der gute mensch von sezuan

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der gute mensch von sezuan
DER GUTE MENSCH
VON SEZUAN
von Bertolt Brecht
PREMIERE
AM 25. SEPTEMBER 2011
S. 2
DER GUTE MENSCH
VON SEZUAN
von Bertolt Brecht
Musik von Paul Dessau
Musikalische Einrichtung von Michael Haves
Dauer der Vorstellung 1 3/4 h, ohne Pause
PREMIERE AM 25. SEPTEMBER 2011
mit Alicia Aumüller, Tabea Bettin,
Vivien Bullert, Michael Haves,
Alexander Seibt, Malte Sundermann,
Franziska Wulf
Regie Barbara Weber
Ausstattung Sara Giancane
Musik Die gute Band von Sezuan
Dramaturgie Julia Reichert, Cihan Inan
Regieassistenz Laura Thais Steinhöfel
Bühnenbildassistenz Michael Levy-Strasser
Kostümassistenz Ina Rohlfs
Regiehospitanz Mirjam Knapp, Ulrike Köstinger
TECHNISCHE LEITUNG Andreas Bögli, Peter Meier (Stellvertretung)
BELEUCHTUNG Cornelius Hunziker, Twist Sopek, Martin Wigger, Philipp Ziegler,
Ueli Kappeler TON/VIDEO Jürg Breitschmid, Fritz Rickenbacher SCHLOSSEREI Cristiano Remo
SCHREINEREI Dominik Dober, Sybille Eigenmann, Fabian Fässler, Reto Landolt
MALSAAL Noëlle Choquard, Martina Heimgartner DEKO %HWWLQD6WRҬHO'RULV=XUEUJJ
REQUISITE Hans Manz, Ueli Zellweger SCHNEIDEREI Ruth Schölzel (Leitung),
Katharina Baldauf, Beatrice Zimmermann, Layla Emini, Anna Lehmann GARDEROBE Doris
Mazzella MASKE Denise Christen, Diane Bhutia BÜHNE Thomas Bianca, Franz Fleischmann
THEATER NEUMARKT, NEUMARKT 5, 8001 ZÜRICH, TEL. +41 (0)44 267 64 64
WWW.THEATERNEUMARKT.CH REDAKTION CIHAN INAN, JULIA REICHERT,
GESTALTUNG STUDIO ACHERMANN FOTOGRAFIE ADRIAN EHRAT DRUCK A. SCHÖB, ZÜRICH
TEXTNACHWEISE:6ODYRMàLáHN'HUOLEHUDOH.RPPXQLVW.ULWLNGHUEHQHYROHQWHQ0LOOLDUGlUH
Ronald M. Schernikau, Legende, ddp
Ein Essay in: Cicero, 29. Juli 2006
Lois P. Rankel, PhD, NICE GIRLS DONT GET THE
goldenbogen Verlag, Dresden 2000
CORNER OFFICE – 101 unconscious mistakes women make to sabotage their careers
Gail Evans, Play like a man, win like a woman. What men know about
Hachette Books, 2004
FUCK GENDER!
success that women need to learn, Broadway Books, New York 2000
Geschlecht als Performance - Anleitung Drag-King-Crossdressing
Elfriede Jelinek, Zu Brecht.
http://www.projektwerkstatt.de/gender/download/dragking.pdf
Bertolt Brecht, Arbeitsnotizen und
Alles oder nichts, http://www.elfriedejelinek.com
Bruchstücke, in: Materialien zu Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“; Zusammengestellt
Wendolin Wiedeking, FAZ, 9.11.2008
und redigiert von Werner Hecht, Suhrkamp Verlag, 1968
Daniel Binswanger , Originalbeitrag
S. 3
DIE GÖTTER SIND UNSERE ZEITGENOSSEN
Der ‚Gute Mensch von Sezuan‘ ist die Antithese zu einem
theatralischen Weltgericht. Schon in der äschyleischen
Orestie wird der tragische Held zu guter Letzt von den Göttern freigesprochen von seiner Schuld. Im barocken
Trauerspiel liefert das christliche Heilsversprechen den
dramatischen Kontrast zur Verfallsgeschichte des irdenen
Jammertals. Das Welttheater steuert auf die Erlösung zu –
und dieser vorausgehen muss das Weltgericht über die
armen Sünder. Auch ‚Der gute Mensch‘ gipfelt in einer
Gerichtsszene – aber von Verdammung und Sühne, von
Apokalypse und Erlösung ist keine Spur.
Die Gerichtsszene wird zur Anti-Offenbarung: Es
zeigt sich hier lediglich die völlige Impotenz der so genannt
höheren Mächte. Anstatt dass die Götter richten, sühnen
und erlösen, nehmen sie einen Schauprozess zum Vorwand,
um sich aus dem Staub zu machen. Die Erlösung fällt
aus. Die Himmlischen begnügen sich damit, auf einer ‚rosa
Wolke zu entschweben‘.
Dieser Ausfall des Weltgerichts ist die Vorgabe zu
den Epilog-Versen, die für unsere Epoche so selbstverständlich geworden sind, dass sie zur vielleicht gängigsten
Spruchweisheit des deutschen Fernsehens avancieren konnten:
„Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen / Den
Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Mit dieser Offenheit ist nicht nur die Distanz bezeichnet, die das epische Theater zur Schicksalsgläubigkeit
des klassischen Dramas halten wollte. Sie weist auch hin auf
Brechts Reserviertheit gegenüber der Dogmatik marxistischer Geschichtsphilosophie. Das Weltgericht wurde vom
Kommunismus ja nicht aufgegeben, sondern herbeigeführt
in der proletarischen Revolution.
Die Parodie der Götter macht den ‚Guten Menschen‘
verblüffend aktuell. Die Parabel von Elend und zwischenmenschlicher Verrohung, die das Schicksal der Heldin uns
erzählt, hat nichts von ihrer Kraft eingebüsst, aber wir
entziffern sie heute aus einiger Entfernung. Die clownesken
Götterfiguren jedoch sind unsere unmittelbaren Zeitgenossen. Sie erscheinen wie die melancholischen Vertreter
eines Kultus der Hilflosigkeit. Von Allmacht ist da nichts
zu spüren: Die Götter unterstehen Sachzwängen. Niemand
braucht sie ernst zu nehmen, und nur ein paar Randständige wollen überhaupt noch an sie glauben. Diese Figuren
wirken vertraut.
S. 4
FANNY KRESS ODER DER HUREN EINZIGER FREUND
IST DIE HURE. DIE HURE VERKLEIDET SICH ALS MANN (ZIGARRENHÄNDLER),
UM IHNEN ALLEN ZU HELFEN. NUN SIEHT SIE, WIE ALLE HUREN EINANDER
VERRATEN UND JEDE VERSUCHT, DEN MANN ZU KAPERN.
BERTOLT BRECHT,
ETWA 1927
S. 5
Brechts Götter sind die ätzende Karikatur der Impotenz
der Politik. Und diese Karikatur ist heute noch viel treffender als 1943 bei der Zürcher Uraufführung des ‚Guten
Menschen‘.
„In das Wirtschaftliche dürfen wir uns nicht mischen.“
geben die Götter gleich zu Beginn zu bedenken und sprechen damit ihr zentrales Glaubensbekenntnis aus. Es ist das
Glaubensbekenntnis des Marktfundamentalismus. Die
Götter müssen froh sein, wenn sie von den ökonomisch Mächtigen geduldet werden. Sie sind in der Position der Almosenempfänger. Wie sollten sie etwa Steuern erheben, wenn
das doch die guten Steuerzahler vertreibt? Wie sollten
sie Regulierungen durchsetzen, wenn das doch zur Abwanderung der wichtigen Wirtschaftszweige führt? Zwar
versuchen die Götter zunächst den guten Menschen zu subventionieren. Auch dieser Verstoss gegen ihre eigenen
Prinzipien kann aber an den Sachzwängen nichts ändern.
Den brechtschen Göttern bleibt nur die Bescheidenheit.
Und der Zweckoptimismus. Da sie den Lauf der Welt
nicht beeinflussen können, müssen sie stur darauf hoffen, dass es trotzdem gut herauskommt. Dass es ihnen wider
Erwarten doch gelingen wird, einen guten Menschen zu
finden. Das Prinzip Hoffnung ersetzt den Gestaltungswillen.
Die letzte Rettung der Götter ist schliesslich der
vorzeitige Abgang. Ob rosa Wolke oder goldener Fallschirm:
Wichtig ist, man setzt sich ab, bevor man für die eigene
Bilanz die Verantwortung übernehmen muss. Womit, in der
Parabel wie in der wirklichen Welt, die entscheidende
Frage tatsächlich offen bleibt: Das Schicksal des guten Menschen und aller anderen Erdenbürger, die nicht entschweben können.
Daniel Binswanger, September 2011
GRÜBELEI ÜBER DEN „GUTEN MENSCHEN“.
WIE KANN DIE PARABEL LUXUS BEKOMMEN? WIE KANN DER EINDRUCK DER MILCHMÄDCHENRECHNUNG VERMIEDEN WERDEN? DEM AUSGERECHNETEN ENTSPRICHT DAS
NIEDLICHE. DAS MÄDCHEN MUSS EINE GROSSE, KRÄFTIGE PERSON SEIN. DIE
STADT MUSS EINE GROSSE, STAUBIGE, UNBEWOHNBARE STADT SEIN. DAS HANDICAP
IST: ZUVIEL HANDLUNG. KEIN PLATZ FÜR ABSCHWEIFUNG UND UMWEG. SO IST
ALLES ZU SEHR RATIONALISIERT. DRAMATISCHER TAYLORISMUS. NEBENBEI MUSS
DIE GEFAHR DER CHINOISERIE BEKÄMPFT WERDEN. GEDACHT IST EINE CHINESISCHE VORSTADT MIT ZEMENTFABRIKEN UND SO WEITER. DA SIND NOCH GÖTTER UND
SCHON FLUGZEUGE. VIELLEICHT SOLL DER LIEBHABER EIN ARBEITSLOSER FLIEGER
SEIN?
BERTOLT BRECHT, IM MAI 1939
S. 6
Während sich im Herbst 1989 Tausende Ostdeutsche in den Westen aufmachen, läuft der junge
Dichter Ronald M. Schernikau als Einziger in
die entgegengesetzte Richtung. Für den Fall,
dass Götter über unser Schicksal wachen, müssen
sie ihren boshaften Tag gehabt haben. Sein ganzes Leben eine Bewegung Richtung Osten, und
als er endlich ankommt, findet er sich mitten
im Westen wieder. - Auszüge aus seinem Roman
„legende“:
I11I er hatte recht.
I21I wenn etwas sehr lange geschieht
und es geschieht sehr stark und ohne dass
du mit tust und es ist das falsche: dann kann
es sein du vergisst, dass du etwas tun könntest. du denkst, es kann nicht anders sein. du
hörst auf, dich zu wehren.
I22I das ist den menschen um mich
geschehen. dass du nicht mehr glaubst, dass du
etwas ändern kannst: das ist das grauenhafteste. das ist das grauenhafte an diesem land.
EIN PHÄNOMEN
die götter sind ja aber nicht alleine.
die götter sind auch bloss welche von denen,
I2I der kapitalismus hatte nur eine
die immer auf die leute einreden und sagen
chance: so zu tun, als sei er keiner. er würde siehe oben.
den leuten mit dem stundenlohn erzählen
müssen, sie seien herren ihrer selbst. das hat DIE LISTE DER GÖTTER
geklappt, herzlichen glückwunsch.
I5I die frage der quotierung wird ja
I3I (...)die wirklichkeit macht was sie will.
I5I der trick ist, die grausamkeit
gerade in der letzten zeit oft gestellt, also wie
der verhältnisse nicht nur zur grausamkeit
viele götter auf wie viele menschen es gibt
des menschen zu machen; das wäre nicht
nicht allzu unterschiedliche antworten.
neu. neu ist: es handelt sich jetzt um die nichtI6I wir wollen hier nicht auf die ebene
grausamkeit der verhältnisse.
der statistik sinken, aber ein gewisses soll
I6I die grausamkeit der verhältnisse soll doch erfüllt sein. die erhobenen, wenn sie
wird geschildert in den werken von bertolt
zu wenig werden, geben die menschen verlobrecht; mit erledigt wird der irrtum über die ren und die orte.
grausamkeit des menschen.
I8I was fehlt den göttern? wonach
I7I bertolt brecht, den ich bewundere suchen sie? ein gott kann hitzeblick haben.
wie nur drei vier andere, ist in dem land,
er weiss alles, er kann alles. wenn er auf
in dem ich lebe, in hunderttausenden von
die erde kommt, wird er ein bisschen irdisch,
büchern verbreitet. irgendwas scheint nicht
schwach und nicht erhoben. einmal zurück,
zu funktionieren.
verliert man schnell den überblick.
I8I abgesehen davon, dass bertolt
was die götter hier können, sind reste. sie
brecht über feuchte wohnungen, schüsse ge- können listen anlegen.
gen streiks und körperliche arbeit schreibt
I9I abgesehen davon sind die listen
und es das alles bekanntermassen nicht mehr wie immer geheim. die götter, wenn ihnen
gibt: abgesehen davon, dass wir liebe nicht
einer über die schulter kucken will, schnell
mehr als insel, nur noch als kaugummi emp- entschweben sie die statistik den menschlifinden (ist teuer, amerikanisch, klebt,
chen augen.
schmeckt nicht lange) abgesehen davon, dass
I11I nur eins steht fest, verehrte zuniemand mehr ins theater geht, das theater
schauer, wir müssen den ausgang finden.
schlecht ist und gedichte durch den vergleich
(Ronald M. Schernikau)
mit dem, was in der gegenwart als gedicht
ausgegeben wird, wertlos erscheinen – das
war immerhin immer so; abgesehen davon
also weist bertolt brecht andauernd auf die
realität. die realität aber gibt es nicht mehr.
I10I ich habe neulich in einem
gespräch das wort unterdrückung benutzt.
hinterher nahm mich mein freund matthias
zur seite und sagte: weisst du, dieses
wort unterdrückung: das ist oldfashioned.
S. 7
AUCH DER BÖSE VETTER KANN NICHTS AUSRICHTEN, WO DAS KAPITAL FEHLT.
S. 8
„NEIN, DIE GIER IST ÄLTER ALS DER
KAPITALISMUS“
Seit dem Sündenfall im Paradies ist der menschliche Charakter ein zweifelhafter. In
seinem Überlebenskampf neigt der geschätzte Homo sapiens dazu, seinen eigenen
Vorteil zu suchen. Und allzu oft lässt er sich
in diesem Drang von niemandem bremsen.
Die vielzitierte Gier ist es, auf die gegenwärtig alle Welt schimpft – nicht zu Unrecht.
Dabei sind es nicht nur die Banker und die
schon in der Bibel beschriebenen Heuschrecken-Plagen. Die Gier steckt – mehr
oder weniger – bei der ganzen Spezies
Mensch in allen Poren. Dass Gier, die „Wurzel allen Übels“ (Paulus), keine Erfindung
des Kapitalismus ist, sieht man schon daran,
dass sie seit dem Alten Testament das
zweifelhafte Privileg geniesst, zu den sieben
Todsünden zu zählen. Als sich die BibelSchreiber damals über diese Untugend mokierten, war man von einem Kapitalismus,
wie wir ihn heute kennen, noch weit entfernt.
Hedge-Fonds, Aktien, Leerverkäufe und
globales Spekulantentum kamen im Vokabular nicht vor. Die Gier ist älter. In der
modernen Zivilisation haben sich die Menschen Regeln auferlegt, um ein einigermassen geordnetes Zusammenleben zu ermöglichen. Die Staatsgewalt, sofern
demokratisch legitimiert, sorgt dafür, dass
dieses Wertesystem nicht schnell wieder
in Vergessenheit gerät. Der Rückblick zeigt:
Kapitalistische Werteordnungen haben
sich im Grossen und Ganzen als geeignete
Mittel zur Steigerung des Wohlstandes
erwiesen. Der Kapitalismus – solange er ein
soziales Antlitz hat – bietet den Menschen
die Chance, ihre Talente zu mehren. Ganz im
Sinne des Matthäus-Evangeliums (Kapitel
25, Vers 14-30). Er ist nicht schuld am
schlechten Charakter des Menschen. Es ist
genau umgekehrt: Die verdorbenen
Charaktere sind es, die ihre Freiheit missbrauchen und den Kapitalismus in Verruf
bringen.
LIBERALE KOMMUNISTEN
Die beiden Gesichter von Bill Gates: Auf der
einen Seite steht ein erbarmungsloser
Geschäftsmann, der Konkurrenten vernichtet oder aufkauft und praktisch ein Monopol
anstrebt, auf der anderen Seite der grosse
Menschenfreund, der gerne behauptet:
„Wozu soll es gut sein, Computer zu besitzen,
wenn die Menschen nicht genug zu essen
haben?“
Die Wohltätigkeit ist ein Teil des Spiels, eine
humanitäre Maske, die nur die zugrunde
liegende wirtschaftliche Ausbeutung verbirgt.
Entwickelte Länder „helfen“ immerzu den
unterentwickelten und entziehen sich so der
zentralen Frage, nämlich ihrem Komplizentum an der elenden Situation der Dritten
Welt und ihrer Verantwortung dafür.
Man exportiert die (notwendige) dunkle Seite
der Produktion – disziplinierte, hierarchische Arbeit, Umweltverschmutzung – in
„nicht smarte“ Standorte in der Dritten Welt
(oder unsichtbare in der Ersten Welt). Der
ultimative liberale kommunistische Traum
lautet, die gesamte Arbeiterklasse in unsichtbare Sweat Shops der Dritten Welt zu exportieren.
6ODYRMàLáHN
(Wendelin Wiedeking ist
Ex-Vorstandschef von Porsche.)
„GENEROSITÄT SCHLIESST DAS EIGENE SELBST
NICHT AUS.“
S. 9
„DES MENSCHEN EIGENER FREUND: ER SELBST. DIE DOPPELROLLE“
S. 10
DER EINE GOTT
IST SEHR LANG, DAMIT ER ALLES ÜBERSEHEN KANN.
„SCHNELLER WIEDERAUFBAU EINER EXISTENZ DURCH HÄRTE“
S. 11
FUCK GENDER
Köper einen Radius von ca. einem Meter als
Teil deines Territoriums vor. (...) Wenn
Um also zu den Praktiken des Workshops zu du sprichst, solltest du sehr langsam reden,
kommen − hier sind einige Dinge, die du
damit die Menschen glauben, du hättest
berücksichtigen solltest, wenn du einen Tag wirklich etwas Wichtiges zu sagen. Jedes
lang ein Mann sein möchtest:
Wort, das du aussprichst, ist ein Juwel
BRUSTBANDAGEN: Ein 10-15 cm der Weisheit. Eigentlich musst du gar nichts
breites Bandagenband wird ausgehend von
sagen. Wenn deine Rede von passenden,
den Brustwarzen um die Brust gewickelt.
signifikanten Gesten begleitet wird, wirst du
DER PENIS: Es gibt viele Arten,
als männlich wahrgenommen. (...) Gib vor,
einen Penis zu konstruieren. Einige verwen- jemandem mit Interesse zuzuhören und zuden ein Kondom, das sie mit Baumwolle
cke dann deine Schultern mit einer Geste
ausstopfen, andere eingerollte Socken, eine
des Desinteresses. Falte die Arme, zieh deiBanane oder einen Dildo.
nen Kopf und deine Brust zurück, während
HAARE: Wenn du lange Haare
die andere Person um ihren Ausdruck
hast, kämm sie entweder zurück oder binde kämpft.
sie im Nacken fest und lass die Haare
(Geschlecht als Performance. Anleitung zum
runterhängen (nicht hochbinden zum RossDrag-King-Crossdressing)
schwanz). Wenn du deine Haare offen
lässt, versuch sie in der Mitte und nicht auf
der Seite zu teilen. Eine umgedrehte Baseballkappe wirkt manchmal Wunder.
GESICHTSHAARE UND
MAKE-UP: Gesichtshaare sind der zentrale
Signifikant in der Kreation einer männlichen Identität. Die Gesichtshaare bekommst
du in Geschäften für Theater-Make-up.
SCHUHE: Versuch dich nicht mit
Reeboks für Frauen durchzuschwindeln.
Männerschuhe geben dir das Gefühl, mit
beiden Beinen auf der Erde zu stehen
und den Raum unter deinen Füssen zu besitzen. Dieser physische Kontakt mit dem
Boden zeitigt entsprechende psychologische
Effekte. Versuch es.
VER HALTEN: Wichtig ist, dass
du aufhörst zu lächeln. Sofort. Männer
lächeln nur, wenn sie einen Grund haben. (...)
Von dir wird Arroganz und Entschiedenheit erwartet, denn als Mann in einer Männerwelt hast du immer Recht. Wenn dem
auch nicht so ist, gib es niemals zu und entschuldige dich nie. Wenn du als Mann
einen Raum betrittst, tu so, als wäre es dein
Raum, als fühltest du dich in deiner Umgebung absolut wohl. Spreize deine Füsse
beim Gehen etwas nach aussen. Das
Gehen soll aus den Schultern kommen. Die
Hüften sind steif und werden über den
Schwung der Schultern gesteuert. Nimm
beim Gehen viel Raum ein und lass
dein Gewicht erst auf die eine, dann auf die
andere Seite fallen. Stell dir um deinen
S. 12
PLAY LIKE A MAN –
WIN LIKE A WOMAN
–
what men know about success that
women need to learn
MISTAKE #26
Decorating your office like
your living room
Unless you are an interior
decorator, it doesn’t pay.
RULE #1
They can cry. You can’t
Men can get away with tears,
because they are unexpected.
Women are expected to cry.
MISTAKE #27
Feeding others
You’re not „Mom“ or Betty Crocker.
RULE #2
They can have sex. You can’t
After the romance is gone the more
powerful person plots to oust
the subordinate from the picture.
MISTAKE # 3
Working hard
No one ever got promoted purely
because of hard work.
MISTAKE #4
Doing the work of others
„If I don’t do it, no one else will“
– and you’ll be
doing it for a l-o-n-g time.
RULE #33
They can yell. You can’t
Since it’s supposedly out of
character for a woman,
it’s perceived as loss of control.
MISTAKE #60
Apologizing
It makes you look like you’re at
fault, when in fact you’re not.
THE TWO FINAL RULES
Be a woman
Be yourself
Aus: Lois P. Rankel, PhD „NICE GIRLS DONT GET THE
CORNER OFFICE – 101 unconscious mistakes women
make to sabotage their careers“
MISTAKE #16
Needing to be liked
People often get angry for the
purpose of getting what they want.
Don’t fall for the ploy!
MISTAKE # 23
Denying the Importance of Money
Money is power –
It’s time you focused on it.
MISTAKE # 24
Flirting
Just ask Monika Lewinsky.
S. 13
ALLES ODER NICHTS
Ich habe mit dem Werk Brechts immer meine Schwierigkeiten gehabt, und zwar wegen eines wie soll ich sagen selbstgewissen Reduktionismus, der seinen Gegenstand, wie einen
Dauerlutscher, von allen Seiten her abhobelt, zuschleift,
zuspitzt, bis das Gespenst eines Sinns den Mündern der Schauspieler, der die Gedichte Lesenden entschlüpft und dann,
unrettbar, verschwindet. Das ist ein Werk, das aus der Gefahr
kommt, dem deutschen Nazismus, doch, und das ist gross
an Brecht: So wie er seinen Gegenstand entwickelt, ist
das keine Gefahr der Existenz schlechthin, die den Menschen
von seinem Geschick her gefährdet (...), sondern diese
Gefährdung durch ein Raub- und Mordsystem wird in all
seinen Ursachenszusammenhängen analysiert und benannt,
und dann wird noch mit einem Zeigestock drauf gezeigt,
dies ist der Kopf der Gefahr und dort ist ihr Schwanz. Man
muss sie immer beim Kopf erwischen, diese Schlange. (...)
Keine Missverständnisse bitte! Und wenn doch, so
werden sie ausgeräumt werden. Um dies zu erreichen,
lässt Brecht Oppositionen, grösstmögliche, gegeneinander
antreten, Arm und Reich, Gut und Böse, Dumm und
Klug, Bewusst und Unbewusst, etc. Damit er selbst diese
Funktionen nicht abschleifen, neutralisieren muss, lässt
er sie das selber besorgen; sie schleifen sich also gegenseitig
ab, bis zu dem Griff, an dem man den Lutscher hält, und
der ist leider immer das einzige, was einem bleibt. Man hat
dann einen Kern in der Hand, eine Aussage, eine, die
immer wieder gleich aussieht, aber man kann nichts mehr
mit ihr anfangen, sie ist der Rest, der immer und gleichzeitig nie aufgeht. (...)
Aus dem Exemplarischen ins Extrem der vollkommenen Austauschbarkeit, denn das sind heute Stücke für
jede Zeit und jeden Raum, für jedes Theater und jedes Wetter.
Aber vielleicht ist das nicht Brechts Problem, dass das
Exempel zu Jedem Beliebigen wird, sondern, da eben inzwischen Alles möglich ist, kann dieser Dichter auch Allen
Alles bringen. (...) Nur wenn die Zeit sich ändert, was keiner
sich wünscht, würde sich Brechts Dramatik wieder lösen
können aus dieser Neutralisierung aller ihrer Funktionen.
(Elfriede Jelinek, Zu Brecht)
S. 14
ZUM STÜCK
DIE GÖTTER SIND AUF DEM WEG NACH SEZUAN, BEUNRUHIGT DURCH DIE
VIELEN KLAGEN, DIE ZU IHNEN AUFSTEIGEN. UM SICH GETROST
WEITERHIN „INS WIRTSCHAFTLICHE NICHT MISCHEN“ ZU MÜSSEN, MUSS
WENIGSTENS EIN GUTER MENSCH GEFUNDEN WERDEN. NUR BEI DER
PROSTITUIERTEN SHEN TE WERDEN SIE FÜNDIG. ZUM DANK FÜR IHRE
GASTFREUNDSCHAFT HINTERLASSEN SIE IHR EINE ANSCHUBFINANZIERUNG
UND DEN AUFTRAG, „GUT ZU SEIN UND DOCH ZU LEBEN“. ABER WIE
DAS EBEN SO IST, MIT BRECHT UND DEN VERHÄLTNISSEN: MIT DEN BESTEN ABSICHTEN ERÖFFNET SIE EINEN KLEINEN TABAKLADEN, DOCH
DIE EIGENE GROSSZÜGIGKEIT UND DIE GIER IHRER MITMENSCHEN TREIBEN SIE SO SCHNELL AN DEN RAND DES RUINS, DASS SIE SICH UND
IHR GUTMENSCHENTUM NUR DURCH DIE ERFINDUNG EINES ALTER EGO,
IHRES „VETTERS“ SHUI TA, ÜBER WASSER HALTEN KANN. DIE MASKERADE
ERLAUBT IHR, VOM „ENGEL DER VORSTÄDTE“ ZUM „TABAKKÖNIG VON
SEZUAN“ AUFZUSTEIGEN, AUS DEM GUTEN MENSCHEN WIRD EIN RÜCKSICHTSLOS-RATIONALER KAPITALIST, DER SEINE FREUNDE UNTER MISERABLEN
BEDINGUNGEN IN DER FABRIK SCHUFTEN LÄSST. DOCH WO SHUI TA
IST, KANN SHEN TE NICHT SEIN, IHRE GUTEN VORSÄTZE ABER AUCH DAS
PRIVATE GLÜCK BLEIBEN AUF DER STRECKE.
BRECHTS PARABEL, ENTSTANDEN 1938 BIS 1940 IN DER EMIGRATION,
URAUFGEFÜHRT 1943 IN ZÜRICH, MAG AUS EINER ZEIT STAMMEN,
ALS DIE MENSCHEN NUR ZWEI GESCHLECHTER UND DER KAPITALISMUS
NOCH EIN ENDE HATTE, DOCH SIE BLEIBT ZEITLOS IN DER FRAGE
NACH DER VEREINBARKEIT VON MARKT UND MORAL, VON PRIVATER UND
WIRTSCHAFTLICHER ÖKONOMIE.
S. 15
Partner des Theater Neumarkt
VON BERTOLT BRECHT
Wie soll ich gut sein, wo
alles so teuer ist?
DER GUTE MENSCH
VON SEZUAN
SPIELZEITERÖFFNUNG
PREMIERE
AM 25. SEPTEMBER 2011
Musik von Paul Dessau
musikalische Einrichtung von Michael Haves
Regie: Barbara Weber
Karten unter 044 264 64 64
www.theaterneumarkt.ch
Studio Achermann