Chemische Vorgange beim Bleichen von Wolle und Menschenhaar
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Chemische Vorgange beim Bleichen von Wolle und Menschenhaar
jr. Soc.Cosmetic Chemists17 687-701 (1966) Chemische VorgngebeimBleichen yon Wolle und Menschenhaar mitWasserstoffperoxid undPeroxysuren HELMUT ZAHN* [7orgetragen am 10. •Ipril 1964in Darmstadt Synopsis--Chemical Processesduring Bleaching of Wool and Human Hair with Hydrogen PeroxideandPeracids.Changesin chemicalandmechanical propertiesof wool andhumanhair due to oxidativebleachingare described.The reactionof oxidizingagentsis mainly confinedto the disulfidebonds,which are convertedto cystineoxide and cysteicacid residues.The bleaching procedurecan be controlledby determinationof the alkali solubilityand the cysteicacid content in hydrolysates. 1. EINFOHRUNG Wolle und Menschenhaar sindaus Keratin aufgebaut.Sowohlffir die Bleichevon Wolle als auch von Menschenhaar ist Wasserstoffperoxid das wichtigsteBleichmittel.Ziel der Bleicheist die Zerst6rungnatfirlichertoter odergelbbrauner Pigmente oderderenf3berffihrung in hellerebzw.farblose Verbindungen.L•iBt man die betrieblichePraxisauBeracht, so sind Wollund Haarbleichegleich.Bei einer Betrachtungder proteinchemischen Vorg•inge,welchedie Bleichebegleiten,wird der tiefgreifendeEingriffklar, den die Peroxidbleiche darstellt.Eine sorgf•iltigeKontrolle der Bleichbedingungenist ffir die Woll- und Haarerhaltung wesentlich. Im folgendensoll/fiber dasPrinzip der PeroxidbleichesowiederenEinfluB auf die chemischenund mechanisch-technologischen Eigenschaften berichtetwetden. * DeutschesWollforschungsinstitut an der TechnischenHochschuleAachen. 687 688 JOURNAl. OF THE SOCIETY 2. DURCHFOHRUNG OF COSMETIC CHEMISTS DER BLEICHE Die hier gemachtenAusfiihrungenstiitzensichim wesentlichen auf eine Monographievon Marsh (1). Die Wollbleichekann nach demTauch-oder Trockenverfahren durchgefiihrtwetden. Beim Tauchverfahren wetdendie Wollproben1 bis24 Stundenbei50øC in 0,5 bis5 Vol.- %igenL6sungenvon Wasserstoffperoxid behandelt.Bei der Trockenmethodewird die Ware mir einer1,5 bis 10 Vol.-%igen Peroxid16sung impr•igniertund anschlieBend bei 17 bis 27øC getrocknet.In beldenF•illenschlieBtsichan denBleichvorgang eine griindlicheW•ischean. Bleichmittelkonzentration, Temperarutund pH-Wert sindfiir denBleichvorgang wichtigeParameter.Die Wasserstoffperoxidkonzentration richter sichnachder Mengedeszu entfernenden Pigmentsund nachderDicke der Proben.Bleichtemperatur undBleichdauer stehenin umgekehrtem VerNiltnis. So reichenz. B. bei 40 bis 50ø C zwei Stundenaus, w•ihrendbei etwa 30ø C Behandlungszeiten von 12 Stundenerforderlichsind.Das pH derBleichNider ist normalerweise 9. Die Wasserstoffperoxid16sungen enthaltenals StabilisatorenPhosphatzus•itze. Zur Bleiche brauner oder schwarzerWollen (,,farbige Naturwollen") reichteinePeroxidbleiche nicht aus.Man beizt dieseWollenmit einersogenannten,,Eisenbeize",bestehendaus Eisensulfat,Bisulfit und Essigs•iure, bleicht mit Peroxid und schlieBt noch eine reduktive Bleiche mir Sulfit an. Die kosmetische Bleichewird nachGoldenberg(2) heutenahezuausschlieBlich mit Peroxidendurchgefiihrt,z. B. Wasserstoffperoxid, Magnesiumperoxid und Harnstoffperoxid. Handelsiiblichesaute Wasserstoffperoxid16sungen wetdenvor dem Gebrauchmir einer alkalischen,vorzugsweise ammoniakalischen Seifen16sung versetzt.Zur Stabilisierung derBleich16sung undKomplexierung (Chelatisierung) vonMetallionen wirdz. B. •thylendiamintetraessigs•iure (,,Komplexone")zugesetzt.Gebleichtes Haar besitzt eineerh6hteAlkaliempfindlichkeit. Deshalbdarf nachdem Trocknenkein Alkali auf dem Haar verbleiben. Dies wird am leichtestenerreicht, wenn die Bleich16sungen mir Ammoniakalkalischgemachtwetden.NachderBleiche wird sorgf•iltig gespiilt,wozuFlesch(3) PufferlOsungen von pH 2,0 bis3,8 empfiehlt. 3. EINFLUSS DER OXYDATIVEN BLEICHE AUF CHEMISCHE UND I•HYSIKALISCHE WOLL- UND HAAREIGENSCItAFTEN 3.1 IVo//e Die empfindlichste Methodezur Bestimmung mechanischer Keratinfasereigenschaften ist die MessungdesArbeitsverlustes beimDehnenum 20% CHEMISCHE VORGANGE BEIM BLEICHEN 689 oder30% (20- bzw.30-%-Index)nachSpeakman (4). Vielfachbegntigtman sichauchmir einerBestimmungder Festigkeitund Dehnungim trockenen und hassenZustand. So hat z. B. Blankenburg(5) 1961 den EinfiuB einer Peroxidbleicheauf die mechanischen Eigenschaftenyon Wolle durch Bestimmungder NaBreiBfestigkeit yon Einzelfasern untersucht.Aus •4bb. ! ist zu ersehen,dab die NaBfestigkeitbei 4sttindiger Behandlung mir einer 2,5%igenWasserstoffperoxid16sung yon 65 øCum etwa30%, dieReiBarbeit um etwa 45 % erniedrigtwird. 16 15 14 13 12- 11 10 unbeh. 10 •i• • I 20 I 25 rnl H202/1 Abbildung1 AbNingigkeit der Fasernal3festigkeit yon Wolle yon der Wasserstoffperoxidkonzentration bei 4sttindigerBehandlungbei 65 øC (nach Blankenburg1961 (5)). Zwischender Einzelfaser-NaBzugfestigkeit und der Alkalil•Sslichkeit der gebleichten Wolle bestehteinefast lineareBeziehung(•4bb.2). Im Zusammenhangmir •4bb.2 ist hervorzuheben,dab ein so eindeutigerZusammenhangzwischenAlkalil•Sslichkeit und NaB-Zugfestigkeitnut gefundenwird, wenn dieFestigkeitsprtifung anFasernmir gleichemDurchmesser durchgeftihrt wird. Bei der Peroxidbleiche der Wolle und z. B. auch bei der Chlorie- rung ist die Reaktionsgeschwindigkeit gr•SBerals die Diffusionsgeschwindigkelt;dashatzur Folge,dabdieFasersch•idigung durchmesserabh•ingig ist. 690 JOURNAL OF THE SOCIETY OF COSMETIC CHEMISTS kg/mm2 ß• 15- • 1/.,- N 13 ZI 12 o \ \ Abbildung2 L • 11 o Beziehung zwischen Alkali16slichkeitund Einzelfaser-NaB-Zugfestigkeit oxydativ ge- ....i N ,- bleichter 10 ßi i 2'0 40 6'0 80% v ALkaLi'LbsLichkeit Wolle bei einer Bleichdauer yon 4 h, einem pH-Wert yon 9,0, einer Bleichtemperarutvon 65øCund Konzentrationvon 15 ml bzw. 20 ml bzw. 25 ml Wasserstoffperoxid (30%ig) pro Liter (nach Daten von Blankenburg1961 (5)). Leesund Elsworthhaben1955gezeigt(6), dab bei einerPeroxidbleiche von Wolle deren Alkali16slichkeiterh6ht und die Scheuerfestigkeit ernie- drigt wird. Aus •/bb. 3 erkenntman, dab bei hoher Alkali16slichkeit die Scheuerfestigkeit geringist. HoheAlkali16slichkeiten bedeuten beigebleichter Wolle hinsichtlichder Scheuerfestigkeit jedocheine geringereScNidigung alsbei sauergef•irbtenProben (•/bb. 3). 0 S•ure Abbildung3 BeziehungzwischenAlkali16slichkeit und Scheuerfestigkeit gebleichterund sauergefirbter Wolle (nach Lees und Elsworth (6)). CHEMISCHE VORGANGE BEIM BLEICHEN 691 Empfindlicherals die mechanischen Eigenschaften reagiereneinige charakteristische chemischeWolleigenschaften auf eine oxydativeBleiche.So fandenSmith und Harris (10) bei ihren klassischen Arbeiten tiber die Einwirkung von Peroxidl•Ssungen auf Wolle, dab mir steigenderOxydationsmittelkonzentrationund Reaktionstemperatur die L•Sslichkeitvon Wolle in Alkali erNShtund der im TotalhydrolysatbestimmbareCystingehalterniedrigt wird. Die Korrelation zwischenAlkalil•Sslichkeitund Cystingehalt zeigt •4bb. 4. 6C • 5c '• 4c • o 7•8JD ß 90 .,.- D- D- o I1.0 16 Reaktionszeit ß Cystingehalt 18 •) in Stunden o Alkalil•slichkeit Abbildung4 Wirkung einer2-Vol.-% igenWasserstoffperoxidR3sung bei 50 øC auf AlkaliR3slichkeitund Cystingehaltyon Wolle in Abh•ingigkeityon der Reaktionszeit(nachSmithund Harris 1936 (10)). Ein sicheresAnzeichenftir eineoxydativeVeEinderungvon Wolle ist der im TotalhydrolysatbestimmbareCysteinsfiuregehalt. UnbehandelteWolle entNilt ca.0 bis 0,3% Cysteinsfiure im Hydrolysat.Nach einerOxydationist der Cysteinsiiuregehalt erh•Sht(11-14). Nach Mazingueund van Overb•ke (15) ist der Tryptophangehaltvon Wolle nach einer oxydativenBleicheerniedrigt.Die Sfiurel•Sslichkeit steigt bereitsnacheinerleichtenBleiche(,,Aufhellung") (12). Entsprechend zeigt sichnachHenning (16) einegr•SBere Sfiureempfindlichkeit gebleichterWolle auchbei einer saurenBlindf•irbung. 692 JOURNAL OF THE SOCIETY OF COSMETIC CHEMISTS GebleichteWolle weisteine erhOhteAffinit•it gegenfiberbasischen Farbstoffenauf, w•ihrenddie Affinit•itzu S•iurefarbstoffen verringertist (17). Auf dieseterhOhtenAffinit& gebleichterWolle zu basischen Farbstoffenberuht der Nachweisyon oxydativenBleichsch•iden dutchAnf•irbenmit Methylenblauin essigsaurem Bad nachKertess(18). Spezifischer als PeroxidereagierenPeroxys•iuren mir Wolle. Die Aminos•iurezusammensetzung yon mir Peroxyessigs•iure oxydierterWolle wurde yon Cotfield,Robsonund Skinner(19) bestimmt.Dabei wurde gefunden, dab Cystinund Methioninquantitativoxydiertwetden. GeringffigigeVer•inderungen(maximal10%) zeigtennochHistidin, Phenylalanin und Tyrosill. Leveauland (7), dab der Paracortexmir Brom oxydierterWolle st•irker quilltund sichrascherauflOstalsder Orthocortex.FraserundRogers(8) beobachteteneineUmkehrungder relativenAffinit&en der beldenCortexkomponentenzu Methylenblaunach einer Oxydation mir Peroxyessigs•iure. In unbehandelter Wolle himrotder Orthocortex,bei oxydierterderParacortex mehrMethylenblau auf.J&hnliche Resultate erhielten auchMenkartundCoe (9). 3.2 Menschenhaar In der Literaturfindetmannut wenigewissenschaftliche Arbeitenmit chemischenund mechanischen Daten yon gebleichtemMenschenhaar, obwohl die ersten Arbeiten fiber chemischeVorg•ingebei einer durchgreifenden Keratinoxydationnahezu ausschlieBlichan Menschenhaardurchgeffihrt wurden. Bei der Oxydationyon Menschenhaar reit siedendem 30%igenWasserstoffperoxiderhieltenBreinlundBaudisch(20) (21) Schwefels•iure, Salpeters•iure, Schwefel,Kohlendioxid,Essigs•iure, Oxals•iure, Bernsteins•iure, Acetaldehyd, Ammoniakund Aminos•iuren. Edmanund Marti (22) fanden,dabder 20%Index die Gesamtsch•idigung peroxidgebleichtenMenschenhaarsnicht wiedergibt.Dagegenstiegdie AlkalilOslichkeit proportionalderBleichdauer an. Nach Alexander,Carterund Earland (23) wird Wasserstoffperoxid yon Menschenhaarwie yon Wolle adsorbiert.Blankenburgfinder nach einer praxisnahen Peroxidbleiche von Menschenhaar eine Abnahmeder NaBzugfestigkeit von etwa10% (24). Im folgendenwird fiber den EinfiuBverschiedener Versuchsbleichen auf einige chemischeEigenschaften yon Menschenhaar berichtet.Die untersuchten Haarproben wurdenmir zweiBleichmitteln gebleicht. Bei demeinen der beldenPr•iparate(N) handeltees sichum ein flfissiges Haarbleichmittel, dasmir einer6 %igenWasserstoffperoxidlOsung im Verh•iltnis1 : 2 gemischt CHEMISCHE VORGANGE BEIM BLEICHEN 693 wurde.Zur Verst•irkung derBleichwirkung wurdevor derMischung80%iges Ammonium- oder Kaliumperoxydisulfatzugesetzt.Gew6hnlich wird das Haar mit einemPr•iparatdiesetStirke nut einmalgebleicht.In diesemFall wurdedie Behandlung zweimaldurchgeftihrt, um m6glichechemische Ver•inderungen im Haar zu verst•irken.Das zweitePr•iparat(T) war ein starkes Pulverbleichmittel zum Bleichen der Enden einzelner Haarbtindel. Es be- standin der Hauptsache ausMagnesiumoxid, Magnesiumcarbonat, Ammoniumsulfat,Peroxydisulfaten und Verdickungsmitteln.Zu dieseraPulver wurde 6 %igesWasserstoffperoxid gegeben,bis eine dtinnePasteentstanden war. Mit dengenanntenBleichmittelnwurdenBleichversuche fiber eine Stunde bei 30øC durchgeftihrt.Aus den Ergebnissender Tab.Iist vor allem die erh6hteAlkaliempfindlichkeit gebleichterHaare zu erkennen.Weitere Charakteristikasindder verringerteCystin-und der erh6hteCysteinsfiuregehalt. Tabelle I Alkali16slichkeit, Siiure16slichkeit sowieim Totalhydrolysat ermittelteCystein-,Cystin-und Cysteinsiiuregehalte von gebleichtemMenschenhaar Cystin Cystein % Unbehandelt Cysteinsiure Alkali16slichkeit Siiure- 16slichkeit % % % 16.8 0.14 1.18 12.6 3.5 13.1 0.08 6.92 66.6 11.7 13.1 0.07 5.61 33.2 12.3 Zweimal gebleicht rnit Priip. N Einmal gebleicht mit T Die in Totalhydrolysaten ermitteltenAminos•iuregehalte der gebleichten Haaresindin Tab.H zusammengestellt. Dabei wurdennut diejenigen Werte aufgeftihrt,die eine Abweichungvon denjenigenftir die unbehandelten Haarprobenzeigten. Chemische Ver•inderungen desKeratinsk6nnenweiterhindutchPriifung auf einen Abbau reaktiver Seitenketten erkannt werden. Dazu wetden die Haare vor der Totalhydrolysemit 1-Fluor-2,4-dinitrobenzol umgesetzt,wobei die Mercaptangruppen desproteingebundenen Cysteins, die PhenolgruppendesTyrosins,die œ-Aminogruppen desLysinsund die Imidazolgruppen desHistidinsreagieren. Im Totalhydrolysat wetdendanndie entsprechenden Dinitrophenylaminos•iuren (DNP-Aminosiuren)quantitativbestimmt.Die 694 JOURNAl, OF THE SOCIETY Tabelle OF COSMETIC CHEMISTS II Arninosiiureanalysen an Totalhydrolysaten yon unbehandeltern und gebleichternMenschenhaar (Angabenin Gew.~%) Aminos•iure unbehandelt Cystin Cysteinsfiure 2 X gebleicht reit Pr•ip.N 1 x gebleicht mir Pr•ip.T 15.9 1.1 10.6 5.8 Methionin 0.48 0.34 0.26 Histidin 1.00 0.76 0.81 10.4 7.5 8.1 6.4 5.2 5.5 Glutaminsfiure 18.9 16.9 17.5 Serin 12.7 10.3 9.7 Arginin Asparaginsfiure 9.7 5.4 Tyrosin 3.3 2.1 2.2 Valin Prolin 5.1 8.4 4.3 6.3 4.3 6.3 an denmir denobengenannten Bleichmitteln N undT gebildeten HaarenerhaltenenErgebnisse sindin Tab.II[ zusammengestellt. Aus diesetTabelle ist zu ersehen, dab die Zahl der dinitrophenylierten •-Aminogruppen des Lysinsund der phenolischen Hydroxygruppen desTyrosinsbei derBleiche nichtverindertwird.Bei deran Totalhydrolysaten erhaltenen vollst2ndigen Aminos2ureanalyse hingegen (Tab.II) wurdeeinedeutliche Verringerung des Tyrosingehalts registriert.Darausfolgt, dabdie in Hydrolysaten oxydierter Proteinebestimmten Aminosiiuregehalte mir Vorbehaltausgewertet wetden milssen.ReaktiveZwischenprodukte fiihren w2hrendder Hydrolysezu Sekund2rreaktionen. So hat z. B. Thompsongefunden(25), dab nachder Oxydationnicht vollst2ndigentfernteOxydationsmittelreste bei der Proteinhydrolyse Salzs•iure zu Chloroxydieren,welchesTyrosinzu 3-Mono-und 3,5-Dichlor-tyrosinsubstituiert. Tabelle iii Analysendaten an gebleichtem, dinitrophenyliertem Menschenhaar. Wasser16sliche Dinitrophenylaminos•iuren in Mikromolen/g Aminosiiurederivate S-DNP-Cystein unbehandelt 12 2 x gebleicht mir Priip. N 4.0 1 x gebleicht mir Pr•ip.T 3.4 Ne-DNP-Lysin 116 114 112 O-DNP-Tyrosin 118 117 115 CHEM!SCHE VORGJkNGE BEIM BLEICHEN 695 4. THEORIE DER CHEMIE DER KERATINOXYDATION 4. ! _Freies C'•ystin Wolleenth•iltca.12%, Menschenhaar ca.17% Cystin(I). COOH COOH I HC--CHz--S--S--CH•--CH I NH 2 Cystin (I) NH z L•iBtman Peroxideunter mildenBedingungenauf Cystineinwirken,so bildetsichnachHinsberg(25) sowieKolhatkarundBokil (26) Cystindioxid oderThiosulfons•iureester (II), auchSulfenylsulfinat genannt(30). COOH COOH I CH--CH2--S--SO2--CHz--CH NH z NH z (n) Dieset Thiosulfonsiureester (II) wird in saurerL6sungin Cysteinsulfins•iureund Sulfeniumion gespalten (27-29): o R--S--S--R d-H© • RS © -f-RSO•H II o Bei der Oxydation yon Cystin erhieltenToennies und Lavine (27, 31) ein Disulfon (III), dasbei der Hydrolysein Sulfon-und Sulfins•iure zerfiel: o o R--S--S--R -3- H•O --• RSOaH -3-RSO•H II II o o (m) Sch6berlet al. (35-40) fandenbei der Oxydationvon Disulfiddicarbons•iurenmir organischenPeroxys•iuren Dicarboxythiosulfin-(IV) und -thiosulfons•iureester (V): HOOC--R--SO--S--R--COOH HOOC--R--SO•--S--R--COOH (IV) (V) Der bei der OxydationdesCystinsgebildeteThiosulfons•iureester lieferrbei der HydrolyseDisulfid und Cysteins•iure (41): 696 JOURNAL OF THE SOCIETY 5 RSO•--S--R -t- 2 H•O OF COSMETIC • 3 R--S--S--R CHEMISTS d- 4 RSOaH Bei der Einwirkungyon 50%igemWasserstoffperoxid auf radioaktivmarkiertes(asS)CystinentstehennachNischwitz (42): 62% Cysteins•iure (VI) 20% Cysteinsulfins•iure (VII) 14% anorganisches Sulfat COOH COOH CH--CH•--SOaH CH--CH2--SO•H I I NHz NHz (w) (w•) 4.2 Proteingebandenes Cystin Die unter 4.1 geschilderten Grundreaktionendes freien Cystins,n•irnlich die bei durchgreifender OxydationerfolgendeSpaltungderDisulfidbindung in zwei Bruchstiickebzw. die Erhaltung des Cystingertists bei partieller Oxydation,lassensichauchauf die Oxydationproteingebundenen Cystins iibertragen. Nach Lissizin(33) tritt bei der Oxydationyon Menschenhaar mir 2 %iger Permanganat16sung fast der gesarnteSchwefelin Form einer organischen Sulfons•iure, ,,Oxykeratinsulfons•iure", auf. Aus den HydrolysatendesoxydiettenProteinsisolierteLissizin(34) optischinaktiveCysteins•iure. Staryfiihrte 1924-1928grundlegende Arbeiteniiber die Oxydationyon Haarkeratindutch. Er fand, dab Menschenhaar vorund nacheinerOxydationunterschiedlich resistent gegenproteolytische Enzymewar. UnbehandelresHaarwird yon Trypsinnichtverdaut.Mir BrornoderKaliurnpermanganat oxydiertes Haar dagegenwurdeyon Trypsinaufge16st. Stary (32) deutete diesenBefunddutchdieAnnahme,dabdiePolypeptidketten in unbehandelternHaardutchCystindisulfidbriicken rniteinander vemetztsindunddeshalb yon Trypsinnichtangegriffen wetden.Erst nacheineroxydativenSPaltung der Disulfidbriicken, wobeipeptidgebundene Cysteins•iure entsteht,wetden die Peptidkettenfrei, die nun wie norrnalePeptideyon Trypsinangegriffen wetden k6nnen. Der Begriffder Stabilisierung desKeratinsdutchCystin-Disulfidbriicken ist sehrraschanerkanntworden.Abet erstnachder Strukturaufkl•irung des Insulinsdutch Sangeret al. (43) war ein Proteinbekannt,in welchemzwei Peptidketten dutchCystinbriicken vernetztsind,wobei die eineKette noch eineintrachenareDisulfidbriickeentNilt (•4bb. 5). CHEMISCHE VORGANGE BEIM BLEICHEN 697 Oly-Ile -Vol-Glu-Glu-Cy-Cy-Alo-Gly-Vol-Cy-$er-Leu-Tyr-Olu-Leu-Glu-Asp-ryr-Cy-Asp I 2 3 4, 5 6 I 8 9 I0 II 12 I$ 14 15 16 I? la 19 / 5 5 I 21 / 5 5 Phe-Vol-Asp-Glu-His-Leu-Cy-Gly-SerH/s-Leu - Vol-Glu-Alo- Leu-ryr-Leu- Vol- Cy - Gly- Glu-Arg-Gly- Phe-Phe-Tyr- rhr-Pro-Ly$-AlcI I 2 3 4 5 6 ? 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Abbildung5 Insulinformel nach Sangeret al. (43). Am Insulin 12Btsich die oxydativeSpaltungeiner proteingebundenen Cystinbriickeanschaulich zeigen. Sanger(52) oxydiertedie drei CystinDisulfidbindungen desInsulinsmirPeroxyameisens2ure undspaltete dadurch dasProteinin zweiKetten,dieanstelle•von Halbcystinresten•nunmehrjpeptidgebundeneCysteins2urereste enthielten: vat otu &u. NH-CH-C'NH-Ct-I-C.Ata s•vat. NH-CH-C. s,rLou rx•stu L,u Stu •,•Tyr.NH-CH• P I $ • CH 2 PheValA•p.GIuHIsLeuNH-CH-C.•x s• H,,L,uV•IotuAIaLeu.ryr LeuvaI'NH-CH-•'•y o•uArgGIyPhePheryrrhrProLys • o •• 0,25g protel• I5• be•20• + 9 mI H COOH •, •H2-SO3H o so• •o• HO3S-•H2 q•, q•, o + •o• p,, vatA,• Gt•H.*L*•N•CH-C*txs*•Hts'Leu Va t Glu AIa Leu ryrL*u.vat'NH-CH• •1•o/uArg GitPn* Ph,rrrrhrpro Lrs .Mbbi/dung 6 OxydationdesInsulinsmir Peroxyameisensiure nach Sanger(52). Alexander,Hudsonund Fox (44) iibertrugendie Sangersche Arbeitsweise der oxydativenCystinbriickenspaltung auf Wolle, verwendeten jedochanstelle der Peroxyameisens•iure Peroxyessigs•iure. Oxydierte Wolle ist zu etwa90% in verdfinntem Ammoniak16slich.Aus derammoniakalischen sungwurdendie alsa- und7-Keratose bezeichneten Wollproteinfraktionen isoliert.Thompsonund O'Donnell(45) habenWolle mir einerL6sungvon 698 JOURNAL OF THE SOCIETY OF COSMETIC CHEMISTS i Teil 30%igenWasserstoffperoxids in 9 Teilen100%iger Ameisens•iure bei 0øC bis zu 24 Stundenbehandelt.Schon nach 1 Stunde waren 90% der Cystinbindungen oxydiert,nachetwa 4 Stundenwar die Oxydationvollst•indig. BeimBleichenvon Wolle und Menschenhaar wetden die Oxydationsmittel unter dem Gesichtspunkt optimaletEntf•irbungbei minimalemKeratinabbaueingesetzt. Daher wird bei der oxydativenBleichenut ein Tell desCystins oxydiert.Bei partiellerOxydationkommt eswie beim freien Cystin(4.1) zur Ausbildungvon Intermedi•irprodukten. Smithund Harris zeigten,dab bei der Oxydationvon Wolle mir Wasserstoffperoxid folgendeIntermedi•irprodukteleichtgebildetwetdenk6nnen (46, 48): R--SO--S--R Thiosulfinsiiureester oder Sulfenylsulfenat (3O) R--SO2--S--R Thiosulfonsiureester oder Sulfenylsulfinat R--SO--SO--R Disulfoxid R--SO:--SO--R Sulfoxid-Sulfon R--SO2--SO2--R Disulfon GebleichteWolle und Cystindisulfoxide wetdenim Gegensatzzu unbehandelterWolle von siedenden Bleiacetat16sungen nicht unter H2S-AbspaltungundPbS-Bildung angegriffen. WeltereHinweiseffir dasVorhandensein von pattiellenOxydationsprodukten desCystinsin oxydierterWolle sinddie groBenUnterschiede im ,,Cystingehalt" desHydrolysatsund in derintakten Faser(47). In den Hydrolysatenwurde mehr Cystingefundenalsan der intaktenFaser.Das weist daraufhin, dab die pardellenOxydationsprodukte desCystinserstbei der Hydrolysegespalten wetdenund u. a. Cystinzurfick- bilden.DiesesErgebnisist in guterObereinstimmung mir Resultaten von Harris und Smith (48), die schon1937 gezeigthaben,dab die Cystinoxide unterdenBedingungen der Proteinhydrolyse unbest•indig sindund teilweise in Cystin zurfickverwandeltwetden. Dabei bildet sich auBerdemCysteins•iure.Man erh•ilt demnachaus den Analysenergebnissen an Hydrolysaten oxydierterWolle ein falschesBild. Stein und Guarnaccio(49) konnten Cystinoxidein Wolle infrarotspektroskopisch nachweisen.Eine neuere Arbeit fiber partielleOxydationsprodukte desCystinsin Wolle stammtvon Sweetman, Eager,MacLarenundSavige(50). 5. SCHLUSSFOLGERUNGEN Aus den im letzten Kapitel geschilderten Ergebnissender Cystin-und Proteinchemiekann man schlieBen,dab bei der oxydativenBleichedie ffir die Stabilit•itder KeratinfasemwichtigenCystinbindungen oxydiertwetden. CHEMISCHE VORG•NGE BEIM BLEICHEN 699 Es ist offensichtlich aussichtslos, nacheinemoxydativenBleichverfahren zu suchen,beiwelchemkeineScNidigung auftritt.Die geschilderten Ergebnisse regenjedochdazuan, mit geeignetenAnalysenmethoden zu prfifen, ob bestimmteBleichrezepturen vom Standpunktder Haarerhaltungaus gut sind oderob eineANinderungdesRezeptserforderlich ist. FLiteineKontrolleder HaarscNidigung ist nachwie vor die Bestimmungder Alkali16slichkeit, die auchyon Edman und Marti (22) zur PrfifunggebleichterHaare herangezogenwurde,geeignet. Wenn auchnachdem obenGesagtender Cystin-und Cysteins•iuregehalt in HydrolysatenoxydierterWolle kein exaktesMaB ffir die Zahl der tatsfichlich oxydiertenCystinbindungen ist, soist nachunserenErfahrungendie BestimmungdieserAminos•iuren,vor allem der Cysteins•iure (53), zum Nachweis einer Bleiche •iuBerst charakteristisch. SchlieBlich ist es ffir den Praktiker nichtwichtig,denabsoluten Cystingehalt desgebleichten Haareszu kennen. Er will lediglichKorrelationenzwischenbestimmtenAnalysendaten und der Bleichefinden.Soliefeftz. B. unbehandeltes Haar etwa0,5•/0Cysteins•iure im Hydrolysat.Bei einer schonendenBleiche steigt dieset Weft auf 2-3%. Eine Bleichebis zur mit dem Auge wahrnehmbaren HaarscNidigung liefeft 6,5% Cysteins•iure im Hydrolysat.Darin ist sowohldie primire alsauchdie w•ihrendder Proteinhydrolyse gebildeteCysteinsfiure enthalten.Zur Bestimmungprim•irerCysteins•iure seiauf die ErmittlungdesSfiurebindeverm6gens nachThompsonund O'Donnell (51) verwiesen. ZUSAMMENFASSUNG Die Durchffihrungder oxydativenBleichevon Wolle und Menschenhaar sowiediedabeiauftretenden Ver•inderungen derchemischen undmechanischtechnologischen Eigenschaften wetden beschrieben. GebleichteWolle und gebleichtes Haar zeigeneineverringerteNaBfestigkeit, erniedrigteS•iurebindung, ver•inderteAffinit•it zu Farbstoffen,erh•ShteAlkalil•Sslichkeit sowie einegr•SBere Anf•illigkeitgegenS•iuren.Hauptangriffspunkt desOxydationsmittels ist die Cystin-Disulfidbrficke,deren Oxydation fiber CystinoxidgruppenschlieBlich zur Spaltungunter Bildung yon Cysteins•iuregruppen ffihrt. Die empfindlichstenchemischenPrfifmethodenzum Nachweis yon BleichscNiden sindAlkaliRSslichkeit und Cysteins•iuregehalt im Totalhydrolysat. (Eingegangen: Z Juni 1966) 700 JOURNAL OF THE SOCIETY OF COSMETIC CHEMISTS LITERATUR (1) Marsh,J. T., An Introduction to TextileBleaching, 4. Aufl., London,ChapmanandHall., Ltd. (1956). (2) Goldenberg,R. L., Drug. cosmet. Ind. 89, 446 (1961). (3) Flesch,P., Proc.scient. Sect.,ToiletGoods Assoc.,Nr. 32, 1 (1959). (4) Speakman,J. B., J. TextileInst. 18, T 431 (1927). (5) Blankenburg,G., Dissertation, T. H. Aachen, 1961. (6) Lees,K. und Elsworth,F. F., Proc.Int. 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