ADFC Radwelt 04/14

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ADFC Radwelt 04/14
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RIEMENANTRIEB. Unausgereifte Riemenantriebe
scheiterten in der Vergangenheit in der Praxis. Erst
Gates hat in den letzten Jahren seinen Carbonriemen
am Markt etabliert, Continental zieht nun nach. Kann
der Zahnriemen die Kette verdrängen oder bleibt er
eine Nische der Avantgarde?
W
er mit verbundenen Augen auf einem der ausprobierten Modelle in die Pedale tritt, dürfte
keinen Unterschied zum Kettenantrieb feststellen: Die Muskelkraft überträgt sich auch bei kräftigem Antritt direkt und verzögerungsfrei auf das Hinterrad – nur ungewohnt lautlos. Leise, sauber, wartungsarm – das sind die Vorteile des eleganten Riemens. Auch
sein Wirkungsgrad ist inzwischen mit dem einer Kette
vergleichbar.
Wer aber eine Kettenschaltung bevorzugt, ist beim
Riemenantrieb raus – er funktioniert nur mit einer Nabenschaltung oder einer Tretlagerschaltung wie dem
Schlumpf-Zwei-Gang-Getriebe oder der Pinion. Reicht
der Übersetzungsbereich einer 8- und 11-Gang-Nabenschaltung nicht aus, müssen Rohloffs 14-Gang-Speedhub oder das 16-Gang-Pinion-Getriebe her und rund
1.000 Euro mehr auf den Ladentisch.
Enge Toleranzen erfordern besondere Rahmen. Der Zahnriemen ist endlos, daher muss die Riemenlänge genau zur Kombination von vorderer und
hinterer Riemenscheibe und deren Abstand zueinander
passen. Die Hersteller geben feste Übersetzungspaarungen vor, um die Riemenlängen und Menge der Ersatzteile zu begrenzen.
Eine Fahrradkette gleicht seitliche Toleranzen, wie sie
bei Kettenschaltungen durch den Schräglauf vorkommen, gut aus. Beim Zahnriemen sind die Toleranzen sehr
viel enger. Werden sie nicht eingehalten, läuft der Riemen
seitlich von den Riemenscheiben herunter. Dass verhindern zwar die sogenannten Bordscheiben, die die Zahnscheibe seitlich begrenzen, dennoch springt der Riemen
leichter ab, verschleißt schneller oder reißt sogar. So müs-
Da der endlose
Riemen nicht teilbar
ist, muss der Rahmen
am Hinterbau zu
öffnen sein.
sen Tretlager- und Hinterradachse absolut parallel zueinander stehen. Die Riemenhersteller lassen maximal 0,3
Grad (Gates) oder 0,5 Grad (Conti) Abweichung zu. Dies
überschreiten normale Fahrradrahmen schon bei einem
kräftigen Tritt in die Pedale. Außerdem darf der seitliche
Versatz zwischen vorderer und hinterer Riemenscheibe
nicht mehr als 2 mm (Gates) oder 3 mm (Conti) betragen.
Rahmen für riementaugliche Fahrräder müssen also deutlich steifer und maßhaltiger gebaut werden. Zudem muss
sich das hintere Rahmendreieck öffnen lassen, damit der
endlose Riemen montiert werden kann.
Riemenspannung und Teilung. Einerseits muss
der Zahnriemen gespannt sein, damit seine Zähne sicher in die Riemenscheiben eingreifen. Andererseits
darf die Spannung nicht so hoch sein, dass die Kugellager in Tretlager und Hinterradnabe dauerhaft überlastet
werden und der Antrieb schwergängiger wird. Daran
sind frühere Zahnriemenversuche gescheitert.
Die erforderliche Riemenspannung hängt auch von
der Dimension des Zahnriemens ab. Bei Gates-Riemen
beträgt der Abstand von Zahn zu Zahn 11 mm, die soge-
Fotos: Hersteller, Peter Barzel
Die kleinen Unterschiede
Gates Carbondrive hat eine 11er-Teilung
und spezielle Fahrradriemen. Das anfängliche Mudport-System (CDC) mit je einer
seitlichen Bordscheibe hat der Hersteller
gegen das Centertrack-System (CDX) ausgetauscht. Hier ersetzt ein Mittelsteg die
seitlichen Bordscheiben, und der Riemen
hat einen umlaufenden Schlitz in der Zahnmitte (siehe S. 22). Das Angebot an Riemenscheiben und -längen für Naben- und Tretlagerschaltungen (Shimano, Sram, Nuvinci,
Rohloff, Pinion) ist schon sehr umfangreich.
Continental setzt mit dem Conti Drive
System (CDS) auf die 14er-Teilung. Der mit
Aramid-Fasern verstärkte Zahnriemen entspricht äußerlich den Conti-Industrieriemen, wurde aber fürs Fahrrad modifiziert.
Die Riemenscheiben haben je eine seitliche
Bordscheibe (vorne außen und hinten
innen) in Zahnform, um Gewicht zu sparen.
Das ausprobierte Rad mit dem Conti Drive
funktionierte einwandfrei. Erste Serienräder
sollen 2015 erhältlich sein.
Haberstock Mobility kombiniert beim
Advanced Belt Drive die 14er-Teilung mit
einem Carbonriemen. Die Riemenscheiben
sind aus dem Vollen gefräst und haben je
zwei seitliche Bordscheiben mit Auswurföffnungen. Spezielle Adapterscheiben
ermöglichen die Feineinstellung der Riemenflucht an den Riemenscheiben. Die Riemenscheiben können mit dem SchlumpfTretlagergetriebe kombiniert und farblich
eloxiert werden.
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Die Vorspannung des Riemens muss stimmen,
damit er richtig funktioniert.
nannte 11er-Teilung des Riemens erfordert eine leichte Vorspannung,
damit er nicht überspringt. Conti und Haberstock setzen auf eine 14erTeilung, damit auf größere Riemenscheiben und benötigen fast keine
Vorspannung, das verbessert geringfügig den Wirkungsgrad. Einstellen kann man die Riemenspannung über verschiebbare Ausfallenden
oder ein exzentrisch gelagertes Tretlager.
RADELN
IM NÜRNBERGER LAND
Fahrspaß für Genießer
und ambitionierte Radler
Zahlreiche Routen auf ebenen oder
auch anspruchsvollen Wegen führen
durch abwechslungsreiche Landschaft,
vorbei an gemütlichen Wirtshäusern
und Biergärten, hin zu fränkischen
Kultur-Highlights. Radwanderer,
E-Bike-Fahrer oder Mountainbiker –
im Nürnberger Land gibt es für jeden
das passende Angebot!
Der Riemenantrieb funktioniert
nur mit einer Naben- oder
Tretlagerschaltung.
Zugfestigkeit und Wartung. Kette und Riemen unterliegen
Unter Last
darf sich
der Riemen
weder
längen, noch
reißen.
beim Fahrrad wechselnden Antriebskräften mit hohen Spitzenlasten,
etwa beim Wiegetritt. Unter Last darf sich der Riemen weder längen,
noch darf er reißen. Der Conti-Riemen hat schon ohne Carbonverstärkung eine Zugfestigkeit von 1.500 kg. Gates und Haberstock erhöhen
die Zugfestigkeit noch durch Carbonfasern. Damit längt sich der Riemen praktisch nicht mehr. Die Lebensdauer ist dennoch begrenzt:
20.000 Kilometer nennen die Hersteller.
Ein korrekt eingestellter Zahnriemenantrieb ist praktisch wartungsfrei, die Riemenscheiben sind selbstreinigend und drücken
Schmutzpartikel oder Schnee seitlich mit den Zähnen heraus. Montage und Demontage des Riemens erfordern aber viel mehr Sorgfalt als
beim Kettenantrieb. Das gilt auch für den Ein- und Ausbau der Laufräder. Carbonfasern sind in Längsrichtung unempfindlich und hochfest,
quer aber hochempfindlich gegen Bruch, dürfen daher nicht geknickt,
eng gebogen oder verdreht werden.
Fazit und Perspektive. Gates Carbondrive hat sich bereits viel-
Radelbroschüre inkl. Karte gleich bestellen!
Nürnberger Land Tourismus
Waldluststraße 1
91207 Lauf a. d. Pegnitz
Tel. 09123 950-6062
[email protected]
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urlaub.nuernberger-land.de
fach bewährt. Contis Drive-System und Haberstocks Advanced Belt
Drive erscheinen serienreif, die Testräder jedenfalls funktionierten tadellos. Für jedes der drei Systeme muss ein Aufpreis von etwa 150 Euro
gegenüber dem Kettenantrieb einkalkuliert werden.
Im hochwertigen Urban- und Trekkingradbereich hat der Zahnriemen Chancen am Markt. Bei Reiserädern, sportlichen Rädern und im
Massenmarkt wird weiter auf die bewährte, unkompliziertere Kette
gesetzt werden. Kritiker des Riemenantriebs halten den Fertigungsaufwand beim Rahmen für zu hoch und argumentieren zu Recht, dass
eine Nabenschaltungskette – im Kettenkasten wartungsarm verpackt
– über 10.000 km Lebensdauer erreichen kann. Und was die Hose
angeht: Vorm Einklemmen zwischen Riemen und Riemenscheibe
sollte sie auch geschützt werden.
Aufgrund seiner höheren Zugfestigkeit ist der Riemen aber für
Pedelecs mit Mittelmotor eine Perspektive, da die höhere Antriebsleistung aus Motor und Muskelkraft eine Fahrradkette schnell an ihre
Grenzen bringt.
Peter Barzel
FLUX
A10 F
WOLF & WOLF
S TA D T V E L O
Klassik und Moderne: Chiyoda steht in
japanischen Buchstaben auf dem Rahmen.
Japan-Kenner wissen, dass der Stadtbezirk
Chiyoda in Tokios Mitte mit Kaiserpalast,
Regierungssitz und Finanzzentrum als politisches und wirtschaftliches Zentrum für das
Alte, das Neue und das Wichtige steht. Dazu
passt das Fahrrad: Mit dem klassischen
Stahlrahmen und mit neuester Technik ausgestattet strahlt das Chiyoda nicht nur
kaiserliche Eleganz aus, sondern hat seinen
Platz in der Mitte des urbanen Lebens.
Leichtfüßig, flott und wendig geht es damit
ins Büro, auf die Fitnessrunde oder in die
Oper. Typisch Tout Terrain ist der Lenkanschlag. Besonders elegant ist das neue, in
die Sattelstützenklemme integrierte Dynamo-Rücklicht Cinq C-Light. Scheibenbremsen bremsen das Rad sauber ab. Mit optionalem Gepäckträger taugt es für die Radreise, die Rohloff-Nabe macht es bergtauglich,
und die Fans von Rohloff und Druckhebelschaltern werden die gut funktionierenden
neuen Cinq-Shift R dankbar begrüßen.
Aufrecht im 21. Jahrhundert: Das kommt
heraus, wenn sich ein Liegeradbauer damit
beschäftigt, wie man das Fahrrad für die
weiterhin aufrecht Sitzenden komfortabel
und effizient zugleich gestalten kann. Ein
flacher Sitzwinkel wie beim Hollandrad
zwingt zwar zum Schiebetritt, ist aber überraschend effizient und flott bergauf. Das
liegt einerseits an der auf geringes Gewicht
und Leichtlauf ausgelegten Ausstattung
wie den breiten Felgen mit der Marathon
Racer-Bereifung, andererseits an dem speziellen Multipositionslenker. Man sitzt aufrecht mit entspannten Schultern oder etwas
nach vorne geneigt, um bergauf und gegen
den Wind mehr Körperspannung aufbauen
zu können. Die serienmäßige Federsattelstütze ist mehr als angenehm bei der
aufrechten Sitzweise. Der spezielle Vorderradgepäckträger ist rahmenfest, ein Lenkertaschenadapter integriert. Dank 11-GangGetriebe im Ölbad gleitet das A10F (F = Felgenbremse) mit dem Zahnriemenantrieb
nahezu lautlos dahin.
Weniger ist mehr: Die Gebrüder Wolf und
ihr Vater sind vor allem Pädagogen. Reduzierung auf das Wesentliche und Selbstmachen sind ihre Maximen. Wer ein eigenes
Liege- oder Stadtrad von ihnen haben
möchte, ist dazu eingeladen, dies in einem
Workshop unter Anleitung selbst zu bauen
– selbstverständlich mit Maßrahmen und
auf das eigene Körpergewicht angepasst.
Das Stadtvelo ist im Grunde ein Singlespeed
und wird durch das 2-Gang-Tretlagergetriebe von Schlumpf zum „Doublespeed“. Die
Übersetzung wird über die Größe der Riemenscheiben individuell angepasst. Die etwas breiteren Rennradreifen (28 mm) sind
schnell und stadttauglich. Schaltzüge entfallen, geschaltet wird mit dem Fersenkick.
Und die Bremsleitungen der hydraulischen
Scheibenbremsen verlaufen fast komplett
in Vorderradgabel und Rahmen. Schutzbleche, Gepäckträger und Beleuchtung sind
Option. Stilsicher: der klassische Trainingsbügel als Lenker und Brooks Ledersattel B17.
So schön einfach kann ein Stadtrad sein.
Das ausgezeichnet verarbeitete und hochwertige Urban Bike vereint Klassik und Moderne. Ein Lieblingsrad für jeden Tag und auf
lange Zeit. Linien auf dem Exzenterlager erleichtern die Einstellung der Riemenflucht.
Qualität bis ins Detail.
Komfortabel und effizient, selbst bergauf.
Viele durchdachte Detaillösungen sind
nicht nur praktisch, sondern fördern die ergonomische Anpassung und die Lust am
Radfahren. Ein Rad für tiefenentspanntes
Fahren im Alltag und auf Tour.
Weniger Rad geht nicht: Ein Rahmen, zwei
Räder und der Antrieb. Die Scheibenbremsen passen zur aufgeräumten Optik wie
Schlumpf-Getriebe und Zahnriemen. Das
i-Tüpfelchen sind die im Rahmen verlegten,
fast unsichtbaren Bremsleitungen.
RIEMENANTRIEB: Gates Carbon Drive CDX
RIEMENSPANNUNG: Exzentertretlager
ÜBERSETZUNG: 50/19 Zähne: 1,48/7,79 m*
RAHMEN/GABEL/GRÖSSEN: Stahl/M,L
SCHALTUNG: Rohloff Speedhub 500/14 Disc
BREMSEN: Hydr. Scheibenbremsen Shimano Deore
BELEUCHTUNG: Nabendynamo Shimano DH-3D72,
Supernova E3 Pure 3, Cinq C-Light
REIFEN: Schwalbe Supreme 42-559
GEPÄCKTRÄGER: optional
GEWICHT/ZUL. GESAMTGEWICHT: 13,7 kg/160 kg
PREIS: 3.230 Euro (ab 1.690 Euro)
INFO: www.tout-terrain.de,
www.gatescarbondrive.com
RIEMENANTRIEB: Conti Drive System
RIEMENSPANNUNG: Exzentertretlager
ÜBERSETZUNG: 43/23 Zähne: 2,02/8,25 m*
RAHMEN/GABEL/GRÖSSEN: Alu/40, 46, 52 cm
SCHALTUNG: Shimano Alfine 11-Gang
BREMSEN: Hydr. Felgenbremsen Magura HS 33
BELEUCHTUNG: Nabendynamo SP PV-8, B+M IQ Cyo R
senso plus, B+M Toplight Flat S plus
REIFEN: Schwalbe Marathon Racer 47-559
GEPÄCKTRÄGER: Racktime Standit, Flux Rack-F (vorne)
GEWICHT/ZUL. GESAMTGEWICHT: 16,8 kg/135 kg
PREIS: 2.150 Euro (ab 1.900 Euro)
INFO: www.flux-fahrraeder.de,
www.conti-drive-system.de
RIEMENANTRIEB: Advanced Belt Drive
RIEMENSPANNUNG: Exzentertretlager
ÜBERSETZUNG: 38/21 Zähne: 3,85/6,36 m*
RAHMEN/GABEL/GRÖSSEN: Stahl/45-62 cm
SCHALTUNG: Schlumpf Speed Drive (2-Gang)
BREMSEN: Hydr. Scheibenbremsen Shimano BR-M447
BELEUCHTUNG: optional
REIFEN: Schwalbe Durano 28-622
GEPÄCKTRÄGER: optional
GEWICHT/ZUL. GESAMTGEWICHT: 9,9 kg/ab 110 kg
PREIS: 3.260 Euro (in Kleinserie ab 2.690 Euro)
INFO: www.wolfundwolf.ch,
www.haberstock-mobility.com
FA Z I T
TOUT TERRAIN
C H I YO DA
D AT E N
Fotos: Hersteller, Peter Barzel
AUSPROBIERT RIEMENANTRIEB
* pro Kurbelumdrehung
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