Psychische Belastungen erfolgreich managen

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Psychische Belastungen erfolgreich managen
PSYCHISCHE BELASTUNGEN
ERFOLGREICH MANAGEN
DR. MED. TOBIAS RETHAGE
ANZEICHEN FRÜHZEITIG WAHRNEHMEN
Stress im Betrieb ist sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber belastend
• Dennoch sind die Stressfaktoren und deren Auswirkungen nicht immer sichtbar.
• Mögliche Hinweise für ein Ungleichgewicht von Stressfaktoren und Ressourcen sind
beispielsweise:
• Der Gesetzgeber gibt daher folgendes vor: Die Arbeit ist so zu gestalten, dass Gefährdungen
berücksichtigt werden, die Stressfaktoren und Ressourcen aus dem Gleichgewicht bringen
können (Arbeitsschutzgesetz, Bildschirmarbeitsplatzverordnung, GDA)
20.04.2016
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DER BEITRAG DES BETRIEBSARZTES ZUR
BETRIEBLICHEN GESUNDHEITSFÖRDERUNG
Stress erfolgreich managen – psychische Belastungen erkennen – Maßnahmen ableiten
• Gefährdungsbeurteilung
• Bereitstellung eines Konzept zur Durchführung der
Gefährdungsbeurteilung (gemäß § 5 ArbSchG) mit
Schwerpunkt auf psychische Belastungen
• Gesundheitsförderung
• Angebot von gesundheitsfördernden Maßnahmen im
Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements
• Prävention
• Durchführung der angemessenen arbeitsmedizinischen
Vorsorge auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung
(gemäß § 3 ArbMedVV)
• Intervention
• Aktive Betreuung im Krankheitsfall sowie Begleitung des
Wiedereingliederungsprozesses
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GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG - CHECKLISTE
Einflussfaktoren auf den Erfolg der Gefährdungsbeurteilung
Stichwort
Thema
Bemerkungen
Beteiligte Personen
Inhaltlich und organisatorisch betroffene
Personen
FaSi, Betriebsarzt, Vertrauensleute,
Betriebsräte, Führungskräfte
Wissensmanagement
Aneignung von Wissen zum Thema
Testunterlagen, Fortbildungen
Mitarbeiter-Information
Unternehmenskommunikation über das
Projekt
Ziele, Inhalte, Ablauf, Zeitplan
Feedback Mitarbeiter
Berücksichtigung von Hinweisen von
Mitarbeitern im Projektplan
Hoffnungen, Zweifel, Ängste
Datenschutz
Auswahl eines „sicheren“ Verfahrens
Testauswahl, Ablauf
Freiwillige Teilnahme
Die Einbeziehung von Mitarbeitern erfolgt auf
freiwilliger Basis
Kein Zwang, keine kontrollierte
Teilnahme
Auswertung
Dateneingabe, -auswertung
Auswahl von Personen
Kommunikation Ergebnisse
Präsentation der Ergebnisse innerhalb des
Unternehmens
Personenkreis, Betroffene
Erarbeiten von Lösungen
Ziel ist ein Abgleich der Ist-Situation mit der
Soll-Situation
Optimierungsmöglichkeiten
Einverständnis
Verantwortlichkeiten müssen geklärt sein
Top-down Entscheidungen
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KONZEPT ZUR GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG
Planung
Kommunikation
Analyse
• Projektteam
• Betriebsarzt*
• FaSi
• Vorgesetzte
• Betriebsrat
• Sensibilisierung
• E-Learning*
• Schulung*
• Aktionstag*
• Mobile App*
• Festlegung der
• Ziele
• Ist-Situation
• Soll-Situation
• Information
• Mitarbeiter
• Vorgesetzte
Daten durch
• Projektplan
• Projektpräsentation
Workshop
• Ergebnisse der
Analysebereiche
Analyse
• nach Tätigkeit*
• nach
• Auswertung*
• Darstellung*
Abteilung*
• Erhebung von
•
•
•
•
Vorgesetzte*
Mitarbeiter*
Betriebsarzt*
FaSi*
• Dokumentation
Gefährdungsbeurteilung*
• Erarbeiten von
Lösungen*
• Vorschlag von
Maßnahmen*
Kontrolle
• Krankheitstage
• Gesundheitsrepor
t
• Stimmung
• Mitarbeiterbefragung
• Betriebsarzt*
• Wiedereingliederung*
• Vorsorge*
* Unterstützung durch den Betriebsarzt im Rahmen der bestehenden Betreuung
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PLANUNG DER GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG
Die Verantwortung zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung liegt im Unternehmen
• Als verantwortlicher Projektleiter wird ein Mitarbeiter des Unternehmens bestimmt
• Geschäftsführer, Betriebsleiter, Führungskraft
• Teilnehmer des Projektteams:
* Vorteile des Betriebsarztes:
• Betriebsarzt
Kenntnis vom Unternehmen
• Sicherheitsfachkraft
Bestehender Kontakt zu den Mitarbeitern
• Betriebsrat
Langjährige Erfahrung mit
Gefährdungsbeurteilungen
• Mitarbeiter, Sicherheitsbeauftragte
Durchführung der Vorsorge
• Optional externe Berater: Psychologe
Involviert in die Behandlungen
• Projektplan:
Durchführung von Wiedereingliederungen
im Krankheitsfall
• Erstellung durch das Projektteam
• Inhalt: Was wird wann, wo, mit wem und mit welchen Mitteln durchgeführt?
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STRESSFAKTOREN ERKENNEN
Mögliche psychische Belastungen, die für die Gefährdungsbeurteilung relevant sind:
Arbeitsaufgaben
Arbeitsorganisation
wenig Ganzheitlichkeit (z.B. keine
wenig Handlungsspielraum (z.B. kein
Rückmeldung über die Qualität der
Einfluss auf die Arbeitsschritte)
geleisteten Arbeit)
wenig Vielseitigkeit (z.B. keine
abwechslungsreiche Tätigkeit)
zu viele Arbeitsunterbrechungen
(z.B. dauernde Unterbrechungen
durch Telefonate)
Soziale Beziehungen
wenig soziale Rückendeckung (z.B.
wenig Verständnis oder
Unterstützung durch den
Vorgesetzten)
wenig Zusammenarbeit (z.B. kann
kein Rat von Kollegen eingeholt
werden)
zu viele Umwelteinflüsse (z.B.
zu große inhaltliche Anforderungen
ungünstige klimatische Verhältnisse
(z.B. die Aufgaben sind zu schwierig)
im Büro)
zu wenig Informationsfluss (z.B. wird
über wichtige betriebliche Vorgänge
nicht informiert)
zu zeitaufwendig (z.B. zu viele
Arbeitsaufgaben)
zu wenig Mitsprache (z.B. zu wenig
Mitsprache bei Etablierung neuer
Arbeitsabläufe)
zu wenig Entwicklungsmöglichkeiten
(z.B. keine Aufstiegschancen)
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RESSOURCEN KANN MAN NICHT GENUG HABEN
Ressourcen sind unsere Helfer gegen Stressfaktoren.
• Äußere Ressourcen am Arbeitsplatz:
• soziale Unterstützung
• Handlungsspielräume
• Mitgestaltungsmöglichkeiten
• flexible Arbeitszeiten
• Aufstiegschancen
Sie arbeiten in einem Industriebetrieb
und bedienen eine Maschine. Die
Maschine verursacht einen Höllenlärm,
so dass Sie den ganzen Tag
Gehörschutz tragen müssen. Aber der
Job macht Ihnen Spaß. Sie haben tolle
Kollegen, die Sie auch
privat treffen. Ihr Chef unterstützt Sie
und Sie arbeiten gerade gemeinsam an
einer speziellen Lärmschutzdämmung.
• abwechslungsreiche Tätigkeiten
• Innere Ressourcen am Arbeitsplatz:
• körperliche Leistungsfähigkeit
• innere Widerstandskräfte (Resilienz)
• Selbstvertrauen
• Lebenszufriedenheit
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ANALYSE
Festlegung der Analysebereiche
• (wenn möglich,) entsprechend der bereits vorhandenen Gefährdungsbeurteilung für
anderweitige Belastungen am Arbeitsplatz
• Einteilung nach folgender Hierarchie*:
*Beratung durch den betreuenden Betriebsarzt:
•Vorteilhaft ist die langjährige Betreuung
aller relevanten Tätigkeitsbereiche
Firma
Betrieb
Arbeitsbereich
Tätigkeit
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ERHEBUNG VON DATEN ALS GRUNDLAGE DER
GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG
Die Gefährdungsbeurteilung dient zur Beurteilung der Verhältnisse am Arbeitsplatz.
• Erfassung der Verhältnisse am Arbeitsplatz durch:
− Vorgesetzte und/oder
− Mitarbeiter und/oder
− Betriebsarzt und/oder Sicherheitsfachkraft
• Einsatz von Erhebungsinstrumenten:
− Für Vorgesetzte: Set aus Fragen, die von Experten von Infraserv für eine
Gefährdungsbeurteilung im Industriepark Höchst entwickelt wurden.
− Für Mitarbeiter: Durchführung eines Surveys, z.B. Impulstest, standardisierter Fragebogen
(Empfohlen von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAUA)
− Für Betriebsarzt/Sicherheitsfachkraft: ifaa KPB App (Mobile Applications/iPad), z.B. im
Rahmen von Sicherheitsbegehungen
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BEISPIEL: ERGEBNISPRÄSENTATION
Ergebnisse der Datenanalyse
Daten aus dem Survey (Mitarbeiter)
• Im Mitarbeiter Survey finden sich die größten
Abweichungen zwischen REAL- und WUNSCH-Zahlen
bei den Faktoren „Arbeitsumgebung“, „Information“ und
„Entwicklungsmöglichkeiten“.
• Aus den Daten des Vorgesetzten lassen sich die sozialen
Faktoren als mögliche Quelle von psychischen
Belastungen identifizieren.
• Der Betriebsarzt hat mittelgradige Belastungen in den
Bereichen „Stress“, „Monotonie“ und „psychische
Sättigung“ dokumentiert.
Daten vom Vorgesetzten
Daten von Betriebsarzt/Sicherheitsfachkraft
Bereich
Wert
Bereich
Wert
Stress
5/10
Über/Unterforderung
5/12
Psychische
Ermüdung
4/10
Handlungsspielraum
4/10
Monotonie
5/10
Soziales
6/13
Psychische
Sättigung
5/10
Organisation
5/25
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WORKSHOP – GEFÄHRDUNGEN DOKUMENTIEREN
• Für die betrachteten Belastungen wird auf Basis der erhobenen Daten und der Diskussion im
Workshop eine Einstufung nach dem folgenden Schema vorgenommen:
Eintrittswahrscheinlichkeit für psychische Beeinträchtigung
Berechnung
• 3: vorstellbar, in der Branche bekannt, aber hier noch nicht passiert
• Eintrittswahrscheinlichkeit x Auswirkung x Exposition
• 7: wahrscheinlich, es gibt bereits einzelne Fälle
• Minimaler Wert: 6; maximaler Wert: 150
• 10: sehr wahrscheinlich, bereits viele Fälle im Unternehmen
Beurteilung
Auswirkungen
• Dokumentation nach Ampelfarben:
• 2: Präsentismus; der Mitarbeiter erkrankt aufgrund der
Belastungen nicht, ist aber nicht voll leistungsfähig
• 3: Manifeste Erkrankung als Folge der Belastung möglich
Exposition/Frequenz der Tätigkeit
• 1: Stressfaktor tritt nur intermittierend und unregelmäßig auf
• 2: Stressfaktor tritt auf, jedoch mit nur geringer Ausprägung
• 3: Stressfaktor tritt auf, mit mittelgradiger Ausprägung
• 4: Stressfaktor dominiert die Arbeitssituation
• Rot 100 bis 150
Maßnahmen unverzüglich
einleiten
• Gelb 31 bis 99
Maßnahmen erarbeiten
und durchführen
• Grün 1 bis 30
keine zusätzlichen
Maßnahmen erforderlich
• 5: Dauerstress
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Beispiel: Gefährdungen dokumentieren
BEISPIEL: GEFÄHRDUNGEN DOKUMENTIEREN
Diskussion der Ergebnisse im Workshop
• Teilnehmer: Sicherheitsfachkraft, Betriebsarzt, Führungskraft, Betriebsarzt, ausgewählte Mitarbeiter
• Betriebsarzt/Sicherheitsfachkraft: Moderator und Mediatoraufgaben, Nennung der Problemfelder
• Mitarbeiter: Nennung konkreter Beispiele aus dem betrieblichen Alltag
• Führungskräfte: Akzeptieren der (eventuell unangenehmen) Ergebnisse
• Ergebnis des Workshops: Festlegung auf konkrete Zahlen bezüglich Eintrittswahrscheinlichkeit,
Ausmaß der Auswirkungen und Exposition, daraus Ermittlung einer Bewertung nach dem
Ampelschema
Eintrittswahrscheinlichkeit
Auswirkungen
Exposition
Über/Unterforderung
7
3
3
Handlungsspielraum
7
2
2
Sozialbedingungen
3
2
3
Organisation
3
2
3
Belastungsmerkmal
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Bewertung
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Dr. med. Tobias Rethage
Infraserv Höchst, Arbeitsmedizinisches Zentrum
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