Versuch 7: Elektrophysiologie
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Versuch 7: Elektrophysiologie
VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE THEORETISCHE GRUNDLAGEN ELEKTROLYTISCHE LEITUNG Elektrolyte sind Stoffe, deren Moleküle in einem Lösungsmittel zu Ionen dissoziieren, eine Elektrolytlösung kann daher elektrischen Strom leiten. Taucht man Drähte oder Platten ("Elektroden") aus einem Metall (z.B. Platin, Silber) in eine Elektrolytlösung ein, so fließt beim Anlegen einer Gleichspannung U ein elektrischer Strom I durch die Lösung. Dieser Ladungstransport kommt dadurch zustande, dass in der wässrigen Lösung positive Ionen (Kationen) zur einen Elektrode (Kathode), negative Ionen (Anionen) zur anderen Elektrode (Anode) wandern. Im Gegensatz zur elektrolytischen "Ionenwanderung" werden in metallischen Leitern die Ladungen über die Elektronen (e-) transportiert. An der Grenzfläche Elektrode/Lösung findet also ein Übergang von einem "elektronischen" zu einem "ionischen" Leitungsmechanismus statt. Dieser ist mit einer chemischen Reaktion an den Elektroden ("Elektrolyse") verbunden. In einem solchen System (Abb. 123) laufen folgende Reaktionen ab: Kathode: 2 H + (Lösung) + 2 e- (Metall) → H 2 (gasförmig) Anode: 2 Cl − (Lösung) → 2 e- (Metall) + Cl 2 (gasförmig) - + I e- + e- H2 - H + + + - + + + - Cl- + - Cl2 + - - wässrige HCl-Lösung + - + Abb. 123: Elektronische und ionische Leitung Fließt während der Zeit t ein konstanter Strom I, so wird insgesamt die Ladung Q = I × t transportiert. Q wird in der Einheit Coulomb angegeben (1 C = 1 A s). Die an den Elektroden umgesetzten Stoffmengen sind proportional zur transportierten Ladung Q. Für die Abscheidung von 1 Mol einer einwertigen Ionensorte benötigt man 96500 C; diese Zahl bezeichnet man als FARADAY-Konstante: F = 96500 C×mol-1 F = e0 × NA e0 = 1,602×10-19 A s (Elementarladung) NA = 6,023×1023 mol-1 (Avogadrokonstante) 145 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE Für eine Ionensorte der Wertigkeit z benötigt man zur Abscheidung von n mol die Ladung Q = nzF DIFFUSION Diffusion ist ein Stofftransport, der auf Konzentrationsunterschieden des Stoffes in einem Lösungsmittel beruht. Sie wird durch die Brownsche Molekularbewegung verursacht und ist vom Ort höherer Konzentration zum Ort niedrigerer Konzentration gerichtet. Zwei Räume V1 und V2 sind zunächst durch eine herausziehbare, für H2O und gelöste Partikel undurchlässige Wand getrennt. Im Volumen V1 sei ein Nichtelektrolyt der Konzentration c gelöst, in V2 sei nur H2O enthalten. Wird die Wand entfernt, dann kann der Nichtelektrolyt von V1 so lange in das Volumen V2 einströmen, bis in beiden Räumen die gleiche Konzentration herrscht. Der Nichtelektrolyt expandiert also in das Volumen V2 wie ein ideales Gas in einen Raum niedrigeren Drucks. Die pro Zeiteinheit (dt) durch die Fläche (A) strömende Menge (dN) an Nichtelektrolyt ist proportional dem Konzentrationsgefälle (c1 - c2 bzw. ∆c) entlang des Weges (dx): dN dc = − DA dt dx (Ficksches Diffusionsgesetz) Der Ausdruck auf der linken Seite der Gleichung wird als Flux f (mol s-1m-2) bezeichnet, der Proportionalitätsfaktor D ist der so genannte Diffusionskoeffizient mit der Einheit m2 s-1. Das negative Vorzeichen ergibt sich aus der Molekülwanderung in Richtung abnehmender Konzentration. Der Diffusionskoeffizient kann (nach Einstein) geschrieben werden als: D= R = Gaskonstante N A = Avogadro-Zahl RT NA f T = absolute Temperatur f = Reibungswiderstand Der Reibungswiderstand ist abhängig von der Viskosität η Molekülradius r: des Lösungsmittels und dem f = 6π η r Im lebenden Organismus kommt die einfache Diffusion praktisch nicht vor, da die gelösten Stoffe in den Zellen immer mit anderen Substanzen in Wechselwirkung stehen. Ist die Wechselwirkung günstig für den Transport des Stoffes, dann spricht man von erleichterter Diffusion, im ungünstigen Falle von eingeschränkter Diffusion. Diffundieren Stoffe durch eine Membran, so wird im Allgemeinen die Ausbreitung des Stoffes in das Volumen V2 durch den höheren Widerstand der Membran gebremst. Die Gleichverteilung des in V2 eingeströmten Nichtelektrolyten ist dagegen vergleichsweise unendlich schnell. Die Geschwindigkeit der Diffusion wird eher von den Eigenschaften der Membran beeinflusst: Porenradius, Porenlänge, 146 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE Anzahl der Poren und die Dicke der Membran werden hierbei als d (Einheit m) zusammengefasst. Die Permeabilitätseigenschaften der Membran beschreibt der Permeabilitätskoeffizient P. dN = PA ∆ c dt P= −D d OSMOSE Ideale Membranen, die nur für H2O durchlässig sind, werden als semipermeabel bezeichnet. Biologische Membranen sind dagegen selektiv permeabel, sie lassen nur ganz bestimmte Moleküle durchströmen. Sind zwei Räume V1 und V2 mit einer gleichartigen Lösung unterschiedlicher Konzentration gefüllt und durch eine bewegliche semipermeable Membran getrennt, dann tritt eine einseitig verlaufende Diffusion auf: In den höher konzentrierten Raum V2 werden solange Lösungsmittelmoleküle aus dem Raum V1 diffundieren, bis die Konzentrationsdifferenz (c2 - c1) ausgeglichen ist. Natürlich diffundieren Lösungsmittelmoleküle auch in die andere Richtung, aber die höher konzentrierte Lösung wird solange verdünnt, bis im zeitlichen Mittel gleich viele Lösungsmittel-Moleküle in beide Richtungen diffundieren (Fließgleichgewicht, dynamisches Gleichgewicht). Sind die zwei Räume durch eine starre semipermeable Membran getrennt (Pfeffersche Zelle), so kommt es nicht zum vollständigen Konzentrationsausgleich. V2 sei mit einem Steigrohr versehen, in welches das hineindiffundierende Lösungsmittel expandieren kann. Auch wenn gleich viele Lösungsmittelmoleküle in beide Richtungen diffundieren, herrscht in V2 noch eine höhere Konzentration, da der hydrostatische Überdruck keine weitere Verdünnung zulässt. Äquimolare Lösungen verschiedener Nichtelektrolyte haben bei gleicher Temperatur denselben osmotischen Druck (van't Hoffsches Gesetz). Zur Berechnung von isotonischen (oder auch isoosmotischen) Lösungen von Elektrolyten müssen dagegen Korrekturfaktoren angebracht werden. Man findet sie in physikalischchemischen Tabellenwerken als osmotische Koeffizienten (engl. osmosity) für unterschiedliche Konzentrationen aufgelistet. Der hydrostatische Überdruck wird als osmotischer Druck bezeichnet. Er ist umso höher, je größer der Konzentrationsunterschied ist. Analog zum Gasdruck p lässt sich der osmotische Druck eines Nichtelektrolyten formulieren: π = RT c (van´t Hoffsches Gesetz) Für die osmotische Druckdifferenz ∆π zwischen zwei Räumen verschiedener Konzentrationen gilt entsprechend: ∆ π = RT ∆ c 147 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE DONNAN-GLEICHGEWICHT Sind zwei Räume V1 und V2 durch eine auch für Elektrolyte permeable Membran getrennt, dann stellt sich bei anfänglichem Konzentrationsunterschied nach hinreichend langer Zeit ein Gleichgewichtszustand ein. Anionen (A − ) und Kationen (M + ) diffundieren dabei gemeinsam durch die Membran, da ohne Energieaufwand keine Ladungstrennung möglich ist. Die Konzentration der Anionen [A − ]1 und Kationen [M + ]1 im Raum V1 ist bei einem solchen Fließgleichgewicht ("steady state") gleich der Konzentration [A − ]2 und [M + ]2 im Raum V2. A − M + = A − M + 1 1 2 2 M + A − 1 2 = = g M + A − 2 1 Der Quotient g beschreibt das Donnan-Gleichgewicht. Für frei diffundierbare Ionen ist g = 1, in lebenden Zellen ist jedoch stets g < 1 und zeigt damit ein Potential an, das durch reine Diffusion ohne äußere Energiezufuhr auskommt. Der pH-Wert des Cytosols liegt in der Regel um 7. Da der isoelektrische Punkt (siehe Elektrophorese) der Zellproteine bei pH 5 liegt, kommen diese in der Zelle als Anionen (Pr − ) vor. Ist eine Zellmembran für die intrazellulären Proteine (Pr − ) impermeabel, für kleinere Kationen und Anionen (z.B. K + , Cl − ) aber permeabel, so wird im Gleichgewichtszustand die Gesamtkonzentration der freibeweglichen intrazellulären Ionen größer sein als die der freibeweglichen extrazellulären Ionen. Sowohl intrazellulär als auch extrazellulär herrscht Elektroneutralität: M + = A − innen Pr − innen innen M + = A − aussen aussen Damit ist die Konzentration an Kationen innen größer als die Konzentration freier Anionen M + > A − innen innen und damit folgt: M + A − innen aussen = → g< 1 M + A − aussen innen Außerdem tragen die impermeablen Proteine (Pr − ) zu einer Erhöhung der intrazellulären Ladung bei. Für die frei diffundierbaren Ionenkonzentrationen gilt: ( ) A − + M + innen = A − aussen + n + M + aussen innen n = Differenz zwischen intrazellulärer und extrazellulärer Ionenzahl Für die jeweiligen Gesamtkonzentrationen ci und ce gilt: 148 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE ( ) cinnen = A − innen + Pr + innen + M + innen = A − aussen + n + Pr + innen + M + aussen c aussen = A − aussen + M + aussen Es gibt also im Zellinneren (Pr − + n) mehr Ionen als außerhalb der Zelle. Der Konzentrationsunterschied bewirkt einen höheren osmotischen Druck in der Zelle: ∆π K ( = RT n + Pr − ) Dieser kolloidosmotische Druck wird nicht nur von den Proteinmolekülen, sondern auch von den Gegenionen verursacht. Dieses Ungleichgewicht der Ionen hat ein Trans-Membranpotential (TMP) zur Folge, das sich mit der Nernst-Gleichung für z-wertige Ionen quantitativ angeben lässt: + A − RT M aussen RT TMP = ln = ln − innen + zF zF M A innen aussen Definitionsgemäß ist der extrazelluläre Raum auf Potential 0 gelegt, damit ist der intrazelluläre Raum für alle g < 1 auf negativem Potential. Für Zimmertemperatur und monovalente Ionen gilt die Abschätzung: M + aussen TMP ≈ 59 mV log + M innen DIFFUSIONSPOTENTIALE Sind positive und negative Ionen in einer Lösung in gleicher Anzahl vorhanden und gleichmäßig verteilt, so erscheint diese Lösung nach außen hin neutral. Grenzen zwei Lösungen eines Elektrolyten verschiedener Konzentrationen aneinander, so diffundieren die Ionen in den weniger konzentrierten Raum und bewirken damit einen Ausgleich der Konzentrationsdifferenz. Sind jedoch die mittleren Diffusionsgeschwindigkeiten von Anionen und Kationen unterschiedlich, so werden die beweglicheren Ionen schneller in das Gebiet der kleineren Konzentration wandern. Infolge der räumlichen Trennung der positiven und negativen Ladungsträger baut sich vorübergehend ein elektrischer Potentialgradient auf, der als Diffusionspotential E bezeichnet wird und allein auf passiven Transportvorgängen beruht. Das so aufgebaute elektrische Feld verhindert weitere Ladungstrennung. Die Polung des Potentials hängt davon ab, welche Ionenart schneller wandert. Die Potentialdifferenz ist abhängig von der Temperatur, welche die Diffusionsgeschwindigkeit der Ionen beeinflusst, und dem Konzentrationsunterschied, der die Anzahl der wandernden Ionen bestimmt. Für die Ladungstrennung wird elektrische Arbeit (U z F) geleistet, die der Arbeit entspricht, die für den Konzentrationsausgleich benötigt wird. Dies ist die osmotische Arbeit, mit Berücksichtigung der unterschiedlichen Diffusionsgeschwindigkeiten für Anionen (v) und Kationen (u): 149 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE u − v RT c1 ln u + v zF c2 u RT c1 v RT c1 Wel = U z F = ln − ln u + v zF c2 u + v zF c2 U= Einige Beispiele für die Diffusionsgeschwindigkeiten von Ionen mit Hydrathülle (Einheit (cm s1 )/(V cm-1)): u(H + ) = 318 u(Na + ) = 43.5 u(K + ) = 64.7 v(OH − ) = 174 v(Cl − ) = 65.4 Für 18 C und z = 1 gilt: Udiff ≈ 59 mV u− v c log 1 u+ v c2 c1 / c2 sei 10 / 1: dann ist EHCl = 38 mV, ENaCl = -12 mV BIOLOGISCHE MEMBRANEN Jede lebende Zelle ist von einer Membran umgeben, die sie von der Außenwelt abgrenzt. Auch im Zellinneren sind Membranen vorhanden die das Zytoplasma in viele kleine Reaktionskompartimente unterteilen und so ein geordnetes Nebeneinander unterschiedlichster Stoffwechselprozesse zulassen. Biologische Membranen bestehen aus 3 Komponenten: • ca. 40% Lipiden • ca. 50% Proteinen • ca. 10% Polysacchariden KÜNSTLICHE MEMBRANEN Viele Erkenntnisse über den Bau und die Funktionen von Membranen wurden an künstlichen Membranen gewonnen. In diesem klassischen Gebiet der Biophysik wird auch heute noch geforscht. Künstliche Membranen können aus Lipiden hergestellt werden. P HOSPHOLIPIDE Natürliche Lipide sind z.B. Lecithin und Phosphatidylcholin. 150 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE H H H H H + N H H H H H H H polar hydrophil O O - P O O H H H H H O O O O H H H HH H H H HH H HH H H H HH H H HH H HH H H H H H unpolar hydrophob HH H HH H HH H H HH H H HH H H HH HH HH HH H H HH H H HH H H HH H H Abb. 124: Aufbau eines Phospholipids. Beispiele für Alkoholreste sind: Cholin, Serin, Ethanolamin und Inosit (Zucker). Die Fettsäuren sind immer geradzahlig (C16- C24), gesättigt oder ungesättigt. Es gibt aber auch Lipide die anders aufgebaut sind z.B. Cholesterin. Allgemein sind Lipide amphipathische Moleküle, d.h. sie bestehen aus einem polaren hydrophilen und einem unpolaren lipophilen Teil SELF A SSEMBLY Aufgrund dieser Struktur bilden Lipide in Wasser spontan Aggregate. Man unterscheidet 3 verschiedene Formen: • Monolayer Filme: Lipidfilm an der Oberfläche • Micellen: z.B. in Milch, Nivea-Creme • Bilayer, Vesikel: Lipiddoppelschicht formt sich z.B. zu Vesikeln; diese können auch mehrschichtig sein (Liposomen) Lipidfilm “monolayer” Lipiddoppelschicht “bilayer” Lipidmicellen Abb. 125: Self-Assembly von Lipiden DIFFUSION INNERHALB EINER MEMBRAN Lipid-Membranen verhalten sich wie zweidimensionale Flüssigkeiten. Für die einzelnen Lipidmoleküle ergeben sich daraus zwei Möglichkeiten, sich innerhalb dieser Struktur zu bewegen. 151 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE • Laterale Diffusion: sehr schnell ( ~ 10 -7s) Austausch von Lipiden innerhalb einer Schicht. Abb. 126: Laterale Membranlipiden • Diffusion von "Flip Flop"/Transverse Diffusion: sehr langsam ( >> 1d) Austausch von Lipiden zwischen den Schichten. Abb. 127: Transversale Membranlipiden Diffusion von Membranen können asymmetrisch sein: inner- und outer leaflet P HASENZUSTÄNDE Wird eine Membran bis unterhalb einer bestimmten Temperatur abgekühlt, so "gefriert" diese zweidimensionale Flüssigkeit und wird gelartig. Abb. 128: Phasenübergang beim "Schmelzen" der Membran 152 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE Bei welcher Temperatur dies eintritt ist von den Fettsäurenlängen abhängig: C14 ~ 24° C C16 ~ 41° C C18 ~ 55° C Lipide mit Doppelbindungen existieren bis ca. -22°C in der fluiden Phase. Der Cholesteringehalt verstärkt die Fluidität einer Membran. Sie bleibt bei tiefen Temperaturen länger flüssig, wenn mehr Cholesterin vorhanden ist. FLUID-MOSAIK MODELL Das Fluid-Mosaik Modell von Singer & Nicholson erklärt die Diffusionseigenschaften von Proteinen bzw. Lipiden in einer Membran. Abb. 129: Fluid-Mosaik Modell von biologischen Membranen nach Singer und Nicholson (1972) Proteine "schwimmen" in einer zweidimensionalen Flüssigkeit aus Lipiden (vgl. Abb. 127). Protein- Lipidverhältnis beträgt: 1,5:1 bis 4:1 Membranproteine integrale extrinsisch intrinsisch periphere Proteine Proteine die Lipide binden nennt man Lipoproteine. Glycoproteine, d.h. Proteine die mit Zuckerresten verknüpft sind, finden sich vor allem auf der Zellaußenseite. 153 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE PASSIVE ELEKTRISCHE EIGENSCHAFTEN VON MEMBRANEN Aufgrund der in die Membran eingelagerten Transportproteine für Ionen ist die Membran für Ladungsträger durchlässig, d.h. sie leitet den elektrischen Strom und hat somit einen Widerstand R bzw. einen Leitwert G. R Abb. 130: Ein sehr einfaches Ersatzschaltbild: Die Membran als Ohmscher Widerstand. Damit gilt auch für biologische Membranen das Ohmsche Gesetz: U =R I oder R= U I Dieser Zusammenhang wird oft durch eine Strom-Spannungskennlinie dargestellt, bei der der Strom über die Spannung abgetragen wird. Für einen Ohmschen Leiter R=U =const . )sieht dieses Diagramm so aus: I 0,2 I / mA 0,1 0,0 R -0,1 -0,2 -150 R = 1 kOhm R = 2 kOhm R = 5 kOhm -100 -50 0 50 100 150 U / mV Abb. 131: Strom-Spannungs Kennlinie eines Ohmschen Widerstands. 154 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE Der Leitwert ist der Kehrwert des Widerstands 1 I G= = R U er wird in der Elektrophysiologie häufig verwendet, da die verschiedenen Leitfähigkeiten in der Membran parallel geschaltet vorliegen, wodurch sich die Gesamtleitfähigkeit einer Membran bei dieser Darstellung durch einfache Addition der Einzelleitfähigkeiten ergibt. KAPAZITIVE EIGENSCHAFTEN VON MEMBRANEN Biologische Membranen bestehen aus einem Nichtleiter – der Lipiddoppelschicht, die zwischen zwei elektrolytischen Leitern – dem Zytoplasma und dem extrazellulären Medium – eingeschlossen ist. Diese Anordnung wirkt elektrisch als ein Kondensator. C Abb. 132: Noch ein einfaches Ersatzschaltbild: Die Membran als Kondensator. Die Kapazität eines Kondensators berechnet sich nach: C =ε r ε 0 Daraus kann man die spez. Kapazität • • • C μF = A cm 2 A d einer Lipidmembran berechnen. die Dielektrizitätskonstante von Vakuum ist: ε = 8 . 86 × 10- 12 A s 0 V m die Dielektrizitätskonstante von Öl (Lipiddoppelschicht ) ist ε r ≈ 2 und die Dicke einer Lipiddoppelschicht ist d ≈5 nm C 1 As 1 =8,86×10−12×2 -9 A 5×10 V m m As ≃4×10−3 V m2 μF ≃ 0,4 cm 2 155 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE Biologische Membranen haben dagegen eine etwas höhere spezifische Kapazität von ca. 1 μF/cm 2 . Damit lässt sich durch eine Kapazitätsmessung relativ leicht die Oberfläche der Zellmembran bestimmen. Kleine Säugerzellen (z.B. HeLa-Zellen) haben eine Membrankapazität von 25-30 pF d.h.: 30×10−12 F 1×10−6 F cm 2 =30×10−6 cm 2 =3×103 μm2 A= diese Zellen haben also eine Membranoberfläche von ca. 3000 μm 2 . Dieser Wert ergibt sich auch, wenn man die Zelle als eine Kugel mit einem Radius von 15 μm betrachtet: A=4π r 2 . Dieser Wert ist aber zu hoch (HeLa-Zellen haben einen Radius von 6 μm ), weil die Zelle keine ideale Kugel ist und ihre Plasmamembran zahlreiche Ausstülpungen zeigt. Die Ladungsverschiebung über einen Kondensator berechnet sich nach: Q=C U • spezifische Kapazität 1µ F/cm2 • Zelloberfläche ~ 3 × 10- 5cm2 • Zellkapazität ~30 pF • Membranpotential ~ -90 mV Q=30 pF 90 mV =2,7×10−12 C ≃3×10-17 Mol d.h. um ein Membranpotential von -90 mV zu erzeugen, müssen ca. 3 ¿ 10-17 mol oder 150 Millionen Ladungsträger (z.B. K+-Ionen) über die Membran transportiert werden. Der dazu notwendige Verschiebestrom ist zeitabhängig: I=C dU dt d.h. die Spannung der Membran reagiert auf das Ein- und Ausschalten eines Stroms ebenfalls mit einem exponentiellen Zeitverlauf, der sich asymptotisch der Maximalspannung annähert. Die Membran verzerrt also den Zeitverlauf eines angelegten (Stimulations-) Signals. 156 I U PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE U I t Abb. 133: Ladestrom und Spannung an einem Kondensator. ERSATZSCHALTBILD FÜR EINE BIOLOGISCHE MEMBRAN Biologische Membranen verhalten sich daher wegen der relativ hohen Ionenpermeabilität wie eine Parallelschaltung von Widerstand und Kondensator. Aufgrund dieser Überlegungen lässt sich somit ein erstes vereinfachtes Ersatzschaltbild einer biologischen Membran aufzeichnen, das aber bereits alle wesentlichen Elemente (Lipidmembran und Transportproteine) elektrisch repräsentiert. C R Lipid Kanal Abb. 134: Einfaches biologischen Membran KABELEIGENSCHAFTEN DER Ersatzschaltbild einer MEMBRAN Zellen besitzen darüber hinaus aber noch eine räumliche Ausdehnung, häufig mit langen dünnen Fortsätzen. 157 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE Axon Abb. 135: Kabeleigenschaften von biologischen Membranen in Zellfortsätzen z.B. dem Axon bei Neuronen. Verknüpft man diese Eigenschaften mit dem hohen Widerstand einer Elektrolytlösung, so verhalten sich besonders die dünne Zellfortsätze (z.B. Axone oder Dendriten) wie ein Überseekabel in der Telegraphie. D.h. die Stärke eines an einem Ende eingespeisten Signals (Reizspannung U0) nimmt über die Länge x des Fortsatzes (= Kabels) exponentiell mit einer Längskonstanten λ ab. − U x =U 0 e x λ (Kabelgleichung) rel. Signalamplitude % 100 80 60 40 20 0 -40 -20 0 x 20 40 Abb. 136: Verlauf der Signalamplitude entlang eines Kabels. Die Kabelkonstante λ ergibt sich aus den Eigenschaften des Kabels λ= r Rm 2 Ri Zähler: Flächenwiderstand der Hülle (Membran) [Ω cm2] Nenner: spez. Widerstand des Kerns [Ω cm] Für das Riesenaxon des Tintenfischs gilt: • • • Radius r ~ 0,25 mm spezifischer Membranwiderstand Rm ~ 700 Ω cm2 spezifischer Innenwiderstand Ri ~ 30 Ω cm => Kabelkonstante ~ 3 mm 158 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE Bei Nervenfasern sind wie bei Überseekabeln möglichst große Kabelkonstanten erwünscht. Dies erhält man über den Querschnitt (z.B. Riesenaxon bei Invertebraten) λ ∝ r oder über die Isolierung (Hüllwiderstand z.B. durch Myelinisierung bei Vertebraten) λ ∝ R m da Ri konstant (intrazelluläres Milieu) RUHEPOTENTIAL EINER ZELLE Viele Eigenschaften lebender Organismen sind an das Vorhandensein spezifischer Membranen gebunden. Besondere Eigenschaften dieser Membranen bedingen unterschiedliche Ionenverteilungen bzw. -konzentrationen und sind die Ursache für elektrische Potentialdifferenzen zwischen Innerem und Äußerem des jeweils abgegrenzten Kompartimentes, z.B. eines Zellkerns, eines Mitochondriums oder einer Zelle. Diese Potentiale werden allgemein Membranpotentiale genannt. Voraussetzung für die Entstehung elektrischer Potentiale über Biomembranen sind Ungleichverteilungen von Ionen. Aus lebenden Zellen lassen sich mittels geeigneter Meßsysteme charakteristische Spannungen ableiten, die Ruhepotentiale genannt werden. Sie liegen im Bereich zwischen zehn und hundert Millivolt und sind zeitlich konstant. Bezogen auf das extrazelluläre Milieu liegt der Cytoplasmaraum dabei stets auf negativem Potential. Als Ladungsträger können nur die Ionen in Frage kommen, die zu beiden Seiten der Membran in ausreichenden Konzentrationen vorliegen. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Na+, K+ und Cl-. Auf der Innenseite kommen als Anionen außerdem Proteine und organische Phosphate hinzu. Diese relativ großmolekularen intrazellulären Protein- und Phosphat-Anionen wirken als fixierte Festladungen der Zelle einschränkend auf die Beweglichkeit der Kaliumionen und bauen ein Donnan-Potential auf (s.o.). Stoffwechselabhängige Ionentransportprozesse (Na+/K+-Pumpe) bewirken eine weitere Trennung der Natrium- und Kaliumionen und halten das Ruhepotential der Zellen aufrecht. Nach Blockierung der Na-K-Pumpe stellt sich ein Potential ein, das sich aus Diffusionspotential und Donnan-Potential zusammensetzt. Dabei strebt der Nettostrom der Ionen einem Gleichgewichtszustand zu. Ist dieses Gleichgewicht erreicht, sind Einstrom und Ausstrom der Ionen gleich, d.h. der Nettostrom ist null, dann spricht man vom Donnan-Potential einer bestimmten Ionensorte. In diesem Gleichgewichtszustand entspricht z.B. die elektrische Arbeit Wel, die zum Übertragen einer bestimmten Menge Kaliumionen auf die andere Seite der Membran notwendig ist, der osmotischen Arbeit Wosm, die zum Transport der gleichen Kaliummenge gegen einen konstanten Konzentrationsgradienten notwendig ist. 159 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE Wel = Wosm U z F = R T ln U= c1 c2 R T c1 ln z F c2 (Nernst-Gleichung) Mit dieser NERNST-Gleichung für einwertige Ionen lässt sich das exakte Potential im Gleichgewichtszustand des betreffenden Ions errechnen. Bsp.: K+: Konzentrationsverhältnis c1/c2 = 1/30 1 30 1 ≈ 59 mV log 30 ≈ 59 mV( − 1, 48) ≈ − 85 mV U = 0, 0253 V ln Dieser Wert von -85 mV entspricht in etwa dem Ruhepotential einer Nervenzelle. In erster Näherung wird dieses Ruhepotential durch das Gleichgewichtspotential von Kalium bestimmt. Es sind jedoch immer mehrere Ionensorten wie K+, Na+ und Cl- mit unterschiedlicher Permeabilität an der Einstellung eines Gleichgewichtes beteiligt. Daher ist zur Berechnung des gemeinsamen Potentials Umem die Goldmann-Gleichung zu verwenden. Diese Gleichung ("constant-field-Gleichung") berücksichtigt die unterschiedlichen Wanderungs-geschwindigkeiten der Ionensorten in der Membran. In den meisten Fällen wird als Maß für die Wanderungsgeschwindigkeit die relative Membranpermeabilität in die Gleichung eingesetzt. Sie wird auf das "schnellste" Ion K+ (κK = 1) bezogen. Für das Riesenaxon von Tintenfischen gilt: κK: κ Na : κCl= 1 : 0,04 : 0,45 Umem RT κ K + = ln zF κ K+ K + + κ Na+ Na + aussen + κ Cl − Cl − innen aussen K + + κ Na+ Na + innen + κ Cl − Cl − aussen innen (Goldmann-Gleichung) Tragen noch andere Ionenarten zum Potential bei, so stehen bei Außenkonzentrationen und bei Anionen die Innenkonzentrationen im Zähler. 160 Kationen die PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE Tabelle 3: Ionenverteilung an einer Nervenzellmembran GRUNDLAGEN Ion caussen cinnen UNernst P K+ 4,5 mM 160 mM -94 mV 2,0 ×10-8 m/s Na+ 145 mM 15 mM 60 mV 0,02 ×10-8 m/s Cl- 100 mM 5 mM -80 mV 4,0 ×10-8 m/s DER ERREGBARKEIT BIOLOGISCHER MEMBRANEN Erregbare Zellen (z.B. Nervenzellen oder Muskelfaserzellen) können abhängig von äußeren Stimuli (z.B. Depolarisierung oder Neurotransmittern) typische zeitliche Änderungen in ihrem Membranpotential generieren (Aktionspotential, postsynaptisches Potential) und weisen in weiten Bereichen des physiologischen Spannungsbereichs eine nichtlineare StromSpannungskennlinie auf; d.h. sie verhalten sich nicht wie ein Ohmscher Leiter. Insbesondere bei Nervenfasern ist die Leitfähigkeit deutlich Spannungsabhängig und ähnelt entfernt einer Diodenkennlinie, d.h. sie ist gleichrichtend. 5 INa IK Iges 4 3 Imem / nA 2 1 0 -1 -2 -3 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 Umem / mV Abb. 137: Strom-Spannungskennlinie Nervenmembran. einer Die Fragestellung, durch die um 1935 die zweite große Phase der Elektrophysiologie einleitete war demnach: Was ist die Ursache für die Erregbarkeit des Axons? Diese Fragestellung wurde vor allem von Kenneth Cole und Howard Curtis in Woods Hole und später von Alan Hodgkin, Andrew Huxley und Bernhard Katz in Cambridge am Riesenaxon des Kalmars Loligo untersucht. Hierzu mussten eine Reihe von neuen Experimentiertechniken wie z.B. die Voltage-Clamp Technik entwickelt werden, wofür Hodgkin und Huxley 1963 den Nobelpreis verliehen bekamen. 161 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE DIE IONENTHEORIE DES AKTIONSPOTENTIALS Hodkin und Huxley bemerkten nach genauen Analysen des Verlaufs eines APs, dass das Ruhepotential einer Nervenmembran nahe dem K+-Gleichgewichtspotential liegt, während die Spitze des Aktionspotentials ungefähr dem Na+-Gleichgewichtspotential entspricht. Weiterhin konnten sie zeigen, dass man das Ruhepotential durch eine Veränderung der Außenkonzentration für Kaliumionen, die Amplitude des Aktionspotentials dagegen durch de Konzentration für Natriumionen verändern konnte. Gleichzeitig wusste man aus den Arbeiten von Cole und Curtis, dass der Membranwiderstand während eines Aktionspotentials dramatisch abnahm. Die Hypothese von Hodgkin, Huxley und Katz besagte demnach, dass Erregungsvorgänge in der Nervenmembran durch Änderung der Membranleitfähigkeiten für spezifische Ionen hervorgerufen werden. K+ EK + Cl - ECl - Na+ CMem ENa + Abb. 138: Ersatzschaltbild Nervenmembran. für eine Man kann die Ionenleitfähigkeit getrennt bestimmen, indem man ● die Membranleitfähigkeit mittels der Voltage-Clamp Technik misst und dann selektiv ● ● 162 jeweils nur eine Ionensorte im Außenmedium zugibt die Transportproteine blockiert ● Für Na+- und K+-Kanäle gibt es sehr spezifische Blocker: ● TTX: Tetrodotoxin für spannungsabhängige Na+-Kanäle TEA: Tetraethylammonium für spannungsgesteuerte K+-Kanäle PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE HH-K+ Ströme HH-Na+ Ströme Sannung Abb. 139: Na+- und K+-Ströme für eine Nervenmembran (nach A. L. Hodgkin, A. F. Huxley and B. Katz, J. Physiol. (London), 116 (1952) 424). Die Natrium-Leitfähigkeit zeigt ein besonders Phänomen: Das Gating d.h. die Leitfähigkeit der Nervenmembran spricht wie bei einer Vakuumröhre oder einem Transistor auf eine äußere Spannung an. Hodgkin, Huxley und Katz konnten mit ihren Experimenten nicht nur zeigen, dass das Membranpotential durch die Leitwerte für verschiedene Ionen reguliert werden kann, sie konnten auch eine Serie von bemerkenswert einfachen Differentialgleichungen aufstellen (die HH Gleichungen), die nicht nur den Zeitverlauf des Aktionspotentials sehr gut beschreiben sondern auch zeigten, dass dieses sich wie eine Welle gerichtet entlang des Axons ausbreitet. IONENKANÄLE: MOLEKULARE GRUNDLAGEN DER MEMBRANERREGBARKEIT Mit der Ionentheorie der Erregung ließ sich Entstehung und Ausbreitung des Aktionspotentials und weiterhin auch die synaptische Übertragung erklären. Was jedoch noch fehlte war eine Erklärung für die Ursache der Leitfähigkeitsänderungen, die eigentlich zu schnell und zu groß für einen klassischen Transportermechanismus waren. Hypothese von Hodgkin, Huxley & Katz: 1952 Die Leitfähigkeitsänderungen bei erregbaren Zellen sind molekular durch das Öffnen und Schließen von Poren bedingt, die auf äußere Reize reagieren können. z.B.: Spannung, Neurotransmitter, mechanische Reize => Gated Ion Channels Ihr Nachweis ist messtechnisch schwierig, da man einzelne Kanäle in der Membran messen müsste. Durch indirekte Messungen konnte man in den 70er Jahren auf deren Existenz schließen. =>Rauschanalyse, Rekonstitution in Lipid Bilayers 1976 gelang Neher & Sakmann erstmals der direkte Beweis für Ionenkanäle in der Muskelzellmembran, indem sie die Stromfluktuation durch einzelne 163 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE Acetylcholinrezeptoren messen konnten. Dies war nur mittels einer neuen Messmethode möglich, der Patc-Clamp Technik. Auch hierfür gab es 1991 einen Nobelpreis „für ihre Entdeckungen betreffend der Funktion von einzelnen Ionenkanälen in Zellen“. Ionenkanäle (oder ganz allgemein Kanäle) sind in die Membran eingelagerte Proteine, die eine Pore durch die Membran bilden, durch die ihr Substrat praktisch ungehindert von einer Seite zur anderen diffundieren kann. Die Eigenschaften der Pore bestimmen, welche Ionen bzw. Moleküle durch einen Kanal passieren können, wirken also als eine Art Selektivitätsfilter. Diese Selektivität kann sehr ausgeprägt sein, Na+-Kanäle im Axon haben z.B. für Na+-Ionen eine mehr als 1000 mal höhere Leitfähigkeit (Permeabilität ) als für die sehr ähnlichen K+-Ionen! Pore Selektivitätsfilter + + Schliessmechanismus Abb. 140 Struktur von Ionenkanälen. Entsprechend ihrer Selektivität werden Ionenkanäle oft nach dem unter physiologischen Bedingungen überwiegend permeablen Ion bezeichnet. In Nerven- und Muskelzellen findet man z.B. ● ● ● ● Na+-Kanäle K+-Kanäle Ca++-Kanäle Cl--Kanäle Die Regulation erfolgt über Öffnen und Schließen der Pore, die in der Regel nur zwei Zustände erlaubt – offen (leitend) und geschlossen (nicht leitend). 164 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE offen geschlossen Abb. 141: Regulationsmechanismus Permeabilität von Ionenkanälen. für die Messungen des Stromflusses durch einzelne Ionenkanäle haben daher das typische Aussehen von Rechteckpulsen gleicher Amplitude, aber zufälliger Dauer. Die beobachteten Stromverläufe ergeben sich aus der Überlagerung vieler solcher Einzelkanalströme. geschlossen offen inaktiv 1 Kanal 5 pA 2 Kanäle 10 pA 5 Kanäle 10 pA 25 pA 10 Kanäle 0,2 nA 200 Kanäle 1 ms Abb. 142: Der Membranstrom als Summe von Einzelkanalströmen. Die Regulation von Ionenkanälen durch äußere Stimuli wird heute üblicherweise als Gating bezeichnet. Entsprechend ihrer Aktivierungsmechanismen werden hier ebenfalls zwei prizipielle Gruppen von Ionenkanälen unterschieden: 165 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE • Spannungsgesteuerte Ionenkanäle (voltage gated ion channels); z.B. die Na+- und K+Kanäle der Axonmembran. • Ligandgesteuerte Ionenkanäle (ligand gated ion channels); z.B. typische sog. ionotrope Neurotransmitter-Rezeptoren wie der nikotinische Acetylcholin-Rezeptor der neoromuskulären Endplatte oder der NMDA-Rezeptor (Glutamat) des ZNS. Daneben gibt es noch andere Mechanismen zur Regulation z.B. so genannte Mechanorezeptoren, die auf mechanische Reize ansprechen und z.B. beim Hörvorgang und der Osmoregulation beteiligt sind. Wir wissen inzwischen vor allem durch Patch-Clamp Untersuchungen, dass Ionenkanäle nicht nur auf die Nervenzellmembranen beschränkt sind. Ganz im Gegenteil: Ionenkanäle sind ein sehr wichtiger Bestandteil vieler zellulärer Regulationsmechanismen und daher als ein wichtiges Ziel für pharmakologische Anwendungen auch medizinisch sehr relevant. Dies wird unterstrichen durch die Entdeckung von mehr und mehr Erbkrankheiten, die auf dem Ausfall bestimmter Ionenkanäle beruhen sog. Channelopathies. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Mukoviszidose, eine der häufigsten Erbkrankheiten unter Menschen kaukasischer Abstammung, die auf dem Ausfall eines Chloridkanals, dem CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator), beruht. GERÄTE FÜR ELEKTROPHYSIOLOGISCHES ARBEITEN ELEKTRODEN Bei elektrischen Leitern unterscheidet man zwischen Leitern 1. Ordnung und Leitern 2. Ordnung. Bei Leitern 1. Ordnung, wie Metallen, fließt der Strom infolge der Elektronenbewegung. Bei Leitern 2. Ordnung, wie Elektrolytlösungen, fließt der Strom infolge einer Ionenbewegung. Lebende Systeme sind stets Leiter 2. Ordnung. Ähnlich dieser Unterscheidung teilt man Elektroden in Elektroden 1. Art und Elektroden 2. Art ein. Bei Elektroden 1. Art handelt es sich um polarisierbare Elektroden, wie Metallelektroden. Hier finden beim Kontakt mit den Elektrolytlösungen der lebenden Systeme an der Elektrode selbst irreversible Vorgänge statt (Elektrolyse, Galvanispannung), die die wahre Messgröße verfälschen. Solche Elektrodenpotentiale sind sehr variabel und können während des Messvorgangs nicht kontrolliert werden. Bei den unpolarisierbaren Elektroden (Elektroden 2. Art) wirkt man diesen chemischen Veränderungen entgegen, indem man die reine Metallelektrode mit einer Schicht eines schwerlöslichen Salzes (z.B. Chlorid) überzieht (Ag/AgCl-Elektrode). DIE S ILBER /SILBERCHLORID-ELEKTRODE Eine in der Elektrophysiologie weit verbreitete Elektrode 2. Art ist die Silber/SilberchloridElektrode. In ihrer einfachsten Form ist dies ein mit Silberchlorid überzogener Silberdraht, der in eine Lösung getaucht wird, die Cl- -Ionen enthält (z.B. KCl-Lösung). Dabei ergeben sich die folgenden elektrochemischen Reaktionen: Kathodenreaktion: 166 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE AgCl + e - Ag + Cl- Reduktion von Silber, Cl- geht in Lösung Anodenreaktion: Ag Ag+ + e- Ag+ + Cl- AgCl Da Silber und Silberchlorid Feststoffe sind, bleiben ihre "Konzentrationen" über die Zeit konstant und es bildet sich kein veränderliches Galvanipotential. Die Chlorierung der Elektroden erfolgt elektrolytisch. Die an solchen Elektroden auftretende Galvanispannung ist über den Versuchszeitraum konstant. Bei symmetrischer Ableitung durch gleichartige Elektroden heben sich in der Messanordnung die Einzelelektrodenpotentiale auf. Da das Gleichgewicht zwischen Metall und Metallkation an einer solchen Elektrode im wesentlichen durch die Anionenkonzentration bestimmt wird, füllt man eine hochkonzentrierte KCl-Lösung (3 M) in eine Glaspipette und leitet darüber mit der Elektrode ab. Dadurch entsteht eine weitere Elektrolytphase und folglich ein Diffusionspotential an der Glasspitze. Diffusionspotentiale treten aber nur dann auf, wenn sich Kation und Anion in der Diffusionsgeschwindigkeit unterscheiden. Da die hydratisierten Cl- und K+-Ionen annähernd den gleichen Durchmesser (40 nm) besitzen und somit auch annähernd gleiche Wanderungsgeschwindigkeiten im Lösungsmittel haben, entstehen hier nur vernachlässigbar kleine Diffusionspotentiale. Soll nun während des Versuches die Elektrolytzusammensetzung variiert werden, um z.B. die Änderung bestimmter Ionenkonzentrationen auf das Ruhepotential zu untersuchen, ist es erforderlich, Änderungen des Elektrodenpotentials an der Referenzelektrode (Indifferente Elektrode) zu unterdrücken. Dies wird dadurch erreicht, dass die Referenzelektrode nicht direkt mit dem Präparatgefäß verbunden wird, sondern über eine Salzbrücke (hergestellt aus 2% Ringer-Agar) mit einem zweiten Gefäß. Eine solche Agarsalzbrücke leitet zwar elektrisch, lässt aber kein Vermischen der Lösungen in den beiden Gefäßen zu. Zur intrazellulären Ableitung von Membranpotentialen verwendet man heute GlasMikroelektroden. Diese werden aus Glaskapillaren mit speziellen Elektrodenziehgeräten zu feinen Mikro-Pipetten ausgezogen und mit einem Elektrolyt (3 M KCl) gefüllt. Über einen Elektrodenhalter mit einer integrierten Ag/AgCl-Elektrode wird die Elektrode mit dem Verstärker verbunden. Eine solche Glas-Mikroelektrode hat einen Spitzendurchmesser von etwa 0,5 µm und einen Eigenwiderstand von etwa 20 MΩ. Auch bei Elektrodenspannungen (Spitzenpotentiale) auf (ca. 5 - 10 mV). diesen Elektroden treten VERSTÄRKER, DIFFERENZVERSTÄRKER, OPERATIONSVERSTÄRKER Elektrische Signale, insbesondere von biologischen Signalquellen, sind meist zu klein, um direkt mit Messgeräten wie Oszilloskopen gemessen werden zu können. Der Innenwiderstand ihrer 167 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE Signalquelle ist sehr hoch. Es ist deshalb notwendig, diese Signale durch einen Verstärker mit hohem Eingangswiderstand zu verstärken. Durch die Technik der integrierten Schaltkreise (IC's = Integrated Circuits) ist es möglich, komplette Verstärker in einer Baugröße herzustellen, wie sie früher für einzelne Transistoren üblich war. Uout Uin Abb. 143: Schaltsymbol für einen Verstärker Aus diesem Grund sind für den Anwender Kenntnisse über Transistorgrundschaltungen nicht mehr notwendig. Preiswerte Operationsverstärker können in geeigneter Weise in einen Schaltkreis einbezogen werden und dadurch eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben bei der Aufbereitung und Verstärkung analoger Signale erfüllen. nicht invertierender Eingang invertierender Eingang Abb. 144: verstärker) + + - - LF411 Ausgang Operationsverstärker (Differenz- Der Begriff Operationsverstärker umfasst eine Vielzahl von Verstärkertypen. Im Prinzip handelt es sich meistens um gleichspannungsgekoppelte Differenzverstärker mit sehr hohem Verstärkungsfaktor (104-105× im Leerlauf, ohne Rückkopplungswiderstand), die speziell für Rückkopplungsschaltungen ausgelegt sind. Die Grundschaltung eines Differenzverstärkers (Abb. 145) ähnelt einer Brückenschaltung, wobei zwei Widerstände durch Transistoren ersetzt sind. Dabei stellt ein Transistoreingang den invertierenden Eingang (+), der andere Transistoreingang den nicht invertierenden Eingang (-) dar. Die Brückenspannung stellt den Ausgang dar. Meist wird sie durch nachfolgende Stufen noch weiterverstärkt. Liegen an beiden Eingängen gleichhohe Spannungen an, so ändern sich die Widerstände beider Transistoren gleichermaßen. Beide Brückenzweige verändern ihre Spannungen gleichsinnig, so dass die Brücke abgeglichen bleibt und kein Ausgangssignal (Brückenspannung = 0) resultiert. Bezogen auf die Eingangsspannungen kann man sagen, sie wurden voneinander subtrahiert (Differenzbildung). Dieser Einblick genügt, um die prinzipielle Funktionsweise eines Operationsverstärkers (Differenzverstärkers) in Abb. 144 zu verstehen und einfache Schaltungen aufzubauen. Eine ausführlichere Darstellung ist in Neher (1974) zu finden. 168 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE +U » +15 mV Ausgang 2 Ausgang 1 Eingang 1 Eingang 2 -U » -15 mV Abb. 145: Grundschaltung eines Differenzverstärkers mit Transistoren und Konstantstromquelle Tabelle 4: Typische Daten von Operationsverstärkern Betriebsspannung: Ruhestrom: Leerlaufspannungsverstärkung: Ausgangsleistung: Obere Grenzfrequenz: Offsetspannung: Offsetstrom: Eingangswiderstand zwischen und - : Eingangswiderstände auf Null: Ausgangswiderstand: Arbeitstemperatur: + ± 10-30 V 10 mA 104-105 1 mW-1 W 100 MHz < 10 mV < 10 µ A 100 k Ω 20 M Ω < 500 Ω -55° C bis 150° C (optimal: 10° C bis 60° C) Durch unterschiedliche äußere Beschaltung des "nackten" Operationsverstärkers hauptsächlich mit Widerständen und Kondensatoren können Verstärker mit vielen verschiedenen Eigenschaften, wie invertierender Verstärker, Impedanzwandler (Kathodenfolger), Addierer (Summierer), nicht invertierender Verstärker (hochohmiger Verstärker), Subtrahierer (Differenzverstärker), Integrierer, Differenzierer, aktiver Hoch- und Tiefpassfilter, Konstantstromquelle u.a. aufgebaut werden. Nachfolgend sind einige wichtige Schaltungen beschrieben. VERSTÄRKERSCHALTUNGEN DER INVERTIERENDE VERSTÄRKER Invertierende Verstärker drehen die Phasenlage einer Wechselspannung am invertierenden Eingang, so dass sie am Ausgang um 180° verschoben erscheint. Das Signal wird also umgekehrt. In Abb. 146 ist ein invertierender Verstärker dargestellt. 169 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE R2 R1 -U - U in U out U+ Abb. 146: Operationsverstärker als invertierender Verstärker Durch Rückkopplung des Ausgangssignals auf den invertierenden Eingang über den Widerstand R2 (Gegenkopplung) wird der Faktor der Spannungsverstärkung V bestimmt. V= Uout R2 ≈ U in R1 Führt man mehrere verschiedene Eingangsspannungen gleichzeitig über Eingangswiderstände an den invertierenden Eingang (Knoten), so werden die einzelnen Eingangsströme entsprechend der Knotenregel aufsummiert und am Verstärkerausgang erscheint die Summe der Eingangsspannungen (Summierer, Verwendung in Analogrechnern). DER NICHT INVERTIERENDE VERSTÄRKER Beim nicht invertierenden Verstärker wird das Eingangssignal auf den + -Eingang gelegt (Abb. 147). Das Eingangssignal erscheint phasenrichtig am Ausgang. U+ U in - R1 U out UR2 Abb. 147: Operationsverstärker invertierender Verstärker als nicht Die Spannungsverstärkung wird über eine Gegenkopplung am invertierenden Eingang eingestellt. 170 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE V ≈ 1+ R2 R1 Die Schaltung hat den Vorteil eines sehr hohen Eingangswiderstandes ( 10 10 Ω bei Feld-EffektTransistor-Eingängen). Ersetzt man den Rückkopplungswiderstand RK durch eine durchgehende Leitung (d.h. RK ≈ 0), so ist die Spannungsverstärkung V = 1. Der Verstärker zeigt dennoch eine Leistungsverstärkung, da ein kleiner Strom einer Signalquelle am hochohmigen Eingang in einen größeren Strom am niederohmigen Ausgang umgewandelt wird. D.h. es findet eine Widerstandsanpassung (Impedanzwandlung) eines niederohmigen Messgerätes an eine hochohmige Signalquelle statt. Ein solcher Verstärker wird auch als Impedanzwandler oder historisch bedingt als Kathodenfolger bezeichnet. DER DIFFERENZVERSTÄRKER Durch Kombination von invertierendem und nicht invertierendem Verstärker erhält man einen Differenzverstärker (Abb. 148). R2 U1 U2 R1 -UUout R1 U+ R2 Abb. 148: Operationsverstärker Differenzverstärker. als Beide Eingangsspannungen werden voneinander abgezogen und am Ausgang erscheint die Differenz. U out = R1 ( U1 − U 2 ) R2 Differenzverstärker werden häufig bei hochohmigen Signalquellen eingesetzt, wo die Gefahr einer Einstreuung durch elektromagnetische Felder aus der Umgebung groß ist (Antennenwirkung). Als Beispiele sind Ableitungen bei EKG, EMG und EEG mit am Körper befestigten Elektroden zu nennen. Bei solchen Ableitungen werden die Leitungen zu beiden Eingängen parallel hingeführt. Dadurch wirken sich Einstreuungen durch elektromagnetische Felder auf beide Leitungen 171 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE gleichermaßen - aber gegensinnig - aus. Am Ausgang des Differenzverstärkers bleiben daher nur die Unterschiede übrig, die von der Signalquelle herrühren. DER IMPEDANZWANDLER Die zu messenden Spannungswerte biologischer Spannungsquellen sind mit wenigen Ausnahmen mit 10 mV bis 200 mV sehr gering. Außerdem sind biologische Spannungsquellen sehr schwache Stromquellen. Deshalb muss der Eingangswiderstand eines verwendeten Verstärkers relativ hoch sein (1011 Ω). Die Ausgangswiderstände solcher Verstärker sind dagegen meist um 2 - 4 Größenordungen kleiner (Impedanzwandler). U+ U in - U out U- Abb. 149: Folgerschaltung mit einem Operationsverstärker: der Impedanzwandler. ELEKTROPHYSIOLOGISCHER MESSAUFBAU DIE ELEKTRISCHE MESSKET TE Zellen, Elektroden, Messverstärker, Filter und Messgeräte bilden eine sog. Messkette von miteinander verbundenen Leitern und elektronischen „Bauteilen“. Das Konzept der Messkette ist insbesondere für das Verständnis von Fehlern bzw. Abweichungen der Messergebnisse von der zu erwartenden Messgröße (z.B. Membranpotential) wichtig. Solche Fehler sind z.B. zusätzliche Spannungsquellen, nichtstationäre Signale (Drift) und Rauschen. Im Messkreis befinden sich verschiedene Phasenübergänge, an denen Potentiale auftreten können z.B.: • elektrochemisches Potential der Elektrode: Ag/AgCl • Konzentrationszelle: 3M KCl / Medium • Diffusionspotential: an der Pipettenspitze • Spitzenpotential (der Elektrode, möglichst klein) • Membranpotential: das Signal Durch geeignete Anordnung dieser Phasengrenzen (symmetrische Anordnung) lassen sich die Einflüsse dieser Störpotentialquellen minimieren und z.B. zeitlich variable Offsetspannungen aufgrund von Elektrodenpolarisierung vermeiden ( indifferente Elektrode). Wichtig für praktische Messungen: Für elektrische Messungen muss der Stromkreis immer geschlossen sein! Im folgenden werden einige in der Elektrophysiologie gebräuchlichen Messketten nun erleutert. 172 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE INTRAZELLULÄRE ABLEITUNG Bei der intrazellulären Ableitung wird das Transmembranpotential abgeleitet, d.h. die Potentialdifferenz (eine elektrische Spannung!) zwischen dem Zellinneren und dem umgebenden Medium, dessen Potential als Referenzpotential willkürlich als null definiert wird (Erdpotential). Umem - Uout Abb. 150: Intrazelluläre Ableitung mit einer GlasMikroelektrode. Hierbei wird mit einer Glasmikroelektrode abgeleitet. Diese besteht aus einer miniaturisierten Silber-Silberchlorid-Elektrode am Fuß eines Elektrodenhalters, in dem über eine KCl-Lösung der Kontakt zu einer mit KCl-Lösung gefüllten Glasmikropipette hergestellt wird. Dies ist eine sehr fein ausgezogene Gaskapillare mit einem Öffnungsdurchmesser von ca. 500 nm, mit der man in das Zellinnere stechen und so daraus ableiten kann. Ag/AgCl-Elektrode (Pellet) Glasmikropipette Elektrodenhalter Abb. 151: Glas-Mikroelektrode bestehend aus Elektrodenhalter und Glasmikroelektrode. Diese Elektroden haben einen sehr hohen Widerstand von ca. 100 MOhm. Die Zelle ist zudem eine sehr schlechte Spannungsquelle, d.h. man benötigt einen Verstärker. Da die Signalamplitude mit mehreren Millivolt verhältnismäßig groß ist wählt man ~ 1 als Verstärkerstufe, muss aber einen hohen Eingangswiderstand (Spannungsmessgerät) von ~ 1012 – 1021 Ω an einen geringeren Lastwiderstand am Ausgang anpassen (Schreiber ~ 100 Ω - 1kΩ ; Oszilloskop ~1 MΩ) . D.h. man benötigt einen Leistungsverstärker oder Impedanzwandler. 173 VERSUCH 7: ELEKTROPHYSIOLOGIE MIKROSKOP Um Membranpotentiale von Säugetierzellen, die einen Durchmesser von ca. 20 µ m besitzen, ableiten zu können, muss ein entsprechendes Mikroskop verwendet werden (s. Versuch: Mikroskopie). Bei Benutzung eines "normalen" Lichtmikroskops kann nur mit einem Wasserimmersionsobjektiv gearbeitet werden. Beim Eintauchen in die Mediumsflüssigkeit muss daher der Stromfluss über das Mikroskop verhindert werden. Dies geschieht durch elektrische Isolation der Metallfassung mit einem Kunststoffadapter. Bei Verwendung eines "inversen" Mikroskops entfällt dies. MIKROMANIPULATION Zur kontrollierten Bewegung der Elektroden, auch während mikroskopischer Betrachtung, benutzt man so genannte Mikromanipulatoren. Dabei wird die Bewegung der Elektroden entweder über mechanische Feintriebe (Typ Leitz) oder über schrittmotorgetriebene Feintriebe (Typ Märzhäuser) gesteuert. DATENERFASSUNG UND AUSWERTUNG Zum Anzeigen der abgeleiteten Potentiale dienen vor allem Oszilloskope (s. Versuch: Registrieren periodischer und schneller Vorgänge) und Schreiber. Bei modernen elektrophysiologischen Arbeitsplätzen werden diese Komponenten aber häufig durch eine Kombination von Computer und A/D-Wandler (Laborinterface) ersetzt. Damit lassen sich die Messdaten gleich in einer Form erfassen, in der Sie einer späteren meist statistischen Auswertung besser zugänglich sind. EXPERIMENTELLER TEIL AUFBAU EINES ELEKTROPHYSIOLOGISCHEN MESSPLATZES Skizzieren Sie für Ihr Protokoll den Aufbau des elektrophysiologischen Messplatzes. Beschreiben Sie dazu möglichst genau, welche Geräte Sie verwenden (Typ, Hersteller) und wie diese verschaltet sind. Vergessen Sie dabei auch nicht den sog. optomechanischen Aufbau (Mikroskop, Mikromanipulatoren etc.). Nähere Informationen erfragen Sie ggf. von Ihrem Betreuer bzw. der Praktikumsleitung. Welche Art von Verstärkerschaltungen verwenden Sie für die Messung des Membranpotentials? HERSTELLUNG VON GLASMIKROELEKTRODEN Unter Anleitung durch Ihren Praktikumsbetreuer üben Sie die Herstellung von Glasmikropipetten mit einem Pipettenziehgerät sowie das Befüllen der Pipetten mit dem Stromschlüsselelektrolyt (3 M KCl-Lösung). Mit diesen Pipetten stellen Sie dann eine Glasmikroelektrode zur intrazellulären Ableitung des Membranpotentials her. ABLEITUNG VON MEMBRANPOTENTIALEN VON SÄUGETIERZELLEN IN KULTUR Unter Anleitung durch Ihren Praktikumsbetreuer üben Sie das Einstechen der Glasmikroelektrode in Zellkulturen (BICR/M1Rk-Zellen, eine Brusttumorzellinie aus der Ratte). 174 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE METHODEN IN DER BIOLOGIE Bestimmen Sie möglichst genau das Membranpotential dieser Zellen. Diskutieren Sie im Protokoll wie genau Ihre Messung maximal sein kann (siehe dazu auch das Kapitel Statistik). Welche zufälligen und systematischen Fehler begehen Sie bei der Messung? Wie groß ist das Spitzenpotential ihrer Mikroelektrode? Wie groß ist das Diffusionspotential? VERÄNDERUNG DER IONENZUSAMMENSETZUNG DES KULTURMEDIUMS MESSUNG DER ÄNDERUNG DES MEMBRANPOTENTIALS. UND GLEICHZEITIGE Das Ruhemenbranpotential der Zellkultur soll durch Zugabe von Kaliumionen zum Badmedium verändert werden. Berechnen Sie dazu zunächst wie viel KCl-Lösung Sie zum Bad zugeben müssen, um das Ruhepotential der Zellen zu halbieren. (Hinweis: Nehmen Sie vereinfachen an, dass das Ruhepotential einer Zelle in erster Näherung das Kalium-Gleichgewichtspotential der Zellmembran ist). Gehen Sie bei Ihrer Berechnung von dem vorher bestimmten Ruhepotential aus. Die Kalium-Konzentration im Badmedium (PBS oder DMEM-Medium) beträgt 4,7 mM. Entnehmen Sie vor dem Versuch ca 1 mL Medium aus dem Schälchen und geben Sie die berechnete Menge an Kcl-Lösung dazu. Stechen Sie eine möglichst große Zelle zur Ableitung ihres Membranpotentials an. Geben Sie die berechnete Menge an KCl-Lösung möglichst erschütterungsfrei und in einiger Entfernung zur Pipette in das Schälchen. (Achtung: durch osmotische Effekte kann die Zelle sonst schrumpfen und zieht dabei die Ableitelektrode ab). Nach ca. 3-4 Minuten sollte sich ein stabiles Membranpotential ableiten lassen. Vergleichen Sie ihre Messung mit der Theorie. LITERATUR 1. Adam, G., Läuger, P., Stark, G.: Physikalische Chemie und Biophysik, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1988 2. Alberts B., Bray, D., Lewis, J., Raff, M., Roberts, K., Watson, J.D.: Molekularbiologie der Zelle, VCH, Weinheim, 3. Auflage 1995 3. Diehl, Ihlefeld, Schwegler: Physik für Biologen, Springer-Verlag 4. Machemer, H.: Übungen zur Elektrophysiologie tierischer Zellen und Gewebe, VCH, Weinheim, 1987 5. Neher, E.: Elektronische Meßtechnik in der Physiologie, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1974 6. Richter, K.: Allgemeine Elektrophysiologie, Fischer-Verlag, Stuttgart, New York, 197 7. Singer, S.J. and Nicholson, G.L. The fluid mosaic model of the structure of cell membranes. Science 175, 1972, 720-731 8. N. Sperelakis (ed.) : Cell Physiology Source Book Academic Press New York 2001 (3. Auflage) 175