Das flüssige Werkzeug

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Das flüssige Werkzeug
SPECIAL
> Betriebstechnik
Kühlschmierstoff-Trends
Das flüssige Werkzeug
Biostabil, prozesssicher und frei von Gefahrstoffen – so sieht der ideale Kühlschmierstoff aus. Auf dem KSS-Forum 2013 will man sich dem Ideal nähern. Auch
die Pflege, die Konservierung und die Gefährdungsbeurteilung werden Themen sein.
VON CLAUDIA JÄKEL
> Sven Giesler, Leiter Industrieschmierstoffe bei der Daimler AG und gleichzeitig Tagungsleiter des jährlich stattfindenen
KSS-Forums, und Michael Rocker, Leiter
des Sachgebiets ›Einwirkungen und Medien‹ bei der Berufsgenossenschaft Holz
und Metall, kennen die KühlschmierstoffBranche wie ihre Westentasche. Auf dem
KSS-Forum treffen sie sich jährlich mit
vielen anderen Experten zum Austausch
über die Themen, die KSS-Zuständigen in
den großen Konzernen genauso wie in
Ein-Mann-Unternehmen unter den Nägeln brennen. Die Ergebnisse des letzten
Forums, die sie für die WB Werkstatt + Betrieb zusammenfassten, geben gleichzeitig
einen Ausblick auf die kommende Veranstaltung im Oktober und sind eine Trendsammlung zum Thema Kühlschmierstoff.
KSS-Trends: neue Regularien,
alte Probleme
Die Aktivitäten der EU-Regulierungsbehörden führen zu einer Neueinstufung
von Stoffen und damit indirekt von Zubereitungen. Davon betroffen sind auch
Kühlschmierstoffe und Additive. Insbesondere standzeitverlängernde Additive
wie Bakterizide sind im Fokus. Formaldehyd-Abspalter könnten beispielsweise
nach 2015 zunehmend kritisch betrachtet
und deshalb durch andere Stoffe ersetzt
werden. Zum einen wird das durch die
Additivhersteller initiiert, die befürchten
müssen, dass der Endanwender die Gebinde mit der neuen Kennzeichnung nicht
mehr einsetzen möchte. Ebenso wird es
Mit Kühlschmierstoffen sollte mit derselben Sorgfalt umgegangen werden wie mit
Werkzeugen und Maschinen – fordern die Experten Giesler und Rocker
Nutzer geben, die aktiv auf die Hersteller
zugehen und nach Ersatzprodukten fragen. Ob die Alternativen letztlich für den
Werker an der Zerspanungsanlage Vorteile bieten, hängt davon ab, wie die neuen
Strategien ausfallen und welche Ersatzstoffe ausgewählt werden. Erste Priorität
ist dabei die Produktionssicherheit.
Allein der Austausch von Bakteriziden
muss kein Vorteil sein. Hier gilt es im Sin-
i
VERANSTALTUNG
Kühlschmierstoff-Forum 2013
Praxisforum: Auswahl, Einsatz, Pflege
Carl Hanser Verlag
16. – 17. Oktober 2013
Fellbach bei Stuttgart
Tel. +49 89 99830-674
www.kuehlschmierstoff-forum.de
ne einer Gefährdungsbeurteilung die Alternativen ordentlich zu prüfen. Die Entscheidung muss mit Blick auf die Vorteile
des Werkers oder des Instandhalters der
KSS-Versorgungssysteme abgewogen werden. Schnellschüsse, die als einziges Ziel
das Formaldeyhd verbannen, sind keine
zufriedenstellende Lösung. Die KSS-Hersteller werden sich nicht mehr nur auf einen Bakterizidlieferanten verlassen, sondern auch die eigene Weiterentwicklung
biostabiler Kühlschmierstoffe intensivieren. Es sind schon einige Produkte auf dem
Markt, die zunehmend dem Anspruch der
Biostabilität gerecht werden.
Auch pH-angehobene Kühlschmierstoffe werden künftig an Bedeutung gewinnen. Seit vielen Jahren ist zu beobachten, wie hier schon Biostabilität gegeben
ist und sich der Verbrauch an Bioziden
© Carl Hanser Verlag, München
2013 Carl Hanser Verlag, M nchen
www.werkstatt-betrieb.de/Archiv
WB 9/2013
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern
Bilder: Oemeta Chemische Werke GmbH (Titel), Hanser (1,2)
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drastisch mindern lässt. Diese KSS kombinieren ein gutes Benetzungsverhalten
mit einer feindispersen Ausrüstung und
sind dabei hautverträglich. So können sie
Anlagen sauber halten und sogar als Reiniger eingesetzt werden. Ein Kreislaufsystem bietet sich an, in dem der ›verbrauchte‹ Reiniger (dünner KSS) als
Verlustergänzer im KSS-System noch eine
weitere Anwendung findet. Kostenminderungspotenziale können hier schnell generiert werden.
Kleinanwender und KSS: das
›Werkzeug KSS‹ ernst nehmen
Viele Klein- und Kleinstbetriebe können
sich gar nicht und der Mittelstand nur am
Rande mit der Entwicklung von Kühlschmierstoffen beschäftigen. Der Kühlschmierstoff ist ein Werkzeug, das funktionieren muss. Ist er mit Keimen belastet,
rosten die Bauteile, und die Bearbeitung
ist schlecht. Kommt dann noch eine Geruchsbelästigung dazu, wird spätestens
ausgetauscht. Wird die Bearbeitungsanlage dann nicht richtig gereinigt, weil
die Zeit oder das Wissen über die Zusammenhänge von Biofilmen und Standzeit fehlt, kommt es erneut zu Problemen.
Viele Anwender empfinden das als Teufelskreis. Immer kürzere Standzeiten, verschwendete Arbeitszeit und Unruhe (bis
zum Produktionsstillstand) können die
1 Sven Giesler stellt als Tagungsleiter
des KSS-Forums auch die Probleme der
mittleren und kleinen Unternehmen in
den Mittelpunkt
WB 9/2013
2 Michael Rocker, Vertreter der Berufsgenossenschaft und Fachbeirat beim KSSForum, spricht über das KSS-Regelwerk 37.0
Folge sein. Die gezielte Beschäftigung mit
dem ›Werkzeug KSS‹ wäre die Lösung.
Messschieber oder Werkzeuge werden
vor ihrem Einsatz viel selbstverständlicher
auf Maßhaltigkeit und Funktion überprüft. Würde dem Kühlschmierstoff diese Sorgfalt ebenso zugestanden, wäre das
automatisch die Vorbeugung von Problemen. Ein wöchentliches Messen des pHWertes, der Konzentration und des Nitritgehaltes ist nicht nur eine Forderung des
Gesetzgebers, sondern ein wichtiger Baustein für das Schärfen und das Instandhalten des Kühlschmierstoffs. Wenn diese
Expertise nicht im Unternehmen ist, kann
sich jeder Anwender den Kühlschmierstoff-Händler zur Unterstützung in den
Betrieb holen. Falls dieser Support nicht
zufriedenstellend ist, sollte der Anwender
den Händler wechseln.
Umgang mit Gefahrenstoffen,
Nachweispflichten
Größere Firmen sind durch den vielfältigen Einsatz von Hilfsstoffen und GGAs
(Gefahrgut, Gefahrstoff und Abfall) zum
großen Teil schon seit Jahrzehnten mit eigenen Organisationseinheiten für Umwelt- und Arbeitsschutz bis hin zu eigenen
Laboratorien ausgerüstet. Das ist auch der
hohen Anzahl von Mitarbeitern geschuldet, die dann mit diesen Stoffen umgehen.
Hohe krankheitsbedingte Ausfallzeiten
von Mitarbeitern können sich diese Firmen nicht leisten. Mittelstand und Kleinbetriebe können von den Entwicklungen
der großen Firmen profitieren. Ein KSS,
der hochstabil in einer 400-m3-Zentral-
anlage läuft und nur sehr weniger chemischer Pflege bedarf, wird in einer dezentralen kleinen Bearbeitungsanlage besser
als das bisherige Produkt laufen. Eine gute
Hautverträglichkeit müssen heutige Produkte von Beginn an definitiv nachweisen.
Die Forderung, dass Kühlschmierstoffe oder Reiniger beim Kontakt mit Metallen diese nicht komplexieren dürfen, ist
wichtig für die Abwasserentsorgung.
Zum Beispiel dann, wenn Firmen Indirekteinleiter sind und Abwasser (Permeat)
an kommunale Kläranlagen abgeben.
Solche Umwelteigenschaften des Kühlschmierstoffs sollten im Vorfeld vom Hersteller eingefordert und deren Einhaltung
überprüft werden. Das ist günstiger, als eine betriebliche Abwasservorbehandlung
einzurichten oder Abwasser als Sonderabfall zu entsorgen.
KSS-Forum im Oktober
Im Herbst steht für die KSS-Gemeinde
nach der EMO 2013 das Kühlschmierstoff-Forum am 16. und 17. Oktober an,
das dieses Jahr in Fellbach bei Stuttgart
stattfinden wird. Redner von ZF Friedrichshafen, Manroland und Rolls Royce
werden vertreten sein. An einer Podiumsdiskussion zum Thema ›Umgang mit Gefahrenstoffen‹ werden neben Moderator
Giesler Dr. Stephan Baumgärtel, Vorsitzender des Verbands Schmierstoff-Industrie e.V., Prof. Dr. med. Manigé Fartasch,
Abteilungsleiterin Berufsdermatologie bei
der DGUV, und Dr. Fritz Kalberlah vom
Forschungsinstitut Gefahrstoffe GmbH in
Freiburg teilnehmen. Eine Firmenbesichtigung beim Messer- und Werkzeughersteller Friedrich Dick in Deizisau gibt einen Einblick in eine Kreislaufführung von
Kühlschmierstoff und Abwasser in einer
Schleiferei. Die Geschäftspartner von Dick
aus dem KSS-Bereich wie die Chemischen
Werke Kluthe, die Kade Oil GmbH oder
das Unternehmen Reber Systematik GmbH
& Co. KG werden mit Ansprechpartnern
vertreten sein.
Tagungsleiter Giesler will mit seinen Referenten den Nachweis erbringen, dass es
sich lohnt, in Kühlschmierstoffe und deren Überwachung Zeit zu investieren. Hohe Standzeiten der Kühlmedien, Prozesssicherheit und zufriedene Mitarbeiter sind
die angenehmen Folgen. ❚
> WB110824
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