angrenzenden Strukturen wie Muskeln oder
Bänder.
Dahinter steckt meist ein fortschreitender
Prozess, der sich oftmals nicht umkehren
lässt. Meistens steckt eine Arthrose dahinter, ein Verschleiß des Gelenkes durch eine
länger anhaltende Nicht- oder Fehlbelastung. Der Knorpel muss ernährt werden,
damit er beweglich bleibt – das geschieht
wiederum nur durch Bewegung. Auch Fehlstellungen wie X-Beine kommen als Auslöser in Frage sowie altersbedingte Abnutzungserscheinungen.
Fehlt dem Gelenk die Gelenkschmiere zwischen den Knochen, reiben die Knochen bei
jeder Bewegung aneinander, was starke
Schmerzen auslöst. Die Beschwerden können sich so heftig äußern, dass Experten
sogar von „Zahnschmerzen“ im Knie- oder
Hüftgelenk sprechen. Schmerzbehandlung
und Physiotherapie sind ein langwieriger
Prozess mit offenem Ausgang. Deshalb erhoffen sich viele Patienten von einem
Kunstgelenk die Erlösung von ihren Leiden.
Erwartungen, die nicht immer erfüllt werden. Bei mehr als zehn Prozent der Patienten bleibt die Bewegung eingeschränkt, in
manchen Fällen sind die Schmerzen schlimmer als vor dem Eingriff. Laut Gutachter der
Ärztekammern gab es 2013 bei Gelenkoperationen die meisten Kunstfehler in Deutschland.
Die häufigsten Risiken
Natürlich stellt jede Operation ein Risiko dar,
denn jeder Eingriff ist ein Eingriff in feinste
Systeme. Doch was sind die häufigsten Gefahren, die beim Einsetzen eines künstlichen
Gelenks drohen?
Infektionen:
Wie bei allen Operationen, gelten auch bei
Gelenk-OPs besondere Vorsichtsmaßnahmen und hohe Hygienevorschriften. Doch
trotz aller Gründlichkeit kann das Risiko
einer Infektion mit Keimen nicht ausgeschlossen werden. Bei etwa einem Prozent
aller Hüft- und Knieoperationen kommt es
zu schweren Entzündungen, verursacht
durch Keime, die sich am Gelenk angesiedelt haben. Besonders gefürchtet ist der
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MRSA-Keim, da er gegen Antibiotika resistent ist.
Die Keime können sich auf der Hautoberfläche des Patienten befinden und so in die
Wunde gelangen oder es herrscht bereits
ein Entzündungsherd im Körper, zum Beispiel an den Zähnen. Auch Diabetes, Nierenerkrankungen oder Rheuma sind Risikofaktoren, die zu einer Infektion führen können. Ist das Gelenk einmal mit Keimen infiziert, hilft oft nur eine zweite Operation. Die
Infektion muss behandelt werden, ein Prozess, der manchmal Wochen dauert. Erst
nachdem die Entzündung ausgeheilt ist,
kann ein neues Kunstgelenk eingesetzt
werden.
Um das Infektionsrisiko zu minimieren, wurden inzwischen Prothesen mit speziellen
Beschichtungen entwickelt, die Bakterien
abtöten sollen. Keramik-Prothesen werden
mit Antibiotika versetzt.
Lockerung der Prothese:
Innerhalb von zehn Jahren lockern sich bei
circa acht Prozent der Patienten die Gelenkprothesen. Die Ursachen können Materialabrieb am Kunstgelenk, fehlende Stabilität
des Gelenks oder auch eine Infektion sein.
In den meisten Fällen muss das gelockerte
Gelenk dann entfernt und durch ein neues
ersetzt werden. Da bei einer Lockerung der
Prothese auch der Knochen beschädigt
wird, geht Knochensubstanz verloren. Durch
besondere Techniken wird während der
Folgeoperation versucht, Schäden am Knochen wieder zu rekonstruieren. Besonders
häufig kam es bei Prothesen aus Stahl zum
Abrieb. Um das Lockern der Prothese durch
Abrieb zu verhindern, wird seit einigen Jahren an Materialien geforscht wie zum Beispiel Keramik.
Vernarbung:
Hinter dem medizinischen Fachausdruck
„Arthofibrose“ steckt eine Vernarbung am
Gelenk, die meistens am Knie auftritt und
heftige Schmerzen auslösen kann. Die Ursache: Am frisch operierten Knie vermehrt sich
das Bindegewebe um die Gelenkkapsel, es
bilden sich Narben. Die Narben verkleben
und werden fest. Es kommt zu Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Jeder
zehnte Operierte ist davon betroffen. Was
die genaue Ursache für die Bildung der Nar-
ben ist, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt.
Um das überschüssige Narbengewebe im
Gelenk wieder zu entfernen, muss häufig
ein zweites Mal operiert werden. Die gute
Nachricht: Nach dem Entfernen des Narbengewebes können sich die Patienten in
den meisten Fällen wieder deutlich besser
bewegen und sind schmerzfrei.
Auskugeln (Luxation):
Eine Komplikation, die besonders häufig an
der Hüfte vorkommt, ist die Luxation (Auskugelung). Dabei handelt es sich um eine
Fehlstellung des Hüftgelenkes. Der Gelenkkopf befindet sich nicht mehr in der Gelenkpfanne, das Hüftgelenk kugelt regelrecht aus. Das kann angeboren sein, kann
aber auch bei einem Unfall oder Sturz passieren.
Bei etwa zwei Prozent der Patienten mit
einer Hüftprothese ist das der Fall. Für diese
Patienten ist das Auskugeln besonders folgenschwer, denn sie verlieren das Vertrauen
in ihr Kunstgelenk. Der Grund für das Auskugeln können sowohl fehlende Bänder
oder Muskulatur sein, die dem Gelenk Halt
geben, als auch eine falsche Bewegung.
Manchmal ist das Implantat selbst schuld
oder die mangelnde Erfahrung des Operateurs.
Um das Kunstgelenk wieder komplett einzurenken und in die richtige Position zu bringen, ist meist eine weitere Operation erforderlich, bei der das Implantat ausgetauscht
wird.
Mehr Sicherheit mit EPRD
Die vier Buchstaben stehen für das EndoProthesenRegister Deutschland. In diesem
Register werden Routinedaten systematisch
mit neuen Informationen über den Einbau
künstlicher Hüft- und Kniegelenke verknüpft. Es wertet diese Informationen mit
Blick auf die Qualität der Implantate und der
medizinischen Behandlung aus. Damit sollen
Langzeiterfahrungen nach Implantationen
gesammelt werden. Langfristig soll sich die
Zahl der Wechseloperationen damit deutlich
verringern. In dem Register werden sowohl
die Qualität der Prothesen, als auch die Patientenversorgung dokumentiert. Die gesammelten Daten sollen zukünftig Aufschluss über Behandlungsfehler und Kom2
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plikationen geben für mehr Sicherheit der
Patienten vor und nach der Operation sorgen. Im Januar 2014 ist das Projekt bundesweit gestartet. Teilnehmen können sowohl Kliniken als auch Patienten.
mehr Infos unter: eprd.de
Endocert – ein neues Zertifikat
Jedes zweite Krankenhaus in Deutschland
bietet künstlichen Gelenkersatz an. Doch
nicht immer mit dem gleichen Erfolg. Die
Patienten sind verunsichert.
Deshalb wurde von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische
Chirurgie im Oktober 2012 ein Zertifizierungssystem entwickelt, das Patienten bei
der Auswahl der richtigen Klinik mehr Orientierung geben soll. Die Kriterien des Zertifikats „Endocert“ sollen zur Verbesserung
der Versorgungsqualität beitragen und für
mehr Patientensicherheit sorgen. Dabei
werden die Qualität der Operationen, die
Zufriedenheit der Patienten und die Abläufe
im Klinikalltag regelmäßig mindestens einmal im Jahr abgefragt und kontrolliert. Außerdem verpflichten sich die Kliniken zur
Einhaltung von Hygienestandards, regelmäßigen Schulungen ihrer Mitarbeiter und
strengen Qualitätssicherungsmaßnahmen.
Eine Liste von zertifizierten Kliniken ist zu
finden
unter:
http://www.endocert.de/endocert/zertifiziert
e-kliniken.html
Den inneren Arzt unterstützen
Wir alle kennen den Begriff der Selbstheilungskräfte. Am besten kann man diese bei
der körpereigenen Wundversorgung beobachten – Blut gerinnt, die Wunde verschließt sich und Keime können nicht eindringen. Ist die Wunde abgeheilt, löst sich
der Grind und siehe da – die Haut hat sich
regeneriert. Wir verfügen über viele solcher
Mechanismen, die oft nur angestoßen werden müssen – zum Beispiel durch eine veränderte Ernährung.
Fasten statt Schmerzmittel
Mediziner der Universitätsklinik Jena konnten 2007 in einer Studie einen Zusammenhang zwischen einer Schmerzlinderung bei
Arthrose und dem Fasten belegen. Bei 50
Prozent der Studienteilnehmer ließen die
Schmerzen während einer 15-tägigen Fastenkur nach. Sie konnten ihre Schmerzmedikamente deutlich reduzieren, einige
von ihnen konnten sogar ganz darauf verzichten. Der positive Effekt hielt auch mehrere Wochen nach Ende der Fastenkur an.
Einen Grund dafür sehen die Mediziner unter anderem in der Gewichtsabnahme besonders bei Kniepatienten, weil dadurch die
Gelenke entlastet werden. Da tierische Fette
Entzündungen verstärken, könnte der Verzicht auf Fleisch und tierische Nahrungsmittel ein weiterer Faktor sein. Auch Blutzucker
und Blutfette regulieren sich während des
Fastens. Hinzu kommt, dass der Körper
während einer Fastenkur verstärkt das körpereigene Hormon Kortisol produziert, das
schmerzstillend wirkt.
Um die Gelenke nicht mehr als nötig zu
belasten, ist es wichtig, ihnen nicht mehr
Gewicht als nötig aufzulasten. Deshalb kann
auch eine Gewichtsabnahme helfen, die
Schmerzen besonders in den Knien zu lindern. In einer Studie konnte bewiesen werden, dass schon durch fünf Kilogramm Körpergewicht weniger eine Besserung der
Beschwerden erreicht werden konnte.
Mit Ayurveda der OP entronnen
Andere Wege zur Aktivierung ihrer Selbstheilungskräfte ist Barbara G. gegangen.
Flamenco ist ihre Leidenschaft. Seit sie Studentin ist, lebt sie für den Tanz. In ihrer Freizeit wandert sie, reitet, fährt Ski, schwimmt
– ist also viel in Bewegung.
Bis im Sommer 2000 ihr linkes Knie heftig
zu schmerzen beginnt.
Das Knie schwillt an, sie kann sich nicht
bücken, nicht schlafen. Die Diagnose: Meniskus-Riss. Sie lässt sich operieren, um weiter tanzen zu können. Doch nur zwölf Monate später, sie ist gerade wandern in Griechenland, spürt sie Schmerzen im rechten
Knie. Es folgt wieder eine Operation am
Meniskus. Nur ein Jahr später sind die
Schmerzen zurück, heftiger als je zuvor. Sie
zieht sich aus dem aktiven Flamenco-Tanz
zurück, studiert Tanzmedizin. Dass sie sich
kaum noch bewegen kann, trifft sie hart, an
tanzen ist nicht mehr zu denken. Barbara G.
nimmt Schmerzmedikamente, die ihr auf
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den Magen schlagen, sie macht Physiotherapie. Doch nichts hilft. Eine weitere Operation ist für sie ausgeschlossen.
Im November 2013 kommt sie in die Abteilung für Naturheilkunde des ImmanuelKrankenhauses Berlin. Dort beginnt sie eine
ayurvedische Behandlung In der indischen
Heilkunst wird in drei verschiedene Typen
unterschieden: Vata-, Pitta- und KaphaTypen. Vata-Typen neigen zu rheumatischen
Beschwerden, Gelenkerkrankungen, Störungen des Halteapparates und Verdauungsbeschwerden.
Nach ayurvedischer Lehre können folgende
Faktoren Arthrose auslösen: körperliche
Überbelastung, chronische Erkrankungen,
physische Traumata, Sorgen, Ängste, innere
Anspannung und Schlafmangel, um nur
einige zu nennen.
Den Gelenken Gutes tun
Eine besondere Rolle wird der Ernährung
zugeschrieben.
„Vata“ hat austrocknende Eigenschaften
und zerstört dadurch Gelenke und Gelenkstrukturen. Helfen können da warme,
gekochte oder gedünstete Nahrungsmittel
mit vielen wärmenden Gewürzen wie: Kurkuma (Gelbwurz), Kardamom, Ingwer,
Kreuzkümmel, Zimt, Koriander, Minze. Zum
Süßen eignen sich Rohrzucker, Honig oder
Ahornsirup. Tee aus Kräutern ist ein ideales
Getränk.
Knie-Auflagen aus Myrrhe-Harz:
Myrrhe ist das Harz aus der Rinde des Balsambaumes, es ähnelt Weihrauch. Die Myrrhe soll die Immunabwehr stärken und Pilze,
Bakterien und Viren abtöten. Außerdem
lindert das Harz Schmerzen, kann Fieber
senken und regt die Durchblutung an. Als
Tinktur hilft es bei Entzündungen der
Mundschleimhaut. Myrrhe ist einer der
wichtigsten Bestandteile des indischen
Ayurveda und der traditionellen chinesischen Medizin.
Ayurveda ist altindisch und bedeutet wörtlich „das Wissen vom Leben“. Diese Traditionelle Indische Medizin ist mit über 2.000
Jahren die älteste Gesundheitslehre und hat
einen ganzheitlichen Ansatz. Sie wird von
der Weltgesundheitsorganisation WHO als
medizinische Wissenschaft anerkannt. Ayurveda soll die Balance der vitalen Kräfte, der
sogenannten „Doshas“, wieder herstellen.
Ist sie aus dem Gleichgewicht, können
dadurch Krankheiten verursacht werden.
Die ganzheitlichen Therapien sind individuell
auf den Patienten und seine Beschwerden
ausgerichtet und umfassen Ernährung, Massagen, Bewegungstherapien wie Yoga und
Meditation. Dadurch sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers angeregt werden.
Mit der Ayurveda-Therapie hat Barbara G.
es innerhalb weniger Monate geschafft, ihre
Schmerzen wieder los zu werden.
http://www.yoga.de/bdy-berufsverband/
Neue Therapien: Doppelkammerspritze
aus Hyaluronsäuren
Hauptbestandteil der Flüssigkeit in den Gelenken ist Hyaluronsäure. Bei jeder Bewegung wirkt die Gelenkflüssigkeit als Gleitmittel und verhindert so, dass die Knochen
aneinander reiben. Außerdem sorgt Hyaluronsäure dafür, dass der Knorpel fest und
stabil
ist.
Seit etwa 30 Jahren wird bei Arthrose Hyaluron in Gelenke gespritzt. Doch nicht in
jedem Fall kommt es zu einer Verbesserung
der Beschwerden. Je früher eine Arthrose
erkannt und behandelt wird, umso größer
der Erfolg. Eine neue Kombination aus zwei
verschiedenen Hyaluronsäuren soll jetzt
noch bessere Ergebnisse erzielen.
Die Kosten für eine Hyaluron-Therapie
übernehmen die meisten gesetzlichen Krankenkassen nicht, private Kassen übernehmen
sie
teilweise.
Gäste im Studio
Prof. Andreas Roth, Orthopäde, Spezialist für künstliche Gelenke, Universitätsklinikum Leipzig
Dr. Christian Kessler, Arzt für Naturheilkunde, Immanuel Krankenhaus Berlin-Wannsee
Barbara Gödl, Knie-Patientin
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Buchtipps
Volker Mehl und Christina Raftery: So schmeckt Glück: Meine ayurvedische Heimatküche.
Kailash-Verlag, 2013.
Hans Rhyner und Kerstin Rosenberg: Das große Ayurveda-Ernährungsbuch: Gesund leben
und genussvoll essen. Königsfurt-Urania, 2003.
Zoller A, Nordwig H: Heilpflanzen der ayurvedischen Medizin. Narayana 2012.
Wertvolle Tipps, wie Sie dank einfacher Hausmittel Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren und Ihren
Körper wieder ins Gleichgewicht bringen können, finden Sie auch im neuen Hauptsache Gesund-Buch „Meine besten Hausmittel“.
ISBN: 978-3-89883-272-4; 19,95 Euro
Erhältlich im Buchhandel und im MDR-Shop.
Anschrift/ Thema der nächsten Sendung
MDR FERNSEHEN, Redaktion Wirtschaft und Ratgeber „Hauptsache Gesund“
Internet: www.mdr.de/hauptsache-gesund;
E-Mail: [email protected]
Thema der Sendung vom 22.01.2014: “ Medikamente“
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