forensische entomologie

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forensische entomologie
F A C H ARBEI T
F O R E NSISC H E E N T O M O L O G I E
L eicheninsekten in der K riminalbiologie
Fliegen, hineingeschmiegt in erzgeschlagene Wunden, Drinnen Gewürm erzeugen, und ganz entstellen den Leichnam. Denn sein Geist ist entflohen und der Leib hinsink in Verwesung. Ilias XIX, 23-­27
von E lias E mde
Johann-Conrad-Schlaun G esamtschule Nordkirchen
Jahrgangsstufe 12
Biologie L eistungskurs 2012
Betreuende F achlehrerin: F rau W ichmann
Inhaltsverzeichnis
1 Mein Interesse für die Forensische Entomologie ........................................................ 4 2 Herkömmliche Todeszeitbestimmungen ..................................................................... 5 2.1 Früh postmortale Phase ......................................................................................... 5 2.2 Spät postmortale Phase ......................................................................................... 5 3 Forensische Entomologie ............................................................................................ 6 3.1 Begriffsableitungen ............................................................................................... 6 3.2 Nekrophage und nekrophile Insekten.................................................................... 6 3.3 Omnivore und opportunistische Insekten ............................................................. 7 3.4 Ermittlungsziele .................................................................................................... 7 4 Leicheninsekten........................................................................................................... 8 4.1 Temperaturabhängigkeit und Aufgaben ................................................................ 8 4.2 Autolyse und Zersetzung....................................................................................... 8 4.3 Besiedelungswellen und Problemfelder ................................................................ 9 5 Wie sich Leicheninsekten entwickeln ....................................................................... 11 'LHHUVWHÄ$QJULIIVZHOOH³± Schmeißfliegen............................................................. 13 7 Alters- und Artbestimmung ...................................................................................... 13 8 Tatortarbeit ................................................................................................................ 14 9 Liegezeitberechnung mit der Degree-Methode......................................................... 15 10 Berechnung ............................................................................................................... 15 11 Fallbeispiel ................................................................................................................ 16 11.1 Berechnungsschritt 1 ......................................................................................... 16 11.2 Berechnungsschritt 2 ......................................................................................... 17 11.3 Berechnungsschritt 3 ......................................................................................... 17 11.4 Ergebnis ............................................................................................................ 17 12 FE-Gutachten in einem Todesermittlungsverfahren ................................................. 18 12.1 Sachverhalt und Inaugenscheinnahme der Auffindungssituation ..................... 18 12.2 Übergebene Asservate ....................................................................................... 19 12.3 Forensisch-entomologische Auswertung .......................................................... 19 12.4 Zusammenfassung ............................................................................................. 19 13 Versuchsanordnungen ............................................................................................... 20 13.1 Ziele................................................................................................................... 20
13.2 Material und Methoden ..................................................................................... 20 13.2.1 Versuchsaufbau ...................................................................................... 20 13.2.2 Dokumentation ....................................................................................... 21 13.2.3 Madenentnahme ..................................................................................... 21 14 Versuchsreihen 1 bis 4 .............................................................................................. 21 14.1 Versuchsreihe 1 ................................................................................................. 21 14.1.1 Freiland .................................................................................................. 22 Ä+DXV³ .................................................................................................... 23 14.1.3 Madenaufzucht ....................................................................................... 23 14.2 Versuchsreihe 2 ................................................................................................. 24 14.2.1 Kaninchen im Freiland ........................................................................... 24 .DQLQFKHQLPÄ+DXV³ ............................................................................ 25 14.3 Versuchsreihe 3 ................................................................................................. 26 14.4 Versuchsreihe 4 ................................................................................................. 27 15 Auswertung ............................................................................................................... 29 16 Schlusswort ............................................................................................................... 30 17 Bilddokumentation .................................................................................................... 32 18 Literaturverzeichnis................................................................................................... 62 19 Elektronische Medien................................................................................................ 64 20 Bildverzeichnis .......................................................................................................... 64 21 Anlage 1 (Protokollseiten zur insektenkundliche Datenaufnahme) .......................... 66 22 Anlage 2 (Forensisch-entomologisches Gutachten).................................................. 68 23 Abschließende Erklärung .......................................................................................... 73 4
1 Mein Interesse für die Forensische E ntomologie
Das Halstuch und Der Alte hießen vor rund fünf Jahrzehnten die Seriennamen beliebter
deutscher Fernsehkrimis. Die damaligen Kommissare arbeiteten mit
Wählscheibentelefon, Schreibmaschine und Karteikarten. Handys waren noch nicht
erfunden und Fingerabdrücke wurden allein mit Rußpulver sichtbar gemacht. Ich wurde
mit der amerikanischen TV-Krimiserie C SI ( Crime Scene Investigation) groß. C SI
beeindruckte mich durch die gezeigten Hi-Tech-Fahndungsmöglichkeiten, unter
anderem bei DNA-Analysen und Bilderkennungsverfahren. Außerdem gingen die
Hauptakteure neben Spurensicherung und -auswertung auch noch mit der Waffe in der
Hand auf Verbrecherjagd.
Doch irgendwann kamen mir Zweifel! Wie wirklichkeitsnah sind diese und ähnliche
Serien? Deshalb begann ich mich mit den forensischen (Kriminal-)Wissenschaften und
ihren Möglichkeiten bei Verbrechensbekämpfung und -aufklärung zu beschäftigen.
Unter anderem schrieb ich in der achten Klasse eine Facharbeit zu dem Thema
Ä Forensische Wissenschaften ± Ohne sie blieben viele Verbrechen unaufgeklärt ³1HEHQ
der forensischen Medizin (unter anderem Obduktionen), der forensischen
Anthropologie (Identifizierung von Skeletten und teilskelettierten Leichen) und der
forensischen Odontologie (Identifikation über Gebisse), bildete die Forensische
Entomologie damals einen weiteren Aspekt. Und speziell die Forensische Entomologie
finde ich so interessant, dass ich mich mit ihr jetzt gerne intensiver beschäftigen
möchte.
Ihre Hauptaufgabe ist mit Hilfe von Insekten, die Leichen besiedeln, die Liegezeit von
(überwiegend) Verbrechensopfern möglichst präzise festzustellen. Denn die Dauer der
Besiedelung könnte dem Todeszeitpunkt entsprechen oder ihn, für die Ermittlungsarbeit
der Kriminalpolizei genauso wichtig, zumindest zeitlich eingrenzen.
In meiner Facharbeit stelle ich die Forensische Entomologie vor, erläutere ein
Berechnungsmodell zur Liegezeitbestimmung von Leichen und versuche in vier
Versuchsreihen zu klären, wie schnell sich bei unterschiedlichen Temperaturen Kadaver
mit und ohne Insektenbesiedelung zersetzen, und ob Leicheninsekten auch gegartes
)OHLVFKÄYHUDUEHLWHQ³
5
2 H er kömmliche Todeszeitbestimmungen
2.1 F rüh postmortale Phase
Für die herkömmliche Bestimmung der Leichenliegezeit PMI, dem postmortal interval
(Nach-Eintritt-des-Todes-Zeitraum), stehen den Rechtsmedizinern verschiedene
temperatur- und nichttemperaturbasierte Untersuchungsmethoden zur Verfügung.1 Dazu
gehören unter anderem die rektale Leichentemperaturmessung, die Überprüfung von
Eintritt, Ausprägung und Wegdrückbarkeit der Leichenflecke, die Ausprägung der
Leichenstarre sowie die mechanische und elektrische Erregbarkeit der (Gesichts)Muskulatur. Miteinander kombiniert erlauben diese klassischen Methoden
Rückschlüsse für einen Zeitraum von bis zu maximal zwei Tagen in dieser so genannten
früh postmortalen Phase. Allerdings können äußere Faktoren wie beispielsweise das
Abkühlungsverhalten des Körpers (Leichen sind schlank oder dick, groß oder klein,
bekleidet oder unbekleidet, Tod im Bett, Tod in der Badewanne und so weiter) die
Liegezeiteinschätzung verfälschen.2
2.2 Spät postmortale Phase
Auf die früh folgt die spät postmortale Phase. Sie lässt, falls überhaupt, nur eine mehr
oder weniger grobe Liegezeiteinschätzung zu. Hier beurteilen die Rechtsmediziner im
Wesentlichen Art und Ausprägung der späten Leichenveränderungen wie Autolyse,
Fäulnis und Verwesung.3
Die Forensische Entomologie arbeitet ebenfalls im Bereich der spät postmortalen Phase.
Für sie gilt: Unter optimalen Bedingungen sind bei Leichen in den ersten drei bis vier
Wochen Liegezeit Rückrechnungen bis auf wenige Stunden Genauigkeit möglich. Bei
längeren Liegezeiten sind Eingrenzungen auf Tage, Wochen, Monate oder Jahreszeiten
zu erwarten.4 Das klingt ungenau, kann einem Kriminalisten im Einzelfall jedoch noch
Informationen für seine Ermittlungen an die Hand geben. Darüber hinaus können
Untersuchungen an gut erhaltenen Insektenmaden selbst nach Jahren, im Einzelfall auch
1
KUNZ, Michaela, Das Phänomen des Wiedereintritts der Leichenstarre nach mechanischem Lösen im
Rahmen der Todeszeitbestimmung, Dissertation Fachbereich Rechtsmedizin, Seite 17, ediss.sub.unihamburg.de/Volltexte/2012/5834/dissertation.pdf
2
MERKEL, Hermann, Über Todeszeitbestimmungen an menschlichen Leichen, Referat, gehalten auf der
18. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Gerichtliche und Soziale Medizin in Heidelberg, September
1929, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 1930, Seite 16 ff
http://link.springer.com/article/10.1007%2FBF01751345
3
Autor unbekannt, Todeszeitbestimmung, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Jena,
www.remed.uniklinikum-jena.de/Todeszeitbestimmung.html
4
KOCH, Heiko Joachim, Prä- und postportable Leichenbesiedelung durch Insekten, Diplomarbeit ±
Kriminalwissenschaften 2002, Seite 13, benecke.com/pdf/koch_fe.pdf
6
ohne dass eine Leiche gefunden wurde (weil der Täter sie beispielsweise vom Tatort
abtransportierte oder Tiere sie verschleppten), Rückschlüsse auf die Todesumstände
zulassen, soweit Vergiftungen oder ähnliches vorliegen (siehe auch Abschnitt 3.4
Ermittlungsziele).
3 Forensische E ntomologie
3.1 Begriffsableitungen
Forensik leitet sich vom lateinischen in foro ab, zu übersetzen mit vor Gericht, vor der
Öffentlichkeit verwertbar.5 Die (gerichtliche) Forensik gilt als Sammelbegriff für
naturwissenschaftliche Fachgebiete, die sich unter anderem mit der Rechtsmedizin, der
Kriminaltechnik sowie der Spurenkunde beschäftigen. Eines dieser Standbeine ist die
Forensische Entomologie, als gerichtliche/gerichtsmedizinische Insektenkunde
(griechisch entomos = eingekerbt / logos = Lehre). Es heißt eingekerbt, weil die
Insekten zur Gruppe der Gliederfüßler ( Arthropoden) gehören. Deren Körper gliedert
sich mit Kopf, Thorax und Hinterleib in drei Teile, die durch Kerben voneinander
abgesetzt sein können.6
3.2 Nek rophage und nek rophile Insekten
Etwa eine Million Insektenarten wurden bislang wissenschaftlich beschrieben.7 Für die
Arbeit der forensischen Entomologen reduziert sich diese ungeheure Artenvielfalt auf
die holometabolenen Insektenarten (altgriechisch Holos = ganz / metabole =
Veränderung). Sie durchlaufen eine Entwicklung vom Ei über die Larve, gefolgt vom
Puppenstadium hin zum fertigen Insekt (Imago). In der Biologie nennt sich dieser
Entwicklungszyklus Metamorphose (griechisch metamorphosis = Umgestaltung).
Eine weitergehende Eingrenzung erfolgt durch die Konzentrierung auf nekrophage und
nekrophile Arten.8 Nekrophag steht für die aasfressenden Insekten (griechisch nekros =
Tot / fa[g]i = Essen).9 Sie besiedeln Leichen unmittelbar, vielfach bereits im frischtoten
Zustand. Nekrophil (altgriechisch nekros = Tot / philia = Zuneigung) ist in seiner
5
BENECKE, Mark, Dem Täter auf der Spur ± So arbeitet die moderne Kriminalbiologie, 2006 7 by Bastei
Lübbe GmbH & Co. KG, Köln, Seite 16, ISBN 978-3-404-60562-0
6
KOCH, Heiko Joachim, Prä- und postportable Leichenbesiedelung durch Insekten, Seite 21
7
de.wikipedia.org/wiki/Insekten
8
BRINKMANN, B. / MADEA, B., Handbuch gerichtliche Medizin, Springer- Verlag Berlin Heidelberg
2004, Seite 173, http://books.google.de/books?id=ptTp3prax4C&sitesec=buy&hl=de&source=gbs_vpt_read (Leseprobe)
9
de.wikipedia.org/wiki/Aasfresser
7
ursprünglichen Bedeutung ein sehr unappetitlicher Begriff.10 Er beschreibt Menschen,
die eine sexuelle Neigung für Leichen entwickeln. Aus Insektensicht ist Nekrophil die
Bezeichnung für räuberische Insekten, die überwiegend von denjenigen Artgenossen
leben, die die Leiche bereits besiedeln.
3.3 O mnivore und opportunistische Insekten
Aus forensisch-entomologischer Sicht folgen mit den omnivoren (lateinisch omnis =
alles / vorare = fressen)11 und den opportunistischen Insekten zwei weitere
Untergruppierungen. Zu den allesfressenden, omnivoren Insektenarten gehören Wespen
und Ameisen, die sich ebenfalls vom Leichengewebe und den Insekten darauf ernähren,
aber auf beides als Nahrungsgrundlage nicht unmittelbar angewiesen sind. Zu den
opportunistischen Zufallsbesiedlern zählen die Spinnen, die den Leichnam lediglich
mitnutzen.
3.4 E rmittlungsziele
Durch die möglichst präzise Eingrenzung des PMI lassen sich im Rahmen einer
Alibiüberprüfung Mörder überführen, Tatverdächtige entlasten und/oder Tatabläufe
rekonstruieren. Bei dieser detektivischen Arbeit helfen vorzugsweise die
erstbesiedelnden nekrophagen Schmeißfliegen ( Calliphoridae). Eine Untersuchung der
Schweizer Polizei wies anhand von 130 Leichenuntersuchungen nach, dass 70% der
Toten von ein oder zwei, 12% von drei sowie weitere 12% von mehr als drei
Schmeißfliegenarten besiedelt wurden.12 Darüber hinaus findet die Polizei etwa 80 %
der mit Maden befallenen Leichen in Wohnungen, und nicht im Freien.13
Neben dem PMI sind weitere (mögliche) Ermittlungsziele in der forensischen
Entomologie Feststellungen zu:
-­‐
-­‐
10
ob Fundort und Tatort identisch sind. Ein Hinweis auf eine Verlagerung liegt vor,
wenn eine spezifische Insektenart auf der Leiche eigentlich untypisch für den
Fundort ist.
Außerdem die Suche nach Hinweisen zur Todesursache über toxikologische
Untersuchungen von Insektenmaterial, um beispielsweise Vergiftungen als
Todesursache nachzuweisen oder auszuschließen. Denn toxikologische
de.wikipedia.org/wiki/Nekrophilie
de.wikipedia.org/Allesfresser
12
WYSS, Claude / CHERIX, Daniel / CHAUBERT, Sylvain, Fliegen als Helfer von Polizei und Justiz,
Kriminalistik Schweiz 7/2004, www.entomologieforensique.ch/kriminalistik1.pdf
13
GROENEWOLD, Uwe, Identifikation von Leichen ist mitunter echte Detektivarbeit,
Informationsaustausch zwischen Forensikern in Lübeck, Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2010,
Seite 59, www.aerzteblatt-sh.de
11
8
-­‐
Untersuchungen sind bei hochgradig zerfallenem Leichengewebe nicht mehr
möglich.14
Abgerundet wird das Ganze durch molekularbiologische Untersuchungen, die unter
anderem die Identifizierung unbekannter Tote ermöglichen, wenn beispielsweise
GLH/HLFKHÄIHKOW³ZHLOVLFKDXFKKXPDQH'1$LQ0DGHQQDFKZHLVHQOlVVW
Selbstverständlich müssen alle Ergebnisse für ein Gerichtsverfahren wissenschaftlich
exakt sein, um sie verwerten zu können.
4 L eicheninsekten
4.1 T emperaturabhängigkeit und A ufgaben
Insekten sind wechselwarm (altgriechisch poikilotherm). Im Gegensatz zu den
Säugetieren können sie ihre Körpertemperatur nicht unabhängig von der
Umgebungstemperatur halten. Aus diesem Grund beeinflusst die Außentemperatur
ihren Stoffwechsel. Bei höheren Temperaturen wachsen sie schneller als bei niedrigen.
Wichtigste Lebensaufgabe diverser Insektenarten ist das Bestäuben. Ebenfalls elementar
notwendige Spezialisten sind die nekrophagen, nekrophilen und omnivoren
Insektenarten als Müllabfuhr für alles organische Material in der Natur, also vom
Tierkadaver bis zur Leiche.
4.2 A utolyse und Zersetzung
Selbstverständlich ist die Leichenzersetzung ein ÄNaturverfahren³, das auch ohne
Insekteneinwirkung automatisiert abläuft. Der Fachbegriff dafür lautet Autolyse
(Selbstauflösung).15 Aufgrund von Sauerstoffmangel beginnt sich das Gewebe über die
körpereigenen Enzyme aufzulösen. Eine allgemeine Verflüssigung des Weichgewebes
beginnt. Treffend beschreibt ein Krimiautor diesen Vorgang:16
Ä(LQmenschlicher Körper beginnt fünf Minuten nach dem Tod zu verwesen. Der
Körper, einst die Hülle des Lebens, macht nun die letzte Metamorphose durch. Er
beginnt sich selbst zu verdauen. Die Zellen lösen sich von innen nach außen auf. Das
Gewebe wird erst flüVVLJGDQQJDVI|UPLJ>«@³
Die Zersetzung kann, abhängig von den Umgebungsbedingungen, wenige Tage oder
Wochen, Monate, ja sogar Jahrzehnte dauern. Entscheidend für einen schnellen Verlauf
14
KRETTEK, Roman / AMENDT, Jens, Kann eine Made einen Mörder überführen, Kriminalistische
Insektenkunde, 1. Februar 2010, webmaster Senckenberg, http://www.senckenberg.unifrankfurt.de/expo/0002.htm
15
www.enzyklo.de/Begriff/autolyse
16
BECKETT, Simon, Die Chemie des Todes, roro, ISBN 978-3-499-24197-0
9
ist das Vorhandensein von ausreichend Sauerstoff. Ein im Freien liegender Körper
zersetzt sich zumindest bei höheren Temperaturen schnell. Den Zersetzungsprozess
können Insekten bis hin zur vollständigen Skelettierung wesentlich beschleunigen.
Schmeißfliegenmaden sind bei konstant schwülwarmer Witterung in der Lage, einen
menschlichen Körper innerhalb von 10 bis 14 Tagen vollständig zu skelettieren.17 Der
schwedische Naturforscher Carl von Linnè schrieb bereits im Jahr 1767:18
ÄDrei Fliegen können einen Pferdeleichnam ebenso schnell zerstören wie ein Löwe³
Ein vergrabener Körper ist, je nach Liegetiefe, Durchlässigkeit des Bodens sowie
dessen Feuchtigkeitsgehalt eventuell selbst nach Jahrzehnten noch nicht zersetzt.
Andererseits sind Leicheninsekten Künstler im Überleben. So schreibt der
Gerichtsmediziner Prof. Dr. Merkel 1929:19
Ä>«@EHLGHUZLUQDFKHLQHPRGHUPHKUHUHQ-DKUHQDXVJHJUDEHQHQ]XP7HLOVFKRQ
stark vermoderten Leichen neben vielen Tausenden von leeren Puppenhülsen noch
ungeheure Mengen der lebenden kleinen Phoridengruppen, kleine außerordentlich
flinke Fliegen antreffen, die sich offenbar in zahllosen Generationen im Sarg entwickelt
haben und die vollständig des Fliegens unkundig geworden sind! Eine Beobachtung von
5HLQKDUG>«@KDWJH]HLJWGD‰GLHVH)OLHJHQ]ZHLIHOORVDXFKHUVWLP(UGERGHQLQGHQ
Sarg und an dLH/HLFKHJHODQJHQN|QQHQ³
Mit Phoriden meint Merkel Sargbuckelfliegen ( Conicera tibialis), die durch Gänge von
der Erdoberfläche aus in Särge eindringen, um Leichen als Nahrungsgrundlage zu
nutzen.20
4.3 Besiedelungswellen und Problemfelder
Die Abfolge der sich überlappenden Besiedelungswellen auf Leichen ist weitestgehend
bekannt. Abbildung 1S.32 zeigt in einem Schaubild, welche Insekten- und Käferarten
einen Leichnam wann als Wirt nutzen. So bevorzugen die Maden der Schmeißfliegen
frisches Leichengewebe. Käsefliegenmaden dagegen lieben einen breiigen
Gewebezustand, wogegen sich Käfer auf eingetrocknete, mumifizierte Haut
17
BRINKMANN, B. / MADEA, B., Handbuch gerichtliche Medizin, Seite 172
SCHNERPF, Bernhard, Untersuchung zur aasbewohnenden Käferfauna Erlangens, Zulassungsarbeit
Institut für Biologie, Lehrstuhl für Entwicklungsbiologie der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg, Februar 2007, Seite 8, http://schnepf.square7.ch/Daten zum Download/ZA-BS-V9.PDF
19
MERKEL, Hermann, Über Todeszeitbestimmungen an menschlichen Leichen, Seite 30
20
SCHMIDT, Mona, Die Leichenlipidbildung auf Friedhöfen ± Maßnahmen zur Prophylaxe nach
Sanierung, Dissertation Medizin 2009, Eberhard Karls Universität zu Tübingen, Seite 125, tobias-lib.unituebingen.de/volltexte/2009/4434/pdf/Dissertation.pdf
18
10
spezialisieren. Der deutsche Kriminalbiologe Mark Benecke beschreibt die Arbeit von
Leicheninsekten und ±NlIHUQDOVÄ3RVWPRUWDOH6WXQGHQ]HLJHU³21
Ä1LFKWDOOH/HLFKHQLQVHNWHQVLQGDXIZHLFKHV*HZHEHDQJHZLHVHQ'LHVH.lIHU
bevorzugen hartes Material wie Haare und trockene Haut. Eine tage- oder
wochengenaue Liegezeitschätzung ist anhand dieser Tiere kaum möglich. Allerdings
geben sie uns oft Auskunft über eine Mindest- oder Höchstliegezeit. Sind die Maden die
6HNXQGHQ]HLJHUGHUSRVWPRUWDOHQ8KUVRVLQGGLHVH.lIHUGLH6WXQGHQ]HLJHU³
Heute sind bis zu 41 verschiedene Faunenwechsel auf Leichen bekannt. Diese sind aber
im Übergang weder deutlich abgrenzbar, noch alle von forensischer Bedeutung.
Eindeutiger Analyseschwerpunkt für den PMI ist die Fauna der Fliegenmaden.22
Über Untersuchungen wurden/werden die artspezifischen Entwicklungsabläufe und
Lebensweisen der forensisch besonders wichtigen, frischbesiedelnden Fliegenarten
unter verschiedenen Temperaturbedingungen und Lebensräumen (Freiland, Gebäude
und so weiter) erforscht. Allerdings gibt es auch Untersuchungen, die auf mögliche
Fehlerquellen hinweisen.23 So wurde in Verbindung mit der Heroinaufnahme über
menschliches Gewebe nachgewiesen, dass das zu erheblichen Unterschieden bei der
Entwicklungszeit der Schmeißfliegenart Lucila sericata führt, die im Ergebnis von
wesentlicher Bedeutung für Liegezeitberechnungen (Beispiel Drogentote) sind.
Um möglichst viele Eventualitäten im Sinne einer korrekten Rückrechnung auf die
Leichenliegezeit einzubeziehen, beschäftigen sich weitere Forschungsarbeiten unter
anderem mit dem Einfluss so genannter klimatischer und biologischer Parameter. Also
wie schnell oder langsam verläuft der Entwicklungszyklus von leichenbesiedelnden
Insekten bei niedrigeren Temperaturen oder in Konkurrenz zu fressaktiven
Fliegenmaden bei eingeschränktem Nahrungsangebot.24
21
BENECKE, Mark, Dem Täter auf der Spur ± So arbeitet die moderne Kriminalbiologie, Seite 23
BRINKMANN, B. / MADEA, B., Handbuch gerichtliche Medizin, Seite 171
23
HECHT, Lars, Über den Einfluss toxischer Substanzen auf die Entwicklung der nekrophagen
Schmeißfliegenart Lucilia sericata im Hinblick auf die Bestimmung der Todeszeit ± Dokumentation von
Verstorbenen mit Insektenbefall und experimentelle Untersuchungen, Dissertation Medizin 2005, Institut
für Rechtsmedizin der Universität Hamburg, ediss.sub.uni-hamburg.de/Volltexte/2006/2834/pdf/Diss.pdf
24
HENZE, Stefanie, Einfluss klimatischer und biologischer Parameter auf die
Entwicklungsgeschwindigkeit forensisch relevanter Fliegenarten, Institut für Rechtsmedizin der Johann
Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, www.rmif.de/index.php?page=686
22
11
5 W ie sich L eicheninsekten entwickeln
Nekrophage, wie die Schmeißfliegen, werden über den Geruch (Blut, Zersetzungsstoffe
der frischen Leiche, Aas) angelockt. Die Weibchen legen ihre Eier in Haufen oder
Streifen von jeweils mehreren Hundert ab. Wegen der geringeren Gefahr von
Austrocknung nutzen sie bevorzugt sonnenabgewandte feuchte Körperöffnungen wie
Mund, Nase, Augen, Ohren und Genitalbereich. Offene Wunden werden sofort
besiedelt, was schon der griechische Dichter Homer in seiner Troja-Saga Ilias beschrieb
(siehe Titelblatt).
Entscheidend für das Wachstum von Maden sind Temperatur und Feuchtigkeit.
Ä>«@%HL]XKRKHQRGHU]XQLHGULJHQ7HPSHUDWXUHQJUR‰HU+HOOLJNHLWVWDUNHU:LQG
oder zu großer Trockenheit siedeln sich nur wenige oder gar keine Insekten auf einen
/HLFKQDPDQ>«@³
Ä(QGH$XJXVWwurde eine stark mumifizierte, strangulierte Leiche im Wald
JHIXQGHQ'DHVLQGHPÄ-DKUKXQGHUWVRPPHU³DE$SULONDXPJHUHJQHWXQGSUDNWLVFK
kein Madenfraß stattgefunden hatte, konnte das Opfer schnell als ein bereits seit Mai
vermisster Mann identifiziert ZHUGHQ>@³25
Im Extremfall kann selbst ein nach allen polizeilichen Erfahrungen eindeutiges
Spurenbild zu vollkommen falschen Schlüssen führen. Ein Beispiel dafür, wie wichtig
die Zusammenarbeit der Kriminalpolizei mit naturwissenschaftlichen Disziplinen ist,
schildert dieser Fall:
Ä>«@,P6RPPHUGDUDXIZXUGHHLQHYROOVWlQGLJVNHOHWWLHUWH/HLFKHLQGHU1lKHHLQHV
Bahndammes entdeckt; der Torso lag augenscheinlich seit Jahren hier und war von
streuenden Tieren vollständig abgenagt worden. Ein auf dem Röntgenbild entdeckter
Nagel im Schienbeinkopf brachte jedoch die überraschende Gewissheit, dass es sich bei
GHU/HLFKHXPHLQHHUVWVHLWVHFKV:RFKHQYHUPLVVWH3HUVRQKDQGHOWH>«@'LH
Witterung und weitere äußere Umstände spielen bei Todes- und Liegezeitbestimmung
HLQHHQWVFKHLGHQGH5ROOH³26
Unter idealen Voraussetzungen schlüpfen die ersten, etwa zwei Millimeter großen
Fliegenlarven der Schmeißfliege bereits nach 15 Minuten (erstes Jugendstadium). Über
eigene Körperausscheidungen wie Proteinasen und Lipasen27 weichen sie das
Leichengewebe an und schaben es anschließend mit ihren beiden winzigen
25
GROENEWOLD, Uwe, Identifikation von Leichen ist mitunter echte Detektivarbeit, Seite 59
GROENEWOLD, Uwe, Identifikation von Leichen ist mitunter echte Detektivarbeit, Seite 59
27
REITER, C. / WOLLENEK, G., Bemerkungen zur Morphologie forensisch bedeutsamer
Fliegenmaden,
Seite 199
26
12
Mundhäkchen ab.28 Die befinden sich im Schlund; Kopf oder Gliedmaßen besitzen
Maden nicht.29
Bis zur Verpuppung folgen zwei weitere Jugendstadien, die jeweils mit Häutungen
einhergehen. Jedes Stadium ist wegen seiner anatomischen Besonderheiten
unterscheidbar. Für den forensischen Entomologen ist das dritte Stadium am
aussagekräftigsten. Hier haben die Maden ihre Maximallänge (Wachstumsgipfel Peak)
von etwa 17 Millimeter erreicht. Bevor die Verpuppung (Puparium) einsetzt, verlieren
die Maden durch Flüssigkeitsverlust etwa drei Millimeter an Länge, weil sie ihren Darm
leeren. Das müssen sie, weil ein gefüllter Darm zu Gärung und tödlicher (innerer)
Fäulnis führt. Um sich vor Fressfeinden und schwankenden Temperaturen zu schützen,
verlassen sie in diesem Stadium die Leiche.30 Bei Wohnungsleichen kriechen die
Maden in Bodenspalten oder suchen Teppiche und Kleidung als Schutzraum auf. Dabei
entfernen sie sich, genauso wie im Freien, bis zu mehrere Meter von der Leiche.
Am Ende des Madenstadiums bilden sich bräunliche, meist spindelförmige Puppen,
auch Tönnchen genannt. Je älter die Puppe, umso dunkler die Färbung. Bei ungünstigen
Umweltbedingungen wie zu tiefen Temperaturen können einige Arten ihre
Entwicklung vorübergehend stoppen und sogar überwintern (Diapause). Bereits
erwachsene weibliche Fliegen werden träge oder flugunfähig und stoppen ihre
Eiablage.31
Die Temperaturmenge, die Fliegen benötigen, um ihren Stoffwechsel zu aktivieren, ist
von Art zu Art unterschiedlich. Deshalb schlüpfen artverschiedene Maden bei
unterschiedlichen Mindesttemperaturen und entwickeln sich unterschiedlich schnell
über die einzelnen Stadien bis zum Puparium. Allerdings kann es selbst innerhalb eines
Eigeleges zu unterschiedlichen Schlüpfzeiten und zu einem unterschiedlichen
Längenwachstum der Maden kommen.32
28
BENECKE, Mark, Dem Täter auf der Spur ± So arbeitet die moderne Kriminalbiologie, Seite 54
BRINKMANN, B. / MADEA, B., Handbuch gerichtliche Medizin, Seite 173
30
BRINKMANN, B. / MADEA, B., Handbuch gerichtliche Medizin, Seite 171
31
BRINKMANN, B. / MADEA, B., Handbuch gerichtliche Medizin, Seite 172
32
REITER, C. / WOLLENEK, G., Bemerkungen zur Morphologie forensisch bedeutsamer
Fliegenmaden, Seite 202
29
13
6 'LHHUVWHÄ$QJULIIVZHOOH³± Schmeißfliegen
In Deutschland gibt es etwa 62 Schmeißfliegenarten.33 Weil sie bis auf wenige
Ausnahmen (beispielsweise keine Besiedelung vergrabener Leichen) zu den
Erstbesiedlern einer Leiche gehören und eine schnelle Eiablage gewährleisten, sind sie
für die Forensische Entomologie als Beweismittel von großer Bedeutung. Zwei
Gerichtsmediziner der Universität Wien wiesen 1982 in einer Studie nach, dass 80% der
Insekten, die eine Leiche besiedeln, zur Familie der Calliphoridae (Schmeißfliegen),
15% der Familie Sarcophagidae (Fleischfliegen) sowie 5% der Familie Muscidae
(Echte Fliegen) angehören.34
Schmeißfliegen leben etwa 3 ± 8 Wochen und sind auf Frischleichen, gasgeblähten und
zerfallenen Leichen zu finden. Ausgetrocknetes Material meiden sie. Temperaturen ab
15° Celsius führen zur Eiablage, wobei die Schmeißfliegenarten ein unterschiedliches
Größenwachstum entwickeln, genauso wie die Schlupfzeiten differieren. Bekannt sind
artabhängige Unterschiede von bis zu 17 Tagen.
7 A lters- und A rtbestimmung
Maden (Abbildung 2S.33 ± schematische Darstellung) atmen, wenn sie zusammen mit
tausenden von Artgenossen um sich herum kopfüber im Leichengewebe stecken,
zusätzlich über ihr Hinterteil, dem letzten von insgesamt zwölf Körpersegmenten. Sie
besitzen ein Atemröhrchensystem, die Tracheen (Abbildung 2AS.33), das den gesamten
Körper durchzieht.35 Am Madenende schützen Atemschlitze (Stigmentplatten) dieses
System vor dem Eindringen von Fremdkörpern. Die Faustregel zur Altersbestimmung
lautet hier: Ein Atemschlitz pro Larvenstadium, also maximal drei insgesamt.
Abbildung 3S.33 zeigt die Atemschlitze einer Schmeißfliege ( Calliphoridae). Die um das
so genannte Hinterstigma herum angeordneten konischen Fortsätze (Krönchen) sind ein
Arterkennungsmerkmal.36
33
Forensische Entomologie: Wenn Tote ihre Mörder überführen,
www.sat1bayern.de/news/20120328/forensische-entomologie-wenn-tote-ihre-moerder-ueberfuehren/
34
REITER, C. / WOLLENEK, G., Bemerkungen zur Morphologie forensisch bedeutsamer
Fliegenmaden, Seite 205
35
BENECKE, Mark, Dem Täter auf der Spur, Seite 32
36
REITER, C. / WOLLENEK, G., Bemerkungen zur Morphologie forensisch bedeutsamer
Fliegenmaden, Seite 203
14
Eine Möglichkeit zur Altersbestimmung von Maden sind Isomegale-Diagramme, wie
Abbildung 4S.34 eines beispielhaft zeigt: Über Umgebungstemperatur und Länge der
Made lässt sich deren Alter auf einer Skala ablesen, vorausgesetzt die Art ist bekannt.
Komplizierter ist die herkömmliche Möglichkeit zur Artbestimmung, bei denen
ebenfalls GDVÄPLNURVNRSLVFKH³)Dchwissen von (Kriminal)Biologen gefordert ist. Denn
nur sie können über Feinheiten der Mundwerkzeuge auf die Art rückschließen.
Abbildung 5S.35 zeigt beispielhaft artspezifische Unterschiede bei den
Mundwerkzeugen.37 Solch ein Mundwerkzeug besteht aus fünf Hauptbestandteilen:
Dem Mundhakenpärchen, dem H-Stück sowie dem zweiflügeligen Basalstück mit
Dorsal- und Ventralhorn.38 Die Gesamtlänge beträgt etwa einen Millimeter (Abbildung
6S.36).
Eine weitere Möglichkeit bei Fliegen ist eine Identifizierung über winzigste
Körperanhänge wie Borsten, Antennen und Spirakel.39 Zudem arbeitet und forscht man
an DNA-Analysen für eine schnellere und sichere Artbestimmung.
8 T atortarbeit
Kriminalbiologen untersuchen am Leichenfundort oder später anhand der
kriminalpolizeilichen Tatort-/Fundort-Dokumentation die insektenkundliche Spurenlage
sowie die klimatischen Bedingungen. Das bedeutet für die Spurensicherung der
Kriminalpolizei und für die Kriminalbiologen gleichermaßen: Möglichst viele Larven,
Puppen sowie tote und lebende Fliegen einzusammeln. Bleiben abgewanderte Puppen
älterer Generationen unentdeckt, wird die Liegezeit falsch berechnet.40 Auf Vordrucken
wie in der Anlage 1S.66-67 beispielhaft gezeigt, wird präzise dokumentiert, wo welches
Insektenmaterial gefunden wurde.
Da die Entwicklungszeit bei jeder Fliegenart unterschiedlich verläuft, ist die sichere
Artbestimmung äußerst wichtig.41 Falls erforderlich, können auch frische, also nicht
37
BENECKE, Mark, Dem Täter auf der Spur, Seite 53
REITER, C. / WOLLENEK, G., Bemerkungen zur Morphologie forensisch bedeutsamer
Fliegenmaden, Seite 201
39
KOCH, Heiko Joachim, Prä- und postportable Leichenbesiedelung durch Insekten, Seite 38
40
KOCH, Heiko Joachim, Prä- und postportable Leichenbesiedelung durch Insekten, Seite 42
41
BAQUE, Michèle, Altersbestimmung forensisch relevanter Fliegenarten ± Neue statistische Methoden
zur Berechnung von Vertrauensintervallen und Fehlerraten, Institut für Rechtsmedizin der Johann
Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, www.rmif.de/index.php?page=679
38
15
vertrocknete Geschmeiße unter kontrollierten Temperaturbedingungen zur Alters- und
Artbestimmung ausgezüchtet werden.42
9 L iegezeitberechnung mit der Degree-Methode
Eine Möglichkeit für die Berechnung der Leichenliegezeit bietet die Degree-Methode.
Sie orientiert sich an der für Insekten wichtigen Temperaturakkumulation innerhalb
einer bestimmten Zeiteinheit. Folgende Berechnungsparameter sind erforderlich:
-­‐
-­‐
-­‐
-­‐
tu = als unterer Schwellenwert (Entwicklungsminimum), den eine wechselwarme
Insektenart als Mindesttemperatur für seine Entwicklung benötigt.
to = oberster Schwellenwert (Entwicklungsmaximum), bis zu dem eine Entwicklung
noch stattfindet.
Für den Abschluss eines Entwicklungszyklus ist eine artspezifische, konstante
Temperaturmenge (Umgebungswärme) für jedes Entwicklungsstadium erforderlich,
die zuvor von Ei, Larve oder Puppe aufgenommen (akkumuliert) wurde.
Angegeben/gemessen wird die Temperatursumme in ADD (accumulated degree
days) oder ADH (accumulated degree hours) in °C pro Tag (Tagesgrade) oder
Stunden (Stundengrade). ADD oder ADH stellen das Produkt aus Temperatur
(Differenz zwischen real gemessener Temperatur und unterem Schwellenwert tu)
sowie der Zeit (Tage/Stunden) dar. Dabei ist die jeweils notwendige, akkumulierte
Temperaturmenge vom Ei bis zum Schlüpfen des adulten Insektes bei jeder Art
unterschiedlich hoch, dafür aber innerhalb jeder Art relativ konstant, also ohne
große Schwankungen nach unten wie oben.
Den Abschluss bildet die Wärmekonstante K: K steht für die Temperaturmenge.
Für alle forensisch entomologisch wichtigen Insektenarten wurden tu/to sowie K
labormäßig/experimentell ermittelt.
Abbildung 7S.37 verdeutlicht anhand eines Diagramms die mathematische Basis der
Degree-Methode, Abbildung 8S.37 zeigt eine Tabelle mit den forensisch wichtigsten
Schmeißfliegenarten und deren unterschiedlichen Kenngrößen der Wärmekonstante K
sowie dem Schwellenwert tu.
10 Berechnung
Im Labor werden die am Fundort der Leiche eingesammelten Larven und Puppen mit
einer konstanten Temperatur ausgezüchtet. Es stellt sich die Frage, wie man diejenigen
42
BAUMJOHANN, Kristina, International Forensic Research & Consulting, (Auskunft),
www.benecke.com
16
Fundorttemperaturen ermittelt, die vor dem Auffindedatum der Leiche herrschten, um
den PMI rückrechnen zu können? Voraussetzung dafür sind Temperaturmessungen am
Fundort über mindestens drei Tage nach Auffindedatum.43 Diese Messungen werden
mit den taggleichen der nächstgelegenen Messstation des Deutschen Wetterdienstes
verglichen (nur der DWD ist vor Gericht für Wetterdaten zugelassen). Anschließend
folgt eine so genannte Regressionsanalyse (siehe Fallbeispiel). Deren mathematisches
Ergebnis ist ein durchschnittlicher Temperatur-Abweichungsfaktor tR in °C. Der
wiederum wird mit den täglichen Wetterdaten des DWD vor Auffindezeitpunkt
korreliert, und gilt für die Rückrechnung als angenäherter Temperaturverlauf am
Fundort.
11 F allbeispiel
Leichenfund am 26.07.2012 auf dem Gelände einer Baumschule. Die Auszucht
asservierter Larven wies die Schmeißfliegenart Calliphora vicina (Blaue Fleischfliege)
nach. Deren tu beträgt 2°C, die benötigte Temperatursumme K von Ei bis Puparium
beläuft sich auf 191 ADD.
11.1 Berechnungsschritt 1
Für die Berechnung des Regressfaktors werden vom 27.07. bis 01.08.
Temperaturmessungen am Auffindeort durchgeführt und mit den Werten der
nächstgelegenen Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes verglichen.
Ø Temp. 27.07.2012 / Freitag 28.07.2012 / Samstag 29.07.2012 / Sonntag 30.07.2012 / Montag 31.07.2012 / Dienstag 01.08.2012 / Mittwoch Auffindeort 19,62°C 18,15°C 20,17°C 20,91°C 18,76°C 19,51°C Regressfaktor tR je Tag Ø Temp. Wetterstation DWD 20,08°C 0,46 19,60°C 1,45 22,00°C 1,83 21,82°C 0,91 20,02°C 1,26 19,92°C 0,41 Regressfaktor Ø tR : 1,05°C Das Ergebnis ist ein Regressfaktor von tR 1,05°C; Rechnung: Addition der täglichen
Temperaturabweichungen : Anzahl der Messtage.
43
BAUMJOHANN, Kristina, International Forensic Research & Consulting, (Auskunft)
17
11.2 Berechnungsschritt 2
Mit dem Regressfaktor tR 1,05°C wird der Temperaturverlauf vor Auffindedatum der
Leiche (26.07.) auf Basis der DWD-Daten angenähert rekonstruiert:
20.07.2012 / Freitag 21.07.2012 / Samstag 22.07.2012 / Sonntag 23.07.2012 / Montag 24.07.2012 / Dienstag 25.07.2012 / Mittwoch Rekonstruierte Ø Temp. für Fundort Ø Temp. Wetterstation DWD tR-­‐bereinigt 21,10°C 22,15°C 20,05°C 21,10°C 19,85°C 20,90°C 19,15°C 20,20°C 20,04°C 21,09°C 18,76°C 19,81°C 11.3 Berechnungsschritt 3
Die im Labor bei konstant 20°C (beliebig gewählte Temperatur) ausgezüchteten Larven
verpuppten nach 120,4 Stunden. Das entspricht einer aufgenommen Temperatursumme
von 90,3 ADD; Rechnung: (20 ± 2[tu]) x 120,4 : 24.
Rückrechnung ADD Benötigt werden 100,7 ADD ( K 191 ADD -­‐ 90,3 ADD = 100,70 ADD) 100,70 ADD 1. Tag 25.07.2012 Mittwoch 19,81°-­‐tu 2° = 17,81 ( 82,89 ADD) 2. Tag 24.07.2012 Dienstag 21,09°-­‐tu 2° = 19,09 ( 63,80 ADD) 3. Tag 23.07.2012 Montag 20,20°-­‐tu 2° = 18,20 ( 45,60 ADD) 4. Tag 22.07.2012 Sonntag 20,90°-­‐tu 2° = 18,90 ( 26,70 ADD) 5. Tag 21.07.2012 Samstag 21,10°-­‐tu 2° = 19,10 ( 7,60 ADD) 6. Tag 20.07.2012 Freitag 22,15°-­‐tu 2° = 20,15 (-­‐12,55 ADD) 11.4 E rgebnis
Für die Bewertung orientiert man sich am Übergang vom positiven zum negativen
Wert. Den weist der 20.07. mit -12,55 ADD auf. Deshalb ist vom frühestmöglichen
Besiedelungsbeginn vom 20. auf den 21.07. auszugehen. Präziser wäre eine
stundenweise Messung der Temperaturen (ADH), um einen stundengenauen (negativen)
Wert von beispielsweise 23.00 auf 22.00 Uhr zu erhalten. Jedoch wird bei stündlichen
Werten die Datenmenge ungleich größer, deshalb habe ich darauf aus Platzgründen
verzichtet (siehe auch Schlusswort).
18
Der errechnete Besiedelungsbeginn auf der Leiche kann, muss aber nicht, mit dem
Todeszeitpunkt identisch sein. In der Praxis würden parallel zum entomologischen
Gutachten zumindest die herkömmlichen kriminalpolizeilichen Ermittlungen
weiterlaufen. Also beispielsweise über Befragungen herauszufinden, wann der Tote das
letzte Mal lebend gesehen oder wann er das letzte Mal telefonierte
(Verbindungsnachweise) und so weiter. Decken sich diese Ergebnisse mit denen des
Gutachtens, steht der Todeszeitpunkt fest. Sollten die kriminalpolizeilichen
Ermittlungen und/oder weitere Untersuchungen zu keinem eindeutigen Ergebnis
führen, erhalten die Ermittler über das forensisch entomologische Gutachten entweder
ein als sicher anzunehmendes Ergebnis zur Dauer der Insektenbesiedelung auf der
Leiche oder aber zeitliche Anhaltspunkte wie beispielsweise die Jahreszeit der
Besiedelung für ihre weiteren Ermittlungen.
12 F E-G utachten in einem Todesermittlungsverfahren
Am 14.06.2004 wurde in Bremen ein Mann in seiner Wohnung aufgefunden. Er starb
GXUFKÄ>«@VWXPSIH*HZDOWHLQZLUNXQJJHJHQ*HVLFKWXQGYRUGHUHQ*HKLUQVFKlGHO
>«@³$PHUIROJWHHLQH)XQGRUWEHJHKXQJGXUFK5HFKWVPHGL]LQHUGHU8QLYHUVLWlW
Hamburg zur forensisch entomologischen Beweismittelsicherung; Ziel war ein
Gutachten zur Liegezeitbestimmung im Auftrag der Polizei.
Meine Zusammenfassung ist gekürzt, das vollständige Gutachten ist in Anlage 2S.68-72
nachzulesen.44
12.1 Sachverhalt und Inaugenscheinnahme der A uffindungssituation
-­‐
-­‐
-­‐
-­‐
-­‐
44
Leiche liegt im geschlossenen Bettkasten, ist aber für Fliegen erreichbar.
Fäulnisflüssigkeit auf dem Fußboden, darin Spuren von verpuppungsbereiten
Fliegenlarven, die von der Leiche abwandern.
Fäulnisflüssigkeit im Bereich Bettkasten mit zahlreichen Fliegenlarven, größtenteils
im dritten Larvenstadium.
hinter Eingangstür unter Taschen Fliegenpuppen dunkel- bis hellbraun sowie
verpuppungsbereite Larven im Postfeeder-Stadium.
Temperaturmessungen auf dem Balkon, im Bettkasten, zwischen Fenster und
(abgestellten) Heizung und so weiter.
BERSTERMANN, Rabea, Der Körper nach dem Tod. Die Arbeit der forensischen Entomologen auf
der Body Farm in Tennessee, Hochschule öffentliche Verwaltung Bremen, Polizeivollzugsdienst 2010,
wiki2.benecke.com/index.php?title=Facharbeit_Berstermann
19
12.2 Übergebene Asservate
Aufgeführt wird das von der Kriminalpolizei am 14.06. sowie am 15.06. von den
Gutachtern zusätzlich eingesammelten Insektenmaterial. So unter anderem:
-­‐
-­‐
-­‐
-­‐
Freßaktive Larven (Fußboden neben Bett).
Noch freßaktive Larven 3. Stadium (unter Kopfkissen).
Geschlossene Puppen von mittelbrauner Farbe (aus der Wohnung darunter).
Ältere Stadien; teils lebend, teils in Alkohol asserviert (Sektionsfunde).
Alle Asservate werden mit Hinweisen zu Fundort, Temperaturangaben und Datum
versehen.
12.3 Forensisch-entomologische A uswertung
Auszucht unter Laborbedingungen bei 22 ± 24°C aus den ältesten der asservierten
Entwicklungsstadien (hell bis dunkelbraune Puppen); gesammelt im Flur, unter
Taschen, Balkonfenster.
-­‐
-­‐
Schlupf ab 22.06; Schmeißfliegen Lucilia sericata .
Schlupf ab 26.06; Schmeißfliegen Calliphoren vicina .
Die am 14.06. bzw. 15.06. asservierten Schmeißfliegenpuppen waren überwiegend von
heller Farbe (mittelbraune jene vom 14.06. / wenige dunkelbraune vom 15.06.); Schlupf
frühestens sieben Tage nach Asservierung.
-­‐
-­‐
-­‐
Verpuppung Lucilia sericata frühestens am 13.06.
Bei in der Wohnung gemessenen 21°C beträgt die Zeitspanne der Entwicklung Ei
bis Puppe für Lucilia sericata 9 ± 10 Tage (Grassberger und Reiter, 2001)
Deshalb rechnerischer Eiablagezeitpunkt vom 03. ± 04.06.2004
12.4 Z usammenfassung
-­‐
-­‐
-­‐
-­‐
-­‐
-­‐
Die ältesten Entwicklungsstadien fanden sich in Form von bereits abgewanderten
und verpuppten Schmeißfliegen Lucilia sericata (hellbraun 14.06., einzelne
mittelbraune bis dunkelbraune 15.06).
Unter Zugrundelegung eines Verpuppungszeitraumes ab dem 13.06. und den im
Tatanwesen gemessenen 21°C ergibt sich ein rechnerischer Eiablagepunkt im
Bereich des 03.06. ± 04.06.
Schmeißfliegen Lucilia sericata legen bereits nach wenigen Minuten bis Stunden
nach Todeseintritt ihre Eier im Leichnam ab, insbesondere bei blutbehafteten
Wunden als optimale Nahrungsquelle für die Fliegenlarven.
Nach Ermittlungen Kripo wahrscheinlicher Todeszeitpunkt in den Nachtstunden
des 03.06.
Aus forensisch entomologischer Sicht ist auszuführen, dass eine Eiablage durch
Schmeißfliegen in den Nachtstunden eher eingeschränkt stattfindet. Bei Lucilia
sericata handelt es sich um ein Sonne und Wärme liebendes Tier.
Unter Zugrundelegung eines Todeszeitpunktes in den Nachtstunden des 03.06. ist
es ± insbesondere unter Berücksichtigung der Ostlage des Balkones des
Tatanwesens* ± äußerst wahrscheinlich, dass eine Eiablage am Leichnam in den
20
-­‐
Morgenstunden des 04.06. stattgefunden hat. (*meine Anmerkung: gemeint ist der
Sonnenaufgang im Osten = frühes Sonnenlicht).
Der von den Kriminalbeamten ermittelte Todeszeitpunkt in den Nachtstunden des
03.06.2004 steht in völliger Übereinstimmung mit der forensisch-entomologischen
Berechnung des Eiablagezeitpunktes.
Abbildung 9S.38 zeigt ein Isomegale Diagramm von Grassberger und Reiter (2001) für
Lucilia sericata .
13 Versuchsanordnungen
13.1 Z iele
Mit meinen vier Versuchsreihen möchte ich folgende Fragen klären:
-­‐
-­‐
-­‐
Wie schnell oder langsam verläuft eine Kadaverzersetzung bei unterschiedlichen
Temperaturen?
Verläuft eine Kadaverzersetzung durch bloße Autolyse viel langsamer als eine unter
Insekteneinwirkung?
:LUGHLQJHEUDWHQHV.DGDYHUVWFNHEHQIDOOVYRQ6FKPHL‰IOLHJHQÄDQJHQRPPHQ³"
13.2 M aterial und Methoden
13.2.1 V ersuchsaufbau
$XVÄ$N]HSWDQ]JUQGHQ³LQGHU)DPLOLHNRQQWHLFKNHLQH9HUVXFKHLQ1HEHQUlXPHQ
des Hauses durchführen. Stattdessen nutzte ich einen abgelegenen Teil unseres Gartens.
In diesem Bereich ist in den Sommermonaten von etwa acht, im Herbst von knapp drei
Stunden direkter Sonneneinstrahlung auszugehen (Waldrandlage). Die verwendeten
Kadaverstücke (Kst) Kaninchen, Bauchspeck und Leber wurden zum Schutz vor Tieren
mit Maschendrahtkonstruktionen abgedeckt.
Abbildung 10S.39 zeigt den Versuchsaufbau im Überblick: Links der Flachrahmen für
meine Versuche mit Bauchspeck und Leber, in der Mitte die Liegefläche für einen
.DQLQFKHQNDGDYHUVRZLHUHFKWVHLQÄ+DXV³DOV5DXPHUVDW]IUZHLWHUH9HUVXFKHPLW
Bauchspeck und Kaninchenkadaver. Bei dem Hausmaterial handelt es sich um einen
YROOIOlFKLJPLW)ROLHXPPDQWHOWHQ.DUWRQ'HUÄ)LUVW³LVWIUGHQ/LFKWHLQIDOORIIHQ
gestaltet und mit lichtdurchlässiger Folie abgedichtet. Die Unterseite des Kartons blieb
bis auf eine Aussparung in Kaninchengröße geschlossen und wurde ebenfalls mit Folie
beklebt. Alle Folien dienen dem Regen-/Nässeschutz. Das Ganze steht auf einer höher
gesetzten Dämmplatte. Ich habe darauf geachtet, dass zwischen Dämmplatte und
Unterseite keine Zwischenräume entstehen, um Insekten fernzuhalten. Ein Verkleben
21
ZlUHVLFKHUHUJHZHVHQ'DVJLQJDEHUQLFKWZHLOGDVÄ+DXV³IU)RWRDXIQDKPHQXQG
Untersuchungen abnehmbar bleiben musste. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der
Versuchsaufbau um ein wHLWHUHVÄ=LPPHU³HUJlQ]W$XIQDKPHS.39).
13.2.2 Dokumentation
Alle Versuche wurden täglich fotografisch dokumentiert sowie die Temperaturdaten,
gemessen mit Planet Waves PW-HTS, um 16.00 Uhr und 23.00 Uhr notiert. Letzteres
um auch Daten von nächtlichen Temperaturabsenkungen zur Verfügung zu haben, falls
die für die Versuchsauswertungen relevant sein sollten.
13.2.3 M adenentnahme
Um die Entwicklung von Maden zu dokumentieren, wurden über sechs Tage hinweg die
jeweils größten im Verlauf der Versuchsreihe 1 entnommen, um möglichst die
Tagesältesten zu bekommen. Sie wurden in heißem Wasser abgetötet und anschließend
in Brennspiritus mit 94% Alkoholanteil tageweise asserviert.
Zu einem späteren Zeitpunkt kamen Maden in ein Zuchtgefäß, um sie über die
Verpuppung zum Schlüpfen zu bringen. Auf Empfehlung eines Anglers verwendete ich
in dem Zuchtgefäß Paniermehl als Bodengrund. Hinzu kam zur Sicherung der
Nahrungsversorgung ein kleines Kst (Aufnahme 12S.40). Abgedeckt wurden der
Zuchtbehälter mit haushaltsüblicher Frischhaltefolie, um ein Entkommen der Maden zu
verhindern.
14 Versuchsreihen 1 bis 4
14.1 V ersuchsreihe 1
Ich legte drei jeweils 250 Gramm schwere Bauchspeckstücke vom Schwein aus. Zwei
kamen unter den Drahtrahmen, von denen ich eines zur Simulierung von Bekleidung
PLW6WRIIXPZLFNHOWH'DVGULWWH6WFNNDPLQVÄ+DXV³
Beginn dieser Versuchsreihe war der 27.08.2012, Versuchsende der 03.09.2012; Dauer
8 Tage. Den Temperaturverlauf zeigt das Diagramm, die Ø-Temperaturen beliefen sich
tagsüber auf 21,49°C, nachts auf 15,06°C; Regen fiel im Beobachtungszeitraum keiner.
22
Temperatur-Diagramm zur Versuchsreihe 1
14.1.1 F reiland
Am Tag 2 befanden sich zeitweise bis zu 20 Schmeißfliegen auf dem unbedeckten Kst.
Auf dem eingewickelten war es deutlich weniger (Aufnahme 13S.41). Die Kst wurden
QLFKWEHZHJW(LQHÄH[SORVLRQVDUWLJHQ³0DGHQYHUPHKUXQJOLH‰VLFKDP7DJ
beobachten: Ein wimmelnder weißer Teppich auf beiden Kst (Aufnahmen 14S.41 und
15S.41hEHUVFKODJVZHLVHZXUGHQGLH0DGHQÄJH]lKOW³(WZDELV00 von ihnen
befanden sich auf jedem Kst.
Herz und Leber eines Huhns wurden in einen der Madenteppiche gelegt (Aufnahme
16S.41). Innerhalb von 40 Minuten hatten die Maden das gesamte Gewebe aufgelöst
(Aufnahmen 17S.42 und 18S.42). Am Tag 6 waren bis mittags beide Bauchspeckstücke
nahezu verarbeitet (Aufnahme 19S.42) und die Maden hatten sich zur Verpuppung in die
Erde zurückgezogen. Eine letzte Schmeißfliege konnte ich an diesem Tag auf der Suche
nach Ablegemöglichkeiten für ihre Eier fotografieren (Aufnahme 20S.431DFKÄ$E]XJ³
der Maden blieben netzartige Gewebereste übrig (Aufnahme 21S.43). Diese Struktur ist
eine Kombination aus Freßkanälen und Gewebefäulnis, die sich auch bei Leichen bildet,
sobald die Gasblähung zurückgeht.45
45
BRINKMANN, B. / MADEA, B., Handbuch gerichtliche Medizin, Seite 180
23
14Ä+DXV³
Im gleichen =HLWUDXPJDEHVEHLP.VWLPÄ+DXV³NHLQHVXEVWDQWLHOOHQ9HUlQGHUXQJHQ
abgesehen von Schimmelbildung an einigen Stellen (Aufnahme 22S.44). Im Übrigen
HUZLHVVLFKGDVÄ+DXV³DOVLQVHNWHQVLFKHU
14.1.3 M adenaufzucht
Das Zuchtgefäß mit Maden richtete ich am 01.09. ein. Nach wenigen Tagen kam es zu
einer Verklumpung des Paniermehls. Grund war die nicht luftdurchlässige Abdeckfolie,
die zu einer übermäßigen Feuchtigkeitsbildung im Gefäß führte. Die Folie wurde gegen
Stoff ausgetauscht und die etwa 100 Tönnchen (Aufnahme 23S.44) in frisches
3DQLHUPHKOÄXPJHEHWWHW³'DEHL]HLJWHVLFKGDVVVLFKELV]XGLHVHP=HLWSXQNWQRFK
nicht alle Maden verpuppt hatten (Aufnahme 24S.45), aber vor der Verpuppung standen;
ihre Därme waren geleert. Aufnahme 25S.45 zeigt unterschiedlich große und
unterschiedlich braungefärbte Tönnchen verschiedener Fliegenarten aus diesem
Zuchtgefäß.
Am 23.09. kam das Zuchtgefäß wegen fallender Nachttemperaturen ohne die stinkende
Futterbeigabe in den wärmeren Heizungsraum mit durchschnittlich 17°C. Hier
schlüpften am 26.09. eine, am 27.09. sieben sowie am 28.09. weitere zehn
Schmeißfliegen (Lucilia sericata ). Ab dem 07.10. schlüpfte eine größere Anzahl mit
insgesamt 23 deutlich kleineren Fliegen, denen später weitere dieser Art folgten. Ihre
Identifikation war mir nicht möglich. Deshalb schickte ich ein Foto zum Büro
International Forensic Research & Consulting des deutschen Kriminalbiologen Mark
Benecke. Dort konnte mir die Biologin Kristina Baumjohann auch nicht weiterhelfen;
sie schrieb:
Ä>«@ZHUGLSWHUHQSHUIRWREHVWLPPWNRPPWLQGLHK|OOH-. es gibt zu viele
zweiflügler, die sich teils extrem ähnlich sehen, ohne dass man makroskopisch
unterschiede ausmachen könnte.³
Die Aufnahme 26S.46 ]HLJWGLHÄ6FKOSIEHUVLFKW³]XP'LH'HWailaufnahme
27S.46 zeigt, dass nicht alle Schmeißfliegen vollständig schlüpften. Aufnahme 28S.46
wiederum zeigt die an sechs aufeinander folgenden Tagen gesammelten, und in
Brennspiritus asservierten Maden, sowie ein genauso präpariertes Geschmeiß als
Anfang jeder Madenentwicklung. Für das Wachstum von Maden werden etwa einen
24
Millimeter pro Tag angegeben.46 Dieser theoretische Wert wurde zumindest in dieser
Versuchsreihe überschritten.
14.2 V ersuchsreihe 2
Zur Verfügung standen zwei frischtote Kaninchenkadaver, jedes um die 400 Gramm
VFKZHU(LQHVZXUGHLP)UHLHQDXVJHOHJWGDVDQGHUHNDPLQVÄ+DXV³
Beginn dieser Versuchsreihe war der 23.08.2012, Versuchsende der 29.09.2012; Dauer
38 Tage. Den Temperaturverlauf zeigt das Diagramm, die Ø-Temperaturen beliefen sich
tagsüber auf 18,77°C, nachts auf 13,87°C. Im Beobachtungszeitraum fiel zeitweise
Regen.
Temperatur-Diagramm zur Versuchsreihe 2
14.2.1 K aninchen im F reiland
An Tag 1 und 2 fiel nachts Regen. Am Tag 2 waren Schmeiß- und Fleischfliegen bei
24,5°C Tagestemperatur zu beobachten (Aufnahme 29S.47). Am Tag 3 und 4 war es
windig und es fiel Nieselregen, wobei die Tagestemperatur am Tag 4 vorübergehend auf
16,4°C fiel. Fliegen wurden nicht beobachtet, dafür vergrößerte sich der Bauchumfang
des Kadavers durch Gasblähung. Am regenfreien Tag 5 beobachtete ich bei 25,4°C
mittlerer Tagestemperatur weitere Fliegen. Allmählich zerflossen jetzt die Konturen des
46
WEGENER, Rudolf, Rechtsmedizin Thanatologie, Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock,
irmhro200701.pdf
25
Kaninchens, schwerpunktmäßig im Kopfbereich (Aufnahme 30S.47). Zusätzlich hebte
und senkte sich der Körper, was auf das Vorhandensein von Maden (Madenteppich) im
Körperinnern hinwies. Am Tag 7 gab es eine Öffnung auf der Körperoberseite, die
Maden wurden sichtbar (Aufnahme 31S.48). Bereits am nächsten Tag hatten die Maden
ihre Arbeit weitestgehend erledigt (Aufnahme 32S.48) und zogen sich zum Großteil in
die Erde zur Verpuppung zurück. Deshalb waren am Tag 8 nur noch wenige Maden zu
finden (Aufnahme 33S.48). Dafür übernahmen jetzt Käfer den Ä5HVW³ZLHGLHVHU
Glanzkäfer (Nitidulidae) mit seinen langen Fühlerkeulen (Aufnahme 34S.49). Neben
Fliegenmaden und Käfern fühlten sich offensichtlich auch Maulwürde wohl.
Wahrscheinlich vom Überangebot ins Erdreich abwandernder Maden angelockt,
pflügten sie den Boden meines Versuchsgeländes und die nähere Umgebung drum
herum regelrecht um.
14.DQLQFKHQLPÄ+DXV³
0HLQ=LHOZDUHVP|JOLFKVWNHLQH,QVHNWHQLQVÄ+DXV³]XODVVHQXPGLH'DXHUGHU
Autolyse hier mit der der käferunterstützten Zersetzung des Freiland-Kaninchens zu
vergleichen. Ein schwieriges Unterfangen, weil für die tägliche Fotodokumentation das
Ä+DXV³JH|IIQHWZHUGHQPXVVWH'HVKDOEKDWWHLFK8QWHUVWW]XQJ,FKPDFKWHGLH
Aufnahmen, mein Helfer verscheuchte mit einem Tuch alle anschwirrenden Fliegen.
Am Tag 2 war eine leichte Gasblähung des Bauches festzustellen (Aufnahme 35S.49).
Bis Tag 7 hatte der Bauchumfang deutlich zugenommen (Aufnahme 36S.49). Auch Kopf
und Augen zeigten Spuren zunehmenden Gasdrucks (Aufnahme 37S.49). Zur
Erinnerung: Am Tag 7 hatten die Maden beim Freilandkaninchen bereits den Körper
ÄJH|IIQHW³
Tag 8 und 9 waren regnerisch. Am Tag 9 lagen auf den Hinterläufen mehrere
Geschmeiße (Aufnahme 38S.49). Aufgrund der diversen Regenfälle hatte die Pappe trotz
Folie Feuchtigkeit gezogen und sich im Bodenbereich gewellt. Da Schmeißfliegen sich
selbst durch Fensterritze oder Schlüssellöcher zwängen um an Leichen zu gelangen,
hatten sie diese Lücke offensichtlich auch hier genutzt. Ein unbemerktes Eindringen
beim Fotografieren schließe ich aus.
Ab Tag 13 zerfiel das Kaninchen zusehends (Aufnahme 39S.49). Über Fresskanäle im
Körper schauten die ersten Maden heraus (Aufnahme 40S.50), wobei der
Zersetzungsprozess am deutlichsten im Kopfbereich einsetzte (Aufnahme 41S.50). Am
26
Tag 16 war der Zerfall nicht mehr zu übersehen (Aufnahme 42S.50). Ein Teil der
Beinknochen wurde zuerst skelettiert (Aufnahme 43S.51).
Aufnahme 44S.51 zeigt den Zersetzungszustand des Freiland-Kaninchens, und Aufnahme
45S.51 GHQ=HUVHW]XQJV]XVWDQGGHVÄ+DXV³-Kaninchens, beide am Tag 25 dieser
9HUVXFKVUHLKH=XGLHVHP=HLWSXQNWZDUHQLPÄ+DXV³QRFKLPPHU0DGHQDNWLY
genauso wie am Tag 38 (29.09.2012), dem letzten dieser Versuchsreihe (Aufnahme
46S.526SRUDGLVFKH0HVVXQJHQLP9HUVXFKV]HLWUDXPZLHVHQLPÄ+DXV³tagsüber auf
bis zu 4,5°C höhere Innentemperaturen hin; Nachts von bis zu 1,5°C.
Dass die Madenteppiche während ihrer Arbeit auch Skelettteile verschieben und für
Ä8QRUGQXQJ³VRUJHQ]HLJW$XIQDKPHS.52. Hier geriet unter anderem die anatomisch
korrekte Lage von Wirbelsäule und Rippen durcheinander. Zu den omnivoren
Insektenarten gehören die Ameisen, die ebenfalls vom Leichnam und seinen Bewohnern
darauf (mit)leben. Aufnahme 48S.53 zeigt eine der vielen Ameisen, die während der
Freilandversuche Maden zu ihrem Bau ziehen.
14.3 V ersuchsreihe 3
Ich stellte mir die Frage, ob gebratenes Fleisch ebenfalls von nekrophagen Fliegen
angenommen und sich daraus eine Madenpopulation wie bei frischem Leichengewebe
entwickelt. Bei diesem Szenario ging ich von dem Fund einer Wohnungsleiche und den
5HVWHQHLQHUÄXQWHUEURFKHQHQ³0DKO]HLWDXIGHP.FKHQWLVFKDXV'DIUYHUZHQGHWH
ich ein gegrilltes Schnitzel. Dieses und den Teller stellte ich unter die Erweiterung
meines Versuchsaufbaus. Von oben sowie seitlich vor Regen geschützt, konnten
Insekten über einen Bodenspalt ungehindert Anfliegen. Der Aufbau sollte den eines
Zimmers mit gekipptem Fensterflügel simulieren.
Beginn dieser Versuchsreihe war der 10.09.2012, Versuchsende der 24.09.2012; Dauer
15 Tage. Den Temperaturverlauf zeigt das Diagramm, die Ø-Temperaturen beliefen sich
tagsüber auf 16,42°C, nachts auf 12,65°C. Im Beobachtungszeitraum fiel zeitweise
Regen.
27
Temperatur-Diagramm zur Versuchsreihe 3
Am Tag 1 (10.09.) eine erste Eiablage (Aufnahme 49S.53), am Tag 2 folgten weitere.
Alle Ablagen erfolgten ausschließlich auf der Unterseite des Schnitzels. Am Tag 1
betrug die Tagestemperatur 27,1°C, am Tag 2 fiel sie um fast 10°C. Die nachfolgenden
Tage wurden noch kühler, am 18.09. fiel die Nachttemperatur auf 7,8°C.
Am 14.09. die ersten Maden (Aufnahme 50S.54). Zwei Tage später hatte sich ihre
sowieso geringe Anzahl kaum verändert. Sie wirkten bei gemessenen 18,9°C träge und
schienen kaum zu wachsen. Außerdem zeigten sich auf dem Fleisch erste Anzeichen
von Schimmel (Aufnahme 51S.54). Parallel dazu verhärtete sich die Fleischsubstanz
insgesamt, sie schien auszutrocknen. Am 19.09. hatten sich die Schimmelflächen
deutlich vergrößert (Aufnahme 52S.55). Die letzten Maden beobachtete ich am 20.09.
(Aufnahme 53S.55). Zu einer Abwanderung der Maden zur Verpuppung kam es nicht. Zu
Kontrollzwecken um den Teller ausgelegtes Doppelklebeband blieb ÄPDGHQfrei³.
14.4 V ersuchsreihe 4
Diese Versuchsreihe bestand aus zwei Rest-Leberstücken, die bereits drei Tage alt
waren. Sie wurden bei einer Außentemperatur von 13,6° unter den Flachrahmen gelegt.
Ich wollte klären, ob sich eine Vermehrung der Maden wie bei Versuchsreihe 1, trotz
der jetzt kühleren Temperaturen, wiederholen wird.
28
Beginn der Versuchsreihe war der 13.09.2012, Versuchsende der 20.10.2012; Dauer 38
Tage. Den Temperaturverlauf zeigt das Diagramm, die Ø-Temperaturen beliefen sich
tagsüber auf 15,44°C, nachts auf 11,15°C. Im Beobachtungszeitraum fiel Regen.
Temperatur-Diagramm zur Versuchsreihe 4
Einige Maden beobachtete ich trotz der 13,3°C am Tag 3 dieser Versuchsreihe
(Aufnahme 54S.56). Die Eiablage hatte ich nicht bemerkt. Die Madenanzahl blieb gering.
Allmählich nahm die Leber eine lederartige Struktur an und trocknete aus (Aufnahme
55S.56). Auch in diesem Stadium waren noch Maden vorhanden, wenn auch nur wenige
und mit geringem Größenwachstum (Aufnahme 56S.57). Beobachtet wurden nekrophage
Käfer, die auf Madenjagd gingen (Aufnahme 57S.57), genauso wie die farblich
auffälligen Totengräber (Silphidae). Eines dieser Exemplare zeigt Aufnahme 58S.58.
1DFK5HJHQIlOOHQZXUGHQGLH.VWLQLKUHU.RQVLVWHQ]ZLHGHUÄJHVFKPHLGLJHU³/HW]WH
Maden wurden am 14.10. beobachtet. Obwohl sechs Tage später die Temperaturen noch
einmal deutlich stiegen, kam es zu keiner weiteren Eiablage. Nach 38 Tage Liegezeit
blieb es bei solchen Substanzresten (Aufnahme 59S.59). Keines der beiden Leberstücke
ZXUGHLQGLHVHP=HLWUDXPYROOVWlQGLJÄDXIJHO|VW³9RUEHUJHKHQGH0LWEHZRKQHU
waren Laufmilben, die auch in Symbiose mit den Totengräbern leben (Aufnahme
60S.59). Im Größenvergleich zu einer Made wirken sie winzig (Aufnahme 61S.60). Diese
29
NOHLQHQ6SLQQHQWLHUHVLQGZHQLJHUIRUVFKWXQGGHVKDOEÄ>«@VHOWHQYRQIRUHQVLVFKHU
%HGHXWXQJ>«@³47
15 A uswertung
I
Versuchsreihe 1 zeigt, wie schnell ein Madenteppich organisches Material wie
hier Bauchspeck und Huhninnereien unter idealen Wetterbedingungen
verarbeitet. Dass Zehntausende von Maden eine Leiche innerhalb weniger Tage
skelettieren können, ist jetzt (leichter) nachvollziehbar.
II
Die Versuchsreihe 1 zeigt, dass sich unter einem stoffummantelten Kst nicht
weniger Maden entwickeln (müssen) als auf einem unbedeckten Kst. Die
größere Anzahl von Fliegen auf dem unbedeckten Kst hatte diese Vermutung
nahegelegt. Zumindest unter den hier herrschenden Temperaturbedingungen
YHUOLHIGLH(QWZLFNOXQJGHU0DGHQLQEHLGHQHWZDJOHLFKJUR‰HQÄ*UXSSHQ³
auch gleich schnell.
III
9HUVXFKVUHLKHÄ+DXV³-Kaninchen) zeigt, dass die Madentätigkeit in einem
temperatur- wie windmäßig geschützen Umfeld bei gleichzeitig höheren
Temperaturen als außerhalb (lt. sporadischen Messungen) länger anhält, als im
ungeschützten Freiland. So beendeten die Maden ihre Arbeit im Freien nach acht
Tagen nahezu komplett, wogegen sie im Ä+DXV³selbst am Tag 38 noch aktiv
waren - wenn auch im deutlich geringeren Umfang als zu Beginn, und obwohl
das Kaninchen bis auf Haut- und Fellresten bereits skelettiert war.
IV
Das Ergebnis von III lässt vermuten, dass in dem geschützten Umfeld einer
bekleideten Leiche ebenfalls von einer längeren Madentätigkeit auszugehen ist.
VI
Das Ergebnis von III zeigt, wie wichtig das Einsammeln von möglichst viel
Insektenmaterial während der Spurensicherung ist, um die älteste Generation
QLFKW]XÄYHUSDVVHQ³1XUVRsind falsche Ergebnisse beim PMI auszuschließen.
VII
Versuchsreihe 2 zeigt, dass die bloße Autolyse deutlich langsamer abläuft als
eine durch Insekten unterstützte. Während die Maden die Skelettierung des
Kaninchens nach acht Tagen abschlossen, war ohne Insekten (zumindest) bis
Tag 9 (Eiablage) äußerlich lediglich eine Gasblähung des Körpers feststellbar.
VIII
Versuchsreihe 2 weist auf eine Schwierigkeit für die PMI-Berechnung hin: Die
IRUHQVLVFKHQWRPRORJLVFKHQ(UJHEQLVVHJHEHQÄQXU³+LQZHLVH]XP=HLWUDXPIür
die Besiedelung eines Leichnams durch Insekten. Der Tod könnte jedoch früher
HLQJHWUHWHQVHLQ6RODJGDV.DQLQFKHQLPÄ+DXV³EHUHLWVneun Tage, bevor die
(eigentlich ungewollte) Eiablage erfolgte. In der Realität werden
Verbrechensopfer durchaus vom TäWHUXQEHDEVLFKWLJWÄLQVHNWHQVLFKHU³LQ
Plastikfolie eingepackt, bevor beispielsweise Tiere das Verpackungsmaterial
beschädigen und dadurch erst GHQ/HLFKHQLQVHNWHQLKUHQÄ$QJULII³HUP|JOLFKHQ
IX
Versuchsreihe 3 zeigt, dass die am Kotelett entlang streifende Luft zu einer
schnellen Austrocknung des organischen Materials führt. Anfangs fraßen die
47
BENECKE, Mark, Dem Täter auf der Spur, Seite 313
30
Maden noch, entwickelten sich aber auf dem bereits durchgegarten Material mit
seiner immer härter werden Oberfläche langsamer als bei den Versuchsreihen 1
und 2 miWLKUHQÄIULVFKHQ³.VW. Zuletzt starben die Maden wegen
Nahrungsmangels ab. Zu einer Verpuppung kam es nicht. Gleiches wird nicht
nur mit Essensresten passieren, sondern auch auf schnell ÄDXVWURFNQHQGHQ³
Leichen (Mumifikation).
X
Versuchsreihe 4 verdeutlicht die Einflussnahme von niedrigeren Temperaturen
auf die Schlüpfzeiten von Maden. Die mir zugängliche Literatur geht von bis zu
(temperaturabhängigen) 30 Stunden Verzögerung nach der Eiablage aus. 48 In
dieser Versuchsreihe waren es sogar mehr als 30 Stunden. Regenfälle, die die
Flugtätigkeit der Schmeißfliegen hätten einschränken können, gab es in diesem
Zeitraum nicht.
ŷ
A
In der Zusammenfassung aller Versuche ist die Einflussnahme der Temperaturen
auf die Madenentwicklung eindeutig: Niedrige Temperaturen führen zu einem
deutlich verzögerten Wachstum; dagegen begünstigen schwülwarme
Temperaturen das Wachstum.
B
In der Zusammenfassung aller Versuche ist die Einflussnahme des Zustandes des
organischen 0DWHULDOVDXIGLH0DGHQHQWZLFNOXQJHLQGHXWLJÄ)ULVFKHV³
nekrotisches Gewebe wird angenommen. Vertrocknetes, verhärtetes Gewebe
führt zur Abwanderung und/oder Wachstumseinschränkungen, verbunden mit
möglichem Absterben.
C
In der Zusammenfassung der Versuchsreihe 2 ist eindeutig, dass die bloße
Autolyse deutlich langsamer zu einer Zersetzung führt.
16 Schlusswort
Je länger der Todeszeitpunkt zurückliegt, umso schwieriger wird seine Bestimmung.
Haben Autolyse, Fäulnis und Verwesung eingesetzt, liegt es an der Erfahrung der
Gerichtsmediziner, angenäherte Aussagen zur Leichenliegezeit zu treffen. Dazu
beurteilen sie Faktoren wie den Stand des Knorpelabbaus oder die Knochenbrüchigkeit
(Demineralisierung) des Skeletts.49
Dagegen verfolgt die Forensische Entomologie das Ziel, über die Altersbestimmung der
auf einem Leichnam gefundenen Insekten/Maden Aussagen zur Dauer der Besiedelung
zu treffen ± die wiederum dem Todeszeitpunkt entsprechen könnte. Selbstverständlich
hat auch die Forensische Entomologie ihre Grenzen. So wenn beispielsweise die
erstbesiedelnde Generation von Schmeißfliegen sich zu erwachsenen Fliegen (Imago)
IHUWLJHQWZLFNHOWKDWXQGLPZDKUVWHQ6LQQHGHV:RUWHVÄHQWIORJHQ³LVWEHYRUGLH
48
49
KOCH, Heiko Joachim, Prä- und postportable Leichenbesiedelung durch Insekten, Seite 34
WEGENER, Rudolf, Rechtsmedizin Thanatologie, Textkasten 26
31
Spurensicherung ihre Arbeit beginnen konnte. Erhöhter Forschungsbedarf besteht bei
der möglichen Einflussnahme von Medikamenten und Drogen auf den
Entwicklungsprozess von Fliegenmaden. An die Grenzen der Prognosesicherheit gerät
diese Disziplin, falls nicht erkannt wird, dass ein Körper zumindest zeitweise
ÄLQVHNWHQVLFKHU³JHODJHUWZXUGH$QHLQHPZHLWHUHQÄ3UREOHP³ZLUGebenfalls
geforscht: Dem Auszüchten im Labor. Ein Vorgang, der mehrere Tage dauert, wie der
Bremer-Mordfall aus Abschnitt 12 zeigt, und damit kostbare Ermittlungszeit
verstreichen lässt. Um diese Zeitspanne zu verkürzen, dienen Arbeiten wie die der
Erforschung der Metamorphose forensisch relevanter Insekten.50 Ziel ist es hier,
unmittelbar über die Entwicklungsstadien der Puppen noch im Tönnchen das Alter zu
bestimmen. Abbildung 62S.61 zeigt beispielhaft Metamorphose-Entwicklungsstadien von
Calliphora vicina (Blaue Schmeißfliege) aus dieser Veröffentlichung.
ŷ
Für mich ist die Forensische Entomologie ein kriminalistisch-naturwissenschaftlicher
Zweig mit vielen interessanten Facetten. Leider beschränken die formalen
Anforderungen meiner Schule den Textumfang einer Facharbeit auf maximal zwölf
6HLWHQLPÄ>«@HQJHUHQ6LQQH>«@³± die bereits überschritten wurden. Trotzdem
blieben viele Aspekte der Insekten-Biologie ausgeklammert beziehungsweise konnten
nur angekratzt werden. Ganz entfallen musste beispielsweise die Vorstellung der einen
oder anderen interessanten Schmeißfliegenart, genauso wie Fallbeispiele für die
Aufklärung von Morden mit Unterstützung der Forensischen Entomologie. Ebenfalls
auf der Strecke blieben Informationen zur anthropologischen Forschungseinrichtung der
Universität Tennessee (Body Farm) und ihre Bedeutung für die Forensische
Entomologie sowie Informationen zur Insekten-Datenbank beim Forschungsinstitut
Senckenberg.
Die Beschaffung von rechtsmedizinischer oder forensisch entomologischer Fachliteratur
war mir nur eingeschränkt möglich. Die Stadtbücherei verfügte über solche Literatur
nicht, eine Querbeschaffung aus Universitätsbeständen schied ebenfalls aus.
Ä*HEUDXFKWH³/LWHUDWXU]XNDXIHQwar mein nächster Gedanke: Doch entweder war sie
50
ZAJAC, B.K. / AMENDT, J., Bestimmung des Alters forensisch relevanter Fliegenpuppen ±
Morphologische und histologische Methoden, Forensische Biologie/Entomologie, Goethe-Universität,
Frankfurt am Main, Rechtsmedizin 2012, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012,
link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs00194-012-0854-5
32
nicht lieferbar oder zu teuer. ÜEULJEOLHEHQYHUHLQ]HOWHÄ/HVHSUREHQ³QDFKGHP6HLWHQZufallsprinzip im World Wide Web ± soweit angeboten.
Ansonsten hat mir die Auseinandersetzung mit der forensischen Entomologie nicht
zuletzt wegen der Versuchsreihen sehr viel Spaß bereitet. Beruflich Weiterverfolgen
werde ich die Biologie nach dem Abitur aber nicht.
17 Bilddokumentation
Abbildung 1
Faunafolge leichenbesiedelnder Insekten. Zu beachten bleibt, dass sich die Faunafolge
je nach Örtlichkeit (wie Haus/Freiland/Wald/Schatten/Sonne und so weiter) oder
Region (wie beispielsweise Norddeutschland/Süddeutschland) durchaus unterscheiden
kann.
33
Abbildung 2 / 2A
Schematische Darstellung einer Fliegenmade oben. MHK = Mundhaken, HStg = Hinterstigma, VStg =
Vorderstigma. Über Vorder- und Hinterstigma atmen die Maden. Darunter die Darstellung des
Tracheensystems einer Fliege ( I mago).
Abbildung 3
Gezeigt wird das Hinterstigma von Schmeißfliegen ( Calliphoridae), mit hier drei
Stigmentschlitzen für die Atmung (3. Madenstadium). Die um das Hinterstigma herum
angeordneten konischen Fortsätze (Krönchen) sind ein Arterkennungsmerkmal für
Schmeißfliegen. Calliphora vomitoria ist eine von fünf Arten der Blauen
Schmeißfliege, die in Deutschland vorkommen.
34
Abbildung 4
Ein Isomegale-Diagramm für die Altersbestimmung von Maden, hier der Fliegenart
Calliphora vicina (Blaue Schmeißfliege). Dargestellt werden sieben
Entwicklungskurven für verschiedene Züchtungstemperaturen (I bis VII).
Die Länge der Made wird auf der Y-Achse abgenommen, im Beispiel 16 Millimeter.
Als angenommene Züchtungstemperatur gilt III (22° - 23°C). Da die Made bereits ihren
Darm geleert hatte, befindet sich der dazugehörige Wert auf dem absteigenden Teil der
Kurve III. Dabei steht das Kurvenplateau jeder Kurve für den Wachstumspeak.
Wäre der Darm noch nicht geleert, würde der Wert auf dem ansteigenden Teil der
Kurve vor dem Wachstumspeak genommen.
Das Ergebnis: Die Madenlänge auf der Y-Achse sowie der Schnittpunkt auf der
Entwicklungskurve III lassen ein Alter von sechs Tagen auf der X-Achse ablesen.
35
Abbildung 5
Die Mundwerkzeuge von Fliegenmaden messen nicht viel länger als einen Millimeter.
Von einem spezialisierten Biologen freigelegt, kann an Haken und Helbelchen die Art
unterschieden werden. Die Pfeile geben Hinweise auf Unterscheidungsmerkmale.
36
Abbildung 6
Die Mundwerkzeuge einer Made bestehen aus fünf Hauptbestandteilen: Mh = ein Paar
Mundhaken, H = H-Stück, Bst = zweiflügelige Basalstück mit je einem Dorsal- und
Ventralhorn. Bildabschnitt a zeigt die Seitenansicht, b die Dorsalansicht (lat. Dorsum =
Rücken), also Rückenwärtslage. Man beachte den Größenmaßstab oben rechts.
37
Abbildung 7
Ein Isomorphen-Diagramm für eine Schmeißfliegenart X. Es zeigt die einzelnen
Entwicklungsabschnitte bei unterschiedlichen Temperaturen für Schlupf Ei,
Verpuppung sowie Schlupf Imago (Fliege). Die Flächen A1, A2 und A3 stehen für die
Wärmekonstante K oberhalb der unteren Schwellentemperatur tu.
Abbildung 8
Temperaturparameter für, aus forensisch entomologischer Sicht, wichtigen
Schmeißfliegenarten.
38
Abbildung 9
Entwicklungskurve von Schlupf bis zur Verpuppung für Lucilia sericata für zehn
unterschiedliche Temperaturen. Die Pfeile zeigen die Übergänge zum jeweils nächsten
Madenstadium.
39
Aufnahme 10
Versuchsaufbau: Links der Flachrahmen für meine Versuche mit Bauchspeck und
Leber, in der Mitte die Liegefläche für den Kaninchenkadaver sowie rechts ein
folienummanteltes Ä+DXV³DOV5DXPHUVDW]IUZHLWHUH9HUVXFKHPLW%DXFKVSHFNXQG
Kaninchenkadaver. Ein zusätzlicher Außenzaun aus Schafsdraht hält unseren Hund
fern.
Aufnahme 11
Erweiterung für Versuchsreihe 3, eine allseitig zum Wetterschutz mit Folie umwickelte
Kiste als Zimmerersatz. Über Bodenspalten können die Insekten anfliegen.
40
Aufnahme 12
Auszuchtgefäß für Maden mit Futterstück.
Aufnahme 13 Versuchsreihe 1
Am Tag 2 waren auf dem unbedeckten Kst mehr Fliegen als auf dem mit Stoff
umwickelten zu sehen.
41
Aufnahme 14 Versuchsreihe 1
Aufnahme 15 Versuchsreihe 1
$P7DJHUIROJWHGLHÄ0DGHQH[SORVLRQ³%HL/HLFKHQNDQQVROFKHLQ0DGHQWHSSLFK
bis zu mehrere Zentimeter dick werden. Durch die Reibungswärme der Maden sollen
sich GLH7HPSHUDWXUHQLPÄ7HSSLFK³JHJHQEHUGHU8PJHEXQJVWHPSHUDWXUum bis zu
20% steigern. Dadurch beschleunigt sich auch die Entwicklung der Maden.
Aufnahme 16 Versuchsreihe 1
Huhninnereien (Herz und Leber) wurden in diesen Madenteppich gelegt.
42
Aufnahme 17 Versuchsreihe 1
Aufnahme 18 Versuchsreihe 1
Innerhalb von 40 Minuten hatten die Maden alles verarbeitet.
Aufnahme 19 Versuchsreihe 1
$P7DJZDUGLH9HUDUEHLWXQJGHUEHLGHQ.VWDXVÄMadenVLFKW³
abgeschlossen.
43
Aufnahme 20 Versuchsreihe 1
Eine letzte Schmeißfliege sucht auf den Geweberesten nach einer geeigneten
Ablagemöglichkeit für ihre Eier.
Aufnahme 21 Versuchsreihe 1
Übrig bleibt eine netzartige Struktur von Geweberesten.
44
Aufnahme 22 Versuchsreihe 1
$XIGHP.VWLPÄ+DXV³NDPHV]XSDUWLHOOHU6FKLPPHOELOGXQJ
Aufnahme 23
Nicht alle Maden hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt verpuppt.
45
Aufnahme 24
Die noch nicht verpuppten Maden hatten ihren Darm bereits geleert.
Aufnahme 25
Im Gefäß befanden sich unterschiedlich große und unterschiedlich
braungefärbte Puppen.
46
Aufnahme 26 Versuchsreihe 1
Aufnahme 27 Versuchsreihe 1
Ä6FKOSIEHUVLFKW³ zum 10.10.2012.
Detail: Nicht alle Schmeißfliegen
schlüpften vollständig.
Aufnahme 28 Versuchsreihe 1
An sechs aufeinander folgenden Tagen gesammelte Maden bzw. Geschmeiß. Nach
GHUÄ%HKDQGOXQJ³LQKHL‰HP:DVVHUXQG$VVHUYLHUXQJLQ%UHQQVSLULWXVZDUHQGLH
Darmfüllungen nicht mehr zu erkennen.
47
Aufnahme 29 Versuchsreihe 2
Am Tag 2 wurden die ersten Schmeiß- und Fleischfliegen beobachtet.
Aufnahme 30 Versuchsreihe 2
$E7DJÄ]HUIORVVHQ³DOOPlKOLFKGLH.RQWXUHQDQJHIDQJHQLP.RSIEHUHLFK
48
Aufnahme 31 Versuchsreihe 2
Am Tag 7 schafften die Maden eine erste Körperöffnung.
Aufnahme 32 Versuchsreihe 2
Aufnahme 33 Versuchsreihe 2
Am Tag 8 hatten die Maden ihre Arbeit
An diesem Tag waren nur noch wenige
im Freien abgeschlossen und sich zur
Maden zu finden.
Verpuppung zurückgezogen.
49
Aufnahme 34 Versuchsreihe 2
Aufnahme 35 Versuchsreihe 2
Parallel zur Abwanderung der Maden
waren vermehrt Käfer zu beobachten.
$P7DJLPÄ+DXV³ZDr die Gasblähung
des Körpers nicht zu übersehen.
Aufnahme 36 Versuchsreihe 2
Aufnahme 37 Versuchsreihe 2
Die Gasblähung vergrößerte sich
bis Tag 7 deutlich.
Auch Kopf und Augen zeigten Spuren der
Gasbildung.
Aufnahme 38 Versuchsreihe 2
Aufnahme 39 Versuchsreihe 2
Am Tag 9 Geschmeiß auf den
Tag 13; Der Kadaver zerfiel zusehends.
Hinterläufen.
50
Aufnahme 40 Versuchsreihe 2
Aufnahme 41 Versuchsreihe 2
Fresskanäle der Maden im Körper.
Deutlicher Zersetzungsprozess im
Kopfbereich.
Aufnahme 42 Versuchsreihe 2
Nur wenige Stunden später ist die Arbeit der Maden deutlich fortgeschritten.
51
Aufnahme 43 Versuchsreihe 2
Teilansicht der schnell skelettierten Vorderläufe.
Aufnahme 44 Versuchsreihe 2
Aufnahme 45 Versuchsreihe 2
Tag 25: Zersetzungszustand Kadaver
Freiland.
Tag 25: Zersetzungszustand Kadaver
Ä+DXV³
52
Aufnahme 46 Versuchsreihe 2
$P7DJZDUHQLPÄ+DXV³QRFKLPPHU0DGHQDNWLY
Aufnahme 47 Versuchsreihe 2
Der Madenteppich verschob die Skelettteile.
53
Aufnahme 48 Versuchsreihe 2
Ameisen gehören aus forensisch entomologischer Sicht zu den opportunistischen
Insekten, die sich von den leichenbewohnenden Insekten (mit)ernähren. Hier zieht eine
Ameise eine Made zu ihrem Bau.
Aufnahme 49 Versuchsreihe 3
Unmittelbar am Tag 1 erfolgten Eiablagen unter dem Kotelett.
54
Aufnahme 50 Versuchsreihe 3
Nach kühlen Temperaturen wurden die ersten Maden erst am Tag 4 beobachtet.
Aufnahme 51 Versuchsreihe 3
Erste Anzeichen von Schimmel, außerdem verhärtete sich die Fleischsubstanz
zunehmend.
55
Aufnahme 52 Versuchsreihe 3
Die Schimmelflächen vergrößerten sich schnell.
Aufnahme 53 Versuchsreihe 3
Letzte Maden wurden am Tag 10 beobachtet.
56
Aufnahme 54 Versuchsreihe 4
Am Tag 3 erste Maden in geringer Anzahl.
Aufnahme 55 Versuchsreihe 4
Die Leber nahm eine lederartige Struktur an.
57
Aufnahme 56 Versuchsreihe 4
Es waren nur noch wenige Maden geringer Größe zu beobachten.
Aufnahme 57 Versuchsreihe 4
1HNURSKDJH«
58
Aufnahme 58 Versuchsreihe 4
«$DVNlIHUZDUHQLUJHQGZDQQDQVWDWW0DGHQDQ]XWUHIIHQ'HUYRQ$ufnahme 57
befindet sich auf der Madenjagd.
59
Aufnahme 59 Versuchsreihe 4
Nach 38 Tagen blieb solch ein Geweberest von Leber übrig.
Aufnahme 60 Versuchsreihe 4
Milben wie diese leben oft in Symbiose mit Totengräber-Käfern (Aufnahme 58).
60
Aufnahme 61 Versuchsreihe 4
Die winzigen Milben im Größenvergleich zu Maden. Diese kleinen Spinnentiere sind
forensisch wenig erforscht.
61
Abbildung 62
Verschiede Puppenstadien/Metamorphose von Calliphora vicina (Blaue
Schmeißfliege):
B
=
Borsten/Borstenkanal
LS
=
Longitudinaler Streifen
Seg
=
Segmentierung
SV
=
Stigmataverlängerung
Forschungsarbeit von Zajac und Amendt zur Besti mmung des Alters forensisch
relevanter F liegenpuppen.
62
18 L iteraturverzeichnis
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20 Bildverzeichnis
Abbildung 0 Leichenkopf
Titelseite
Abbildung 1 Schaubild Besiedelungswellen
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Abbildung 2 Schnitt Made (Abb. 2A Tracheensystem)
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Abbildung 3 Hinterstigma Made
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Abbildung 4 Isomegale-Diagramm
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Abbildung 5 Artspezifische Unterschiede Mundwerkzeuge
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Abbildung 6 Aufbau Mundwerkzeuge
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Abbildung 7 Mathematische Basis Degree-Berechnungsmethode
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Abbildung 8 Forensisch wichtige Schmeißfliegenarten (K und tu)
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Abbildung 9 Isomegale-Diagramm Grassberger und Reiter (2001)
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Aufnahme 10 Versuchsaufbau
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Aufnahme 11 Erweiterung Versuchsaufbau
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Aufnahme 12 Auszuchtgefäß mit Maden und Futterstück
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Aufnahme 13 Fliege auf Kadaverstück
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Aufnahme 14 Madenvermehrung auf Kadaverstück
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Aufnahme 15 Madenvermehrung auf Kadaverstück
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Aufnahme 16 Herz und Leber (Huhn) im Madenteppich
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Aufnahme 17 Maden lösen Huhninnereien auf
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Aufnahme 18 Maden lösen Huhninnereien auf
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Aufnahme 19 Kadaverstücke verarbeitet
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Aufnahme 20 Schmeißfliege auf Platzsuche für Eiablage
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Aufnahme 21 Netzartige Gewebestruktur
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Aufnahme 22 Schimmelbildung
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Aufnahme 23 Gesammelte Tönnchen nach Bodenaustausch
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Aufnahme 24 Tönnchen und vor der Verpuppung stehende Maden
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Aufnahme 25 Verschiede Tönnchen-Größen und Einfärbungen
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Aufnahme 26 Schlüpfübersicht
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Aufnahme 27 Nicht alle Schmeißfliegen schlüpften
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Aufnahme 28 Asservierte Maden und Geschmeiß
Seite 46
Aufnahme 29 Schmeißfliegen auf Kaninchen
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Aufnahme 30 Konturen zerfließen
Seite 47
Aufnahme 31 0DGHQÄ|IIQHQ³.|USHUREHUVHLWH
Seite 48
Aufnahme 32 Kaninchen am Tag 8
Seite 48
Aufnahme 33 Nur noch wenige Maden zu finden
Seite 48
Aufnahme 34 Käfer übernehmen
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Aufnahme 35 Gasgeblähter Bauch
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Aufnahme 36 Deutliche Gasblähung am Tag 7
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Aufnahme 37 Spuren der Gasblähung an Kopf und Augen
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Aufnahme 38 Geschmeiß auf den Hinterläufen
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Aufnahme 39 Kaninchen zerfällt
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Aufnahme 40 Fresskanäle im Körper
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Aufnahme 41 Deutliche Zerfallspuren im Kopfbereich
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Aufnahme 42 Zerfallspuren am Tag 16
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Aufnahme 43 Beinknochen skelettiert
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Aufnahme 44 Zersetzungszustand Freiland-Kaninchen. Tag 25
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Aufnahme 45 =HUVHW]XQJV]XVWDQGÄ+DXV³-Kaninchen Tag 25
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Aufnahme 46 7DJQRFKLPPHUDNWLYH0DGHQEHLPÄ+DXV³-Kanin.
Seite 52
Aufnahme 47 Madenteppich verschiebt Skelettteile
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Aufnahme 48 Ameise zieht Made fort
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Aufnahme 49 Eiablage Tag 1
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Aufnahme 50 Erste Maden
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Aufnahme 51 Schimmelbildung
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Aufnahme 52 Schimmelflächen vergrößern sich
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Aufnahme 53 Letzte Maden beobachtet
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Aufnahme 54 Erste Maden
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Aufnahme 55 Lederartige Struktur der Leber
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Aufnahme 56 Geringes Größenwachstum der Maden
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Aufnahme 57 Käfer auf Madenjagd
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Aufnahme 58 Totengräber-Käfer
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Aufnahme 59 Substanzrest Leber nach 38 Tagen Liegezeit
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Aufnahme 60 Laufmilben
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Aufnahme 61 Laufmilben kleiner als Maden
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Abbildung 62 Metamorphose-Stadien Calliphora vicina
Seite 61
21 A nlage 1
Protokollseiten zur insektenkundliche Datenaufnahme
67
68
22 A nlage 2
Forensisch-entomologisches Gutachten
69
70
71
72
73
23 A bschließende E r klärung
Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im
Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Nordkirchen, den 10.12.2012

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