Versuch: Druckversuch

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Versuch: Druckversuch
Versuch:
Druckversuch
1 Versuchsziel und Anwendung
Zweck des Druckversuches ist es, das Verhalten metallischer Werkstoffe unter einachsiger,
über den Querschnitt gleichmäßig verteilter Druckbeanspruchung zu ermitteln. Dazu wird
eine zylindrische Druckprobe mit dem Anfangsquerschnitt S0 einer langsam und stetig zunehmenden Stauchung unterworfen und die dazu erforderliche Druckkraft gemessen. Zur
Bestimmung der Druckspannung σd wird die Kraft F auf den Ausgangsquerschnitt S0 bezogen. Der Index d charakterisiert den Kennwert eindeutig als Druckspannung.
2 Grundlagen
Druckversuche haben im Allgemeinen für die Prüfung metallischer Werkstoffe weniger
Bedeutung als Zugversuche. Jedoch in einigen Fällen, wie bei der Untersuchung von
Lagermetallen und spröden Gusswerkstoffen oder bei der Ermittlung des Kraft- und
Arbeitsbedarfes zur spanlosen Umformung von Metallen, hat der Druckversuch seine
Anwendung gefunden. Besonders bei der Untersuchung von Baustoffen wie Naturstein,
Ziegel, Beton, Gebrauchsholz usw. hat der Druckversuch grundsätzliche Bedeutung.
Die Beanspruchungen des Probekörpers entsprechen im Wesentlichen denen des
Zugversuches mit entgegen gesetzter Kraftrichtung. Der gedrungene prismatische
Probekörper wird gestaucht (negativ gedehnt) und anstelle der Einschnürung tritt eine
Ausbauchung auf. Der Druckversuch ist also die Umkehrung des Zugversuches mit entgegengesetzter Kraftrichtung. Auch beim Druckversuch kann von einem einachsigen
Spannungszustand gesprochen werden und die größten im Werkstoff auftretenden Tangentialoder Schubspannungen können ebenfalls in einer um 45° gegen die Probenachse geneigten
Ebene angenommen werden.
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2.1 Spannungs- Stauchungs- Diagramm und Kennwertberechnung
Die Druckspannung (Nenn-Druckspannung) σd ist in jedem Augenblick des Druckversuches
der Quotient aus der Druckkraft F und dem Anfangsquerschnitt S0
σd =
F
S0
(1)
Die Druckfestigkeit σdB ist der Quotient aus der Druckkraft FB, die beim Auftreten des ersten
Anrisses oder des Bruches gemessen wird, und dem Anfangsquerschnitt S0.
σ dB =
FB
S0
(2)
Tritt kein Anriss auf, so wird der Versuch bis zu einer vereinbarten Gesamtstauchung εdt
durchgeführt. Als Druckfestigkeit σd gilt dann der Quotient aus der Druckkraft F, die dieser
Gesamtstauchung zugeordnet ist und dem Anfangsquerschnitt S0 z.B. bei einer vereinbarten
Gesamtstauchung von 50 %.
F
σ dS 050 = 50
(3)
So
Anmerkung: Bei Lagermetallen soll die vereinbarte Gesamtstauchung nicht größer als 50 %
sein.
Stauchgrenzen sind die Quotienten aus den Druckkräften F, die einer kleinen (≤ 2 %)
nichtproportionalen Stauchung εdp oder einer bleibenden Stauchung ε dr und dem
Anfangsquerschnitt S0 zugeordnet sind. Besonders vereinbarte Stauchgrenzen sind:
0,2 % - Stauchgrenze σd0,2 entsprechend einer nichtproportionalen oder bleibenden
Stauchung von 0,2 %.
F
σ d 0.2 = 0.2
(4)
S0
Bei metallischen Werkstoffen mit stetig verlaufender Druckspannungs-Stauchungs-Kurve wird
die 0,2 % - Stauchgrenze anstelle der Quetschgrenze bestimmt.
2 % - Stauchgrenze σd2 entsprechend einer nichtproportionalen oder bleibenden Stauchung
von 2 %.
F
σ d2 = 2
(5)
S0
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Die natürliche Quetschgrenze σdF ist der Quotient aus der Druckkraft FF, bei der der
Anstieg der Druckspannungs-Stauchungs-Kurve unter Auftreten einer merklichen, bleibenden
Stauchung die erste Unstetigkeit zeigt und dem Anfangsquerschnitt S0.
σ dF =
FF
S0
(6)
Die Längenänderung ∆Ld ist in jedem Zeitpunkt des Versuches der Unterschied zwischen der
Anfangsmesslänge L0 und der jeweiligen Messlänge L.
∆Ld = L0 − L
(7)
Wird ∆Ld durch die Anfangsmesslänge L0 dividiert, ergibt sich die Stauchung εd, die in %
angegeben wird.
εd =
∆Ld
⋅100
L0
(8)
Je nachdem, ob es sich um elastische, nichtproportionale, bleibende oder Gesamtstauchungen
handelt, werden als Formelzeichen εde, εdp, εdr oder εdt verwendet.
Die Bruchstauchung (Stauchung beim ersten Anriss) εdB ist das Verhältnis der bleibenden
Längenänderung ∆LdB nach dem Bruch oder ersten Anriss der Druckprobe zur
Anfangsmesslänge L0 angegeben in %.
ε dB =
∆LdB
⋅100
L0
(9)
Die Querschnittsänderung ∆Sd ist in jedem Zeitpunkt des Versuches der Unterschied
zwischen dem jeweiligen größten Querschnitt S und dem Anfangsquerschnitt S0 der
Druckprobe.
∆S d = S − S 0
(10)
Wird ∆Sd durch den Anfangsquerschnitt S0 dividiert, ergibt sich die relative
Querschnittsvergrößerung (Ausbauchung) ψd, die in % angegeben wird.
ψd =
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∆S d
⋅ 100
S0
(11)
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Die relative Bruchquerschnittsvergrößerung (Bruchausbauchung) ψdB ist das Verhältnis der
bleibenden größten Querschnittsänderung ∆SdB nach dem ersten Anriss der Druckprobe zum
Anfangsquerschnitt S0. Sie wird in % angegeben.
ψ dB =
∆S dB
⋅100
S0
(12)
Geht die Druckprobe nach dem ersten Anriss zu Bruch, so kann die relative
Bruchquerschnittsvergrößerung nicht bestimmt werden.
Für einige Metalle sind die Spannungs-Stauchungs-Kurven im Bild 1 dargestellt.
Bild 1: Druckspannungs–Stauchungs-Kurven
verschiedener Werkstoffe
1
2
3
4
Gusseisen mit Lamellengraphit
Stahl
Zink
Blei
Diese vier Kurven verdeutlichen den Unterschied im
Charakter der Druckerscheinung zwischen spröden und
plastischen Werkstoffen.
Für spröde Werkstoffe wie Gusseisen, Leichtmetallgusslegierungen, Rotguss usw. ist die
Druckuntersuchung charakteristisch, da diese der Zugbeanspruchung vielfach geringen
Widerstand leisten. Bei Gusseisen z.B. ist die Druckfestigkeit 3- bis 4mal so groß wie die
Zugfestigkeit. Betrachtet man im Bild 1 die Stauchkurve für Gusseisen, so ist zu sehen, dass
eine anfängliche Gerade mit steigender Belastung in eine zügige, zur Stauchungsachse
gekrümmte Kurve übergeht und prinzipiell das gleiche Aussehen hat wie die Dehnkurve bei
Zugbeanspruchung. Die Werte liegen jedoch wesentlich höher, sowohl die der Spannung als
auch die der Verformung. Unter der maximalen Belastung σdB tritt bei relativ geringer
bleibender Verformung der Bruch der Probe ein. Die Fließ- oder Quetschgrenze ist ausgeprägt.
Die in Bild 2 dargestellte Bruchausbildung ist typisch für spröde
Werkstoffe.
Der Probekörper wird schräg zur Grundfläche zerdrückt. Die Hälften
schieben sich gegeneinander längs einer zur Druckrichtung unter
etwa 45° geneigten Ebene größter Schubspannung ab.
Bild 2: Gestauchte zylindrische Probe aus Gusseisen
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2.2 Brucherscheinungen
Für plastische Werkstoffe, wie unlegierter, weicher Stahl, Zink, Blei usw. ist keine maximale
Belastung σdB feststellbar, da kein Bruch eintritt. Der Probekörper wird sich nach tonnenförmiger Ausbauchung mehr und mehr abplatten, ohne dass ein Endwert genannt werden
kann.
Die Stauchkurve für weichen Stahl (Bild 1) zeigt nach einer anfänglichen Geraden eine
deutliche Fließ- oder Quetschgrenze.
Bild 3 lässt die Formänderung einer plastischen Druckprobe erkennen, wobei durch starke
Verformung auf der tonnenförmigen Mantelfläche der Probe Radialrisse auftreten können.
Bild 3: Tonnenförmige Ausbauchung (links) und
anschließende Radialrisse (rechts) in einer
gestauchten Probe
Diese Radialrisse sind nicht als Bruch zu werten, da die Kraftanzeige der Prüfmaschine nicht
zurückgeht. Viele plastische Werkstoffe zeigen keine ausgeprägte Quetschgrenze, wie es die
Stauchkurven für Zink und Blei (Bild 1) verdeutlichen. In diesem Fall muss die
0,2 % -(Stauch)-Grenze ermittelt werden.
Die Formänderungen und Brucheinschnürungen bei auf Druck beanspruchten Probekörpern
werden verursacht durch die Behinderung der Verformung (Querdehnung) in den Zonen der
Grund- und Deckfläche der Probe. Der Verformungsmechanismus ist dadurch
gekennzeichnet, dass sich infolge Reibung zwischen der Grund- und Deckfläche der Probe
einerseits und den Druckplatten der Maschine andererseits Zonen behinderter Verformungen
ausbilden. Diese Behinderung ist an den Pressflächen am größten und lässt mit zunehmender
Entfernung nach.
Es bilden sich in ihrer Verformung behinderte kegel- und
pyramidenförmige Zonen, die z.B. nach Bild 4 bei einer
Rundprobe, als Druckkegel bezeichnet werden.
Die Druckkegel nehmen fast nicht an der Verformung teil und
wirken infolgedessen wie Keile. Deshalb findet ein Abgleiten
des Werkstoffes entlang der Grenzflächen dieser beider Zonen,
der sogenannten Rutschfuge statt.
Bild 4: Verformungsmechanismus bei zylindrischen Druckproben
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3 Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung
Für den Druckversuch werden Universalprüfmaschinen oder spezielle Druckpressen z.B. für
die Prüfung von Baustoffen eingesetzt.
Die für die Aufnahme der Druckproben verwendeten Druckplatten müssen eben, poliert und
härter als der zu prüfende Werkstoff sein.
Die Druckplatte, die zu Beginn des Versuches an der Probe anliegt, ist mit Hilfe einer
Kugelvollkalotte so zu lagern, dass sie in engen Grenzen allseitig kippen kann, um geringe
Abweichungen der Parallelität der Probenoberflächen auszugleichen (Bild 5).
Bild 5: Versuchsanordnung der Druckplatten beim
Druckversuch
Zur Vermeidung der Pressflächenreibung können die Druckplatten z.B. mit Vaseline oder
Molybdänsulfit geschmiert werden.
Der Durchmesser der allgemein verwendeten zylindrischen Proben hängt von den
Abmessungen des vorhandenen Werkstoffes ab.
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Allgemein gilt für das Verhältnis von Höhe h0 zu Durchmesser d0:
1≤
h0
≤2
d0
Bei Lagermetallen werden Druckproben mit 20 mm Durchmesser und dem Verhältnis
h0
=1
d0
verwendet.
Bei Stählen werden im Allgemeinen Druckproben mit einem Durchmesser zwischen 10 und
30 mm entsprechend der Erzeugnisform und einem Verhältnis
h0
= 1,5 verwendet.
d0
Die Stirnflächen der Proben sind zu schleifen und müssen parallel sein und im rechten Winkel
zur Probenachse stehen.
Außerdem kann die Probengeometrie von der Art der Formänderungsmessung abhängen und
wird wie folgt vorgeschlagen:
Normalproben für Grobmessungen:
h0 = d0
Langproben für Feinmessungen:
h0 = 2,5 ... 3d0
wobei die Messlänge markiert wird mit: h0 = 2 ...2,5d0
Vor dem Druckversuch werden die Durchmesser d0 und die Höhe h0 der Druckprobe auf
0,1 mm genau gemessen.
Die Druckprobe wird zwischen den Druckplatten eingespannt. Die Probe muss unverrückbar
fest sitzen. Bei der Ermittlung der maximalen Höchstlast ist besonders bei spröden
Werkstoffen darauf zu achten, dass bei Eintritt des Bruches die Bruchstücke der Probe und
auch die Druckplatten aus der Maschine herausspringen können. Daher sind bei solchen
Druckversuchen besondere Schutzmaßnahmen (Drahtgitter, Umwickeln der Probe)
notwendig. Die Längenänderung kann an der Probe selbst oder als Weg beider Druckplatten
gegeneinander gemessen werden. Die Art der Längenmessung ist anzugeben.
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4 Versuchsauswertung
Im Prüfprotokoll sind anzugeben:
Werkstoff und Probenabmessung,
Prüfungsdaten und entsprechende Kennwerte,
erhaltene Ergebnisse und Diskussionen derselben
5 Literatur
Blumenauer:
Werkstoffprüfung
Verlag für Grundstoffindustrie GmbH
Macherauch:
Praktikum in Werkstoffkunde
Vieweg Verlag
Seidel:
Werkstofftechnik
Hanser Verlag
Friedrich:
Tabellenbuch Metall-und Maschinentechnik
Dümmler Verlag
DIN 50 106; 1978-12
Prüfung metallischer Werkstoffe; Druckversuch
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