Corporate Law Newsletter

Transcrição

Corporate Law Newsletter
4. Quartal 2012
Corporate Law Newsletter
Neuste
Rechtsprechung und
aktuelle
Entwicklungen
aus dem Bereich
Corporate Law
Inhalt
In eigener Sache
3Die Ernst & Young Law GmbH baut
Kartellrechtspraxis auf!
Brennpunkt
4Die Hauptversammlungssaison
2013 – Themen, Trends und Ausblick
7Einheitliches EU-Patent beschlossen
9Entfristung des Überschuldungs­
begriffs gem. § 19 Abs. 2 InsO
12E-Mail-Werbung – unlauter trotz
„Double-opt-in“-Verfahren?
Rechtsprechung aktuell
14
Keine Formbedürftigkeit der Vereinbarung zur Übernahme der Kosten
einer Due Diligence in einem
„letter of intent“
16BGH: Gewährleistung durch Nacherfüllung umfasst in Kaufverträgen
zwischen Unternehmern oder
zwischen Verbrauchern grundsätzlich weder Aus- noch Einbaukosten
18 Verweigerung einer Auszahlung von gebundenem Kapital nach dem
Ausscheiden eines Gesellschafters
19 Vorrang des Aktienrechts vor
dem Kommunalrecht
21 Anforderungen an die Bericht erstattung des Aufsichtsrats
23Insolvenzverursachungshaftung
des Geschäftsführers
25 Strafbarkeit von Submissionsab sprachen und Haftung einer
juristischen Person für unterlassene Aufsichtsmaßnahmen
Aktuelle Meldung
27 8. GWB-Novelle vor dem Scheitern?
28 Reform des Beschäftigtendaten-
schutzes wieder aktuell
28 Auskunftsansprüche auch von
mittelbaren Gesellschaftern
29 Vorschläge für Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2013 veröffentlicht
30Ansprechpartner
2
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Zum 1. Januar 2013 wechselte der Kartellrechtler Marcus Mayer (37),
zuletzt Assoziierter Partner bei Gleiss Lutz, in das Stuttgarter Büro von
Ernst & Young Law GmbH. Er übernimmt bei Ernst & Young Law GmbH
bundesweit die Verantwortung für das Kartell- und Wettbewerbsrecht.
Marcus Mayer hat bislang zahlreiche Mandanten, insbesondere aus
Industrie und Handel, umfassend im deutschen und europäischen Kartellrecht sowie in Kartellbußgeldverfahren und in der Fusionskontrolle
be­raten. Er verfügt zusätzlich über umfangreiche Erfahrung beim Aufbau,
der Einführung und der Umsetzung von Compliance Programmen und wird
daher bei Ernst & Young Law GmbH auch das Legal Compliance Team in
kartellrechtlichen Fragestellungen unterstützen.
In eigener Sache
Die Ernst & Young Law GmbH baut
Kartellrechtspraxis auf!
Kontakt
Marcus Mayer
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart
Telefon + 49 711 9881 11203
[email protected]
Die neue Kartellrechtspraxis umfasst folgende Schwerpunkte:
•Beratung und Vertretung in Ermittlungs- und Bußgeldverfahren der
Europäischen Kommission und des Bundeskartellamtes sowie in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit den Kartellbehörden
•Kartellrechtliche Compliance-Beratung (z.B. Konzipierung und
Durchführung kartellrechtlicher Präsenzschulungen, Erstellung von
Compliance-Unterlagen wie Leitfäden und Handbücher) und kartellrechtsbezogene Unterstützung beim Aufbau und der Implementierung
von Compliance-Systemen
•Beratung und Unterstützung bei internen Ermittlungen wegen eines
möglichen Kartellverstoßes sowie ggf. die Vorbereitung und Durch­
führung von Kronzeugen-Anträgen
•Prüfung, konzeptionelle Planung und Durchführung von Fusions­
kontrollverfahren in Deutschland, der Europäischen Union und
welt­weit (multi-jurisdictional filings)
•Beratung beim Abschluss von Kooperationen zwischen Wettbewerbern
(z.B. Forschungs- & Entwicklungskooperationen, Joint Ventures,
Arbeitsgemeinschaften, Spezialisierungsvereinbarungen)
•Gestaltung von kartellrechtskonformen Vertriebsvereinbarungen
mit Zulieferern oder Abnehmern und Lizenzverträgen
•Erstellung der erforderlichen „Selbstveranlagungen“ für kartellrechtlich relevante Vereinbarungen mit anderen Unternehmen
3
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Die Sprecher der Schutzvereinigungen betonen zunehmend die Rolle des Aufsichtsrats
Brennpunkt
Die Hauptversammlungssaison 2013 – Themen, Trends und Ausblick
Nach einer kürzlich veröffentlichten
Pressemitteilung des Deutschen Aktien­
instituts konnte im ersten Halbjahr 2012
ein Anstieg von 1,5 Mio. Anlegern ver­
zeichnet werden. Insgesamt sind 10,2 Mio.
Anleger direkt oder indirekt in der Aktie
investiert. Dies entspricht 15,7 Prozent
der Gesamtbevölkerung. Die Aktionärs­
quote in Deutschland hat damit fast
wieder das Niveau von 2007 erreicht.
Hauptversammlungen erfreuen sich nach
wie vor einem regen Interesse bei den
Aktionären. Der nachfolgende Beitrag
soll einen Überblick betreffend mögliche
Themenschwerpunkte bieten.
Reform des Anfechtungsrechts wird 2013
weiter Auswirkungen zeigen
Die Reform des aktienrechtlichen Anfechtungsrechts war auch in der Hauptversammlungssaison 2012 spürbar. Insbesondere die mit dem Gesetz zur Umsetzung der
Aktionärsrechterichtlinie („ARUG“) vom
30. Juli 2009 eingeführte Straffung des
Freigabeverfahrens durch eine erstinstanz­
liche Entscheidung des Oberlandesgerichts
verminderte aufgrund der deutlichen
Beschleunigung des Verfahrens den Anreiz
von Klagen gegen Strukturentscheidungen.
Damit hat sich die der damaligen Reform
zugrundeliegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Sperrwirkung der Anfechtungsklage das maßgebliche Druckmittel bei
missbräuchlichen Anfechtungsklagen darstellt, bestätigt. Eine weitere Entlastung
brachte die damals in § 246a II Nr. 2 AktG
4
aufgenommene Regelung, dass ein Kläger
im Freigabeverfahren ein Quorum am
Grundkapital von zumindest 1000 Euro
nachweisen muss. Durch die damalige Verlängerung der Geltungsdauer von Ermächtigungen zum Erwerb eigener Aktien wurden
die Tagesordnungen ebenfalls deutlich entlastet, da eine jährliche Befassung der
Hauptversammlung mit diesem Thema nun
nicht mehr erforderlich ist. Der Schwerpunkt von professionellen Anfechtungs­
klägern verschob sich dementsprechend in
Richtung der Entlastungsbeschlüsse, die im
Jahr 2012 sehr häufig Gegenstand von
Anfechtungsklagen und gerichtlichen Entscheidungen waren. Auch Sonderprüfungsanträge erfreuten sich insbesondere mit
dem Blickwinkel der Organhaftung zunehmender Beliebtheit. Von der durch das
ARUG eingeführten Möglichkeit der Abhaltung von virtuellen Hauptversammlungen
wird auch weiterhin kaum Gebrauch
gemacht.
Die Hauptversammlung 2013 wird ebenfalls
von der Reform des Anfechtungsrechts profitieren; der bereits im Jahr 2012 spürbare
Trend des Rückgangs der absoluten Anzahl
der Anfechtungsklagen sollte sich im kommenden Jahr fortsetzen. Im kommenden
Jahr wird voraussichtlich die ursprünglich
für 2012 geplante Aktienrechtsreform in
Kraft treten. Die geplante Befristung der
Nichtigkeitsklage wird im Jahr 2013 zusätzliche Rechtssicherheit bringen und „Huckepack-Klagen“ verhindern.
Bericht des Aufsichtsrats an die Haupt­
versammlung
Die Sprecher der Schutzvereinigungen
betonen zunehmend die Rolle des Aufsichtsrats, der damit noch stärker in den
Fokus der Hauptversammlung rückt und
dabei auch Adressat von Fragen wird. Dabei
werden die gesetzlichen und durch den
Kodex geregelten Pflichten des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung über seine
Tätigkeit zu berichten, zunehmend auch
Gegenstand von Anfechtungsklagen, die
sich gegen die Entlastung des Aufsichtsrats
richten. So hatte das OLG Frankfurt die
Entsprechenserklärung einer Aktiengesellschaft beanstandet, da die im Kodex vorgesehenen Angaben über aufgetretene Interessenkonflikte im Bericht des Aufsichtsrats
seiner Auffassung nach nicht im gebotenen
Umfang gemacht worden seien. Das Gericht
vermisste dabei die namentliche Nennung
des betroffenen Mitglieds und Hinweise auf
sein Stimmverhalten (vgl. OLG Frankfurt/M,
Az.: 5 U 104/10). In einem kürzlich veröffentlichten Urteil war der Bundesgerichtshof hier anderer Meinung. Demnach ist in
solchen Fällen weder eine namentliche Nennung des betroffenen Mitglieds noch eine
Offenlegung des Abstimmungsverhaltens
erforderlich (vgl. BGH vom 10.07.2012
Az.: II ZR 48/11). Es ist zu erwarten, dass
die Berichterstattung des Aufsichtsrats
auch im kommenden Jahr 2013 einer
kritischen Würdigung unterzogen werden
wird. •
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Brennpunkt
Die Hauptversammlungssaison 2013 – Themen, Trends und Ausblick
• Fortsetzung
Hierzu hat OLG Düsseldorf (Urt. v.
22.11.2012, I-6 U 18/12) kürzlich entschieden, dass über Interessenkonflikte
im Aufsichtsrat nach dem Deutschen
Corporate Governance Kodex nur berichtet
werden muss, wenn diese tatsächlich aufgetreten sind. Negativerklärungen sind nicht
erforderlich.
Entlastungsbeschlüsse und Verträge
mit Aufsichtsratsmitgliedern nach
§ 114 AktG
Verträge, mit denen Aufsichtsratsmitglieder
oder Gesellschaften, an denen diese beteiligt sind, mit Dienstleistungen außerhalb
ihrer Aufsichtsratstätigkeit beauftragt werden, sind ebenfalls zunehmend Gegenstand
von Kritik und Anfechtungsprozessen. In
einem mit Spannung erwarteten Urteil
äußerte sich der Bundesgerichtshof im Rahmen eines Anfechtungsprozesses, der sich
gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat richtete, zu den Anforderungen
bei der Beauftragung von Aufsichtsratsmitgliedern mit Dienstleistungen außerhalb
ihrer Tätigkeit als Aufsichtsrat (vgl. BGH
vom 10.07.2012 Az.: II ZR 48/11). Zu
Beginn des Jahres hatte sich das Landgericht Köln ebenfalls mit Rechtsgeschäften
nach § 114 AktG bei einer börsennotierten
Aktiengesellschaft befasst (Urteil vom
12.01.2012, Az.: 91 O 77/11), aber eine
Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses für
den Aufsichtsrat wie der Bundesgerichtshof
letztendlich wegen der damals unklaren
Rechtslage verneint. Sofern Aktiengesellschaften solche Vertragsverhältnisse unterhalten, dürften kritische Fragen nach dem
in diesem Zusammenhang praktizierten
Verfahren zu erwarten sein.
5
Das Superwahljahr 2013: Qualifikation
und Unabhängigkeit bei Wahlen zum Auf­
sichtsrat
Im kommenden Jahr 2013 sind im DAX 30
insgesamt 76 Aufsichtsratsmandate auf der
Kapitalseite zu besetzen. Dies ist Grund
genug, sich eingehend mit den im Zusammenhang mit Wahlvorschlägen zu veröffentlichenden Informationen zu befassen.
Aufgrund der aktienrechtlichen Vorgaben
der §§ 125 Abs. 1, 124 Abs. 2 und 3 AktG
ist neben der Angabe, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat
zusammensetzt, derzeit noch die formelhafte Angabe erforderlich, ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist.
Angaben zur Bindung an Wahlvorschläge
sollen nach den in der Aktienrechtsreform
2012 vorgesehenen Änderungen künftig
nur noch erforderlich sein, wenn eine Bindung der Hauptversammlung an Wahlvorschläge vorliegt. Zusätzlich zum Wahlvorschlag des Aufsichtsrats sind nach den vorgenannten gesetzlichen Vorgaben Angaben
zu Mitgliedschaften des Kandidaten in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten
und in vergleichbaren in- und ausländischen
Kontrollgremien von Wirtschaftsunternehmen erforderlich. Daneben sind Name, ausgeübter Beruf und Wohnort anzugeben. Die
Berufsangabe kann insbesondere bei Kandidaten mit unterschiedlichen beruflichen
Schwerpunkten spannend sein – Berufsbezeichnungen wie „Rechtsanwalt“ oder
„Steuerberater“ reichen nicht aus; es ist
eine konkrete Bezeichnung der Tätigkeit
erforderlich. Die Praxis geht über diese
gesetzlichen Mindestvorgaben inzwischen
deutlich hinaus. Schutzvereinigungen verlangen inzwischen die Veröffentlichung aussagekräftiger Lebensläufe von Kandidaten,
die vom Aufsichtsrat zur Wahl in das Gremium vorgeschlagen werden. Auch im
Anfechtungsprozess werden angeblich
unzureichende Auskünfte zur Qualifikation
von Wahlkandidaten häufiger zum Anlass
genommen, Beschlüsse anzufechten
(vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 22.11.2012).
Der Kodex verlangt ferner, mit dem Wahlvorschlag die persönlichen und die
geschäftlichen Beziehungen des Kandidaten
zum Unternehmen, den Organen der Gesellschaft und einem wesentlich an der Gesellschaft beteiligten Aktionär offenzulegen
(Ziff. 5.4.1 Abs. 4 DCGK). Aufgrund der
Unbestimmtheit dieser Begriffe resultieren
aus diesen Angaben zusätzliche Anfechtungsrisiken für Wahlbeschlüsse im kommenden Jahr. Kandidatenvorschläge für
den Aufsichtsratsvorsitz sind aufgrund von
Ziff. 5.4.3 des Kodex den Aktionären
bekannt zu geben. Vorschläge des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung werden kritisch darauf geprüft werden, ob
diese (entsprechend Ziff. 5.4.1 des Kodex)
die vom Aufsichtsrat konkret benannten
Ziele für seine Zusammensetzung berücksichtigen. Die Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern wird auch im Jahr 2013
nicht zuletzt vor der Frage seiner Zusammensetzung und den veröffentlichten Zielsetzungen für die Zusammensetzung lebhaft diskutiert werden. Die in der Politik
geführte kontroverse Diskussion über die
Einführung einer festen Quote für Frauen in
Top-Positionen großer Unternehmen und
die im Herbst 2012 geplanten Vorschläge
der EU-Kommission für eine EU-weit verbindliche Frauenquote in Unternehmen mit
empfindlichen Sanktionen wird dafür sorgen,
dass dieses Thema auch im kommenden
Jahr auf Aktionärstreffen spannend bleibt.
Dabei wird neben der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern und Wahlkandidaten
auch die Frage der Unabhängigkeit rege
diskutiert. Seit den Änderungen des Kodex
im Jahr 2012 kann die Unabhängigkeit
auch an geschäftlichen oder persönlichen
Beziehungen zu einem kontrollierenden
Aktionär scheitern (vgl. Ziff. 5.4.2 Satz 2
DCGK). •
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Brennpunkt
Die Hauptversammlungssaison 2013 – Themen, Trends und Ausblick n
• Fortsetzung
Organhaftung und Vorstandsvergütung
Schon seit einigen Jahren wird die Vergütung des Vorstands in der Hauptversammlung intensiv erörtert. Maßgeblich hierzu
beigetragen hat die von vielen Unternehmen genutzte Möglichkeit, sich das Ver­
gütungssystem von der Hauptversammlung
durch einen „Say on Pay“ Beschluss ab­segnen zu lassen. Unternehmen, die solche
Beschlüsse bisher nicht auf der Tagesordnung hatten, werden hierzu in Hauptversammlungen von Aktionären und Aktionärsvereinigungen aufgefordert. Inzwischen
wird im Hinblick auf verschiedene Studien
auch die Frage der Umsetzung der gesetzlich geforderten langfristigen Orientierung
der Vorstandsvergütung einer kritischen
Prüfung unterzogen. Die von der Regierungskommission am 05.02.2013 veröffentlichten Änderungsvorschläge, die sich in
größerem Umfang mit der Vorstandsver­
gütung unter dem Blickwinkel der Transparenz befassen, werden diese Diskussion
weiter anfeuern. Ein Dauerbrenner wird
auch im kommenden Jahr die Organhaftung
bleiben, Fragen der Vorstands- und Aufsichtsratshaftung werden zunehmend
Gegenstand von Anträgen auf Sonder­
prüfung in der Hauptversammlung. Seit
Kurzem wird im Zusammenhang mit Vorschlägen auf dem 69. Deutschen Juristentag ein unmittelbares Klagerecht jedes Aktionärs zur Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen Organmitglieder und
eine Reform des Klagezulassungsverfahrens
nach § 148 AktG diskutiert.
6
Autor
Dr. Christian Bosse
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart
Telefon +49 711 9881 25772
[email protected]
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Antrag auf Erteilung eines EU-Patents in einer der Verfahrenssprachen des EPA
Brennpunkt
Einheitliches EU-Patent beschlossen
Das EU-Parlament hat am 17. Dezember
2012 zwei Verordnungen zum einheit­
ichen EU-Patentschutz durch ein
„europäisches Patent mit einheitlicher
Wirkung“ („EU-Patent“) erlassen. Zu
den nationalen Patenten und dem Euro­
päischen Patent kommt mit dem EUPatent somit ein drittes Schutzrecht
hinzu. Dieses soll wie eine Gemein­
schaftsmarke einheitlich in den EUMitgliedstaaten gelten.
Erfindungsschutz durch Patente
Patente schützen innovative Produkte, Vorrichtungen und Verfahren (Erfindungen)
vor Nachahmung. Sie werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt,
wenn diese Erfindungen neu und gewerblich
anwendbar sind sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Neu ist eine Erfindung dann, wenn sie nicht zu den der
Öffentlichkeit bereits bekannten Kenntnissen (Stand der Technik) bei der Anmeldung gehört. Geschäftsmodelle fallen nicht
unter den Begriff der Technik und sind nicht
patentierbar.
Die Patentstreitigkeiten zwischen Apple,
Samsung und auch Google haben augen­
fällig gemacht, welchen Wert und welche
Waffe Patente für Unternehmen darstellen
können.
Status Quo: Europäisches Patentamt und
Europäisches Patent
Patentschutz wird grundsätzlich nur territorial für das Land eingeräumt, in dem das
Patent beantragt wurde.
7
Um die europaweite Erstreckung des
Patentschutzes zu erleichtern, wurde
bereits 1973 das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) abgeschlossen. Es handelt sich um einen internationalen Vertrag,
auf dessen Grundlage 1977 das Europäische Patentamt (EPA) geschaffen wurde.
Die Anmeldung eines Europäischen Patents
und das Verfahren zu seiner Erteilung erfolgen zwar zentral beim EPA. Das Europäische Patent hat jedoch keine Wirkung, die
vergleichbar mit der einer Gemeinschaftsmarke wäre. Das Europäische Patent wird
nicht automatisch mit seiner Eintragung
durch das EPA in den Mitgliedstaaten wirksam. Für jeden EPÜ-Vertragsstaat, in dem
das Europäische Patent gelten soll, muss
ergänzend ein Antrag auf Gültigkeitser­
streckung (Validierung) gestellt werden.
Nach Art. 65 EPÜ kann jeder Vertragsstaat
verlangen, dass für die Validierung eines
Patents eine Übersetzung in die in diesem
Staat geltende Amtssprache notwendig ist.
Nach dem 2008 in Kraft getretenen
„Londoner Übereinkommen“ sind zwar
Erleichterungen vorgesehen. Deutschland,
Frankreich und weitere Staaten, die eine
Amtssprache mit dem EPA (Englisch,
Französisch, Deutsch) gemein haben, verzichten z. B. vollständig auf das genannte
Übersetzungserfordernis. Da aber lediglich
18 Mitgliedstaaten diesem Londoner Übereinkommen beigetreten sind, verursachen
Übersetzungen nach wie vor erhebliche
Kosten für die Anmeldung und Validierung
eines Europäischen Patents. Außerdem
müssen zusätzlich zu der gegenüber dem
EPA zu entrichtenden Gebühr in der Regel
auch noch nationale Gebühren gezahlt werden. Für Anmeldung und Validierung in
mehreren EU-Mitgliedstaaten kommen so
pro Patent Kosten von im Durchschnitt
36.000 EUR zusammen.
Nach erfolgreicher Validierung eines Europäischen Patents in einem Staat ist für dessen Verwaltung die jeweilige nationale
Behörde zuständig. Auch die weitere Kor­
respondenz hinsichtlich der Verlängerung
eines Patents hat mit dem nationalen
Patentamt zu erfolgen. Gerade bei großen
Patentportfolios kann dies zu einem hohen
administrativen Aufwand führen. Gleiches
gilt für die Überwachung von Rechtsverletzungen. Ansprüche wegen der Verletzung
von Patenten müssen in jedem einzelnen
Staat bei dem jeweiligen nationalen Gericht
durchgesetzt werden.
Vereinfachung durch das neue EU-Patent
Hinsichtlich des neuen EU-Patents soll das
EPA für die Anmeldung und Verwaltung
allein zuständig sein. Durch diese Zentralisierung soll sich der administrative Aufwand
erheblich verringern.
Der Antrag auf Erteilung eines EU-Patents
muss nach wie vor entsprechend den Vorschriften des EPÜ in eine der Verfahrenssprachen des EPA (Englisch, Deutsch oder
Französisch) übersetzt werden, wenn er
nicht schon in einer dieser Sprache gestellt
wird. Weitere Übersetzungen müssen
jedoch nicht angefertigt werden. •
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Brennpunkt
Einheitliches EU-Patent beschlossen
• Fortsetzung
Ausnahmen von diesem Grundsatz soll es
nur in zwei Fällen geben. Einmal während
einer höchstens 12 Jahre dauernden Übergangsphase (vollständige englische Übersetzung, wenn Verfahrenssprache Deutsch
oder Französisch ist bzw. vollständige deutsche oder französische Übersetzung, wenn
die Verfahrenssprache Englisch ist). Außerdem im Falle eines Rechtsstreits. Der mutmaßlich ein Patent Verletzende kann dann
beantragen, dass der Patentinhaber eine
Übersetzung in eine Amtssprache des
Staates vorzulegen hat, in der die Ver­
etzung stattgefunden haben soll oder in
dem er ansässig ist.
Zusätzlich sehen die Verordnungen zum
EU-Patent vor, dass kleinen und mittleren
Unternehmen, Organisationen ohne
Gewinnerzielungsabsicht, u. a. Übersetzungskosten erstattet werden können.
Dieses Kompensationssystem soll das EPA
verwalten. Es finanziert sich aus den an
das EPA gezahlten Gebühren.
Ferner ist ein einheitliches Gerichtssystem
vorgesehen, das für das Europäische Patent
und das EU-Patent zuständig sein soll. Sitz
des Gerichts 1. Instanz soll Paris, Sitz des
Berufungsgerichts Luxemburg sein. In
München und London sind Außenstellen
vorgesehen. Dabei soll eine Aufteilung nach
Themengebieten erfolgen. Zu unterschied­
lichen Entscheidungen verschiedener nationaler Gerichte über denselben Sachverhalt
und damit zu einer Rechtszersplitterung
kann es daher nicht mehr kommen.
Historie des EU-Patents und Ausblick
Neben den genannten Vereinfachungs­gründen ist Hintergrund des eingeführten EUPatents der Vertrag über die Arbeitsweise
der EU (AEUV), der ehemalige EG-Vertrag.
In Art. 118 sieht er Maßnahmen zur Schaffung europäischer Rechtstitel für den
Schutz der Rechte des geistigen Eigentums
vor. Daher ist zu erwarten, dass es in
Zukunft etwa auch im Bereich des Urheberrechts zu einer weiteren Vereinheitlichung
des Schutzes in Europa kommt.
Die Höhe der Gebühren für ein EU-Patent ist
noch nicht konkret beziffert, es soll jedoch
zu einer deutlichen Vergünstigung gegenüber dem aktuellen System kommen.
Die beiden erwähnten Verordnungen zum
EU-Patent wurden im Wege der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit beschlossen. Mit diesem in den Art. 326-334 AEUV
näher geregelten Mechanismus kann eine
Gruppe von Mitgliedstaaten untereinander
verbindliche Regelungen einführen, ohne
dass sich alle Mitgliedstaaten daran beteiligen müssen. Nötig war diese Vorgehensweise, weil Italien und Spanien der Sprachregelung des EU-Patents nicht zustimmen
wollten.
8
Das Gerichtssystem soll nicht über das
europäische Gesetzgebungsverfahren als
Verordnung eingeführt werden, sondern im
Rahmen eines völkerrechtlichen Übereinkommens. Der Entwurf eines Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht
soll Gültigkeit haben, wenn 13 Staaten, darunter zwingend Deutschland, Frankreich
und Großbritannien, unterzeichnet haben.
Autor
Dr. Peter Katko
Rechtsanwalt, licencié en droit
Ernst & Young Law GmbH, München
Telefon +49 89 14331 25951
[email protected]
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Fortbestehensprognose weiterhin zentrales Element der Überschuldungsprüfung
Brennpunkt
Entfristung des Überschuldungsbegriffs gem. § 19 Abs. 2 InsO
Am 9. November 2012 hat der Deutsche
Bundestag die Entfristung des insolvenz­
rechtlichen Überschuldungsbegriffs
(§ 19 Abs. 2 InsO) beschlossen. Der
2008 als Reaktion auf die Finanzmarkt­
krise durch Art. 5 des Finanzmarktstabi­
lisierungsgesetzes1 eingefügte Wortlaut,
der ursprünglich auf einen Zeitraum von
zwei Jahren bis 31. Dezember 2010
befristet war und zwischenzeitlich bis
zum 31. Dezember 2013 verlängert
wurde, wird nun auch über das Jahres­
ende von 2013 hinaus unbefristet
Bestand haben. Danach liegt eine Über­
schuldung vor, „wenn das Vermögen
des Schuldners die bestehenden Verbind­
lichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn,
die Fortführung des Unternehmens ist
nach den Umständen überwiegend wahr­
scheinlich.“
Fortbestehensprognose als Mittelpunkt
der Überschuldungsprüfung
Ein Unternehmen ist demnach nur dann
überschuldet, wenn die Schulden das zu
Liquidationswerten bewertete Vermögen
übersteigen und die Finanzkraft des Unternehmens mittelfristig nicht zur Fortführung
ausreicht. Bei positiver Fortbestehensprognose dagegen besteht nach § 19 Abs. 2 InsO
per definitionem keine Überschuldung; auf
die bilanzielle Gegenüberstellung der Aktivund Passivwerte des Unternehmens kommt
es nicht an. Mit anderen Worten: Auch ein
bilanziell überschuldetes Unternehmen ist
insolvenzrechtlich nicht überschuldet,
sofern es eine positive Fortbestehensprognose aufweist. Die Fortbestehensprognose
bildet somit das zentrale Element der Überschuldungsprüfung.
Ablauf der Überschuldungsprüfung
Bei einer juristischen Person begründet
neben der Zahlungsunfähigkeit auch das
Vorliegen einer Überschuldung eine Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführungsorgans. Nach der Rechtsprechung besteht
für das Geschäftsführungsorgan eine laufende Beobachtungspflicht, ob Hinweise auf
eine Insolvenzgefährdung vorliegen.2 Ergeben sich aus dem Finanz- und Rechnungswesen Anhaltspunkte3 für eine Vermögens­
aufzehrung oder gar eine Bestandsgefährdung des Unternehmens, ist das Vorliegen
einer Überschuldung und damit einer
In­solvenzantragspflicht gem. §§ 19 Abs. 1,
15a Abs. 1 InsO zu prüfen.
Dazu ist in einem ersten Schritt anhand der
Informationen aus dem Finanz- und Rechnungswesen sowie auf Grundlage des Unter­nehmenskonzepts und der Finanzplanung
eine Fortbestehensprognose als qualitativ
wertendes Gesamturteil über die mittel­
fristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens4 zu erstellen. Fällt die Prognose positiv aus, ist die Erstellung eines Überschuldungsstatus grundsätzlich entbehrlich, da
definitionsgemäß keine Überschuldung vorliegt. Ist sie hingegen negativ, bedarf es in
einem zweiten Schritt der Erstellung eines
Überschuldungsstatus. •
FMStG vom 17.10.2008, BGBI. I 2008, S. 1982.
Diese Pflicht ergibt sich aus der Sorgfaltspflicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der verpflichtet ist, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu
1
2
beobachten; vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91.
3 Solche Anhaltspunkte können beispielsweise ein negativer Cash Flow, ein negatives Betriebsergebnis, ein Jahresfehlbetrag, eine Unterbilanz, der Verlust des halben Stamm- bzw. Grundkapitals sowie ein „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ sein; vgl. auch IDW PS 270: Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im
Rahmen der Abschlussprüfung, Tz. 11.
4 Zur Erstellung einer Fortbestehensprognose aus der ganzheitlichen Sicht eines unabhängigen Sachverständigen vgl. Groß, P.J./Amen, M. (2002): Die Fortbestehensprognose, in: Die Wirtschaftsprüfung (WPg), S. 225 ff. und 433 ff.
9
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Entfristung des Überschuldungsbegriffs gem. § 19 Abs. 2 InsO
• Fortsetzung
Überschuldungsprüfung nach § 19 Abs. 2 InsO
Unternehmenskonzept
Integrierte Ertrags-, Bilanz- und Finanzplanung
Fortbestehensprognose = Zahlungsfähigkeitsprognose
Positiv
Negativ
Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten
Keine Überschuldung
Vermögen > Schulden
Vermögen < Schulden
Keine Überschuldung
Überschuldung
Fortbestehensprognose als Zahlungs­
fähigkeitsprognose
Die Fortbestehensprognose als zentrales
Element der Überschuldungsprüfung beinhaltet eine begründete Aussage zur kurzbis mittelfristigen Überlebensfähigkeit des
Schuldners. Grundlage dieser Aussage bildet
ein schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept, das die strategische Unternehmensplanung und die grundsätzliche
Entwicklung des Unternehmens angemessen berücksichtigt. Darauf aufbauend ist
eine integrierte Ertrags-, Finanz- und Vermögensplanung zu erarbeiten, die sowohl
die künftige Geschäftstätigkeit als auch
sämtliche bereits konkretisierten Investitionen und Finanzierungsmaßnahmen beinhaltet.5 Lässt sich aus der integrierten Finanzplanung nachvollziehbar und plausibel ableiten, dass das Unternehmen im zu untersuchenden Zeitraum voraussichtlich jederzeit die fälligen Verbindlichkeiten begleichen kann, fällt die Fortbestehensprognose
positiv aus. Bereits vorhandene Kreditlinien
und sonstige ernstlich anzunehmende Mittelzuführungen dürfen dabei in die Betrachtung mit einbezogen werden.6 Droht im Betrachtungszeitraum dagegen eine Zahlungsunfähigkeit, so ist die Prognose negativ. Als
maßgeblicher Zeitraum für die Prognose
sind mindestens zwölf Monate,7 in der Regel
aber das aktuelle und das nachfolgende
Geschäftsjahr heranzuziehen.8
Bei der Fortbestehensprognose handelt es
sich folglich um eine Beurteilung der antizipierten Entwicklung der mittelfristigen Zahlungsfähigkeit des Unternehmens.9 Die Fortbestehensprognose ist daher im Wesent­
lichen eine Zahlungsfähigkeitsprognose,10
die sich aus einem auf Basis des Unternehmenskonzepts entwickelten Finanzplan
ableiten lässt. •
IDW FAR 1/1996: Empfehlungen zur Überschuldungsprüfung bei Unternehmen, Absatz 3.; Crone/Werner in Crone A./Werner, H. (2012): Modernes Sanierungsmanagement, 3. Auflage, München, S. 31 f.
6 Crone/Werner in Crone A./Werner, H. (2012): Modernes Sanierungsmanagement, 3. Auflage, München, S. 30.
7 IDW PS 270: Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung, Tz. 8.
8 Uhlenbruck, W. (2010): Insolvenzordnung, 13. Auflage, München, § 19 Rz. 48 ff. mit weiteren Nachweisen in Rz. 50.
9 Hirte, H./Knof, B./Mock, S. (2008): Überschuldung und Finanzmarktstabilisierungsgesetz, in: ZInsO 2008, S. 1217 ff., S. 1222; Aleth, F./Harlfinger, W. (2011):
Die Fortführungsprognose i. S.v. § 19 II InsO – eine Handlungsanweisung für Geschäftsführer, in: NZI 2011, S. 166 ff., S. 168.
10Uhlenbruck, W. (2010): Insolvenzordnung, 13. Auflage, München, § 19 Rz. 45 mit weiteren Nachweisen; IDW PS 800: Beurteilung eingetretener oder drohender
Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen, Tz. 50.
5
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Entfristung des Überschuldungsbegriffs gem. § 19 Abs. 2 InsO
• Fortsetzung
„Überwiegend wahrscheinlich“
Als Maßstab für die Entscheidung zugunsten einer positiven bzw. negativen Fortbestehensprognose hat der Gesetzgeber das
Kriterium der „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ definiert. Überwiegend wahrscheinlich ist die Fortführung des Unternehmens, wenn diese zu mehr als 50 Prozent
wahrscheinlich ist.11 Der BGH knüpft das
Vorliegen einer positiven Fortbestehens­
prognose sowohl an den subjektiven Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner
Organe als auch an die objektive – aus
einem aussagefähigen Unternehmenskonzept herzuleitende – Überlebensfähigkeit
des Unternehmens.12 Eine positive Fortbestehensprognose liegt somit vor, wenn sich
aus der integrierten Ergebnis-, Finanz- und
Vermögensplanung ergibt, dass die gegenwärtige Liquidität und die prognostizierten
Einnahmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig zur Deckung der Zahlungsverpflichtungen ausreichen. Darüberhinaus muss sich aus der Planung ergeben,
dass mehr Gründe für den Eintritt der
Planungsannahmen sprechen als dagegen.
Auf dieser Grundlage lässt sich das Folge­
urteil ableiten, dass mehr Gründe für die
Fortführung des Unternehmens sprechen
als dagegen.13
Die Beweislast für eine positive Fortbestehensprognose im Falle der Insolvenz trägt
das Geschäftsführungsorgan.14 Es kann
daher ratsam sein, die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit von einem unabhängigen
Dritten überwachen und bestätigen zu
lassen.
Autor
Prof. Andreas Crone
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
Ernst & Young Law GmbH, Mannheim
Telefon +49 621 4208 11330
[email protected]
W. (2010): Insolvenzordnung, 13. Auflage, München, § 19 Rz. 51 mit weiteren Nachweisen.
Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05.
in Oppenländer, F./Trölitzsch, T. (2011): Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 2. Auflage, München, Rz. 29.
14BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, Az. II ZR 151/09.
11 Uhlenbruck,
12 BGH,
13 Steffan
11
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Brennpunkt
E-Mail-Werbung – unlauter trotz „Double-opt-in“-Verfahren?
(OLG München, Urteil vom 27.09.2012, Az.: 29 U 1682/12 – Bestätigungsaufforderung)
E-Mail-Werbung ist an der Tagesordnung.
Wie kaum ein anderes Werbemittel eignet
sich die E-Mail für den massenhaften Versand von (Werbe-)Botschaften und ist
dabei billiger, schneller, arbeitssparender
und gezielter einsetzbar als andere Werbemittel. Dementsprechend gibt es kaum
Unternehmen, die ihre Produkte nicht
zumindest auch mittels E-Mail bewerben
oder entsprechende Newsletter o. ä. zum
Abruf bereitstellen. Ungeachtet ihrer Beliebtheit stellt E-Mail-Werbung gegenüber
Verbrauchern ohne vorherige ausdrückliche
Einwilligung durch den Empfänger jedoch
stets eine unzumutbare und damit unzulässige Belästigung dar und ist damit gem.
§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG grundsätzlich untersagt. Zuwiderhandlungen gegen dieses
Verbot können Abmahnungen (und im
Anschluss daran ggf. auch die Einleitung
gerichtlicher Verfahren) durch betroffene
Kunden, Wettbewerber, Verbraucherschutzverbände und Datenschutzbehörden zur
Folge haben.
Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Unzulässigkeit bestehen gem. § 7 Abs. 3 UWG
allerdings insoweit, als der Unternehmer
(1) die E-Mail-Adresse eines Kunden im
Zusammenhang mit dem Verkauf einer
Ware oder Dienstleistung erhalten hat, (2)
diese lediglich zur Bewerbung ähnlicher
eigener Waren oder Dienstleistungen verwendet, (3) der Kunde einer Verwendung
zu Werbezwecken nicht widersprochen hat
und dieser (4) bei Erhebung der Adresse
darauf hingewiesen wurde, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann.
12
Hintergrund dieser Regelung bildet die
Annahme, dass der Verbraucher die Werbung eines Unternehmens für ähnliche Produkte wie die bereits gekauften regelmäßig
nicht als Belästigung, sondern als nützliche
Information auffassen wird (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 7 UWG,
Rn. 202).
Nachdem § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG den Versand von Werbe-E-Mails ohne vorherige
ausdrückliche Einwilligung durch den Empfänger untersagt, obliegt die Beweislast für
das Vorliegen einer entsprechenden Einwilligung dem Versender. Dies entspricht der
ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, GRUR 2004, 517 (519) –
E Mail-Werbung I; GRUR 2011, 936 ff.,
Tz. 30 – Double-opt-in-Verfahren). Um eine
Einwilligung „gerichtsfest“ dokumentieren
zu können, hat sich in der Praxis daher das
sog. „Double-opt-in“-Verfahren durchgesetzt. Dieses ist dadurch gekennzeichnet,
dass der Empfänger dem Werbenden bestätigen muss, dass er mit dem Erhalt von
Werbe-E-Mails oder der Zusendung von
Newslettern einverstanden ist. Der Emp­
fänger, der seine E-Mail-Adresse auf der
Internetpräsenz des Werbenden oder im
Rahmen eines Gewinnspiels angibt und sich
etwa durch Setzen eines entsprechenden
Häkchens mit dem Erhalt von Werbung
oder eines Newsletters per E-Mail einverstanden erklärt, erhält daher zunächst eine
Bestätigungs-Mail (ohne werbenden
Inhalt), deren Empfang und Inhalt er typischerweise durch Betätigung eines Links
bestätigen muss. Der Versand des Newslet-
ters bzw. der eigentlichen Werbung erfolgt
sodann erst nach Aktivierung des fraglichen
Links.
Für die werbenden Unternehmen hat das
„Double-opt-in“-Verfahren den Vorteil, dass
mit einer Dokumentation der positiven
Reaktion des Verbrauchers auf die Bestätigungs-Mail i. d. R. belegt werden kann, dass
sich dieser mit dem Erhalt von Werbung
unter der fraglichen E-Mail-Adresse einverstanden erklärt hat. Zwar kann die Einverständniserklärung als solche nicht belegt
werden, aber zumindest deren nachträgliche
Bestätigung durch Aktivierung des Links in
der Bestätigungs-Mail. Auch dem Verbraucher kommt dieses Verfahren zugute, kann
er doch etwa eine ggf. voreilig getätigte
Registrierung dadurch ungeschehen
machen, dass er die Bestätigungs-Mail nicht
bestätigt. Ein wirksames Einverständnis in
den Erhalt von Werbe-E-Mails liegt dann
nicht vor.
Dem folgend hat die Rechtsprechung das
„Double-opt-in“-Verfahren bislang regel­
mäßig als gangbare Möglichkeit angesehen,
ein Einverständnis des Betroffenen mit dem
Erhalt von E-Mail-Werbung zu dokumentieren (vgl. insoweit [allerdings für Telefonwerbung], KG, Beschl. v. 29.10.2012,
Az.: 5 W 107/12; LG Berlin, K&R 2007,
430 (431); LG Heidelberg, GRUR-Prax
2009, 67; LG Essen, GRUR 2009, 353
(354)). In diesem Sinne auch Köhler/
Bornkamm, a.a.O., § 7 UWG, Rn. 189: „…
grds. hinreichend dokumentiert …“). •
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Brennpunkt
E-Mail-Werbung – unlauter trotz „Double-opt-in“-Verfahren?
• Fortsetzung
Auch der BGH hat sich in seiner Entscheidung „Double-opt-in-Verfahren“ (BGH,
GRUR 2011, 936 ff., Tz. 37) ausführlich
mit diesem beschäftigt und dort – allerdings
im Rahmen eines obiter dictum – ausgesprochen, dass mittels des „Double-opt-in“-Verfahrens ein Einverständnis des betroffenen
Verbrauchers mit dem Erhalt von E-MailWerbung dokumentiert werden kann.
Im Unterschied hierzu hat nunmehr das
OLG München (OLG München, WRP 2013,
111 ff.) entschieden, dass auch die Bestätigungs-Mail im Rahmen des „Double-opt-in“Verfahrens unter das Verbot des § 7 Abs. 2
Nr. 3 UWG fällt. Der Senat wertet diese
dabei als „Werbung“ und damit als unzumutbare Belästigung i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 3
UWG (OLG München, a.a.O., Tz. 22). Dem
entnimmt der Senat, dass den Versender
einer derartigen Bestätigungs-Mail die
Beweislast für die Einwilligung des Empfängers mit deren Erhalt treffe. Dies soll im Fall
einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung deren Speicherung und
die jederzeitige Möglichkeit voraussetzen,
diese ausdrucken zu können. Die Einlassung
des betroffenen Unternehmens im konkreten Fall, wonach sich der Betroffene unter
Angabe seiner E Mail-Adresse auf der firmeneigenen Internetseite für das NewsletterAbonnement angemeldet habe, soll für einen
entsprechenden Nachweis nicht genügen.
Anders als die bisherige Rechtsprechung
fordert das OLG München damit letztlich
eine Dokumentation des Anmeldevorganges
– ohne allerdings konkrete Vorschläge dafür
zu unterbreiten, wie eine solche erfolgen
und was im Einzelnen dafür erforderlich
sein soll. Faktisch müsste damit also etwa
die Registrierung auf der Internetpräsenz
des Werbenden bzw. die Bestätigung der
Einverständniserklärung im Rahmen einer
Gewinnspielteilnahme dokumentiert werden.
Sofern ein – im Hinblick auf die Anmeldezahlen untunlicher – Medienwechsel vermieden werden soll, kommt hierfür lediglich
eine Speicherung des konkreten Anmeldezeitpunktes sowie eine Registrierung der
13
IP-Adresse im Zeitpunkt der Anmeldung in
Betracht. Entsprechende Verkehrsdaten
werden jedoch bei dem jeweiligen Provider
nur für einen begrenzten Zeitraum gespeichert und weisen – ungeachtet der datenschutzrechtlichen Implikation einer exzes­
siven Speicherung entsprechender Daten –
den zusätzlichen Nachteil auf, dass eine
IP-Adresse letztlich nichts darüber aussagt,
ob der dadurch identifizierte Anschlussinhaber zugleich Inhaber der fraglichen
E-Mail-Adresse ist. Fälle einer missbräuch­
lichen Anmeldung unter Angabe einer
falschen, d. h. fremden E-Mail-Adresse sind
damit – anders als bei Verwendung des
„Double-opt-in“-Verfahrens – nicht zu
er­fassen.
Inhaltlich weicht die Entscheidung des OLG
München insbesondere bei der Definition
von „Werbung“ erheblich von der bislang
herrschenden Auffassung in Literatur und
Rechtsprechung ab. Dabei beschränkt sich
das OLG München bedauerlicherweise auf
die apodiktische Feststellung, dass eine
Bestätigungs-Mail – obgleich ohne werbenden Inhalt – als Werbung anzusehen sei.
Eine gesonderte Begründung dafür, warum
eine derartige E-Mail bereits auf eine unmittelbare Förderung des eigenen Absatzes
gerichtet sein soll, gibt das OLG München
nicht. Auch eine Auseinandersetzung mit
der Frage, ob die Bestätigungs-Mail nicht
lediglich einen notwendigen technischen
Zwischenschritt darstellt, der als solcher
keine Förderung des Absatzes bezweckt,
hätte einer eingehenden Begründung
bedurft. Dies gilt umso mehr, als nach der
Rechtsprechung des BGH u.a. der allgemeine Sprachgebrauch definieren soll, was
unter „Werbung“ zu verstehen ist (BGH,
GRUR 2009, 925 ff. Tz. 14 – FC Troschenreuth). Diese Rechtsprechung bemüht auch
das OLG München (OLG München, a.a.O.,
Tz. 22), übersieht dabei allerdings, dass ein
Schreiben ohne werbenden Inhalt danach
gerade nicht als Werbung verstanden
würde. Auch den Umstand, dass die Bestätigungs-Mail vorliegend – anders als in der
vom BGH zu bewertenden Fallkonstellation
„FC Troschenreuth“ – keine Nachfragehandlungen betrifft, übergeht das OLG München.
Die Entscheidung des OLG München ist für
die konkret betroffenen werbenden Unternehmen denkbar unbefriedigend. So wird
einerseits die bislang geübte Praxis zur
Dokumentation von Einverständniserklärungen als unzulässig abgetan, andererseits
aber keine Handlungsanweisung dafür
gegeben, welche Maßnahmen nach Vorstellung des OLG München ergriffen werden
müssen, um eine Einwilligung in den Erhalt
von Werbe-Mails belegen zu können. Konsequenz der Entscheidung wäre deshalb
streng genommen, Einverständniserklärungen künftig ausschließlich postalisch einzuholen, um sich nicht der Gefahr eines Wettbewerbsverstoßes durch den Versand einer
Bestätigungs-Mail auszusetzen. Eine derartige Methode ist allerdings bereits wegen
des damit verbundenen Medienwechsels
und der daraus resultierenden negativen
Auswirkungen auf die Anmelderaten in der
Praxis nicht gangbar. Werbenden Unternehmen ist deshalb zu raten, Einwilligungserklärungen von Verbrauchern in den Erhalt
von Werbe-Mails auch künftig jedenfalls im
Wege des „Double-opt-in“-Verfahrens zu
dokumentieren. Der BGH hat schließlich –
zumindest inzident – entschieden, dass
darin grundsätzlich ein tauglicher Nachweis
für eine Einwilligung liegt.
Zu hoffen bleibt bei alledem, dass der BGH
die Entscheidung des OLG München korrigieren und auf diese Weise zumindest den
Umfang an bislang bestehender Rechts­
sicherheit wiederherstellen wird.
Autor
Dr. Sebastian Eckhardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart
Telefon +49 711 9881 25262
[email protected]
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Formfreiheit einer Kostenübernahmeerklärung
Rechtsprechung aktuell
Keine Formbedürftigkeit der Vereinbarung zur Übernahme der Kosten einer
Due Diligence in einem „letter of intent“ (OLG München)
Leitsätze der Verfasser
• Eine in einer Absichtserklärung
(letter of intent) für den Fall des Scheiterns der Vertragsverhandlungen vereinbarte einseitige Kostenerstat-
tungsklausel hinsichtlich angefallener Due Diligence Kosten bedarf nicht der Beurkundung.
• Es sind nur die Kosten einer Due
Diligence Prüfung erstattungsfähig, die tatsächlich angefallen, üblich und angemessen sind. Dies ist anhand von detaillierten Angaben zu den vorge­legten Rechnungen schlüssig darzu-
legen.
OLG München, Urteil vom 19.09.2012 –
Az. 7 U 736/12 – Vorinstanz LG München I
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey, forderte von der Beklagten,
einer britischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Erstattung von Kosten
einer Due Diligence Prüfung in Höhe von
EUR 367.983,16.
Hintergrund war der geplante gemeinsame
Kauf eines Geschäftsbereiches einer anderen Gesellschaft. Zu diesem Zweck hatten
die Parteien eine Erwerbsgesellschaft in der
14
Rechtsform einer GmbH nach deutschem
Recht gegründet. In diese Gesellschaft
brachte die Klägerin die zum Erwerb erforderlichen finanziellen Mittel und die
Beklagte ihre Anteile an einer 100%igen
Tochtergesellschaft ein.
Die Parteien unterzeichneten in diesem
Zusammenhang privatschriftlich einen letter of intent, in dem sich die Beklagte unter
anderem bereit erklärte, im Falle des Scheiterns der Vertragsverhandlungen der Klägerin alle Kosten der Due Diligence Prüfung
und der Rechtsberatung, die im Zusammenhang mit dem Erwerb entstehen würden,
bis zu einer maximalen Höhe von EUR
400.000,00 zu erstatten.
Nachdem die Klägerin die Verhandlungen
selbst beendet hatte und damit die Transaktion gescheitert war, stellte sie der Beklagten Kosten in Höhe von EUR 367.983,16 in
Rechnung. Das LG München wies die Klage
in erster Instanz als unbegründet ab.
Entscheidung
Das OLG München hat der Klage in Höhe
eines Teilbetrages von EUR 157.362,06
stattgegeben.
Formbedürftigkeit der Kostenerstattungsklausel in einem letter of intent?
Zunächst war zwischen den Parteien streitig, ob die Kostenerstattungsklausel in dem
letter of intent formbedürftig war. Grundsätzlich ist der Abschluss eines letter of
intent formfrei möglich. Hiervon war jedoch
nach Ansicht der Beklagten eine Ausnahme
zu machen.
Die Transaktion beinhaltete die Gründung
einer deutschen GmbH (§ 2 GmbHG), den
Erwerb von GmbH-Anteilen (§ 15 Abs. 3
GmbH), sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Einbringung nahezu ihres gesamten
Vermögens in Form der Gesellschaftsanteile
an ihrer Tochtergesellschaft und damit
beurkundungspflichtige Vorgänge. Die
Beklagte machte geltend, dass daher auch
der letter of intent, wegen der durch die
Kostenregelung eingegangenen „mittelbaren Verpflichtung“ zum Abschluss der oben
genannten Verträge, beurkundungspflichtig
gewesen sei. Mit anderen Worten wurde
durch die Kostenerstattungsklausel in dem
letter of intent und durch die mit der Transaktion verbundenen beurkundungspflichtigen Geschäfte der grundsätzlich formfreie
Abschluss des letter of intent mit einer
Formpflicht infiziert.
Das OLG München ist dieser Argumentation
jedoch mit Recht nicht gefolgt.
Unstreitig sind die Parteien mit der Unterzeichnung des letter of intent keine Verpflichtung eingegangen, die unmittelbar
beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte
zum Inhalt hatte. Kennzeichnend für einen
letter of intent ist nämlich gerade, dass die
Parteien bis zum endgültigen Vertragsabschluss weiterhin in ihren Entscheidungen
frei sind, die Transaktion durchzuführen
oder nicht. •
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Rechtssprechung aktuell
Keine Formbedürftigkeit der Vereinbarung zur Übernahme der Kosten einer Due Diligence in einem „letter of intent“
• Fortsetzung
Auch eine mittelbare Verpflichtung zum
Abschluss beurkundungspflichtiger Verträge durch die Kostenregelung in dem letter
of intent bestand nach Meinung des OLG
München für die Beklagte nicht. Die Verpflichtung der Beklagten, bei Scheitern der
Vertragsverhandlungen die der Klägerin
durch die Due Diligence Prüfung bis dahin
angefallenen Kosten zu erstatten, stellt keinen derartigen Nachteil für die Beklagten
dar, dass sie deshalb mittelbar zum Abschluss der beurkundungspflichtigen Verträge gezwungen gewesen wäre.
Dies muss nach Ansicht des OLG München
zum einen deshalb gelten, weil die zu erstattenden Kosten bis zu einer Höhe von
EUR 400.000,00 begrenzt waren. Zum
anderen konnte die Klägerin nach dem Sinn
und Zweck der Regelung nur die nachge­
wiesenen, angemessenen und tatsächlich
entstandenen Kosten geltend machen.
Eine derartig ausschließlich eine Partei
belastende Kostentragungspflicht ist, nach
Meinung des OLG München im Rahmen der
Vertragsfreiheit formfrei zulässig.
Weiter stellte sich das Problem, ob durch
den Abbruch der Vertragsverhandlungen
seitens der Klägerin ein Fall der treuwidrigen
Herbeiführung eines Bedingungseintritts im
Sinne des § 162 Abs. 2 BGB vorlag. Im vorliegenden Fall mangelte es jedoch an der
treuwidrigen Herbeiführung des Bedingungseintritts. Nach der im letter of intent getroffenen Vereinbarung war kein rechtfertigender Grund für den Abbruch der Vertragsverhandlungen erforderlich. Jede Partei
konnte die Verhandlungen grundsätzlich
jederzeit abbrechen. Die Klägerin machte
damit nur von einem ihr zustehenden Recht
Gebrauch.
Anforderungen an die Erstattungsfähig­
keit der Due Diligence Kosten
Das OLG München hat darüber hinaus zur
Frage der Erstattungsfähigkeit der Due
Diligence Kosten Stellung genommen. Die
Klägerin hätte, um in der Sache den vollen
Betrag zugesprochen zu bekommen, die
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angefallenen Due Diligence Kosten detailliert und schlüssig darlegen müssen. So
hätten beispielsweise der Vertragsschluss
mit den externen Beratern, die konkreten
Tätigkeiten der jeweiligen Mitarbeiter sowie
insbesondere die Stunden, in dem diese
Tätigkeiten erledigt wurden, schlüssig dargelegt werden müssen. Eine schlüssige
Darlegung der abgerechneten Stunden
erfordert nach Meinung des OLG München,
die Maßnahmen, die während des abgerechneten Zeitintervalls vorgenommen wurden,
konkret und über pauschale Angaben hinaus in nachprüfbarer Weise darzulegen.
Praxisfolgen
Das OLG München hat die Formbedürftigkeit eines letter of intent unter den hier
gegebenen Umständen verneint. Offen
bleibt die Frage, ob die Formbedürftigkeit
eines letter of intent mit Kostenerstattungsklausel durch andere Umstände ausgelöst
werden kann. Eine Parallele könnte man beispielsweise mit einer sog. „Break-up Fee“
Klausel ziehen. In diesem Fall wird der
Abbruch der Vertragsverhandlungen mit
einer Strafzahlung sanktioniert. Eine solche
Klausel ist dann formbedürftig, wenn die
Transaktion an sich beurkundungspflichtige
Geschäfte beinhaltet und damit die Vereinbarung der Break-up Fee zu einem mittelbaren Abschlusszwang führt (vgl. LG
Paderborn, Urteil vom 28.04.2000 –
Az. 2 O 132/00, NZG 2000, S. 899).
Der Unterschied zu der oben diskutierten
Entscheidung besteht darin, dass bei der
Break-Up Fee Klausel derjenige mit einer
Strafzahlung belastet wird, der die Vertragsverhandlungen abgebrochen hat. Bei der
Entscheidung des OLG München machte
dagegen der die Vertragsverhandlungen
abbrechende Teil selbst die Kostenerstattung geltend.
Um die Frage der Formbedürftigkeit eines
letter of intent abschließend zu beantworten,
bedarf es daher immer einer eingehenden
juristischen Beratung, die die besonderen
Umstände des Einzelfalles berücksichtigt.
Autoren
Dr. Claus Elfring
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, München
Telefon +49 89 14331 28905
[email protected]
Christoph Linck
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, München
Telefon +49 89 14331 28905
[email protected]
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Ersatzfähigkeit von Aus- und Einbaukosten. Kein Gleichlauf von B2B und B2C Verträgen.
Rechtsprechung aktuell
BGH: Gewährleistung durch Nacherfüllung umfasst in Kaufverträgen zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern grundsätzlich weder Aus- noch Einbaukosten
(§ 439 BGB) – Konsequenzen für die Vertragsgestaltung
Einleitung
In jüngerer Zeit war der Umfang der Nacherfüllungspflichten bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern (B2B – business to
business) einerseits und bei Kaufverträgen
zwischen einem Verbraucher und einem
Unternehmer (B2C – business to consumer) andererseits Gegenstand zahlreicher
Urteile und Stellungnahmen.
Mit Urteil vom 17.10.2012 (Az.: VIII ZR
226/11) hat der BGH nunmehr klargestellt,
dass die Gewährleistung durch Nacherfüllung bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern grundsätzlich nicht die Verpflichtung umfasst, die
Kaufsache aus- und die Nachlieferung einzubauen oder die entstandenen Kosten zu
tragen. Darüber hinaus bestätigt der BGH
gleichzeitig seine frühere Entscheidung
zum Bereich der Verbraucherkaufverträge
(B2C-Kaufvertrag), dass der Verkäufer bei
B2C-Kaufverträgen eine mangelhafte Sache
im Rahmen der Nacherfüllung nicht lediglich neu liefern, sondern auf eigene Kosten
die mangelhafte Sache aus- und die mangelfreie Nachlieferung einbauen muss –
selbst dann, wenn der Verkäufer nach dem
Kaufvertrag lediglich zur Lieferung und
Übereignung der Kaufsache verpflichtet
war. Die Pflicht zum Ausbau und Einbau
besteht daher im B2C-Kaufvertrag unabhängig davon, ob der Verkäufer die Sache
selbst eingebaut hat oder nicht. Anders ist
es nun für B2B-Kaufverträge entschieden
worden.
16
Sachverhalt
In dem Fall, der der Entscheidung des BGH
zugrunde lag, hatte die Klägerin bei der
Beklagten eine Lieferung Granulat eines
polnischen Produzenten erworben. Nachdem die Klägerin das Granulat bei der Erstellung eines Kunstrasenplatzes verwendet
hatte, stellte sich heraus, dass das von der
Beklagten gelieferte Granulat mangelhaft
war. Die Beklagte lieferte neues Granulat,
lehnte es allerdings ab, im Rahmen der
Nacherfüllung das alte Granulat auszubauen und das neu gelieferte Material einzubauen. Die entsprechenden Aus- und
Einbaukosten, die der Klägerin durch Einschaltung eines Drittunternehmens zur
Erledigung dieser Arbeiten entstanden
waren, verlangte die Klägerin von der
Beklagten ersetzt, unterlag jedoch schließlich auch vor dem BGH.
Entscheidung
§ 439 Abs. 1 BGB gewährt dem Käufer
bei mangelhafter Kaufsache einen Nacherfüllungsanspruch gegen den Verkäufer, verbunden mit einem Wahlrecht zwischen der
Lieferung einer neuen mangelfreien Sache
oder der Nachbesserung an der gelieferten
Sache. Dieser Nacherfüllungsanspruch
besteht verschuldensunabhängig, allein
schon bei einem Sachmangel des verkauften Produktes.
Zwar ist neben besagtem Nacherfüllungsanspruch auch ein verschuldensabhängiger
Schadensersatzanspruch denkbar, der die
nicht unerheblichen Aufwendungen und
Kosten für den Ausbau mangelhafter und
den Einbau reparierter bzw. als Ersatz gelieferter Produkte umfassen könnte. Allerdings
wird es in der Praxis meist an dem für eine
Schadensersatzhaftung notwendigen Verschulden des Verkäufers im Hinblick auf den
Sachmangel fehlen, da der Verkäufer, insbesondere der Zwischenhändler, im Regelfall
keine Kenntnis von dem Sachmangel hatte.
Somit ist aus praktischer Sicht entscheidend,
ob nicht auch der verschuldensunabhängige
Anspruch auf gewährleistungsmäßige Nacherfüllung den Aus- und Einbau bzw. die
Übernahme der entsprechenden Kosten umfasst, selbst wenn die ursprüngliche Lieferverpflichtung dies nicht tat.
Mit der Entscheidung des BGH vom
17.10.2012 ist diese für Unternehmen
zentrale Fragestellung des Kaufrechtes nunmehr so geklärt worden, dass der BGH den
Verkäufer bei B2B-Kaufverträgen nicht verpflichtet, im Rahmen der Nacherfüllung die
Aus- oder Einbaukosten zu übernehmen.
§ 439 Abs. 1 BGB, der auf die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
25.05.1999 zurückgeht, sei nämlich lediglich im Rahmen von B2C-Kaufverträgen,
also einer vertraglichen Beziehung zwischen
Unternehmer und Verbraucher, richtlinienkonform mit der Folge auszulegen, dass der
Verkäufer zum Aus- und Einbau verpflichtet
gewesen wäre und deshalb die entsprechenden Kosten tragen müsse. •
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Rechtssprechung aktuell
BGH: Gewährleistung durch Nacherfüllung umfasst in Kaufverträgen zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern
grundsätzlich weder Aus- noch Einbaukosten (§ 439 BGB)
• Fortsetzung
Diese Feststellung hatte der BGH für B2CKaufverträge vorher bereits in seinem Urteil
vom 21.12.2011 zum sog. „Fliesenfall“
(Az.: VIII ZR 70/08) getroffen. Der BGH
setzte damit die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs(EuGH)vom 16.06.2011
um, wonach ein Verkäufer nach der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie verpflichtet sei,
den Aus- oder Einbau vorzunehmen oder
die Kosten zu übernehmen (EuGH, Urteil
vom 16.06.2011, Rechtssachen C-65/09
und C-87/09). In der Entscheidung zum
„Fliesenfall“ war die Frage, ob besagte richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1
BGB auch für Unternehmerverträge gelten
könnte, offen geblieben. In der Literatur war
teilweise eine entsprechende Anwendung
befürwortet worden, weil § 439 BGB nur
einen Wortlaut habe und eine gespaltene
Auslegung systemwidrig sei.
Der BGH schloss sich in der Entscheidung
vom 17.10.2012 dieser Sichtweise nun
ausdrücklich nicht an. Zwar sei § 439 BGB –
im Gegensatz zur VerbrauchsgüterkaufRichtlinie – nicht nur auf Verbraucherkaufverträge, sondern auf alle Arten von Kaufverträgen anwendbar. Allerdings sei der
deutsche Gesetzgeber – so der BGH – bei
der Umsetzung der VerbrauchsgüterkaufRichtlinie von einer unternehmerfreund­
lichen Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB
ausgegangen. Der Gesetzgeber habe von
Anfang an regeln wollen, dass der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung bereits
eingebaute mangelhafte Sachen nicht ausbauen und die nachgelieferte Sache auch
nicht einbauen müsse. Daher könne bei der
Auslegung des § 439 Abs. 1 BGB im B2BVerhältnis die verbraucherfreundliche richtlinienkonforme Auslegung außer Acht
gelassen werden.
Im Ergebnis schulde der Verkäufer im B2BVerhältnis lediglich Neulieferung einer mangelfreien Sache und Rücknahme bzw. Entsorgung. Der BGH überträgt damit die verbraucherfreundliche EuGH-Rechtsprechung
zur Haftung für Aus- und Einbaukosten im
Rahmen der Nacherfüllung nicht auf den
17
reinen Unternehmer- oder den reinen Verbraucherverkehr.
Fazit und Handlungsempfehlungen für
die Vertragsgestaltung
Die Entscheidung des BGH beseitigt die
Unsicherheit, die hinsichtlich einer möglichen Übertragbarkeit der Rechtsprechung
zum „Fliesenfall“ auf B2B-Kaufverträge entstanden war. Die Bedeutung der Fragestellung lässt sich u.a. daran ersehen, dass der
Referentenentwurf (RefE) zur Umsetzung
der nun aktuellen EU-Verbraucherrichterichtlinie (2011/83/EU) vom 19.09.2012
noch eine gesonderte Regelung (§ 474a
BGB-RefE) vorsah, die den Anspruch auf
Aus- und Einbaukosten explizit nur Verbrauchern zugestand. Angesichts der Tatsache,
dass dies die Rechtslage infolge des hier besprochenen BGH-Urteils vom 17.10.2012
ist, verwundert es nicht, dass der aktualisierte Gesetzentwurf vom 19.12.2012 zu
besagtem Umsetzungsgesetz den § 474a
BGB-RefE nicht mehr enthält.
Darüber hinaus beeinflusst die BGH-Entscheidung selbstverständlich auch, wie die
Frage der Haftung allgemein, aber auch
speziell für Aus- und Einbaukosten in Unternehmerverträgen und in Lieferanten-/
Zu­lieferketten vertraglich geregelt werden
kann und sollte.
Zunächst ist zu betonen, dass der Verkäufer, der die Kaufsache an den Verbraucher
veräußert, sich von der Verpflichtung zur
Tragung der Kosten für Aus- und Einbau bei
Vorliegen eines Sachmangels nicht vertraglich freizeichnen kann, so dass er dieses
Risiko einpreisen oder über eine entsprechende Versicherung abdecken muss. Alternativ kann er als sog. „Letztverkäufer“ über
die Regressvorschrift des § 478 BGB bei
seinem Lieferanten (und dieser wiederum
bei seinem Lieferanten) erleichternd Rückgriff nehmen. •
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Rechtssprechung aktuell
BGH: Gewährleistung durch Nacherfüllung umfasst in Kaufverträgen zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern
grundsätzlich weder Aus- noch Einbaukosten (§ 439 BGB)
• Fortsetzung
Für unternehmerische Einkäufer besteht
grundsätzlich Handlungsbedarf, soweit die
Produkte in Gewährleistungsfällen erhebliche
Aus- und Einbaukosten nach sich ziehen
(und nicht ein Fall des Lieferregresses
gemäß § 478 BGB vorliegt, weil letztlich
die Kaufsache unverändert an einen Verbraucher verkauft wurde). Denn diese Ausund Einbaukosten erhalten sie nach der
Gesetzeslage nun nicht ersetzt. Allerding
dürfte auch eine Erweiterung der eigenen
Einkaufsbedingungen derart, dass der Verkäufer sich ohne Rücksicht auf Verschulden
zur „Nacherfüllung plus Aus- und Einbau“
verpflichtet, angesichts der aktuellen deutschen AGB-Rechtsprechung nicht wirksam
möglich sein.
Im Unternehmerverkehr hilft dem Einkäufer
insoweit vor allem eine entsprechende Individualvereinbarung zur Erweiterung der
Erfüllungspflicht im Hinblick auf Aus- und
Einbaukosten. Alternativ müsste der Vertrag möglichst so ausgestaltet werden, dass
sich realistisch ein Verschulden des Verkäufers im Hinblick auf den vorgefundenen
Sachmangel darlegen lässt.
Dies sind nur einige Aspekte, die es in diesem Zusammenhang zu beachten gilt. Auch
unter Berücksichtigung des BGH-Urteils
vom 17.10.2012 ist Verantwortung für
Aus- und Einbaukosten im Rahmen der Nacherfüllung je nach Art des Endabnehmers
(Verbraucher oder Unternehmer) und der
Position des Verkäufers in der Lieferkette
(Hersteller, Zulieferer eines Teilproduktes,
18
Zwischenhändler, Verarbeiter, Letztver­
käufer) sehr unterschiedlich ausgestaltet
und wird gerade nicht identisch in der
Regresskette nach oben weitergegeben.
Hieraus ergeben sich für die Unternehmen –
je nach Position und Rolle in der Lieferkette
– teilweise erhebliche Regresslücken und
Haftungsrisiken, die allein nach der Ge­setzeslage nicht ohne weiteres ausgeglichen
werden. Dies dürfte erst recht gelten, wenn
Einkauf und Weiterverkauf grenzüberschreitend erfolgen, da selbst innerhalb der EU
die Frage des Umfangs der Nacherfüllung in
derartigen Fällen weiterhin national und damit potentiell anders geregelt ist als sich die
Rechtslage nach der besprochenen BGHEntscheidung darstellt. Diesen potentiellen
Regresslücken und Haftungsrisiken ist mit
den Mitteln der Vertragsgestaltung – soweit
möglich – zu begegnen. Das aktuelle BGHUrteil gibt Unternehmen daher Anlass, die
bisherige Vorgehensweise im Bereich Einkauf/Verkauf zu überprüfen und die Vertragspraxis sowie Vertriebswege ggf. neu
zu gestalten, um Risiken möglichst zu minimieren.
Autor
Frank Schäfer, LL.M.
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, Hannover
Telefon +49 511 8508 23755
[email protected]
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Rechtsprechung aktuell
Vorrang des Aktienrechts vor dem Kommunalrecht
Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 09. Februar 2012, 8 A 2043/10
Leitsätze der Verfasser
•Die Regeln des Aktienrechts gehen denen des Kommunalrechts vor. Sie können nicht durch eine pauschale Berufung auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip oder die kommu­-
nale Selbstverwaltungsgarantie modi
fiziert werden.
• Die Kommune hat sich zur Sicherung ihrer Einflussnahmemöglichkeiten dem Instrumentarium des privaten Gesellschaftsrechts zu bedienen.
Sachverhalt
Die klagende Stadtverordnetenversammlung wandte sich gegen die Beanstandung
eines von ihr gefassten Beschlusses durch
den beklagten Oberbürgermeister. Die Stadt
war alleinige Gesellschafterin der A-GmbH.
Diese wiederum war zu 50,64 % an der
B-AG beteiligt. Die B-AG war wiederum zu
50 % an der C-AG beteiligt, deren satzungsmäßiger Zweck die „Erzeugung, Bereitstellung und Verteilung von Energie sowie die
Entsorgung einschließlich Dienstleistungen
auf den vorgenannten Gebieten“ war.
Der beanstandete Beschluss hatte zum Ziel,
die A-GmbH anzuweisen, eine außerordentliche Hauptversammlung der B-AG einzuberufen und in dieser den Vorstand der B-AG
anzuweisen, eine außerordentliche Hauptversammlung der C-AG einzuberufen und in
dieser den Vorstand der C-AG anzuweisen,
den Bau eines geplanten Kraftwerks durch
die C-AG zu stoppen.
19
Entscheidung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat
die Rechtmäßigkeit der Beanstandung
bestätigt und ausgeführt, dass sich aus der
„Vorrang“-Regel des Art. 31 GG ergebe,
dass Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane und ihrer Mitglieder sich ausschließlich nach Gesellschaftsrecht bestimmen und der für das Kommunalrecht
zuständige (Landes-) Gesetzgeber in diesen Bereich nicht eindringen könne. Dies
hindere die kommunalen Organe bereits
daran, Beschlüsse zu fassen, die auf Ausführung einer (gesellschafts-)rechtswidrigen Handlung gerichtet sind. Dies wirke sich
damit nicht erst auf der Ebene der betroffenen Gesellschaft (hier der B-AG), etwa in
Form der Nichtigkeit eines entsprechend
gefassten Beschlusses aus. Der Gerichtshof
stellt insoweit fest, dass wenn sich eine
Kommune an Gesellschaften beteilige, sie
sich dem für diese geltenden Privatrecht
unterwerfe und dieses annehmen müsse.
Sie könne sich nicht mehr gleichzeitig auf
ihre Funktion als „Hoheitsträger“ berufen,
um in dieser Rolle die Geltung zwingender
privatrechtlicher Grundsätze für sich in Abrede zu stellen. Daran, dass die Aufsichtsräte gegenüber der Aktionärin und der Vorstand gegenüber der Hauptversammlung
kraft zwingenden Aktienrechts weisungsfrei
sind, vermöge weder das Kommunalrecht
noch eine Berufung auf das grundgesetzlich
verankerte „Demokratieprinzip“ etwas
ändern. Es liege kein Demokratieverlust
darin, dass die Gemeinde, wenn sie aus
Gründen der Kostenersparnis ihre Aufgaben
teilweise in Privatrechtsform erfüllt, als
„Preis“ eine geringere Einflussnahme der
gewählten Gemeindevertreter auf das
öffentliche Unternehmen hinnehmen muss. •
Gesetzlicher Rahmen
• Art. 31 GG lautet: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“
• Die kommunalrechtlichen Vorschriften aller Bundesländer sehen vor, dass Gemeinden Gesellschaften, die auf den Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens gerichtet sind, nur gründen oder sich daran beteiligen dürfen, wenn sichergestellt ist, dass die Gemeinde einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan, erhält (z.B. § 122 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGO,
§ 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 GO NRW; Art. 92 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO Bay; § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GemO BW; § 96 Abs. 1 Nr. 2 SächsGemO; § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG).
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Rechtssprechung aktuell
Vorrang des Aktienrechts vor dem Kommunalrecht
• Fortsetzung
Praxis
Das Urteil passt sich nahtlos in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der
Verwaltungsgerichte zur Tätigkeit von
Gemeinden durch Unternehmen in Privatrechtsform ein. Es ist ein gutes Beispiel
dafür, dass Weichenstellungen in der Gründungsphase einer kommunalen Gesellschaft
im weiteren Verlauf (und ggf. bei veränderten politischen Zielsetzungen) nicht ohne
größeren Aufwand und möglicherweise
nicht mehr in der gewünschten Art und
Weise zu korrigieren sind. Die Gründung
von kommunalen Gesellschaften in Privatrechtsform will daher gut vorbereitet sein.
Dies gilt umso mehr bei der Rekommunalisierung von öffentlichen Aufgaben. Werden
hier mehrstufige Organisationsformen
(Gemeinde – Tochtergesellschaft – Enkelgesellschaft) gewählt oder wird die Rekommunalisierung von mehreren Gemeinden
gemeinschaftlich durch Joint-Ventures bzw.
Gemeinschaftsunternehmen durchgeführt,
ist eine exakte Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen notwendig,
um den Beteiligten die gesetzlich geforderten und ggf. zusätzlich gewünschten Überwachungs- und Eingriffsrechte bis in die
Beteiligungsgesellschaften hinein einzuräumen. Das zur Verfügung stehende gesellschaftsrechtliche Instrumentarium hierfür
ist vielfältig: von der Rechtsformwahl über
die Implementierung kommunalrechtlich
geforderter Steuerungsinstrumente durch
die Einräumung besonderer mitgliedschaftlicher Rechte bzw. Pflichten (z. B. Prüfungsumfang und Unterrichtung nach §§ 53, 54
HGrG) im Gesellschaftsvertrag, die Etablierung von fakultativen Aufsichts- oder Beiräten bis hin zum Abschluss von Unter­
nehmensverträgen (Beherrschungsver­
trägen).
20
Autoren
Dr. Philipp Grenzebach
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf
Telefon +49 211 9352 16256
[email protected]
Dr. Robert Bürger
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf
Telefon +49 211 9352 14511
[email protected]
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Unterscheidung zwischen den Begriffen „Interessenkonflikt“ und „Unabhängigkeit“
Rechtsprechung aktuell
Anforderungen an die Berichterstattung des Aufsichtsrats über Interessenkonflikte im
Hinblick auf Beziehungen zu einem Groß- oder Mehrheitsaktionär
OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. November 2012, I-6 U 18/12
Leitsatz der Verfasser
•Verbindungen von Aufsichtsratsmitgliedern zu einem Groß- oder
Mehrheitsaktionär begründen keinen nach Ziff. 5.5.3 S. 1 DCGK i.d.F. vom
18. Juni 2009 berichtspflichtigen Interessenkonflikt.
Sachverhalt
Mit ihren Anfechtungsklagen griffen die
Kläger u. a. die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten, einer Bank,
die zuvor von einer Investorin übernommen
worden war, auf der ordentlichen Hauptversammlung im Jahr 2010 für das Geschäftsjahr 2009/2010 an.
Einige Mitglieder des Aufsichtsrats der
Beklagten waren bei der US-amerikanischen
Hauptaktionärin der Beklagten oder bei
anderen, mit dieser verbundenen Unternehmen beschäftigt. Die Kläger argumentierten
u.a., diese Aufsichtsratsmitglieder hätten
sich deswegen bei der Prüfung des Abhängigkeitsberichts gem. § 314 AktG in einem
Interessenkonflikt befunden. Dieser Interessenkonflikt sei aber weder in dem Bericht
an die Hauptversammlung noch in der
gemeinsamen Entsprechenserklärung von
Vorstand und Aufsichtsrat zum Deutschen
Corporate Governance Kodex (DCGK)
offengelegt. Daher sei diese Entsprechenserklärung unrichtig. Diese Unrichtigkeit
begründe eine eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung, die einer Entlas-
21
tung sowohl der Vorstände wie auch der
Aufsichtsräte der Beklagten zwingend entgegenstehe und die Anfechtbarkeit der dennoch erfolgten Entlastungsbeschlüsse zur
Folge habe.
Das Landgericht gab den Klagen teilweise
statt. Auf die Berufung der Beklagten wurden die Klagen vollumfänglich abgewiesen.
Inhalt der Empfehlung in Ziff. 5.5.3 Satz
1 DCGK i.d.F. vom 18. Juni 2009
„Der Aufsichtsrat soll in seinem Bericht an
die Hauptversammlung über aufgetretene
Interessenkonflikte und deren Behandlung
informieren. Wesentliche und nicht nur
vorübergehende Interessenkonflikte in der
Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen
zur Beendigung des Mandats führen.“
Gemäß § 161 Abs. 1 AktG erklären Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich, dass den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird
oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht.
Entscheidung des OLG Düsseldorf
In seiner abweisenden Entscheidung hat
das Oberlandesgericht bezüglich der von
den Klägern gerügten Abhängigkeit mehrerer Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten von deren Mehrheitsaktionärin ausgeführt, dass diese aus rechtlichen Gründen
von vornherein nicht dazu geeignet ist,
einen berichtspflichtigen Interessenkonflikt
im Sinne der Regelung von Ziff. 5.5.3
Satz 1 DCGK zu begründen.
Der Begriff des „Interessenkonflikts“ sei im
DCGK einheitlich zu verstehen. An anderer
Stelle im DCGK werde jedoch ausgeführt,
dass jedes Aufsichtsratsmitglied Interessenkonflikte, insbesondere solche, die aufgrund
einer Beratung oder Organfunktion bei
Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder
sonstigen Geschäftspartnern entstehen
können, dem Aufsichtsrat gegenüber offenzulegen hat. Großaktionäre würden an dieser Stelle nicht erwähnt.
Ein abweichendes Verständnis des Begriffes
des „Interessenkonflikts“ im DCGK stünde
nach Ansicht des Gerichts auch im Widerspruch zu der Systematik des Aktiengesetzes. Dass die Aufsichtsratsmitglieder einer
abhängigen Gesellschaft, die in der Regel
von dem Hauptaktionär mit Personen seines
Vertrauens besetzt werden, nach der
gesetzlichen Konzeption (§ 314 AktG) den
Abhängigkeitsbericht zu prüfen haben,
spreche dafür, dass diese bei der Prüfung
keinem Interessenkonflikt unterliegen.
Schließlich spreche auch das Erfordernis
eines unabhängigen Finanzexperten bei
kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (§ 100 Abs. 5 AktG) dafür, dass der
Gesetzgeber die Gefahren einer Einflussnahme durch Groß- und Mehrheitsaktionäre
gesehen habe, eine weitergehende Regelung dieses Problemfeldes aber dennoch
nicht vorgenommen und daher auch nicht
für angebracht gehalten habe. •
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Rechtssprechung aktuell
Anforderungen an die Berichterstattung des Aufsichtsrats über Interessenkonflikte im Hinblick auf Beziehungen zu einem
Groß- oder Mehrheitsaktionär
• Fortsetzung
Praxis
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf steht
im Einklang mit der nach der jüngsten
Änderung des DCGK vom 15. Mai 2012 in
der Literatur verstärkt vorgenommenen
Unterscheidung zwischen den Begriffen
„Interessenkonflikt“ einerseits und „Unabhängigkeit“ andererseits. Interessen­
konflikte treten hiernach immer dann auf,
wenn im Aufsichtsrat eine konkrete Beratungs- oder Abstimmungssituation entsteht,
in der sich das Unternehmensinteresse und
anderweitige Interessen des Aufsichtsratsmitglieds gegenüberstehen. Die von den
Klägern angeführte abstrakt generelle
„Gefährdungssituation“ aufgrund der Beziehung eines Aufsichtsratsmitglieds zu einem
Groß- oder Mehrheitsaktionär ist eine Frage
der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds. Vorgaben zur Unabhängigkeit von
Aufsichtsratsmitgliedern enthält aber
bereits Ziff. 5.4.2 DCGK, die jüngst verschärft wurden (hierzu auch der Beitrag
des Autors in Corporate Law Newsletter 4).
Die Ausführungen des OLG Düsseldorf
betreffen unmittelbar nur die Regelung der
Ziff. 5.5.3 Satz 1 DCGK i.d.F. vom 18. Juni
2009. Da diese Regelung aber wortgleich
und unverändert in der aktuellen Fassung
des DCGK enthalten ist und mit den Änderungen betreffend die Unabhängigkeit von
Aufsichtsratsmitgliedern in keinem systematischen und sachlichen Zusammenhang
steht, dürften die Aussagen des Gerichts
auch für die aktuelle Fassung Geltung beanspruchen.
Autoren
Dr. Philipp Grenzebach
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, Düsseldorf
Telefon +49 211 9352 16256
[email protected]
Dr. Robert Bürger
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Rechtsprechung aktuell
Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 3 GmbHG
BGH vom 9.10.2012 (Az.: II ZR 298/11)
Nach § 64 Satz 3 GmbHG ist der Geschäftsführer einer GmbH zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten,
es sei denn, dies war auch bei Beachtung
der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar. Die Vorschrift
wurde durch das Gesetz zur Modernisierung
des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von
Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober
2008 mit Wirkung zum 1. November 2008
neu in das GmbH-Gesetz eingeführt und war
Gegenstand zahlreicher kontrovers diskutierter Fragen.
Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 (II ZR
298/11) hat der BGH zu einigen Fragen
nun erstmals Stellung genommen.
Leitsätze des BGH
• Die Zahlungsunfähigkeit wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht im Sinne des § 64 Satz 3 GmbHG verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist.
• Bei der Ermittlung der Zahlungs unfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG ist eine fällige Forderung des Gesell
schafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen.
Ersteres erscheint selbstverständlich: wenn
Zahlungsunfähigkeit bereits vor Zahlung
vorliegt, wird die Zahlungsunfähigkeit nicht
durch die Zahlung verursacht, sondern
höchstens vertieft. Für Zahlungen, die nach
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, haften die
Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 GmbHG
aber ebenfalls - es sei denn, die Zahlung
wäre mit der Sorgfalt eines ordentlichen
Geschäftsmannes vereinbar (§ 64 Satz 2
GmbHG). Es handelt sich um Ausnahmefälle, in denen eine Zahlung mehr Vor- als
Nachteile für die Gläubigergemeinschaft
verspricht (Baumbach/Hueck, GmbHG,
20. Auflage, § 64 Rz. 72 mwN.). Als Beispielsfälle werden vielfach Zahlungen zur
Aufrechterhaltung des Betriebes aufgeführt, um die Entscheidung der Gläubigerversammlung insoweit nicht zu präjudizieren (so BGH ZIP 2008, 72, 73; Baumbach/
Hueck, GmbHG, 20. Auflage, § 64 Rz. 73).
Von wesentlicher Bedeutung sind allerdings
die Feststellungen unter Ziffer 2 und Ziffer 3.
Von Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Absatz
2 Satz 1 InsO ist regelmäßig auszugehen,
wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht
zu beseitigende Liquiditätslücke von 10 %
oder mehr besteht und nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die
Liquiditätslücke demnächst vollständig oder
fast vollständig geschlossen wird und den
Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten
ist (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2012 - II
ZR 298/11 unter Verweis auf frühere Entscheidungen des Senats, u. a. BGH ZIP
2012, 2274). Die Liquiditätslücke bezieht
sich auf die Gesamtheit der am Stichtag fälligen Forderungen (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Auflage 2010, § 17 Rz. 5),
wobei streitig ist, ob nicht auch die innerhalb der genannten drei-Wochen-Frist fällig
werdenden Forderungen in die Liquiditäts­
bilanz einzustellen sind (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Auflage 2010, § 17
Rz. 13). Der BGH hat diese Frage bislang
offen gelassen (u. a. BGH, Beschluss vom
11.10.2010 - II ZR 130/09).
Sind – wie vom BGH nunmehr festgestellt –
bei Prüfung der Verursachung der Zahlungsfähigkeit nach § 64 Satz 3 GmbHG fällige
Ansprüche eines Gesellschafters ebenfalls
in die Liquiditätsbilanz einzustellen, ist der
Anwendungsbereich der Vorschrift gering.
Erfasst werden die Fälle, in denen der
Gesellschafter keinen (fälligen) Rechtsanspruch auf die Zahlung hat (z. B. verdeckte
Gewinnausschüttungen oder Zahlungen vor
Fälligkeit), so dass die Zahlung zwar zum
Abfluss liquider Mittel, nicht jedoch zur Verringerung der fälligen Verbindlichkeiten
führt. •
• Im Fall des § 64 Satz 3 GmbH kann
die Gesellschaft die Zahlung an den Gesellschafter verweigern.
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Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Rechtsprechung aktuell
Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 3 GmbHG
• Fortsetzung
Besteht hingegen ein fälliger Anspruch des
Gesellschafters, ist die Zahlung – absolut
betrachtet - liquiditätsneutral. Dem Abfluss
liquider Mittel entspricht auf der Passivseite
eine deckungsgleiche Verringerung der Verbindlichkeiten. Der absolute Betrag der
Deckungslücke bleibt unverändert. Nur relativ bezogen auf den Gesamtbetrag der fälligen Verbindlichkeiten vergrößert eine solche Zahlung die Deckungslücke, weil sich
nämlich dieser Gesamtbetrag verringert,
sich die (absolut) unverändert gebliebene
Deckungslücke also auf weniger Verbindlichkeiten bezieht. Die Zahlung verursacht
in diesen Fällen dann die Zahlungsunfähigkeit, wenn die (absolut unverändert gebliebene) Deckungslücke zunächst weniger als
10% der fälligen Verbindlichkeiten ausmachte und infolge der Änderung der Relation auf über 10% der fälligen Verbindlichkeiten anwächst.
Fazit
Das Zahlungsverbot des § 64 Satz 3 GmbHG betrifft im Wesentlichen Zahlungen auf
nicht fällige oder nicht bestehende Forderungen, die zur Zahlungsunfähigkeit einer GmbH
führen. Soweit fällige Forderungen (vor Insolvenzreife, sonst gilt § 64 Satz 1 GmbHG!)
bedient werden, sind nur Grenzfälle erfasst, in denen die sich eine Deckungslücke infolge
der Zahlung auf über 10% des Bestands der Verbindlichkeiten vergrößert.
Der Anwendungsbereich des § 64 Satz 3
GmbHG beschränkt sich nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BGH also auf (i)
Zahlungen ohne fälligen Anspruch (unrechtmäßige Vermögensverschiebungen)
und (ii) Zahlungen, die zur Folge haben,
dass sich die relative Höhe der Deckungsl­
ücke von unter 10 % auf über 10 % der fälligen Verbindlichkeiten erhöht.
In diesen Fällen, dies hat der BGH nunmehr
klargestellt, darf ein Geschäftsführer dann
auch die Zahlung verweigern. Dies erscheint
richtig. Denn es kann nicht sein, dass ein
Geschäftsführer kraft Gesellschafter­
weisung zu einer Zahlung verpflichtet wird,
die ihn einer persönlichen Haftung aussetzt.
Gleichwohl ist es gut zu wissen, dass der
BGH – zumindest der II. Zivilsenat - dies
ebenso sieht.
Autor
Ingo Windhagen
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart
Telefon: +49 711 9881 26061
[email protected]
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Compliance-Maßnahmen müssen umfassend alle kartellrechtlichen Konstellationen abdecken
Rechtsprechung aktuell
Strafbarkeit von Submissionsabsprachen und Haftung einer juristischen Person für
unterlassene Aufsichtsmaßnahmen
Das OLG Celle (Beschluss vom
29.3.2012, Az.: 2 Ws 81/12) hat zu zwei
wichtigen Fragen an der Schnittstelle
zwischen Kartellrecht, Strafrecht und
Compliance Stellung genommen: Wann
machen sich Mitarbeiter von Unterneh­
men, die bislang als Haupt- und Subun­
ternehmer tätig waren, bei Ausschreibun­
gen nach § 298 StGB strafbar? Welche
Anforderungen müssen Organe einer
juristischen Person im Rahmen von
Compliance-Maßnahmen erfüllen, um
ihren Aufsichtspflichten zur Verhinde­
rung von Rechtsverstößen nach § 130
OWiG nachzukommen?
Sachverhalt
Im Rahmen einer Ausschreibung hatte eine
Behörde aus dem Bereich des staatlichen
Baumanagements Angebote für die Lieferung und Montage einer Videoüberwachungsanlage eingeholt. Mehrere Unternehmen, darunter B und N, reichten Angebote
ein. N, ein kleineres Unternehmen, war bisher als Subunternehmer für B tätig. Bevor B
und N ihre Angebote abgaben, hatte – so
die Anklage – ein Mitarbeiter von B einem
Mitarbeiter von N eine Berechnung von B
übersandt, die höher lag als das Angebot,
das B anschließend beim staatlichen Baumanagement einreichte. Der Mitarbeiter
von N soll dann die Berechnung von B mit
unwesentlichen Änderungen für sein Angebot gegenüber dem staatlichen Baumanagement verwendet haben. B erhielt den
Zuschlag und beauftragte N als Subunternehmer für diverse Werkleistungen im Rahmen dieses Bauprojekts. Auch in einem
zweiten Fall besteht der Verdacht, dass sich
die beiden Unternehmen über die Höhe der
25
abzugebenden Angebote verständigt und
vereinbart hatten, dass N nach erfolgtem
Zuschlag für B als Subunternehmer tätig
werden sollte.
Rechtlicher Rahmen
Vereinbarungen oder abgestimmte Ver­
haltensweisen zwischen Unternehmen, die
eine Beschränkung des Wettbewerbs
be­zwecken oder bewirken, stellen – sofern
nicht ausnahmsweise eine Freistellung eingreift – einen Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB dar. Wer gegen § 1 GWB
verstößt, handelt gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1
GWB ordnungswidrig. Nach § 81 Abs. 4
Satz 1 GWB kann dies mit einer Geldbuße
bis zu einer Million Euro geahndet werden.
Über diesen Bußgeldrahmen hinaus können
nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB gegen Unternehmen Geldbußen von bis zu 10 % des
weltweiten Konzernumsatzes im letzten
Jahr verhängt werden. Bestimmten Arten
von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen stellen nicht nur Ordnungswidrig­
keiten, sondern sogar Straftaten dar. Submissionsabsprachen, das heißt wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei
Ausschreibungen, werden unter den Voraussetzungen des § 298 StGB strafrechtlich
geahndet.
Im Hinblick auf die Reichweite von § 298
StGB bestehen teilweise erhebliche Aus­
legungsschwierigkeiten. Dies hängt insbesondere mit der sog. Kartellrechtsakzesso­
rietät dieser Norm zusammen, worunter
verstanden wird, dass sich der Regelungsgehalt maßgeblich nach den materiell-rechtlichen Vorschriften des GWB richtet.
In dem zitierten Beschluss hat das OLG Celle
die Auffassung vertreten, dass „nicht nur
horizontale, sondern auch vertikale Absprachen, also Absprachen über Preise zwischen
einem marktbeherrschenden Anbieter und
einem sonst nur als Subunternehmer tätigen Anbieter“ wettbewerbs­widrig seinen
und sowohl unter § 298 Abs. 1 StGB als
auch unter den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m.
§ 1 GWB fallen würden. Diese Begründung
ist in mehrfacher Hinsicht zumindest missverständlich. Erstens setzen kartellrechtlich
verbotene vertikale Absprachen über (Wiederverkaufs-)Preise keine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens voraus. Vorgaben eines Lieferanten an seinen
Abnehmer im Hinblick auf dessen Wiederverkaufspreise (sog. Preisbindung der zweiten Hand), gelten unabhängig von den
Marktanteilen der beteiligten Unternehmen
als schwerwiegende Kernbeschränkungen.
Zweitens geht es im vorliegenden Fall letztlich nicht um eine „vertikale Absprache“,
sondern um die Frage, ob ein bisheriger Subunternehmer in der Lage ist, aus dieser
Rolle herauszutreten und eigenständig
Angebote abzugeben. Wenn dies der Fall ist,
ist das (zumindest potenzielle) horizontale
Wettbewerbsverhältnis zwischen den Unternehmen betroffen. Unabhängig von der
zweifelhaften Begründung lässt sich das
Ergebnis des OLG Celle auf folgenden Punkt
bringen: Wenn ein Unternehmen im Rahmen
einer Ausschreibung auf die Angebotsabgabe seines bisherigen Subunternehmers
Einfluss nimmt, kann dies nicht „nur“ eine
Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 81 Abs.
2 Nr. 1 GWB i.V.m. § 1 GWB, sondern auch
nach § 298 StGB strafbar sein. •
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Rechtsprechung aktuell
Strafbarkeit von Submissionsabsprachen und Haftung einer juristischen Person für unterlassene Aufsichtsmaßnahmen
• Fortsetzung
Die zweite Kernaussage des OLG Celle
betrifft die Haftung des Unternehmens B
für unterlassene Aufsichtsmaßnahmen, die
zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen
im Betrieb oder Unternehmen erforderlich
sind. Unterlassen Organe einer juristischen
Person solche Aufsichtsmaßnahmen und
begehen sie dadurch eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 OWiG, kann gemäß
§ 30 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG wegen dieser Ordnungswidrigkeit, also den unterlassenen
Aufsichtsmaßnahmen, auch gegen die
juristische Person eine Geldbuße verhängt
werden.
Das Landgericht Stade (Az. 12 KLs 5/09)
war in der Vorinstanz der Auffassung, dass
es für die Festsetzung einer Geldbuße gegen
B schon an dem nach § 130 Abs. 1 OWiG
erforderlichen Aufsichtsverschulden der für
das Unternehmen B handelnden Personen
fehle. B habe eine Vielzahl von Regelungen
getroffen, die auf die Verhinderung von
Absprachen mit Wettbewerbern gleicher
Marktstärke ausgerichtet gewesen seien.
Typischerweise vollzögen sich wettbewerbswidrige Absprachen in diesem Bereich. Eine
Absprache zwischen Unternehmen unterschiedlicher Marktstärke, bei welcher kein
Konkurrenzdruck bestehe, sei eine atypische Konstellation, mit der die Unternehmensleitung nicht habe rechnen müssen.
Um eine solche atypische Absprache habe
es sich hier gehandelt, weshalb der Unternehmensleitung kein Vorwurf gemacht werden könne. Dieser Wertung hat das OLG
Celle ausdrücklich widersprochen. Es könne
nicht darauf ankommen, ob Wettbewerbsabsprachen zwischen Unternehmen gleicher Marktstärke oder ungleicher Marktstärke stattfänden. Durch die vom Gesetzgeber geschaffene Aufsichtspflicht sollen
Verstöße gegen alle straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich geschützten Rechtsgüter verhindert werden. Diese Anforderungen hätten die Aufsichtsmaßnahmen offenbar nicht erfüllt.
26
Praxisrelevanz
Im Rahmen von Ausschreibungen dürfen
Unternehmen keinen Einfluss auf die Angebotsabgabe eines bisherigen Subunternehmers nehmen. Wenn der Subunternehmer
in der Lage ist, selbstständig ein Angebot
abzugeben, kann die Koordinierung des
Angebotsverhaltens einen bußgeldbewährten Kartellverstoß und eine strafbare Submissionsabsprache darstellen.
Unternehmen, deren Subunternehmer
selbst an Ausschreibungen teilnehmen,
sowie diese Subunternehmen müssen in
solchen Konstellationen besonders gründlich jeden Verdacht der Koordinierung vermeiden. Unterlassen die Organe einer juristischen Person Aufsichtsmaßnahmen, die
zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen
im Betrieb oder Unternehmen erforderlich
sind, kann gegen die juristische Person eine
– zusätzliche – Geldbuße verhängt werden,
wenn es zu Gesetzesverstößen kommt. Die
erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen dürfen
sich nicht darauf beschränken, typische
wettbewerbsbeschränkende Absprachen zu
verhindern. Die Compliance-Maßnahmen
von Unternehmen müssen folglich umfassend geeignet sein, jede Art von Kartellverstößen zu verhindern, damit die Organe
ihrer Aufsichtspflicht genügen.
Autor
Marcus Mayer
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart
Telefon +49 711 9881 11203
[email protected]
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Aktuelle Meldung
8. GWB-Novelle vor dem Scheitern?
Der Bundesrat hatte in seiner Sitzung am
23. November 2012 beschlossen, zu der
vom Deutschen Bundestag am 18. Oktober
2012 verabschiedeten 8. GWB-Novelle
die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen. In der Sitzung vom
12. Dezember 2012 hatte der Vermittlungsausschuss seine Beratungen zunächst
auf Januar 2013 vertagt. In der Sitzung des
Vermittlungsausschusses vom 29. Januar
2013 wurde nunmehr deutlich, dass eine
schnelle Einigung nicht in Sicht ist und die
8. GWB-Novelle möglicherweise in dieser
Legislaturperiode überhaupt nicht mehr in
Kraft tritt.
Inhaltlich besteht zwar im Hinblick auf zahlreiche Kernregelungen des Gesetzesvor­
habens Konsens zwischen den jeweiligen
Mehrheiten in Bundestag, Bundesrat und
Vermittlungsausschuss. Dies gilt vor allem
für die Angleichung des materiellen Beur­
teilungsmaßstabes der deutschen Fusionskontrolle an die EU-Fusionskontrolle und die
Änderungen im Marktbeherrschungsrecht.
Es gibt aber auch einige politisch umstrittene Themen, die einen Konsens im Vermittlungsausschuss bisher unmöglich
gemacht haben. Dabei geht es in erster
Linie um die Anwendbarkeit des Kartellrechts auf die gesetzlichen Krankenkassen
und die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht über öffentlich-rechtliche Wassergebühren. Der Vermittlungsausschuss hält es
außerdem für erforderlich im Gesetz klarzustellen, dass im Rahmen der Missbrauchskontrolle keine Durchleitungsansprüche im
Bereich der Wasserversorgung ermöglicht
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werden. Zudem soll klargestellt werden,
dass Kommunen im Rahmen der Fusionskontrolle nicht als Konzern betrachtet werden und damit eine Umsatzzurechnung
unterschiedlicher unternehmerischer Tätigkeiten nicht stattfindet.
Es gibt nunmehr Anhaltspunkte dafür, dass
die 8. GWB-Novelle insgesamt scheitern
könnte. Die Anzeichen verdichten sich, dass
insbesondere die SPD-geführten Bundes­
länder mit Ihrer Mehrheit im Vermittlungsausschuss keinem Einigungsvorschlag
zustimmen oder – nachdem sie nach der
Landtagswahl in Niedersachsen auch im
Bundesrat die „Gestaltungsmehrheit“
haben – Änderungen beschließen, die
wiederum für die Regierungskoalition im
Bundestag nicht akzeptabel sein könnten.
Im Zusammenhang mit einem möglichen
Scheitern der Gesetzesnovellierung ist zu
berücksichtigen, dass für den Bundestag
das Diskontinuitätsprinzip gilt. Dies bedeutet
in sachlicher Hinsicht, dass alle Gesetzesvorlagen, die vom Bundestag in dieser
Legislaturperiode nicht mehr beschlossen
werden, in der nächsten Legislaturperiode
vollständig neu eingebracht und verhandelt
werden müssten. Zwar hat der Bundestag
die 8. GWB-Novelle bereits beschlossen.
Sollte der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses aber eine Abweichung
von dem ursprünglichen Gesetzesbeschluss
vorsehen, wovon auszugehen ist, müsste der
Bundestag gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG
erneut damit befasst werden und über den
geänderten Vorschlag einen Beschluss fassen. Die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag wird voraussichtlich am 22. September
2013 stattfinden. Nach dem derzeitigen
Sitzungskalender des Bundestages ist die
letzte Sitzungswoche des 17. Deutschen
Bundestages für Ende Juni 2013 geplant.
Sofern der Bundestag bis dahin keinen
Beschluss über die 8. GWB-Novelle gefasst
hat, weil die etwaigen Änderungen aus dem
Vermittlungsausschuss und dem Bundesrat
keine Mehrheit finden, oder er gar keinen
Beschluss fassen konnte, weil der Vermittlungsausschuss sich nicht auf einen Vorschlag einigen konnte, müsste in der neuen
Legislaturperiode mit dem Gesetzgebungsverfahren von vorne begonnen werden.
Im Hinblick auf die politisch umstrittenen
Themen mag man darin – je nach Standpunkt – eine „Blockadepolitik“ sehen oder
eine verantwortungsvolle Politik, Gesetzesvorhaben abzuwehren, die aus inhaltlichen
Gründen abgelehnt werden. Es würde aber
auch bedeuten, dass zahlreiche sinnvolle
Änderungen des GWB, bei denen Konsens
besteht, auf absehbare Zeit nicht in Kraft
treten würden.
Autor
Marcus Mayer
Rechtsanwalt
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Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Aktuelle Meldung
Reform des Beschäftigtendatenschutzes wieder aktuell
Um den Beschäftigtendatenschutz gerade
im Hinblick auf Compliance-Maßnahmen
genauer zu regeln, wurde bereits 2010 eine
Reform auf den Weg gebracht. Koalitions­
intern konnte jedoch lange keine Einigung
erzielt werden. Als Anfang 2012 der Entwurf einer vollharmonisierenden EU-Datenschutzverordnung vorgestellt wurde, schien
die Initiative völlig eingeschlafen. Allerdings
enthält der Verordnungsentwurf in Artikel
82 eine Öffnungsklausel, so dass nationaler
Beschäftigtendatenschutz weiter möglich
wäre. Gleichwohl überraschend hat die
Regierungskoalition Anfang 2013 einen
überarbeiteten Entwurf eines neuen
Beschäftigtendatenschutzes mit dem Ziel
der raschen Verabschiedung vorgestellt.
Die neuen §§ 32a bis 32l Bundesdaten-
schutzgesetz (BDSG) sollen insbesondere
folgende Änderungen enthalten:
Für den Bewerbungsprozess werden die
Fragerechte und Befugnisse weiter detailliert (Eignungstests, ärztliche Untersuchungen etc.). Zudem findet künftig der automatisierte, verdachtsunabhängige Abgleich
von Beschäftigtendaten zu ComplianceZwecken eine rechtliche Grundlage. Zu
intensiven Diskussionen haben die neuen
Regelungen der Videoüberwachung
geführt. Während eine heimliche Videoüberwachung vorher ausnahmsweise zulässig war, soll diese nun komplett verboten
werden. Die offene Videoüberwachung soll
dagegen zum Schutz bedeutender Rechtsgüter zulässig sein, darf jedoch nicht der
Leistungs- oder Verhaltenskontrolle dienen.
Weiterhin wird der Einsatz von (GPS-)
Ortungssystemen begrenzt, der Diebstahlschutz von Leasingflotten jedoch weiter
zulässig bleiben. Erleichtert wird die konzerninterne Übermittlung von Daten durch
ein sog. „kleines Konzernprivileg“. Weder
durch eine Einwilligung noch durch eine
Betriebsvereinbarung soll von den neuen
Vorgaben zum Datenschutz negativ abgewichen werden können.
Autor
Dr. Peter Katko
Rechtsanwalt, licencié en droit
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Auskunftsansprüche auch von mittelbaren Gesellschaftern
Der Bundesgerichtshof hat in zwei
Urteilen vom 05. Februar 2013 (Az. II ZR
134/11 und II ZR 136/11, Urteilsgründe
noch nicht veröffentlicht) entschieden,
dass auch Treugeber, die über einen Treu­
handgesellschafter an einer Publikumsge­
sellschaft beteiligt sind, einen Auskunfts­
anspruch haben können.
Beiden Urteilen (und darüber hinaus noch
zahlreichen weiteren anhängigen Verfahren
vor dem BGH sowie diversen Land- und
Oberlandesgerichten) lagen weitgehend
identische Sachverhalte zugrunde:
Ein in der Form einer Kommanditgesellschaft
organisierter Fonds bot Anlegern neben der
Beteiligung als Kommanditist noch eine weitere Beteiligungsmöglichkeit. Anleger konnten sich als Treugeber über einen Treuhänder als sogenannte „mittelbare Gesellschafter“ beteiligen. Zu diesem Zweck wurde ein
Treuhandvertrag mit einem Treuhänder
geschlossen. Dieser Treuhänder wurde als
Kommanditist ins Handelsregister eingetragen. Die Satzung der Gesellschaft nimmt auf
die jeweiligen Treuhandverträge Bezug und
stellt die Treugeber im Innenverhältnis den
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Kommanditisten gleich. Einige Anleger klagten auf Auskunftserteilung über Namen,
Anschrift und Beteiligungshöhe der übrigen
Anleger (diese waren als Treugeber bzw.
mittelbare Gesellschafter gerade nicht im
Handelsregister eingetragen).
Der Bundesgerichtshof stellt in seinen Urteilen ausdrücklich klar, dass diesem Auskunftsverlangen kein schützenswertes Anonymitätsinteresse der übrigen, über einen Treuhänder beteiligten Anleger, entgegenstehe.
Ebenso wie bei einer Gesellschaft bürger­
lichen Rechts oder einer offenen Handels­
gesellschaft habe jeder Gesellschafter einen
Anspruch auf Kenntnis der Identität seines
gesellschaftvertraglichen Vertragspartners.
Dies gelte auch für die Treugeber, da diese
nach dem Gesellschaftsvertrag gerade einem
unmittelbaren Kommanditisten gleichgestellt
sind.
Autor
Johannes Kromer
Rechtsanwalt
Ernst & Young Law GmbH, Stuttgart
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Treugeber
Treuhänder als
Kommanditist
Kommanditist
Komplementär
Publikums- Kommanditgesellschaft
Corporate Law Newsletter | 4. Quartal 2012
Aktuelle Meldung
Vorschläge für Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2013
veröffentlicht
Am 05.02.2013 hat die Regierungskom­
mission Deutscher Corporate Governance
Kodex die im Verlauf des Januar 2013
abgestimmten Formulierungsvorschläge
für Änderungen am Deutschen Corporate
Governance Kodex auf ihrer Website –
www.corporate-governance-code.de –
veröffentlicht.
Viele der vorgeschlagenen Änderungen
weisen keinen materiellen Regelungsgehalt
auf, sondern sollen zu einer weiteren Verschlankung und besseren Lesbarkeit des
Kodex beitragen. Besonderes Augenmerk
hat die Regierungskommission bei ihren
Vorschlägen darauf gelegt, dass der Kodex
weiterhin als eigenständiges Werk erhalten
bleibt. Nationale und internationale Investoren sowie Aufsichtsratsmitglieder der deutschen börsennotierten Gesellschaften sollen
anhand des Kodex weiterhin ein gutes
Gesamtverständnis der Kernaspekte der
deutschen Corporate Governance erhalten.
Die Regierungskommission schlägt insbesondere Anpassungen in Kapitel 4.2 „Vorstand – Zusammensetzung und Ver­gütung“
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vor. Die Änderungen sollen vor allem zu
mehr Transparenz und einer besseren Vergleichbarkeit führen. So wird u. a. vorgeschlagen, zu empfehlen, dass die individuellen Vergütungen in ihrem Gesamtbetrag
und auch ihren einzelnen Vergütungsteilen
nach oben begrenzt sein sollen. Der Aufsichtsrat soll aber weiterhin die systemimmanenten und individuellen Obergrenzen
unternehmensspezifisch festlegen (4.2.3
Abs. 2 Satz 6).
Ferner wird vorgeschlagen, dass der Aufsichtsrat bei der Festlegung der Vorstandsvergütungsstruktur das Verhältnis zwischen
der Vorstandsvergütung sowie der Vergütung des oberen Führungskreises einerseits
und der Gesamtbelegschaft andererseits
auch in ihrer zeitlichen Entwicklung berücksichtigen soll (4.2.2 Abs. 2 Satz 3). Des
Weiteren soll eine neue Empfehlung aufgenommen werden, nach welcher der Aufsichtsrat das jeweils angestrebte Altersversorgungsniveau für den Vorstand definiert
und den daraus abgeleiteten jährlichen
sowie langfristigen Aufwand für das Unternehmen berücksichtigt (4.2.3 Abs. 3).
Um die Vergleichbarkeit zu anderen Unternehmen für den Aufsichtsrat, aber auch für
die breite Öffentlichkeit zu verbessern, regt
die Kommission an, die wichtigen zahlen­
mäßigen Informationen zur Vorstandsvergütung einheitlich aufzubereiten. Hierzu
wird angeregt, die von ihr vorgeschlagenen
und im Rahmen des Konsultationsverfahrens zu diskutierenden Tabellen zu verwenden (4.2.5 Abs. 3 Satz 2). Mit Blick auf
einen möglichen organisatorischen Umstellungsaufwand sollen die Empfehlung zu
Angaben im Vergütungsbericht sowie Anregung zur Verwendung der Tabellen die
den Unternehmen allerdings erst ab 2014
in Kraft gesetzt werden.
Autor
Yasmin von Khurja
Rechtsanwältin, Diplom-Kauffrau
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Ernst & Young
Assurance | Tax | Transactions | Advisory
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Steuerberatung und Transaktionsberatung
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Mitarbeiter sind durch gemeinsame Werte und
einen hohen Qualitätsanspruch verbunden.
Die globale Ernst & Young-Organisation besteht
aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst &
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Handeln und Unterlassen der jeweils anderen
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BKR 0213-082
ED None
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