Die Malefizien der „Toverschen“ Gretke Kramers und
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Die Malefizien der „Toverschen“ Gretke Kramers und
Die Malefizien der „Toverschen“ Gretke Kramers und Pellcke Stubben Hannelore Cyrus Es war im Jahre des Herrn 1603 als der Schinderkarren von einem „Stöckerknecht“ geführt, so nannte man in Bremen den Gerichtsdiener, von einem der Stadttürme kommend über das unebene Kopfsteinpflaster der Straßen der Innenstadt rumpelte. Er machte mit seiner Last, der Leiche der „Toverschen“ Gretke Kramers, vor dem zweiten Rathausbogen halt, wo das Gericht des Bremer Rates tagte. Es hatte die Prozeßführung unter Ausschluß des erzbischöflichen Vogtes übernommen und trug damit die alleinige Verantwortung für die Beweissammlung, das Verhör, die Folter und das Urteil. Wie es hieß, wurde im selben Jahr, am selben Tag, am selben Ort und vor den selben Herren eine weitere „Toversche“ mit dem Schinderkarren vor das Gericht gebracht. Es war die durch Folter geschundene, aber lebendige Pellcke Stubben, die Nichte der Gretke Kramers. Gretke Kramers hatte sie, durch Daumen- Fuß- und Beinschrauben gepeinigt, als „Lehrtochter“ und Komplizin benannt. Wer waren nun die beiden Frauen und was hatten sie Schändliches getan, daß sie so schwerer Folter unterworfen und mit dem schimpflichen Tod des Verbrennens bestraft wurden? Schauen wir uns die Prozeßakten in der Edition von Hermann Tardel (1938) an, um aus ihnen die Geschichte eines Inquisitionsprozesses, wie er sich zugetragen hat, zu rekonstruieren. Gretke Kramers Gretke Kramers bewohnte eines der armseligen windschiefen Häuser im vor den Toren der Stadt gelegenen damals noch dörflichen Hastedt. Hinter ihrem Rücken wurde bereits seit längerem gemunkelt. Von vielerlei Zauberkünsten war die Rede und daß sie einen Buhlteufel hätte. Vermutlich nach einer Denunziation griff die bremische weltliche Obrigkeit zu. Gretke Kramers wurde durch den Büttel des Rates in den 1514 errichteten mit Kanonen bestückten Ostertorzwinger gebracht, der wie die Stadttürme, der Hurrelberg oder die Natel, nicht nur der Verteidigung der Stadt, sondern auch als Gewahrsam für Verbrecherinnen und Verbrecher dienten, bis das Urteil gesprochen war. Der mächtige Bau, er wurde 1826 abgebrochen, hatte neben kalten, finsteren und unheimlichen Kerkerzellen, die mit schweren Türen verschlossen waren, auch einen Folterraum in dem darunterliegenden Geschoß aufzuweisen. 1 (Der Zwinger am Ostertor mit einem Teil der Befestigungsanlage aus dem 17. Jahrhundert) Gretke Kramers verstand den Grund ihrer Verhaftung nicht. Gewiß, sie hatte gezaubert, aber das taten doch viele andere Männer und Frauen auch. Sie wußte nicht, wem sie geschadet haben sollte und mit dem Teufel hatte sie nie etwas zu schaffen gehabt. So widersprach Gretke Kramers zunächst standhaft der Anschuldigung, bösen Zauber oder gar Buhlschaft mit dem Teufel getrieben zu haben. Erst als der „Kämmerer“, einer der jüngeren Ratsherrn, dem ein Aktuar, also ein Protokollant, zur Seite stand, in dem düsteren Verhörraum schärfer im Ton wurde, erzählte die eingeschüchterte Frau, daß sie das Zaubern von der Catrine, die einst nahe beim Wall wohnte, gelernt hätte. Wenn wir es auch nicht genau wissen, so steht doch zu vermuten, daß Gretke Kramers von Catrine Statlander sprach, die 1575 im Ostertorzwinger unter der Folter Schadenszauber und Zusammenkünfte mit anderen Hexen und Zauberinnen gestanden hatte und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Hatte Gretke Kramers bewußt den Namen einer toten Frau genannt, um keiner lebendigen zu schaden? Doch mit dem Bekenntnis, Zauberei getrieben und mit einer als Ketzerin, Zauberin und Hexe entlarvten Frau Umgang gehabt zu haben, verstärkte Gretke Kramers die Verdachtsmomen-te gegen sich. Der Kämmerer drohte mit der Folter. Sie sollte die Namen ihrer „Zunftgenossinnen“ nennen. In ihrer 2 Bedrängnis gestand Gretke Kramers ihre Stubben, in die Kunst der Zauberei eingeführt zu haben. Nichte, Pellcke (Grundriss des Ostertorzwingers) Doch nun wollte der Kämmerer immer mehr über bösen Zauber und über die Hilfe des Bösen bei allem Zauber wissen. Als Gretke Kramers beharrlich schwieg, ließ der Kämmerer sie durch einen Kerkerknecht in den nahegelegenen Folterraum führen. Sie wurde noch einmal belehrt, endlich alles und die ganze Wahrheit zu gestehen. Vom Kämmerer angewiesen, zeigte der Scharfrichter der verängstigten Frau die Instrumente, eiserne Daumen- Fuß- und Beinschrauben, die einen jeweils schärferen Grad der Tortur garantierten. Gretke Kramers gestand nun, daß die Catrine sie das „Mäusemachen“ gelehrt hätte und ihr selbst mit Hilfe eines „gestielten Topfes“, Zuckerwassers und eifrigen umrührens und der Worte „so helfe mir Gott und 100000 Teufel“ „zwei lebende Mäuse geworden“ wären. Um ihrem Gedächtnis aufzuhelfen, sprach nun der Kämmerer von Teufelsbuhlschaft, von Hexensabbatt und von Luftfahrt. Er tat es trotz des Gebotes der Carolina, des Strafgesetzbuches Kaiser Karl V. von 1532, das auch in Bremen als subsidiäres Recht akzeptiert wurde, sich jeglicher Suggestivfragen zu enthalten. Er wollte genau wissen, wie der Teufel, wie seine Kleidung aussah, welche Versprechungen er ihr gemacht, ob er dieses und jenes mit ihr getrieben, und wie sie die Pellcke Stubben in die Zauberkünste eingeweiht und dem Teufel verkuppelt hatte. Gretke Kramers nahm die „Anregungen“ auf, gestand aber erst, was der vornehme Herr von (Bremer Beinschrauben, 18. Jhd.) ihr zu wissen wünschte, als der Scharfrichter auf Befehl ihres Peinigers zunächst die Daumenschrauben, dann die Fußschrauben und letztlich die Beinschrauben enger und enger zog und ihr vor Schmerzen fast die Sinne schwanden. „Ja“, gab Gretke Kramers zunächst stockend und zögernd, dann immer rascher und ohne sich zu verhaspeln zu: „Satanas hat mir sehr nachgestellt. Das erste Mal habe ich ihn gesehen, als die Catrine mich zur Bischofsnadel mitgenommen hat und wir dort getanzt haben. Wie waren unserer drei und sind vom Wall aus bis zum Turm von St. Magnus 3 getanzt. Der Spielmann war ‘ein klein Männchen’, das auf einem ‘gläsern Ding als eine Leuchte gespielet’. Wenn wir zum Tanzplatz wollten, haben wir eine ‘Schwinge’ genommen, das ist ein Holz, das dem Flachsschwingen dient, und wenn ich einige Worte in 1000 Teufels Namen gemurmelt habe, so konnte man darauf reiten. Die Catrine hat mich auch dem Satan zugeführt. Der bat mich um den Beischlaf, und ich habe ihm dieses auch gestattet. ‘Was aber von ihm gegangen’, ist ‘kalt gewesen u. nicht auf menschlich’. Mein Teufelsbuhle hieß Federbusch: Er war schwarz gekleidet und trug einen schwarzen Hut mit weißer Feder. Er versprach, mir in allen Nöten beizustehen und mich reich zu machen. Gehalten hat er aber nichts. Bei meinem Bund mit dem Satan habe ich unter anderen die Worte gebraucht (es war die abgewandelte bremische Heiratsformel d. V.): ‘Solange alß ich lebe, will ich dem Teufel treu u. hold seyn’. Als Besiegelung für den Bund gab mir Federbusch ein Stück Gold, und ich habe ihm ein Schnupftuch geschenkt. Doch das Gold war am anderen Tage über ‘alle Berge’. Ich weiß nicht mehr so genau, wie oft ich mich mit dem Teufel zu ‘unzüchtigem Werk’ getroffen habe, aber ich weiß, daß er mich das letzte Mal vor acht Tagen in meinem Garten besucht hat. Ja, und es stimmt auch, daß ich meiner Nichte, Pellcke Stubben, auf dem Hastedter Deich in des Teufels Namen einen Topf mit Salbe gegeben habe.“ Der Kämmerer war zufrieden. Er hatte ein ausführliches Geständnis, auf dem ein Todesurteil zu begründen war. Er wies den Knecht an, die von der Folter schwer gezeichnete Frau in ihren Kerker zurück zu führen. Er hielt es wohl nicht für nötig, den für solche Verletzungen zuständigen Scharfrichter zur Behandlung zu rufen. Gretke Kramers starb wenig später an den Folgen der Folter. Der Büttel fand, als er sie auf dem Schinderkarren zur Gerichtsverhandlung führen wollte, „verreckt“ vor. „Verreckt“, denn Hexen starben nach damaligem Verständnis nicht, sie verreckten wie das Vieh. Der Gerichtsdiener lud den Leichnam der Frau auf, um ihn unter den zweiten Rathausbogen zu transportieren, wo das Gericht tagte. Wenn das Gericht bei der Verhandlung und der Verlesung der „Urgicht“, dem protokollierten Geständnis der Angeklagten, auch auf eine öffentliche Bestätigung durch die Delinquentin verzichten mußte, so war doch der „Tatbestand“ so ungeheuerlich, das er für das Urteil ausreichte: Tod durch den Scheiterhaufen, zu vollziehen an der Leiche. Pellcke Stubben 4 Unmittelbar nachdem Gretke Kramers den Namen ihrer Nichte preisgegeben hatte, wurde Pellcke Stubben, die in einem kleinen windschiefen Haus nahe der Stadtmauer lebte, vor den Augen ihrer Nachbarn vom Gerichtsdiener verhaftet und in öffentlicher Prozession in einen der düsteren Stadttürme gebracht. Da auch sie zunächst nicht bereit war, irgendeine Schuld zu bekennen, wurde sie, wie ihre Tante, der Tortur unterworfen. Seelisch gebrochen und körperlich zermürbt, gestand Pellcke Stubben „binnen“, also während der Folter, die ihr zur Last gelegten todeswürdigen Verbrechen und wiederholte sie „buten pyne“, also außerhalb der Folter. Sie wollte nicht wieder und wieder gemartert werden. Dem Protokoll des Gerichtsschreibers ist zu entnehmen, daß sie 32 Anklagepunkte zugab. Mit diesem Schuldbekenntnis machte Pellcke Stubben mit Hilfe ihrer Peiniger ein Szenarium sichtbar, das die Vorstellungen der damaligen Zeit über ein ketzerisches und sündhaftes Hexenleben auch im Detail widerspiegelt. Pellcke Stubben gestand: „Ich ‘bekenne’, daß ich im Hause der Schwester meines Vaters, acht Jahre lang gelebt und dort das Zaubern von meiner Tante gelernt habe. An die 20 Jahre habe ich vielerlei Zauber ausgeübt und dabei zahlreichen Menschen in ihrer Not geholfen. In diesem Sommer nun wurde ich von der Gretke ermahnt, endlich die Salbe in des Teufels Namen zu gebrauchen. Sie zankte mit mir, weil ich mich zunächst weigerte, warf mir vor, daß ich nirgendwo dazu gehören möchte und wollte mich lehren, reich zu werden. Sie gab mir in des Teufels Namen einen Topf mit grüner Salbe, vielleicht war die Salbe aber auch gelb, schmierte mir damit in ihrem Haus Rücken, Brust, Arme, Hände und Ellenbogen ein und forderte mich auf, dieses in des Teufels Namen anzunehmen. Von der Zeit an, als mich meine Tante die Zauberei lehrte, hat sie alle dreieinhalb Jahre die Salbe neu ‘gebraut’. Sie ließ mich jeweils durch ihre Kinder nach Hastedt holen, händigte mir die Salbe in des Teufels Namen aus, sagte, daß ich sie in des Teufels Namen gebrauchen soll und daß ich damit Leuten, die mir Böses getan haben, Ärger bereiten kann. Ich gestehe auch, daß Gretke mir einen ‘Buhlen’ ‘zugefreit’ hat, der Luzifer hieß. Er war ein großer Mann, trug grüne Kleider und einen schwarzen Hut mit einer Feder daran auf dem Kopf. Mit Luzifer habe ich in Gretkes Haus geschlafen. Der Beischlaf ist mir aber bekommen, ‘wie dem Hund das Gras’. Luzifer ist wie ein ‘Biest’ mit mir umgegangen und sein ‘Instrument’ fühlte sich eisern an. Es war nicht so, wie ein Mann mit mir schläft und sein Samen war kalt. Ich habe gleich gemerkt, daß es nicht menschlich gewesen ist.“ Auf intensives Nachfragen räumte die eingeschüchterte Frau ein, daß sie dieses alles sehr wohl wüßte, denn sie hätte bereits vor dieser Zeit mit verschiedenen Männern geschlafen und 5 gab damit zu, eigentlich doch ein recht liederliches Frauenzimmer zu sein. „Ich spürte“, schmückte sie die Situation aus, „während mein Buhle mit mir schlief, daß sich seine Hände von außen eisern und von innen wie ein Schwamm anfühlten. Der Teufel gab mir Geld für das Eheversprechen“, meinte sie weiter: „Freilich, wenn ich darauf guckte, war es kein Geld, sondern Pferdedreck. Der Teufel hat mich danach oft vertröstet und meinte, ich sollte zufrieden sein. Er versprach mir wieder und wieder, daß er mich arme Frau reich machen würde, wenn ich mit ihm schlafe.“ Doch reich gemacht, wurde sie nicht. „Ich gebe auch zu“ fuhr Pellcke Stubben fort, “daß Gretke mir aus einem kleinen bunten Topf, der neben ihrem Bett stand und die Leute schädigen sollte, etwas gab und mir außerdem Ohr und Kopf damit einschmierte. Die Salbe habe ich zuerst bei einem braunen Pferd ausprobiert. Ich habe sie dem Tier auf die Lippen geschmiert, und das Pferd starb daran. Dann habe ich mit dieser Salbe auch dem seligen Dirich von Lubbeken fünf Kühe und zwei Ochsen, es waren seine besten Tiere, einige waren rot, andere bunt, umgebracht. Ich habe die Salbe auf das Heu geschmiert und dem Vieh in die Krippe gegeben, worauf eines nach dem anderen starb. Dem seligen Dirich von Lubbeken habe ich das angetan, weil er mir einen Taler vorenthalten hat, den er mir durch Waschen und Scheren schuldig war. Ich habe auch Rattkens Sohn mit der Salbe aus dem Topf Ohren und Lippen eingeschmiert, daß er davon krank geworden ist Ich gestehe auch, daß ich des Nachts mit dem Teufel getanzt habe, aber ich weiß nicht mehr wie ich zu dem Tanzplatz gekommen bin. Mich deucht, daß ich zwischen zwei Männern dahin gefahren bin und daß der Tanz auf der Domsheide stattgefunden hat. Der Spielmann hat auf einer gläsernen Trommel gespielt. Das alles ist vor einem Jahr geschehen. Gretke und ich haben auch zusammen getanzt, während der Teufel die Trommel dazu schlug. Ich gebe auch zu, daß ich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe. Sieben Jahre sollte ich sein eigen sein. Ich habe mich zuerst gewehrt und gesagt, daß ich mich an Gott halten will, aber der Teufel hat es mir zu sehr nahe gelegt. Und wenn ich beten wollte, ist er gekommen und hat mich geknufft. In den sieben Jahren ist mein Buhle Luzifer wohl zehn Mal in mein Haus gekommen, und ich habe zehn Mal mit ihm geschlafen. Er hat mir große Versprechungen gemacht, gelobt, mich reich zu machen und daß ich immer eine Schüssel mit Milch und Braten satt haben soll. Aber nichts ist geschehen. Der Teufel hat mir bei dem Pakt auf dem Hastedter Feld die Worte vorgesagt, daß ich Gott und seinem Angesicht abschwören, und niemals in diesen sieben Jahren zu ihm beten soll. Als ich auch die Worte 6 Jesus Christus sagen wollte, hat mir der Teufel verboten, den Namen auszusprechen. So habe ich auch, als ich dem Satan den Eid leistete, nicht zwei Finger sondern die ganze Hand in die Höhe heben müssen.“ „Ja“, erzählte Pellcke Stubben weiter: „Der Satan hat mir auch zwei ‘Buhlinnen’ vorgeschlagen. Sie kamen immer aus der Erde, wenn sie begehrt wurden. Der Teufel hat mich auch bedrängt, die ‘Buhlinnen’ mit den Knaben zusammenzuführen. Ich sollte, um die Jungfern zu holen, die Worte gebrauchen: ‘Ich schwöre Dir bei Gott und allen seinen Engeln und Teufeln, daß Du, Jungfer Allheidt, kommst und in des Teufels Namen Hinrich Rattkens Eigen und Braut wirst.’ Die Jungfern sind dann gekommen. Ich habe Rattkens Jungfer auch in mein Haus gelassen. Wir haben lange miteinander geredet, auch daß die beiden einander heiraten sollten. Doch Rattken hat geklagt, daß er noch zu jung wäre und hat sich nicht ganz mit ihr eingelassen. Ich habe Rattken geraten, wenn er alt genug ist, die Jungfer zu nehmen und habe ihm einen Trank in einem Glas gebracht, den die Jungfer mir gegeben hat. Auch habe ich Rattken geraten, wenn er seinen Eltern schaden wollte, mir Eierschalen, Haare und einen Teller zu bringen. Daraus wollte ich ihm etwas machen, was mich der Teufel gelehrt hat. Die Jungfer ist noch bei mir geblieben, als Rattken schon gegangen war. Sie war rot gekleidet, hatte einen holländischen Hut auf dem Kopf, einen Hühner- und einen Kuhfuß und Hände, wie Menschen sie auch haben. Die andere Jungfer hieß Janneken, sie war in rot und blau gekleidet und mit einem runden Dinge, das die Holländer auf dem Kopfe tragen. Sie hatte Handschuhe mit roten Fransen an. Der Teufel hat mir gesagt, ich sollte sie bei ihrem Namen nennen, dann würde sie kommen. Ich gestehe auch, daß mir der Teufel den unchristlichen Glauben vorgesagt und mir befohlen hat, diesen in des Teufels Namen weiter zu lehren. Den Glauben habe ich auch Botterbrodts Sohn mitgeteilt. Der hat ihn in ein Buch geschrieben. Auch Rattkens und Lohemeiers Söhne waren dabei. Ich habe ihnen den Glauben vorgesprochen. Und alles ist in des Teufels Namen geschehen. In Lohemeiers Keller habe ich auch Hinrich Rattken mit der Salbe eingerieben und in des Teufels Namen hinter das Ohr geschmiert. Es war bereits das zweite Mal, daß ich mit Rattken in Lohemeiers Keller war. Rattken hat gesagt, daß er mich in der Hand hätte und gedroht, daß er mich anzeigen und alles vor die Herren Obrigkeit bringen würde, wenn ich nicht alles tun würde, was er begehrt. Darum habe ich ihn noch einmal eingeschmiert, aber nicht, daß er sich von der Bibel wenden, sondern daß er eine Krankheit ‘kriegen’ sollte. 7 Der Teufel hat mir auch gesagt, ich sollte junge Knaben verführen. Und ich habe es unverzüglich getan. Ich habe auch dem Lohemeierschen Sohne, Hinrich Rattken, Botterbrodt und anderen versprochen, daß sie, wenn sie ein Schriftstück aufsetzen, es mit ihrem Blut unterschreiben und sich dem Teufel mit Leib und Seele hingeben, daß sie dann genügend Künste lernen sollten. Die Knaben haben darin eingewilligt. Botterbrodts Sohn hat sich in die Hand gestochen, aber es hat nicht geblutet. Der Teufel hat mir auch befohlen, ihm noch mehr Knaben zuzuführen. Aber ich habe es nicht getan. Allerdings muß ich gestehen, daß ich Botterbrodts Sohn einmal gefragt habe, ob er eine Jungfrau begehre, aber er gab mir zur Antwort, daß er keine begehre. Und ich habe die Knaben einen Glauben gelehrt, der unserem christlichen zutiefst zuwiderläuft und so schrecklich ist, daß man große Bedenken bekommt, denselben vor christlichen Ohren hören zu lassen.“ Die gesäuberte Urgicht In der „Urgicht“, dem Geständnisprotokoll, das man Pellcke Stubben allein vorlas, wurden „Säuberungen“, das heißt, kleinere Kürzungen vorgenommen und insgesamt fünf Artikel, also fünf Einzelgeständnisse, gelöscht, die sich gegen die bereits erwähnten Knaben Rattken, Botterbrodt und Lohemeier richteten. Sie waren Schüler des Gymnasium Illustre, der Lateinschule im Katharinenkloster, und die Söhne angesehener und unbescholtener Bremer Bürger. Die Aussagen wurden „extrahirt“, um, wie es hieß, Ärgernisse zu vermeiden. Das Gericht fürchtete ganz offensichtlich Auseinandersetzungen mit den gut beleumundeten Bürgerfamilien und konnte oder wollte sich nicht vorstellen, daß die „höheren“ Bürgersöhne Ketzerei und „Teufelsspuk“ betrieben, während sie das Gretke Kramers und Pellcke Stubben, Frauen der untersten Schicht, ganz offensichtlich zutrauten. So eliminierte man alle Bekenntnisse der Pellcke Stubben, in der sie die Knaben Zauberei in des Teufels Namen gelehrt haben wollte und Zaubereien im Namen des Teufels auch von den Schülern betrieben wurden. Das Gericht strich unter anderen die Anschuldigung Pellcke Stubbens, die Knaben das zauberische Öffnen von Schlössern durch „Teufelsgebräu“ gelehrt zu haben. Die bremische Obrigkeit wollte ebensowenig glauben, daß durch die Vermischung der Galle eines Hundes mit Bleiweiß und Anrufung des Teufels, Schlösser aufsprangen, wie durch die Vermengung des Blutes einer Fledermaus mit Hundegalle. Auch mißfiel dem hohen Gericht Pellcke Stubbens Geständnis, daß sie vor dem Tore der Lateinschule vom jungen Botterbrodt ein Buch erhalten hatte, um es Rattken zu geben und daß sie einem der 8 Knaben, sie wußte nicht mehr, ob es Rattken oder Botterbrodt gewesen waren, die Zusage gemacht hatte, alles, was im Zauberbuch stand, auch ihm in das Buch zu schreiben. Auch wollte das Gericht nicht hören, daß in Lohemeiers Keller Botterbrodt, Rattken und andere das Buch gebracht hätten und ihr eine Abschrift, die Botterbrodt mit seinem Blut geschrieben hatte, übergeben wollten. Das Urteil und die Exekutionen In der Gerichtsverhandlung unter dem Rathausbogen wurde nun noch einmal die bereinigte Urgicht verlesen und Pellcke Stubben aufgefordert, wie es das Gesetz vorsah, das Verhörprotokoll zu bestätigen und ihre Schuld öffentlich zu bekennen. Pellcke Stubben folgte der Aufforderung ohne zu zögern, denn sie wußte, daß jeder Widerruf zwecklos war und nur neue Tortur nach sich zog. Ihr sollte es nicht wie der tapferen Catrine Statlander gehen, die während der Gerichtsverhandlung ihre Aussagen zurücknahm und erneut solange gefoltert wurde, bis sie das erpreßte Geständnis aufrecht erhielt. Das erwartete Urteil für Pellcke Stubben lautete: Tod auf dem Scheiterhaufen. Im Falle von Gretke Kramers und Pellcke Stubben, und das war ungewöhnlich für die Justiz der damaligen Zeit in Bremen, wurde das Vogtgericht des Erzbischofs zur Bestätigung der Urteile übergangen. Auch wurde der Vogt nicht, wie es zuweilen geschah, eine Viertelstunde vor der Fahrt zur Hinrichtung vor den Rat zitiert, vor dem er, Unterwerfung bezeugend, mit entblößtem Haupt zu erscheinen hatte, um dem Urteil Rechtskraft zu verleihen. Der regierende Rat demonstrierte in diesem Doppelprozeß seine uneingeschränkte Macht, in dem er Deputierte des Rates zusammenrief. Grundlage für dieses Vorgehen bildete das kaiserliche Privileg von 1541, nach dem Bürgermeister, Rat und Bürger das Urteil bestätigen und danach zur Exekution des gesprochenen Urteils schreiten konnten, wenn der Vogt nach Aufforderung nicht tauglich war oder sich auf erzbischöflichen Befehl oder eigenmächtig entzog. Vor den Abgeordneten des Rates mußte Pellcke Stubben noch einmal ihr Geständnis wiederholen. Danach wurde das Urteil bestätigt und der Stab über sie gebrochen. Der Weg für die öffentliche Exekution war geschaffen. Pellcke Stubben konnte weder auf eine Berufungsinstanz noch auf Gnade hoffen. Berufungen waren nicht zugelassen oder zwecklos, weil die Richter dieselben blieben und als Frau war ihr die Gnade des Schwertstreichs vor dem Feuertod oder anstelle des Feuertodes versagt. Sie wurde nur Männern zuteil. 9 Die Hinrichtungen wurden nun unverzüglich vorbereitet. Während der Büttel zum Scharfrichter eilte, fuhr der Kämmerer mit einer Kutsche, begleitet von einigen schwer bewaffneten Soldaten, zur Richtstätte vor den Toren der Stadt, um dort im Namen des Rates den Frieden auszurufen. Inzwischen lief viel neugieriges Volk zusammen, um dem schaurigen Schauspiel beizuwohnen oder zumindest zuzuschauen, wie der Scharfrichter die tote und die lebendige „Hexe“ durch das Ansgariitor zum Jodutenberg vor dem Doventor führte. Manch’ brave Bürgerin oder braver Bürger spuckten dabei aus oder verliehen ihrer Verachtung auf andere Weise Ausdruck. Andere schauten ängstlich weg, um nicht dem „bösen“ Blick der Hexe zu begegnen, wieder andere, einfühlsame und mitleidsvolle Menschen, gingen rasch ihres Weges. Kritik freilich an den harten Urteilen wurde von niemandem geübt, die meisten Menschen glaubten an Hexenspuk und Teufelskünste oder hatten Angst, selbst in Zauberei- und Hexenprozesse verwickelt zu werden. Auf dem Jodutenberge vor der Stadtmauer begannen die Henkersknechte mit ihrer Arbeit. Sie stapelten das Holz für den „hort“, so nannte man den großen Scheiterhaufen aus Reisig. Den einen schichteten sie um den Körper der toten, den anderen um den der lebendigen Frau, die an einem Pfahl festgekettet war. Vermutlich wurde die Urgicht noch einmal verlesen und mit einem moralischen Appell an die vielen Neugierigen beendet, um diese auf dem Pfade der Tugend und der Sitte zu halten und gleicherweise deutlich zu machen, welche Strafen jene erwartete, die gegen Recht und Ordnung verstießen. Wir wissen nichts über das Wetter an diesem Tage. War es trocken und warm, so daß sich das Feuer rasch entwickeln konnte und die glühenden zum Himmel strebenden Flammen die Qual der Pellcke Stubben schnell beendeten, oder war es regnerisch und trüb, so daß beißender Rauch ein schnelles Entflammen verhinderte und die Schmerzen und den Todeskampf verlängerten. Doch, wie auch immer, wir können uns vorstellen, daß die lauten Schmerzensschreie weithin hörbar waren. Als sie verstummten und das knisternde Feuer langsam erlosch, wanderten die Vertreter der bremischen Obrigkeit und der Justiz sowie die vielen interessierten Bürgerinnen und Bürger zurück in die Stadt. Sie hatten etwas Schaurigschönes erlebt und nahmen die Gewißheit mit nach Hause, daß der Gerechtigkeit Genüge getan, daß der durch die Ketzerei erzürnte Gott besänftigt und die Obrigkeit mit ihrem Werk zufrieden war. Die sittliche Ordnung, die die Frauen durch ihr schändliches Tun auf den Kopf gestellt hatten, wurde durch ihren Tod restauriert. War dieser Prozeß auch nicht der letzte, der als „Hexenprozeß“ in die Geschichte einging, so war er doch der letzte, der mit dem Feuertod endete. In späteren Prozessen war von 10 Teufelsbuhlschaft, Hexensabbat und Luftfahrt keine Rede mehr. Offensichtlich glaubte man in Bremen nicht mehr an solchen Unfug. Strafrechtlich verfolgt wurden jedoch insbesondere die Wahrsagerei, die mit öffentlicher Züchtigung, Brandmarkung und Stadtverweis geahndet wurde, der weniger anrüchige Amulett- und Heilzauber und die sogenannte „Teufelsbesessenheit“. Die „Besessenen“ freilich, galten nicht länger als aktive und boshafte Handelnde, sondern als arme Opfer überlegener und übelwollender Dämonen. Literatur: Schwarzwälder, Herbert Die Geschichte des Zauber- und Hexenglaubens in Bremen, Erster Teil, in: Bremisches Jahrbuch 1959 Schwarzwälder, Herbert Die Geschichte des Zauber- und Hexenglaubens in Bremen, Zweiter Teil, in: Bremisches Jahrbuch 1961 Tardel, Hermann Ein bremischer Hexenprozeß im Jahre 1603, in: Niederdeutsche Zeitschrift für Volkskunde, Bremen 1938 11