Wenn du diesen Brief liest, bin ich schon tot

Transcrição

Wenn du diesen Brief liest, bin ich schon tot
NeuöZürcörZäitung
LITERATUR UND KUNST
Samstag/Sonntag, 19./20. April 2003
«Wenn du diesen Brief liest, bin ich schon tot»
Über die Liebe, ihre Lügen, ihre Laster und ihre Briefe im Film
Von Marli Feldvoss
Seit den Zeiten des Stummfilms hält sich Hollywood s
a l Sachverwalter der romantiErscheinungsformen sich
schen Liebe, deren
mit den Epochen verändern. Ein Element,
sorgt,
Suspense
Liebesplot
provoziert
das für
ist der Brief: Er
Zweifel und Missverim
garantiert dabei selten ein konventionelles Happy End.
ständnisse und
«Trotz der tief verwurzelten Sehnsucht nach
Liebe», schreibt Erich Fromm, «hält man fast alle
übrigen Dinge für wichtiger als sie: Erfolg, Prestige, Geld, Macht. Beinahe unsere ganze Energie
brauchen wir dazu, um zu lernen, wie man diese
Ziele erreicht, und fast nichts verwenden wir, um
die Kunst des Liebens zu erlernen.» Eine ganz
andere Ansicht vertritt der Psychoanalytiker F´elix
Guttari, wenn er festhält: «Im Kino hat man nicht
mehr das Wort; es spricht für dich; man hält dir
eine Rede, von der die Kinoindustrie sich vorstellt, dass du sie gerne hören möchtest; eine
Maschine behandelt dich wie eine Maschine [. . .].
Denn in Wirklichkeit hinterlässt die aus diesem
billigen Schwindel resultierende Modellierung
ihre Spuren: Das Unbewusste findet sich wieder,
bevölkert von Indianern, Cowboys, Bullen,
Gangstern, Belmondos, Marilyn Monroes
. . .»
Der politökonomisch geschulte Guattari gibt
zu, dass seine Zunft dem Kino immer ein wenig
Story» vertritt jedoch die melodramatische Variante des Liebesfilms. Er verfolgt nicht die klassi«Boy meets
sche amerikanische Erzählformel:
girl, boy loses girl, boy gets girl», die das Happy
End nach sich zieht, sondern ende
t
mit dem -t r a
gischen
Marjorie
Tod der Heldin. Filmkritikeri
n
Erfolg
Besetzung
Rosen führt den
auch auf die
mit Jungstar Ali MacGraw zurück. Mit ihrer zickigen Selbständigkeit
habe sie auf ideale Weise die
Anforderungen einer Industrie bedient, die versuchte, ihre beiden Haupteinnahmequellen unter
einen Hut zu bringen: das konservative middle
American establishment und die Jugend.
Der Liebesfilm auf Englisch: romance steht
letztlich in der langen Erbfolge einer Erzähltradition, die ihre auf Bildung und Erziehung ausgerichteten Vorläufer im Ritterroman, im bürgerlichen Roman, im Briefroman oder
auf der
Bühne und im Kino
auch im amerikanischen
Melodrama sucht. Fromms Behauptung, dass wir
in Liebesdingen ein wenig eifriges Lernverhalten
an den Tag legten, ist auf dem Hintergrund der
- -
misstrauisch gegenübergestanden habe, und
«gigantische
scheut sich nicht, das Kino als eine
Maschine zur Modellierung der gesellschaftlichen
begreifen.
Libido» zu
Man könnte das etwas
schwerfällig klingende Maschinenmodell Guattaris auch in dem Sinne interpretieren, dass das,
geboten wird, nicht nur
was auf der Leinwand
Überwältigungs-, sondern auch Empfehlungs-
wurde das an sich farblose Wesen eines Briefs
oder Liebesbriefs auch deshalb als idealer Handlungsträger entdeckt, weil er als geheimnisvoller
Suspense-Träger
in allen Genres zu Hause ist und
genug
sich oft
als letzte Zuflucht der Liebenden
geheime Begegnungsstätte
und als
der innersten
G e f ü h l anbietet. Vielleicht gerade dann, wenn
e
der Liebesbrief schon zum Abschiedsbrief geworden ist. Der «Liebesbrief» ist also keinesfalls der
Garant für einen «Liebesfilm» im herkömmlichen
Sinne. Bei aller Hingabe und bei allem Glauben
an die romantische Liebe umwehen ihn doch alle
jene Gespenster des Zweifels und der Ungewissheit, die ein direktes Ansteuern des Happy End
unmöglich machen. Der Liebesbrief
im Kino trägt
schwer an seiner literarischen Tradition, die nicht
Liebesplot,
immer in einen
sondern meist auf
einen Irrweg mit melodramatischem oder noch
schlimmerem Ende führt. In der neueren Zeit
haben die «Gespenster» nochmals einen Bedeutungswandel erfahren, seit der Liebesbrief
in der
virtuell-gleichmacherischen Gestalt einer E-Mail
daherkommt und die Frage nach der Authentizität von Sender und Empfänger aufwirft.
Einem ganz altmodischen, also noch sichtbaren
und gelegentlich greifbaren Gespenst namens
Leutnant Pinson jagte die jüngste Tochter Victor
Hugos hinterher, der Fran¸cso i Truffaut mit seinem «L'histoire d'Ad`ele H.» (Frankreich 1975)
ein Denkmal setzte. Ad`ele überquert die Weltmeere von Guernsey s
b i Barbados in einem unheilbaren Liebeswahn, der sie veranlasst, ohne
-- --
hier nur skizzierten Liebeskultur nur schwer zu
halten. So definiert und demonstriert das Hollywoodkino nicht nur die jeweils populären Rituale
geradezu
des Verliebens, sondern ist
zum Sachverwalter der «romantischen Liebe» aufgestiegen.
und Modellcharakter für die Zuschauer hat.
Seit es das Kino gibt, werden auf der «Couch
Analogie zur Analytikercouch
des Armen» in
die Liebesdinge als Chefsache verhandelt. Zuwei-
len scheint sich die Leinwand als Spiegel der Realität anzubieten, zuweilen als «moralische Anstalt», aber immer findet auf die eine oder andere
Art ein Transfer von Informationen in Sachen
«Liebespolitik» statt. Die mit den Zeitläufen
wechselnde Liebespolitik bedient auch die von
Pierre Bourdieu als habitus bezeichnete unbeBeziehungsmuster,
wusste Ebene sozialer
die wiederum bestimmte verbindliche Verhaltensweisen
hervorbringen. Die Statistik besagt, dass bei 95
Prozent der Hollywoodproduktionen bis 1960 das
Thema Liebe eine Rolle spielte, bei 85 Prozent
soll es sogar den Haupterzählstrang gestellt
sechzig
haben. Über
von hundert Filmen enden
mit dem vereinten Paar. Die dafür erfundene
Konvention des Happy End wird als Synonym
für Heirat oder Heiratsversprechen verstanden.
Die «Schöpfung des Paars» konstituiere überhaupt das amerikanische Kino, behauptet der
Filmwissenschafter Raymond Bellour. Dass sich
Regel
dieses Paar in der
dem anspruchsvollen
Parcours der «romantischen Liebe» unterwirft,
gilt als Selbstverständlichkeit.
Doch der Liebesfilm ist schon lange nicht mehr
das, was er zu Stummfilmzeiten und bis hinein in
die fünfziger Jahre war. Heute geht es auf der
Leinwand gleich zur sexuellen Sache. Ein Quickie
im Stehen mit einer Prostituierten als Aufreisser
dafür ist sich nicht einmal ein ernst zu nehmender
Film wie «Monster's Ball» (Marc Forster, USA
2002) zu schade. Auch der berühmt-berüchtigte
discours amoureux des französischen Films hat
sich noch einmal radikalisiert. Patrice Ch´ereau
beginnen, wo
liess «Intimacy» (2001) erst dort
der «romantische Diskurs» üblicherweise endet:
verschlungenen,
bei zwei ineinander
doch einander fremden Körpern. Es sieht so aus, als ob das
nackte Fleisch und die unmittelbare Intimität den
sprichwörtlichen Hindernislauf des romancing,
Augen
das ritualisierte Kennenlernen mit Flirt,
auf und Augen nieder, versagender Stimme,
Herzklopfen, ganz aus dem Kino vertrieben, es
zumindest sehr verkürzt hätten.
ERZIEHUNG ZUR LIEBESKULTUR
Märchen vom Aschenputtel auf den Strich verlegWahrung der Berufsehre praktiten und das zur
zierte Kussverbot zum Thema machten. So kann
der schliesslich in der Liebesnacht gewährte Kuss
wieder zum echten Liebessignal mit erotischem
Crescendo wachsen und den (hier) käuflichen Sex
transzendieren.
Auch die radikale Erneuerung des Liebesbegriffs durch die sexuelle Revolution der sechziger
und siebziger Jahre konnte dem Kanon der
«romantischen Liebe» nichts anhaben. Der überwältigende internationale Erfolg von «Love
Story» (Arthur Hiller, USA 1970), der eine neue
Ära der romantischen Liebe einläutete, kam gerade zur rechten Zeit, um den radikalen Forderungen der sexuellen Revolution eine Absage zu
erteilen. Der Film versteht es geschickt, konservative Werte mit den neuen emanzipatorischen
Ideen aus der Frauenbewegung zu verbinden. So
macht er den jungen Helden zum Revoluzzer
gegen
seine erzkonservative und lieblos reiche
Familie und die junge Heldin aus armen Verhältjungen Glücks. «Love
nissen zur Ernährerin des
--
Ephron, USA 1998) mit den Protagonisten Meg
Ryan und Tom Hanks im virtuellen Zeitalter nur
wenige Details zu verändern. Man hat sich
im
Chatroom kennen gelernt und wartet gemütlich
zu Hause auf das Signal von «You've got mail»
auf dem Bildschirm. Aus Verkäufer und Verkäuferin in einem Budapester Galanteriewarenladen
sind Konkurrenten auf dem New Yorker Buchmarkt geworden, deren Wege sich jeden Morgen
auf dem Weg zum Arbeitsplatz kreuzen. Um die
Spannung zu erhalten, erledigt sich die Demaskierung nicht wie heute bei der Partnerschaftssuche im Internet üblich
via Digitalfoto, sondern es bleibt beim alten Blind Date. Da nun aus
Angestellten
kleinen Verkäufern und
eine ausgebootete Kinderbuchladen-Besitzerin und ein rigider Konzernerbe geworden sind, ist noch viel
Überzeugungsarbeit zu leisten, s
b i das Happy
End steht.
ZEUGNISSE DES VERSCHWINDENS
Sowenig man den Schriftsteller Stefan Zweig
verdächtigt, so wenig würde
des Lore-Romans
man heute den Regisseur Max Ophüls dem seichzuschlagen. Genau das
Seifenoper
ten Fach der
geschah jedoch,
als «Letter from an Unknown
Woman» 1948 in New York herauskam, von den
Kritikern als tränenreiches Melodram verspottet
wurde und als «women's film» abgetan wurde.
Heute führen weder Melodrama noch «women's
film» ein Schattendasein in der Filmgeschichte,
sondern gelten als geschätzte eigenständige Genres. Doch mit «Letter from an Unknown
Woman» setzte Ophüls für den Liebesfilm, insbeInszenierung des Liebesbriefes,
sondere für die
neue Massstäbe. Ophüls konnte zusammen mit
seinem Freund, dem Autor Howard Koch, das
Drehbuch entwickeln und durfte nach sieben Jahren Exil in Hollywood endlich einen Film nach
Vorstellungen verwirklichen. Die beiden
seinen
verlegten Stefan Zweigs 1922 erschienene, zeitgenössische
Novelle «Brief einer Unbekannten»
in Ophüls' geliebtes Wien der Jahrhundertwende
und verwandelten Zweigs Romanschriftsteller in
einen Konzertpianisten. Ebenfalls in Abwandlung
der Vorlage kehrt dieser Stefan Brand (Louis
Jourdan) so die Rahmenhandlung des Films
am Vorabend eines Duells nach Hause zurück
und findet besagten Brief ohne Absender, nur mit
der Notiz eines Krankenhauses versehen, vor.
«Wenn du diesen Brief liest, bin ich schon tot.»
Die ersten beiden Zeilen des Briefes werden in
Grossaufnahme zum Mitlesen gezeigt und mit
einem musikalischen Trauerflor unterlegt. Dann,
- -hin
Herzschlag: Joan Fontaine und Louis Jourdan
)
in «Letter from an Unknown Woman». (Bild Cinetext
Einer der Gründe dafür mag darin liegen, dass
die romantische Liebesauffassung in Amerika früher als in Europa ihren Siegeszug angetreten hatte
und bereits seit dem 18. Jahrhundert als Basis für
die Ehe propagiert worden war, während sie in
Europa erst Mitte des 19. Jahrhunderts ihren vorher negativen Beigeschmack abstreifen konnte. Es
lange,
dauerte nicht
b i das Liebeserlebnis zur
s
B a s i für häusliche Harmonie erklärt wurde und
s
das Stadium des Sichverliebens als normativer
Teil des Werbeverhaltens der Mittelklasse anerkannt wurde.
Liebesheirat sei eine Art Wahnsinn, sagte
genug,
schon Freud. Es ist deshalb verwunderlich
mit welcher Hartnäckigkeit sich die Vorstellung
Liebeskonzepts
konnte,
eines
erhalten
dessen
widersprüchliches Ziel darin besteht, die von
Natur aus kurzlebige «romantische Liebe» mit
der Ethik einer lebenslangen monogamen Liebe,
sprich Ehe, zu verschmelzen. Letztlich lässt sich
grossen,
dieses Phänomen nur mit einem
die
sexuelle Erfüllung einbeziehenden Glücksstreben
erklären, das sich gegen besseres Wissen und
gegen
die Warnung der Scheidungsstatistiken
immer wieder durchzusetzen versteht. Auch deshalb dürfen wir mit der immer wiederkehrenden
Konjunktur des Liebesfilms rechnen.
-
Noch länger scheint die Zeit zurückzuliegen, als
man den Brief und das Briefeschreiben als Handlungsträger
im Liebesplot einsetzte. Minnelieder
werden Franz Kafkas Briefe auch genannt, weil
gar
sich der Verehrer so
nicht entschliessen
konnte, der schriftlich begehrten Milena auch als
«angekleideter Körper» gegenüberzutreten und
die «geschriebenen Küsse» auch in Wirklichkeit
zu tauschen. Seine brieflichen «Gespenster»
ähneln auf fatale Weise den Gespenstern auf der
Unterlass unerhörte Liebesbriefe an den Geliebten zu verfassen, der sie verführte, ihr das Heiratsversprechen gab und sie dann fallen liess.
Ihr
Schreibzwang
manischer
ist der Motor des von
Küste zu Küste eilenden Roadmovies und enthüllt nur eine weitere tragische Truffaut'sche
Frauenfigur, die für ein freies Leben innerhalb
der Grenzen romantischer und sexistischer Gesellschaftsmuster eintritt und zwangsläufig scheitern muss. «Love is my religion», schreibt die
bizarr wirkende Ad`ele, die sich wie ein Byron
oder ein Shelley aufführt, nur dass in der romantischen Kultur des 19. Jahrhunderts ein solches
Rollenverhalten den Männern vorbehalten war.
Reichlich modern geht es in Lubitschs Liebesbriefstory «The Shop Around the Corner» (USA
1940) zu, die
in den dreissiger Jahren und ausgeangesiedelt
rechnet in Budapest
ist. Hier gibt es
Bekanntschaftsanzeige,
schon die
das Postfach
und die anonym bleibenden Briefpartner alles
Zutaten, die zur Situationskomik einer romantibeitragen, aber nicht nur das.
schen Komödie
Wenn der Empfänger (James Stewart) des eingangs
zitierten Briefes diesen noch laut seinem
Kollegen vorliest, ist nicht nur das zarte Pflänzgesetzt,
chen einer aufblühenden Liebe
sondern
gibt auch einen mitfühlenden Zuhörer und
es
Helfershelfer. Der Liebesbrief wird von seinem
privaten Siegel und der Verschwiegenheit befreit,
wird quasi demokratisiert, auch dadurch, dass
hier beide, Mann und Frau, schreibend und
zugehen
suchend aufeinander
dürfen. Er lässt sich
vom Liebreiz der Sprache und von der Kultiviertheit einer jungen unbekannten Dame verzaubern,
hinter der sich in Wirklichkeit seine Kollegin mit
der geschmacklosen Bluse verbirgt, mit der er
in einen täglichen «Stellungskrieg» am Arbeitsplatz verwickelt ist. Erstaunlicherweise brauchte
man für das Remake «You've Got Mail» (Nora
-
Neue Zürcher Zeitung vom 19.04.2003
Kinoleinwand
61
nachdem sich Stefan Brand zu seinem Schreibtisch begeben hat, um den Brief ganz zu lesen, ist
eine weibliche Erzählstimme aus dem Off zu
hören. Sie wiederholt noch einmal die bereits gelesenen Worte und fährt fort, uns einen Spielfilm
lang
ihr Leben zu erzählen.
Es ist der Beginn einer langen,
und wieder
-
So ist auch der Kuss als Höhepunkt einer Liebesgeschichte
glaubwürdig es
heute kaum noch
sei denn, man definiert ihn als intimstes Liebesbekenntnis einfach neu. Genau das haben die klugen
Drehbuchautoren von «Pretty Woman»
(Garry Marshall, USA 1990) getan, indem sie das
Nr. 91
und den Zuschauern davor. Dort
durch ihre Erzählstimme unterbrochenen Rückblende, die erzählt, wie die Briefschreiberin Lisa
Berndl (Joan Fontaine) dem Pianisten Brand
dreizehnjähriges Kind verfällt und wie
schon als
sich die beiden nach einer kurzen Affäre, in der
Lisa schwanger wird, nicht mehr wiedersehen.
Keiner hat wie Ophüls einen Brieftext und eine
Erzählerstimme so ernst genommen. Bei ihm
kommt der Brief als Liebesbrief nichts anderes
ist diese postume Beichte einer grossen Liebe
zum ersten und einzigen Mal in der Filmgeschichte
Handlungsträger voll zur Geltung.
als
Die ganze Existenz dieser Frau ist um einen
Mann herum aufgebaut, der gar nichts von ihr
weiss, die luftige Briefform und das flüchtige
Lesen sind schon die adäquate Umsetzung dieser
Nichtexistenz. Ophüls schliesst mit dem kleinbürgerlichen Milieu und der Thematik der unglücklichen Liebe deutlich an seine zuvor
in
gedrehte
Schnitzler-Verfilmung
Deutschland
«Liebelei» (1932) an, zeigt aber jetzt mit der raffinierten doppelten Erzählstruktur einer Hör- und
Bilderwelt und seiner nunmehr voll entfalteten
subtilen Kameraarbeit, wie ein Held und eine
Heldin in der Substanzlosigkeit ihrer Vorstellungen gefangen bleiben,
wie sie dadurch selbst zu
Wunschbildern werden. Stefans moderne städtische Welt bleibt künstlich und ohne Form, Lisa
führt ihre Welt kraft ihres Briefes als eine Welt
der Erinnerung vor, die nur aus den Momenten
ihrer Begegnungen besteht, die für ihn nicht einmal erinnerbar sind. Die aneinander gereihten
Rückblenden machen Gewesenes nicht gegenwärtig, sie distanzieren und disponieren den ZuZeitlosigkeit und Abstraktion.
schauer zu
ergänIn «Letter from an Unknown Woman»
Inszenierung
zen sich auf wunderbare Weise die
traumentrückten,
einer
von Nacht und Nebel erfüllten Metropole namens Wien
eine Studiophantasie und die nur noch auf dem Papier er-
- - --haltene vergangene Lebensgeschichte
eine
Frauenphantasie. Bei ihrem gemeinsamen Spaziergang
im Schnee bemerkt Stefan, dass er den
Park
Winter bevorzuge, aber nicht wisse war-
im
um. Darauf antwortet Lisa: «Vielleicht weil du dir
lieber vorstellst, wie es im Frühling aussieht
denn wenn es Frühling geworden ist, ist es vorbei
mit der Vorstellung.»
Mitarbeit an dieser Beilage:
Marli
Feldvoss, Filmpublizistin, Frankfurt am Main.
Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Universität München.
Prof. Dr. Eberhard Jüngel, Universität Tübingen.
Daniel Kurjakovic, Kunsthistoriker und Publizist, Zürich.
Sebastian Lohse, Publizist und Übersetzer, Paris.

Documentos relacionados