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SEITE 13 Jenseits der LIEBIGSTRASSE
Die App-Millionäre
Drei Leipziger haben eine Online-Version des DDR-Kinderspiels „Misthaufenfahren“ entwickelt –
eine echte Erfolgsstory
Die App „Skill Game“ hat Sebastian Miedtank, Tobias Kassau und Daniel Beer zu
Millionären gemacht – allerdings nur zu
Klick-Millionären. Der finanzielle Durchbruch ist bislang ausgeblieben. Aber was
nicht ist, kann ja noch werden. Ihre Version
des „Misthaufenfahrens“ hat Fans auf der
ganzen Welt.
Der Auslöser ist Kult: Maniac Mansion. Mancher Commodore-64-Besitzer wird sich erinnern. Das Abenteuerspiel in feinster Pixelgrafik
und Flächenfarbdesign aus den späten 80ern
fesselte Millionen Spieler weltweit. Bei Sebastian Miedtank löste der Hype noch mehr aus: Er
begann zu programmieren – ohne, dass ihm
das jemals irgendwer gezeigt hätte. Text-Adventures, also Spiele nach dem Vorbild von
Maniac Mansion, versuchte er zum Laufen zu
bringen. Immer mit an seiner Seite war Kumpel
Tobias Kassau. 25 Jahre ist das schon her.
Seitdem hat sich Vieles geändert in der digitalen
Welt. Der Commodore mit seinem Ein-Megahertz-Prozessor, dem Arbeitsspeicher von 64
Kilobyte und der guten Diskette samt Laufwerk
ist nur noch bei eingefleischten Fans Kult. Heute gibt es wahre Rechenpower schon im kleinsten Format. Das iPhone in der sechsten Generation etwa, mit einem 64-Bit-Zweikernprozessor,
der mit 1,4 Gigahertz getaktet ist und über einen Arbeitsspeicher von 1024 Megabyte verfügt.
Laufwerk? Fehlanzeige! Heute werden Apps aus
digitalen Stores geladen. Also Anwendersoftware aus virtuellen Geschäften.
Genau da setzte Medieningenieur Miedtank,
mittlerweile 39 Jahre alt, wieder an. Vor allem,
Erfolgreiches Entwickler-Trio:
Daniel Beer, Tobias Kassau
und Sebastian Miedtank
(v.l.).
Foto: Dirk Knofe
weil Apple kostenlose Programmier-Werkzeuge
zur Verfügung stellt. Und weil ihn die neue Eingabemöglichkeit interessiert. Schließlich werden Smartphones per Touchscreen gesteuert.
Gemeinsam mit dem Psychologen Mario Stoll
landeten die beiden zunächst einen ordentlichen Flop. Eine Anwendung, mit der herausgefunden werden sollte, wer zu wem passt. Erst
mit einem Geschicklichkeitsspiel kam der Ball
richtig ins Rollen, das Miedtank gemeinsam
mit Stoll erdacht und mit seinem alten Kumpel
Kassau (42) sowie Daniel Beer (38) weiterentwickelt hat.
Weltweit haben sich mehr als sechs Millionen
Menschen das Spiel von der Apple-Plattform
heruntergeladen. Verrückt dabei ist, dass die
Software auf dem Spielprinzip eines alten
DDR-Kinderspiels basiert. „Misthaufenfahren“
wurde mit Papier und Stift gespielt. Heute dagegen mit einem Fingerwisch auf dem Bildschirm von Tablet oder Smartphone. Im Spiel
geht es darum, Zahlen schnellstmöglich miteinander zu verbinden. Dabei ist die Weiterentwicklung weit mehr als ein Kinderspiel. „Es ist
ein gutes Training für die Hand-Augen-Koordination“, erklärt Kassau, der die einzelnen Levels am Bildschirm entwirft. So auch den derzeitigen Sonderwettbewerb, der in der Regel
wöchentlich wechselt. Am Völkerschlachtdenkmal gilt es, klug die Misthaufen anzusteuern.
Dass die 2,99 Euro teure App „Skill Game“
sechs Millionen mal heruntergeladen wurde,
heißt dabei nicht, dass die drei Herren den Erfolg in Bares ummünzen konnten. Millionäre?
Das Trio winkt lächelnd ab. Alle drei gehen arbeiten, werkeln an der App nebenbei. Zehn
Updates gab es seit der Ursprungsvariante.
„Seither ist es zudem zehnmal komplexer als
vorher“, sagt Sebastian Miedtank. Beer widmet
sich der Serveranwendung, damit in der neuen
Multiplayer-Variante alles rund läuft. Denn es
spielen reale Personen gegeneinander. Ein Algorithmus ermittelt gleichstarke Gegner. Mit
Zunahme des eigenen Könnens wächst der
Schwierigkeitsgrad.
Derzeit basteln die Herren an einer farbenfrohen neuen Variante, welche sich mehr auf den
Spielspaß und weniger den Wettbewerbscharakter konzentriert. Der Name steht noch nicht
fest – nur, dass er vor allem nach Spaß klingen
soll. „Wenn wir eine Idee haben, schauen wir
sofort nach, ob es die schon gibt“, erklärt Kassau den derzeitigen Prozess. Und das ist in 99
Prozent der Fall. Also muss weitergesucht werden. Schließlich gilt es, ein Produkt zu platzieren – zwischen Millionen anderen. Dumm nur,
dass heutzutage kaum jemand bereit ist, Geld
für den Zeitvertreib zwischendurch auszugeben.
So lässt sich auch der Erfolg des „Skill Game“
erklären. Denn immer, wenn es in App-Listen
weltweit kostenfrei angeboten wurde, schnellten die Download-Zahlen nach oben. „Der
Markt zerstört sich selbst“, beäugen die Entwickler mit etwas Sorge die Mentalität der User.
Die Lösung sind In-Game-Verkäufe. Dabei ist
das Spiel kostenfrei. „Dann muss es so gut sein,
dass die Leute dabei bleiben und für gewisse
Dinge dann Geld ausgeben“, erklärt Miedtank.
Alexander Bley
Die Liebe wächst
SC DHfK läutet die Handball-Saison mit einer Teampräsentation offiziell ein
n Das ist doch mal Selbstbewusstsein:
Da traut sich an einem dieser Montagabende wegen des Legida-Aufmarschs
so mancher nicht in die Leipziger City,
da ist auch noch Heimspiel der RB-Fußballer, doch die DHfK-Handballer veranstalten Saisoneröffnung. Gaaanz
ungünstiger Termin. Oder?
schwört die Zuhörer immer wieder auf die
„verdammt schwere Mission Klassenerhalt“ ein.
Es ist ein Vortrag von beispielhafter Transparenz und Offenheit. Der DHfK-Macher
wirft Zahlen an die Wand. 2,3 Millionen
Euro beträgt der Saisonetat, davon sollen
zum Beispiel 1,65 Millionen (1,4 Millionen
für den Bundesliga-Kader) von Sponsoren
kommen, 400 000 Euro aus dem Ticketing.
„Wir wollen in Leipzig noch mehr akzepKalkuliert ist ein Zuschauerschnitt von
tiert und geliebt werden“, wünscht sich
3000. Günther sagt auch
Karsten Günther. Dass
offen, dass 150 000 Euro
der Prozess längst im
Sponsorengelder noch
Gang ist, sieht der Mafehlen. Er ist optimisnager leibhaftig vor
tisch, die im Laufe der
sich. Knapp 200 UnterSaison noch auftreiben
stützer, Sponsoren und
zu können.
Freunde des BundesliDer Manager erläutert,
ga-Aufsteigers sind vor
warum welche Spieler
der öffentlichen Teamverpflichtet
wurden
präsentation in den
oder eben nicht. Er erKeller der Moritzbastei
zählt, dass bei der viegekommen, die Sitzlen Fliegerei für Spieplätze reichen nicht.
lersichtungen
Coach
„Ich bin sprachlos“,
Christian Prokop quasi
meint denn auch Günther ob der großen Re- Karsten Günther, Handball-Manager des SC nebenbei seine Flugangst verloren hat.
sonanz. Um dann so- DHfK, führte souverän durch den Abend.
Günther
begründet
fort das Gegenteil zu
auch, warum manche
beweisen: Fast andertder Aufstiegshelden nicht bleiben konnten.
halb Stunden referiert er über Vergangenes
Dann ist da noch ein schöner Satz zum Fall
(„Manchmal muss ich mich zwicken, wir
Aivis Jurdzs: „Alles, was mit Eisenach noch
haben vor acht Jahren als Hobby-Mannzu klären ist, sollten wir am 1. November
schaft angefangen“) und Kommendes,
Trotz Zweitliga-Fußball und Demos gut besucht: Die Saisoneröffnung der SC-DHfK-Handballer.
machen.“ Da kommt der Mitaufsteiger
und Jurdzs-Ärger-Verursacher zum Punktspiel in die Arena. Der lettische Hüne wird
bei der offiziellen Präsentation mit viel
Beifall begrüßt, wie alle DHfK-Jungs, auf
denen so große Hoffnungen ruhen. „Die
Jungs müssen wahnsinnig dicke Bretter
bohren“, nennt Karsten Günther die Aufgabe Klassenerhalt.
Zur Einstimmung wird ein Film mit Hel-
dentaten der Top-Stars der Bundesliga gezeigt. „Jetzt wissen alle Bescheid“, sagt
Günther trocken und ergänzt mit Pathos:
„Was wird, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass wir uns wie Sau darauf freuen.“
Am Schluss gibt‘s dann noch einen Schlenker Richtung RB. Er nehme es niemandem
übel, wenn jemand jetzt zum Fußball abhaue, sagt Günther. Viele sind nicht gegangen. Die Liebe wächst.
Uwe Köster
|
LIEBIGSTRASSE AKTUELL