Beitrag zum Wechselschlag des Gitarristen
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Beitrag zum Wechselschlag des Gitarristen
Beitrag zum Wechselschlag des Gitarristen - Teil 1 Geschichtliches Traditionen sind zählebig. Veränderungen setzen sich nur schwer durch. Der mittelalterliche Stil, die Laute mit dem Plektrum anzuschlagen, wurde im 15. Jahrhundert ganz allmählich abgelöst durch eine neue Art, die Saiten mit den Fingern zu zupfen. Diese neue Art wurde erstmals 1484 von Joh. Tinctorius beschrieben. Hinweise auf die Verwendung des alten Stils gibt es aber noch bis 1523. Pietrobono und andere Spieler, bekannt für den Gebrauch des Plektrums, waren hingegen noch bis im späten 15. Jahrhundert aktiv. Lautenspieler der Renaissance verwendeten beim Anschlag mit Fingern zunächst häufig Techniken, die sich auf das Plektrumspiel bezogen, bzw. diesem sehr ähnlich waren. Zu solchen Anschlagtechniken gehörten u.a.: - die Daumen-Innen-Technik (Unterschiede zum heute gebräuchlichen Daumen-Zeigefingerwechselschlag: andere Armstellung, Aufstützen des kleinen Fingers auf der Decke, der Arm wird ähnlich wie beim Plektrumspiel bewegt, der Daumen ersetzt den Abwärtsanschlag des Plektrums durch eine Bewegung zur Handfläche hin, der Zeigefinger den Aufwärtsanschlag, indem er über die Außenseite des Daumens bewegt wurde.) - das dedillo (der Zeigefinger schlägt auf- und abwärts wie das Plektrum, wird u.a. erwähnt von Luis Milan in „El Maestro“ Valencia 1536, Alonso Mudarra in „Tres Libros de Musica“ Sevilla 1546, Miguel de Fuenllana in „Orphenica Lyra“ Valladolid 1544) - die Streiftechnik (das Durchstreichen mehrerer Saiten mit dem Daumen oder Zeigefinger anstelle des heutigen geschlossenen Anschlages mit mehreren Fingern. Diese Technik wird z.B.beschrieben von Hans Judenkünig in „Ain Schone Künstliche Unterweisung auff der Lautten und Geygen“ 1523 oder auch von Joanambrosio Dalza in seinen Tabulaturen.) Die Daumen-Außen-Technik (der heute gebräuchliche Daumen-Zeigefinger-Wechselschlag) wurde etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts populär und im dann folgenden Barockzeitalter bevorzugt. Auch der ZeigeMittelfinger-Wechselschlag war schon sehr frühzeitig im Gebrauch. Venegras des Henestrosa schrieb 1557 in seiner Abhandlung „Libro de Cifa Nuevo“: „Du solltes auch wissen, daß es vier Arten gibt zu diminuieren: Eine mit dem Zeigefinger der rechten Hand, den man redoblar de dedillo nennt, die zweite ist der Kastilian-Stil, bei welcher der Daumen über dem Zeigefinger kreuzt, die dritte Art ist der ausländische Stil, welcher das Gegenteil ist, neige den Zeigefinger über den Daumen, die vierte Art ist es, mit dem Zeigefingern und Mittelfinger zu spielen.“ Noch etwas Geschichtliches Der Wechselschlag wird schon seit über 400 Jahren zum Diminuieren oder schlicht ausgedrückt, zum Schnellspielen gebraucht. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Langsam spielen und dabei noch schön musizieren kann man mit jeder Technik, bei geschwinden Läufen ist es mit dem Musizieren so eine Sache, wenn das Schnellspielen zur Anstrengung wird. Während meines Studiums habe ich den Wechselschlag trotz intensiven Übens nie auf ein Niveau anheben können, wie es mir namhafte Gitarristen in ihren Auftritten oder Produktionen vorführten. Wo lagen bei meinem Üben die Fehler? Oder war es einfach mangelnde Begabung? Helfende Antworten auf solche Fragen konnte mir damals niemand geben. Im Gegenteil: Bei Kontakten und Gesprächen mit anderen Lehrern und Gitarristen mußte ich die Erfahrung machen, daß mein Problem gar nicht so selten ist. Viele Gitarristen geben ohne Umstände zu, ähnliche Probleme zu haben. Unterschwellig klingt dies in Veröffentlichungen an. Beispiel: „Viele heutige Gitarristen und Lautenisten, die mit dem Mittelfinger-Zeigefinger-Wechselschlag um höhere Geschwindigkeit kämpfen, tun sich leichter mit Daumen und Zeigefinger.“ (D. A. Smith/G. Söhne „Eine neue historischtheoretisch und practische Untersuchung des Instruments der Lauten“, G&L 1/79, S. 23). Ganz allgemein akzeptiert man die Tatsache, daß es wenige herausragende Spieler gibt, die den Wechselschlag unglaublich gut und schnell beherrschen, man selbst aber weit darunter liegt. Es deutete somit alles darauf hin, daß nur wenige Glückliche mit einer seltenen Begabung ausgestattet mit dem Wechselschlag besonders gut und schnell spielen können und die anderen eben nicht. Ist das aber wirklich so? Der Pianist Oskar Reif hatte am Ende des 19. Jahrhunderts die Schnelligkeit von Fingerbewegungen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und bei seinen Klavierschülern untersucht. Er schrieb darüber in „Ueber Fingerfertigkeit beim Clavierspiel“, J. A. Barth „Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft“:„Im Allgemeinen haben Gebildete wohl eine größere Fingerbeweglichkeit als Personen niederer Stände, keineswegs aber Clavierspieler eine größere Beweglichkeit als Nichtclavierspieler.“ Des weiteren machte er folgende Entdeckung: „...begann ich, die einzelnen Finger aller meiner Schüler auf ihre Beweglichkeit eingehend zu prüfen. Die hierauf bezüglichen Untersuchungen, welche sich in einzelnen Fällen über mehrere Jahre erstreckten, ergaben, daß trotz eines je nach Beanlagung mehr oder weniger erheblich gesteigerten Tempos für Tonleitern und andere Passagen die Beweglichkeit der einzelnen Finger unverändert geblieben war.“ Oskar Reif stellte somit fest, daß trotz jahrelangen Übens die Geschwindigkeit der Finger nicht erhöht wird. Tonleitern kann der Pianist zwar jetzt viel schneller spielen, die Finger selbst sind jedoch nicht schneller geworden. Ich begann damit, die Bewegungsgeschwindigkeit meiner einzelnen Finger zu messen. Mit einem Finger (Daumen oder Zeigfinger) konnte ich folgende Übung bewältigen: Mit zwei Fingern („im“ bzw. pi) die folgende Übung: Mit drei Fingern („pim“ bzw. „ima“) dann die folgende Übung: Tempo MM=92 Viertel war von mir in allen drei Übungen gut und sicher zu schaffen. Ich konnte zwar auch schneller spielen, aber ganz sicher und locker blieb ich im obigen Tempo. Als nächstes untersuchte ich das Tempo bei Gitarristen mit gleichen Anschlagbewegungen. Jeder ausgebildete Gitarrist (gleich, ob Lehrer oder aktiver Spieler) war in der Lage, im Tempo MM= 92 Viertel viermal in Sechzenteln pro Grundschlag mit einem Finger anzuschlagen. Nicht wenige waren auch wesentlich schneller, aber langsamer war niemand, wenn seine Spielbewegungen nur hinreichend automatisiert „liefen“. Anfänger - Kinder, Jugendliche und Erwachsene - konnten diese Übungen natürlich nicht bewältigen, ihre Anschlagfinger hatten weder ausreichende Treffsicherheit noch Übung. Aber langsamer waren ihre Fingerbewegungen deshalb nicht! Wenn ich obigen Rhythmus als Klopf- und Schlagübung auf den Boden der Gitarre machen ließ, schaffte es spätestens nach der dritten Übestunde jeder (Voraussetzung dafür waren natürlich günstige „Rahmenbedingungen“, um sowohl Ruhe als auch Konzentration zu fördern). Oskar Reif hat vollkommen Recht: Fingerbewegungen werden auch durch das Gitarrespiel nicht schneller, die Grundschnelligkeit ist zumindest latent bei jedem meiner Schüler - auch beim Anfänger - vorhanden. Das Problem Kurz zusammengefasst kann der durchnittliche Mensch ohne Probleme bei MM=92 Viertel zumindest kurzzeitig in Sechzehnteln mit einem Finger oder mehreren Fingern gleichzeitig anschlagen bzw. klopfen. Dies entspricht 368 Bewegungen pro Minute bzw 6,1 Bewegungen pro Sekunde. Damit liegen meine Ergebnis im gleichen Bereich wie die Ergebnisse internationaler Untersuchungen an mehreren tausend Personen beim „Tapping“ (Die beim motorischen „Tapping“-Test durchgeführten Fingerbewegungen haben sehr viel Ähnlichkeit mit Anschlagbewegungen des Pianisten oder Gitarristen, sind daher als Vergleich gut heranzuziehen) . Im Wechselschlag „im“ konnte ich damals bis maximal MM=132 Viertel in Sechzehnteln spielen. Hierzu eine kleine Überlegung: Wenn ich mit zwei abwechselnd anschlagenden Fingern bei MM=132 Vierteln in Sechzehnteln anschlage, bewegt sich der einzelne Finger nur noch 4,4 mal pro Minute (132x4 sind 528 Anschlagbewegungen pro Minute. Da zwei Finger abwechselnd anschlagen, schlägt der einzelne Finger folglich 264 mal pro Minute an. Dies entspricht einer Bewegungsfrequenz für den einzelnen Finger von 4,4 Bewegungen pro Sekunde). Damit haben die Finger beim Wechselschlag im Vergleich zum Anschlag eines einzelnen Fingers bzw. beim gleichzeitigen Anschlag mehrerer Finger einen Leistungsverlust von etwa 30 Prozent. Diesbezügliche Untersuchungen an und mit Gitarristen zeigten ähnliche Ergebnisse. Es gibt ausgesprochene „Schnellspieler“, aber nur sehr wenige. Die meisten Gitarristen und Lehrer können im Wechselschlag ihr Tempo nicht verdoppeln, obwohl es theoretisch (von den Fingern her) möglich sein müßte. Aber es gibt nicht nur wenige Schnellspieler, es gibt auch zugleich ebenso einzelne ausgesprochene „Langsamspieler“. Darunter verstehe ich Gitarristen, die im Wechselschlag ihr Tempo gegenüber dem Einzelanschlag nur unwesentlich erhöhen können. Wechselschlag MM in Vierteln beim Sechzehntelanschlag Gitarrespieler, Lehrer Langsamspieler (MM unter 120) Durchschnittsspieler (MM ca. 120 bis 144) Schnellspieler (MM über 144) wenige (prozentual) überwiegende Mehrheit wenige und nach oben hin immer seltener Bei Diskussionen mit Kolleg(inn)en stieß ich auf sehr unterschiedliche Haltungen. Zum einen wurde mir der Vorwurf gemacht, das Schnellspielen zu sehr überzubewerten. Damit haben sie natürlich recht, denn ich sehe tatsächlich das Schnellspielen als ein natürliches und sehr notwendiges Ausdrucksmittel der Musik. Genau so wie es ein Laut- und Leisespielen gibt, muß es auch die Gegensätze schnell und langsam geben. Ich betrachte deshalb die Unfähigkeit, Tonleitern und Passagen im Wechselschlag gegebenenfalls sehr schnell spielen zu können, als einen Verlust der eigenen musikalischen Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeit. Aber ich traf auch auf Gitarristen, die meinen Standpunkt mehr oder weniger teilten und sowohl Geduld als auch Verständnis zeigten, wertvolle Hinweise gaben, damit Mut machten, weiter daran zu arbeiten. Zu diesen Gitarristen zählen Jürgen Rost (Weimar) und Michael Koch (Mainz), Markus Gottschall (Berlin), Lothar Gärtig (Görlitz) oder auch Peter Rütthard (Pirna). Meinen ausdrücklichen Dank an dieser Stelle für diese schönen Stunden kreativer, wegweisender und hoffnungsträchtiger Gespräche. Die Kritik Seit 450 Jahren wird der Wechselschlag auf der Gitarre praktiziert. Untersuchungen, Forschungen oder auch nur analytische Betrachtungen dazu sind selbst im Ansatz nicht vorhanden. Kritiklos wird schon im Anfangsunterricht in zahlreichen Gitarreschulen der Wechelschlag eingeführt. Wie schrieb Matanya Ophee vor zwei Jahrzehnten so schön: „Wir sind dazu gekommen, den Fingerwechsel der rechten Hand sozusagen als heilige Kuh anzusehen...“ (G&L 6/82 S. 364). Die mehrbändige Heinrich-Albert-Schule („Lehrgang des künstlerischen Gitarrenspiels“, Robert Linau, Berlin - Lichterfelde, 1924) dürfte zu den bedeutensten Lehrwerken ihrer Zeit zählen. Heinrich Albert schreibt bezugnehmend auf den Wechselschlag : „Der Fingersatz ist ein Gesetz, das sich nur mit Einbuße der Sicherheit und der ruhigen Fortführung umgehen läßt. Man gewöhne sich also vom ersten Anfang daran, ausschließlich nach dem Fingersatz zu spielen.“ (I. Teil, Abt. A, S. 9) Was für ein Gesetz soll das sein? Heinrich Albert kann man jedenfalls nicht mehr fragen. Stellvertretend für viele ein Zitat aus einer recht neuen Gitarrenschule: „Wenn wir mit den Fingern anschlagen, wechseln sich zwei Finger immer ab....Nach dem Anschlag ruht sich der Finger auf der tieferen Saite kurz aus (anlegen). Nun schlägt der andere Finger an. Gleichzeitig geht der erste Finger wieder hoch, damit er sofort anschlagbereit ist. Die Finger ‘laufen’.“ (Hans Joachim Teschner aus „Fridolin“, N 2020, S.19). Diese gleichzeitig entgegengesetzte Bewegung zweier Finger wird von vielen Autoren ausdrücklich hervorgehoben. So schreibt Wolfgang Lendle: „Bewegungstechnisch ist zum Wechselschlag zu sagen, daß, sobald der eine Finger angeschlagen hat, der andere schon in Bereitschaft sein muß, um den ersten mit seinen Anschlag abzulösen, wobei nach dem Anschlag des zweiten Fingers der erste wieder in seine Ausgangsstellung zurückgeht. - Es handelt sich also um ein ausgewogenes, kontinuierliches Wechselspiel zwischen zwei Fingern.“ (W. Lendle „Orientierungsmodelle für den Instrumentalunterricht, Unterstufe“, Gustav Bosse, S. 32). Halten wir es fest: Die gleichzeitige entgegengesetzte Bewegung der zwei am Wechselschlag beteiligten Finger sind von entscheidender Bedeutung für die spätere, bei ausreichender Übung folgende Geschwindigkeit. Sowohl der Lehrer als auch sein Schüler können sich dabei nur auf ihre Augen verlassen, um diese gleichzeitige Bewegung zweier Finger zu beurteilen. Der aus der Hand herauskommende und sich zum erneuten Anschlag vorbereitende Finger ‘klingt’ nicht! Diese Besonderheit soll hier hervorgehoben sein. Beim Pianisten ist das z.B. ganz anders: Wenn der Pianist abwechselnd zwei Tasten mit zwei verschiedenen Fingern anschlägt, können sowohl Lehrer als auch Schüler hören, daß sich beide Finger gleichzeitig bewegen. Der Ton der zuvor angeschlagenen Taste verstummt beim Hochheben des Fingers! Die Gitarre weist aufgrund ihrer Beschaffenheit beim Wechselschlag eine Besonderheit auf, die sie wesentlich von anderen Instrumenten unterscheidet. Beim Wechselschlag zwischen zwei Fingern ist die gleichzeitige Bewegung beider Finger in entgegengesetzter Richtung wichtig, wobei die Bewegung des zurückkommenden Finger nur vom Sehen, nicht aber vom Gehör beurteilt werden kann. Die Frage ist nun, reicht das Sehen zur Beurteilung der richtigen gleichzeitigen Bewegung des zurückkommenden Fingers aus? Nein, das Sehen reicht nicht aus, unsere Augen können ab einer bestimmten Zeitspanne die Gleichzeitigkeit nicht mehr erkennen. Letztendlich ist diese Tatsache jedem bekannt, ein ganzer Industriezweig lebt von dieser Unvollkommenheit: die Filmindustrie. Im Sport ist man sich dessen sehr bewußt, wenn es um Beobachtung und Leistungsentwicklung geht: „Folglich kann auch der Trainer, der sich nur von seinen subjektiven visuellen Eindrücken leiten läßt, bedeutende Fehler machen, wenn er die aufeinander folgende Lageveränderung des Sportlers bei schneller Ausführung einer koordinativ komplizierten Bewegung charakterisiert.“ (W.S. Farfel „Bewegungssteuerung im Sport“, Sportverlag Berlin, S.36). Hier ist auch klar, daß es noch vieles zu tun gibt: „Die Komplexität und Verflechtung der Entwicklungslinien im motorischen Lernprozeß bedingen auch Folgerungen für eine Kontrollmethodik, die eine genaue Überwachung des Lernverlaufs gestattet. Sie ist in der derzeitigen Praxis im Gegensatz zur Kontrolle konditioneller Leistungsvoraussetzungen noch ungenügend entwickelt.“ („K. Meinelt/G. Schnabel „Bewegungslehre-Sportmotorik“, Berlin 1987, S.231) In der Gitarrenmethodik ist bis heute kein Ansatz erkennbar, wirksamere Kontrollmechanismen für den Wechselschlag im Gitarrenunterricht zu schaffen. Die Folgen „unsichtbarer“ Fehler bei der Koordination zweier Finger sehen so aus: Wenn ein Gitarrist im geschlossenen Anschlag bei MM=90 Viertel in Sechzehnteln anschlagen kann (und das können Gitarristen sehr wohl), müßte er im Wechselschlag zwischen zwei Fingern das Tempo verdoppeln können. Wenn er keine Fehler einübt, spielt er folglich im Wechselschlag bei MM=180 Viertel in Sechzehnteln, ohne seine Finger schneller bewegen zu müssen. Wenn er hingegen kleine Fehler einübt, weil der zurückkommende Finger vielleicht nicht ganz gleichzeitig zurückkommt, verlangsamt sich sein mögliches, erreichbares Tempo beim Wechselschlag. Die folgende Tabelle verdeutlicht die Abhängigkeit zwischen Fehler und Tempoverlust: Verzögerungsfehler des zurückkommenden Fingers beim Wechselschlag maximales Tempo 0,000 Sekunden 0,010 Sekunden 0,020 Sekunden 0,030 Sekunden 0,040 Sekunden 0,050 Sekunden 0,060 Sekunden 0,070 Sekunden 0,080 Sekunden 0,090 Sekunden 0,100 Sekunden 0,110 Sekunden 0,120 Sekunden 180,0 169,0 160,8 152,6 145,2 138,5 132,4 126,8 121,7 116,9 112,5 108,5 104,7 Bei einem Koordinationsfehler von einer Zehntelsekunde z.B. verringert sich das maximal mögliche Tempo von MM=180 auf MM=112. Nun ist auch klar, warum in der Praxis viele Gitarristen beim Wechselschlag zwischen zwei Fingern mit Tempoproblemen zu kämpfen haben und warum diese Probleme bei verschiedenen Spielern sehr unterschiedlich sein können. Trickgeräte bei Zauberkünstlern beispielsweise arbeiten mit einem Federmechanismus, um irgendetwas innerhalb einer Zehntelsekunde erscheinen oder verschwinden zu lassen. Weder Lehrer noch Schüler können im Unterricht und beim Üben einen derart kleinen Fehler erkennen und folglich auch nicht beseitigen. So übt sich jeder Lernende eine eigene Variante des Wechselschlags ein, die einen rein subjektiv zufällig mehr oder wenig kleinen Fehler enthält oder aber auch nicht. Wie groß dieser Fehler ist, spürt der Übende erst, wenn der Bewegungsablauf automatisiert ist. Er schafft dann ein bestimmtes Tempo und kann dieses nicht weiter erhöhen, egal, wieviel und wielange er daran übt. Übrigens sind die Ergebnisse einer Computer-Simulation eines von mir geschriebenen Programmes auffällig ähnlich den von mir gemessenen motorischen Leistungen bei Gitarristen. (Mehr dazu siehe Artikel „Der Weg ist das Ziel“) Zusammenfassung in Form von Thesen als Grundlage weiterer Diskussionen: (Diese Thesen haben ihren Geltungsbereich im Zusammenhang mit der Arbeit des Lehrers an leistungsorientierten Schülern, welche zielstrebig an ihrem Können arbeiten ) Acht Thesen zum Wechselschlag des Gitarristen These 1 Der Wechselschlag ist eine mehrere hundert Jahre alte Spieltechnik, die nie ernsthaft untersucht und in Frage gestellt wurde. These 2 Der Wechselschlag beinhaltet die gleichzeitige entgegengesetzte Bewegung zweier Finger. These 3 Die Bewegung des zurückkommenden Fingers kann mit heute gebräuchlichen und verbreiteten Methoden nur mit dem Auge, nicht aber mit dem Gehör beurteilt werden. These 4 Kleine, dem Auge unsichtbare Koordinationsfehler des zurückkommenden Fingers sind die Ursache für z. T. erhebliche Tempounterschiede im Wechselschlag zwischen ausgebildeten Gitarristen. These 5 Weder Lehrer noch Schüler sind imstande, winzige Koordinationsfehler des zurückkommenden Fingers beim Wechselschlag zu erkennen. These 6 Der Lehrer ist verantwortlich für das, was er lehrt. Er ist für seine verwendete Methode, mit der er unterrichtet und für die Folgen dieser Methode verantwortlich. These 7 Seine Methode aber ist (gemessen an den in heutigen in Schulen und Lehrwerken verbreiteten Niveau) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Quelle und Ursache für motorische Defizite des Schülers beim Wechselschlag. These 8 Der Gitarrelehrer ist somit beim Unterrichten des Wechselschlags Hauptverursacher auftretender späterer motorischer Leistungsdefizite seiner Schüler. (Der folgende 2. Teil wird sich mit Lösungsvorschlägen und möglichen Auswegen auseinandersetzen.)