2. Kreditgeschäft 2.1. Grundbegriffe des Kreditgeschäfts Def. Kredit
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2. Kreditgeschäft 2.1. Grundbegriffe des Kreditgeschäfts Def. Kredit
Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 61 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft 2. Kreditgeschäft 2.1. Grundbegriffe des Kreditgeschäfts Def. Kredit • Kredit ist die Hingabe von Zahlungsmitteln oder anderen Gütern an ein Wirtschaftssubjekt zu dessen sofortiger Verfügung gegen das Versprechen, eine oder mehrere Gegenleistungen binnen einer bestimmten Frist (Kreditlaufzeit) bzw. nach Ablauf einer bestimmten Frist zu erbringen. • Kredit ist die Übernahme von Ausfallrisiken. Def. Kreditgeschäft • i.e.S. Abschluß eines Kreditvertrages • i.w.S. Inbegriff sämtlicher Phänomene, die dem Abschluß des Kreditvertrages vor- und nachgelagert sind Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 62 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Phasen des Kreditgeschäfts - Kreditberatung - Kreditantrag - Kreditwürdigkeitsprüfung - Abschluß des Kreditvertrages - Kreditüberwachung - Kreditabwicklung, insbesondere Abwicklung notleidender Engagements - Kreditwerbung - Kalkulation der Kreditkonditionen Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 63 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Unterscheidungskriterien für Kredite a) qualitative Kriterien - Differenzierung nach Kreditnehmern - Differenzierung nach Kreditgebern - Zweck des Kredites - rechtliche Grundlagen - Domizil des Kreditnehmers - Kündbarkeit des Kredites - Währung - Besicherung - Zinsvereinbarung - Tilgungsmodalitäten - Art der Bereitstellung (Kreditlinie, Darlehen, Diskontkredit) - Art der zur Verfügung gestellten Mittel (Barkredit, Kreditleihe) - Art der Abwicklung (standardisierter Kredit, Individualkredit) - Art der Refinanzierung - Kreditrisiko - Träger des Kreditrisikos Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg b) quantitative Kriterien - Kreditlaufzeit - Kredithöhe - Anzahl der Kreditgeber - Zeit der Inanspruchnahme - 64 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft - 65 - Kreditsubstitute ⇓ ⇓ verbrieft unverbrieft - Commercial Paper - Anleihen - etc. - Leasing - Factoring - etc. Grundlage der Entwicklung von Kreditsubstituten - Wettbewerb - Auswirkung des Steuer- und Aufsichtsrechtes - Fortschritt • beim Kunden • beim Kreditinstitut • im Umfeld (z.B. Entwicklung derivativer Finanzinstrumente) Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft - 66 - Ausgewählte Beispiele: Revolving Underwriting Facility Das KI verpflichtet sich, während einer Laufzeit von einigen Jahren jederzeit bis zu einem Höchstbetrag Commercial Paper eines Kunden zu einem Maximalzins in den Bestand zu nehmen, wenn diese Paper sich nicht im Markt plazieren lassen. KI fungiert als Plazierer: KI fungiert als Underwriter: rmarkt < rmax rmarkt > rmax Optionstheoretische Interpretation: Gestaffelte Verkaufsoptionen des Emittenten (Optionslaufzeit: Frist bis zum Revolvierungszeitpunkt) Floating Rate Notes FRN sind Anleihen mit laufender Zinsanpassung, z.B. EURIBOR + x % Risikoprämie. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 67 - Kreditarten Kurzfristige Kredite • Lieferantenkredit - Warenkredit - Einrichtungskredit • Kundenkredit (d.h. Vorauszahlung durch Kunden) • Bankkredite - Kontokorrentkredit Diskontkredit Lombardkredit Akzeptkredit Avalkredit Mittel- und langfristige Kredite • gewerbliche / private Baufinanzierung • Investititonskredite - standardisierte Investitionskredite - Individualkredite - Schuldscheindarlehen • Weitergeleitete Kredite Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft - 68 - Weitergeleitete Kredite ⇓ ⇓ Kredite unter dem Obligo der Hausbank Kredite ohne Kreditrisiko der Hausbank ⇓ ⇓ Durchgeleitete Kredite Treuhandkredite ⇓ ⇓ Kreditgew. im eigenen Namen Kreditgew. im fremden Namen ⇓ ⇓ Durchlaufende Kredite Verwaltungskredite Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 69 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Rentierliche Titel offenen Märkten (open markets) erworben an nicht-offenen Märkten (negotiated markets) Kennzeichen Bonität wird nicht nur vom Erwerber beurteilt, sondern auch von anderen, ggf. sogar Einordnung des Kreditnehmers in klar definierte Bonitätsklassen (Ratings) Nahezu vollkommener Wettbewerb, praktisch keine Spielräume bei der Festlegung von Preisen und Verzinsung Bonität muß vom Erwerber beurteilt werden, über bonitätsverbessernde Maßnahmen kann verhandelt werden Eher monopolistischer oder oligopolistischer Wettbewerb, Konditionen sind Gegenstand von Verhandlungen Ja-Nein-Entscheidung Entscheidung ist Ergebnis von Verhandlungen Nur Marktrendite, kein Absatzverbund Neben Rendite oft noch Nebeneffekte auf Absatz anderer Produkte (Cross Selling, Kuppelproduktionsansatz der Bankkostenrechnung) Bedienbarer Kundenkreis ist begrenzt Bank kann grundsätzlich auf relevante Bedürfnisse jedes Kunden eingehen Kunde hat seinen Kreditbedarf i.a.R. selbst kompetent geklärt Kunde hat seinen Kreditbedarf vielfach nicht kompetent geklärt Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 70 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Kreditrisiken 1) Ausfallrisiko / Bonitätsrisiko 2) Liquiditätsrisiko 3) Besicherungsrisiko 4) Zinsrisiko 5) Geldwertrisiko 6) Wechselkursrisiko Zinsrisiko, Geldwertrisiko und Wechselkursrisiko determinieren den Umfang, mit dem das Ausfallrisiko schlagend wird. Der Ausfall selbst löst den Schaden aus, nicht etwa die Veränderung der Komponenten Zins, Geldwert und Wechselkurs. Die Komponenten 4) bis 6) sind keine Kreditrisiken, sie sind Bestandteile des Ausfallrisikos. Liquiditätsrisiko Wird eine Annuität zu spät gezahlt, so bedeutet dies finanzmathematisch, daß weniger als zunächst vereinbart bzw. erwartet gezahlt wurde. Das Liquiditätsrisiko ist demnach Bestandteil des Ausfallrisikos. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 71 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Besicherungsrisiko Ein Besicherungsrisiko liegt dann vor, wenn die Gefahr besteht, daß vorhandene Sicherheiten nicht den erwarteten Liquidationserlös erbringen. Dies ist irrelevant, solange das Kreditengagement störungsfrei verläuft. Das Besicherungsrisiko ist demnach ebenfalls Bestandteil des Ausfallrisikos. Frage: Sind 4-6 eigentlich Kreditrisiken? Prüfschema: Welcher Wert der Kreditposition ergibt sich 1) bei störungsfreiem Verlauf a) wenn sich nichts ändert; b) wenn sich der Marktzins, der Geldwert oder der Wechselkurs ändert? 2) bei Ausfall, a) wenn sich nichts ändert; b) wenn sich der Marktzins, der Geldwert oder der Wechselkurs ändert? Bezogen auf USD-Kredit: 1) 2) a) kein Problem b) Schutz vor Verlust durch Hedging ⇒ bei störungsfreiem Verlauf kein zusätzliches Kreditrisiko durch USD-Kredit a) kein Problem, derselbe Verlust wie beim DM-Kredit b) wenn der Wechselkurs steigt ⇒ mehr Ausfall, wenn der Wechselkurs sinkt ⇒ weniger Ausfall. Durch den Ausfall ist die geschlossene USD-Position zu einer offenen USD-Position geworden ⇒ Schutz durch Option Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 72 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Bezogen auf einen Festzinskredit: 1) a), b); 2) a) kein Problem 2) b) wenn die Zinsen sinken, kann eine Ersatzposition am Markt nur zu ungünstigeren Bedingungen gekauft werden. Bezogen auf den Geldwert: 1) a), b); 2) a) kein Problem 2) b) wenn der Geldwert abnimmt, ändert sich zwar nominal nichts, aber real. Fazit: In allen drei Fällen hat nur der Ausfall einen Schaden ausgelöst, nicht die Veränderung der Komponenten. Die Wechselkurs-, Zins- und Geldwertentwicklung beeinflussen nur den Umfang des Ausfalls. 4-6 sind demnach keine Kreditrisiken! Ergebnis: Das Kreditrisiko besteht ausschließlich aus dem Ausfallrisiko/Bonitätsrisiko. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg Kreditsicherheiten • Bürgschaft • Garantie • Schuldbeitritt • Zession - Einzelabtretung - Rahmenabtretung • Pfandrecht - Pfandrecht an Sachen § an beweglichen Sachen § an Grundstücken - Pfandrecht an Rechten • Sicherungsübereignung - 73 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 74 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Funktion von Sicherheiten 1. Sicherheiten reduzieren Ausfallhöhe und -wahrscheinlichkeit bei gegebener Kapitalstruktur und Erwartungsstruktur des Unternehmens (Risikoreduktionsfunktion). 2. Sicherheiten sollen es der Bank erlauben, Klarheit über die persönliche Kreditwürdigkeit zu erlangen. Durch die Bestellung von Sicherheiten gibt der Kunde zu erkennen, daß er sich wie ein „ordentlicher Schuldner“ verhalten wird (Sanktions-, Disziplinierungsfunktion). 3. Sicherheiten sollen Informationskosten bei Kreditentscheidung und -überwachung begrenzen. Bei hinreichend guter Besicherung braucht sich die Bank über die Erwartungsstrukturen keine Sorgen zu machen (aber: §18 KWG). 4. Sicherheiten haben eine Informationsbegrenzungs- und damit auch eine Innovationsschutzfunktion. 5. Sicherheiten sollen die Abwicklungskosten beim Ausfall reduzieren (Kostenreduktionsfunktion). Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 75 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Ermittlung des umsatzbedingten Nettofinanzbedarfes Symbolverzeichnis TRt Umsatz in Periode t K Kapital V Vermögen A umsatzabhängige Vermögensposition B umsatzabhängige Passivposition m Umsatzrendite g Wachstumsrate des Unternehmens b Thesaurierungsquote 1-b Ausschüttungsquote ∆TR Umsatzänderung EFN External Funds Needed (erforderlicher externer Finanzierungsbedarf) PEFN Percent of External Funds Needed (erforderlicher externer Finanzierungsbedarf in % der Umsatzentwicklung) I Nettofinanzbedarf in % der Umsatzes Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft - 76 - Es gilt: ∆TR = g · TR1 TR2 = TR1 · (1+g) EFN ∆TR A B I= − TR TR EFN(∆TR) = ∆V(∆TR) − ∆K(∆TR) A B EFN(∆TR ) = ⋅ ∆TR ⋅ ∆TR - b ⋅ m ⋅ TR 2 14243 TR TR 1 4243 1 4243 PEFN = umsatzabh. Erhöhung der Aktiva umsatzabh. Erhöhung der Passiva Thesaurierungsbetrag in Periode t2 EFN(∆TR ) = I ⋅ ∆TR - b ⋅ m ⋅ TR 2 EFN = I ⋅ g ⋅ TR 1 − b ⋅ m ⋅ TR 1 ⋅ (1 + g ) EFN = I ⋅ g ⋅ TR 1 − b ⋅ m ⋅ TR 1 − b ⋅ m ⋅ g ⋅ TR 1 b⋅m − b ⋅ m) ⋅ g ⋅ TR 1 g EFN b⋅m = I− − b⋅m g ⋅ TR 1 g EFN = (I − Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 77 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft b⋅m PEFN = I − − b⋅m g EFN = PEFN ⋅ ∆TR Beurteilung der Umsatzmethode Vorteile - einfach zu handhaben - mathematisch einfach - Kennzahlensystem - Determinanten des externen Finanzbedarfes werden deutlich - Umsatzwachstum determiniert Finanzbedarf (= in der Praxis beobachtbares Phänomen) - Daten sind stabil (Ist das wirklich ein Vorteil?) Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 78 - Examenskurs BBL 2.1 Kreditgeschäft Nachteile - feste Kennzahlenverhältnisse (alle Determinanten mit Ausnahme des Umsatzes sind konstant) - - Umsatz = 0 ⇒ Bestand = 0 (d.h. nur das Transaktionsmotiv der Bestandshaltung findet Berücksichtigung) - andere Bestandshaltemotive bleiben unberücksichtigt (Spekulationsbestände, Vorsichtsbestände, exogen bedingte und losgrößendegressionsbedingte Pufferbestände) - Umsatzrendite hängt auch ab von • Reifegrad des Produktes (Stichwort: Produktlebenszyklus) • Kapitalstruktur - Annahme, der Finanzbedarf werde zunächst durch die Thesaurierung von Gewinnen gedeckt, dieses Verhalten führt u.U. zu einer suboptimalen Kapitalstruktur Alternative Ansätze: Regressionsmethoden, Zeitreihenmodelle Literatur zur Umsatzmethode: J. Fred Weston; Thomas E.Copeland, Managerial Finance, 9. Aufl., New York 1992, S. 261-279. (Achtung!! Ergänzung!) Aufgaben: SS99 (7a), WS98/99 (6a), SS 97 (1a) Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 79 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft 2.2. Kreditwürdigkeitsprüfung Kreditfähigkeit Eigenschaft, einen Kreditvertrag mit dem Kreditgeber rechtlich wirksam schließen zu können. Kreditwürdigkeit Persönliche KW: Eigenschaft, im Urteil des Kreditgebers als charakterlich einwandfrei, wenigstens als zuverlässig oder zahlungswillig, und als beruflich tüchtig zu gelten. Sachliche oder materielle KW: Eigenschaft, im Urteil des Kreditgebers aufgrund geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse oder aufgrund der gestellten Sicherheiten den Kredit vereinbarungsgemäß bedienen zu können. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 80 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft Kreditprüfung Traditionelle Verfahren Moderne Verfahren Ausfallbedrohte Kredite werden über intersubjektiv nachvollziehbare Plausibilitätsüberlegungen ermittelt. Moderne Verfahren „bewerten“ den beantragten Kredit auf Basis eines Gewichtungsoder Punktesystems. Die Bewertungszahl eines Kredites entscheidet darüber, ob der Kredit vergeben wird. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 81 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft 1. Traditionelle Verfahren a) Universalansatz Anknüpfung an den Eigenschaften des Kreditnehmers: • Kreditfähigkeit • Persönliche Kreditwürdigkeit • Sachliche Kreditwürdigkeit Die sachliche Kreditwürdigkeit wird in doppelter Hinsicht geprüft: • für den Bedienungsfall durch dynamische Kreditprüfung, d.h. man verlangt, daß der Kapitaldienst allein aus dem Cash-Flow des Unternehmens erbracht werden kann • für den Konkursfall durch statische Kreditprüfung (hier kommt es i.w. auf die Nettohaftsumme und die Besicherung an) Kritik: - wenig Handlungsanleitung - keine Ausfallwahrscheinlichkeiten - rein intuitive Kreditentscheidung Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 82 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft b) Standardansatz für Firmenkredite (nach Hagemüller) - Prüfung der Kreditfähigkeit (rechtliche Grundlagen) - konjunkturelle Entwicklung / Branchenentwicklung - Ausstattung mit Produktionsfaktoren • materiell • immateriell • Personal - Managementstruktur - Kapital- und Vermögensverhältnisse - Finanzplanung Kritik - keine Ausfallwahrscheinlichkeiten - Kreditentscheidung basiert maßgeblich auf subjektiven Aspekten Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 83 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft c) Amerikanischer Ansatz / C-Ansatz character persönliche Integrität competence fachliche Eignung capital Vermögen, Kapitalstruktur capacity Kreditfähigkeit coverage Kapitaldienstdeckung / Deckung im Konkursfall collateral Besicherung conditions gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen conflicts Konflikte • innerhalb des Unternehmens • mit Tochtergesellschaften • mit Gesellschaftern Kritik: - keine Handlungsanleitung - keine Ausfallwahrscheinlichkeiten Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 84 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft d) O’Rourke Ansatz 1) Verwendungszweck (Was wollen Sie?) 2) Kapitaldienstanalyse (Was können Sie?) 3) Kreditentscheidung (Kann man sich bei realistischen Konditionen treffen?) + Entscheidungsdokumentation + Beachtung der Auswirkungen einer Kreditablehnung Kritik: - Kreditentscheidungsprozeß gut strukturiert - Prüffelder werden indes nicht detailliert dargelegt Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 85 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft Kritik an den traditionellen Verfahren insgesamt - Jahresabschlußdaten sind vergangenheitsbezogen - Spielraum bei der Bilanzgestaltung - Zuverlässigkeit der Informationsquellen - Sicherheitenprobleme - subjektive Einschätzung - überwiegend wenig Handlungsanleitung (Ausnahme: Standardansatz) - Ausfallwahrscheinlichkeiten bleiben unberücksichtigt Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 86 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft 2. Moderne Ansätze zur Kreditwürdigkeitsprüfung Zielsetzung der modernen Ansätze Hauptziel Reduzierung von Entscheidungsfehlern 1. und 2. Art Nebenziele - Objektivierung der Kreditentscheidung - Rationalisierung der Kreditwürdigkeitsprüfung durch • Beschränkung auf die wirklich entscheidungsrelevanten Prüffelder • Beschleunigung des Prüfungsvorganges • intensive Nutzung der Kreditwürdigkeitsprüfungskapazitäten - bessere Ausnutzung des Marktpotentials • durch Reduzierung von Entscheidungsfehlern • durch X-Wert-orientierte Risikoprämien - Erleichterung von Kontrollen und Revision im Kreditgeschäft - bessere Bonitätsbeurteilung Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 87 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft - Vereinfachung der Kreditüberwachung - risikolose Dezentralisierung der Kreditentscheidung - Vereinfachung von • Planung des Kreditvolumens • Planung der Qualität des Kreditbestandes Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 88 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft a) Quantitativ-statistische Prognoseansätze / Diskriminanzanalyse 1. Aufgrund statistischer Untersuchungen gewinne man Klarheit darüber, welche Merkmale sich als besonders trennfähig für gute und schlechte Kredite eignen (Trennfunktion). Verwendet man mehrere Merkmale, so müssen sie zu einem Merkmal aggregiert werden. Dazu verwendet man Regressions- oder Diskriminanzfunktionen. 2. Man bestimme die Wahrscheinlichkeit P(X), daß ein Kredit mit einer Bewertungszahl von wenigstens X störungsfrei bedient wird. 3. Man bestimme den Nettoertrag n pro DM störungsfreier Kredit. 4. Man bestimme den Nettoaufwand k pro DM störungsfreier Kredit. 5. Man bestimme das DM-Volumen der Kredite M, das sich einstellt, wenn ein bestimmter Punktwert X einer Kreditgewährung vorausgesetzt wird. 6. Man ermittle den Erwartungswert des Bruttogewinns aus dem Kreditgeschäft: E (G(X)) = n M(X) P(X) - k M(X) (1-P(X)) Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 89 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft Bei hohem X ist die Wahrscheinlichkeit eines nicht störungsfreien Verlaufes [1-P(X)] nahezu Null. Das Kreditvolumen ist indes auch sehr niedrig. Senkt man X, so erhält man höhere Erträge, da das realisierbare Kreditvolumen wächst. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit eines störungsfreien Verlaufes P(X). Die erwarteten Kosten steigen, da die Wahrscheinlichkeit für einen nicht störungsfreien Verlauf [1-P(X)] ansteigt. 7. Gesucht wird der optimale Punktwert, der als Voraussetzung für die Kreditgewährung verwendet werden soll. E ( G(X) ) max! Bedingung: Grenzerlös = Grenzkosten Danach ergibt sich folgender Ablauf im Kreditgeschäft: 1. Kreditantrag 2. Bewertung des potentiellen Kreditengagements, d.h. Zuordnung eines X-Wertes 3. Vergleich des Punktwerts X mit Xopt 4. Kreditentscheidung X ≥ Xopt ⇒ Kreditgewährung X < Xopt ⇒ Kreditablehnung Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 90 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft Kritik: - Schwierigkeit der Einstufung neuer Kreditantragsteller in die Kategorien guter und schlechter Kreditnehmer, weil die Kreditantragsteller nicht der Beobachtungsmenge abgewickelter Kreditengagements angehören, aus der das Bewertungsverfahren entwickelt wurde - Verfahren stützt sich auf Zusammenhänge aus der Vergangenheit, die in der Zukunft nicht unbedingt fortbestehen müssen - beobachteter Zusammenhang von Merkmal und Risikoklasse ist u.U. zufällig - die Daten für Trennfunktionen genügen vielfach nicht den quantitativen und qualitativen Anforderungen (zu kleine Stichproben, keine metrisch-skalierten Stichproben) - das Optimum ist branchenmixabhängig, der Branchenmix ändert sich indes ggf. im Zeitablauf, sodaß Fehlentscheidungen wahrscheinlich sind - da die Kreditwürdigkeitsprüfung objektiviert werden soll, dürfen in den X-Wert keine Merkmale einfließen, deren Ausprägungen subjektiv sind (z.B. Managementqualität) - psychologische Barrieren bei Mitarbeitern - Mißtrauen des Managements gegenüber einem derartigen System Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 91 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft - im Modell ist der Nettoertrag zunächst für alle Kredite gleich, tatsächlich ist eine X-Wert-orientierte Konditionsdifferenzierung zum Zweck einer besseren Marktdurchdringung sinnvoll Ergebnis: Es gibt keinen optimalen X-Wert mehr. Für jeden X-Wert kann ein auskömmlicher Zins vereinbart werden. Gute Kredite sind nicht zwingend sichere Kredite, sondern solche, die unkorreliert sind und zu einer Portefeuillerendite beitragen, die mindestens dem risikofreien Zins entspricht. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 92 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft b) Investitionstheoretischer Ansatz ⇒ reditentscheidung im engeren Sinne ⇒ im Gegensatz zum Abschnitt a) werden nur einzelne Kredite betrachtet 1. Zielsetzung Erlösmaximierung aus dem Kreditengagement und dem dazugehörigen Geschäft unter den Nebenbedingungen • Einhaltung gesetzlicher und anderer bankspezifischer Normen • Unterschreiten des Maximalrisikos ⇒ Maximierung des Nettobarwertes des Kredites 2. Erfassung der Ausgangssituation - Anwendung des With-and-Without-Principle - periodenweise Ermittlung der Zahlungsüberschüsse • vereinbarter Zahlungsstrom (lt. Kreditvertrag) • zwangsweiser Zahlungsstrom (bei Verwertung von Sicherheiten) • induzierter Zahlungsstrom (aus Cross-Selling) Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 93 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft 3. Darstellung verschiedener Handlungsalternativen Die Handlungsalternativen sind nicht etwa verschiedene Kredite, sondern unterschiedliche Ausstattungsvarianten eines einzelnen Kredites (hinsichtlich Laufzeit, Zins, Besicherung etc.). 4. Entscheidung i.e.S. - Ermittlung der Nettobarwerte der Handlungsalternativen - Der Nettobarwert muß positiv sein, d.h. der interne Zinsfuß muß den risikoadäquaten Opportunitätszins übersteigen. Problem: Die Praxis denkt der Tendenz nach eindimensional, d.h. der Zinsnutzen aus dem Kredit soll den Zinsaufwand für die Refinanzierung übersteigen. Effekte aus der Portefeuillebildung bleiben hierbei unberücksichtigt. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 94 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft c) Portefeuilletheoretischer Ansatz Die Kreditentscheidung kann als Portefeuilleentscheidung aufgefaßt werden. Im Portefeuillezusammenhang verliert das Risiko des Einzelkredites an Bedeutung. Es kommt auf die Korrelation der Kredite untereinander an. 1. Zusammenstellung von Portefeuilles mit optimalem RisikoRendite-Verhältnis Hierzu wird die Korrelation jedes Kredites mit jedem anderen Kredit im Portefeuille benötigt. Die Korrelationsmatrix ist in der Praxis kaum ermittelbar. Überdies ist eine simultane Kreditentscheidung i.a.R. nicht möglich: • dezentrale Entscheidungen vor Ort • sukzessive Entscheidungen, bei denen viele Korrelationen unberücksichtigt bleiben • hierarchisch strukturierte Entscheidungsbefugnisse • auf Sachbearbeiterebene ist die Kreditentscheidung keine Portefeuilleentscheidung • unterschiedliche Risikopräferenzen der Entscheidungsträger problematisch Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 95 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft 2. Spezieller Ansatz Stufe 1 Der Kreditsachbearbeiter entscheidet nach den von der Geschäftsleitung vorgegebenen Kriterien. Stufe 2 Der Portefeuilleansatz wird auf der Bankleitungsebene vollzogen. ⇒ das Kreditgeschäft wird als zweistufiger Prozeß verstanden ⇒ das Problem der dezentralen und sukzessiven Kreditentscheidung wird dadurch entschärft, daß sie nur auf der ersten Stufe vorzufinden ist Literatur Deutsche Bundesbank, Zur Bonitätsbeurteilung von Wirtschaftsunternehmen durch die Deutsche Bundesbank. In: Deutsche Bundesbank Monatsbericht, 51. Jg. (1999), Heft 1, S. 51-63. Thomas Dittmar; Andreas Hilbert, Bonitätsprüfung mit Hilfe Künstlicher Neuronaler Netze. In: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB), 10. Jg. (1998), Heft 5, S. 343-352. Institut für Geld- und Kapitalverkehr der Universität Hamburg - 96 - Examenskurs BBL 2.2 Kreditgeschäft Markus Feidicker, Kreditwürdigkeitsprüfung - Entwicklung eines Bonitätsindikators. Düsseldorf 1992, S. 133-158 und S. 184-197. Wolfgang Grill, Hans Perczynski, Wirtschaftslehre des Kreditwesens. 32., völlig neu bearb. Aufl., Bad Homburg v.d.H. 1998, S. 344-355 und 369-424. Karl Friedrich Hagenmüller, Kreditwürdigkeitsprüfung. In: Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, Bd. VI, Hrsg. Hans E. Büschgen, Stuttgart 1976, Sp. 1224-1234. Anton Schmoll, Theorie und Praxis der Kreditprüfung unter besonderer Berücksichtigung der Klein- und Mittelbetriebe. In: Österreichisches Bankarchiv, 31. Jg. (1983), Heft 3, S. 87106, (Teil I), Heft 5, S. 165-191 (Teil II) und Heft 6, S. 212232 (Teil III). Anton Schmoll, Kreditüberwachung: Systematische Erfassung von Frühwarnsystemen. In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 47. Jg. (1994), Heft 16, S. 782-785. Heinz Strack; Eberhard Müller-Schwerin, Mathematischstatistische Verfahren zur Formalisierung des Kreditentscheidungsprozesses. In: Kredit und Kapital, 10. Jg. (1977), Heft 3, S. 291-305. Aufgaben: WS 99/00 (8b), SS 98 (7d), WS 97/98 (8a,b), WS 96/97 (2 a,b,c,d), WS 95/96 (6 a,b,c)