Exklusiv-Interview mit Xavier Naidoo Selbstversuch: Ein

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Exklusiv-Interview mit Xavier Naidoo Selbstversuch: Ein
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Selbstversuch: Ein
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Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
man sagt ja, der April sei eher wechselhaft und tückisch und
ein Monat, in dem es so manche zum Teil auch unangenehme Überraschungen gibt. Und bedauerlicher Weise schlug das
Schicksal gleich mehrere Male unerbittlich zu. Mutter Natur hat
uns erneut daran erinnert, dass unsere kleinlichen Konflikte
im Vergleich zum Vulkanausbruch auf Island eher nichtig und
unbedeutend sind. Ein an sich spektakuläres Naturschauspiel
wurde mehr zu einem ökonomischen und weniger einem ökologischen Desaster. Das hatte eine sofortige Sperrung des gesamten europäischen Luftraumes zur Folge und gipfelte letztendlich in Massenverspätungen, Umsatzeinbrüchen und einem
Aufbegehren der Piloten gegenüber ihren Arbeitgebern.
Doch damit nicht genug. Das polnische Volk trauert um ihr
Staatsoberhaupt Lech Kaczynski, der vor etwa einem Monat bei
einem tragischen Flugzeugabsturz ums Leben kam und mit ihm
beinahe das komplette Regierungskabinett. Auch wir Deutschen
haben leider erneut einen Grund zum Trauern. Zum wiederholten Male starben deutsche Bundeswehrsoldaten am Hindukusch, um den Frieden der Bundesrepublik Deutschland, der ja
akut in Gefahr schwebt, in einem fernen Land sinnlos zu verteidigen. Wann macht die eh schon brüchige Regierungskoaliti-
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2
on endlich Schluss mit all diesen nicht mehr länger zu rechtfertigenden Himmelfahrtskommandos? Wie viele Mütter will unser
Land denn noch zurücklassen, die ihre Söhne hergeben müssen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Was geschah noch: Prominente Atheisten wollen seine Heiligkeit, den Papst wegen der monströsen Vorwürfe gegenüber seinen untergebenen Schäfchen vor ein Zivilgericht zerren und
der Frühling könnte ruhig mal langsam hinter dem Ofen hervor kriechen. Gerade jetzt, wo alles startbereit in den Flip Flops
steht, brauchen wir verlässliche Wetterprognosen. Wo ist Jörg
Kachelmann, wenn man ihn braucht?
Herzlichst,
Ihr
Thorsten Enning
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Für Ihre
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Kto 34205427
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Ihre Unterstützung ist Hilfe, die direkt ankommt
Jeder Euro wird sinnvoll und verantwortungsvoll genutzt, um Obdachlosen und schwer
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Xavier Naidoo | Echo-Gewinner 2010
Nicht tiefreligiös, nur gläubig
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Impressum
Herausgeber
~ e. V.
Berliner Platz 8
48143 Münster
Inhalt
6 Erstmal waschen
Xavier Naidoo bekennt Farbe
9 Mehr bei sich selbst
Ein Tag in Burka
Redaktion
Jörg Hüls
Sabrina Kipp
Sigi Nasner
Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)
10 Medizin für die Armen
Medikamententafel in Dülmen
11 Ein Tipp für den guten Zweck
Spendensammeln einmal anders
Telefon 0251 / 4909118
E-Mail-Adresse
[email protected]
Streetwork
Sabrina Kipp
[email protected]
Internetseite
www.muenster.org/draussen
Administrator: Cyrus Tahbasian
12 Wise Guys sind nice guys
Mit den A-capelle-Jungs auf Klassenfahrt
14 Theater ausverkauft
Freuynde und Gaesdte spielt großes Theater
16 Vom Leben lernen
SchülerInnen stellen Fragen zur Wohnungslosigkeit
18 Reise mit Hindernissen
Wie man es sich selbst schwer machen kann
An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet
Nicole Artmeier, Ursel Busch, Heinz
Dalmühle, Neema Dalmühle, Thorsten
Enning, Horst Gärtner, Sonja Fölting,
Martina Hegemann, Michael Heß, Jörg
Hüls, Sabrina Kipp, Frank Knauss, Sigi
Nasner, Carsten Scheiper, Kathrin
Staufenbiel
Fotos
Alexander Laljak, Heinz Dalmühle, Neema
Dalmühle, Miriam Elsinghorst, Freynde
und Gaesdte, Michael Heß, Indro, Guido
Kollmeier, Tommy Mrado, Sigi Nasner,
20 Ein kleines eigenes Reich
Sandra wünscht sich ein neues Zuhause
21 Lady Marmelade
Handgemachte Köstlichkeiten
22 Columne: „~ auf Cuba“
Peter Hartz, der IV.
25 Radieschenrezepte
Klein, rot, scharf und lecker
Illustration
Thorsten Enning
Titelfoto
Alexander Laljak
Layout, Titelgestaltung
Heinz Dalmühle
Gestaltungskonzept
Lisa Schwarz/Christian Büning
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Druck
Borgsmüller Druck
Auflage 9000
unterstützt durch
Siverdes-Stiftung
Bankverbindung
Sparkasse Münsterland Ost
Konto-Nr. 33 878
BLZ 400 501 50
Paten-Spenden-Konto
Sparkasse Münsterland Ost
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BLZ 400 501 50
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Wir danken allen Spendern
Interview | Text: Jörg Hüls | Fotos: Alexander Laljak und Tommy Mrado
Erstmal waschen
Xavier Naidoo bekennt Farbe
Xavier Naidoo, einer der populärsten
Musiker Deutschlands, fand die Zeit,
dem Straßenmagazin ~ ein Interview zu geben. Eines vorweg, einen neuen WM Song wird es wohl aller Voraussicht nicht geben. Einen Bezug
zu Münster findet der beliebte Musiker
nicht nur, weil einige Songs des letzten Söhne Mannheims Albums in dieser Region geschrieben wurden, sondern auch wegen Henning Wehland von
den H-Blockx, der wie Xavier Naidoo bei
den Söhnen Mannheims singt. Jörg Hüls
sprach mit dem Echo Gewinner von 2010
über seine Sicht der Dinge.
~: Hartz IV für dich ein Reizthema?
Xavier: Servus, hier spricht der Xavier.
~: Was macht dich momentan
richtig glücklich?
~: Hallo Xavier. Kennst du persönlich wohnungslose Menschen?
Xavier: Ich kenne im Moment weniger obdachlose Menschen. Früher habe ich mich häufiger mit wohnungslosen
Menschen getroffen. Obdachlose in Paris, mit denen treffe ich mich öfter, aber
hier in Deutschland habe ich schon länger keine persönlichen Kontakte gehabt.
Wir haben in Mannheim ein Generationenhaus vor ein paar Jahren gegründet
und da sind viele Sozialschwache, gerade was die Hartz-IV-Problematik angeht und auch Kinder mit Migrationshintergrund, da versuchen wir eben unsere
Kraft einzubringen.
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Xavier: Ja natürlich! Ich habe schon lange gesagt, dass es ein Hohn ist, dass ein
Peter Hartz in der Lage war, solche Gesetze mitzubestimmen. Alles, was der erreicht hat, hat er ja mit Bordellbesuchen
im VW Konzern irgendwie geschafft und
bei den Gewerkschaften. Da gibt´s überhaupt nichts an Können, sondern ist alles
nur mit miesen Tricks gelaufen und dann
solche Gesetze in Deutschland zu implementieren, das ist natürlich ein absoluter Hohn. Diese Gesetze müssen wirklich
bald abgeschafft werden.
Xavier: Was mich glücklich macht, ist,
dass ich zum ersten Mal ein Album aufgenommen habe, bei dem ich die Möglichkeit habe, Dinge beim Namen zu
nennen. Das habe ich die letzten Jahre
einfach nicht gemacht, weil ich nicht unbedingt gedacht habe, dass die Leute dafür bereit sind.
~: Und was macht dich gerade
richtig wütend?
Xavier: (lacht) Ja, wo fange ich da an?
Richtig wütend machen mich viele Dinge, die man so im Laufe der Zeit rausbekommt. Im Moment sind es gerade viele
Sachen, die durch die Entscheidungen in
Berlin die EU betreffen. Die Banken und,
was überhaupt wirtschaftliche Sachen
angeht, an denen man einfach merkt,
Deutschland ist gekapert worden, Europa ist gekapert worden. Von den fiesesten Elementen, die man sich überhaupt
vorstellen kann, und die versuchen jetzt
ihre Dinge, ihre fiesen Machenschaften,
hier über uns zu ergießen, und wenn wir
uns nicht wirklich anstrengen uns dagegenzustellen, dann haben wir echt ein
Problem mit diesen Leuten.
~: In einem früheren Interview aus
dem Jahr 1999 hast du den Börsencrash,
Inflation und weitere Vorhersagen angekündigt. Vieles ist eingetroffen, was sagst
du unseren Leser für die nächsten 10 Jahre voraus?
Xavier: Also ich sage mal voraus, dass
Amerika in den nächsten Jahren in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand geraten wird. Dass die einzelnen Währungen verschwinden werden und dass
Pläne existieren, was Kriege und Kriegsvorbereitungen angeht, Stichwort: Iran.
Die ganzen Dinge, die diesen Kriegen
vorrausgehen, sind ja meistens nur Täuschungen. Schon seit hunderten von Jahren läuft das eigentlich so, man täuscht
einen Angriff an und dann schlägt man
mit aller Gewalt zurück. Ich befürchte,
dass man sowas dem Iran auch antun
wird. Dem Irak hat man Massenvernichtungswaffen unterstellt. Das war ja Bullshit, das hat man ja lang und breit erfahren müssen! Ich habe schon die Befürchtung, dass Europa und auch Deutschland
sich noch viel, viel stärker in diese Kriege
einmischen wird. Wenn jemand wie Herr
zu Guttenberg versucht, aus der Bundeswehr eine Angriffsarme zu machen , dann
sind das alles Sachen, die natürlich dazu
führen werden, dass wir in ganz schlechtes Fahrwasser geraten. Wir haben nicht
die Mittel für sowas. Unsere Währungen sind alle nicht gedeckt, die Amerikaner haben 80% ihrer schlechten Währung ins Ausland geschafft, das bedeutet:
Alle unsere Staatsbanken halten wertlose
Dollars! All diese Dinge werden natürlich
für Deutschland nicht ohne Folgen bleiben, wenn wir uns weiter diesem Wahnsinn anschließen, ohne uns mal stark zu
machen für die Wahrheit. Was für mich
sehr wichtig sein wird in den nächsten
Jahren, ist einfach die Wahrheit zu suchen. Das fängt bei 9/11 an und hört bei
jemand wie Herrn van Rompuy, der mit
Herrn Barroso zusammen die EU anführt,
auf. Woher kommen diese Menschen,
was haben die mit dem Bilderberg Treffen zu tun? Was hatte eine Angela Merkel auf dem Bilderberger Treffen 2005 zu
tun? Warum war in Istanbul der Ministerpräsident von Hessen dabei? Was machen diese Menschen auf diesen undemokratischen Veranstaltungen? Das sind
die Fragen, die sich die Deutschen stellen müssen!
~: Die monotheistischen Weltreligionen lehren uns in einer Welt zu leben,
die wir nicht verstehen sollen. Daraus ergibt sich der gewisse Unmut, die Existenz
Gottes in Frage zu stellen. Wie gehst du
als tief religiöser Mensch damit um?
Xavier: Ich bin nicht tief religiös, ich bin
ein gläubiger Mensch! Den Papst, den Vatikan und die Kirche verurteile ich schon,
solange ich Musik mache. Das wird in den
Medien aber nicht so gerne dargestellt,
weil natürlich fast alle Medien eben genau das Gegenteil tun. Ich rede jetzt mal
von den „Wir sind Papst“- Medien. Ich
bin ein sehr großer Gegner gerade der
katholischen Kirche, obwohl ich damit
groß geworden bin - und nein, ich finde,
man braucht überhaupt keine Mittler und
keine Religionen, um mit Gott in Verbindung zu stehen. Also: Zuallererst ist Gott
in uns. Und da muss man den Leuten,
glaube ich, auch reinen Wein einschenken, dass diese Bücher und viele dieser
Schreiber einfach versucht haben, Menschen zu kontrollieren. Ich bin ein großer
Bibelleser und Kenner und ich weiß, das
viele der Dinge, die da drin stehen einfach angefasst wurden, um Menschen zu
beeinflussen. Deswegen kann man nicht
einfach sagen: Ich bin Christ. Man muss,
wenn man sagt, man ist Christ, auch sagen, ich glaube nicht an Marienverehrung, ich glaube nicht an Heiligenverehrung und all diese Sachen, sondern
ich glaube, dass es einen Gott gibt. Das
muss eigentlich reichen. Ich habe meine großen Probleme mit vielen Christen, weil es für die manchmal schlim-
mer ist, dass Schwule heiraten, als viele andere furchtbare Dinge, die auf dieser
Welt geschehen. Solange die so verbohrt
sind, muss ich sagen, hat das nichts mit
Nächstenliebe zu tun.
~: Wie siehst du die Geschehnisse
um den Missbrauch innerhalb der Kirche?
Xavier: Ich sehe nicht unbedingt nur die
Probleme durch die Missbrauchsfälle in
der Kirche, sondern die Misshandlungen in unserer Gesellschaft überhaupt.
Missbrauch, Misshandlung von Kindern
ist ja noch nicht mal ein richtiges Verbrechen, das verjährt ja! Es ist gesetzlich
noch gar nicht richtig festgehalten, wie
das zu ahnden ist. Ich finde auch, dass
wir mit unserer Sprache schon mal das
große Problem haben. Wir sagen, Missbrauch von Kindern ist strafbar oder ist
schändlich oder was auch immer. Heißt
das dann auch, dass wir Kinder auch gebrauchen können, ganz richtig und ganz
gut? Schon alleine dieses Wort „benutzen“ ist für mich ein Hohn. Kinder werden misshandelt, aber nicht missbraucht!
Wir können nicht Kinder missbrauchen,
denn dann könnten wir sie auch richtig gebrauchen. Ich finde das furchtbar!
Der Stellenwert von Kindern ist in unserer Gesellschaft einfach viel zu niedrig.
Ich bin selbst auch misshandelt worden,
aber das ist überhaupt kein Vergleich
zu dem, was Kinder jeden Tag in Europa durchmachen müssen, die sterben bei
diesen Misshandlungen. Da geht es nicht
um diese Sachen, die wir so in den Medien erfahren, sondern da geht es um
viel schlimmere Dinge. Da muss man nur
nach Belgien schauen, auf diesen Marc
Dutroux Fall, das sind die wahren Kindesmisshandlungen. Das ist ein absoluter
Wahnsinn, da redet man nicht von. Das
Ganze ist nie wirklich untersucht worden,
weil die Spuren angeblich bis ins belgische Königshaus führen. Solange wir in
einem Europa leben und vor allem unsere EU Institutionen in Belgien angesiedelt
sind, muss so was wie der Fall Dutroux
ein ganz, ganz großes europäisches Echo
bekommen. Und solange das nicht stattfindet, muss ich sagen, ist das für mich
ein absolute Farce, was hier in Europa
passiert.
~: Was ist deine Einschätzung zur
politischen Lage in unserem Land derzeit?
Xavier: Ja, die ist katastrophal! Die ist
schon seit Jahren katastrophal. Seit Helmut Kohl und Helmut Schmidt hier in
Deutschland an der Macht waren, ist es
zumindest rauer, soweit kann ich es zurückverfolgen. Die meisten Regierungsmitglieder, ein Joschka Fischer zum Beispiel hat ganz anders angefangen, auch
er ist korrumpiert worden. Also wenn die
jetzt für Ölkonzerne arbeiten, dann haben die uns genauso verraten wie alle
anderen. Ich halte von Politikern und von
der Staatsführung in diesem Land überhaupt nichts.
~: Welche Lösungen würdest du
vorschlagen?
Xavier: Die Lösung ist, die Wahrheit zu
suchen. Wir können keine Lösung finden,
wenn wir uns nicht mal selbst gefunden
haben. Deutschland hat nicht mal eine
richtige Verfassung! Wir sind immer noch
ein Besatzungsland. Die Amerikaner haben in Deutschland Atomwaffen stationiert. Da regt man sich über den Iran auf
und wir haben Atomwaffen! Wir dürften
normal keine haben hier in Deutschland
und auch andere Länder dürften keine
haben. Israel dürfte auch keine haben,
also, da gibt es noch gar keine Lösungen. Wir müssen uns erst mal duschen!
Wir müssen den ganzen Schmutz erst mal
abwaschen und dann können wir nach
Lösungen suchen.
~: Danke für das Interview. #
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Bericht | Text: Kathrin Staufenbiel | Foto: Miriam Elsinghorst
Mehr bei sich selbst
Selbstversuch: Ein Tag in Burka
Die Burka ist ein Kleidungsstück, das
besonders von muslimischen Frauen in
Afghanistan und teilweise auch in Pakistan und Indien getragen wird. Diese
Bekleidung dient der vollständigen Verschleierung des Körpers. Nur eine Öffnung im Augenbereich ermöglicht den
Frauen die Sicht. In vielen europäischen
Ländern wird darüber diskutiert, ob das
Tragen der Burka verboten werden kann
und soll. In Teilen Belgiens werden bereits Geldstrafen eingefordert, wenn
sich eine Frau in Burka auf die Straße
begibt. Die Burka wird dabei als Zeichen
der Unterdrückung der Frau angesehen.
Da viele Frauen sich jedoch bewusst für
das Tragen dieser religiösen Kleidung
entscheiden, steht ein Verbot im Widerspruch zu dem Recht auf Religionsfreiheit. ~-Autorin Kathrin Staufenbiel startete einen Selbstversuch und
kleidete sich einen Tag wie ihre muslimische Freundin in Burka.
Da bin ich also. Gekleidet wie ein Gespenst. Und dabei achte ich normalerweise schon sehr auf meine äußere Erscheinung. Auffallende, gelbe und lila
Kleidungsstücke gehören zu meinen Favoriten. Nun bin ich ein schwarzes Gespenst. Hier – in einem Vorort von London – ist das Tragen der Burka erlaubt,
jedoch nicht sehr häufig. Ich bin froh,
dass ich nicht allein bin. Meine muslimische Freundin Diya läuft neben mir.
Und während wir uns unterhalten, verschwinden die Gedanken um meine Kleidung. Letzten Endes hat sich nichts Wesentliches geändert. Unsere Gespräche,
unsere Offenheit für andere Ansichten, unser Lachen wie immer. Es hat sich
nichts Wesentliches geändert.
_Passanten schauen uns an. Teilweise
neugierig, teilweise spiegelt sich Unverständnis und Abneigung in ihren Blicken.
Sie versuchen mich zu erkennen, zu sehen, wer ich bin. Wahrscheinlich stecken
sie mich jetzt in eine Schublade. Unterdrückte muslimische Frau. Dabei trage ich
– genauso wie Diya – die Burka aus freien Stücken. Diyas Familie und ihr Ehemann fordern sie sogar immer dazu auf,
die Burka doch abzulegen. Mir hallen Diyas Worte nach: „Ich trage die Burka, weil
ich es so möchte. Für Allah und für etwas
mehr Gleichheit unter den Menschen.“
Mit Gleichheit unter den Menschen meint
Diya, dass das äußere Erscheinungbild
durch das Tragen der Burka einen geringeren Stellenwert einnimmt. Während
mich immer wieder Passanten von oben
bis unten mustern, frage ich mich, ob die
Burka im Westen nicht genau das Gegenteil von dem auslöst, was damit erreicht
werden soll. Der Burkaträgerin wird mehr
Aufmerksamkeit geschenkt als einem
leicht bekleideten Supermodell.
_Wir warten bei einer Ampel, um eine
ziemlich befahrene Straße zu überqueren. Schließlich wird es grün, die Autos
halten. Der Mann in einem PKW macht
Grimassen, versteckt sein Gesicht hinter seinen Händen, um uns nachzuahmen. Mich trifft das sehr und ich hoffe,
dass meine Freundin Diya das nicht gesehen hat. Doch sie ist wohl schon immun dagegen.
_Wir laufen weiter in den Regents Park.
Viele Besucher tummeln sich in den ersten Frühlingsstrahlen. Ich freue mich an
dieser Vielfalt. Die Blumenpracht sieht
auch in Burka noch genau gleich aus.
Mir kommt es sogar etwas bunter vor. Als
könnte ich meine Aufmerksamkeit gezielter steuern. Dadurch, dass mein äußeres Erscheinungsbild so bedeckt ist, verschwende ich auch keine Gedanken an
die Erscheinungen anderer Menschen. Als
wäre ich mehr bei mir selbst.
_Schwer fällt es mir, den Männern, die
uns begegnen, nicht in die Augen zu
schauen. Ich bin so erzogen. Das ist Offenheit und auch eine Form von Respekt
Fremden gegenüber. Diya hatte mir zwar
erlaubt, auch Männern in die Augen zu
schauen, denn schließlich trage ich die
Burka ja aus anderen Gründen. „Doch
wenn schon, denn schon!“ hatte ich mir
gedacht und ehrlich gesagt, hatte ich mir
diesen Aspekt eher leicht vorgestellt. Als
wir jedoch in die Moschee eintreten und
mir die Tür aufgehalten wird, schaue ich
aus Reflex auf, um mich zu bedanken.
Doch der Kavalier schaut gezielt in eine
andere Richtung. Respekt mir gegenüber.
Nur anders ausgedrückt.
_Am Abend bin ich geschafft und schlüpfe
schnell in meinen gelben Lieblingspullover. Der Tag hat auf alle Fälle meine Sichtweise auf die Burka verändert. Zwar kann
ich mir diese Kleidung für mich selbst
nur schwer vorstellen, doch ich habe die
Angst aus Unwissenheit und Unverständnis verloren. Wenn ich nun einer Burkaträgerin begegne, denke ich nicht sofort
an eine unterdrückte Muslimin, sondern
an einen Menschen mit individuellen Beweggründen, der sich vielleicht bewusst
für diese Kleidung entschieden hat. #
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Bericht | Text: Thorsten Enning und Ursel Busch | Foto: Sigi Nasner
Medizin für die Armen
Die Medikamententafel in Dülmen
Wer in Deutschland von Armut betroffen
ist und staatliche Leistungen bezieht,
muss den Euro mehrmals umdrehen und
beispielsweise zu den Tafeln gehen, um
sich selbst eine minimale Grundversorgung von Nahrungsmitteln zu garantieren. Aber auch in anderen empfindlichen Bereichen des Lebens wie etwa
der Bereitstellung von Geld, um zuzahlungspflichtige Medikamente kaufen zu
können, fehlt ein einfaches und übersichtlich zu finanzierendes Konzept, das
Menschen am Rande des Existenzminimums einen annehmbaren Zugang zu
medizinischen Präparaten bietet. Doch
das hat sich jetzt geändert! In der Stadt
Dülmen geht das wirksame Hilfsangebot bereits in die zweite Runde. Die
~-Autoren Thorsten Enning und
Ursel Busch stellen den greifenden, aber
auch nicht ganz frei von Kritik stehenden Versuch vor.
Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber sich immer mehr aus seiner Verantwortung den Menschen gegenüber
stiehlt und ständig benötigte Medikamente aus der Grundversorgung streicht,
trafen im Jahre 2007 Mediziner, Apotheker und Vertreter der Tafeln in Stuttgart an einem Tisch zusammen, um sozial schwachen Menschen eine bezahlbare
medizinische Versorgung zu gewährleisten, indem sie nur die Hälfte des geforderten Betrags zahlen müssen. Das Prinzip ist denkbar simpel: Nachdem man
seine Bedürftigkeit nachgewiesen hat,
bekommt der Hilfesuchende von seinem
Arzt im Krankheitsfall ein so genanntes
„grünes“ Rezept ausgestellt, das an Stelle eines Privatrezeptes, das die gesetzliche Krankenkasse nicht übernimmt, das
erforderliche Präparat bezahlbar macht.
Die Bedürftigen lassen sich im Anschluss
bei der Tafel den Schein gegenstempeln
und erhalten bei Vorlage Tabletten, Säfte und Pastillen bei den Apotheken zum
halben Preis. Durch die gemeinsame Erstellung einer Liste mit zur Verfügung
stehenden Medikamenten für das „MediTafel“-Projekt zeigte der Stuttgarter Pilotversuch erste spürbare Erfolge.
_Und so kam es, dass die Stadt Dülmen
im Kreis Coesfeld in jüngster Zeit das
Stuttgarter Modell übernommen hat und
bereits über 60 Menschen diese wichtige Unterstützung in Anspruch nehmen.
„Der Bedarf ist seit 2004 immens gewachsen“, sagt die Dülmener Apothekerin Bettina Schmitt. Damals hatte das
rot-grüne Regierungsbündnis unter Gerhard Schröder neben der Arbeitsmarktreform auch viele drastische Kürzungen
im Gesundheitswesen beschlossen. Und
so kam es, dass viele Menschen sich ihre
Medikamente nicht mehr leisten konnten. Das Institut für Arbeits- und Berufsforschung hat in einer Umfrage erschreckende Zahlen aufgedeckt: 20 Prozent
der Befragten gaben an, dass sie rezeptfreie Medikamente nicht mehr bezahlen
können. Daraus entstehen Hemmungen
auch weiterhin den Arzt aufzusuchen und
letztendlich versagt man dem erkrankten Bürger die ihm zustehende Versorgung. Allein im ersten Quartal 2010, also
drei Monate nach der Grundsteinlegung,
zählten die Dülmener rund 100 grüne Rezepte. Die Kosten teilen sich das örtliche
Sozialamt und die Herzogin Gabriele von
Croy. Sie ist auch gleichzeitig die Schirmherrin der Dülmerner Medi-Tafel. Mit einem Budget von ca. 700-1000 Euro pro
Quartal stellt sie die Versorgung für Hilfebedürftige sicher.
antwortung zurück und hofft insgeheim,
dass immer mehr Zusammenschlüsse mit
immer weniger öffentlicher Förderung
nur noch auf ehrenamtlicher Ebene mit
Unterstützung aus Privatvermögen initiiert werden.“
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_Allerdings gibt es auch einige die das
tolle Prinzip aus Stuttgart und Dülmen in
Frage stellen und eine Installation solcher
Projekte nicht in privater oder ehrenamtlicher Umgebung sehen wollen. Denn Peter Grottian, renommierter Sozialwissenschaftler von der freien Universität Berlin,
sieht in dem Angebot keine klare gesetzliche Regelung: „Hier läuft definitiv etwas
schief. Denn der Gesetzgeber zieht sich
kontinuierlich aus seiner staatlichen Ver9
Interview | Text: Frank Knauss
Ein Tipp für den guten Zweck
Spendensammeln einmal anders
Auch in der Redaktion der ~ gibt
es eine Menge Fußballbegeisterter, vielleicht mehr noch als anderswo. Da wird
auch gern einmal auf den Ausgang
der nahenden Weltmeisterschaft getippt, mit mehr oder weniger ernsthaftem Hintergrund selbstverständlich. Was
liegt da näher, als das Angenehme mit
dem Nützlichen zu verbinden und mit
den Tipp auf die Fußballweltmeisterschaft etwas Gutes zu tun. Diese grundlegend einfache Idee hatten ein paar
Menschen im niedersächsischen Salzgitter und setzen sie unter Federführung
von Volker Machura und Gerd Grastorf
bereits zur EM im Jahr 2000 um. Sie eröffnen seitdem, nunmehr zum sechsten
Mal, im Internet Interessierten die Möglichkeit, sich mit zehn Euro und einem
Tipp auf die jeweilige Meisterschaft, aktuell die WM 2010, an einem guten Werk
zu Gunsten des Kinderhospizes Salzgitter zu beteiligen. ~-Mitarbeiter
Frank Knauss sprach mit dem Mitinitiator des Tippspiels, Volker Machura.
~: Volker, herzlichen Dank, dass du
ein wenig deiner sicher knapp bemessenen Zeit für ein kurzes Gespräch mit der
~ opferst. Gerade jetzt im Vorlauf
der WM werden du und dein Organisationsteam wenig Zeit haben, wie ich mir
vorstellen kann. Aber zunächst zu den
Anfängen des Tippspiels, das ja nun in die
sechste Runde geht: Wie kommt man auf
die Idee, ein Meisterschaftstippspiel mit
karitativem Hintergrund zu veranstalten?
Volker Machura: Auf diese Frage gibt es
eine ganz schlichte und ergreifende Antwort. Uns widerstrebte es, kurz vor Weihnachten an den Bankschalter zu gehen
und zur Beruhigung des Gewissens irgendeinen Überweisungsträger für das
Rote Kreuz, UNICEF und, was es da sonst
noch gibt, auszufüllen und zu unterschreiben. Wir wollten einmal etwas anderes gestalten, ein wenig Arbeit investieren und ein wenig mehr schaffen, als
nur einen Scheck auszufüllen.
10
~: Wie kamt ihr dann auf das Hospizhaus Salzgitter?
Volker Machura: Die ersten fünf Mal haben wir für eine Leukämiestation in der
MHH Hannover gespendet, nun haben wir
uns mit dem Kinderhospiz etwas räumlich Näheres ausgesucht, eine Einrichtung, in der trauernden Kindern geholfen
wird. Heutzutage sterben auch in Hospizen nicht nur 75-jährige, sondern auch
junge Eltern, die dann Kinder zurücklassen, die nur schwer mit ihrer Trauer fertig werden. Diesen Kindern wird in dem
Hospiz Unterstützung gewährt und dafür
machen wir uns stark.
~: Die Organisation dieses Tippspiels bedeutet sicher viel Arbeit. Wie
groß ist euer Team letztlich? Könnt ihr
bei Not am Mann auch auf Hilfskräfte
zurückgreifen?
Volker Machura: Wir sind mometan ein
festes Team von sechs Personen. Zu den
Tippspitzenzeiten, die in ca. zwei Wochen
anfangen, benötigen wir jede helfende
Hand, die wir bekommen können. Meist
sind das drei freundliche Damen, die sich
ausschließlich, um die Eingabe der Tipps
kümmern. Pro abgegebenem Tipp sind
250 Zeichen in den PC einzugeben, um
Fehler zu vermeiden zweimal. Das ergibt
bei 1.000 Tippern die Kleinigkeit von einer halben Million Zeichen, die diese Damen bewältigen.
den Scheck überreicht und die Tränen in
den Augen sieht, entschädigt das für die
ganze aufgewandte Zeit.
~: Eure Bilanz ist ja sehr ansehnlich, wie man sagen muss. Immerhin
konntet ihr bisher 60.000 Euro an Spenden übergeben, eine Summe, die sich sehen lassen kann. Unterstützt ihr nur das
Salzgitteraner Kinderhospiz oder werden
die Spenden gestreut? Welche Einrichtungen stehen noch auf eurer Liste?
Volker Machura: Durch ein Teammitglied aus dem Raum Leverkusen haben
wir Kontakt zur Elterninitiative Kinderkrebsklinik Düsseldorf e.V. bekommen, so
dass wir uns entschlossen haben, diesmal erstmalig die Spenden zu halbieren
und diese beiden Institutionen jeweils
hälftig zu bedenken.
~: Wie seid ihr an die unterstützten
Einrichtungen gekommen? Bewirbt man
sich da bei euch oder besteht jeweils ein
persönlicher Kontakt zum Team?
~: Wie hoch ist der Aufwand
pro Mann und Saison in etwa? Bleibt
da überhaupt noch Zeit für andere
Freizeitaktivitäten?
Volker Machura: Es war nicht einfach, eine Institution zu finden, die unsere Hilfe so, wie sie angeboten wird, ohne Vorbehalte annahm. Wir sind auch auf große Skepsis gestoßen, keiner kannte uns
wirklich, keiner wollte glauben, dass wir
die Arbeit tun und hinterher Geld übergeben. Wir haben es geschafft und mit
dem Hospizhaus in Salzgitter und der Elterninitiative in Düsseldorf haben wir
tolle Partner gefunden, auch wenn wir
nur einen Tropfen auf den heißen Stein
leisten können. Mehrere Tropfen höhlen
den Stein auch, denke ich.
Volker Machura: Die Freizeit unter der
Woche ist begrenzt, meiner Schätzung
nach widme ich täglich zwei Stunden
nur dem Tippspiel, das Ganze seit Oktober letzten Jahres für die aktuelle Saison.
Das Ganze endet zwangsläufig mit Anpfiff
des Endspiels am 1. Juli. Nichtsdestotrotz,
es macht viel Spaß und, wenn man dann
~: Die Preise, die man gewinnen
kann, sind ansehnlich, erster Preis ist eine AIDA-Kreuzfahrt. Was, denkst du, ist
für die Tipper die Motivation, sich an dem
Tippspiel zu beteiligen? Eher die gute Tat,
die man mit der Tippabgabe unterstützt,
der Reiz am Tippspiel oder doch die Aussicht auf den Gewinn?
Volker Machura: Erfahrungsgemäß haben wir Wiederholungstäter. Der gute Zweck steht absolut im Vordergrund,
wenn das nicht der Fall wäre, hätten wir
wahrscheinlich auch 30 Prozent weniger weibliche Mitspieler. Es kommt sehr
häufig vor, dass ich Blankotippscheine
bekomme, mit Namen und 10 Euro drangetackert mit dem Vermerk „Füll du mal
aus, ich habe da keine Ahnung, aber der
gute Zweck ist mir wichtig.“ Mittlerweile beschäftige ich einen Studenten, der
sich um solche Tipps kümmert, ca. fünfzig
Stück hat er sicherlich bereits für Damen
ausgefüllt, die sich dazu bekennen, keine Ahnung zu haben, aber die gute Sache mit zehn oder zwanzig Euro unterstützen wollen.
~: In Deutschland ist ja so ziemlich alles reglementiert. Da stellt sich mir
die Frage, inwiefern einem solchen Tippspiel mit karitativem Hintergrund Steine
von offizieller Seite oder von vermeintlicher Konkurrenz in den Weg gelegt werden und vor allem wie man diese Steine
aus dem Weg räumt.
~: Tippt das Organisationsteam eigentlich auch mit?
Volker Machura: Selbstverständlich. Wir,
das sind Gerd Grastorf und ich als Erfinder und Initiatoren dieses Spiels, tippen
bewusst so, dass wir auf keinen Fall unter
die ersten 500 Tipper kommen. Das kann
man an unseren Tipps ablesen, für Tipper,
die etwas gewinnen wollen, sind unsere
Tipps daher nicht zum Nachahmen geeignet. Wir wetten gegeneinander, wer den
schlechteren Tipp abgibt. Der, der besser
war, muss 100 Euro extra spenden. Es geht
uns halt nicht darum, einen Preis zu gewinnen. Als Anekdote nebenbei, mit dem
Teammitglied Lars habe ich eine weitere Wette laufen: Er hat gewettet, dass aus
jedem Teilnehmerland der WM mindestens ein Tipp eingeht. Ich habe dagegengehalten. Schafft er es, spende ich weitere 250 Euro, schafft er es nicht, spendet
er. Momentan sind Uruguay, Honduras
und Nordkorea problematisch.
~: Zum Schluss noch zwei Fragen zum Thema Fußball: Wer wird dieses Jahr Weltmeister? Und wie schneidet die deutsche Nationalmannschaft ab,
wenn sie nicht Weltmeister wird? Wieder
Weltmeister der Herzen oder schon in den
Gruppenspielen raus?
Volker Machura: Aus meiner Sicht wird es
ein Endspiel zwischen Spanien und England geben, bei unseren Tippern geht die
Tendenz eindeutig in Richtung Spanien als Weltmeister. Viele Patrioten tippen
für Deutschland zumindest im Halbfinale,
es gibt auch welche, die sehen Deutschland als Weltmeister, das halte ich aber
für illusorisch. Meines Erachtens ist für
Deutschland im Viertelfinale Schluss.
~: Ich danke für das Gespräch und
wünsche viel Glück bei der kommenden
Weltmeisterschaft. #
Mittippen und helfen:
www.wirhelfenkindern.eu
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Volker Machura: Im Jahr 2008, also zur
EM in Österreich und der Schweiz, hatte uns das niedersächsische Innenministerium im Kampf gegen illegales Glücksspiel im Internet eine Strafe von 500.000
Euro angedroht, wenn wir das nicht unterlassen würden. Die Sache ist jedoch
glimpflich ausgegangen, schon weil wir
auch sehr viel Politprominenz unter unseren Tippern haben, unter anderem
auch Mitarbeiter des Innenministeriums
und der CDU-Fraktion des niedersächsischen Landtages, so dass die Angelegenheit auf politischer Ebene gelöst werden konnte und man uns im Jahr 2008
die angedrohte Strafe erlassen und sogar Unterstützung für das Jahr 2010 angeboten hat. Diese haben wir natürlich
gern angenommen. Unsere Spielregeln,
die sich wie ein juristischer Aufsatz lesen, sind in der Tat mit dem Innenministerium zustande gekommen, wir müssen
sie auch genauso darstellen. Dazu gehört
auch, dass nicht um einen Einsatz, sondern um eine Spende gebeten wird. Ansonsten würden wir verbotenes Glücksspiel im Internet betreiben. Da spielen
dann auch die karitativen Zwecke keine
Rolle. Auch unsere Website mit dem weißen Hintergrund ist Ergebnis dieser Lösung. Der Hintergrund und die Aufmachung sind so, damit keine Ähnlichkeit
mit kommerziellen Anbietern von Sportwetten auftreten kann.
11
Interwiew | Text: Sonja Fölting und Nicole Artmeier | Fotos: Guido Kollmeier
Wise Guys sind nice guys
Mit den A-capella-Jungs aus Köln auf Klassenfahrt
Sonja Fölting und Nicole Artmeier besuchten das Wise-Guys Konzert in der
Halle Münsterland und trafen vorher
Mitglieder des Vokalensembles zum Interview für die ~. Sie erlebten so
gar keine „Besserwisser“, sondern zwei
sehr nette, freundliche Jungs, die nicht
nur Spaß mit ihrer Musik machen wollen, sondern sich auch mit Armut und
der Notwendigkeit, etwas zu tun, auseinandersetzen.
Die fünf „Jungs aus Kölle“ - zugegeben
das neuste Bandmitglied ist ein Kieler
Import - sind großartige Vokalvirtuosen
und Unterhaltungskünstler, die es schaffen ohne jegliche Instrumente oder sonstige Hilfsmittel - Saris Mundorgel für den
richtigen Anfangston zählt wohl nicht
richtig - ihr Publikum zwei Stunden lang
erstklassig zu unterhalten. Der „Opener“ der Show mit den Worten „Herzlich Willkommen, alles klar zum Start
(...), herzlich Willkommen jetzt beginnt
die Klassenfahrt“ verführt schon direkt
am Anfang zum Aufspringen, Tanzen und
Klatschen. Jedenfalls konnten wir die
rhythmischen Bewegungen unserer Beine und Hände während des gesamten
Konzertes nicht mehr unterdrücken.
_Doch wollten wir nicht über unsere
rhythmische Zuckungen berichten, sondern über das wirklich gelungene A-capella-Konzert. Die Wise Guys hatten
nicht nur ihre jüngsten Werke vom aktuellen Album „Klassenfahrt“ dabei, wie
die Gute-Laune-Pop-Songs „Mittsommernacht bei Ikea“ über den Kaufrausch
beim schwedischen Möbelhaus, „Lass die
Sonne scheinen“ oder die sehr gelungene Ballade „Lisa“, sondern auch diverse Klassiker wie z.B. „Ruf doch mal an“
oder „Wo der Pfeffer wächst“, welches
wir voller Inbrunst mitgesungen, na ja,
eher mitgegröhlt haben.
_Übrigens bekommt man beim Gig der
fünf Stimmakrobaten sogar einen Crash12
kurs in klassischer europäischer Literatur, denn MC Deutschmark und die Kieler Sprotte schaffen es innerhalb von
etwa vier Minuten dem Zuhörer die Irrungen und Wirrungen des ShakesspearKlassikers Hamlet musikalisch zu vermitteln. Und auch deutsche Literaturklassiker werden auf der Bühne aufs Korn
genommen, indem der bekannte Michael Jackson Song „Thriller“ unter dem Titel „Schiller“ ins Deutsche adaptiert wird.
Nach guten zwei Stunden ist leider aber
auch das schönste Konzert zu Ende und
die letzte Harmonie der fünf Sangeskünstler in der Halle Münsterland verklungen. Der Abschied wurde uns aber
mit vielen Zugaben, unter anderem mit
der Hymne für die warme Jahreszeit „Jetzt
ist Sommer“, versüßt und der Nachricht,
dass die „Kölner Besserwisser“ im nächsten Jahr wieder nach Münster kommen
werden. Und Sonja und ich sind auf der
nächsten „Klassenfahrt“ auf jeden Fall
wieder dabei.
_Unvergessen bleibt auch das Interview,
das wir im Vorfeld des Konzertes mit den
zwei Bandmitgliedern Marc „Sari“ Sahr
und Nils Olfert führen durften.
~: Ihr seid sozial sehr vielseitig engagiert, kennt ihr auch Straßenmagazine?
Sari: „Ja klar, in Köln gibt es auch ein
Straßenmagazin.“
Nils: „In Kiel gibt es eines, das heißt
„Hempels“.
~: Gibt es für euch im Alltag Kontakt zu wirklich armen Menschen?
Sari: Zu Menschen, die auf der Straße leben, wenig. Außer dem Kontakt, den,
glaube ich, jeder normale Mensch hat.
Ich habe aber neulich in einem Interview
auf WDR 5 ein Mädel gehört, das sehr bewegend über ihr Leben auf der Straße
erzählt hat. Da konnte ich vieles nach-
vollziehen und da sind mir einige Dinge
noch mal klarer geworden.
Nils: Während meines Zivildienstes habe ich bedürftige Familien kennen gelernt, denen von unserer Einrichtung
zum Beispiel Möbel oder Kleidung gestiftet wurden.
~: Was bedeutet Wohlstand für
euch? Habt ihr eine Definition?
Sari: Pfff. Das Thema hat total viele Facetten. Ich weiß gar nicht, ob ich diesen
Begriff definieren kann. In meiner jetzigen Situation würde ich sagen, eine Facette ist, dass ich zum Beispiel, wenn ich
mir in einem Kaffeehaus einen Kaffee
kaufe oder wenn ich mir ein Buch kaufe,
da nicht auf das Geld achten muss, wie
ich das zu Studentenzeiten immer getan
und mich gefragt habe, ob ich mir das
jetzt leisten kann.
~: Welcher soziale Missstand ärgert
euch in Deutschland am meisten? Was
würdet ihr gerne ändern?
Nils: Mich ärgert im Moment dieser Abbau im Gesundheitswesen, so dass immer mehr eine Zwei-Klassen-Medizin
entsteht. Viele Leute können sich Dinge
einfach nicht leisten. Ich habe mal eine
Ausbildung zum Zahntechniker gemacht
und habe damals gemerkt, dass sehr
große Unterschiede bestehen: Es gibt die
Leute, die sich die besten Zähne machen
lassen und es ohne Probleme dann selber finanzieren können. Dann gibt es
Menschen, die dann schon in jungen
Jahren Vollprothesen haben. Besonders
ärgert es mich auch, wenn bei der Behandlung von Kindern eingespart wird.
Sari: Was mich im Moment beschäftigt, ist diese Tendenz, die man aus den
USA schon viel stärker kennt, der „working poor“. Leute haben oft mehr als einen Job und können trotzdem ihre Fami-
lie nicht über die Runden bringen. Das ist
ein Zustand, der in unserer Gesellschaft
nicht haltbar ist.
~: Ihr habt mit Straßenmusik angefangen. Welche Erfahrungen habt ihr
dabei gemacht?
Nils: Ja, da muss sich demnächst was ändern, sonst gerät die Gesellschaft in eine Schieflage.
Sari: Das war eine schöne Zeit. Wir haben
damals Straßenmusik nicht gemacht, um
uns über die Runden zu bringen, sondern
das haben wir gemacht, weil wir Lust dazu hatten. Wir haben parallel auch bei
Geburtstagen gesungen. Es war mehr ein
Ausprobieren. Auf der Straße kann man
neue Songs ausprobieren und schauen,
wie die ankommen.
~: Ein ganz anderes Thema: Habt
ihr vor euren Auftritten, so wie jetzt, eigentlich Lampenfieber?
Sari (lächelt): Es ist ja nicht unser erstes
Konzert.
Nils: Es ist zwar eine Gespanntheit, die
vor einem Konzert da ist, aber eine positive. In den letzten Minuten geht der Puls
ein bisschen höher, aber das ist dann
diese Spannung, die man braucht, um
auf die Bühne zu gehen. Ich spüre eher
eine Freude, die Freude auf Münster!
~: Wie ist das für euch, wenn ihr
heute die Lieder von damals hört?
Dän aus dem Hintergrund: Nö! (allgemeines Gelächter).
Sari: Da gehen mir ganz verschiedene
Dinge durch den Kopf. Zum einen finde ich, stelle ich sofort fest, dass wir uns
weiterentwickelt haben, zum anderen
muss ich dann über meine eigene Stimme lächeln, die hat sich auch verändert
mit der Zeit. Es kommen alte Erinnerungen hoch an die Zeit damals, auch schöne Erinnerungen. Es ist ein Teil unserer Vergangenheit, aber es ist eben auch
Vergangenheit.
~: Einige von euch waren zusammen in einer Schulklasse.
~: Was kommt nach der Karriere?
Habt ihr Zukunftspläne für das Alter?
Sari: Ja, wir haben in der Schulzeit angefangen mit dem Singen und jetzt schließt
sich der Kreis, wir haben eine CD gemacht, die wir „Klassenfahrt“ genannt
haben, nicht zuletzt deshalb, weil unsere Stimmung auf Tour manchmal so ausgelassen und albern ist wie bei einer
Klassenfahrt.
Sari: Nils hat jetzt gerade angefangen,
wir haben da noch Einiges vor uns als
„Wise Guys“. Wir denken nicht ans Aufhören und deshalb auch noch nicht an
die Zeit danach.
~: Was verbindet euch über die
Bühne hinaus? Seid ihr befreundet?
~: Welches war euer bewegendstes Konzert?
Dän wieder aus dem Hintergrund, einen
Imbiss zu sich nehmend, zu Nils: „Die
wollen wissen, bei welchem Konzert du
dich am meisten bewegt hast!“ (allgemeines Gelächter).
Nils: In meiner kurzen Karriere hat mich
auf jeden Fall das Kirchentagskonzert in
Bremen bewegt. Das werde ich nie vergessen, weil das für mich mein größtes
Konzert war vor 65.000 Menschen. Das
ist irre! Da bekommt man langsam so eine Ahnung davon, wie sich so ein Robbie
Williams fühlt.
~: Welche Musik hört ihr privat? Sicher viel a capella?
Sari: Kein a capella. Wenn du in der
Stadtsparkasse arbeitest, hast du wahrscheinlich auch nach Feierabend keine
Lust mehr, dich mit Zahlen zu beschäftigen, sondern liest lieber ein schönes
Buch. Bei uns ist das ähnlich.
Nils: Ich höre zum Beispiel Peter Gabriel oder Rockmusik aus den 70ern, 80ern.
Ich denke, das ist auch ganz wichtig, dass
man da seine Augen und Ohren unheimlich offen hält. Wenn man nur noch einen Farbton sieht, wird man irgendwann
blind und sieht nur eine Richtung. Man
bekommt keine Inspiration, auch musikalisch nicht. Man muss auch mal Klassik hören oder Punk oder richtig Hardrock
und Heavy Metal, den Schlager muss man
vielleicht ein wenig ausklammern (allgemeines Gelächter).
~: Vielen Dank, dann mal Bühne
frei! #
13
Bericht | Text: Michael Heß | Fotos: Michael Heß, Freuynde und Gaesdte
„Theater ausverkauft“
Freuynde und Gaesdte spielt großes Theater
Theater an ungewöhnlichen Orten - mit
diesem Slogan wirbt eines der außergewöhnlichsten freien Theaterensembles Münsters erfolgreich seit Jahren. Sie
nennen sich Freuynde und Gaesdte, sie
spielen mit enormem Erfolg weitab der
etablierten Strukturen, sehr nahe an
Volkes Stimme und mittendrin im etablierten Stückefundus. Für unsere Leser kreuzte im Blauen Haus und Anfang
April ~-Autor und bekennender
Freuynde-Fan Michael Heß Gläser und
Argumente mit dem Team.
Es heißt, Theater sei Lug und Illusion und
habe doch in der unterbewusst wirkenden Bildsprache etwas Therapeutisches
und Wahrhaftiges an sich. Schwer zu sagen, womit das Münsteraner Ensemble
Freuynde und Gaesdte am meisten punktet. Denn außerordentlich ist ihr Spielansatz, ungewöhnlich ist jede ihrer Spielstätten, sorgfältig inszeniert sind alle ihre Aufführungen. Ob die “Chimären” frei
nach H.G. Wells im Affenhaus des Allwetterzoos, ob “Der Spinnenmann” in der
Stadtbücherei oder “Nathan der Weiße” im Blauen Haus im Kuhviertel. Vielleicht ist es der “Leyden”, gespielt in der
Tiefgarage des Regierungspräsidiums am
Geisbergweg. Oder doch die Klassikparodien im Blauen Haus zwischen Schillers
Räubern, Dumas’ Musketieren, Bram Stokers Dracula oder Hebbels tumben Held
Siegfried?
Im Gespräch mit den Freuynden Zeha
Schröder und Marcell Kaiser fällt überraschend das Wort “Klamauk”. Speziell bezogen auf die Parodien im Blauen Haus,
die jede Mange Kakao bereit halten zum
Durchziehen der Klassiker. Und den Stoffen darüber gänzlich neue Seiten abgewinnen. Das von Friedrich Hebbel (1813
- 1863) adaptierte Stück “Siegfrieds Tod”
zeigt es für die Kneipenklassiker mustergültig auf: Das ergötzte Publikum geht
frenetisch mit, staunt ungläubig, fällt in
tiefes Schweigen und bricht Sekunden
14
später wieder in helle Begeisterung aus.
Die Zuschaueraugen glänzen zur turbulenten Handlung abwechselnd vor Rührung und Spannung. Wenn sich der drachentötende Held Siegfried als unbedarftes Opfer mit tragischen Zügen entpuppt
und König Gunther als wohl größte gekrönte Pfeife aller Zeiten (immerhin
mit schlechtem Gewissen) und der gar
nicht so finstere Hagen diabolisch oszilliert zwischen moralferner, mordender
Staatsräson und persönlicher Größe. Derweil die Frauenzimmer nur hilflose Ins­
trumente der Intrige abgeben als da sind:
Brunhild aus Isenland als Gunthers gleich
mehrfach betrogenes und auf Rache sinnendes Eheweib, Kriemhild als überforderte Zimtzicke und schließlich Königinmutter Ute, die sich auf das Backen köstlicher Gugelhupfe versteht. Die Stücke im
Blauen Haus sind für die Zuschauer oft
Einstiegsdroge in das übrige Repertoire
des Ensembles. Einschließlich des “Siegfried“ liefen dort bisher sechs Stücke für
jeweils anderthalb bis zwei Jahre, was 60
bis 70 Aufführungen pro (normalerweise)
ausverkaufter Inszenierung entspricht.
Am anderen Ende des Spektrums mag
der “Leyden” stehen, jene als “grandios authentisch” und “überragend” von
Münsters theatersinnigen Kulturredakteuren bejubelte Aufführung der Lebensgeschichte des Täuferkönigs Jan van Leyden. Gespielt in der Tiefgarage des Regierungspräsidiums nach den erhalten
gebliebenen Vernehmungsprotokollen von
1535. Das bedeutet zugleich: gespielt in
mittlelniederdeutscher Sprache oder Platt
aus dem 16. Jahrhundert. Konsequent
vom ersten bis zum letzten Ton und so ist
kaum etwas wirklich zu verstehen. Und
doch sagt Marcell Kaiser, “ist es bisher
nur einmal passiert, dass ein Zuschauer
vorzeitig den Raum verlies.” Die Authentizität des Spiels gerade durch die Sprache bannt und schafft eine derart dichte Atmosphäre, dass “Leyden” mit heute 1.400 Zuschauern als das erfolgreichste
Stück der Freuynde alias „Theater ausverkauft“ überhaupt gilt.
Das schnell geschriebene Wort Authentizität – hier darf es stehen bleiben. Denn
in jedem Falle greifen die Freuynde auf
tradierte Literatur zurück, auf “Stoffe
mit dokumentarischem Kern”, wie Marcell Kaiser ausführt. Die Stücke werden
nicht eigens geschrieben, sondern aus
dem Fundus der Theatergeschichte adaptiert, wobei übrigens bis zu zwei Drittel der Ausgangsfassung im Interesse einer straffen Inszenierung verschwinden.
Im Ergebnis ist es Kneipentheater oder
die Neufassung lokaler Geschichte mit
drei, vier Akteuren, höchstens. Das machen andere auch, doch die Freuynde
suchen zugleich nach ungewöhnlichen
Aufführungsorten. Nicht alles, was angeboten wird, überzeugt und manches,
das gewünscht ist als Ort, taugt leider
nicht. Und doch ist die Liste ihrer Spielorte nach zehn Jahren Spiel beeindruckend lang und aus der gängigen Theaterart geschlagen.
Wer oder was sind die Freuynde und
Gaesdte also? “Das ist keine leichte Frage“, antwortet Ensemblenucleus Zeha
Schröder nicht unerwartet. “Wir sind
von den fest etablierten Ensembles sicher das theaterfernste.” Schon ein Besuch der Homepage offenbart den vielschichtigen Aufbau des Ensembles. “Wir
sind wie ein Baum mit Verzweigungen“,
der Stamm immerhin besteht aus Annalena Brix (sie kümmert sich vor allem um
die Öffentlichkeitsarbeit, arbeitet aber
auch als Produzentin der Stücke), Marcell Kayser und Zeha Schröder mit zusammen 112 Lebensjahren. Je nach Aufführungen kommen weitere Freuynde hinzu wie Irmhild Willenbrink im „Nathan“,
Neuzugang Helge Salnikau in “Siegfrieds
Tod“ und „Nathan der Weise“ oder Komi M. Togbonou in “Der Spinnenmann“.
Es mögen insgesamt etwa 25 Freuynde in
bisher 33 Inszenierungen sein. Die Premi-
ere des 34. Streiches wird Ende des Jahres
erfolgen und darüber ist noch zu berichten. Apropos Homepage: Die ist sozusagen eine Sachspende zweier begeisterter
Gaesdte und beredtes Exempel der Atmosphäre im Umfeld der Spielleute. Bei alledem geht es weniger um einen gesellschaftlichen Gegenentwurf als um Theater in situ, realistisch, illusionslos und in
aller Komplexität von Seele und
Umwelt.
man Unsichtbarkeit so sichtbar ausgedrückt. Schon ergeht sich die Lokalpresse
in Gedankenspielen eines möglichen Ankaufs durch Steven Spielberg und Kollegen im fernen Hollywood, aber die konkrete technische Lösung bleibt verständlicherweise das wohl gehütete Geheimnis
der Freuynde.
Mittlerweile gibt das Ensemble
die elfte Spielzeit nach der ersten Aufführung überhaupt am
6. April 1999 in Aachen. Man
darf in dieser Zeit und mit zunehmender Popularität viele Freuynde annehmen. Doch
das Ensemble hat “eigene Bedürfnisse, die manchmal zu uns
auf eigenen Wegen kommen.“
Der Satz Zeha Schröders klingt
kryptisch, verweist aber auf einen wesentlichen Moment: Einfach Anklopfen und Mitmachen
ist nicht. Der Weg ins Ensemble
ist lang und bedarf unbedingter
Professionalität.
Bleibt der Umgang mit den Theaterteufelchen, die im Detail
stecken. Wie zum Beispiel Siegfrieds Tarnkappe. Denn der Bildungsbürger weiß seit Jahrhunderten: Unsichtbar muss er sein,
der Siegfried. In Zweikampf mit
Brunhild zu Isenland und später nochmals in König Gunthers Bett am burgundischen Hofe. Die Freuynde lösen selbst
dieses Problem souverän auf allerhöchstem technischen Niveau, wie Marcell Kaiser sichtlich begeistert erläutert: “Denn
für uns Akteure selbst ist der Träger der
Kappe unsichtbar. Für die Zuschauer dagegen nicht.“ Wer es nicht glauben mag,
der schaue sich den Siegfried am besten selber an, Ende Mai steigt im Blauen Haus die zweite Staffel. Selten sah
Neben derart technischen Spezialeffekten
beherrscht das Ensemble auch die Kunst
der Geldvermehrung. Im Kern ist es zwar
“nur“ das Wechselspiel von Eigen- und
Fremdmitteln, aber auch das will gekonnt
betrieben sein. Also: Für, sagen wir mal,
75 Euro an Spenden an die Freuynde gibt
es zunächst die übliche Spendenquittung
und zwei Freikarten extra. Im Spiel ist
aber noch die GWK, die Gesellschaft für
Westfälische Kulturarbeit. Die legt aus ihrem Säckel den doppelten Spendenbetrag
dazu, das macht in unserem Beispiel 150
Euro. Unterm Strich hecken gespendete
75 Euro also eine Steuerminderung, zwei
Freikarten fürs eigene Vergnügen sowie
225 Euro für die Künstler und darum gilt:
Trauen Sie sich!
Bleibt noch etwas über die 34. Premiere gegen Jahresende zu berichten. Es
wird sich, so Zeha Schröder, um
ein Stück über die schweizerische
Abenteurerin Isabelle Eberhardt
(1877 – 1904) handeln. Die Eberhardt, hierzulande noch vollkommen unbekannt, darf aus
heutiger Sicht als höchst emanzipiertes Frauenzimmer gelten, die
um 1900 unter dem Decknamen
Si Mahmoud für sich das Nomadenleben in der Sahara entdeckte, als Europäerin incognito die
heiligen Stätten im Maghreb besuchte, kiffte, unmäßig dem Alkohol und der freien Liebe zusprach und sich in der Kleidung
männlicher Beduinen höchst
wohl fühlte. Erst 27-jährig ertrank sie, in einem Wadi kampierend, in einer Flutwelle. Erneut ist der Stoff ungewöhnlich
und man darf auf die Umsetzung
des Ensembles gespannt sein.
Und dass auf „Siegfrieds Tod“
bald „Kriemhilds Rache“ folgt,
pfeifen die Spatzen bereits von
den Dächern. Der spielerische
Kontrapunkt von Annalena Brix,
Marcell Kaiser und Zeha Schröder samt
ihrer Freuynde und Gaesdte – er ziemt
einer theatersinnigen Stadt wie Münster
so unbestritten wie eigenwillig. #
Freuynde und Gaesdte
www.f-u-g.de
[email protected]
15
Bericht | Text: Alice Bender, Jeanne Blankertz, Elena Koch und Christine Murra | Foto: Immanuel-Kant-Gymnasium Münster-Hiltrup
Vom Leben lernen
SchülerInnen stellen Fragen zur Wohnungslosigkeit
Gern ist die ~ der Einladung gefolgt, als Schüler und Schülerinnen des
Religionskurses der Klasse 8 des Immanuel Kant Gymnasiums in Münster-Hiltrup zum Gespräch über Wohnungslosigkeit in ihre Schule einluden. So machten sich Toby und Alex auf
den Weg und standen bereitwillig den
brennenden Fragen der Lernenden Rede und Antwort. Welchen Eindruck diese Stippvisite hinterlassen hat, berichten die Schülerinnen und Schüler für die
~ selbst.
Anfangs konnten wir uns noch nicht viel
unter dem Thema vorstellen, das für die
nächste Zeit im Mittelpunkt des Unterrichts stehen sollte: „Menschen am Rande der Gesellschaft und doch mitten drin“
– Was mochte sich dahinter verbergen?
Nachdem wir zunächst manches über die
Diakonie und über vorwiegend kirchliche Einrichtungen in Münster und Umgebung erfahren hatten, die Menschen mit
besonderen Bedürfnissen, Sorgen und in
bestimmten Lebenssituationen Unterstützung anbieten, stieß unser Interesse auf Personen, die zeitweise oder längerfristig kein Zuhause haben und auf
der Straße leben. Wir wollten wissen, ob
in unserer Stadt auch Jugendliche oder
junge Erwachsene ohne festen Wohnsitz leben und wie das Leben eines Wohnungslosen eigentlich aussieht, was es
ausmacht.
_In diesem Zusammenhang recherchierten wir zunächst nach Informationen.
Wir arbeiteten mögliche Beweggründe heraus, weshalb jemand seine Wohnung verlieren oder von Zuhause weg16
laufen könnte und wir erfuhren aus Berichten von Betroffenen, was ihren Alltag
ausmacht, mit welchen Schwierigkeiten
und Ängsten sie Tag täglich konfrontiert
waren. Ergänzend sahen wir einen kurzen Dokumentarfilm über einen Tagesablauf von Wohnungslosen in Hamburg, der
anlässlich gewalttätiger Angriffe von Jugendlichen auf Wohnungslose produziert
worden war.
_Trotz dieser intensiven Beschäftigung
mit dem Thema blieben viele unserer
Fragen unbeantwortet. Neben Fragen zu
den Ursachen und den Umständen von
Wohnungslosigkeit, ging es uns auch um
ganz praktische Fragen, die aber bisher
offen blieben. Noch immer wussten wir
zum Beispiel nicht genau:
_Wie könnte eine sinnvolle Unterstützung von Wohnungslosen durch Bürger und Bürgerinnen aussehen? Gibt es
in Münster viele Anlaufstellen, die Hilfe
anbieten? Was muss passieren, damit jemand auf der Straße landet? Bekommen
Wohnungslose finanzielle Unterstützung?
Wofür geben sie das Geld aus, das sie
bekommen?
_Manche Fragen waren auch ganz alltagspraktisch: Welche Möglichkeiten
gibt es, sich zu waschen? Was macht jemand, der auf der Straße lebt, wenn er
krank wird? Gibt es Gewalt auf der Straße – unter Wohnungslosen, aber auch
zwischen Wohnungslosen und anderen
Mitbürgern? Kommt es vor, dass Menschen – auch Jugendliche –Wohnungslose angreifen und belästigen? Wie reagieren eigentlich andere Menschen auf
Wohnungslose, wenn sie zum Beispiel die
„~“ verkaufen oder um Geld bitten? Gibt es überhaupt irgendeinen Ort,
an dem sich die Betroffenen sicher fühlen? Gibt es oft Streit untereinander? Gibt
es etwas, wovor sie Angst haben?
_Wie lebte jemand, bevor er auf die Straße kam? Haben manche auch eine Ausbildung gemacht und in einem Beruf gearbeitet? Stellen sich Menschen, die auf
der Straße leben, ihre Zukunft vor oder
leben sie von einem Moment zum nächsten? Was macht sie glücklich? Was erstaunt und überrascht sie? Haben Wohnungslose Freunde, mit denen sie über
Wichtiges sprechen und mit denen sie
auch mal ins Kino gehen können? Halten
Wohnungslose auch mit Menschen Kontakt, die ganz „normal“ irgendwo in einem Haus leben und wohnen? Welche
Rolle spielen Familie und Freunde?
_Wer konnte uns nun diese ganzen Fragen konkret, ehrlich, ohne viel Drumherum zu reden und aus eigener Erfahrung
beantworten? Unsere Religionslehrerin
Frau Murra hatte uns erzählt, dass es die
Möglichkeit gibt, Kontakt aufzunehmen
mit der Streetworkerin Frau Kipp von der
~-Redaktion und sie zu fragen, ob
wir jemanden, der aktuell auf der Straße lebt oder schon gelebt hat, in unseren Unterricht einladen können, um ihm
unsere Fragen zu stellen und mit ihm ins
Gespräch zu kommen.
_Es dauerte nicht lang und wir bekamen
eine Rückmeldung: Zu unserer Überraschung wollten gleich zwei Wohnungslose kommen und sich unseren Fragen
stellen. Allerdings wollten sie auch ihre Vierbeiner mitbringen, was für einen
Besuch in einer mit Teppich ausgelegten
Schulklasse zunächst nicht ganz einfach
war. Aber dafür wir fanden schnell eine
Lösung, schließlich sollte ein Besuch daran nicht scheitern und so luden wir sie in
unser Forum ein – dort hatten die Hunde genügend Auslauf und Teppichboden
gab es auch nicht. Der Besuchstag war eine große Bereicherung für uns alle. Toby und Andreas erreichten unsere Schule ohne Umstände gemeinsam mit ihren
beiden Hunden und der Streetworkerin
Frau Kipp und unser Austausch konnte
losgehen.
_Mittlerweile wissen wir, dass nicht unbedingt etwas Großartiges passieren
muss, damit jemand auf der Straße landet. Wir erfuhren, dass Jugendliche nicht
aus Abenteuerlust von Zuhause weglaufen (wie wir erst dachten), sondern weil
die häuslichen Umstände für sie unerträglich und bedrohlich geworden waren. Wir wissen, dass sogar ein total ausgelatschtes, dreckiges Paar Socken noch
aus einer Gemeinschaftsumkleidekabine entwendet wird, weil es für einen
anderen noch ein verwendbares Kleidungsstück ist. Wir hörten, dass sich
Wohnungslose auch untereinander beklauen – ein sicheres Zeichen großer Not.
Wir verstanden, dass Wohnungslose keinen eigenen Raum für sich haben können, wenn sie z.B. in dem HDW untergebracht werden. Wir erfuhren, dass es
die ~-Verkäufer von Herzen freut,
wenn man sie respektvoll behandelt und
ihnen ein Lächeln schenkt, auch wenn
man gerade keine „~“ kaufen
möchte. Wir bekamen zu hören, dass es
Ärzte gibt, die Obdachlose ohne Bezahlung behandeln – und das ist großartig.
Wir erfuhren von Bürgern, die plötzlich
einen Wohnungslosen, der in bibbernder
Kälte die ~ verkaufte, fragten, ob er
Hunger hätte und nach wenigen Minuten
mit einem Dönerteller um die Ecke kamen
– das ist großzügig. Wir hörten von Menschen, die manche ~-Verkäufer in
der Stadt ignorieren, bespucken, anpöbeln und beschimpfen – das finden wir
erschreckend. Wir horchten auf, als Toby sagte, dass eine Milkaschokolade mal
was ganz Besonderes für ihn wäre – das
macht uns nachdenklich. Wir erfuhren,
dass viele Wohnungslose aus Verzweiflung, Langeweile und Perspektivlosigkeit trinken – das macht uns traurig. Wir
erkannten, dass das Leben des eigenen
Hundes dem Wohnungslosen manchmal mehr bedeutet als das eigene – das
macht uns sprachlos. Bei allem Ernsthaften und Nachdenklichen haben wir viel
gelacht, gewitzelt, Unsicherheiten aufgelöst und Fragen geklärt.
_Zwei Tage nach unserem Gespräch trafen
wir uns im Unterricht wieder und merkten, dass wir uns gerne für die Offenherzigkeit, das Vertrauen und die vielen Informationen revanchieren wollten. Doch
wie konnte so ein „Danke Schön“ aussehen? Schließlich einigten wir uns darauf,
dass jeder einen Euro gibt und außerdem konnte jeder, der mochte, noch eine
andere Kleinigkeit, wie z.B. Schokolade,
Rasierschaum, Weingummi, Seife, Zahnbürste usw. schenken. Einige brachten
sogar weitere Spenden von Familienangehörigen mit, so dass wir schließlich mit
einem großen Präsentkorb ausgestattet
eine Woche später – nach voriger Rücksprache mit Frau Kipp – die ~-Redaktion an der Bahnhofsstraße besuchten, um unsere Geschenke zu überbringen. Dort angekommen, trafen wir die
drei (Toby, Alex und Frau Kipp). Da die
Redaktion in einem recht kleinen Raum
untergebracht ist (schließlich waren wir
mit 22 Schülern unterwegs), überreichten wir nur schnell unsere Geschenke und
sahen, dass beide sich sehr freuten. Bald
darauf brachen wir auf und machten uns
auf Weg zurück zur Schule.
_Abschließend können wir sagen, dass es
ein total aufregendes Erlebnis war, zwei
Wohnungslose aus ihrem eigenen Leben
berichten zu hören und dass dadurch unser Blick enorm geweitet wurde. #
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Bericht | Text: Heinz Dalmühle | Fotos: Neema und Heinz Dalmühle
Reise mit Hindernissen
Wie man es sich selbst schwer machen kann
Eigentlich mussten wir gar nicht viel Gepäck mitnehmen. Kamera und Schminkzeug hätte in unser Handgepäck gepasst. Aber wir wollten Neemas große
Familie in Nepal besuchen und für alle
Verwandten Geschenke mitbringen. Also
packten wir etwa 50 Kilo in drei Koffer
und ein paar Taschen. Dass unser Gepäck auf der Reise so lästig werden würde, damit hatten wir nicht gerechnet.
Am 1. Dezember hatten wir endlich alles gepackt! Wir wollten nachts um 2:04
h den Zug nach Frankfurt nehmen und
um uns das Kofferschleppen mitten in
der Nacht zu erleichtern hatten wir schon
mal die Koffer zum Bahnhof gebracht
und in einem Schließfach deponiert.
Dann schnell nach hause und frühzeitig
ins Bett, um morgens frisch zu sein. Aber
nach zwei Stunden weckt uns das Telefon. Das Reisebüro informiert uns, dass
unser Anschlussflug von Delhi nach Kathmandu um eine Stunde verschoben worden ist. Naja, damit können wir leben.
Noch ein bisschen schlafen und dann nur
mit Handgepäck zum Bahnhof.
_Das Schloss vom Schließfach lässt sich
nicht öffnen! Die Koffer drücken von innen auf die Tür, so dass sie klemmt. Als
ich es schaffe, mit Gewalt endlich das
Schloss zu öffnen bleiben uns noch vier
Minuten. Da das Gepäcklaufband in
Münsters Bahnhof nicht geht muss ich
Koffer und Taschen die Treppen hochschleppen. Einen Koffer hat sich Neema
geschnappt und zerrt das alte, unhandliche Modell über die Stufen. Als ich gerade oben ankomme sehe ich unseren
IC einfahren. In der Hoffnung dass Neema jeden Moment oben ist bleibe ich außer Atem stehen, bis sich die Türen öffnen. Als ich mich umschaue ist von Neema nichts zu sehen. Ich rufe..., keine
Antwort. Ich lasse meine Koffer stehen
und laufe zur Treppe. Der Koffer ist viel
zu groß und zu schwer für Neema. Sie
ist erst auf dem ersten Absatz angekommen. Ich laufe runter und nehme ihr den
18
Koffer ab. Als wir oben am Gleis ankommen schließen sich die Türen des Zuges.
Ich drücke noch ein paarmal auf den Öffnungsknopf - nichts passiert. Dann setzt
sich der IC nach Frankfurt in Bewegung!
Oh nein - wir haben unseren Zug verpasst. Ich könnte heulen: Zug verpasst,
Flieger verpasst, neue Tickets kaufen...
_Neema tröstet mich und ruft einen guten Freund an - morgens um 2:10 h!
Das hätte ich mich nicht getraut. Aber
er kommt tatsächlich zum Bahnhof. Wir
stapeln unsere Koffer in seinem PKW
und er bringt uns freundlicherweise zum
nächsten Halt unseres Zuges, nach Essen. Leider fährt er etwas zu schnell
und wird geblitzt. Aber wir sind mit allem Gepäck rechtzeitig am Bahnsteig in
Essen und warten auf unseren Zug. Wir
sind hellwach, der Vollmond scheint grell
vom Nachthimmel als der Zug einfährt.
Ich denke noch: „Eigentlich etwas früh.“
Aber wir schaffen unser Gepäck rein und
der Zug fährt los. Das Rattern und Rollen der Räder beruhigt mich und ich falle
in leichten Schlaf. „Sie müssen ein neues
Ticket lösen. Sie müssen beim nächsten
Halt aussteigen.“ Ich schrecke hoch und
da steht wirklich eine Schaffnerin vor uns
und schreit Neema an. Wir sind tatsächlich zu früh in den falschen Zug eingestiegen! Aber da hält er auch schon und
ich zerre Koffer und Taschen aus dem Abteil auf den Bahnsteig. Wir warten wieder
eine Weile zwischen unserem Gepäck bis
unser richtiger Zug endlich kommt. Dann
alles wieder in den Zug reingewuchtet und dieses Mal sitzen wir endlich in dem
richtigen IC nach Frankfurt!
_Am Flughafen sind Umbauarbeiten und
deswegen müssen wir mit unserem ganzen Gepäck den Umleitungsschildern folgen und kilometerweit durch das Flughafenlabyrinth schleppen. Endlich können
wir einchecken, aber da unser Flieger in
Delhi eine Stunde später fliegt müssen
wir noch zum Schalter, um unsere Tickets
umzutauschen. Nachdem die freundliche
Dame am Computer zehn Minuten nach
unseren Daten gesucht hat verkündet sie
uns, dass sie Neemas Daten nicht finden
kann, aber mein Flug sei gestrichen und
dafür bekäme ich ein neues Ticket für
den nächsten Flieger nach Kathmandu.
Der fliegt zehn Stunden später! Immerhin
kann ich ihr anhand der aus dem Internet ausgedruckten Papiere klarmachen,
dass wir für Neema auch ein Ticket gebucht haben. Und auf geht´s nach Indien.
_Die zehn Stunden auf dem Flughafen von
Delhi sind eine Katastrophe. Endlich geht
es weiter und eine gute Stunde später
landen wir auf dem Tribhuvan-Flughafen
von Kathmandu. Als wir mit Gepäck das
Gebäude verlassen stürzt sich ein Heer
von Kofferträgern und Taxifahrern auf
uns. Jeder versucht einen unserer Koffer zu erwischen und alle reden gleichzeitig auf uns ein. Neema handelt einen Preis aus und wir steigen in ein Taxi.
Nach einer grauenhaften, schwindelerregenden Fahrt in einem Taxi, dass bei uns
schon seit zehn Jahren verschrottet wäre, ohne Stoßdämpfer, aber mit Dauerhupe, durch Schlaglöcher und über Plastikmüllhaufen, halten wir endlich beim
Hotel „Excelsior“. Da sich niemand rührt
schleppe ich unser Gepäck zur Rezeption.
Es gibt keinen Strom und daher auch keinen Aufzug. Also schleppe ich das Gepäck
in den zweiten Stock. Im Dunkeln wühlen wir todmüde in den Koffern nach unserem Waschzeug, können es aber nicht
finden. Also Katzenwäsche und ins Bett.
Wir schlafen sofort ein.
_Der Wecker klingelt früh. Wir wollen mit
einem Inlandsflug nach Pokhara. Draußen ist es verdächtig ruhig, dann höre ich die Maoisten auf der Straße kommunistische Parolen brüllen. Es ist noch
stockdunkel. Ein Test mehrerer Lichtschalter überzeugt uns, dass es noch immer keinen Strom gibt. Mit Hilfe unserer
Taschenlampen packen wir alles ein und
schleppen unser Gepäck die Treppen herunter zur Rezeption. Mit etwas Trinkgeld
können wir einen Hotelmitarbeiter dazu überreden, uns mitsamt Gepäck zu einem Sammelplatz für Touristen zu bringen, die alle zum Tribhuvan-Flughafen
müssen. Es ist nämlich wieder mal „Banda“, landesweiter Streik, durch die Maoisten ausgerufen. Das bedeutet, kein Laden darf öffnen, kein Motorrad oder Auto fahren. Einzige Ausnahme: Ein Bus darf
die Touristen zum internationalen Flughafen bringen, damit sie nicht ihre Flüge
verpassen. Wir laufen durch die jetzt fast
menschenleeren Straßen, bis wir auf eine
Gruppe von Touristen und Polizisten stoßen, die alle auf den Bus warten.
_Als noch mehr Touristen kommen wird
mir klar, dass wir niemals alle mit Gepäck in einen Bus passen. Wir sprechen den Polizeichef an und gegen
etwas Trinkgeld stellt er uns eine Eskorte von vier mit Schlagstöcken bewaffneten Polizisten zur Verfügung.
Der Bus kommt, die Polizisten schieben uns in den Bus und reichen unser Gepäck über die Köpfe der drängelnden Touristen hinterher. Auf
dem verstreut auf dem Boden liegenden Gepäck zwischen anderen
Touristen eingeklemmt erreichen
wir den Flughafen. Jetzt müssen wir
nur noch ein kleines Stück weiter
zum Inlandsflughafen. Viel Zeit bleibt uns
nicht mehr. Aber meine Schwägerin Karma erwartet uns schon und sie hat auch
zwei Fahrradrikschas organisiert, eine
für uns drei und eine für unser Gepäck.
Um den Preis wird noch gefeilscht, aber
dann sind wir am Flughafen und können einchecken. Aber jetzt ist unser Gepäck zu schwer. Für die kleine Maschine haben wir 25 kg zu viel. Wieder müssen wir diskutieren, handeln und einige
Rupien mehr bezahlen. Dann fliegen wir
nach Pokhara.
_Aber als wir den Flughafen in Pokhara
verlassen wollen stehen wir vor dem gleichen Problem: „Banda“, kein Motorrad,
kein Taxi, kein Bus darf fahren, kein La-
den ist geöffnet, kein Hotel zu erreichen.
Nur Polizei, Militär und Ambulanz dürfen
fahren. Da kommt mir eine Idee. Ich lege mich auf eine Mauer und Neema und
Karma erzählen den Polizisten, dass ich
ein kranker Tourist sei, der vom Ambulanzwagen aus Hemja abgeholt werden
müsse. Ein Polizist bewacht mich, die
Frauen rufen zuhause an. Nach einer halben Stunde kommt unser Schwager mit
dem Ambulanzwagen und Blaulicht und
holt uns und unser ganzes Gepäck ab. Ich
muss mich auf die Pritsche legen und los
geht´s. Endlich haben wir unser vorläufiges Reiseziel mit all unserem Gepäck erreicht. Ich schwöre mir für die Rückreise: mindestens einen Koffer werden wir
hierlassen! Und zwar den alten, sper-
rigen, wegen dem wir schon in Münster
unseren ersten Zug verpasst haben.
_Als wir einen Tag vor unserem Rückflug von Kathmandu über Delhi nach
Frankfurt unseren großen Koffer und
das Handgepäck packen muss ich feststellen, dass Neema so viele Souveniers
und Geschenke für Freunde in Deutschland gekauft hat, dass wir tatsächlich einen neuen, allerdings moderneren Koffer
mit Rollen kaufen müssen. Trotzdem geht
diesmal alles gut.
_In Frankfurt rollen wir dann zum Bahnsteig unseres IC von Frankfurt nach Mainz.
Dort müssen wir noch umsteigen in Richtung Wiesbaden und Münster. Zuerst hält
ein Zug der SB von Frankfurt nach Mainz.
Plötzlich wuchtet Neema ihren Koffer in
den Zug und will mir bei dem restlichen
Gepäck behilflich sein. Aber die Türen
schließen und der Zug fährt mit dem Koffer nach Mainz! Ich wende mich an einen
Bahnangestellten, der versucht mit seinem Handy jemanden zu erreichen, aber
es klappt nicht. „Gehen Sie in Mainz zum
Ticketschalter. Vielleicht können die Ihnen weiterhelfen.“ Unser IC kommt, wir
fahren nach Mainz. Zum Umsteigen haben wir acht Minuten Zeit. Gepäck raus,
ich laufe eine Treppe hoch und suche
den Ticketschalter. Als ich dort ankomme treffe ich auf eine Warteschlange. Ich
habe nicht so viel Zeit! Da ich nur fragen
will, ob ein Koffer abgegeben worden ist
gehe ich durch die Absperrung. Laute Proteste aus der Warteschlange
schrecken den Bahnbeamten hinter den Ticketschalter auf. „So geht
das nicht! Ziehen Sie bitte erst eine
Nummer aus dem Automaten und
stellen Sie sich dann hinten an.“ Er
hört mir gar nicht zu. Ich denke nur:
„Ja ja, wir sind wieder in Deutschland!“ Dann sehe ich eine junge
Frau in der Nähe des Eingangs stehen und winken. Sie hat unseren
Koffer! Ein Blick auf die Uhr: Keine drei Minuten mehr, bis mein IC
abfährt. Ich laufe zu ihr, sie sagt: „Ich
war in der SB und habe gesehen, wie Ihre Frau den Koffer reingestellt hat.“ Ich
bedanke mich herzlich für ihre Hilfe und
laufe mit Koffer wieder zurück, die Treppe
runter und zu unserem IC. Wir haben es
noch gerade geschafft, alles Gepäck hereinzubekommen, da fährt der Zug auch
schon ab.
_Bis Münster ist dann alles glatt gelaufen. Der nette Taxifahrer, der uns nachhause gefahren hat, hat uns auch noch
freundlicherweise geholfen, unser Gepäck bis in den zweiten Stock zu tragen.
Nie wieder werde ich mit so viel Gepäck
reisen! #
19
Bericht | Text: Sandra Scholten
Ein kleines eigenes Reich
Sandra wünscht sich ein neues Zuhause
Den Wunsch nach einer eigenen Wohnung hegen viele im Umfeld der draußen und die Redaktion ist immer wieder
bemüht, diese Menschen bei ihrer Suche nach einem Heim zu unterstützen.
Dieses Mal stellt sich draußen-Verkäuferin Sandra Scholten vor, die sich im Augenblick nichts sehnlicher wünscht als
neue, eigene vier Wände, damit sie im
Leben wieder richtig Fuß fassen kann.
Hallo! Mein Name ist Sandra, Sandra
Scholten. Ich bin 38 Jahre alte und wohne schon viele, viele Jahre in Münster.
_Ich brauche Ihre Hilfe!
_Ich suche schon so lange eine bezahlbare Wohnung und finde nichts. Vielleicht
können Sie mir helfen?
Anzeige
_Die Wohnung müsste gar nicht groß
sein. Ein kleines Bad wäre schön – denn
bei mir zu Hause habe ich keine richtige Möglichkeit, zu duschen. Das kann
ich zwar beim INDRO – meiner Betreuungsstelle – machen, aber richtig schön
ist das nicht. Und wo ich jetzt wohne, ist
es wirklich sehr laut und dreckig – und
ich mag es gern ruhig und sauber. Ich
wünsch mir einfach ein kleines Reich für
mich, in dem ich mich endlich wohl fühlen kann.
_Mein Leben ist nicht immer so verlaufen,
wie ich es mir gewünscht habe. Als Kind
schon hatte ich eine Hirnhautentzündung, die nicht rechtzeitig erkannt wurde. Seitdem bin ich leider nicht mehr so
schnell mit dem Kopf und verstehe manche Sachen nicht sofort. Aber wenn man
ein bisschen Geduld mit mir hat, verstehe
ich auch alles, was man mir sagt.
_Später hab ich dann den falschen Mann
kennengelernt und bin leider auf die
schiefe Bahn geraten. Ich hab angefangen, zu trinken. Weil ich immer mehr getrunken habe und mein
Mann sich auch nicht gekümmert
hat, hat uns das Jugendamt unsere kleine Tochter weggenommen. Da
bin ich dann total abgestürzt. Jahrelang hab ich auf der Straße gehaust,
nur noch für meinen Kummer gelebt
– und getrunken. So bin ich alkoholabhängig geworden.
_Ich hatte mich schon aufgegeben
und wollte nicht mehr leben. Aber
zusammen mit meiner Betreuerin
Anna und meinem Betreuer Uli habe ich mich doch nochmal aufgerappelt und habe angefangen, zu kämpfen. Es war sehr schwierig für mich
und ist es noch heute – aber nun
bin ich schon seit über einem Jahr
„trocken“. Ich darf nicht mehr trinken – die Ärztinnen und Ärzte haben
20
gesagt: „Frau Scholten, wenn Sie trinken, dann sterben Sie sehr bald.“ Und
ich möchte doch noch soviel machen im
Leben – auch meine Tochter möchte ich
einmal wiedersehen.
_Seit ich nicht mehr trinke, hat sich vieles in meinem Leben verbessert: Ich hab
wieder Freude am Leben und kann meinen Haushalt wieder alleine führen. Ich
hab nämlich Hauswirtschafterin gelernt!
Ich schreibe Tagebuch und verbringe viel
Zeit mit meinem besten Freund, dem Ebby. Der hat auch das Foto von Anna, Uli
und mir gemacht. Letztes Jahr sind wir
vom INDRO aus an die Nordsee gefahren
– da hab ich zum ersten Mal das Meer gesehen. Das möchte ich unbedingt nochmal machen!
_Anna und Uli vom INDRO helfen mir
bei all den Sachen, bei denen ich alleine nicht klar komme. Die sind immer für
mich da, wenn es Probleme gibt. Aber
eigentlich mache ich gar keine Probleme
mehr, seit ich nicht mehr trinke. Manchmal bekomme ich „meine 5 Minuten“ –
dann schimpfe ich und schimpfe ich und
nichts kann mich stoppen. Das hab ich
von meinem Papa. Aber eigentlich bin ich
ganz lieb. Meine Zähne – um die muss
ich mich noch dringend kümmern! Und
eben eine kleine Wohnung für mich – das
wäre wunderschön.
_Kennen Sie vielleicht eine für mich?
Kontakt:
Sandra Scholten
c/o INDRO e.V. - Drogenhilfe
Bremer Platz 18-20
48155 Münster
Tel.: 0251 – 60123
Mail: [email protected]
Bericht | Text und Foto: Nicole Artmeier
Lady Marmelade
Handgemachte Köstlichkeiten
Glaubt man der Statistik, gibt es kaum
eine Nation, die „süßer“ is(s)t als wir
Deutschen. Besonders zum Frühstück
sind süße Leckereien auf Brot und Brötchen sehr beliebt. Und genau dieser
deutschen Vorliebe widmet sich Angela von der Goltz in ihrer „Marmeladenmanufaktur“. Nicole Artmeier hat die
Münsteraner Meisterin der Marmeladen
in ihrem schmucken Laden in der Blücherstraße besucht und ihr in den Einkochtopf geschaut.
Beim Betreten des Lädchens von Angela von der Goltz hält meinen Blick sofort magisch gefangen, was mich hübsch
dekoriert und fein säuberlich in Regalen
aufgereiht anlacht: alles, was das Marmeladenherz begehrt, vom klassischen
Erdbeergelee bis hin zum pikanten Tomate-Chili-Basilikum-Aufstrich. Die Auswahl
ist groß. Da ist es kaum zu glauben, dass
die Gründung der Manufaktur beinahe als
Zufallsprodukt bezeichnet werden kann.
Denn eigentlich wollte die ausgebildete
Kulturwissenschaftlerin einfach eine etwas andere Kaffeetafel gestalten. Statt des
üblichen Kaffees und Kuchen, hatte sie
selbst gebackenes Brot und verschiedene
selbstgemachte Marmelade angeboten.
Da die kleinen Köstlichkeiten großen Anklang fanden, reifte in ihr der Entschluss,
sich als Unternehmerin mit Leidenschaft
für Genuss zu versuchen und aus einigen
wenigen viele kleine Gläschen Marmelade zu machen. Auf Grundlage dieser Idee
erstellte die 47-jährige zunächst ihren eigenen Businessplan. Nur sieben Monate hat es dann gedauert, bis aus der Initialzündung die „Marmeladenmanufaktur“ entstanden ist. Heute, ca. 2 ½ Jahre
später, hat sie sich mit ihrem Unternehmen in Münster und auch weit darüber
hinaus einen guten Namen gemacht. Die
Münsteraner wissen die feine Qualität der
Brotaufstriche zu schätzen und sind daher auch bereit ein wenig mehr für diesen
besonderen Genuss zu berappen.
_Was mit einem kleinen Stand auf dem
Feinkostmarkt vor Ort begann, hat sich zu
einem bemerkenswerten Unternehmen,
mit einer durchschnittlichen Produktion zwischen 600 und 1200 Gläsern wöchentlich entwickelt. Dies hört sich zunächst nicht besonders viel an, jedoch
ist hier zu beachten, dass jede Marmelade, jedes Chutney und jede Fruchtsauce von Hand zubereitet ist und jede Sorte
nur beste Zutaten enthält. Eben der feine Unterschied zu den Konfitüren, die im
hiesigen Supermarkt erhältlich sind. Und
neben üblichen Sorten entstehen immer
wieder neue Kreationen.
maligen Backstube wird es dann richtig
spannend, denn hier entstehen heute die Marmeladen, Chutneys und sogar
Ketchup. Ich selbst habe so riesige Töpfe noch nicht gesehen, von den überdimensionalen Kochlöffeln ganz abgesehen. Doch hier wird nicht nur gekocht,
auch die Etikettierung der Gläser und
der Versand wird dort abgewickelt. Denn
mittlerweile gehören nicht nur Kleinkunden zu den Abnehmern der Manufaktur, sondern sogar Hotels, Firmen und
Anwaltskanzleien, die das etwas andere
Präsent für Kunden oder Mitarbeiter sehr
zu schätzen wissen..
_Viele Ideen sind intuitive Geistesblitze und kulinarische Experimente. So hat
meine ab heute favorisierte Konfitürenkünstlerin einmal aus einem Rest kernloser Trauben, Sauerkirschen und einem
Schuss Sherry eine neue Sorte kreiert.
Selbst auf ausgefallene Kundenwünsche
geht die von der Stadt Münster ausgezeichnete Unternehmerin gerne ein und
designt für sie sogar ganz exklusiv. Zur
Zeit sind die Sorten Saure- Kirsche-Schokolade, Rosenblütengelee und für den
extra Gaumenkitzel Ananas-Chili-Marmelade am meisten nachgefragt.
_Handgemachte Köstlichkeiten steht auf
dem Etikett des Marmeladengläschens,
das ich als Gastgeschenk erhalten habe,
und ich kann dies nur bestätigen, nachdem ich in mein fingerdick mit leckerer
Erdbeer-Prosecco-Marmelade bestücktes Brötchen gebissen habe. Ich weiß
jetzt schon, dass ich diesen charmanten, kleinen Laden an der Blücherstraße bald wieder betreten werde, um mich
mit weiteren Köstlichkeiten zu bevorraten, denn das Gläschen ist fast schon
wieder leer. #
_Und dann darf ich einen Blick hinter die
Kulissen werfen. Die heutige Manufaktur ist in einem ehemaligen Bäckereibetrieb mit Ladenlokal entstanden. Vom
Verkaufsraum gelangen wir über einen
kleinen Flur in zwei
weitere Räume. Einer davon ist quasi das Zimmer für alle Fälle, d.h. Teeküche, Büro und auch
die Kundenkontakte werden dort gepflegt. In der ehe-
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Columne | Text: Jörg Eggerts
Columne: „~ auf Cuba“
Peter Hartz, der IV.
Unlängst hat man herausgefunden, dass
Kinder aus Hartz-4-Familien wachsen.
Sie kennen sicherlich diese stets pummeligen und stets blassen Unterschichtenkinder aus dem privaten Fernsehen, wo
sich überforderte Alleinerzieherinnen mit
ihren minderjährigen Soziallümmeln vor
laufender Kamera – mit oder ohne Regieanweisung – in Fäkalsprache ergehen.
Oftmals laufen solche Reportagen bei
Sendern wie RTL, wo Zuschauer, wie wir
wissen, allenfalls ihr geistiges Seepferdchen machen können! Aber, sage ich immer, das Privatfernsehen musste damals
kommen, denn so viel Blödheit lässt sich
auf drei Programme nur schwerlich verteilen. Nun, in den gezeigten Hartz-4Familien fallen selbstverständlich unaufhörlich Sätze wie: Wenn ick noch eenmal
deinen dreckigen Schlüpper im Kühlschrank find’, feiert der Arsch aber Kirmes! Die so gezeigten Rabeneltern sagen
auch gelegentlich in die Kamera: Ich bin
Hartz-4! Das Sein bestimmt da das Bewusstsein! Ich denke mir, so etwas sagt
man der Fernsehnation im Grunde genommen ja nicht gerne! Sagen Sie mal in
aller Öffentlichkeit: Ich bin Vermögensberater - und schwul. Da haben Sie in
der Magdeburger Bahnhofskneipe ’ne ruhige Ecke für sich – wenn’s gut läuft! Nun
betont ja unserer Außenminister, der in
der Magdeburger Bahnhofskneipe zweifelsohne in Bedrängnis geriete, immer
wieder und ungefragt, dass es das Unterschichtenproblem nicht nur im Fernsehen
gebe. Nein, manche Menschen lägen uns
tatsächlich auf der Tasche. Sagt der Außenminister. Ich finde das unerhört. Von
dem Minister, meine ich. Auch dass er
das unbekümmert mit gesellschaftlicher
Minderleistung in Verbindung bringt.
Unlängst hat man also herausgefunden,
dass Unterschichtenkinder wachsen – vor
allem in die Breite, weil Unterschichtenkinder immer und immer dicker werden.
Wegen der einseitigen und energiereichen Ernährung, die sich diese Unterschichtenkinder am besten erst gar nicht
leisten können sollten. Das schlägt zwei
Probleme mit einer Klappe: Die werden
erstens nicht mehr so dick und benötigen
zweitens keinen Zuschuss für neue Kleidung. Da lobe ich mir doch unsere Nachbarn - Studienrätin und Graphiker. Die
wollen nämlich keine Kinder. Wegen ihrer Lebenslust auf Selbstverwirklichung
haben wir allerdings auf dem Hausflur
immer deren Hunde am Hals. Drei Stück:
Lenin, Trotzki und Pawlow! Blöden Köter, die! Letzten Oktober hat Lenin dem
Trotzki auf dem Hausflur von hinten ins
Bein gebissen. Pawlow stand daneben
und hat nur gesabbert. Hundefutter wird
in Deutschland übrigens mit 7% Prozent
Mehrwertsteuer belegt. Kindermalkästen
dagegen mit 19%. Man muss eben wissen, was man will! . #
Die neue ~
erscheint am 30. 05. 2010
Redaktionsschluss
ist der 10. 05. 2010
22
~ auf Cuba!
Cubarett ist die offene Kabarettbühne Münsters im Cuba Nova,
unter der Leitung von Christoph
Tiemann
Seit April 2010 schreibt einer der
aktuell auftretenden Künstler in
der ~. Diesmal ist es Jörg
Eggerts
Der nächste Cubaretttermin
ist der 3.Mai
Der Beginn ist 20 Uhr
Der Eintritt beträgt 4 Euro
www.cubarett.de
Tauschrausch:
www.muenster.org/
draussen/tauschrausch.html
Veranstatungstermin | Illustration: Thorsten Enning
23
Buch-Tipps | Texte: Sigi Nasner
Lesen
Um dem stark ansteigenden Flüchtlingsstrom entgegenzuwirken, hat die italienische Regierung mit Libyen ein Abkommen
geschlossen, das das nordafrikanische
Land dazu verpflichtet, die Durchreise
der Flüchtenden durch sein Hoheitsgebiet zu unterbinden. Viele schwarz-afrikanische Flüchtlinge werden nun schon in
Libyen inhaftiert, um später auf der gleichen Route, auf der sie gekommen sind,
zurückgeschickt zu werden. Nun jedoch
unter noch schwereren Bedingungen, da
ihnen zuvor all ihr Geld und oft auch ihr
gesamtes Hab und Gut von korrupten Offiziellen abgenommen wurde.
Fabrizio Gatti
„Bilal“
Als Illegaler auf dem Weg nach Europa
Antje Kunstmann Verlag
512 Seiten, 24,90 Euro
ISBN 978-3-88897-587-5
Seit Spanien seine Grenzen gegen afrikanische Flüchtlinge abgeriegelt hat, führt deren Route nun vom Senegal quer durch den
Kontinent an Nigeria vorbei durch die libysche Wüste bis ans Mittelmeer und von dort
aus weiter in kleinen, oft völlig seeuntauglichen Booten zur italienischen Küste. Für
die Flüchtenden eine schier unmenschliche
Tortur. Oft sind bis zu 300 Männer, Frauen
und Kinder auf einem Lastwagen mit ihrer
Habe zusammengepfercht. So durchqueren
sie die mörderischen Wüsten, um an die
Mittelmeerküste zu gelangen. Von Schleppern und Menschenhändlern traktiert und
unter Druck gesetzt, von Polizei, Militär und
Banditen verprügelt und ausgeraubt, verdursten unzählige von ihnen und enden in
einem namenlosen Grab in der Wüste oder
ertrinken später im Meer, sofern sie dieses
überhaupt erreichen. Die wenigen, die es
wirklich bis Italien schaffen, werden meist
in Auffanglager gesteckt und dort unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten, bis man sie schließlich wieder nach
Libyen zurückschickt.
Patti Smith erlangt Anfang der Siebziger
Jahre immer mehr Popularität mit ihrer
Lyrik und veröffentlicht 1975 ihre erste
LP. Sie wird Mitbegründerin der amerikanischen Punk- und New Age Musikrichtung. In den 80er Jahren erringt auch
Robert Mapplethorpe immer mehr Anerkennung in der Kunstszene und viele Berühmtheiten wie Deborah Harry, Richard
Gere, Peter Gabriel und Grace Jones lassen sich später von ihm porträtieren. Die
Wege von Patti und Robert trennen sich
zwar immer wieder, aber trotzdem bleiben beide in inniger Freundschaft bis
zum Tod von Robert im Jahr 1989 eng
verbunden.
Patti Smith
„Just Kids“
Die Geschichte einer Freundschaft
Verlag Kiepenheuer & Witsch
328 Seiten, 19,95 Euro
ISBN 978-3-462-04228-3
Als Patti Smith im Sommer 1967 nach New
York kommt, lernt sie in Brooklyn den späteren Ausnahmefotografen Robert Mapplethorpe kennen. Sie sind beide gerade 23
Jahre alt. Es beginnt eine intensive Liebesgeschichte, die sich immer mehr zu einer tiefen Freundschaft entwickelt. Zu Beginn halten sie sich mehr recht als schlecht
durch kleine Gelegenheitsjobs über Wasser.
Beide sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität als Mensch und Künstler. Robert macht im künstlerischen Bereich ausgefallene Collagen, zeichnet und beginnt
zu fotografieren, in menschlicher Hinsicht
bekennt er sich schließlich immer mehr zu
seiner Homosexualität. Patti zeichnet wie
besessen, schreibt Unmengen Lyrik sowie Musikbesprechungen und Poesie für
Rockzeitschriften. Sie beziehen beide zusammen ein Zimmer im legendären Chelsea Hotel in Greenwich Village, in dem sich
berühmte Künstler und Schriftsteller wie
Salvatore Dali, Thomas Wolfe, Arthur Miller oder Andy Warhol ein Stelldichein geben. Dort treffen sie unter anderem auf Allen Ginsberg, Bob Dylan, Jimi Hendrix und
Janis Joplin und viele andere Musik- und
Kunstgrößen.
24
Der italienische Journalist Fabrizio Gatti ist auf der Flüchtlingsroute dieser armen Menschen mitgereist und hat sich als
„falscher Flüchtling“ in eines der besagten Lager eingeschleust. Dabei hat er bewegende Tatsachen über die menschenverachtenden Methoden im Umgang mit
diesen Leuten aufgedeckt. #
„Just Kids“ führt die Leser in die aufregende Atmosphäre von New Yorks
Kunst-, Musik- und Undergroundszene der frühen Siebziger. Das Buch besticht durch große Ehrlichkeit und Wärme, durch einen überaus feinen Humor
und die radikale und dennoch sehr zärtliche Sprachgewalt einer unverwechselbaren Patti Smith. #
Rezepte | Text und Fotos: Martina Hegemann
Klein, rot, scharf, lecker!
Es begegnet uns als Snack oder dekorative Verzierung am Büfett. Auch als knackige Ergänzung zum Salat wird das Radieschen
geschätzt. Ja, eigentlich wird es sogar eher unterschätzt, wenn man sich die bioaktiven Substanzen genauer anschaut. Es sind
vor allem die vorhandenen Senföle, die es zusammen mit vielen Mineralien und Vitaminen so gesund machen.
Besonders die milde Schärfe, die von den genannten Senföle herrührt, ist erhaltenswert. Diese sollen Infektionen vorbeugen,
ja sogar leicht antibiotisch wirken. Daher ist es am besten frisch und knackig zu verzehren, denn lange Lagerung mag das Radieschen überhaupt nicht. Auch durch Hitze verliert es nicht nur Farbe und Geschmack, sondern auch den Großteil der Senföle.
Achten Sie deshalb beim Kauf auf Frische. Die Knollen sollten fest und prall sein, das Laub dunkelgrün und frisch, dann sind
sie am besten. Jetzt gibt es sie auch wieder aus heimischen Anbau, also günstig und ohne lange Transportwege. Übrigens sind
sie wegen ihres relativ hohen Wasseranteil nicht nur erfrischend, sondern auch kalorienarm. Das macht sie zu einem idealen
Frühjahr- und Sommergemüse.
Kartoffelsalat mit Gurke und Radieschen
Kalte Radieschensuppe
Matjesfilets in Radieschensauce
Zutaten:
Zutaten:
Zutaten:
1 kg Kartoffeln
1 kleine Salatgurke
1 Bund Radieschen
1 (rote) Zwiebel
1 Bund Schnittlauch
6 EL Kräuteressig
Salz
Pfeffer
Zucker
4 EL Öl
2 Bund Radieschen
200 g gekochte Kartoffeln
500 ml Brühe
100 g Crème fraîche
1 EL Öl
Salz
Pfeffer
4 Matjesdoppelfilets
1 Bund Radieschen
100 g Cornichons mit dem Sud
1 Becher Sauerrahm
1 Becher Crème fraîche
1 gewürfelte Zwiebel
1 Bund gehackter Dill
Salz
Pfeffer
Zubereitung:
Kartoffeln in Schale gar kochen, pellen
und abkühlen lassen. Inzwischen Gurke und Radieschen putzen und waschen.
Radieschen in ganze Scheiben und Gurke
in halbe Scheiben schneiden.
_Für die Marinade Zwiebeln schälen
und fein würfeln. Schnittlauch in kleine Röllchen schneiden. Essig mit Salz,
Pfeffer und Zucker würzen, Zwiebel und
Schnittlauch unterrühren und das Öl
darunterschlagen.
_Kartoffeln in Scheiben, mit der Marinade und den Gurken- und Radieschenscheiben vermengen und ca. 30 Minuten
ziehen lassen.
_Kartoffelsalat nochmals abschmecken
und gegebenenfalls nachwürzen. #
Zubereitung:
Radieschen putzen und waschen. Die feinen Blättchen (wenn ganz frisch) hacken
und in Öl andünsten.
_Die gekochten Kartoffeln zerdrücken
und zufügen. Mit Brühe angießen und
pürieren. Crème fraîche unterrühren, salzen, pfeffern. Suppe kalt stellen.
_Währenddessen Radieschen in feine Stifte schneiden oder raspeln und vor
dem Servieren auf die Suppe geben. #
Zubereitung:
Radieschen putzen, halbieren und in feine Scheiben schneiden. Cornichons (Sud
aufheben) ebenfalls in feine Scheiben
schneiden.
_Sauerrahm mit Crème fraîche, den restlichen Zutaten und dem Cornichon-Sud
zu einer würzigen Marinade verrühren.
_Matjesfilets mit der Radieschensauce
anrichten. Dazu schmecken Pellkartoffeln. #
25
Rechtstipps | Text: Rechtsanwältin Annette Poethke
§ Neues aus dem Familienrecht
Datenklau zwischen getrenntlebenden oder geschiedenen Eheleuten
Sobald Eheleute sich trennen, werden zwei früher miteinander verwobene Leben in zwei einzelne Privatsphären getrennt.
Dieses Verhalten von Felicitas ist sowohl strafrechtlich als auch
zivilrechtlich von Bedeutung.
Da auch eine Trennung der Eheleute innerhalb einer gemeinsamen Wohnung möglich ist, ist die Trennung der persönlichen
Bereiche bei Benutzung eines gemeinsamen Computers hinsichtlich der elektronischen Kommunikation nicht einfach.
Einerseits stellt § 202 a StGB den „elektronischen Hausfriedensbruch“ (Bär MMR 2005,434) unter Strafe bei unbefugtem SichVerschaffen von Daten, die für den Täter nicht bestimmt und
gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind. Die Zugangssicherung muss vom Täter überwunden werden.
Folgender Fall:
Frau Felicitas hatte sich von ihrem Mann Matthias getrennt und
beabsichtigte, Unterhalt für sich und die beiden Kinder Katharina und Klaus geltend zu machen.
Zur Vorbereitung ihres Termins bei ihrer Anwältin probierte sie
mehrere Passwörter am gemeinsamen Computer des noch im
Hause - allerdings getrennt - lebenden Mannes Matthias aus,
der seine persönlichen Daten, um sie vor ihren Einblicken zu
schützen, mit einem Passwort gesichert hatte. Sie fand tatsächlich das richtige Passwort heraus und hatte auf diese Weise Einblick in sämtliche Kontendaten von Matthias.
Andererseits hat das Vorgehen von Felicitas auch zivilrechtliche
Konsequenzen, da sie damit rechnen muss, dass der Ehegattentrennungsunterhalt wegen grober Unbilligkeit verwirkt ist (§
1579 BGB), wegen der Begehung eines schweren vorsätzlichen
Vergehens gegen den Unterhaltspflichtigen bzw. wegen eines
schwerwiegenden Fehlverhaltens gegen Matthias.
Felicitas kann nur empfohlen werden, sich die notwendigen
Informationen für ihren Unterhaltsanspruch über ihren Auskunftsanspruch (nötigenfalls bei Gericht) einzuholen, da sie
ansonsten bei den kriminell beschafften Daten dem im Strafrecht bereits anerkannten Verwertungsverbot auch bei ihrer
Unterhaltsklage unterliegen dürfte. #
Agile Degus suchen ein Zuhause
Die Degu-Weibchen Emma, Rosalie und Karlotta suchen ein neues Zuhause,
in dem sie sich nach Herzenslust austoben und ihrem Kletter- und Nagetrieb frönen können. Hierzu sollte für die knapp zweijährigen Mädels ein
entsprechend großes Gehege mit mehreren Etagen und Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die reizenden Damen sind ein eingespieltes Team und werden nur zusammen abgegeben. Wenn die drei
richtig in Fahrt kommen, kann man den Fernseher auf jeden Fall abschaffen, da es einfach toll ist, sie beim Spielen zusammen zu beobachten.
Tierfreunde Münster e. V., Kötterstr. 198, 48157 Münster
Telefon: 0251/ 32 50 58, Öffnungszeiten:
Samstags und sonntags von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr
www.tierfreunde-ms.de
26
Kurz und Knapp | Texte:
Kurz und knapp
Neulich in der E-Mail
Erwischt
Edel schrieb:
von Manfred Schoon
Leider kann ich meine Geldstrafe nicht
zahlen und eine Ratenzahlung wurde
abgelehnt.
Deshalb muss ich ab dem 21. 4. 90 Tage länger rein und bis zum 20. 7. halt ich
das nicht mehr aus. Ich hab nichts wirklich Schlimmes verbrochen: Schwarz fahren, Beamtenbeleidigung.
Außer ich bezahle 1350 Euro. Jede 15 Euro
wären ein Tag weniger.
Deshalb die Frage: Kennt wer wen oder
hat wer die Möglichkeit die Strafe vorzustrecken, Rückzahlung wären mindestens 75 Euro im Monat. Ansonsten habe
ich überlegt, wenn alle eine Kleinigkeit
spenden, hätte man einiges zusammen,
also auch 5 Euro helfen schon. Bei wirklich größeren Beträgen sorge ich auch für
Rückzahlung.
Rum macht dumm,
sagte meine Mutter
und stellte das Grogglas
meines Vaters forsch zur Seite,
an dem ich heimlich
nippen wollte.
Als er vom Klo wieder
ins Wohnzimmer kam
und weiter trank,
machte ich mir meine Gedanken.
Anzeige
Falls ihr was überweisen wollt, hier die
Daten:
Empfänger: JVA Hövelhof / Stefan
Nig­gen­kemper
Kontonummer: 6465304
BLZ: 25010030 (Postbank Hannover)
Verwendungszweck: Buchnummer
705/09/9 (Geldstrafe)
Futterhilfe Münster e. V.
Wann und wo:
Jetzt jeden Samstag von 15-17 Uhr gibt es
Tierfutter für bedürftige Tierhalter (bitte
Nachweis mitbringen).
Alfred- Krupp-Weg 50 (über den Parkplatz am EKZ Friedrich-Ebert-Str. gehen,
dann nach rechts biegen, nach 250m
kommt die Ausgabestelle). Bushaltestelle Timmerscheidtstr., Linie 5.
27
Bericht | Text: Horst Gärtner
Schlussakkord
Die ersten vier Monate des neuen Jahres waren von schlechten Nachrichten geprägt: Naturkatastrophen und tragische Unglücksfälle mit immens vielen Opfern; nationale und menschliche Katastrophen, die das Leben vieler Menschen und kleiner
Länder dauerhaft verändert haben.
Und dann die Meldungen aus der Finanzwelt, die das Fassungsvermögen von „Otto-Normal-Verbraucher“ längst übersteigen.
Bei der WestLB müssen sich einige Manager jetzt vor Gericht
verantworten, weil sie Risiken am Aktienmarkt ignorierten und
damit der Bank einen Verlust von 600 Millionen Euro zufügten, die Bayrische Landesbank wird knallhart vor die Wand gefahren: Den Verlust von 8 Milliarden Euro trägt der Steuerzahler! Bei der Schweizer USB-Bank wird für das letzte Jahr ein Minus von 1,8 Milliarden Euro bilanziert! Das hindert den Vorstand
nicht daran, seinen Aktionären Bonuszahlungen von 2 Milliarden Euro für die Manager vorzuschlagen! Kopfschüttelnd kann
man nur noch die Bilder registrieren: Da stehen Vorstandsmitglieder, die für dieses Desaster verantwortlich sind, locker plaudernd bei einem Glas Sekt und man hat nicht den Eindruck,
dass das, was sie vielen Menschen, die ihnen ihre Ersparnisse
anvertrauten, angetan haben, irgendwie bedrückt.
Aber es gibt auch gute Meldungen! Staaten legen milliardenschwere Hilfsprogramme auf, gemeinnützige Organisationen
und viele Private sammeln Millionen an Spendengeldern, um
den Menschen in den Naturkatastrophengebieten zu helfen
und – mindestens genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger
– Helferinnen und Helfer aus aller Welt engagieren sich nach
Kräften in den Unglücksregionen! Und seit langem haben Abrüstungsverhandlungen wieder einmal zu Erfolg geführt: Das
Atomwaffenarsenal der Welt wird um ein gutes Stück verringert.
Und bei uns? Die Sparkasse Münsterland-Ost stellt der Stadt
Münster aus dem Überschuss des Jahres 2009 rund 2 Millionen
Euro für Zwecke der Förderung bürgerschaftlichen und trägerschaftlichen Engagements in den Bereichen Bildung/Erziehung,
Soziales, Familie, Kultur, Sport und Umwelt zur Verfügung. Der
Rat hat schon erste Projekte beschlossen. Und weiter hat er
die Stadtverwaltung beauftragt, Möglichkeiten zu prüfen, den
Münster-Pass wieder einzuführen. Und Rümpelfix bekommt
100.000 Euro vom Land NRW für den Bau und die Einrichtung
einer neuen Tischlerei für Menschen mit Behinderungen.
Ich wünsche Ihnen und mir, dass der Mai uns mit kuscheligen
Temperaturen für den langen Winter entschädigt, dass Sie sich
in Ihrem Garten oder auf dem Balkon nach getaner Arbeit beim
Grillen und einem Glas Bier erholen können. #
Charly und Fee
Charly, der schwarz-weiße Kater, liebt seine schwarze Schwester
Fee über alles. Daher sollen beide auch gemeinsam vermittelt
werden.
Charly wird sich nach einer üblichen Eingewöhnungszeit bei den
neuen Dosenöffnern besonders verschmust und menschenbezogen
zeigen. Er genießt es stundenlang auf der Fensterbank oder auf
dem Balkon zu liegen und die Vögel zu beobachten, wobei er ab
und zu auch gerne mal mit seiner Schwester am Katzengras
knabbert. Charly erhält aufgrund einer Getreidemittelallergie
getreidefreies Katzenfutter, das er auch sehr gerne frisst.
Fee, die schwarze Katzendame, hat ein markantes weißes Lätzchen und wunderschöne senffarbene Augen, mit der sie ihre
Umgebung aufmerksam beobachtet. Anfangs ist Fee etwas
scheuer, sobald sie aber Vertrauen gefasst hat, spielt sie sehr
gerne mit ihren Dosenöffnern.
Fee und Charly sind Wohnungshaltung gewöhnt, wünschen sich
jedoch einen Balkon im neuen Zuhause.
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