Mehr als olle Kamellen

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Mehr als olle Kamellen
08.2015 | 12.40 EUR
MATERIAL-NR. 04062-5178
www.personalmagazin.de
Mehr als olle Kamellen
Wie Sie die Ausbildung wirklich attraktiver machen
FÜHRUNG Wie es um die Wertschätzung der Mitarbeiter in
deutschen Firmen bestellt ist S. 36
Spezial
Persona
larbeit
im Gesu
ndheits
wesen
S. 58
S. 18
ENTSENDUNG Wie Unternehmen
eine Global-Mobility-Strategie
aufbauen und umsetzen S. 46
ENTSCHEIDUNG Wann Tarifverträge Gewerkschaftsmitglieder
bevorzugen dürfen S.73
Top-Forschung für die Personalpraxis –
fundiert und verständlich!
In PERSONALquarterly lesen Sie vierteljährlich die neuesten Erkenntnisse aus der Personalforschung – wissenschaftlich fundiert
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EDITORIAL 3
Liebe Leserinnen und Leser,
unsere duale Berufsausbildung wird internationl bewundert, doch die
Lage ist schlechter als das Image: Die Berufsausbildung hat an Strahlkraft
eingebüßt, die Studierneigung der Jugendlichen nimmt weiter zu und immer
mehr Ausbildungsleiter können ihre offenen Stellen nicht besetzen. Die
Verantwortlichen werden angesichts des Fachkräftemangels nervös: DIHKPräsident Eric Schweitzer polterte neulich gegen die „Überakademisierung“
und forderte eine Begrenzung der Studienplätze. Doch die Berufsplanung
der Jugendlichen lässt sich in
einer freiheitlichen Gesellschaft
„Wir brauchen
mutige und
experimentier­
willige Ausbildungsleiter, um
die duale Berufsausbildung zu
neuer Attraktivität zu führen.“
Reiner Straub, Herausgeber
nicht mit dirigistischen Methoden steuern, der DIHK-Präsident
kassierte mit seiner Äußerung ein
Eigentor (siehe Seite 21). Um der
Berufsbildung neue Strahlkraft
zu geben, ist ein Umdenken in
den Betrieben, Verbänden und der
­Politik notwendig. Hunderttausende von Jugendlichen stecken
derzeit in Übergangssystemen,
weil sie keine Stelle finden oder
weil ihnen der Schulabschluss fehlt. Besonders schwer haben es Jugendliche
mit Migrationshintergrund oder einem Handicap. Die Betriebe wollen stets
die Besten einstellen, sie wollen und können nicht Probleme lösen, die in der
Schule oder im Elternhaus entstanden sind – so die Argumente, die häufig
zu hören sind. Das ist zwar nachvollziehbar, doch nicht zukunftsorientiert.
Der Fachkräftemanagel von kleinen und mittleren Betrieben wird sich nur
lösen lassen, wenn sich die Ausbildungsleiter auch um diese Jugendlichen
kümmern. Wir brauchen darum Ausbildungsleiter, die sich mit Herzblut
dieser Aufgabe annehmen und Mut haben, neue Wege einzuschlagen.
Ihr
08 / 15 personalmagazin
4 INHALT_AUGUST 2015
Was HR-Vorstände verdienen
© VOLKSWAGEN AG
VW-Personalvorstand Horst Neumann
kassiert das höchste Jahresgehalt.
Diese Symbole weisen
auf Add-ons in der
Personalmagazin-App hin.
Video
Audio
Bildergalerie
Umfrage
Rechner
12
18
Zusatzinfo
SZENE
06News und Events
09Der Tag der Personaler
Der Personalmanagementkongress
in Berlin stand ganz im Zeichen der
Digitalisiserung. Im Fokus stand
zudem die neue BPM-Präsidentin
10Schlaflos in Berlin
Beim HR Hackathon entwickelten
Personaler und Techies neue ITLösungen für alte HR-Probleme
12Transparenz statt Fantasie
Was Deutschlands Top-Personaler
verdienen
16Serie HR-Start-ups
Die App „Gastromatic“ zur
Personal­einsatzplanung
TITELTHEMA
18Mehr als olle Kamellen
Wie Sie die Ausbildung wirklich
attraktiver machen 21Politik statt Fakten
Der Bachelor kommt in einer
DIHK-Studie nicht gut weg. Doch
dahinter steckt politische Taktik
22Eine Million Betriebe,
eine Marke
Eine große Employer-BrandingKampagne soll dem Handwerk
mehr und gute Azubis bescheren
26„Mit Persönlichkeit zum Erfolg“
Bei Provadis ergänzt ein Persönlichkeitstest die Azubi-Auswahl. So erhalten die Soft Skills mehr Gewicht
MANAGEMENT
34News und Dienstleistungsmarkt
36Da geht noch was ...
Eine aktuelle Studie zeigt, dass es
in Sachen Wertschätzung in den
Unternehmen noch immer hapert
40Pro und Contra
Ist die Generation Y wirklich anders
als Vorgängergenerationen? Drei
Wissenschaftler beziehen Stellung
42Leistung im Kollektiv
Dieses Mal in unserer Serie über
US-Studien mit HR-Bezug: Die
Bedingungen und Wirkungen von
kollektivem Engagement
28Drei Abschlüsse in fünf Jahren
Das triale Studium hält Einzug: Die
Teilnehmer erhalten Gesellen- und
Meisterbrief sowie den Bachelor
31Der Konsument wird Produzent
Wer Azubis begeistern will, muss
auf interaktive Lernformate setzen
personalmagazin 08 / 15
5
Nicht ohne meine Familie
© WILLIAM87 / FOTOLIA.COM
Damit Entsendungen erfolgreich verlaufen, sollten Unternehmen sich auch um die mitreisende Familie kümmern.
Gelungene
Ausbildung
Unternehmen werben
um gute Azubis: mit
Employer Branding,
attraktiven Inhalten
und innovativen Ausbildungswegen.
ORGANISATION
44News und Softwaremarkt
46Keine Mobilität ohne Strategie
Zwei Studien offenbaren häufige
Praxisfallen im Global-MobilityManagement
50Nicht ohne meine Familie
Viele Entsendungen scheitern an
der fehlenden Unterstützung für
die mitreisende Familie. Welche
Angebote es dafür gibt 53Experten international stärken
So zentral wie nötig, so lokal wie
möglich: die internationale Weiterbildungsstrategie bei Tüv Süd
56Konzepte für den Nachwuchs
Das strategische Konzept der
­„Personaldienstleistung 2.0“ umfasst auch neue Ansätze für Azubis
50
SPEZIAL
58Suche über Grenzen hinweg
Gegen den Fachkräftemangel:
Einige Kliniken lassen künftiges
Personal im Ausland ausbilden
61Mehr Qualität in HR
Das Qualitätsmanagement in kleinen
Pflegeeinrichtungen für HR nutzen
64Wenig attraktiv für Bewerber
Die Karriere­webseiten im Gesundheitswesen sind noch ausbaufähig
RECHT
76News und Weiterbildung
78Mit Empathie und Feingefühl
Wie sich Personaler auf Trennungs­
gespräche vorbereiten sollten
80Buchtipps
82Ganz persönlich
Andreas Tenkmann, Vice President
HR DACH bei Sodexo, beantwortet
unseren Fragenbogen
RUBRIKEN
66News
03Editorial
68Aktuelle Urteile
81Impressum, Rückblick
70Die Höhe des Honorars
Antworten auf Streit­fragen zur
Vergütung des Betriebs­ratsanwalts
82Vorschau
73Geschlossene Gesellschaft
Neue Praxis: Tarifverträge enthalten
Klauseln, die Leistungen nur für
Gewerkschaftsmitglieder vorsehen
08 / 15 personalmagazin
PERSÖNLICH
6 SZENE_NEWS
Stellenwechsel
ELKE ELLER
© VW NUTZFAHRZEUGE
© L‘ORÉAL
Im Juni wurde Elke Eller zur neuen Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager
(BPM) gewählt. Sie ist seit 2012 Personalvorstand von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Zuvor
arbeitete die Diplom-Volkswirtin, die auf 28 Berufsjahre und 15 Jahre Aufsichtsratstätigkeit zurückblickt, an ihrer Promotion. Und von 2007 bis 2009 war sie für das Personalressort im Vorstand der Volkswagen Financial Services AG zuständig. Im BPM-Präsidium
folgt sie auf Joachim Sauer, der zum Ehrenvorsitzenden des BPM gewählt wurde. Im Gespräch mit dem Personalmagazin sagte sie zur ihrer Motivation, das Amt zu übernehmen:
„Wir Personaler brauchen eine Stimme in der Öffentlichkeit und auch ein Forum zur
Vernetzung und Entwicklung neuer Konzepte und Ansätze für die Personalarbeit. Den
BPM habe ich immer als frisch, selbstbewusst und ein bisschen anders wahrgenommen.“
MICHAEL KIENLE
© PREMIUM AEROTEC
Neuer HR Director von L’Oréal Deutschland ist Michael Kienle. Er ist seit 1999 im Unternehmen –
zunächst im Marketing und ab 2001 im Recruiting. Von 2006 bis 2009 fungierte er als HR Director
für zwei Geschäftsbereiche des Unternehmens in Deutschland, anschließend leitete er die HR-Bereiche in Belgien und den Benelux-Ländern. In seiner jüngsten Funktion war er HR-Director eines
Geschäftsbereichs für Westeuropa. Als Deutschland-Personalchef folgt der Absolvent der London
School of Economics and Political Science auf Nicolas Pauthier, der in die Konzernzentrale in Paris
zurückkehrt, wo er die internationale HR-Leitung für den gesamten digitalen Bereich übernimmt.
MARCO WAGNER
Neuer Personalchef von Airbus ist seit dem 1. Juli Marco Wagner. In den vergangenen zwei Jahren
arbeitete er als Managing Director und Chief Human Resource Officer bei dem Luftfahrtzulieferer
Premium Aerotec. Davor war er bereits für Airbus tätig. Der Diplom-Kaufmann mit MBA-Degree war
2002 in die Gruppe (damals EADS) eingestiegen. Seit 2006 verantwortete er den Personalbereich
am Standort Ottobrunn und seit 2008 am Standort Manching. 2010 übernahm er die Personalleitung für den Bereich Flugzeugprogramme in der Airbus-Zentrale in Toulouse. In der neuen Position
folgte er auf Thomas Ehm, der den Vorsitz der Geschäftsführung bei Premium Aerotec übernimmt.
MARTIN BABILAS
Zum 1. Januar 2016 wird Martin Babilas den Vorstandsvorsitz bei
Altana übernehmen. Er hat damit künftig die Ressortleitung unter
anderem für Unternehmensentwicklung/M&A und Personal inne.
STEPHAN GRABMEIER
Am 1. August übernimmt Stephan Grabmeier, Geschäftsführer der
Innovation Evangelists und Vorstandsmitglied der Selbst-GmbH, bei
Haufe-Umantis die Position des Chief Innovation Evangelist. Zuvor war
er als Head of Culture Initiatives bei der Deutschen Telekom tätig.
JOACHIM LUTZ
Bei Cropenergies hat Joachim Lutz die Position des Vorstandssprechers
übernommen und ist in dieser Funktion auch für das Personalressort
zuständig. Joachim Lutz ist seit 2006 im Unternehmen tätig und war
zuletzt Finanzvorstand.
JOACHIM SCHLEDT
Zum neuen ersten Vorsitzenden der Initiative „Wege zur Selbst-GmbH“
wurde im Juni Joachim Schledt gewählt. Der Diplom-Pädagoge ist seit
2008 Personalleiter der Alnatura Produktions- und Handels GmbH und
seit 2000 Mitglied des Netzwerks. Er folgte auf Siegfried Baumeister.
JOSEF SCHELCHSHORN
Der bisherige Personalvorstand von Seat, Josef Schelchshorn, ist seit
dem 1. Juli Vorstand für Personal bei MAN und MAN Truck & Bus. Er
folgt in dieser Funktion auf Jochen Schumm, der in den Ruhestand
geht. Sein Nachfolger bei Seat wird Xavier Ros.
+ + + A k t u e l l e P e r s o n a l i e n + + + t ä g l i c h u n t e r w w w. h a u f e . d e / p e r s o n a l + + + R u b r i k „ P e r s o n a l s z e n e “
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
personalmagazin 08 / 15
7
Drei Fragen an ...
... Cornelia Quennet-Thielen zum Thema Deutschlandstipendium
Frage eins: Das Deutschlandstipendium
steht in der Kritik. Es sei ein Ladenhüter, sagten die Grünen. Wie hoch ist die
Förderquote derzeit?
Cornelia Quennet-Thielen: Über das Programm werden inzwischen fast so viele
Stipendien vergeben wie über die etablierten Begabtenförderungswerke – im
vergangenen Jahr über 22.000. Die Anzahl der vergebenen Stipendien ist im
Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent
gestiegen. Die Hochschulen konnten
seit 2011 über 60 Millionen Euro private
Fördermittel einwerben. Allein im Jahr
2014 haben rund 6.700 private Förderer
mit 24 Millionen zur Förderung junger
Menschen beigetragen.
Frage zwei: Wo liegen die Vorteile des Stipendiums gegenüber anderen staatlichen
Förderungen?
Quennet-Thielen: Es ist das erste Stipendium, das dezentral von den Hochschulen
in ganz Deutschland vergeben wird, und
das auf eine Kofinanzierung von Staat
und privaten Förderern setzt. Die Vorteile
liegen auf der Hand: Die Auswahl der Geförderten findet vor Ort statt. Die Geförderten sind dadurch ihrer Hochschule in
besonderem Maße verbunden. Durch die
Zusammenarbeit mit privaten Förderern
vernetzt sich die Hochschule mit ihrem
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Umfeld. Die Förderer können über die
Finanzierung hinaus Verantwortung für
leistungsstarke junge Menschen übernehmen und die Geförderten kommen in
Kontakt mit interessanten Persönlichkeiten und Unternehmen. Außerdem finden
sie sich häufig in Hochschulgruppen zusammen und entwickeln aus eigener Initiative gemeinnützige Projekte.
Frage drei: Wie wollen Sie dem Stipendium
nun zu mehr Erfolg verhelfen?
Quennet-Thielen: Ich werbe gerne und häu-
CORNELIA QUENNET-THIELEN ist
Staatssekretärin und Amtschefin des
Bundesministeriums für Bildung und
Forschung (BMBF).
fig für das Deutschlandstipendium, und
das gilt genauso für unsere Ministerin
Johanna Wanka und das BMBF insgesamt: Wir gehen auf Hochschulen, Unternehmerinnen und Unternehmer, Stiftungen und Privatpersonen zu. Zugleich
gilt: Unsere besten Botschafter sind die
Förderer, die Geförderten und die engagierten Hochschulen. Dieses wachsende
Netzwerk werden wir weiter stärken.
Wir werden die Gesichter und Geschichten des Deutschlandstipendiums noch
mehr in den Fokus rücken.
Innovationen für Ihre Organisation
Laloux, Reinventing Organizations
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© MESSE STUTTGART
8 SZENE_NEWS
SZENE_EVENTS
TERMINE
10. und 11. September, Berlin
5. Tagung Talentmanagement
Tel. 030 84859350
www.hrm-forum.eu
15. bis 17. September, Köln
Zukunft Personal
Tel. 0621 70019-0
www.zukunft-­personal.de
24. bis 25. September, Berlin
DGFP//Lab
Tel. 0211 5978-175
www.lab.dgfp.de
Wer begeistert
seine Bewerber?
B
ereits am 24. Juli endet die Anmeldefrist für die ersten Candidate Experience Awards, die
in der DACH-Region vergeben werden.
Der Preis ist 2011 in den USA gestartet
und zeichnet diejenigen Firmen aus, die
im gesamten Bewerbungsprozess einen
konsistenten Bewerberkontakt bieten.
Unternehmen können sich an drei Erhebungsrunden beteiligen: In der ersten
findet eine mehrdimensionale OnlineBefragung zu den aktuellen Rekrutierungspraktiken statt. Danach erfahren
die Unternehmen, wie sie im Vergleich
zu anderen abschneiden. In der zweiten
Erhebungsrunde erhalten sie einen Link,
den sie an ihre Bewerber aus den Jahren
2014 bis 2015 weiterleiten. Diese werden
gebeten, ihre Erfahrungen mit dem Unternehmen mitzuteilen. Wer in diesen
beiden Runden überdurchschnittlich gut
abschneidet, wird mit dem Candidate
Experience Award ausgezeichnet. Zusätzlich werden in einer dritten Runde
die „Gewinnerunternehmen“ durch eine
unabhängige Jury bestimmt und auf einer Veranstaltung Ende 2015 vorgestellt.
www.thecandidateexperienceawards.de
Fragen aus dem HR-Bereich werden auf der Fachmesse IT & Business diskutiert.
Arbeiten rund um Industrie 4.0
A
uf der Fachmesse IT & Business zeigen Aussteller, wie Unternehmen durch eine digitale Optimierung ihrer betrieblichen Abläufe
effizienter und kostengünstiger arbeiten können. Ein wichtiger
Aspekt dabei ist HR, denn Industrie 4.0 kann ohne Mitarbeiter nicht umgesetzt werden. Die Messe findet vom 29. September bis zum 1. Oktober
in der Messe Stuttgart statt. Für Personalmanager ist der 30. September
besonders interessant: Ab 13.30 Uhr diskutieren Experten auf dem Forum
„MES, Zeit und Sicherheit“ Fragen rund um die Arbeit im Kontext von Industrie 4.0. „Flexible Personaleinsatzplanung in Zeiten von Industrie 4.0
muss die Mitarbeiter mitnehmen, um erfolgreich zu sein“, lautet der Titel
der ersten Podiumsdiskussion, an der sich Dr. Karsten Sontow (Trovarit),
Burkhard Röhrig (GFOS), Guido Zander (Dr. Scherf Schütt und Zander) und
Mathias Schwabbauer (MFB Resultants) beteiligen. Im Anschluss geht es
um Recruiting und Retention: „Neue Wege der Mitarbeitergewinnung und
-bindung sind ein Muss – flexiblere Arbeitszeitgestaltung ist ein möglicher
Weg“. Geplant ist auch ein Arbeitgeber-Speed-Check. Unter dem Motto
„Wer ist für mich der richtige Arbeitgeber – IT-Häuser stellen sich vor“
können sich Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber präsentieren.
Um die Messethemen bereits im Vorfeld zu diskutieren, wurde ein Blog zu
den Foren eingerichtet. Hier können sich Aussteller und Besucher intensiv
beteiligen, Inhalte einstellen und gezielt Fragen einreichen, die dann von
den Experten in Stuttgart beantwortet werden. http://derforumblog.com/
HR-Branchenparty in Köln
D
er 15. September, der erste Tag der Fachmesse Zukunft Personal,
wartet abends mit der ersten „HR-Night“ auf. Im Kölner Restaurant „Wartesaal“ stehen in drei verschiedenen Bereichen, unter
anderem einem großen Außenbereich, Networking und Feiern auf dem
Programm. Die passende „Dancemusic“ liefert ein bekannter Kölner
Szene-DJ. Die Branchenparty, die am ersten Messetag um 19 Uhr beginnt,
wartet zudem mit einigen Kommunikationsmodulen wie Speed-Networking auf. Eintrittskarten sind online erhältlich: www.hr-night.de
personalmagazin 08 / 15
9
Der Tag der Personaler
RÜCKBLICK. Der Personalmanagementkongress stand ganz im Zeichen der Digita-
lisierung. Zentrales Thema war auch der Führungswechsel im BPM-Präsidium.
© BPM LAURIN SCHMID
Von Reiner Straub (Red.)
D
ie Mobilisierungskraft des Bundesverbands der Personalmanager (BPM) ist ungebrochen:
1.500 Personalmanager strömten am 18. und 19. Juni zum Jahresevent,
dem Personalmanagementkongress 2015,
nach Berlin. Unter dem Motto „Was ist,
was kommt“ wurde in Foren und Plenumsveranstaltungen über Employer Branding,
Weiterbildung oder HR-Strategie diskutiert. Als Hauptthema kristallisierte sich
die Digitalisierung heraus. Die neue BPMPräsidentin Elke Eller sieht darin das entscheidende Zukunftsthema und kündigte
an: „HR muss die Digitalisierung der Arbeitswelt gestalten. Den nächsten Kongress werden wir deshalb unter den Titel
Personalmanagement 4.0 stellen.“
Am Vorabend hatte die Mitgliederversammlung des BPM Elke Eller, Personalvorstand von Volkswagen Nutzfahrzeuge,
als neue Präsidiumsvorsitzende gewählt.
Joachim Sauer, der den Verband aufgebaut und maßgeblich geprägt hat, trat
erwartungsgemäß ab. Die neue Präsidentin war sich bewusst, wie schwer es wird,
aus dem Schatten des Gründungspräsidenten herauszukommen. Ihre ersten
Auftritte auf dem Kongress waren daher
von Zurückhaltung geprägt. Während
Sauer durch seine Zuspitzungen die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog, pflegt
Eller einen sachlichen und integrativen
Führungsstil. „Ich bin keine Anhängerin
des Mottos neue Besen kehren gut“, sagte
sie. „Ich verstehe mich als Teamplayerin.“
Der Kongress hatte mit einer Enttäuschung begonnen: Bundesfamilienminis­
08 / 15 personalmagazin
Personalmanagementkongress 2015:
Rund 1.500 Personaler nahmen teil.
BILDERGALERIE
Weitere Eindrücke vom Personal­
managementkongress 2015 finden Sie
in der Personalmagazin-App.
terin Manuela Schwesig ließ sich durch
ihren Staatssekretär Ralf Kleindiek
vertreten. Der trug zwar die Positionen
des Ministeriums zu Frauenquote und
Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor,
konnte aber das Publikum nicht begeis­
tern. Das gelang erst Sascha Lobo, der
mit provokanten Thesen aufrüttelte. Die
„Likes“, die jemand in Facebook hinterlasse, hätten eine bessere Prognosekraft
für den beruflichen Erfolg als ein Assessment Center. Lobo sieht außerdem den
„Plattform-Kapitalismus“ kommen: Eine
Armada von Amateuranbietern werde
neue Formen der Leiharbeit bringen. Vorboten dafür seien Uber oder Amazon, die
Taxifahrer und Paketzusteller über Nebenerwerbs-Selbstständige aushebelten.
Noch mehr Beifall erhielt Viktor Mayer-Schönberger (Universität Oxford). In
seinem Vortrag über Big Data sagte er,
Daten würden den Unternehmen zwar
ermöglichen, bessere Entscheidungen
zu treffen. Doch er warnte zugleich: „Die
Daten sind nur ein Schatten der Wirklichkeit, nicht die Wirklichkeit selbst. Für die
Herrschaft über die Daten brauchen wir
unsere menschlichen Fähigkeiten.“
In den Diskussionen über Big Data
und Digitalisierung wurde klar, dass die
Entwicklung erst am Anfang steht. Personaler konnten also die gute Botschaft
mitnehmen, dass noch ausreichend Zeit
zur Ausgestaltung vorhanden ist.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
10 SZENE_EVENTS
BILDERGALERIE
© OSCAR MAGER
Es wurde noch mehr getüftelt: Weitere Eindrücke
vom ersten HR Hackathon in Berlin finden Sie in
einer Bildergalerie in der Personalmagazin-App.
Mit Bleistift und Laptop bewaffnet macht sich ein Entwicklerteam an die Arbeit.
Schlaflos in Berlin­:
HR hackt mit IT
NACHBERICHT. Beim HR Hackathon entwickelten einige
Perso­naler zusammen mit Techis neue IT-Lösungen für
alte HR-Probleme – teils bis tief in die Nacht.
Von Andrea Sattler (Red.)
G
enau 330 Tassen Kaffee, acht
IT-Lösungen, ein Gewinnerteam: So lautet das Fazit des
ersten HR Hackathons in
Berlin. Dort kamen 25 HRler und rund
50 ITler zusammen, um gemeinsam
HR-IT-Lösungen zu entwickeln. Das innovative Format hatten die beiden Initiatoren, Recruiting-Beraterin Eva Zils
von Online-Recruiting.net und Andreas
Dittes, Gründer und Geschäftsführer des
Recruiting-Start-ups Talentwunder, an
IT-Hackathons angelehnt.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung im
Berliner Base Camp Ende Mai konnten
die Vertreter beider Zünfte bei einem
Pitch IT-Ideen zur Verbesserung der
Personalarbeit vorstellen. Insgesamt
elf Personaler sowie Entwickler wagten
sich und stellten ihre erlebten Herausforderungen und die damit verknüpften Wünsche an eine IT-Lösung vor. Im
Anschluss daran fanden sich die Ideengeber mit den Entwicklern in Teams zusammen, um gemeinsam eine IT-Lösung
zu entwickeln. Die Techis machten sich
sogleich an die Arbeit – teilweise bis
tief in die Nacht hinein, wie nächtliche
Tweets belegen.
Erlaubt ist, was technisch möglich ist
Zum Abschluss der Veranstaltung präsentierten die Teams ihre Lösungen, darunter bereits erste Prototypen: Aus elf
Pitches waren acht Lösungen entstanden, die eine Experten-Jury bewertete.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
Auf dem ersten Platz landete der sogenannte „Job Agent“: Er soll den Bewerbungsprozess von Anfang bis Ende
automatisch durchsteuern. Der Assistent
übernimmt vollautomatisiert die Suche
nach offenen Stellen, das Verschicken der
Bewerbungen und sogar die Terminkoordination zwischen Recruiter und Bewerber. Idealerweise solle der „Job Agent“
sogar die Gehaltsverhandlungen automatisch führen können, so der Wunsch des
federführenden Personalers.
Das zweitplatzierte Tool, der sogenannte „Skill Aggregator“, soll es
Personalern, Führungskräften oder
Projektleitern möglich machen, per einfacher Suchabfrage diejenigen Mitarbeiter im Unternehmen zu finden, die
über die passenden Fähigkeiten für eine
Stelle oder ein Projekt verfügen. Das Tool
soll sich die Mitarbeiter-Skills aus allen
möglichen Quellen ziehen und diese mittels bunter Ringe, die für die einzelnen
Skills stehen, visualisieren.
Mit dem dritten Platz zeichnete die Jury die Lösung „Mobile Video Recruiting“
aus, die es ermöglichen soll, die Persönlichkeitspassung des Bewerbers schon
zu Anfang des Recruitingprozesses zu
bewerten. Die ITler entwickelten ein einfach zu handhabendes Tool, mit dessen
Hilfe sich der Bewerber in einem kurzen
Video präsentiert und der Recruiter somit einen ersten lebhaften Eindruck von
dessen Persönlichkeit bekommt.
Auch wenn offen bleibt, ob die Personaler künftig die entwickelten Tools wirklich einsetzen und nutzen können, ist der
HR Hackathon seinem Anspruch gerecht
geworden: Personaler und Entwickler
zusammenzubringen und deutlich zu
machen, was in der schönen neuen HR-ITWelt schon jetzt möglich ist – aber bisher
viel zu wenig genutzt wird.
personalmagazin 08 / 15
6.482.244
€
© 2014 HENKEL AG & CO. KGAA
© DAIMLER AG
© VOLKSWAGEN AG
12 SZENE_HR-VORSTÄNDE
5.533.000
€
4.529.402
€
Die Spitzenverdiener unter den HR-Vorständen: Prof. Dr. Horst Neumann (VW), Wilfried Porth (Daimler) und Kathrin Menges (Henkel)
Transparenz statt Fantasie
EINBLICK. Was Deutschlands Top-Personaler verdienen, wird durch den Corporate
Governance Kodex erstmals transparent. Doch nicht jeder der Dax-30 hält sich daran.
Von Katharina Schmitt (Red.)
D
ie ganz große Aufregung um
überzogene Vorstandsgehälter und Boni hat sich gelegt
– Nach­haltigkeitsregelungen
und Kontrollmöglichkeiten durch das
Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung zeigen Wirkung. Personalvorstände traf die Kritik dabei
seltener – ihr Gehalt scheint bisher die
für Stakeholder und Gesellschaft nicht
mehr akzeptable Grenze nie überschritten zu haben. Das belegt auch die Auswertung der Geschäftsberichte 2014 der
Dax-30-Unternehmen durch die HKP
Group: Im Schnitt bekam ein Personalvorstand im Dax-30-Konzern im letzten
Jahr 2.795.000 Euro ausbezahlt, konkret
bewegen sich die Bezüge zwischen etwas über einer Million Euro (Dr. Jürgen
Götz, Arbeitsdirektor bei Fresenius)
und knapp sechseinhalb Millionen Euro für Professor Horst Neumann, Vorstand Personal und Organisation bei
VW. Ebenfalls unter den Spitzenverdienern: Wilfried Porth, Personalvorstand
und Arbeitsdirektor der Daimler AG,
und Kathrin Menges, zuständig für den
Unternehmensbereich Personal sowie
BILDERGALERIE
Sehen Sie in unserer Bilderstrecke in
der App, was die Personalvorstände der
Dax-30-Unternehmen 2014 verdienten.
Infrastruktur-Services (die Übersicht
über alle Gehälter der ganzjährig beschäftigten Personalvorstände in den
Dax-30-Unternehmen finden Sie auf Seite 14). Im Vergleich zu 2013 zeigt sich
allerdings gerade bei den Spitzenverdienern eine deutliche Verschiebung nach
oben: Das Gehalt von Frau Menges stieg
um 500.000 Euro, das von Neumann
um 1.100.000 gegenüber dem Vorjahr,
Daimler-Personaler Porth bekam statt
drei Millionen Euro für 2013 nun fast das
Doppelte. Sind das Anzeichen für eine
der Begrenzung der Vorstandsgehälter
gegenläufige Entwicklung?
Tatsächliche Auszahlung im Fokus
Mitnichten, erklärt Regine Siepmann,
Senior Managerin bei HKP Group und
personalmagazin 08 / 15
1.283.000
€
© LUFTHANSA BILDARCHIV, FRA CI/C
© COMMERZBANK AG
© FRESENIUS
13
1.392.000
€
1.428.000
€
Am unteren Ende der Gehaltsliste: Dr. Jürgen Götz (Fresenius), Frank Annuscheit (Commerzbank), Dr. Bettina Volkens (Deutsche Lufthansa).
Mitautorin der Geschäftsberichtsauswertung 2014. Ausschlaggebend für die
veränderten Werte, so Siepmann, sei
die 2014 erstmals angewandte neue Zuflusstabelle für die Berechnung der Vorstandsvergütungen nach dem Deutschen
Corporate Governance Kodex (DCGK).
Zum einen soll danach die ausgewiesene
Direktvergütung neben der Grundvergütung auch die ausgezahlten Langfristvergütungen und Boni enthalten, zum
anderen werde erstmals auch die Altersversorgung der Vorstandsmitglieder
als Vergütungsbestandteil anerkannt
und ausgewiesen. Diese Empfehlung
ergänzt freiwillig die Geschäftsberichte,
in die nach dem HGB lediglich die Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder
und – statt der tatsächlich geflossenen
Langfristvergütung – die in Aussicht
gestellten Bezüge einberechnet werden
müssen. Mit Ausnahme von Merck und
BMW kommen alle Dax-Unternehmen
der DCGK-Empfehlung nach. Letztere haben eine Entsprechenserklärung
abgegeben, nach der sie über ihre Vorstandsvergütung weiterhin alleine nach
der HGB-Regelung berichten werden.
So könne im Einzelfall wie bei DaimlerPersonaler Porth auch die Direktvergütung nach Anwendung des Corporate
08 / 15 personalmagazin
Governance Kodex sehr viel höher ausfallen als nach reiner HGB-Logik, da die
nach mehreren erfolgreichen Geschäftsjahren ausgezahlte Langfristvergütung
den ursprünglich angesetzten Zielwert
übersteigt. Abweichungen nach unten
lassen sich genauso erklären, wenn relativ hoch angesetzte langfristige Variablen im Betrachtungszeitraum wegen
schlechterer Performance nicht oder geringer ausbezahlt wurden.
Mehrwert Altersversorgung deutlich
Auch die Einberechnung der individuellen Altersversorgung bringt mehr Transparenz. Aufgrund der unterschiedlichen
Ressortzuschnitte der mit HR betrauten
Vorstände, erklärt Nina Grochowitzki,
Senior Consultant bei HKP Group und
ebenfalls Mitautorin der Geschäftsberichtsauswertung, sei ein direkter
Vergleich grundsätzlich nur sehr eingeschränkt möglich. Welch deutlich
substanziellen Anteil an der Gesamtvergütung die Altersversorgung aber
tatsächlich habe, zeige sich daran, dass
auch in Konzernen, die allen Vorstandsmitgliedern unabhängig vom Ressort
grundsätzlich dasselbe Gehalt zahlen
(Deutsche Bank, Deutsche Lufthansa,
Eon, Henkel und RWE) nun nach DCGK-
Logik doch Unterschiede feststellbar
sind. Insbesondere, wenn sehr werthaltige Altersvorsorgemodelle, über die nur
noch langjährige Vorstände verfügen,
durch neue Systeme abgelöst wurden.
Insgesamt, so Siepmann, schaffe der
Corporate Governance Kodex Vergütungsrealität. Das HGB habe hier durch
seine buchhalterische Prägung Schwächen in der Praxis, demgegenüber betrachte der DCGK die Zuflüsse unter der
praktischen Vergütungsbrille: „Für den
Leser des Geschäftsberichts, den Aktionär, ist weniger interessant, was eventuell zurückgestellt wird oder als Aufwand
gebucht wird. Er möchte wissen: Was
ist tatsächlich für das Geschäftsjahr
rausgekommen? Was bekommt der Vorstand überwiesen?“ Natürlich hätten die
Dax-30-Unternehmen ein sehr erfolgreiches Jahr hinter sich, dementsprechend haben sich auch die Vergütungen
ein Stück nach oben bewegt. Doch gerade der oben geäußerten Befürchtung,
dass mit immer weiter steigenden Ergebnissen auch die Gehälter immer höher
werden, schiebe der DCGK durch eine
betragsmäßige Obergrenze einen Riegel
vor.
Die Übersicht „Vergütung ganzjährig tätiger
Vorstände“ finden Sie auf der folgenden Seite.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
14 SZENE_HR-VORSTÄNDE
VERGÜTUNG GANZJÄHRIG TÄTIGER VORSTÄNDE
Unternehmen
Name CHRO
Titel und Ressorts
Direktver­
gütung CHRO
Abweichung
CHRO/VV
Abweichung
CHRO/Ø OVM
Adidas
Robin J. Stalker
Arbeitsdirektor, Finanzvorstand
3.369.910 €
-41,90%
+36,23%
Allianz
Dr. Werner Zedelius
Insurance German Speaking Countries, Allianz Banking, Human
Resources (Arbeitsdirektor)
3.610.000 €
-30,40%
+69,89%
BASF
Margret Suckale
Arbeits­direktorin, Engineering & Maintenance; Environment, Health
& Safety; European Site & Verbund Management; Human Resources
2.452.000 €
-68,56%
-25,03%
Bayer
Michael König
Arbeitsdirektor, Personal
2.039.000 €
-69,40%
-49,19%
BMW
Milagros Caiña
Carreiro-Andree
Arbeitsdirektorin, Personal- und Sozialwesen
4.048.420 €*
-46%*
-8,00%*
Commerzbank
Frank Annuscheit
Chief Operating Officer, Human Resources
1.392.000 €
-32,28%
-2,77%
Daimler
Wilfried Porth
Arbeitsdirektor, Personal, Mercedes-Benz Vans
5.533.000 €
-61,64%
+12,71%
Deutsche Bank
Dr. Stephan Leithner
Chief Executive Officer Europa (ohne Deutschland und Großbritannien), Personal, Compliance, Anti-Financial Crime, Government &
Regulatory Affairs
3.315.246 €
-40,76%
+0,32%
Deutsche Börse
Gregor Pottmeyer
Chief Financial Officer
2.341.800 €
-36,00%
+10,57%
Deutsche Lufthansa
Dr. Bettina Volkens
Arbeitsdirektorin, Personal und Recht
1.428.000 €
n/a
-1,89%
Eon
Mike Winkel
Erzeugung, Erneuerbare Energien, Personal, Operational Efficiency
(bis 2015)
1.640.451 €
-48,13%
-0,92%
Fresenius
Dr. Jürgen Götz
Arbeitsdirektor, Recht, Compliance und Personal
1.283.000 €
-86,00%
-49,40%
Heidelberg Cement
Dr. Bernd Scheifele
VV, Personal
Henkel
Kathrin Menges
Personal und Infrastruktur-Services
Infineon
Dr. Reinhard Ploss
VV, Arbeitsdirektor, Fertigung, Forschung und Entwicklung
K+S
Dr. Thomas Nöcker
Lanxess
Linde
n/a
n/a
n/a
4.529.402 €
-40,88%
-0,32%
n/a
n/a
n/a
Arbeitsdirektor und Corporate HR, K+S Transport GmbH, Corporate
IT, Business Center
1.854.600 €
-15,34%
+21,07%
Dr. Rainier van Roessel
Arbeitsdirektor
2.345.000 €
n/a
+26,83%
Georg Denoke
Arbeitsdirektor, Group Accounting & Reporting, Information Services,
Insurance, Mergers & Acquisitions, Procurement, Risk Management,
Tax, Treasury; Operational Finance, Controlling & Investments, Real
Estate sowie für Finance/Controlling
2.575.726 €
n/a
+4,81%
Merck
Dr. Kai Beckmann
Group Human Resources
4.963.000 €*
-44,00%*
-24,00%*
Münchener Rück
Dr. Joachim Wenning
Arbeitsdirektor, Life, Zentralbereich Human Resources
2.683.447 €
-55,26%
-24,23%
RWE
Uwe Tigges
Personalvorstand und Arbeitsdirektor
1.717.000 €
-47,52%
+1,00%
Siemens
Klaus Helmrich
Arbeitsdirektor, Chief Technology Officer, Corporate Technology,
Human Resources (inzwischen Übernahme durch Janina Kugel)
3.009.296 €
-54,92%
-16,04%
Thyssenkrupp
Oliver Burkhard
Arbeitsdirektor, Human Resources Strategy, People Development
& Executive Management, Regional Services Germany, Corporate
Services
2.292.000 €
-55,76%
-2,55%
Volkswagen
Prof. h.c. Dr. Horst
Neumann
Personal und Organisation
6.482.244 €
-59,13%
-10,16%
2.795.000 €
-54,84 %
-3,72 %
Durchschnitt
VV = Vorstandsvorsitzende/r
CHRO = Personalvorstand
OVM = Ordentliches Vorstandsmitglied
positive Abweichung > 2%
keine Abweichung
negative Abweichung > 2%
* Berechnung der Gesamtvergütung nach HGB
Grundlage aller Werte außer bei BMW und Merck ist die Gesamtvergütung nach dem Corporate Governance Kodex (Grundvergütung, ausbezahlter Jahresbonus, ausbezahlte Langfristvergütung und Dienstzeitaufwand für bAV). BMW und Merck weisen die Vergütung nach HGB
aus (Grundvergütung, Nebenleistungen, ausbezahlter Bonus und in Aussicht gestellte langfristige variable Vergütungsbestandteile, separate
bAV-Angabe wurde zu Vergleichszwecken hinzuaddiert). Rechts die Abweichungen vom Durchschnittsgehalt der Vorstandskollegen.
QUELLE: HKP GROUP 2015
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
personalmagazin 08 / 15
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16 SZENE_HR START-UP
HR
START
© FOTOS: VERTICAL CLOUD SOLUTION GMBH
UP
In unserer Serie stellen wir Ihnen
Jungunternehmer aus dem HR-Bereich
mit ihrer Idee vor. In dieser Ausgabe die
App Gastromatic.
Wie war die Entwicklungszeit?
Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit vielen Pilotpartnern
war die Entwicklung zum Teil sehr aufwendig und hat mehr Zeit
in Anspruch genommen als angenommen. Im Nachhinein hat
sich dies jedoch ausgezahlt.
Was soll noch geändert werden?
Aktuell entwickeln wir an einer Schnittstelle zur Lohnbuchhaltung
von Datev. Diese wird in den nächsten Wochen marktreif sein.
Die App „Gastromatic“ des ­Start-ups Vertical Cloud Solution
GmbH ist dazu bestimmt, die ­Personaleinsatzplanung in
gastronomischen Betrieben zu erleichtern.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
Flexible Strukturen und kurze Entscheidungswege haben es uns
in unserem Unternehmen ermöglicht, die Kundenbedürfnisse genau zu erfassen, um diese dann mit einer individuellen
Lösung zu befriedigen. Auch wenn es aufwendig ist, sollte man
immer darauf achten, nah am Zielmarkt zu arbeiten und sich
immer wieder Feedback von diesem einzuholen. Das gilt für
größere Unternehmen genauso wie für neu gegründete. Zudem
haben wir die Erfahrung gemacht, dass flache Hierarchien für
ein gutes Betriebsklima sorgen und damit nicht nur zur Steigerung der Produktqualität, sondern auch zu mehr Produktinnovation durch die Mitarbeiter beitragen.
personalmagazin 08 / 15
© RAKETE: FRANK PETERS / THINKSTOCKPHOTOS.DE
Was können etablierte Unternehmen von Ihnen lernen?
17
Was ist die Idee dahinter?
Die Idee zu Gastromatic, einer webbasierten Software zur Personalorganisation, wurde bei Besuchen diverser gastronomischer Betriebe geboren.
Uns ist aufgefallen, dass die Personalorganisation
und -disposition ein sehr komplexer, teils auch
chaotischer Bereich der Betriebsadministration in
Gastronomien ist. Nach intensiver Marktrecherche
und einer langen Pilotphase mit unterschiedlichsten Betrieben der Branche haben wir die App
Gastromatic entwickelt. Mittlerweile ist Gastromatic
ein umfassendes Tool, das alle Prozesse rund um
Dienstplanung, Zeiterfassung und Lohnauswertung
abbildet. Der Nutzen entsteht in erster Linie auf der
Seite der Betreiber, durch die Ersparnis von Zeit und
Lohnkosten sowie einen Zuwachs an Transparenz.
Außerdem unterstützt Gastromatic bei der Erfüllung gesetzlicher Rahmenbedingungen wie dem
Arbeitszeitgesetz und den Aufzeichnungspflichten
nach dem Mindestlohngesetz. Via Smartphone-App
werden die Mitarbeiter der einzelnen Betriebe in
den Prozess der Dienstplanung integriert. Dadurch
sind diese immer auf dem aktuellen Stand.
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Wer hat’s gegründet?
Die Gründer sind fünf ehemalige Studenten aus
Darmstadt und Mannheim. Das Team setzt sich aus
Wirtschaftsingenieuren und -informatikern zusammen. Die beiden Geschäftsführer und Initiatoren von
Gastromatic sind Florian Klima (im Bild zweiter von
rechts) und Patrick Pötzsch (Mitte). Seit August 2013
arbeitet das Team an Gastromatic und seit August
2014 sind auch drei Investoren an der Unternehmung beteiligt.
08 / 15 personalmagazin
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18 TITEL_AUSBILDUNG
Mehr als olle Kamellen
ÜBERBLICK. Mehr denn je brauchen Ausbildungsbetriebe ein überzeugendes Gesamt­
paket, um künftig mehr Schulabgänger als bisher für eine Lehre zu begeistern.
Von Andrea Sattler (Red.)
A
lle Jahre wieder kurz vor Be­
ginn des Ausbildungsjahrs
rüttelt die Bundesregierung
mit ihrem Berufsbildungs­
bericht Deutschlands Ausbilder wach.
Darin wird das endende Ausbildungs­
jahr in Zahlen zusammengefasst. In
den vergangenen drei Jahren warteten
die Politiker jedes Mal mit Nachrichten
auf, die wie ein schlechtes Omen fürs
kommende Ausbildungsjahr anmuteten:
Jeder vierte Azubi bricht seine Lehre ab,
war dort etwa 2013 zu lesen; im vergan­
Um Azubis zu ködern,
setzen viele lieber auf
Goodies wie Prämien
und Smartphones statt
auf sinnvolle Motivato­
ren wie die Möglichkeit
zur Teilzeitausbildung.
genen Jahr wurde ein Zuwachs an un­
besetzten Lehrstellen und zunehmende
Schwierigkeiten, Bewerber und Betriebe
zusammenzubringen, vermeldet. Dieses
Jahr gab es gar ein Rekordhoch an unbe­
setzten Lehrstellen zu beklagen: Rund
37.100 Stellen blieben ohne passenden
Azubi, zehn Prozent mehr als im Vor­
jahr. Die Zahl der neu abgeschlossenen
Ausbildungsverträge ging um 1,4 Pro­
zent auf rund 522.200 zurück.
Den Betrieben fehlen Bewerber – gute
umso mehr. Denn immer weniger Jugend­
liche wollen eine Lehre machen. Die meis­
ten Schulabgänger zieht es mittlerweile in
den Uni-Hörsaal: Im Jahr 2009 haben die
Studenten die Azubis zahlenmäßig über­
holt, 2012 kamen auf vier Azubis schon
fünf Studenten, wie Zahlen des Statisti­
schen Bundesamts belegen.
Die Folgen dieser Entwicklung könnten
Prognosen zufolge dramatisch werden:
Laut einer gemeinsamen Projektion des
Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)
und des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung (IAB) könnte die Zahl
der Arbeitnehmer mit Berufsausbildung
bis zum Jahr 2030 um rund drei Millionen
zurückgehen – was vor allem zu Engpäs­
sen in Gesundheits- und Sozialberufen so­
wie den be-, verarbeitenden und instand
setzenden Berufen führen werde, sagen
die Forscher voraus.
Neben der zunehmenden Attraktivi­
tät der akademischen Ausbildung spielt
auch ein Imageproblem mancher Ausbil­
dungsberufe eine Rolle dabei, dass die
Ausbildungsbetriebe in einem immer
kleiner werdenden Bewerberpool fi­
schen müssen. Dass diese Imageproble­
me nicht (nur) auf Vorurteilen beruhen,
belegt der Ausbildungsreport 2014 des
Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB):
Dort attestieren die befragten Azubis je­
nen Berufen, die als unattraktiv gelten,
auch eine mangelhafte Ausbildungsqua­
lität. Schlechte Noten erhalten darin vor
allem Berufe aus dem Gastronomiebe­
reich wie Lebensmittelfachverkäufer,
Hotelfachmann und Koch. Daneben kom­
men auch die Berufe Maler/Lackierer
und zahnmedizinischer Fachangestellter
in der Azubibewertung schlecht weg.
Wohl auch infolgedessen haben Aus­
bilder in diesen Branchen unterdurch­
schnittliche Übernahmequoten zu
vermelden. Während die Ausbildung
über alle Branchen hinweg in zwei von
drei Fällen mit einem Happy End aus­
geht, wird in der Gastronomie noch nicht
einmal aus der Hälfte der Azubiverträ­
ge ein regulärer Arbeitsvertrag. Auch
sind in diesen Branchen die unbesetz­
ten Lehrstellen besonders zahlreich. Zu
Beginn des Ausbildungsjahrs 2015 sind
Informationen des Deutschen Industrieund Handelskammertags (DIHK) zufolge
in Gastronomie und Handel noch 30 Pro­
zent der Ausbildungsstellen unbesetzt.
Als Gründe für die Unzufriedenheit
mit ihrem Ausbildungsberuf nennen
die vom DGB befragten Azubis vor allem
Überstunden, ausbildungsfremde Tätig­
keiten und schlechte Bezahlung.
Aber auch an anderer Stelle ließe sich
noch feilen – etwa an Ausbildungsformen
und -inhalten. So beklagt etwa Arnold Pi­
cot, Professor für Betriebswirtschaftsleh­
re an der Ludwig-Maximilians-Universität
München, im Interview mit haufe.de/
personal unzeitgemäße Ausbildungsin­
halte. Die Ausbildung bereite etwa noch
zu wenig auf die Digitalisierung vor, die
Curricula seien zudem noch zu stark auf
die Anforderungen des 19. und 20. Jahr­
hunderts ausgerichtet.
Daneben scheint es in den Curricula
an der richtigen Balance zwischen „zu
viel“ und „zu wenig“ zu hapern: In einer
personalmagazin 08 / 15
19
Befragung von Ausbildung.de gaben drei
Viertel der rund 1.000 teilnehmenden
Azubis an, dass sie sich in ihrer Ausbil­
dung unterfordert fühlen; ein Viertel fühlt
sich hingegen überfordert.
Betriebe müssen um die Besten
buhlen – doch wer sind die Besten?
se, Büchergeld, Mitgliedschaftsbeiträge
fürs Fitnessstudio und Smartphones
setzen als auf sinnvolle Motivatoren, mit
denen sie den Bewerberpool um gute
Kandidaten erweitern könnten – etwa,
indem sie Azubis die Möglichkeit zur
Teilzeitausbildung anbieten, um sich
auch für Bewerber attraktiv zu machen,
die nicht in Vollzeit arbeiten können.
Doch dieser Ansatz ist der Studie zufol­
ge noch wenig verbreitet.
© MARÉN WISCHNEWSKI / FOTOLIA .COM
Die Gemengelage zwingt Ausbildungs­
betriebe also aktuell mehr denn je dazu,
sich als attraktiver Arbeitgeber zu posi­
tionieren, wenn sie die besten Azubis
für sich als Fachkräfte der Zukunft si­
chern wollen. Doch obgleich sich diese
Entwicklung nicht erst seit gestern an­
deutet, halten sich Ausbildungsbetriebe
häufig noch an wenig vielversprechen­
de Methoden, um Azubis zu ködern. So
zeigte etwa eine DIHK-Befragung aus
dem vergangenen Jahr, dass viele Unter­
nehmen lieber auf monetäre Anreize wie
Prämienzahlungen, Wohnungszuschüs­
Was da wohl drin ist?
Um Azubis wirklich zu überzeugen, muss mehr in die
Tüte kommen als Goodies.
08 / 15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
20 TITEL_AUSBILDUNG
Andere Maßnahmen finden dagegen
in den Betrieben schon größeren An­
klang. So ist laut DIHK-Studie für jeden
zweiten Betrieb Ausbildungsmarketing
ein wichtiges Instrument, um sich für
Azubis attraktiver zu machen. Das Hand­
werk legt zu diesem Zweck regelmäßig
neue Employer-Branding-Kampagnen
auf. Aktuell locken die Handwerker Ju­
gendliche etwa mit den Motiven der „Hol
Dir meinen Job!“-Kampagne. Cool soll
die Ansprache wirken und azubigerecht.
Ob die Kampagnen halten können, was
sie versprechen, analysiert der Beitrag
„Eine Million Betriebe, eine Marke“.
Eine Möglichkeit, die Ausbildung in­
haltlich attraktiver zu machen, besteht
darin, sie mit zusätzlichen Inhalten an­
zureichern. Ein Beispiel dafür ist das tri­
ale Studium, ein Paket aus Ausbildung,
Meisterqualifizierung und Bachelorstu­
dium. Mehr dazu lesen Sie im Beitrag
„Drei Abschlüsse in fünf Jahren“.
Wer die besten Bewerber für sich ge­
winnen will, sollte sich auch die Frage
stellen, wer „die Besten“ für ihn sind.
Dies kann helfen, neue Bewerberziel­
gruppen zu erschließen. Einen sorgfäl­
tig geprüften Ansatz fährt der Ausbilder
Provadis aus dem Industriepark Höchst.
Die Hessen haben aus der Not, immer
weniger Bewerbungen zu erhalten, eine
Tugend gemacht: Mittels eines mit der
LMU München entwickelten eignungs­
diagnostischen Testmodells setzen sie
inzwischen statt auf die kognitiven
INTERVIEW
„Wichtiger als der Satz des Pythagoras“
Die frisch gestartete Bildungsinitiative „Making of a Champion“ soll Jugendlichen die
Chance bieten, sich außerhalb von Schule, Ausbildung und Studium weiterzuentwickeln.
personalmagazin: Die Bildungsinitiative
„Making of a Champion“ ist im Januar
gestartet. Worum geht‘s dabei?
Ernst Holzmann: Die Bildungsinitiative
richtet sich an junge Menschen zwi­
schen 15 und 25 Jahren, die in heteroge­
nen Gruppen zusammenkommen. Das
Programm dauert zehn Monate, jeweils
zwei bis vier Stunden die Woche – zu­
sätzlich zu Schule, Studium oder Beruf.
Dabei geht es nicht um Wissensvermitt­
lung, es geht um eine ganzheitliche Per­
sönlichkeitsentwicklung, darum, Ver­
antwortung zu übernehmen, sich Ziele
zu stecken – alles, was wichtiger ist, als
nur den Satz des Pythagoras zu lernen.
personalmagazin: ...also in etwa das vielgeforderte Fach „Lebensführung“?
Holzmann: Ja, das kann man so sagen.
In meiner Zusammenarbeit mit jungen
Menschen habe ich festgestellt, dass sie
ein solches Fach brauchen, es aber nir­
gendwo gelehrt wird. Dies ist zwar auch
Aufgabe der Eltern und der Bildungsins­
titutionen. Oft wird den Jugendlichen
aber vor allem Wissen eingetrichtert,
nicht Werte oder Soft Skills vermittelt.
Vielen von ihnen fehlt ein eigener Plan,
auch weil sie zu stark in die akademi­
sche Laufbahn gedrängt werden. Die
klassische Berufsausbildung wird im­
mer seltener, und auch deswegen geht
frühzeitige Praxiserfahrung verloren.
personalmagazin: Gibt es im Programm Berufsberatung, um zu zeigen, dass es auch
ein Leben jenseits des Studiums gibt?
Holzmann: Nein, denn wir möchten das
Programm neutral halten und nicht Lob­
byismus für eine Seite betreiben. Sinn
des Programms ist es, dass die Jugend­
lichen sich über ihre Ziele klar werden
und dann selbst entscheiden sollen.
Überflieger auf jene Bewerber, die mit
ihrer Persönlichkeit punkten können.
Wie genau dieses Modell funktioniert,
berichten die beiden Partner im Inter­
view „Mit Persönlichkeit zum Erfolg“.
Wie die Ausbildung mittels zeitgemä­
ßer Lernformate – wie Augmented Rea­
lity und kollaborativer Lernplattformen
– für die technikaffinen Jugendlichen at­
traktiver werden kann, lesen Sie im Bei­
trag „Der Konsument wird Produzent“.
Und auch außerhalb des Betriebs gibt
es attraktive Entwicklungsmöglichkei­
ten für Azubis, um nicht nur ihre fachli­
chen Qualifikationen, sondern auch ihre
Soft Skills aufzupolieren. Mehr dazu er­
fahren Sie im Interview „Wichtiger als
der Satz des Pythagoras“.
ERNST HOLZMANN ist Redner,
Hochschuldozent
und Schirmherr der
Initiative „Making
of a Champion“.
personalmagazin: Wie ist es aufgebaut?
Holzmann: Wir haben das Programm am
Modell des „Lebensrads“ orientiert. Die
Jugendlichen durchlaufen sechs Modu­
le: „Ethik und Moral“, „Gesellschaft und
Kultur“, „Familie und Heim“, „Beruf und
Finanzen“, „Körper und Gesundheit“,
„Geist und Bildung“. Darin geht es um
ganz praktische Themen wie: „Kann ich
mit 1.200 Euro netto leben?“ und „Wie
schaffe ich es, nicht zu verblöden?“.
personalmagazin: Und wie werden diese
Inhalte vermittelt? Per Schulunterricht?
Holzmann: Nein, das wäre langweilig und
verkehrt. Die Methoden bieten eine Mi­
schung aus Expertenvorträgen, Frontal­
unterricht, Exkursionen und Projektar­
beit – eben so viel Leben wie möglich.
Das Interview führte Andrea Sattler.
personalmagazin 08 / 15
21
Politik statt Fakten
KOMMENTAR. Laut einer DIHK-Studie sind Unternehmen unzufrieden mit dem Bachelor.
Doch ein Blick in die Ergebnisse zeigt, dass es vor allem um politische Forderungen geht.
Von Bärbel Schwertfeger N
ur noch 47 Prozent der Unternehmen sagen, dass
Bachelor-Absolventen die Voraussetzungen mitbringen,
um gut auf das Berufsleben vorbereitet
zu sein“, sagte Eric Schweitzer, Präsident
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), am 31. Mai in der
ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Dabei bezog er sich auf die Ergebnisse einer DIHKOnline-Befragung, an der sich 2.003
Unternehmen beteiligt hatten. Das Problem: Die Aussage entspricht nicht den
Ergebnissen der Studie. Denn die Frage
dort lautete: „Wurden Ihre Erwartungen
an Bachelor-Absolventen erfüllt?“ Dabei
antworteten 47 Prozent mit ja. Doch zwischen Erwartungen und erfüllten Voraussetzungen ist ein Unterschied.
Großes Medienecho
Schon im April hatte die DIHK-Studie
für Wirbel gesorgt. In einem Interview
mit „Der Welt“ sagte der DIHK-Präsident: „Wir beobachten, dass viele Unternehmen sich mit Bachelor-Absolventen
immer schwerer tun. Waren 2011 noch
63 Prozent zufrieden, sind es heute nur
noch 47 Prozent. Ein Unterschied von 16
Prozentpunkten! Das ist eine besorgniserregende Entwicklung.“
Nachdem die Meldung auch über die
Nachrichtenagentur DPA lief, griffen alle
großen Medien das Thema begierig auf.
„Kritik an Uni-Abschlüssen wächst, Wirtschaft klagt über Bachelor-Absolventen“,
schrieb das Managermagazin online. Bei
der „Zeit“ hieß es: „DIHK-Studie: Viele
08 / 15 personalmagazin
Unternehmen mit Bachelor-Absolventen
unzufrieden.“ Allerdings hatte die Studie damals noch keiner gesehen.
Studie hat methodische Mängel
Erst sechs Wochen später lag der 23-seitige Bericht vor. Der zeigt: Gegenüber der
Umfrage von 2011 wurde die Einteilung
der Unternehmensgrößen verändert –
ein erheblicher methodischer Schnitzer.
„Die Bereinigung um mögliche Stichprobenverzerrungen ist damit leider nicht
vollständig möglich“, kritisiert Heiko
Weckmüller, Professor International Management an der FOM Hochschule für
Oekonomie und Management in Bonn.
Die Unternehmensgröße hat außerdem
einen erheblichen Einfluss auf die Zufriedenheit. „Größere Betriebe sind überwiegend zufriedener mit Bachelor-Absolventen als kleinere“, schreibt der DIHK. Dass
ein Großteil der Befragten – nämlich 70
Prozent - weniger als 200 Mitarbeiter haben, verzerrt natürlich das Ergebnis.
Ähnliche methodische Unsauberkeiten
finden sich auch bei der Branchenaufteilung. Dabei hat auch die Branche
einen erheblichen Einfluss auf die Bewertungen. Laut DIHK sind Unternehmen der
Tourismuswirtschaft besonders unzufrieden, dabei hat sich gerade in der Hotellerie der Bachelor längst durchgesetzt. „80
Prozent unserer Bachelor-Absolventen
gehen in den Job“, beobachtet Professor
Peter Thuy. Der Rektor der Internationalen Hochschule Bad Honnef ärgert sich
vor allem, dass die Diskussion so ideologisiert ist. „Die Erwartungen an Bachelor
sind einfach überhöht“, so der Professor.
„Man muss einen Bachelor immer weiter
qualifizieren. Alles andere ist eine Illusion.“ Dass die Erwartungen an Bachelor-Absolventen seltener als 2011 erfüllt
werden, führt Weckmüller auch auf die
höheren Erwartungen zurück. „Die Frage ist unglücklich, da hier ein mentaler
Abgleich mit einer Erwartungsbildung
notwendig ist, die vor vielen Jahren stattgefunden hat.“
Debatte ist ideologisiert
DIHK-Präsident Schweitzer will die Studienplätze verknappen, um der dualen
Ausbildung wieder einen höheren Stellenwert zu verschaffen: „Es studieren
zu viele, die besser eine Ausbildung machen würden. Ich halte das unbegrenzte
politische Angebot für falsch, dass jeder,
der studieren will, auch studieren können soll“, sagte er gegenüber der „Welt“.
Auf die Frage, ob die Umstellung auf
Bachelor- und Master-Abschlüsse dazu
beigetragen hat, dass sich zu viele junge Leute für ein Studium entscheiden,
antworteten nur 35 Prozent der Studienteilnehmer mit Ja. Das heißt: Nur etwas mehr als ein Drittel bestätigen die
Position des DIHK-Präsidenten. Und 33
Prozent stimmten ihm explizit nicht zu.
Fazit: Obwohl die Studie durchaus
auch Ansatzpunkte für Verbesserungen
enthält, fokussiert sich der DIHK auf die
zunehmende Unzufriedenheit, um seine
politischen Forderungen zu untermauern. Doch das nützt weder den Unternehmen noch den Bachelor-Absolventen. BÄRBEL SCHWERTFEGER arbeitet als freie
Journalistin in München.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
22 TITEL_AUSBILDUNG
Eine Million Betriebe, eine Marke
ANALYSE. Das Handwerk investiert in eine große Employer-Branding-Kampagne.
Damit wurden bereits Erfolge erzielt, einige Potenziale sind aber noch ungenutzt.
Von Luisa Sabine Heß
F
rüh übt sich, wer ein Meister
werden will.“ So schreibt bereits
Friedrich Schiller in Wilhelm
Tell. Doch das Interesse der Jugend an einer Ausbildung im Handwerk
ist in den vergangenen Jahren sukzessive zurückgegangen. Es ist schlecht
um die künftige Meistergeneration bestellt. Während im Jahr 2000 noch über
204.000 Neuverträge für Ausbildungsstellen abgeschlossen wurden, waren es
2010 nur noch gut 156.000 und 2014 nur
noch knapp 118.000 Neuverträge. Das
Handwerk, einst Ausbilder der Nation,
muss nun um diese Stellung bangen.
Und das, obwohl das Handwerk mit einem
Bruttoumsatz von fast 500 Milliarden Euro im Jahr 2011 zur Wirtschaftsleistung
Deutschlands beiträgt und für 70 Prozent
des Umsatzes der gewerblichen Wirt-
schaft verantwortlich ist. Das Handwerk
ist einer der größten Arbeitgeber Deutschlands und beschäftigt rund 12,8 Prozent
aller Erwerbstätigen in diesem Land.
Düstere Nachwuchsprognosen,
steigende Anforderungen
Fraglich ist, ob das Handwerk diese
Stellung wird aufrechterhalten können.
Über 20.000 Ausbildungsstellen blieben
im Jahr 2014 im Handwerk unbesetzt.
Zum einen fehlt einem Teil der Bewerberinnen und Bewerber die schulische
Vorbildung. Zum anderen interessieren
sich die besser qualifizierten Jugendlichen in der Mehrheit nicht für eine
handwerkliche Ausbildung, sondern
streben ein Studium an. Die Prognosen der künftigen Nachwuchssituation sehen tendenziell düster aus, führt
Deutschland nun seit Kurzem auch noch
die Liste der Länder mit der niedrigsten
Geburtenrate weltweit an. Es ist abzusehen, dass der Wettbewerb um Auszubildende sich deutlich verschärfen
wird. Erschwerend kommt hinzu, dass
die Anforderungen an die Beschäftigten
im Handwerk steigen. Einfache und repetitive Tätigkeiten werden durch Maschinen verrichtet, sodass im Handwerk
künftig Köpfchen gepaart mit handwerklichem Können gefragt sind.
Studie zeigt Imageprobleme
des Handwerks auf
Neben dem demografischen Trend und
den steigenden Anforderungen an die
Qualifikation zeigt auch eine vom Handwerk in Auftrag gegebene, groß angelegte Imagestudie die Notwendigkeit zum
Handeln. Die Ergebnisse dieser Studie
lieferten ein deutliches Bild: Das Image
des Handwerks durchlebt einen Wandel. Während die über 60-Jährigen verpersonalmagazin 08 / 15
© DHKT/ANTONINA GERN
23
Oben links: Kristina Tangermann,
Bootsbauerin. Darunter: Christian
Bönniger, Gerüstbauer. Rechts: Anna
Wackernagel, Mechatronikerin. Diese
und weitere Azubis standen für die
Imagekampagne des Handwerks als
Testimonials zur Verfügung.
gleichsweise positiv über das Handwerk
denken, hat es bei der jüngeren Generation an Ansehen und Aufmerksamkeit
eingebüßt. Insbesondere schulisch besser qualifizierte Jugendliche verbinden
das Handwerk nicht mit hohem sozialen
Ansehen, kommen zu wenig mit ihm in
Berührung und sind schlecht über Einstiegs- und Karrierechancen informiert.
Handwerk verbinden sie tendenziell
eher mit „schmutzig“, „monoton“ und
„harter Arbeit“ als mit moderner Technik, Innovation oder „goldenem Boden“.
Einzelhandel schlägt Handwerk – trotz
schlechterer Karriereperspektiven
Der Einzelhandel, zu dem die Jugendlichen wohl vielfach durch eigene Einkaufserlebnisse eine enge Verbindung
haben, erscheint ihnen als attraktivster
BILDERGALERIE
Eine Bildergalerie mit Kampagnen­
motiven finden Sie in der App.
ADD-ON
Screenshots und Links zu den Social-­
Media-Elementen der Imagekampagne
des Handwerks finden Sie in der App.
08 / 15 personalmagazin
Arbeitgeber, ungeachtet der fehlenden
Perspektive auf Selbstständigkeit oder
Meisterqualifikation. Und nicht zuletzt
gelten Arbeitsplätze im Handwerk bei
Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen als schlecht bezahlt und unsicher,
auch weil das Handwerk als stark konjunkturabhängig gilt.
Dieser Umstand könnte weitreichende
Folgen für die künftige Stellung des
Handwerks nach sich ziehen. Zehrt das
Handwerk heute noch von dem positiven
Bild, das es bei älteren Generationen hat,
lässt sich der Trend bei künftigen Generationen an der Einstellung der heutigen
Jugend zum Handwerk ablesen. Denn die
Jugendlichen von heute werden in einigen
Jahren ihren Kindern das Bild vom Handwerk vermitteln, das sie selbst haben.
Daneben hat sich die Wahrnehmung
des Handwerks in den vergangenen zehn
Jahren stark auf die Berufe im Bau- und
Ausbaubereich konzentriert. Berufe wie
Bäcker oder Friseur werden nicht mit
dem Handwerk, sondern zum Beispiel
mit dem Einzelhandel in Verbindung
gebracht. Auch das gesellschaftliche Engagement des Handwerks wird oft nicht
wahrgenommen, vielleicht weil internationale Sponsoren deutlich präsenter
werben. So läuft das Handwerk Gefahr,
als eigenständiger Wirtschafts- und Gesellschaftsbereich aus dem öffentlichen
Bewusstsein zu schwinden, was mittelfristig den politischen Einflussbereich
der Handwerksorganisation gefährden würde. Der Bedeutungsverlust des
Handwerks wäre damit programmiert.
DHKT investiert 100 Millionen Euro in
groß angelegte Imagekampagne
Der Dachverband der 53 Handwerkskammern, der Deutsche Handwerkskammertag (DHKT) als Vertreter der
circa 975.000 eingetragenen Handwerksbetriebe, entschloss sich daher,
eine groß angelegte Imagekampagne
ins Leben zu rufen. Dafür investiert
das Handwerk seit 2010 zehn Millionen
Euro jährlich. Die aktuell geplante Kampagnenlaufzeit beträgt zehn Jahre. Das
Handwerk investiert also bis 2019 insgesamt 100 Millionen Euro für die Verbesserung des Handwerksimages. Der
Slogan des Handwerks lautet seitdem:
„Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht
von Nebenan“. In den ersten fünf Jahren
war die Agentur Scholz & Friends mit
der Entwicklung der Kampagne beauftragt, seit 2015 ist die Berliner Agentur
Heimat federführend verantwortlich.
Die Kampagne richtet sich an verschiedene Zielgruppen. Bei den Jugendlichen sollen Ausbildungsmöglichkeiten
im Handwerk vermittelt werden und
auch die Eltern, die die Jugendlichen
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
© YOUTUBE
24 TITEL_AUSBILDUNG
häufig bei ihrer Berufswahl beraten,
sollen vom Handwerk und dessen beruflichen Perspektiven überzeugt werden. In der breiten Bevölkerung soll die
Sichtbarkeit des Handwerks erhöht und
seine gesellschaftliche und ökonomische
Bedeutung kommuniziert werden. Eine
weitere wichtige Adressatengruppe sind
die Internen, also die Menschen in den
Handwerksunternehmen, die Eigentümer der Betriebe und deren Mitarbeiter. Bei ihnen soll die Kampagne Stolz
auf die Zugehörigkeit zum Handwerk
wecken, ihr Selbstwertgefühl als Handwerker stärken, sie motivieren und im
Handwerk halten. Daher zeigen die Bildmotive der Kampagne auch keine Schauspieler, sondern echte Handwerker. Dies
schafft Identifikation.
Themen, Maßnahmen und
Kommunikationskanäle
Für die Kampagne wurde ein Themenfahrplan entwickelt (siehe Kasten). So
stand im Jahr 2010 die Verknüpfung des
Handwerks mit Größe und Innovationskraft im Vordergrund. Die Ansprache in
den Jahren 2011 und 2012 zielten auf
die Verknüpfung des Handwerks mit
Vielfalt und Lebensnähe. Seit 2013 ist
es das Ziel, die Marke Handwerk mit positiven Emotionen zu verknüpfen.
Die Kampagne umfasst eine breite
Palette an Maßnahmen und nutzt alle
verfügbaren Kanäle für die zielgruppengerechte Ansprache der verschiedenen
Adressaten: Events, Plakate und Anzeigen, TV-Spots und eine Vielfalt an SocialMedia-Elementen. Die Internen, also die
Handwerker selbst, werden beispielsweise über einen sogenannten „Tag des
Handwerks“ dazu aufgerufen, gemeinsam
Werbung in eigener Sache zu machen,
sich geschlossen als Einheit zu präsentieren und aktiv auf Kunden und potenzielle Auszubildende zuzugehen. Für die
Ansprache der breiten Masse wurden
verschiedene TV-Spots sowie regelmäßig
neue Großflächenplakate entwickelt. In
größeren Städten wurden S-Bahnen großflächig mit Werbung versehen.
Die Jugendlichen werden über eigene
Plakate angesprochen. Auch die Schulen wurden als Plattform berücksichtigt.
Besonders Social-Media-Elemente (zum
Beispiel auf Facebook, Instagram und
Youtube) spielen in dieser Zielgruppe
eine große Rolle. Beispielsweise wurde
ein sogenannter „Berufechecker“ konzipiert, den die Jugendlichen online
auf www.handwerk.de nutzen können.
Dieser stellt Informationen bereit und
ermöglicht eine interaktive Auseinandersetzung mit verschiedenen Handwerksberufen. Darüber hinaus wurden
die Apps „Lehrstellenradar“ und „Appzubi 2.0“ entwickelt, die die Jugendlichen
auf ihr Smartphone laden können. Die
Apps unterstützen bei der Suche nach
einem Ausbildungsplatz beziehungsweise begleiten die Ausbildungszeit mit
Tipps und Nachrichten, zum Beispiel
wichtigen Prüfungsterminen.
Der Schauspieler und Comedian Simon Gosejohann, ein in der Zielgruppe
der Jugendlichen bekanntes Gesicht, fungierte einige Zeit als Testimonial in der
Kampagne und ermöglichte Einblicke
in verschiedene Handwerksberufe. In
kurzen Videos, die unter anderem auf
Youtube zu sehen sind, übernahm Gosejohann die Rolle eines Reporters. Er
interviewte Mitarbeiter und Auszubildende in den Betrieben und blickte ihnen bei der Arbeit über die Schulter.
Was mit der Kampagne bisher
erreicht wurde und was nicht
Um Erfolge der Kampagne und weiteren
Handlungsbedarf zu identifizieren, wurden während der Laufzeit regelmäßig
Imagestudien durchgeführt. Die Messungen aus 2015 zeigen: Während im
Jahr 2008 nur elf Prozent der Befragten
angab, in der letzten Zeit etwas über das
Handwerk gehört oder gelesen zu haben, lag dieser Wert in der Gruppe der
14- bis 24-Jährigen in diesem Jahr bei
48 Prozent. Auch die Verknüpfung von
Handwerk mit einer großen Bandbreite
verschiedener Berufe ist der jüngsten
Forsa-Umfrage zufolge geglückt.
VIDEO
Videos sind ein zentrales Element der
Imagekampagne. In der App sehen Sie
einige Beispiele.
Allerdings: 2008 hielten 48 Prozent aller befragten Schüler und Studierenden
das Handwerk für einen attraktiven Arbeitgeber. Dieser Wert hat sich 2015 nicht
verbessert, obwohl sich die Kampag­ne
bereits im sechsten Jahr befindet. Offenbar besteht weiterhin eine Diskrepanz
zwischen den Ansprüchen der Jugend
an eine Arbeitsstelle und der Vorstellung
dessen, was das Handwerk als Arbeitgeber bieten kann. Daher soll der Fokus nun
deutlich auf die Jugendlichen gerichtet
werden. Die 2015 entwickelten Kam­pag­
nen­elemente aus der Feder der neuen
Agentur zielen auf die Aktivierung der Jugendlichen durch Motive mit dem Zusatz
„Pack mit an“ oder „Hol dir meinen Job“.
Eine einheitliche Marke für eine
Million verschiedene Arbeitgeber?
Eine Arbeitgebermarke für das gesamte Handwerk zu positionieren, die für
knapp eine Million kleine und größere
Handwerksbetriebe, also letztlich fast
eine Million verschiedener Arbeitgeber
steht, ist ohne Zweifel eine Herausfordepersonalmagazin 08 / 15
25
THEMEN UND WERBEBOTSCHAFTEN
2010: Größe und
Innovationskraft
2011: Vielfalt
2012: Lebensnähe
2013: Emotion
Am Anfang waren Himmel und
Erde. Den ganzen Rest haben wir
gemacht.
Faustkeil. Dampfmaschine.
­Nanotechnologie. Fortsetzung folgt.
Wir zeigen Ihnen, wo der Hammer
hängt. Und der Föhn. Und der Rota­
tionslaser.
Ich backe keine Brötchen.
Ich arbeite am perfekten Morgen.
Mehr Kunden als Aldi. Trotzdem
kennen wir jeden einzelnen davon
mit Namen.
Wir geben immer 100 %
(außer bei Tiernahrung).
Liebe Männer, Handwerk liegt nicht
in den Genen, sondern im Blut.
Ich bin nicht nur Handwerker.
Ich bin der Motor, der Deutschland
antreibt.
Selbst bei einem 0:0 haben wir
zwei Tore gemacht.
Statistisch gesehen macht ein Drittel Qualität kommt nicht aus Dam Ping.
Ihres Kindes bei uns seine Lehre.
Ich schneide keine Haare.
Ich rette dein nächstes Date.
460.000 Innovationen. Und das
Patentamt haben wir auch gebaut.
Die Eskimos haben 90 Wörter für
Schnee. Die Deutschen über 130 für
Handwerk.
Wir legen Fundamente für Häuser,
Schulen, Fabriken und Volkswirt­
schaften.
Ich repariere keine Motoren.
Ich lasse Herzen wieder schlagen.
Bei uns zählt nicht, wo man her­
kommt. Sondern wo man hinwill.
Warum Karrierepläne schmieden,
wenn man sie schweißen kann.
Wir setzen auf nachwachsende
Ressourcen. Azubis.
Zukunft kommt vom Können.
Wie deine Playstation. Nur für Fort­
geschrittene.
Zeig, was in dir steckt! Werde Profi
auf Probe.
Gelötet wird immer.
Die Tabelle gibt eine exemplarische Übersicht über die Werbebotschaften der Imagekampagne des Deutschen Handwerks in den Jahren
2010 bis 2013, die sich an die breite Masse richteten.
rung. Fraglich ist, was das verbindende
Element der Handwerksbetriebe in ihrer Rolle als Arbeitgeber sein kann. Die
Imagestudien zeigen deutlich, dass zwar
Wissen über das Handwerk vermittelt
wurde und es auch deutlich präsenter
in den Köpfen ist, dass das Arbeitgeber­
image aber nur bedingt besser geworden ist. Der Kern der „Employer Value
Proposition“, das Markenversprechen,
das das Handwerk als Arbeitgeber gibt,
ist bisher nicht klar erkennbar. Hier
bleiben große Potenziale ungenutzt.
Es böte sich beispielsweise an, den
Meister als Markenkern der Arbeitgebermarke zu platzieren. Im Meister sind alle
Gewerke geeint, und der Meister hat historisch betrachtet eine Leuchtturmfunktion
im Handwerk inne. Er ist positiv besetzt,
wie tief im Sprachgebrauch verankerte
Redewendungen wie „Meister fallen nicht
vom Himmel“ dokumentieren. Auch die
„Meisterschaft“ im Sport zeugt vom positiven Image des Meisterbegriffs. Er wird
mit Könnerschaft und Kompetenz verknüpft und wurde im europäischen Qua08 / 15 personalmagazin
lifikationsrahmen als gleichwertig zum
Bachelorabschluss eingestuft. Die Meis­
terqualifikation fungiert als Hochschulzugangsberechtigung für Studienfächer, die
in etwa der bisherigen beruflichen Fachrichtung entsprechen. Künftigen Handwerksmeisterinnen und -meistern steht
also der Weg an die Uni offen, womit auch
die Karriereperspektiven im Handwerk
vermittelt werden könnten. Auch die Tatsache, dass Frauen bisher im Handwerk
stark unterrepräsentiert sind, bietet noch
nicht voll ausgeschöpfte Potenziale zur
Nachwuchsgewinnung. Die aktuelle Kampage spricht zwar gezielt auch Frauen an,
um hier einen Wandel zu bewirken, wird
jedoch noch stärkerer Werbedruck in dieser Zielgruppe notwendig sein.
Beispielhafte Kampagne mit einigen
bisher ungenutzten Potenzialen
Das Handwerk hat viel zu bieten, gerade
für die junge Generation, die nach dem
Sinn sucht. Es verspricht Befriedigung
aus handwerklichem Können und Stolz
auf das sichtbare, greifbare Arbeitsergeb-
nis, sei es die neue Frisur des Kunden,
das selbst gemachte Brot oder die neu installierte Heizung. Dies alles vermit­telt die
Imagekampagne. Damit dies aller­dings
auch bei den Jugendlichen an­kommt und
das Handwerk als attrakti­ver Arbeitgeber wahrgenommen wird, werden noch
weitere Employer-Branding-Aktivitäten
notwendig sein. Die Kampagne ist jedoch
ein hevorragendes Beispiel dafür, wie
verschiedene Zielgruppen angesprochen
und ein sinnvoller Mix an Kommuni­ka­
tions­kanälen und Maßnahmen im Employer Branding eingesetzt werden können.
Gerade die Vielfalt an Social-MediaElementen kann auch Unter­nehmen aus
anderen Branchen als Anregung dienen,
in der Zielgruppe der Nach­wuchs­kräfte
präsent zu sein und sich als attraktiver
Arbeitgeber zu positionieren. DR. LUISA SABINE HESS ist Inhaberin
der Professur für Unternehmensführung
und Personalmanagement an der Cologne
Business School.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
26 TITEL_AUSBILDUNG
„Mit Persönlichkeit zum Erfolg“
INTERVIEW. Die Firma Provadis hat mit der LMU München ein diag­nos­ti­sches Modell
personalmagazin: Aus Unternehmen wie
auch aus Ausbildungsstatistiken dringen
seit Jahren die gleichen Klagen: Es gebe
zu wenig gute Azubi-Bewerber, zudem hapere es häufig an der Passung zwischen
Azubis und Ausbildungsbetrieb. Können
Sie sich dem anschließen?
Markus Vogel: Wir hatten in der Tat mit einigen Azubis bei Provadis das ein oder
andere Problem mit der Zuverlässigkeit
und der Gewissenhaftigkeit: Einige fehlten etwa unentschuldigt in der Berufsschule. Zudem gab es eine Reihe von
Azubis, die schlecht abschnitten, etwa
in den Ausbilderbewertungen, oder die
ihre Ausbildung ganz abbrachen. Mit
den Testverfahren, die wir damals verwendeten – kognitive und Leistungstests – konnten wir einige erfolgsrelevante Kriterien wie die Soft Skills der
Kandidaten allerdings nicht erfassen.
personalmagazin: Wie haben Sie reagiert?
Vogel: Wir haben uns entschieden, un-
sere Testverfahren mit einem Persönlichkeitstest zu ergänzen, der uns dabei
helfen sollte, mehr Aussagen über die
Gesamtpersönlichkeit eines potenziellen Azubis zu erhalten und seine Erfolgswahrscheinlichkeit besser als mit
Leistungstests vorhersagen zu können.
Dafür haben wir uns an die LMU München gewandt und mit ihnen definiert,
welche Verhaltenskriterien als „auffällig“ gelten und nicht zum Erfolg führen.
personalmagazin: Herr Professor Bühner,
hier kommen Sie ins Spiel. Wie genau
sind Sie vorgegangen bei der Konzipierung des neuen Auswahlsystems?
© PROVADIS
entwickelt, das auch Azubis eine Chance bietet, die im IQ-Test unter Schnitt liegen.
MARKUS VOGEL ist Leiter Personalcenter,
Schwerpunkt Ausbildung, beim Bildungsdienstleister Provadis in Frankfurt-Höchst.
Markus Bühner: Wir haben im Jahr 2007
bei Provadis erstmals einen bekannten
Persönlichkeitstest eingesetzt, der per
Selbsteinschätzung die sogenannten
„Big Five“ der Persönlichkeit mit seinen
Facetten misst: Extraversion, Offenheit
für neue Erfahrungen, Verträglichkeit,
Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus.
Nach jeweils einem Jahr haben wir
von Provadis die Daten von rund 230
eingestellten Azubis aus den Selbsteinschätzungstests sowie die bis dato vorhandenen Ausbildungsbeurteilungen
erhalten. Wir konnten mit einer großen
Stichprobe, insgesamt 700 Bewerbern
aus drei Ausbildungsjahren, arbeiten.
Diese Daten haben wir dann abgeglichen und konnten so eine Aussage darü-
ber treffen, über welche Persönlichkeitseigenschaften Azubis verfügen, die die
Ausbildung gut absolvieren, und welche
jene haben, die Probleme damit hatten.
personalmagazin: Welche erfolgsrelevanten
Eigenschaften haben Sie identifiziert?
Bühner: Das müsste Herr Vogel beantworten, das ist möglicherweise ein Betriebsgeheimnis...
Vogel: Ja, genau, das fällt unters Betriebsgeheimnis – denn die erfolgsrelevanten
Eigenschaften sind die Grundlage für
unser neues Auswahlmodell und somit
unser Kapital. Ich kann aber so viel
verraten: Bestimmte Eigenschaften aus
dem Bereich Gewissenhaftigkeit, aber
auch Offenheit sind besonders wichtig
für den Ausbildungserfolg.
personalmagazin: Was haben Sie getan,
nachdem Sie diese identifiziert hatten?
Bühner: Nach Abschluss der Ausbildung
dieser 700 Azubis lagen jede Menge
Leistungs- und Persönlichkeitsdaten
vor, mit denen wir eine Formel entwickelt haben, in die die Werte der Bewerber aus dem Selbsteinschätzungstest
und kognitiven Tests eingesetzt werden.
Diese errechnet dann die Wahrscheinlichkeit, mit der der Bewerber seine
Ausbildung erfolgreich beendet. Dabei
können bestimmte Persönlichkeitseigenschaften Schwächen im kognitiven
Bereich bis zu einem gewissen Grad
kompensieren. Es handelt sich um ein
„kompensatorisches Modell“.
personalmagazin: Was hat die Erfahrung
gezeigt: Funktioniert das Modell?
personalmagazin 08 / 15
27
Bühner: Man darf das natürlich nicht mit
dem Durchschnitt lagen – aber die passenden Persönlichkeitseigenschaften
zur Kompensation und somit zur Passung führten. Auf diese Weise haben
wir schon einige Leute eingestellt, die
wir früher abgelehnt hätten.
klinischen Werten vergleichen – aber
wir können mithilfe des Modells rund
die Hälfte der Bewerber erkennen, die
ihre Ausbildung wahrscheinlich abbrechen, und 80 Prozent der Leute richtig
klassifizieren, die ihre Ausbildung tatsächlich beenden. Das ist nicht wenig.
personalmagazin: Liefert die Formel denn
auch Informationen über die berufs- oder
unternehmensspezifische Passung?
Vogel: Nein, das Modell zeigt uns allgemein, mit welcher Wahrscheinlichkeit
jemand die Ausbildung schafft. Alle
anderen Fragen – wie Passung zum
Beruf oder Unternehmen – klären wir
nach wie vor im Interview. Was unser
kompensatorisches Modell allerdings
daneben noch leisten kann, ist es, dem
Ausbilder gleich zu Anfang zu zeigen,
wo ein Azubi Schwächen hat, die er dann
im Laufe der Ausbildung noch beheben
kann, zum Beispiel Defizite in Mathe.
Und: Wir können prüfen, ob ein Kandidat, der prinzipiell passt, aber nicht für
den Ausbildungsberuf, auf den er sich
beworben hat, für einen anderen Beruf
infrage kommt. So gelingt es uns, mehr
Kandidaten aus einem immer kleiner
werdenden Bewerberpool zu ziehen.
personalmagazin: Wie hat es sich denn auf
Ihre Herangehensweise ausgewirkt, dass
Sie inzwischen weniger Bewerber haben?
Vogel: Nach den ersten Validierungen
des Persönlichkeitstests haben wir ihn
2011 erstmals für die Auswahl eingesetzt. Damals wurde er eher zur Risikominimierung eingesetzt, um die Prog­
nose der Ausbildungsbeurteilungen zu
verbessern. Dadurch haben wir aber
viele Bewerber nicht berücksichtigt, die
potenziell die Ausbildung hätten schaffen können. Das kann man sich aber nur
leisten, wenn man genügend Bewerber
hat – was damals noch so war. Mittlerweile haben wir aufgrund des demografischen Wandels allerdings weniger
Bewerber. Wir wären mit dem früheren
System nicht weitergekommen.
08 / 15 personalmagazin
PROF. DR. MARKUS BÜHNER ist Lehrstuhlinhaber psychologische Methodenlehre
und Diagnostik an der LMU München.
personalmagazin: Welche Strategien verfolgen Sie beim Versuch, mehr Azubis aus
einem kleineren Bewerberpool zu ziehen?
Vogel: Mit dem kompensatorischen Modell wird die Eignungsdiagnostik persönlichkeitsorientierter. Das bedeutet,
dass künftig zusätzliche Potenzialkandidaten mit Schwächen im Fähigkeitsbereich identifiziert werden, die aufgrund
ihrer Persönlichkeitseigenschaften erfolgreich eine Ausbildung absolvieren
können. Dadurch erhöht sich die Zahl
potenzieller Kandidaten im Vergleich
zum bisherigen Verfahren.
Bühner: Wir sind gerade dabei, das kompensatorische Modell zu erproben. Zum
ersten Mal haben wir es in der Einstellungsrunde im September 2014 für die
Einstellung September 2015 eingesetzt.
Inwieweit es sich bewährt, wird sich zeigen: Um valide Aussagen treffen zu können, brauchen wir wiederum eine große
Stichprobe aus drei Ausbildungsjahren.
personalmagazin: Herr Vogel, einige der
Bewerber aus der ersten Runde 2014 haben Sie ja schon eingestellt. Was hat sich
beim Auswahlverfahren geändert?
Vogel: Wir haben mit dem neuen Auswahlmodell erste positive Erfahrungen
bei der Auswahl von Pharmakanten und
Chemikanten gesammelt und dabei nun
auch Bewerber berücksichtigt, deren
Werte aus dem kognitiven Test unter
personalmagazin: Akzeptieren denn die
Azubis dieses Auswahlverfahren?
Vogel: Es gab zwar anfangs Bedenken im
Unternehmen, gerade bei den Betriebsräten. Aber wir haben die Erfahrung
gemacht, dass die Bewerber die Tests
gut akzeptieren. Wir hatten noch keinen
Bewerber, der deswegen nicht zum Testtermin gekommen wäre. Die Reaktionen
zeigen eher das Gegenteil: Die meisten
finden es interessant, einmal über sich
nachzudenken. Wir versuchen aber,
den Test kurz zu halten, aktuell bei 35
Minuten. Als wir den Persönlichkeitstest eingeführt haben, haben wir dafür
einen Drahtbiegetest herausgenommen,
der das handwerkliche Geschick testen
sollte. Die Validierungsstudien hatten
gezeigt, dass er nicht aussagekräftig ist.
personalmagazin: Planen Sie, das Verfahren auf andere Positionen auszuweiten?
Vogel: Das gestaltet sich schwieriger. Junge Leute sind solchen Tests gegenüber
offener, sie wollen mehr über sich erfahren. Erfahrene Fach- und Führungskräfte haben meist schon oft über sich
nachgedacht und daher eher Vorbehalte gegenüber Persönlichkeitstests. Wir
nutzen bei ihnen andere Instrumente.
personalmagazin: Herr Professor Bühner,
wie bewerten Sie das?
Bühner: Ich würde mir wünschen, dass
Unternehmen nicht nur bei Azubi-, sondern auch bei anderen Positionen mehr
eignungsdiagnostische Tests einsetzen.
Bei Führungskräften gehen etwa viele
davon aus, dass auf diesem Level Intelligenz und Persönlichkeit nicht mehr differenzieren würden. Das ist aus meiner
Sicht ein Irrglaube.
Das Interview führte Andrea Sattler.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
28 TITEL_AUSBILDUNG
Drei Abschlüsse in fünf Jahren
TREND. Für Handwerksberufe interessieren sich immer weniger junge Leute. Mit dem
„Trialen Studium“ werden nun Abiturienten für spätere Führungsaufgaben geworben.
Von Winfried Gertz
I
n Mönchengladbach geht dem
Handwerk der Nachwuchs aus. „Bewarben sich vor fünf Jahren noch
150 junge Leute für einen Ausbildungsplatz“, sagt Kuno Schwamborn,
Inhaber eines auf Energie- und Gebäudetechnik spezialisierten Betriebs, „erhielt ich zuletzt lediglich 35 Anfragen.“
Den Schuldigen hat Schwamborn längst
gefunden: „Das Handwerk hat eindeutig
versäumt, Zukunftschancen aufzuzeigen.“ Offizielle Arbeitsmarktzahlen bestätigen diese Aussage.
Im Zentralverband des Deutschen
Handwerks (ZDH) versucht man erst gar
nicht, das Problem klein zu reden. „Infolge des demografischen Wandels sinkt
die Zahl der Abgänger in allen Schulen“,
sagt Dr. Volker Born, Abteilungsleiter
Berufliche Bildung. Gleichzeitig steigt
die Quote von Abiturienten und diese
lassen das Handwerk links liegen: Entweder nehmen sie ein Studium auf oder
entscheiden sich für die Ausbildung in
einem Industrieberuf. Entsprechend
stark buhlen die Betriebe um den Nachwuchs. Doch nicht nur Lehrlinge werden
gesucht: 17.800 Stellen richten sich an
Fachkräfte mit mehrjähriger Berufserfahrung, 14.600 explizit an Meister.
Dem gravierenden Problem des
mangelnden Fach- und Führungskräftenachwuchses will man nun mit einer
konzertierten Aktion zu Leibe rücken.
Laut Born erwarten Jugendliche heute,
Bildungswege auch noch in fünf oder
zehn Jahren flexibel gestalten zu können. Dieses Ziel hat sich nun auch der
ZDH auf die Fahnen geschrieben: „Jugendliche sollen nicht mehr allein an die
Erstausbildung denken, sondern auch
daran anschließende Bildungsoptionen
ins Kalkül ziehen“, bekräftigt Born.
Triales Studium als neuer Lösungsweg
Dabei bezieht sich der Bildungsexperte
nicht allein auf Duale Studiengänge, die
laut einer ZDH-Studie immerhin jede
zweite Handwerkskammer gemeinsam
mit einer Hochschule entwickelt hat.
In den Fokus rückt vielmehr ein neues
Konzept, das seit fünf Jahren für immer
mehr Aufmerksamkeit sorgt: das Triale
Studium. Born zufolge zeige es als beispielhaftes Gesamtpaket aus Erstausbildung, Meisterqualifizierung und
Bachelorstudium, dass „das Handwerk
Jugendlichen mehr anbieten muss und
Jugendliche mehr Wahlfreiheit haben“.
An den Führungskräftenachwuchs
richten sich derzeit zwei solcher Studien­
angebote. Während „Handwerksmanagement“ an der staatlichen Hochschule
Niederrhein in Mönchengladbach erstmals im kommenden Wintersemester
an den Start gehen wird, schrieben sich
bereits vor fünf Jahren die ersten Studenten im gleichnamigen Studium an der
personalmagazin 08 / 15
29
privaten Fachhochschule des Mittelstands
in Köln ein. Ist das Studium am Nieder­
rhein zunächst auf die Gewerke Tischler
und Elektroniker beschränkt, stand der
Studiengang bei der Konkurrenz in Köln
seit jeher allen Handwerksberufen offen.
Ähnlich wie das Duale Studium verbindet auch das Triale Studium Theorie und Praxis sowie das Lernen an
Neben dem Gesellen­
brief erhalten trial
Studierende auch
den Meistertitel
und einen Bachelor­
abschluss.
einer Hochschule und in einem Betrieb.
Während jedoch Dual Studierende den
Praxisteil in Gestalt eines Praktikums
absolvieren können, ist eine Ausbildung
beim Trialen Studium Pflicht. Nur so
kann man anschließend auch den Meister erwerben. Die beiden Studienangebote in Mönchengladbach und Köln sind
zwar namensgleich, unterscheiden sich
jedoch im Ablauf.
Triale Studenten an der Hochschule
Niederrhein verbringen zuerst drei Tage im Betrieb und zwei im Berufskolleg.
Sind sie zunächst nur am Samstagvormittag in der Hochschule, müssen sie
08 / 15 personalmagazin
ab dem dritten Semester den Freitagabend sowie den ganzen Samstag studieren. Zusätzlich verbringen sie einen
Tag im Berufskolleg und drei Tage im
Handwerksbetrieb. Nach dem fünften
Semester steht die Gesellenprüfung an.
Während des achten und neunten Semesters besuchen sie die Meisterschule.
Den krönenden Abschluss bilden Meisterprüfung und Bachelorexamen.
An der Kölner Fachhochschule ist der
Stundenplan darauf ausgerichtet, dass die
Studenten wie andere Azubis im Betrieb
mitarbeiten können. Seminare finden
abends und an den Wochenenden statt.
Erst im vierten Jahr sind die Studenten
ganztägig an der Hochschule.
Hier wie dort müssen Bewerber eine
Hochschulzugangsberechtigung nachweisen. Während die jeweilige Handwerkskammer prüft, ob der Interessent
für die Ausbildung und Meisterschule
geeignet ist, absolvieren Bewerber an der
Hochschule Niederrhein ein Online-Assessment. „Dabei handelt es sich um eine
Orientierungshilfe und nicht um einen
Test, der einen negativen Bescheid nach
sich ziehen könnte“, betont Frederike
Königs, verantwortlich für die Studiengangentwicklung im Dekanat des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften.
Bei der Konkurrenz in Köln ist man
strenger. Zusätzlich zu einem schriftlichen Test führen Bewerber ein persönliches Gespräch mit den verantwortlichen
Dozenten. Laut Professor Sascha Lord, der
den Studiengang leitet, wird darin ermittelt, ob die Bewerber der „relativ hohen
psychischen und physischen Belastung“
gewachsen sind. „Wir möchten ausschließen, dass jemand nicht weiß, worauf er
sich einlässt.“
Headhunter sind schon aufmerksam
Im Mai beendete der erste Jahrgang das
Triale Studium in Köln. Lord zufolge
hielten alle Teilnehmer, die vor fünf Jahren ihr Studium aufnahmen, bis zuletzt
durch. Der überwiegende Teil übernimmt
Führungsaufgaben im elterlichen Betrieb. Zwei Absolventen entschieden sich
für ein Masterstudium, während eine
weitere Gruppe lukrative Aufgaben bei
namhaften Automobilherstellern und
Markenartiklern dem eigentlich vorgesehenen Einstieg im Familienunternehmen
vorzieht. Headhunter, so Lord, hätten die
Absolventen gezielt für ihre Auftraggeber
angesprochen.
Die Verantwortlichen sehen sich in ihrem Konzept bestätigt. Triale Studenten
sind Lord zufolge wesentlich praxisorientierter als ihre Kommilitonen aus
anderen Studiengängen und zeigten
eine höhere Leistungsbereitschaft. Sie
müssten auch ein deutlich höheres Pensum absolvieren. „Es handelt sich also
um Studenten, wie man sie sich eigentlich wünscht.“ Born vom ZDH schließt
sich an: Wer das anspruchsvolle Studium in vier bis fünf Jahren schaffe, „hat
wirklich etwas geleistet“.
Diesen Eindruck gewinnen auch Experten, die sich wissenschaftlich mit
Bildungsthemen befassen. „Ich halte das
Triale Studium für sehr ambitioniert“,
sagt Dr. Sirikit Krone von der Universität
Duisburg-Essen. Die Sozialwissenschaftlerin erforscht am Institut für Arbeit und
Qualifikation (IAQ) Duale Studiengänge.
„Studierende sind mit einem hohen
Workload konfrontiert. Doch mit drei
zu erwerbenden Abschlüssen in vier bis
fünf Jahren scheint es für Abiturienten
durchaus attraktiv zu sein.“
Familienbetriebe springen darauf an
Als die Fachhochschule in Köln das Studienkonzept erstmals vorstellte, zeigten
sich viele Familienbetriebe, die ihre
Kinder als Nachfolger aufbauen wollen, Lord zufolge „sofort angetan“. Aus
diesem Kreis rekrutierte sich auch der
überwiegende Teil der ersten Studentengruppe. „Sie sind unsere Türöffner“,
sagt der Professor. Seit Neuauflage des
Studienangebots 2010 haben sich in
mehreren Jahrgängen insgesamt rund
100 Teilnehmer immatrikuliert, heißt
es. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage
hat die Fachhochschule des Mittelstands
das Triale Studium nun auch für weitere
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
© YOUTUBE
30 TITEL_AUSBILDUNG
Standorte vorgesehen. Nachdem es im
Wintersemester 2014 am Campus Hannover an den Start ging, soll der Campus
Schwerin 2016 nachziehen.
Wie interessiert Betriebe auf das Studienangebot reagieren, skizziert Nadine
Grün, verantwortlich für Hochschulkontakte bei der Handwerkskammer der
niedersächsischen Landeshauptstadt.
„Eltern von Studienkandidaten sagen
frei heraus, dass sie gern selbst so ein
Studium absolviert hätten, um ihre Betriebe zu gründen oder aufzubauen.“
Sie hätten sofort den Vorteil des Trialen
Studiums erkannt, dass die Teilnehmer
ihren Beruf von der Pike auf erlernen
und so den insbesondere im Handwerk
geforderten „Stallgeruch“ mitbringen
würden. Rückten sie erst in leitende Positionen auf, so Grün, „wird ihnen hohe
Wertschätzung zuteil“.
Alternative für Studienabbrecher
Neben dem in Familienbetrieben für
höhere Aufgaben vorgesehenen Nachwuchs will man für das Studienangebot
als weitere Zielgruppe auch Studien­
abbrecher gewinnen, die eine stärkere
Praxisorientierung der Theorie vorziehen wollen. Auch in der Dachdeckerfirma von Jost Presuhn absolviert ein
Studienabbrecher nun seine Lehre. „Im
Unterschied zu anderen Lehrlingen weiß
er als 22-Jähriger schon, wie das Leben
spielt“, sagt der Handwerksmeister.
Der Betrieb in Wunstorf bei Hannover
wird heute in der fünften Generation
geführt. Doch gegen die Verwerfungen
am Arbeitsmarkt kann Tradition wenig ausrichten: Wie Schwamborn klagt
auch Presuhn, der zwölf Mitarbeiter
beschäftigt, über drastisch sinkende
Bewerberzahlen. „Heute will doch niemand mehr auf den Bau“, beklagt sich
der Dachdeckermeister über den herben
Imageverlust des Handwerks. Dass er
durch Vermittlung der Handwerkskammer einen Studenten als Azubi an Bord
lotsen konnte, verknüpft er deshalb mit
hohen Erwartungen. Nicht nur sein betriebswirtschaftliches Wissen könne
dem Betrieb helfen. „Ich verspreche mir
während der Ausbildung, dass wir von
ihm auch als Mensch profitieren.“
Vom potenziellen Führungsnachwuchs zeigen sich auch andere Firmen
im Bauhandwerk angetan. Wie Grün
berichtet, habe ein junger Mann, der
eine Maurerausbildung mit dem Trialen Studium kombinieren möchte, um
später Bauleiter zu werden, bereits drei
Zusagen von Bauunternehmen erhalten. Insgesamt hätten sich schon 30 Betriebe als Ausbilder für Triale Studenten
ins Gespräch gebracht. „Inserieren sie
Ausbildungsangebote in unserer Lehrstellenbörse, teilen sie darin gleich mit,
dass auch Interessenten für ein Triales
Studium willkommen sind“, so Grün.
Diese Dynamik in der Nachfrage erhoffen sich auch die Verantwortlichen,
die gemeinsam mit der Hochschule Niederrhein das neue Triale Studium auf
den Weg gebracht haben. Frank Mund,
Vorstand der KFZ-Innung Mönchengladbach und einer der Drahtzieher des
neuen Studienangebots, weist darauf
hin, dass in der Region demnächst 9.000
Betriebe altersbedingt übergeben werden müssen. Nicht nur für die Nachfolge
böten sich Absolventen des Trialen Studiums perspektivisch an, auch für andere Führungspositionen. Abiturienten,
„die nicht intelligenter sind als vor 20
Jahren“, sagt Mund, sollten das Handwerk wieder als spannendes Berufsfeld
entdecken und sich darin zu Führungskräften entwickeln, die der Wirtschaftszweig so dringend benötige. Denn: „Es
ist unglaublich schwer, qualifizierte Filialleiter, Verkaufsleiter oder Serviceleiter
zu finden. Sie müssen ein gutes Zahlenverständnis mitbringen, technisches Verständnis zeigen und sich führungsstark
erweisen. Das erwarten Kunden und Mitarbeiter von ihnen.“ In diese Lücke sollen
die Absolventen des Trialen Studiums
stoßen. Wer sich für das anspruchsvolle
Programm entscheidet, sagt Mund, „der
brennt und hat Biss“.
Wahrscheinlich würden Absolventen
den erlernten Handwerksberuf gar
VIDEO
In der Personalmagazin-App finden Sie
ein Video der Handwerkskammer, in der
das Triale Studium in Hannover erläutert
wird. Außerdem finden Sie dort Videos
mit O-Tönen von Trial-Studierenden und
Ausbildern.
nicht mehr ausüben, sondern als Führungskraft tätig sein, erwartet Mund.
„Während des Studiums erhoffe ich mir
von den Studenten, dass sie ihre Studienarbeiten betriebsbezogen schreiben
und so Ideen in die Betriebe einbringen,
die wir sonst auf dem Markt einkaufen
müssten.“ Derzeit liefen Gespräche zwischen der Innung und der Hochschule
Niederrhein, damit im folgenden Studienjahr 2016 auch Anwärter für KFZBerufe nachziehen können.
Antwort auf einen wichtigen Wunsch
Halten wir fest: Das Triale Studium als
Weiterentwicklung der ausbildungsintegrierten Dualen Studiengänge scheint den
Nerv des Handwerks zu treffen. Forscherin Krone begrüßt dies auch, mahnt aber
zu Vorsicht. Untersuchungen zu Dualen
Studiengängen hätten gezeigt, dass die
Verknüpfung von Berufsausbildung und
Hochschulausbildung nicht immer gut
funktioniere. Zudem müssten Studierende desselben Studiengangs in ihren jeweiligen Betrieben mit sehr unterschiedlichen Bedingungen zurechtkommen.
„Deshalb plädieren wir für die Entwicklung von einheitlichen Standards, an
die sich alle Beteiligten halten müssen“,
sagt Krone. Denkbar wäre, der Gesetzgeber würde sie ins Berufsbildungsgesetz
schreiben.
WINFRIED GERTZ ist freier Journalist in
München.
personalmagazin 08 / 15
31
Der Konsument wird Produzent
PRAXIS. Frontalbeschallung war gestern: Zeitgemäße Entwicklungsformate in der
Ausbildung fördern das eigenständige Lernen. Was in der Praxis ausprobiert wird.
Von Andrea Sattler (Red.)
A
usbilder beklagen sich gerne
über Motivation und Können
von Azubis: Faul seien sie,
undiszipliniert, und richtig
rechnen und schreiben könnten sie
obendrein nicht, heißt es etwa in einer
DIHK-Studie. Dagegen fühlen sich laut
Befragung von Ausbildung.de viele Azubis unterfordert. Dass diese sich offenbar langweilen, während die Ausbilder
sie als unmotiviert wahrnehmen, hängt
sicher nicht nur an der Einstellung der
Azubis. Auch die Ausbilder sollten hin
und wieder ihre Methoden „aufpimpen“.
Ein Ansatzpunkt dafür können attraktive, zeitgemäße Lehr- und Lernformate
sein, die im Vergleich mit Angeboten wie
Facebook, Youtube und Co. bestehen.
Wie können solche Formate aussehen?
Wir haben uns in zwei Projekten, in denen neue Lehr- und Lernmethoden für
die Ausbildung erprobt werden, und in
zwei Betrieben, die ihre Azubis als engagiert und lernwillig erleben, umgehört.
Lernen mit Augmented Reality
Eine nahe liegende Möglichkeit ist, die
Jugendlichen beim Lernen in der Ausbildung damit zu locken, was sie in ihrer
Freizeit ganz selbstverständlich nutzen: „Mobile Endgeräte sind das ideale
Mittel, um technikaffine Jugendliche zu
erreichen“, sagt Thomas Hagenhofer,
Projektkoordinator beim Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und
Medien (ZFA). Im Projekt „Social Augmented Learning“ erproben Hagenhofer und seine Kollegen den Einsatz von
08 / 15 personalmagazin
Augmented Reality in der Berufsausbildung in der Druckindustrie. Das Lernen
mit der digital erweiterten Realität wird
aktuell an acht Berufsschulen und zwei
Ausbildungsbetrieben getestet, Heidelberger Druck ist einer der Partner.
Dort können Azubis mittels Augmented Reality Abläufe in der Druckmaschine auf ihrem Tablet anhand eines
3-D-Modells verfolgen, während diese
also für geführten Unterricht einsetzen,
gleichzeitig aber auch das selbstorganisierte Lernen fördern. Mittels eines Autorentools können Ausbilder die Inhalte
erweitern. „Im Zeitalter von Social Media ist es erforderlich, dass Lernmaterial
nicht tot produziert wird, sondern erweiterbar und interaktiv ist“, so Hagenhofer.
Die neue Technologie fordere den
Ausbildern aber auch einiges ab. Sie
„In Zeiten von Social Media muss Lernen interaktiv und erweiterbar sein.“
Thomas Hagenhofer, Projektkoordinator beim Zentral-Fachausschuss
Berufsbildung Druck und Medien (ZFA)
läuft (siehe Bilder). Doch es kann mehr:
„Das Lernen mit Augmented Reality hat
das Potenzial, dem Lerner beim arbeitsplatzorientierten Lernen Zusatzinfos zur
Verfügung zu stellen: Er kann bei Bedarf
auf tiefergehende Lerninhalte zurückgreifen und daher selbstgesteuert direkt
an der Maschine arbeiten“, berichtet
Hagenhofer. „Er braucht keine Bücher
oder Web-based-Trainings mehr.“ So erhalten die Lerner auf ihrem Gerät etwa
Zusatzinformationen zu Abläufen und
Bauteilen. Zudem lassen sich die mobilen Geräte verknüpfen. Ein Azubi kann
etwa ein Bauteil markieren, Kommentare einfügen und mit den anderen teilen.
Per Blog oder Wiki können die Azubis interagieren – auch standortübergreifend.
Die Ausbilder können die Technologie
könnten die neuen Möglichkeiten nicht
mittels alter didaktischer Konzepte aufbereiten. „Es gilt das Gleiche wie beim
E-Learning: Es reicht nicht, die Technik
zur Verfügung zu stellen. Es braucht adäquate Inhalte und diaktische Konzepte
auf hohem Niveau“, so Hagenhofer.
Lernplattform mit 28 digitalen Tools
Wie digitale Lernformate künftig mit
didaktischen Konzepten verknüpft werden können, erproben Jens Hofmann
und seine Kollegen gerade im vom
BMBF geförderten Projekt „Chemnet“
in der Ausbildung und der beruflichen
Aufstiegsqualifizierung im Chemiebereich. Daraus ist die Web-2.0-Lernplattform „Chemnet“ mit 28 verschiedenen
Tools – etwa Foren, Blogs, Wikis und
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
Chats – hervorgegangen, die Hofmann,
Mitarbeiter für bildungsbezogene Projektarbeit bei der Sächsischen Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und
Chemieberufe, betreut. Er und seine
Kollegen arbeiten mit 130 Unternehmen
zusammen, wissenschaftlicher Input
kommt von der TU Dresden.
Auf dieser Grundlage wird die Plattform in Iterationsschleifen ständig
weiterentwickelt. Jeder Ausbilder kann
sich dort die passenden Tools für seine
Azubis heraussuchen, um sie zu einem
RONNY WILLFAHRT © VDMNO E.V. AUFGENOMMEN BEI ERNST-LITFASS-SCHULE, BERLIN
RONNY WILLFAHRT © VDMNO E.V. AUFGENOMMEN BEI ERNST-LITFASS-SCHULE, BERLIN
KATHARINA BRÖDJE, JULIAN GAAB © BERGISCHE UNIVERSITÄT WUPPERTAL
32
Beim Lernen mit Augmented Reality
können Azubis die Abläufe in laufenden
Maschinen – hier im Druckbereich – live
auf dem Tablet verfolgen, Kommentare
einfügen und diese miteinander teilen.
„schönen, bunten Mosaik“ zusammenzufügen, so Hofmann.
Um digitales und analoges Lernen zu
verzahnen, könnten Ausbilder etwa die
Vor- und Nachbereitung des Unterrichts
ins Tool verlegen – etwa, indem sie die
Azubis dort Fallstudien mit Selbstlernaufgaben erarbeiten lassen. Daneben
können damit die Lernorte, also die
Berufsschule, der Betrieb und gegebenenfalls die überbetriebliche Bildungseinrichtung, stärker vernetzt werden.
Ein Beispiel dafür ist eine „Azubi-Am-
„Digitale Lernformate fügen sich zum
schönen, bunten Mosaik zusammen.“
Jens Hofmann, Mitarbeiter für bildungsbezogene Projektarbeit,
­Sächsische Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe
pel“, mit deren Hilfe sich die Verantwortlichen aus den drei Lernorten mittels
Ampelfarben-Visualisierung über den
Kenntnisstand der Azubis informieren.
Zudem müsse man Zusatzangebote
schaffen, um die Nutzer in die Plattform
zu locken und dort zu binden – etwa mittels kollaborativer Worktools, mit denen
Azubis etwa Online-Protokolle über Laborexperimente verfassen, einzeln oder
im Team, und diese dann an den Ausbilder schicken. „Man muss es mittelfristig
schaffen, dass die Azubis den Bogen vom
Konsumenten zum Produzenten schlagen“, lautet Hofmanns Fazit. Dabei dürfe
man sie jedoch nicht allein lassen. Bei
Chemnet werden die Ausbilder daher
zur Didaktik digitaler Medien geschult.
Arbeitsauftrag mit vielen Freiheiten
Die Lerner zum eigenständigen Lernen
zu motivieren, aber sie dennoch nicht alpersonalmagazin 08 / 15
TITEL_AUSBILDUNG 33
leine zu lassen: So lautet auch das Konzept beim Ausbildungsunternehmen
Laudert. Der Medien- und IT-Dienstleister mit Hauptsitz in Vreden hat schon
verschiedene Auszeichnungen für seine
Ausbildung erhalten. Was kommt bei
der Azubi-Zielgruppe besonders gut an?
„In Feedbackrunden loben unsere Azubis besonders, dass sie viele Freiheiten
unsere Prüfungsvorbereitung: Sechs
Wochen vor der Prüfung können die
Azubis die Themen online einsehen.
Falls Bedarf besteht, gibt es Nachhilfe, Schulungen, manchmal holen wir
Azubis aus Hamburg und Stuttgart zur
Nachschulung nach Vreden.“ Viel Mühe
geben sich die Vredener auch schon bei
der Auswahl der Azubis: Um herauszu-
„Azubis sollen nicht einfach ‚Germany‘s
Next Topmodel‘ anschauen – sondern
selbst bei Fotoshootings mitmachen.“
Hermann Breuers, Leiter Ausbildung bei Laudert
genießen“, sagt Hermann Breuers, Ausbilder Mediengestalter bei Laudert. „Wir
geben unseren Azubis beispielsweise
die Aufgabe, innerhalb von zwei Tagen
eigenständig ein neues Werbemittel zu
entwerfen“, so Breuers. Neben solchen
Ad-hoc-Aufgaben gestalten sie alle zwei
Jahre die Laudert-Ausbildungskampagne neu, die die Firma unter www.machwas-mit-medien.de präsentiert – Employer Branding von Azubis für Azubis.
Als Input für eigenständige Aufgaben
stellen die Ausbilder ihnen verschiedene
Lehrmaterialien, unter anderem OnlineTutorials zur Verfügung – damit die Jugendlichen „auch mal was Abgedrehtes
ausprobieren können“, so Breuers. Beliebt bei Azubis sind auch praxisnahe
Intermezzi wie Fotoshootings im firmen­
eigenen Fotostudio. Auch hier ist ein Ansatz, den Azubi vom Konsumenten zum
Produzenten zu machen: „Die Azubis
sollen nicht einfach „Germany‘s Next
Topmodel“ im Fernsehen anschauen,
sondern selbst bei Fotoshootings mitmachen“, erläutert der Ausbilder.
Gleichzeitig können sich die Auszubildenden jederzeit Unterstützung holen.
„Wir geben uns Mühe, nehmen uns Zeit
und kümmern uns um die Azubis“, so
Breuers Credo. „Ein Beispiel dafür ist
08 / 15 personalmagazin
finden, ob die Bewerber auch wirklich
ins Team passen, würden auch mal pro
Ausbildungsstelle 30 Interviews durchgeführt, sagt Breuers.
Mitspracherecht für Azubis
Ein ähnliches Konzept fährt die Hotelgruppe Lindner bei der Auswahl der
Auszubildenden zum Hotelfachmann,
Hotelkaufmann und Koch: Hier wird die
Messlatte ebenfalls von Anfang an hochgelegt, um zu vermeiden, dass erst im
dritten Lehrjahr auffällt, dass Azubi und
Fall gewesen, dass die mangelnde Passung erst im dritten Lehrjahr aufgefallen sei, sagt Silke Beyer, Corporate Manager Human Resources bei der Lindner
Unternehmensgruppe. Für Azubis und
duale Studenten, deren Übernahme bevorsteht, führt Lindner jährlich den sogenannten „Lindner Day to Stay“ durch,
um Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten vorzustellen und diese mit
Geschäftsführung und Führungskräften
zu diskutieren.
Mitspracherecht genießen die Azubis bei Lindner auch an anderer Stelle.
In der jährlichen Mitarbeiterbefragung
haben sich die Azubis etwa eine andere
Art der Kommunikation gewünscht – bei
ihnen käme alles an, das online und vom
Computer aus läuft, so Beyer. Lindner
hat daraufhin ein neues Intranet mit
Social-Media-Elementen eingeführt. Eine Arbeitsgemeinschaft aus Azubis hat
dort sogar eine eigene Site gestaltet.
Auch für Beyer gehört es zum Erfolgsgeheimnis, die Jugendlichen geleitet
laufen zu lassen. „Manchmal müssen
Azubis auf den richtigen Weg geschubst
werden – etwa per Kurztrainings oder
Vieraugengesprächen“, sagt sie. Offenbar hat sich die Methode bewährt: Sowohl
Linder als auch Laudert können überdurchschnittliche Übernahmequoten
vorweisen. Lindner hat im vergangenen
„Manchmal müssen Azubis auf den richtigen Weg geschubst werden – etwa per
Kurztraining oder Vieraugengespräch.“
Silke Beyer, Corporate Manager HR, Lindner Unternehmensgruppe
Betrieb nicht zusammenpassen. Sind die
Azubis eingestellt, geht es los mit einem
speziellen, zweitägigen Onboardingseminar. Bei regelmäßigen Probezeit- und
Feedbackgesprächen wird die Passung
ständig überprüft. Dank dieser Feedbackmechanismen sei es noch nie der
Jahr 69 Prozent der Azubis eingestellt –
deutlich mehr als in der Hotelbranche
üblich. Laudert hat Ausbilder Breuers
zufolge in den vergangenen sechs Jahren
sogar fast 90 Prozent übernommen. Und
zwei Drittel aller Ex-Azubis sind Laudert
noch immer treu.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
34 MANAGEMENT_NEWS
NACHGELESEN
70-20-10 auf dem Prüfstand
Wenn Narzissten führen
G
ut drei Viertel der weiblichen Führungskräfte berichten davon, dass
sie schon einmal aufgrund ihres Geschlechts am Arbeitsplatz diskriminiert wurden, so eine Umfrage des Verbands „Die Führungskräfte
– DFK“ unter 120 Managerinnen. Die Studienautoren fragten auch danach, wo
aus Sicht der Frauen die Ursachen für ihre Benachteiligung liegen könnten.
2012 nannten die Teilnehmerinnen dabei noch auf Platz zwei ein schlechtes
Selbstmarketing; 2014 liegt dieser Grund nur noch auf Rang 4. Allerdings
belegt eine US-Studie, dass Männer die größeren Narzissten seien – was mit
einem größeren Durchsetzungsvermögen und Machtstreben einhergehe. Die
Autoren, Wissenschaftler der School of Management der University at Buffalo, vermuten, dass Frauen ihren Narzissmus eher unterdrücken – und unter
anderem deshalb seltener im Top-Management vertreten sind.
Deutsche Unternehmen unterschätzen
das informelle Lernen. Zu diesem Schluss
kommt der Ökonom Andries de Grip
von der Universität Maastricht, der den
internationalen Forschungsstand zur
Kultur des informellen Lernens zusammengefasst hat. Danach berichten in
einer OECD-Studie nur 26 Prozent der
deutschen Arbeitnehmer von täglichem
Erkenntnisgewinn durch „Learning by
Doing“, während es in den USA 44 Prozent sind. Das widerspricht der populären
Bildungsformel „70-20-10“, die besagt,
dass Lernen zu 70 Prozent aus „Learning
on the Job“, zu 20 Prozent aus Lernen
von anderen und zu zehn Prozent aus
formeller Weiterbildung besteht. Eine
Erklärung für diesen Widerspruch liefert
Professor Axel Koch, Hochschule für
angewandtes Management in Erding,
in Ausgabe 5/2015 der „wirtschaft +
weiterbildung“: Die Formel setze einen
selbstverantwortlichen, lernwilligen, motivierten und transferstarken Mitarbeiter
voraus. Genau dieser Typ sei in Deutschlands Unternehmen in der Minderheit.
NEWS DES MONATS
Dauer Durchschnittlich 28,8 Tage müssen sich Bewerber in Deutschland von der Bewerbung bis zum Jobangebot gedulden. Das ergibt
eine Analyse der Nutzerdaten von Glassdoor.com. Die Tendenz ist danach allerdings schon seit 2010 steigend.
Vorbereitung Nicht einmal jeder zweite Student fühlt sich von seinem Studium gut auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet, so das Ergebnis einer Online-Umfrage des Jobportals Talerio unter 227 Studenten aus zwölf Fachrichtungen. Viele Studenten werden
darum offenbar zu Autodidakten: 55 Prozent von ihnen geben an, sich die erforderlichen Fähigkeiten selbst angeeignet zu haben.
Täuschung Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern keine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit gönnen, greifen diese
zuweilen zu ungewöhnlichen Mitteln: In einer Studie der Universität Boston offenbaren Mitarbeiter einer Beratungsfirma, ihrem Chef den
Workaholic vorzugaukeln – um heimlich mehr Zeit für ihre Familie zu haben.
+ + + A k t u e l l e N e w s + + + H i n t e r g r ü n d e + + + t ä g l i c h u n t e r w w w. h a u f e . d e / p e r s o n a l + + +
personalmagazin 08 / 15
MANAGEMENT_DIENSTLEISTUNGEN 35
TOP TEN
Randstad
Deutschland
Mehr Umsätze
in der Zeitarbeit
D
er Zeitarbeitsmarkt ist 2014 um
7,7 Prozent auf 24 Milliarden Euro
angewachsen. Auch die Zahl der
Zeitarbeitnehmer ist nach zwei Jahren
Rückgang leicht (um knapp drei Prozent)
angestiegen. Gleichzeitig sind die Markterwartungen der Anbieter trotz guter Konjunkturdaten für das laufende Jahr 2015
wenig optimistisch. Im Durchschnitt rechnen die 25 größten Anbieter lediglich mit
einem Umsatzwachstum im Markt von
drei Prozent, so die Ergebnisse der aktuellen Lünendonk-Liste. www.luenendonk.de
Umsatz
(in Mio. Euro)
Zeitarbeitnehmer
1.949,3
55.000
Adecco Germany
1.629,3
37.300
Persona Service
709,5
19.000
Autovision
Zeitarbeit
618,0
11.200
Manpower-Group
590,2
19.958
I.K. Hofmann
578,0
17.114
Dekra Arbeit
318,0
8.743
7S Group
294,5
7.261
ZAG Zeit­arbeitsGesellschaft
270,0
10.000
Orizon
261,6
7.139
Anhand der Umsatzzahlen 2014 bestimmte Lünendonk die führenden
Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsunternehmen in Deutschland.
QUELLE: LÜNENDONK GMBH, KAUFBEUREN, 2015
Neues von den Stellenmärkten
NEUES PORTAL. Fachkraftauktion.de
ist eine neue Internetplattform für
Fachkräfte in Mangelberufen. Das
Innovative daran: Die Arbeitgeber bewerben sich dort bei Arbeitnehmern.
Fachkräfte können ihre Wünsche an
einen Arbeitsplatz einstellen und sich
eingehende Angebote ansehen, bevor
sie mit einem Arbeitgeber Kontakt
aufnehmen.www.fachkraftauktion.de
STELLENANZEIGEN. Personalberatungen­
nutzen bei der Kandidatenansprache
in hohem Maße Stellenanzeigen. Das
ergab eine Umfrage der HR Consult
Group unter 250 Beratungen. 70 Prozent setzen generell auf eine anzeigengestützte Suche, lediglich sechs
Prozent machen keinen Gebrauch
von Inseraten. Damit hat die Bedeutung der Stellenanzeige für Personalberatungen im Vergleich zu einer
Umfrage von 2013 deutlich zugenommen, trotz des Trends zum Social Recruiting. www.hr-consult-group.de
08 / 15 personalmagazin
DIENSTLEISTUNG. Unter dem Namen
„Search & Ident“ bietet Experteer
eine neue Dienstleistung. Diese
soll die zeitaufwendige Suche und
Identifikation geeigneter Fach- und
Führungskräfte abdecken. Hierfür
werden in einem Beratungsgespräch
der aktuelle Rekrutierungsbedarf
und das ideale Kandidatenprofil
festgelegt, dann suchen die Partner
im Experteer-Pool nach passenden
Kräften, die auch Interesse an der
Vakanz bekunden, und liefern dem
Unternehmen eine Liste geeigneter
Kandidaten. www.experteer.de
SPEZIALISTENBÖRSE. Die Plattform
„Get in IT“ zielt auf einen Interessenabgleich auf Augenhöhe zwischen
Bewerbern und IT-Unternehmen ab.
Arbeitnehmer können sich über gut
2.300 Einstiegsprogramme informieren und Arbeitgeber können nach ITNachwuchskräften suchen, die sich
dort vorstellen.
www.get-in-it.de
KURZNACHRICHTEN
Fusion am Zeitarbeitsmarkt
Die Manpower-Group Deutschland übernimmt die 7-S-Group. Damit wächst das
Unternehmen nach eigenen Angaben
auf 27.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von über 850 Millionen Euro an und
rückt auf Platz drei der Personaldienstleister in Deutschland vor. Spätestens im
September soll die Übernahme formal
abgeschlossen sein, bis dahin müssen
die deutschen und europäischen Kartell­
ämter der Akquisition noch zustimmen.
www.manpowergroup.de
Mitarbeiterbindung aus Japan
Der Incentive-Anbieter Benefit One Inc.
Japan bietet seit knapp 20 Jahren japanischen Firmen ein Incentive-Programm
an, das die Mitarbeiter langfristig zu
mehr Engagement anspornen soll. Ein
Teil des Firmenbudgets wird in „Incentive
Points“ umgewandelt, die die Mitarbeiter
je nach Arbeitsleistung erhalten. Sie können in frei wählbare Belohnungen umgetauscht werden. Vor Kurzem hat das
Unternehmen die erste Niederlassung in
Deutschland gegründet. Von München
aus will es in weitere europäische Länder
expandieren.
Vielfältig Rekrutieren
Kleine und mittlere Unternehmen dabei
zu unterstützen, die Vielfalt in der Belegschaft zu erhöhen – mit dieser Zielsetzung entwickelte das Institut für Arbeit
und Personal (IAP) der FOM Hochschule
eine Toolbox zur diversitätsorientierten
Rekrutierung. Die Instrumente sollen dabei helfen, den Prozess zu strukturieren,
die Objektivität der Auswahl zu erhöhen,
konkrete Anforderungen in den Mittelpunkt zu stellen und den Bewerberpool
zu vergrößern. Die kostenfreie Toolbox
hat vier Bestandteile: Anforderungsprofil, Stellenanzeige, Bewerbungsmanagement und Einstellungsgespräch.
www.fom.de/forschung/insitute/iap.html
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
© JRCASAS / THINKSTOCKPHOTOS.DE
36 MANAGEMENT_MITARBEITERORIENTIERUNG
Mitarbeiter erwarten mehr als Blabla von ihren Chefs. Sie wünschen sich Wertschätzung in Aussagen und Taten.
Da geht noch was …
STUDIE. Eine wertschätzende Führungs- und Unternehmenskultur ist das Ziel vieler
Organisationen. Doch laut einer aktuellen Umfrage ist es damit nicht weit her.
Von Uwe Döring-Katerkamp
I
nwiefern erfahren Mitarbeiter Wertschätzung in ihrem Arbeitsalltag?
Diese Frage haben das Institut für
angewandtes Wissen e. V. (IAWKöln) und die Hochschule der Sparkassen
Bonn im Mai dieses Jahres über 1.500 Mitarbeitern branchenübergreifend in ganz
Deutschland gestellt. Der Anlass zu dieser Befragung lässt sich in zwei zentralen
Aussagen darstellen: Zum einen betrachten wir beim IAW-Köln Wertschätzung als
ethische Forderung, wie man Menschen
in der Arbeit behandeln sollte. Insofern
ist Wertschätzung ein Wert an sich, der
eigentlich nicht weiter hinterfragt werden
müsste. Zum anderen macht Wertschätzung aber auch aus der Perspektive von
Unternehmen Sinn; denn ein wertschätzendes Umfeld bringt im Allgemeinen
ein höheres Engagement der Mitarbeiter
hervor, das sich letztlich in mehr Effizienz niederschlägt. Ebenso zeigen immer
wieder Umfragen, dass ein wertschätzendes Umfeld ein wichtiges Kriterium zur
Gewinnung neuer, guter Mitarbeiter ist.
Allerdings – so viel sei über die Ergebnisse unserer Umfrage vorweggenommen – steht es bisher nicht allzu gut um
die Wertschätzung in den Unternehmen.
Dass nur rund fünf Prozent der Befragten
keinen Handlungsbedarf in Sachen Wertpersonalmagazin 08 / 15
37
schätzung sehen, zeigt, dass hier noch
Luft nach oben besteht.
Die genannten Gründe wären eigentlich ausreichend genug um zu erkunden,
wie es um die Wertschätzung der Mitarbeiter aussieht. Uns war jedoch ein weiterer Aspekt wichtig. Wir wollten nicht
nur zu generellen Aussagen in Bezug auf
Wertschätzung kommen, sondern bei
Bedarf Handlungsfelder aufzeigen, die
im Unternehmen auch konkret bearbeitet werden können und zu einer Verbesserung der Situation führen. Denn nur
wenn klar erkennbar ist, wie sich ein
Arbeitsalltag gezielt wertschätzender
gestalten lässt, und dass sich hieraus für
alle Beteiligten auch Vorteile ergeben,
hat das Thema Wertschätzung dauerhaft
eine Chance. Insofern wollen wir zu Beginn ein Verständnis von Wertschätzung
im Arbeitsumfeld anbieten, aus dem sich
konkrete, einzelne Handlungsebenen
und Handlungsfelder ableiten lassen,
die ebenso konkret und pragmatisch im
Arbeitsalltag bearbeitet werden können.
Zugrunde liegen hierzu die praktischen
Erfahrungen, die wir beim IAW-Köln in
Zusammenarbeit mit Unternehmen sammeln konnten.
Was bedeutet eigentlich Wert­
schätzung in der Arbeit?
Verkürzt und nach Wikipedia wiedergegeben, bezeichnet Wertschätzung die
positive Bewertung eines anderen Menschen als Ganzes. Wertschätzung ist
verbunden mit Respekt, Wohlwollen und
Anerkennung und drückt sich aus in Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit
und Freundlichkeit. Diese Vorstellung
haben wir auf die besonderen Bedingungen der Arbeitswelt übertragen. Hier hat
man es per se mit einem System zu tun,
bei dem gegenseitige Leistungserwartungen die Grundlage der Zusammenarbeit
bilden. Jegliche Form der Erwartung an
den anderen, des Umgangs miteinander sowie der Belohnung und Anerkennung, sind hier letztlich mit einer konkreten Arbeitssituation und dem Erfolg
des Handelns und der Arbeit gekoppelt.
08 / 15 personalmagazin
Wertschätzung, im hier verwendeten Verständnis, bezieht sich demnach auf eine
bestimmte Art und Weise miteinander
umzugehen, um den Arbeitsalltag von
Menschen zu gestalten und zu leben.
Hierbei sind Mitarbeiter traditionell in
einer abhängigen Position; sie erfahren,
wie mit ihnen umgegangen wird – was
bisher nicht immer als wertschätzend
bezeichnet werden kann. Waren sie in
den frühen Zeiten der Industrialisierung
lediglich Ressourcen und Befehlsempfänger, so hat sich im Laufe der Zeit ein
Wandel vollzogen, der jetzt mit dem Mitarbeiter als wertgeschätzten Menschen,
zum Finale kommen soll. Das heißt, die
rein funktionale Betrachtungsweise hat
sich weiterentwickelt; die Mitarbeiter
wurden immer umfassender mit ihrem
Können, ihren Ideen und ihrer Verantwortungsbereitschaft wahrgenommen
und behandelt. Die letzte Stufe bildet
jetzt die Wertschätzung, sprich, die Erkenntnis, dass Mitarbeiter Menschen
sind mit Vorstellungen, Erwartungen
Emotionen und Fähigkeiten. Jeder Einzelne möchte als Mensch in seiner Ganzheit gesehen und behandelt werden bei
der Ausgestaltung der Arbeitswirklichkeit, in der er jeden Tag seinen Beitrag
zum Erfolg des Unternehmens erbringen
soll und in der Regel auch will.
Hier zeigt sich ein weiterer wichtiger
Punkt zum Thema Wertschätzung in
der Arbeit: Welche Vorstellungen, Empfindungen et cetera ein Mitarbeiter hat,
kann kein Unternehmen und auch keine
Führungskraft im Vorfeld wissen. Diese
Punkte gilt es mit den Mitarbeitern in ihrem konkreten Arbeitsumfeld zu klären.
Drei Handlungsebenen für
­Wertschätzung
Wie und wo kann nun ein Unternehmen
aktiv werden, um Wertschätzung in praktisches Handeln umzusetzen? Hier bieten
sich drei Handlungsebenen an.
Erstens: Strukturelle Maßnahmen –
hierunter werden an dieser Stelle generelle Maßnahmen verstanden werden,
die sich pauschal auf alle Mitarbeiter
ADD-ON
In der Personalmagazin-App finden Sie
die einzelnen Ergebnisse der Umfrage
dargestellt in Tabellenform.
auswirken. Hierzu zählen beispielsweise Formen der gerechten Entlohnung,
Mitspracherechte, Maßnahmen für ein
gesundes Arbeitsumfeld oder Gleichberechtigung.
Zweitens: Führungskräfteentwicklung
– hier gilt es, durch entsprechende Maßnahmen Verständnis zu erzeugen sowie
eine Einstellungs- und Verhaltensänderung zu bewirken. Führungskräfte sollen auf diese Weise in die Lage versetzt
werden, durch verändertes Handeln ein
wertschätzendes Umfeld zu ermöglichen,
beziehungsweise bei ihren Mitarbeitern
Wertschätzung hervorzurufen.
Drittens: Veränderung der Arbeitswirklichkeit – das unmittelbare Umfeld
eines Mitarbeiters, also sein Bereich, in
dem er sieht, was zu tun ist und wo seine
Fähigkeiten zum Tragen kommen, wo er
gestalten kann und oft auch will. In dieser persönlichen Arbeitswirklichkeit gilt
es, den Mitarbeiter ernst zu nehmen und
mit ihm zu klären, wie diese Arbeitswirklichkeit beschaffen sein sollte. Auf
der Ebene der Arbeitswirklichkeit lassen
sich am einfachsten und am schnellsten
Maßnahmen ergreifen, durch die für alle
Beteiligten der Vorteil eines wertschätzenden Umgangs unmittelbar zu erfahren ist.
Vier Handlungsfelder für die
­Maßnahmen
Auf jeder der drei Ebenen lassen sich
nun wiederum die vier folgenden, eindeutigen Handlungsfelder abgrenzen,
in denen Führungskräfte Maßnahmen
angehen können.
• Respekt: Mitarbeiter wollen ernst genommen werden, eigene Sichtweisen
und Themen einbringen können, Antworten auf Fragen erhalten. Respekt
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
38 MANAGEMENT_MITARBEITERORIENTIERUNG
VIER STUFEN DER WERTSCHÄTZUNG
bedeutet, den Mitarbeiter in dieser umfassenden Rolle zu sehen, zu akzeptieren
und als Grundlage für die (Mit-)Gestaltung von Arbeitswirklichkeit zuzulassen.
• Chancen: Mitarbeiter wollen sich in
ihrem vertrauten Bereich einbringen
können und Gestaltungschancen für
die eigenen Vorstellungen erhalten. Mit
Blick auf die eigene Arbeitswirklichkeit
finden Mitarbeiter beinahe immer Themen, die ihrer Meinung nach angepackt
werden sollten und bei denen sie Vorstellungen haben, wie dies gemacht werden sollte. Es gilt, den Mitarbeitern die
Möglichkeit zu geben, hier aktiv zu sein.
• Selbstwirksamkeit: Mitarbeiter wollen sich als kompetent im Handeln erfahren. Sie möchten erleben, dass sie
gerade auch eigene Ideen umsetzen
können; dass sie fähige Akteure sind.
• Erfolg und Anerkennung: Mitarbeiter
möchten Wertschöpfung und Erfolg des
eigenen Handelns erleben und Bestätigung als erfolgreicher Mensch gerade
auch im sozialen Umfeld erfahren.
Wie man nun leicht nachvollziehen
kann, stellt Wertschätzung für uns keine eindimensionale Belobigung vom
Vorgesetzten dar, sondern zeigt sich
in der Art und Weise, wie auf drei unterschiedlichen Handlungsebenen vier
unterschiedliche Handlungsfelder bearbeitet und ausgestaltet werden. Dabei interessiert uns am allermeisten
die unmittelbare Arbeitswirklichkeit,
da hier die Mitarbeiter am schnellsten
und effektivsten ein wertschätzendes
Arbeitsumfeld mitgestalten können. Auf
diesen Bereich konzentrierte sich dann
auch die Befragung.
Was sagen die Mitarbeiter zur
Wertschätzung ihrer Chefs?
Nach dieser, zugegebenermaßen etwas
umfangreicheren Einführung, stellen
wir nun die wichtigsten Ergebnisse dar:
Alle Aussagen konnten von Teilnehmern
auf einer fünfstufigen Skala von „Trifft
gar nicht zu“ bis „Trifft völlig zu“ bewertet werden. Die neutrale Position wurde
als eher negativ bewertet. Die Fragen be-
Respekt
Chance
Selbstwirksamkeit
Erfolg &
Anerkennung
Ernst genommen
werden, eigene
Sichtweisen, Fragen
und Themen einbringen können
GestaltungsChancen – auch für
eigene Themen
erhalten
Sich kompetent im
(eigen-initiierten)
Handeln erfahren
Erfolg und Bestätigung des eigenen
Tuns erleben
Es lassen sich vier eindeutige Handlungsfelder voneinander abgrenzen, in denen Führungskräfte mit Maßnahmen zur Wertschätzung ansetzen können.
trafen einzelne Handlungs­felder sowie
zum Abschluss auch generalisierende
Aussagen zum Thema Wertschätzung,
womit wir auch anfangen möchten. Die
Frage, ob die Mitarbeiter die Wertschätzung erhalten, die sie sich in der Arbeit
erwarten, wird nur von 28 Prozent positiv beantwortet. Ein Viertel verhält sich
neutral dazu, aber fast die Hälfte ist unzufrieden mit der Situation. Daran hat
sich auch in den vergangenen Jahren
kaum etwas geändert. Nur 14 Prozent
sind der Meinung, dass sich an der Situation in den vergangenen beiden Jahren
etwas spürbar verbessert hat. Was den
Blick in die Zukunft betrifft, so sehen
nur fünf Prozent keinen Handlungsbedarf in diesem Bereich.
Ergebnisse der Umfrage in den
einzelnen Handlungsfeldern
Betrachten wir nun zunächst das Handlungsfeld „Respekt“: Inwieweit empfinden sich Mitarbeiter als Menschen wahrgenommen und mit ihren Meinungen,
Gefühlen, Fragen et cetera respektiert
und akzeptiert? Rund 50 Prozent der
Befragten haben nicht das Gefühl, mit
ihren täglichen Problemen und Herausforderungen von Kollegen und ihrer Führungskraft wahrgenommen zu werden.
Dies spricht nicht für ein ausgeprägtes Team- oder Wir-Gefühl oder für ein
menschliches Miteinander. Allerdings
empfinden sich rund zwei Drittel von
ihrem Vorgesetzten als kompetente Gesprächspartner respektiert. Andererseits
hat nur ein Drittel das Gefühl, rechtzei-
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
tig über Dinge informiert zu werden, die
sie in ihrer Arbeitswirklichkeit betreffen. Das heißt, das Gefühl in der Arbeit
als Mensch mit Fragen, Bedürfnissen
et cetera gesehen zu werden, statt nur
Kompetenzträger und Ressource zu sein,
wird in weiten Teilen nicht empfunden.
Im Feld der „Chancen und Selbstwirksamkeit“ stellt sich die Frage, wie
sich Mitarbeiter einbringen können und
welche Chancen sie erhalten. Fast 60
Prozent der Mitarbeiter können eigene
Ideen und Meinungen einbringen. Circa 70 Prozent genießen vonseiten ihrer
Führungskraft das Vertrauen, notwendige Entscheidung für ihre Arbeit selbst
zu treffen. Allerdings erhält nicht einmal
jeder zweite Mitarbeiter den Freiraum,
eigene Vorstellungen und Ideen auch
umsetzen zu können. Entsprechend
glauben auch nur gut 40 Prozent, dass
sie ihre Fähigkeiten bestens in ihrer Arbeit zur Geltung bringen können.
Wie kann man dies verstehen? Auch
wenn man annimmt, dass nur in jedem
zweiten Fall durch die Mitarbeiter eine
Arbeit verbessert werden kann, bleibt
hier immer noch ein großes Potenzial
ungenutzt. Entsprechend hat nicht einmal jeder zweite Mitarbeiter das Gefühl
,einen befriedigenden Job zu machen.
Im Handlungsfeld von „Erfolg und Anerkennung“ sieht es noch schlechter aus:
Nicht einmal ein Drittel der Befragten
hat das Gefühl, dass das Unternehmen
seine Fähigkeiten und Leistungen anerkennt. Und nur jeder Fünfte hat das
Gefühl, dass diese Anerkennung in der
personalmagazin 08 / 15
39
Form stattfindet, die er sich für sein Engagement und seine Leistung eigentlich
wünscht.
In der Umfrage zeigt sich also, dass in
allen Handlungsfeldern der Wertschätzung noch deutlicher Bedarf von den
Mitarbeitern signalisiert wird. Um die
Ergebnisse zu interpretieren, sei noch
gesagt, dass rund 70 Prozent der Teilnehmer keine Managementverantwortung haben und nur rund 20 Prozent ein
Team mit maximal zehn Mitarbeitern leiten. Frauen und Männer waren fast paritätisch repräsentiert und unterscheiden
sich in ihren Beurteilungen nicht sig­
nifikant. Die Teilnehmer waren eher
überdurchschnittlich gut ausgebildet.
Unsere Vermutung ist, dass in einfache-
Schirmherrschaft:
ren Berufen die Werte eher schlechter
ausgefallen wären und das Gesamtbild
ins Negative verschoben worden wäre.
Insgesamt lässt sich festhalten:
Es gibt noch viel Luft nach oben
Wenn wir nun noch einmal die Ausgangsdefinition von Wertschätzung eines Menschen in der Arbeit betrachten,
die beinhaltet, den Mitarbeiter als ganzen Menschen, mit seinen Gefühlen und
Ideen ernst zu nehmen, so ist dies für
viele Mitarbeiter noch nicht erreicht –
insbesondere wenn es um die Anerkennung der eigenen Leistungen geht.
Zwar erfahren sich viele Mitarbeiter,
gerade durch ihren direkten Vorgesetzten, als Kompetenzträger als durchaus
ernst genommen. Doch als ganzer Mensch
mit Problemen und Fragen und der Möglichkeit sich einzubringen, fühlt sich
noch nicht einmal jeder zweite Mitarbeiter wahrgenommen und behandelt. Dies
bedeutet, dass sowohl für das Empfinden
der Mitarbeiter, ein wertgeschätzter Teil
des Unternehmens zu sein, als auch ihr
Engagement und ihren Beitrag zum Erfolg
des Unternehmens, noch deutlich Luft
nach oben ist und man die dort schlummernden Potenziale heben sollte.
UWE DÖRING-K ATERK AMP
ist Vorstand des Instituts für
angewandtes Wissen e. V.
(IAW-Köln).
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40 MANAGEMENT_GENERATION Y
„Es gibt definitiv Unterschiede“
I
n der Jugend prägen uns Ereignisse, Personen, Normen und Konventionen. Nach dem Soziologen Karl
Mannheimer behalten Menschen diese
Prägung ihr Leben lang weitgehend bei.
Und das ist es, was zu unterschiedlichen
Generationen führt. Bezogen auf die Arbeitswelt sind dies die Baby Boomer sowie die Generationen X, Y und Z.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen
sieht die internationale Forschung diese vier Generationen als eindeutig unterschiedlich an – egal, welche Art von
Studien man zugrunde legt: Aus evidenzbasierten Schilderungen der Praxis,
wie sie beispielsweise Manuela MüllerGerndt und Patric Traut von IBM präsentieren, wird deutlich, dass die Vertreter
der vier Generationen ganz unterschiedliche Problemlösungsstrategien fahren.
Danach lassen sich Angehörige der Generation X als unabhängig, Y-Vertreter
als kooperativ und Z-Zugehörige als global vernetzt-unabhängig beschreiben.
Auch empirisch groß angelegte Studien, wie die von Argo oder Randstad,
Pro
UNIV.-PROF. DR. CHRISTIAN SCHOLZ,
Universität des Saarlandes, hat über die Generation Z ein gleichnamiges Buch verfasst.
PERS ONA LMA GAZI N WILL WISS EN
JA, NEIN ODER JEIN ?
„Anders als oft postuliert“
W
ir gehören beide der „Generation X“ an, sind also bescheidene Konsumverweigerer.
Gleichzeitig sind wir auch Kinder der
„Generation Golf“, somit markenbewusste Hedonisten. Viel lässt sich philosophieren über die Auswirkungen
verschiedener gesellschaftlicher Einflüsse auf die Kinder der jeweiligen Zeit.
Sicher, die „Generation Youtube“ besitzt
andere technische Fertigkeiten als die
„Flakhelfergeneration“. Die grundlegenden Werte und Einstellungen aber haben
sich nur wenig verändert. Auch heute
legen junge Mitarbeiter ähnlich großen
Wert auf das Gehalt, interessante Aufgaben und einen sicheren Arbeitsplatz.
Warum sind Generationenkonzepte
dann so populär? Einen Erklärungsansatz liefert der sogenannte BarnumEffekt. Generationsbeschreibungen sind
wie Horoskope, sie sind so allgemein geschrieben, dass immer ein Teil Wahrheit
enthalten ist. Sie wirken auf den ersten
Blick plausibel, sind aber ziemlicher
Quatsch. Die Klassifizierung von Indivi-
duen anhand von Typen erscheint intuitiv und ein solches Schubladendenken
erleichtert den Umgang mit den leicht
zu definierenden Gruppen. Wissenschaftlich haltbar ist es aber nicht und
eine darauf aufbauende Personalpolitik
verfehlt.
Die Frage nach der Andersartigkeit
verschiedener Generationen ist letztlich
eine empirische, aber auch hier können
Interpretationen divergieren. Ein Beispiel: In unserem Artikel „Viel Lärm um
fast Nichts“ in der Zeitschrift „Personal
Quarterly“ zur Generation Y hatten wir
über eine Studie von Jean M. Twenge
personalmagazin 08 / 15
41
belegen Differenzen: Generation X will
ihre Meinung frei äußern, Generation Y
wünscht sich Feedback und Generation
Z sucht einen zuhörenden Vorgesetzten.
Nach der Untersuchung von Success Factors verlangt die Generation X eher nach
höheren Positionen (Baby Boomer: sechs
Prozent, X: 49 Prozent, Y: 24 Prozent),
aber weniger nach Weiterbildung (Baby
Boomer: zwei Prozent, X: 17 Prozent, Y:
40 Prozent). Beeindruckend sind auch
Längsschnittanalysen wie die von Laura Wray-Lake et al., die mit Daten von
1976 bis 2005 arbeitet: Sie erkennt klare
Unterschiede, beispielsweise für Mate-
rialismus (Baby Boomer: 36 Prozent, Y:
51 Prozent). Schließlich kann man dazu
auch einen Blick in die Metastudien werfen: Hier analysierten Sean Lyons und Lisa Kuron mehr als hundert Quellen und
zogen daraus eindeutige Beweise für die
Gültigkeit des Generationenkonzepts.
Wenn sich die Generationen also so
klar voneinander unterscheiden, warum
gibt es Forscher und Berater, die keine
Unterschiede erkennen? Das liegt an
der prinzipiellen Schwierigkeit, Muster
zu lokalisieren. Legt man beispielsweise Babyboomer und Generation X
sowie Generation Y und Z zusammen,
dann fallen durch die Mittelwertbildung
Unterschiede zwischen diesen zwei
Gruppen klein aus, auch wenn es klare
Unterschiede zwischen den vier Gruppen gibt. Oder aber man betont fälschlicherweise als Beleg für Gleichartigkeit,
dass alle Generationen nach Work-LifeBalance streben. Aber dieser Schluss ist
trügerisch: Denn die Generation Y versteht unter Work-Life-Balance eher das
Konzept des „Work-Life-Blending“, also
einen fließenden Übergang zwischen
Arbeits- und Privatleben. Dagegen sieht
die Generation Z darin „Work-Life Separation“, also eine klare Trennung. DEBATTE. Über die Generationen, die derzeit im
REDA KTIO N@P ERSO NALM AGA ZIN. DE
et al. berichtet, die Wertunterschiede
zwischen Generationen untersucht. Auf
einer Skala von 1 bis 5 ergab sich für
Altruismus: Babyboomer: 3,30; Gen X:
3,27; Gen Y: 3,23. Wir nennen diese Unterschiede gering. Christian Scholz übersetzt dieselben Werte in seinem Buch
zur „Generation Z“ in „relativ hoch“,
„mittel“, „relativ niedrig“ und ergänzt
– manche mögen’s heiß – ohne entsprechende empirische Basis ein „niedrig“
für die Gen Z.
Unser Fazit: Ja, es gibt Unterschiede
zwischen Generationen. Diese sind aber
klein und oft anders als postuliert.
08 / 15 personalmagazin
Berufs­leben stehen, wurde schon viel geschrieben –
gerade über die Generation Y. Doch genauso häufig
kommt die Frage auf, ob ihre Vertreter nun wirklich
derart andere Werte aufweisen als ihre Vorgänger.
Drei Wissenschaftler geben dazu ihre Antwort.
Contra
PROF. DR. HEIKO WECKMÜLLER, FOM Hochschule für Oekonomie und Management,
PROF. DR. TORSTEN BIEMANN, Uni Mannheim, haben Generationsstudien analysiert.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
42 MANAGEMENT_WISSENSCHAFTSTRANSFER
Leistung im Kollektiv
SERIE. Wie schaffen es Personaler, dass sich alle Mitarbeiter engagieren? Eine US-
Studie zeigt die Bedingungen und Wirkungen von kollektivem Engagement auf.
Von Martin Claßen und Christian Gärtner
I
n der vergangenen Personalmagazin-Ausgabe haben wir an dieser
Stelle darüber berichtet, wie Performance-Management-Systeme
ausgestaltet sein sollen, damit die Unternehmensleistung steigt. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgen die Autoren
unseres diesmaligen Top-Journal-Artikels: Was müssen Unternehmen tun,
damit es zu kollektivem Engagement in
Organisationen kommt – das heißt, dass
sich alle Mitarbeiter für die Firma ins
Zeug legen, um mehr Wert zu schaffen?
Konkret untersucht die Studie anhand
von 900 Beschäftigten aus 83 Banken,
wie kollektives organisationales Engagement entsteht und sich positiv auf die
Unternehmensleistung auswirkt.
Was man sich merken sollte
Kollektives organisationales Engagement liegt dann vor, wenn sich alle
Mitarbeiter physisch, kognitiv und
emotional für die Organisation in den
Laut den Autoren der
US-Studie besteht gerade in KMU die Chance,
dass sich Mitarbeiter
von Kollegen anstecken
lassen, die bereits großes Engagement zeigen.
Arbeitsalltag einbringen. Die Voraussetzungen dafür kann das Management
schaffen, indem es auf drei Handlungsfeldern tätig wird: Arbeitsplatzgestaltung, Personalstrategie und -praktiken
sowie transformationale Führung. Je
nachdem wie gut das Management
diese Hebel strategiekonform umsetzt,
steigt die Unternehmensleistung – via
kollektivem Engagement – stärker oder
nicht (siehe Grafik). Die durchgeführte
Regressionsanalyse bestätigt diesen Zusammenhang.
Schon das kleine Statistik-Einmaleins
lehrt, dass eine Korrelation keine Kausalität ist. Deshalb muss der Wirkungszusammenhang zwischen kollektivem
Engagement und positiver Wertschöpfung noch extra erläutert werden. Die
Autoren argumentieren über einen sich
selbst verstärkenden Mechanismus: Es
besteht insbesondere bei kleinen und
mittleren Unternehmen (KMU) eine
gute Chance, dass sich Mitarbeiter bei
jenen „anstecken“, die bereits großes
Engagement zeigen. Förderlich für diese motivierende Ansteckung ist, dass in
Organisationen soziale Vergleichsprozesse stattfinden, nach dem Credo: was
machen die fleißigen Kollegen und was
bekommen sie dafür? Dieser Vergleichsdruck erschwert es Mitarbeitern, beim
kollektiven Mitmachen nicht mitzumachen und in die Faulheit auszubüchsen.
Für wen oder was das Ganze gilt
Die Forscher weisen darauf hin, dass
die Ursache-Wirkungsbeziehungen nur­
zum Teil auf empirischen Daten beruhen und zum anderen auf theoreti-
schen Argumenten. Zudem wurde die
Unternehmensleistung nur anhand des
„Return on Assets“ gemessen. Dieser
mag für die untersuchten Firmen zwar
relevant sein, für andere Branchen zählen vielleicht andere Finanzkennzahlen
oder gar Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheitsmaße. Immerhin basieren
die Ergebnisse auf der Erforschung von
KMU, was eine Vergleichbarkeit mit den
meisten Unternehmen gewährleistet –
in den USA sogar mit über 99 Prozent
der Firmen, wie die Autoren betonen.
Dieser Wert ist hierzulande schätzungsweise ähnlich hoch.
Der wichtigste und der nachdenk­
lichste Satz der Studie
Der wichtigste Satz lautet: „Kollektives
organisationales Engagement ist eine
einzigartige, wertschöpfende organisationale Fähigkeit und viele Gründe
sprechen dafür, dass Firmen mit starkem kollektivem organisationalen Engagement erfolgreicher sind als andere“
(Seite 119).
Der nachdenklichste Satz lautet:
„Künftige Studien sollten die Langzeitwirkungen erforschen, um die kausalen
Zusammenhänge besser testen zu können“ (Seite 129).
Konsequenzen für HR-Management
Die drei Faktoren Arbeitsplatzgestaltung, Personalstrategie und -praktiken
sowie transformationale Führung betonen wichtige Handlungsfelder des HRManagements. Insbesondere wirken
sich Maßnahmen in diesen Bereichen
auf drei Bedingungen aus, die für Engapersonalmagazin 08 / 15
43
SERIE
Zu oft hakt es immer noch am Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.
Darum stellen der Berater Martin Claßen und der Wissenschaftler Christian Gärtner in den
folgenden Ausgaben des Personalmagazins betriebswirtschaftliche Studien aus den USA
mit ihren Kernergebnissen vor und ziehen Schlussfolgerungen für das deutsche Personalmanagement. In diesem Serienteil geht es um die Studie „Collective Organizational
Engagement: Linking Motivational Antecedents, Strategic Implementation and Firm Level
Performance“ von Murray R. Barrick, Gary R. Thurgood, Troy A. Smith and Stephen H.
Courtright. Sie ist 2015 in „Academy of Management Journal, Vol. 58, No. 1“ erschienen.
DREI HEBEL FÜR ENGAGEMENT
Motivierende
Arbeitsplatzgestaltung
Personalstrategie und
-praktiken
Kollektives organisatio­
nales Engagement
Unternehmensleistung
Transformationales Führen
durch CEO
Strategische Umsetzung
Arbeitsplatzgestaltung, Personalstrategie und -praktiken sowie transformationale Führung sind die drei wichtigen Hebel für kollektives Engagement.
QUELLE: NACH BARRICK, THURGOOD, SMITH, COURTRIGHT
gement notwendig sind: Sinnhaftigkeit,
psychologische Sicherheit und psychologische Verfügbarkeit. Beispielsweise
fühlen sich Mitarbeiter bedeutender,
wenn sie sich als Teil eines großen Ganzen sehen, was durch Arbeitsplatzgestaltung und Führungsverhalten beeinflusst werden kann: Mitarbeiter erleben
den Sinn ihrer Arbeit vor allem dann,
wenn sie Feedback über die Wirkung ihrer Tätigkeit erhalten und eine überzeugende Vision vor Augen haben. Ein weiteres Beispiel: Eine Personalstrategie,
die unbefristete Arbeitsverträge forciert
und bei den Vergütungs- und Beförderungspraktiken auf Leistung ebenso viel
Wert legt wie auf Entwicklung und Fairness, trägt zu gefühlter Sicherheit bei.
08 / 15 personalmagazin
Sind die ersten Maßnahmen implementiert, gilt es für das Management
vor allem auf die Passung zur Strategie
zu achten, denn dieser Faktor wird als
entscheidend identifiziert. Ist auf allen
Handlungsfeldern ein Anfang gemacht,
profitiert das Management von der positiven Ansteckungsdynamik, denn ähnlich wie beim viralen Marketing sind
Aufwand und Kosten überschaubar, die
Verbreitung hingegen geschieht schnell
und weitläufig.
Die Studie aus Sicht der HR-Praxis
weitergedacht
Im Grunde weiß man das: Es gibt fleißige und es gibt faule Organisationen.
Wenn kollektives Engagement ein wich-
tiger Faktor für die Unternehmensleistung ist, der sich in seiner Ausprägung
zwischen Firmen unterscheidet, dann
liegt es nahe, den klassischen Management-Dreischritt zu vollziehen: Messen,
Analysieren und Verbessern. Messen
lässt sich der Grad an kollektivem Engagement zum Beispiel durch die in der
Studie verwendeten Fragebögen. Aggregiert könnte das zum Beispiel einen
„Organizational Engagement Index“ mit
Werten von null bis zehn ergeben. Allerdings weiß man als Manager dann noch
nicht, wie aus einer Zwei eine Fünf oder
aus einer Sechs eine Acht wird. Also
heißt es analysieren, an welchen Stellschrauben es noch hakt und wie sich
Änderungen auswirken. Dazu gibt die
Studie wertvolle Hinweise, weil sie Faktoren und deren Wirkungsbeziehung
offenlegt.
Das Modell ist zudem einfach gehalten und mit Maßnahmen illustriert. Auf
diese Weise können schnell Ideen für
Verbesserungen gefunden werden. Deren Umsetzung wiederum ist allerdings
nicht einfach, weil es für Veränderungsprozesse keine einfachen Blaupausen
gibt. Und selbst wenn man es geschafft
hat, dass sich alle für die Firma ins Zeug
legen, gilt es zu vermeiden, was wir den
„Jürgen-Klopp-Effekt“ oder auch „BVBEffekt“ nennen: auf Dauer kann keine
Organisation hoch engagiert und hoch
erregt sein, weil sie sonst überhitzt und
die Mitarbeiter physisch, kognitiv oder
emotional ausbrennen. Dann wird aus
der von den Wissenschaftlern betonten
Ansteckungschance die im Volksmund
bekannte Ansteckungsgefahr.
MARTIN CLASSEN führt seit
2010 sein Beratungsunternehmen People Consulting.
DR. CHRISTIAN GÄRTNER
ist Assistenz-Professor an der
Universität der Bundeswehr
in Hamburg.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
© MGEPA NRW / FOTO: RALPH SONDERMANN
44 ORGANISATION_NEWS
Barbara Steffens, Gesundheitsministerin
von Nordrhein-Westfalen, informiert in
Düsseldorf über die aktuelle Gesetzgebung
zur betrieblichen Gesundheitsversorgung.
Konferenz: Betriebliche Krankenversicherung als Erfolgsfaktor
M
ehr als 70 Prozent der Arbeitgeber in Deutschland erwarten
von einer betrieblichen Krankenversicherung einen positiven Beitrag
zur Unternehmenskultur und Mitarbeiterbindung. Ebenfalls weit mehr als die
Hälfte sehen in ihr darüber hinaus ein
Instrument zur Mitarbeitergewinnung
(65 Prozent) und Arbeitnehmermotivation (59 Prozent) – das zeigt eine Umfrage
der Strategieberatung Bülow & Consorten. Trotzdem ist der Aufklärungsbedarf
hoch: 59 Prozent der Befragten schätzen
ihren eigenen Kenntnisstand zur Umsetzung und konkreten Ausgestaltung einer
bKV als niedrig ein.
Konkrete Unterstützung und Information zu den Möglichkeiten einer privaten
Krankenzusatzversicherung durch den
Arbeitgeber bietet die SZ-Fachkonferenz
„Betriebliche Krankenversicherung – Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Versicherer“ am 29. September in Düsseldorf.
Themenschwerpunkte des Kongresses für
Führungskräfte und HR-Verantwortliche
insbesondere aus Industrie- und Mittelstandsunternehmen sind die aktuelle
Gesetzgebung und rechtliche Aspekte
der bKV, die Möglichkeiten einer bKV als
Instrument der Mitarbeiterbindung und
zahlreiche Praxisbeispiele von der Einführung einer bKV bis zum Return of Invest. Weitere Information und Anmeldung
unter
www.sv-veranstaltungen.de
NEWS DES MONATS
Besorgt Fast drei Viertel der Führungskräfte machen sich Sorgen, wo sie in Zukunft qualifizierte Mitarbeiter finden können, das zeigt der
Global CEO Survey von PWC. Als Strategie gegen den Fachkräftemängel wird vermehrt nach Fachkräften mit einem breiten Themenspektrum
gesucht.
Gestresst Neben den Klassikern wie der Arbeitsmenge und hohen Leistungsanforderungen kann auch die subjektive Einstellung zum
Stressfaktor werden. Ein Drittel der Frauen und ein Viertel der Männer kämpfen mit dem Gefühl, bei der Arbeit nie fertig zu werden, so eine
Focus-Online-Umfrage.
Skeptisch Gegen die Auslagerung von HR-Anwendungen in die Cloud hegt der Mittelstand noch immer erhebliche Vorbehalte. Nach
einer Studie von ROC werden vor allem Probleme im Datenschutz, aber auch zu geringe Praxistauglichkeit, fehlende Individualisierung und
Serviceschwächen befürchtet.
+ + + A k t u e l l e N e w s + + + H i n t e r g r ü n d e + + + t ä g l i c h u n t e r w w w. h a u f e . d e / p e r s o n a l + + +
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
personalmagazin 08 / 15
© UTILITAS
ORGANISATION_SOFTWAREMARKT 45
Basis für demografiefeste Personalarbeit
Der Urlaubsantrag auf dem Smartphone zeigt auch die Resturlaubstage.
Urlaubsverwaltung per App
E
ine neue App zur Urlaubsverwaltung bietet der Aachener Office-365-Spezialist Utilitas. Die Browser-basierende Anwendung verspricht Unterstützung bei allen Prozessen rund um
die Urlaubsplanung, Genehmigung und Benachrichtigung: Die Möglichkeit, Urlaubswünsche digital einzureichen und zu genehmigen,
spart Zeit und hilft bei der Dokumentation, daneben schafft insbesondere die Funktion des Planungsboards eine dynamische Übersicht
über alle Urlaube und Urlaubsansprüche. Ein kostenfreier Testzugang
ist im Internet nach Registrierung möglich. www.utilitas.net
D
ie Industrie- und Handelskammern bieten einen kostenlosen Demografierechner an, mit dessen Hilfe Unternehmen die
Altersstruktur im eigenen Betrieb transparent
machen und den Fachkräftebedarf bis in das Jahr
2030 ermitteln können. Für Baden-Württemberg,
Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin
können diese Ergebnisse mit regional- und branchenspezifischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt verglichen und ausgewertet werden. An
der Aufnahme regionaler, makro-ökonomischer
Arbeitsmarktdaten der anderen Bundesländer
wird gearbeitet. www.demografierechner.de
46 ORGANISATION_AUSLANDSENTSENDUNG
Keine Mobilität ohne Strategie
LEITFADEN. Zwei Studien zeigen die Bedeutung eines strategischen Global-Mobility-
Mana­ge­ments, offenbaren Praxisfallen und geben Tipps zur Umsetzung.
Von Ulrike Hasbargen, David J. Rooney und
Melanie Feistauer
V
iele international tätige Unternehmen beschäftigen sich
verstärkt mit der Frage, welche
Rolle ihre internationale Mobilität für die Unternehmensstrategie spielt
und wie die Global-Mobility-Abteilung
aus­gerichtet sein soll. In der Praxis läuft
die Bearbeitung der gesamten Bandbreite
stra­tegischer und operativer Themen, die
mit internationalen Mitarbeitereinsätzen einhergehen, in der Mobility-Abteilung zusammen. Komplexe und schwer
von­einander abgrenzbare Themen wie
Ein­reisebestimmungen, steuer- und sozial­
ver­sicherungsrechtliche Auswirkungen,
inter­kulturelle Herausforderungen, familiäre Angelegenheiten, Umzugsorganisation, Gehaltsanpassungen, Karriereziele
der Mitarbeiter sowie Unternehmens- und
Abteilungsziele werden allein im „Mobility-Silo“ bearbeitet. Dieses Silo gilt es zu
durchbrechen.
Zusammenarbeit statt Silodenken
Im Rahmen des jährlichen „Global Mobility Survey“ von Ernst & Young wurden
meh­rere Hundert Unternehmen aus allen Kontinenten zu ihrem Global-Mobility-Management befragt. Die jüngste
Global-Mobility-Studie zeigt dabei eine
Zweiteilung zwischen den wenigen Unternehmen (26 Prozent), die strategisch
einen proaktiven, vorausschauenden
Ansatz in ihrem Global-Mobility-Mana­
ge­ment verfolgen, und denen, die ihre
Mit­arbeiter eher bedarfsorientiert und
„ad hoc“ ins Ausland entsenden. Dabei
bedeutet ein strategischer Ansatz, das
gesamte Global-Mobility-Programm unter die Lupe zu nehmen und zu Beginn
dieser Reise die übergeordneten Unternehmensziele in den Blick zu nehmen,
um sie mit Global Mobility zu verknüpfen. Global Mobility und seine Stakeholder, insbesondere die entsenden­den
Geschäfts­bereiche, müssen eng zusammenarbeiten und sich überlegen, wie
Global Mobility als Mittel zur Erreichung
von Unternehmens- und Abteilungszielen genutzt werden kann. Wir empfehlen, sich dieser Frage zu stellen, bevor
Policies oder wesentliche Prozesse angepasst werden, denn die Strategie bestimmt das „Was“ und das „Wie“.
Doch was genau bedeutet strategische
Global Mobility? In unseren Augen einen
holistischen Ansatz mit Blick auf das gesamte Global-Mobility-Management. Einfacher gesagt: Es ist eine Reise, vor deren
Antritt das Unternehmen diese Fragen
geklärt haben sollte: Warum? Was? Wie?
Warum? Die Frage nach den Zielen
Wer sein Global-Mobility-Management
überdenken und vorausschauender gestalten möchte, sollte sich zu Beginn
dieses Projekts folgende Frage stellen:
Warum wollen wir Mitarbeiter international einsetzen und welche Ziele verfolgen wir damit? Im Rahmen dieser
Überlegung ergeben sich häufig weitere Fragen, die darauf abzielen, sich als
international tätiges Unternehmen eine
„Global-Mobility-Identität“ zu geben
(siehe Kasten „Selbsttest“).
Die Surveys zeigen, dass einige führende Unternehmen das Potenzial von Global
Mobility als strategisches Werkzeug für
den Aufbau und die Förderung eines Talentpools erkannt haben. Nichtsdestotrotz
tun sich Unternehmen schwer damit,
Global Mobility und Talent Management
strategisch miteinander zu verknüpfen.
So berichten lediglich 58 Prozent der Unternehmen, dass sie ein globales Talent
Management-Programm aufgestellt haben, das Global Mobility zumindest auf
dem Papier miteinbezieht. Im Vergleich
zum Vorjahr (51 Prozent) lässt sich damit
zwar ein positiver Trend verzeichnen, die
Praxis birgt allerdings nach wie vor erhebliches Verbesserungspotenzial.
Zunehmend, so zeigt sich, wird die Arbeit in oder die Leitung von internationa­
len virtuellen Teams ebenso als
„internationale Erfahrung“ angesehen
wie ein Auslandseinsatz im klassischen
Sinne. Ob eine solche Erfahrung wichtig
für die Personalentwicklung ist, ist eine Frage der Unternehmenskultur und
-ziele, die mit Global Mobility verknüpft
sind. Und auch die Frage nach der Diversität sollte gestellt werden: Durchschnittlich mehr als vier Mal so viele Männer wie
Frauen gehen, so die Survey-Ergebnisse,
für Projekteinsätze (circa drei bis zwölf
Monate) ins Ausland. Bei Langzeitentsendungen (drei bis fünf Jahre) liegt die Verteilung sogar bei 85 Prozent Männern zu
15 Prozent Frauen.
Diese zentralen Fragen können nicht
allein von der Global-Mobility-Abteilung
beantwortet werden. Vielmehr ist das
Feedback von Global-Mobility-Stakeholdern gefragt, um ein möglichst aussagekräftiges Bild darüber zu erhalten,
welche Bedürfnisse es rund um Auspersonalmagazin 08 / 15
47
landseinsätze gibt. Zu den Stakeholdern
zählen neben der Mobility-Funktion
sowohl die Kollegen aus den Geschäftsbereichen, die Mitarbeiter entsenden
(Business-Partner), als auch die eng mit
diesen Geschäftsbereichen kooperierenden HR-Business-Partner. Weitere
Stakeholder sind Kollegen aus unterschiedlichen HR-Bereichen wie Talent
Management, Recruiting, Diversity, Personalplanung und Vergütung und nicht
zuletzt Expatriates und Repatriates (vom
Auslandseinsatz zurückgekehrte Mitarbeiter).
Es ist ebenfalls ratsam, die Vorstands­
ebene so früh wie möglich in das Projekt
„Strategische Global Mobility“ einzubeziehen. Nur so ist das nötige Management-Buy-in für die Entwicklung und
Umsetzung einer neuen Strategie für das
Entsendemanagement sichergestellt. Laut
der diesjährigen EY-Studie diskutieren 47
Prozent der Unternehmen, die oben als
„Strategen“ erläutert wurden, quartalsweise oder häufiger (monatlich oder wöchentlich) mit der Vorstandsebene über
Global Mobility. Unter den Unternehmen,
die Global Mobility eher bedarfsorientiert
und reaktiv managen, trifft dies nur auf
27 Prozent zu.
Zur Entwicklung der Strategie sollten
in einem ersten Schritt gewisse GlobalMobility-Treiber, das heißt vom Stakeholder-Feedback abgeleitete Grundsätze,
definiert werden. Diese dienen als Antworten auf die zu Beginn gestellten Fragen und geben dem Unternehmen die
„Global-Mobility-Identität“.
Was? Die Frage nach dem Angebot
Was wollen wir im Rahmen unseres
Global-Mobility-Programms für wen anbieten? Nach der Klärung, warum Mitarbeiter global mobil sein sollen, was dies
für das Unternehmen bedeutet und in
welchen Bereichen Global Mobility verändert werden soll, kann nun definiert
werden, welche und wie viele Mitarbeiter zu welchen Konditionen in welche
Märkte verschickt werden. Nicht jeder
Auslandseinsatz verfolgt dasselbe Ziel.
08 / 15 personalmagazin
© MIKE WATSON IMAGES / THINKSTOCKPHOTOS.DE
Zur Entwicklung einer echten GlobalMobility-Strategie braucht der MobilityManager auch die Unterstützung von
HR und der Geschäftsführung.
STRATEGISCHER ANSATZ IN DREI PHASEN
WARUM?
StakeholderFeedback
einholen
WIE?
WAS?
Mobility
Population
einteilen
Strategie
entwickeln
Policies
erstellen/
anpassen
Dienst­
leistungs­
palette
definieren
Dienstleistungserbringung
organisieren
Prozesse
definieren
& IT-Lösung
finden
Der strategische Ansatz zum Aufbau einer Global Mobility umfasst sieben Schritte. Jeder
dieser Schritte muss die Kernziele der Global-Mobility-Strategie beachten und umsetzen.
ENTSENDETYPEN
Mitarbeiterziele und Entsendezweck
Nicht jeder Mitarbeiter passt für jeden Auslandseinsatz. Anhand von vier Beispielsgruppen sehen Sie, welcher Typ welchen Entsendezweck am besten erfüllen wird.
Skills-based: Ein Projekteinsatz von wenigen Monaten dient klassischerweise dazu,
einen Experten mit fachlichem Know-how für eine konkrete Aufgabe zu entsenden. Hier
steht mehr die Erledigung der Aufgabe im Sinne des Unternehmens als die persönliche
Entwicklung des Mitarbeiters im Vordergrund.
Junior-Mobility: Junge Mitarbeiter wie zum Beispiel Berufseinsteiger oder Praktikanten
verfügen häufig über eine hohe intrinsische Motivation, Auslandserfahrung zu sammeln,
ohne dass im Ausland eine konkrete Aufgabe ansteht. Zweck der Entsendung ist hier die
Steigerung der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber.
Developmental: Aufstrebende Talente, sogenannte High Potentials sollen anhand einer
herausfordernden Aufgabe im Ausland in ihrer Entwicklung gefördert werden. Die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters steht hierbei im Vordergrund der Entsendung.
Strategic: Schlüsselpositionen wie die Geschäftsführung ausländischer Unternehmenseinheiten sollen strategisch mit Führungskräften oder definierten Nachwuchsführungskräften besetzt werden, die bereits in ihrem Heimatumfeld wichtige Aufgaben übernommen
haben. Sowohl der Mehrwert für das Unternehmen als auch der Entwicklungswert für
den Mitarbeiter sind Ziele dieses Auslandseinsatzes.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
48 ORGANISATION_AUSLANDSENTSENDUNG
Stellt man den Mehrwert einer Entsendung aus Sicht des Unternehmens dem
Mehrwert für die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters gegenüber, zeigen
sich unterschiedliche Entsendetypen,
vier beispielhafte Gruppen finden Sie
im Kasten „Entsendetypen“. Dies sind
keineswegs fest vordefinierte oder allgemeingültige Mobility-Gruppen, vielmehr ist für jedes Unternehmen individuell zu überlegen, welche und wie viele
verschiedene Gruppen unterschieden
werden können. Wir beobachten beispielsweise einen Trend dahin, mehr
Pendler- (sogenannte Commuter) Optio­
nen anzubieten. Hierbei verbleibt die
Familie im Heimatland, dafür wird dem
Mitarbeiter mehr Flexibilität bei Heimflügen angeboten. So können typischen
Herausforderungen in Verbindung
mit der Entsendung ganzer Familien,
wie beispielsweise Karriereeinschränkungen des mitreisenden Partners bei
„Dual Career“-Familien, entgegengewirkt werden.
Die Einteilung der Global-MobilityPopulation in diese Gruppen erlaubt
Unternehmen, ihr Global-MobilityMana­gement in mehrfacher Hinsicht
zu differenzieren. Sowohl das Maß der
Betreuung für die unterschiedlichen Mobility-Populationen als auch die Höhe der
vertraglich zugesicherten Global-Mobility-Leistungen (finanzieller und ideeller
Natur) sollten für die jeweilige Gruppe
unterschiedlich sein.
Junior-Mobility-Kandidaten mit ihrer
hohen intrinsischen Motivation benötigen und fordern zum Beispiel ein vergleichsweise kleines Betreuungspaket
gegenüber Mitarbeitern in wichtigen
Führungspositionen, die im Regelfall für
mehrere Jahre mitsamt ihren Familien
und den damit verbundenen Herausforderungen ins Ausland gehen. Dahingegen kann bei Developmental-Einsätzen
eine teilweise Übernahme von entsendebedingten Belastungen durch den Mitarbeiter selbst durchaus erwartet werden.
Skills-based-Einsätze schließlich sollten
durch schnellen und reibungslosen Sup-
port, jedoch ohne „high-touch“-Ansatz
gemanagt werden.
Individuelle Dienstleistungspaletten
Pro Mobility-Population kann es eine
separate Richtlinie (sogenannte Policy)
geben, die das Maß der Betreuung sowie
die unterschiedlichen Global-MobilityLeistungen regelt. Diese Global-Mobility-Dienstleistungspalette wird demnach ebenso pro Mobility-Population
definiert, wobei lediglich die Anzahl
der unterschiedlichen Leistungen pro
Mitarbeitergruppe, nicht allerdings die
Qualität der Erbringung variieren sollte. Bei der Überlegung, welche Dienstleistungen für welche Gruppe erbracht
werden, sollte ein gewisses Mindestmaß
an Dienstleistungen für alle Mitarbeiter
gelten. Dazu zählen einerseits Fürsorgepflichten wie zum Beispiel die Zurverfügungstellung einer Wohnung, Anpassung der Lebenshaltungskosten sowie
Rückflüge und medizinische Versorgung in Notfällen und andererseits die
Einhaltung gesetzlicher Anforderungen
in den Bereichen Immigration, Arbeits-,
Steuer- und Sozialversicherungsrecht.
Darüber hinaus angebotene Leistungen
wie Umzugspauschalen, vorbereitende Trainings und Heimflüge können je
nach definierter Gruppe und der mit
den Auslandseinsätzen verbundenen
Ziele variieren. Eine solche Differenzierung der Mobility-Population und des
angebotenen Leistungsumfangs ermöglicht eine differenzierte Verteilung und
somit Optimierung der Kosten im Sinne
des Unternehmens.
Auch in dieser „Was“-Phase sollten Unternehmen den Blick in Richtung Talent
ONLINE
Zu den Global-Mobility-Studien von Ernst &
Young gelangen Sie über die Personal­
magazin-App oder über unser Portal (Suchwort Global Mobility) www.haufe.de/personal
Management wagen und sich überlegen,
für welche Mobility-Gruppen sie welche
Talent-Management-Maßnahmen ergreifen. Insbesondere bei Auslandseinsätzen, die das Ziel verfolgen, Mitarbeiter
persönlich zu entwickeln, um sie für zukünftige oder weitere Schlüsselaufgaben
im Unternehmen vorzubereiten (Developmental und Strategic), sollte eine bewusste Karriereplanung für die Zeit nach
dem Auslandseinsatz vorgenommen
werden. Welche Nachfolgeposition bietet sich für diesen strategisch wichtigen
Kandidaten an? Wie können wir ihn auch
nach dem Auslandseinsatz langfristig an
unser Unternehmen binden? Bereits vor
der Entsendung und konkret mehrere
Monate vor der geplanten Rückkehr des
Mitarbeiters sollten geeignete Nachfolgestellen in den entsprechenden Personenkreisen diskutiert werden.
Die Reintegration von Expatriates
erhält eine besondere Relevanz, wenn
man die hohe Kündigungsquote unter
Rückkehrern betrachtet: Die in der EYStudie befragten Unternehmen geben
an, dass mit durchschnittlich 16 Prozent
fast jeder sechste Mitarbeiter das Unternehmen innerhalb der ersten zwei Jahre
nach der Rückkehr vom Auslandseinsatz
verlässt. Einer der Hauptgründe ist die
Unzufriedenheit mit der Rückkehrposition, die dem im Ausland gewonnenen
Wissen, Fähigkeiten und Netzwerk
häufig nicht gerecht wird. Durch die
Kündigung eines Repatriates geht dem
Unternehmen nicht nur der Ertrag aus
ihrer Investition in den Mitarbeiter verloren, es entstehen außerdem Schwierigkeiten, zukünftig Mitarbeiter für einen
Auslandseinsatz zu motivieren, wenn
diese die Kündigungsentscheidung
ihres Kollegen als Folge eines schlechten
Global-Mobility-Managements wahrnehmen.
Darüber hinaus stellen sich einige
Unternehmen bereits die Frage, ob internationale Erfahrung als Kriterium für
definierte Führungspositionen gelten
sollte. Wenn es das Ziel ist, als Unternehmen insgesamt internationaler zu
personalmagazin 08 / 15
49
SELBSTTEST
Global-Mobility-Identität
Folgende Ausgangsfragen sollten Sie sich stellen, um ihr Global-Mobility-Programm
strategisch aufzubauen und mit den Unternehmenszielen zu verbinden:
• Dienen Auslandseinsätze der Entwicklung von Mitarbeitern oder der Erledigung einer
Aufgabe? Oder beides? Was bedeutet Talent Management in diesem Zusammenhang?
• Wie möchten wir als Unternehmen kulturell aussehen? Welche Diversitäts-Ziele verfolgen wir allgemein und in Global Mobility?
kann diese Prozesse durch Tracking und
einfaches Reporting unterstützen. Die
Suche nach der richtigen IT-Unterstützung für das Global-Mobility-Programm
sollte bereits während der Phase der
Prozessdefinition starten, um die in den
Prozessen gewünschten Outputs und
Schnittstellen zu berücksichtigen.
• Passt unser derzeitiges Global-Mobility-Angebot zu den Bedürfnissen unseres Geschäfts?
Mit Global Mobility am Strategie­tisch
• Wie wichtig ist uns der Wissenstransfer von der Zentrale in unsere Auslandsstandorte
und umgekehrt oder zwischen Auslandsstandorten?
Einige Global-Mobility-Verantwortliche
haben bereits einen festen Sitz am „Strategietisch“ ihrer Unternehmen erkämpft.
Hier ist das Interesse am Erfolg des gesamten Global-Mobility-Programms so
groß, dass strategisches Global Mobility
gemeinsam mit dem Geschäftsführerbereich und möglichst vielen weiteren
Stake­holdern diskutiert wird. Dabei bedeutet ein strategischer Ansatz, das gesamte Global-Mobility-Programm unter
die Lupe zu nehmen, und zu Beginn dieser Reise die Frage nach dem „Warum“
zu wagen, das heißt nach den übergeordneten Unternehmenszielen, um diese mit
Global Mobility zu verknüpfen. Wir empfehlen, diese Frage zu stellen, bevor Policies oder wesentliche Prozesse angepasst
werden, denn die Strategie bestimmt das
„Was“ und das „Wie“. Nur auf diese Weise
kann die Reise in einem Global-MobilityProgramm enden, das die Ziele und Bedürfnisse von Unternehmen und Mitarbeiter miteinschließt. • Was bedeutet Globale Mobilität beziehungsweise internationale Erfahrung für uns als
Unternehmen? Zählen dazu nur Auslandseinsätze oder auch die Mitarbeit beziehungsweise Leitung eines internationalen virtuellen Teams?
• Bedeutet Global Mobility „unvermeidbare Kosten“ oder „notwendiges Investment“?
• Woran messen wir den Erfolg unseres Global-Mobility-Programms?
• Ist unser Global-Mobility-Programm für zukünftige Anforderungen gerüstet?
werden und ein „global mindset“ aufzubauen, kann dies eine geeignete Maßnahme sein.
Wie? Die Frage nach der Umsetzung
In dieser Phase gilt es zunächst, mit einer geeigneten Organisationsstruktur
die zuvor definierten Dienstleistungen
möglichst einheitlich und effizient „an
den Expat“ zu bringen. Dabei gelten folgende Überlegungen: Möchten wir unsere
Services selbst, also intern anbieten oder
beauftragen wir externe Spezialisten?
Sollten unsere Services „on-shore“ oder
„off-shore“ geliefert werden, das heißt mit
einem direkten Ansprechpartner vor Ort
oder mithilfe einer oder mehrerer GlobalMobility-Servicestellen? Letztere sogenannte „Global Mobility Hubs“ werden
vermehrt in Unternehmen mit mehreren
Hundert oder gar vierstelligen Entsendezahlen und bei vielen Einsatzländern
genutzt. Dabei wird meistens pro Region,
zum Beispiel Europa, Americas und AsiaPacific, eine Servicestelle gegründet, die
dann für die operative Global-Mobility-Betreuung der gesamten Region zuständig
ist. In der Regel werden diese Hubs von
einem sogenannten Center of Excellence
(CoE) angeleitet, das übergreifende strategische Themen wie die Einhaltung der
08 / 15 personalmagazin
Grundsätze und Policies sowie das Vendor Management zentral verantwortet.
Diesem Team, das häufig entweder in der
Zentrale sitzt oder virtuell aufgestellt ist,
kommt somit eine Governance-Rolle zu.
Zusätzlich kann diese Struktur durch ein
Shared Service Center unterstützt werden, das die operative Umsetzung einfacher, übergreifender und standardisierter
Prozesse übernimmt. Hier muss jedes Unternehmen anhand der Entsendezahlen,
-population und definierten Dienstleistungspalette individuell überlegen, welche Struktur geeignet ist. Als Trend zeigt
sich ein wachsender Bedarf an entsendebereiten Mitarbeitern: Fast drei Viertel
der Befragten in der jüngsten EY-Studie
erwarten, dass der Bedarf an mobilen
Mitarbeitern in den nächsten drei Jahren
mäßig bis signifikant steigt. Knapp zwei
Drittel der Unternehmen haben diesen
Trend bereits in den vergangenen drei
Jahren beobachtet. Im letzten Schritt werden die standardisierten Prozesse für
alle Dienstleistungsbereiche definiert
und Verantwortlichkeiten, insbesondere
rund um Schnittstellenthemen, klar zugeteilt. Dabei sollten die definierten und
dokumentierten Prozesse über alle Mobility-Gruppen hinweg konsistent umgesetzt werden. Eine geeignete IT-Lösung
ULRIKE HASBARGEN ist
Partner, Steuerberater,
Wirtschaftsprüfer und Leiterin
Human Capital Deutschland,
Schweiz, Österreich, Ernst & Young WPG.
DAVID J. ROONEY ist Executive Director im Bereich Human
Capital – Global Mobility, Ernst
& Young WPG, Eschborn.
MELANIE FEISTAUER ist Senior Consultant im Bereich Human Capital – Global Mobility,
Ernst & Young WPG München.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
50 ORGANISATION_AUSLANDSENTSENDUNG
Nicht ohne meine Familie
ÜBERBLICK. Der Erfolg einer Entsendung hängt auch von der mitreisenden Familie ab.
Externe Unterstützungsangebote können vermeiden, dass diese auf der Strecke bleibt.
Von Constance Grunewald-Petschke und
Gyöngyi Varga
D
ie Globalisierung ist in vollem
Gange. Nicht nur die Konzernwelt, sondern zunehmend
auch der deutsche Mittelstand
rechnet mit weiter steigenden Investitionen im Ausland – und sieht sich folglich
mit den Herausforderungen weltweiter
Mitarbeiterentsendungen konfrontiert.
Dabei geht es für Unternehmen nicht
nur darum, administrative oder rechtliche Hürden zu überwinden, sondern
auch um sehr persönliche Anliegen, allen voran die persönliche Situation ihrer
Wunschkandidaten. Studien zufolge ist
die Familie nämlich der am häufigsten
genannte Grund dafür, dass Mitarbeiter längerfristige Auslandseinsätze von
vornherein ablehnen. Kommt es schließlich doch zur Entsendung, sind laut Cartus Mobility Report 2014 in 61 Prozent
der Entsendungen die mitreisenden Angehörigen für einen vorzeitigen Abbruch
verantwortlich. Und das, obwohl gerade
die mitreisende Familie oft aufwendig auf
den Auslandsaufenthalt vorbereitet wird.
Waagschale mögliche Stressfaktoren, die
der den Expat begleitenden Familie meist
begegnen werden: ein neuer Arbeitsplatz, ein Umzug oder ein Schulwechsel der Kinder. Die gegen-überliegende
Waagschale umfasst die Ressourcen, die
der Familie zur Verfügung stehen, um
den dadurch entstehenden Stress zu re-
duzieren: vertraute Rituale, gemeinsame
Freizeitaktivitäten oder die Unterstützung durch das soziale Netzwerk. Im
gewohnten Alltag besteht ein Gleichgewicht zwischen Stress­faktoren und
Ressourcen – das Familiengefüge gilt als
ausbalanciert. Ein Aus­­lands­auf­enthalt
verändert jedoch praktisch alle Bereiche
Anschlussmöglichkeiten für die Familienmitglieder ist eine
der Grundbedingungen für erfolgreiche
Entsendungen.
Wieso bringen Familienentsendungen
trotzdem offensichtlich so viel Problempotenzial mit sich, dass sich einige Unternehmen inzwischen sogar strategisch
gegen das Entsenden ganzer Familien
entscheiden – und damit wertvolle Ressourcen ungenutzt lassen? Vergleichen
wir die familiäre Balance mit einer traditionellen Waage, so enthält die eine
© WILLIAM87 / FOTOLIA .COM
Die Familie: Stabilisator oder Risiko
für den Auslandseinsatz
personalmagazin 08 / 15
51
des Familienlebens und bedeutet die
geballte Ladung Stress für alle Familienmitglieder. Gleichzeitig brechen viele
stabilisierende Ressourcen weg. Die
sensible Balance gerät in Schieflage und
wird zum Risikofaktor für den Erfolg des
Auslandseinsatzes.
Susan Salzbrenner, Organisationspsychologin und Entsendungsexpertin:
„Besonders die mitreisenden Partner
leiden häufig unter der Veränderung
ihres Alltags, einer ungewohnten Rolle
oder dem Verlust ihrer Berufstätigkeit
im Heimatland. Daraus entsteht meist
Unzufriedenheit, und nicht selten sind
familiäre Spannungen, Demotivation
des Mitarbeiters oder sogar der Abbruch
des Aufenthalts die Konsequenz. Dramatisch nicht nur für die Familie selbst,
sondern auch für die entsendenden Unternehmen, denn die Situation kann zur
Fluktuation hoch qualifizierter Fach- und
Führungskräfte führen. Langfristig können solche Fälle die Mitarbeitermobilität
verringern und das Unternehmensimage
schädigen.“
Unzufrieden mit Unterstützung
Auf den ersten Blick scheinen entsendende Unternehmen das Risiko erkannt
zu haben und treffen umfangreiche
Vorkehrungen, um die mitreisenden Familien zu unterstützen. Laut Brookfield
Global Mobility Trend Survey 2014 nehmen Sprachkurse seit Jahren die absolute Spitzenposition ein, etwas mehr als
die Hälfte der Arbeitgeber unterstützt
die mitreisenden Partner immerhin mit
interkulturellen Trainings, jedes dritte
Unternehmen sponsert die Jobsuche im
Gastland.
Eine Studie, in der die Entsendungsexpertin Yvonne McNulty erstmalig auch
qualitative Daten über die Zufriedenheit
der mitreisenden Partner im Gastland
erhob, zeigt, dass einige der Maßnahmen, die bei Personalverantwortlichen
am beliebtesten sind, von den Angehörigen als kaum relevant für eine erfolgreiche Eingewöhnung der Familie im
Gastland eingestuft werden. Die Studie
gibt entsendenden Unternehmen und
Personalverantwortlichen eine völlig
neue Perspektive auf ihr Entsendungsmanagement: die der Betroffenen selbst.
Und davon beurteilen gerade einmal 29
Prozent die Unterstützung durch das
PRAXISTIPPS
Leitlinien für die Vorbereitung
Um Auslandsentsendungen zum beabsichtigten Erfolg zu führen
und um vorzeitigen Abbrüchen vorzubeugen, sollten Personal- und
Mobilityverantwortliche die folgenden fünf Tipps für eine erfolgreiche Unterstützung mitreisender Angehöriger berücksichtigen.
Wertschätzung. Binden Sie die mitreisenden Familienmitglieder
Ihres Mitarbeiters von Anfang an in das Entsendungsprojekt mit
ein. Diese haben einen enormen Einfluss auf die Motivation des zu
Entsendenden.
Zielorientierung. Vermeiden Sie Barauszahlungen. Ein konkretes
Leistungspaket können Sie zielgerichteter einsetzen, den Erfolg
messen und immer wieder überprüfen.
Ganzheitlichkeit. Beachten Sie die Gesamtheit der Veränderungen,
die sich durch die Entsendung für die Familie ergeben. Gestalten
Sie Ihr Maßnahmenpaket maßgeschneidert.
Nachhaltigkeit. Bedenken Sie, dass eine Entsendung bereits vor
dem Aufenthalt beginnt und erst dann endet, wenn die Familie
wieder zurück in Deutschland ist. Wählen Sie ein Paket, das alle
Entsendungsphasen abdeckt.
Praxisnähe. Beauftragen Sie Dienstleister mit hoher Praxiserfahrung.
Wer selbst in der Situation eines Expats oder eines begleitenden
Familienmitglieds gewesen ist, kann gezielt und professionell auf
die Bedürfnisse mitreisender Partner eingehen.
08 / 15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
52 ORGANISATION_AUSLANDSENTSENDUNG
entsendende Unternehmen als gut oder
sehr gut. Insbesondere zeigt sich, dass
gerade die Maßnahmen, die Unternehmen am häufigsten zur Unterstützung
ihrer Expats nutzen, bei Weitem nicht
die effektivsten sind oder auch nachlässig gewährt werden. Im Einzelnen:
• Interkulturelle Trainings: Vorbereitende Maßnahmen wie interkulturelle Trainings oder Sprachunterricht halten zwar
71 Prozent der Angehörigen für wichtig.
Ganze 85 Prozent der Befragten erachten
diese jedoch nur dann als sinnvoll, wenn
sie nicht nur zur Vorbereitung, sondern
auch während des Auslandsaufenthalts
stattfinden. Eine kontinuierliche Begleitung ist bis dato jedoch eher die große
Ausnahme als eine gängige Praxis.
• Finanzielle Hilfe zur Weiterentwicklung oder zur Tätigkeit des Partners:
Was ihre berufliche Weiterentwicklung
angeht, empfinden 76 Prozent der mitreisenden Partner eine Unterstützung
durch das Unternehmen grundsätzlich
als wünschenswert. Überraschend ist
jedoch, dass davon nur knapp die Hälfte
eine finanzielle Hilfe für das Aufnehmen
einer bezahlten oder ehrenamtlichen Tätigkeit favorisiert. Dies scheint – obwohl
es zu den Standardangeboten vieler Firmen zählt - für die Zufriedenheit der Familien im Gastland nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.
• Ganzheitliche Coaching- oder Mentorenprogramme: 90 Prozent der Befragten meinen, ein ganzheitliches Coaching- oder Mentorenprogramm könnte
einen nicht unwesentlichen Einfluss
auf die erfolgreiche Eingewöhnung der
Familie im Ausland haben. Betrachtet
man jedoch die gängigen Unterstützungsmaßnahmen, taucht gerade das
in der derzeitigen Unternehmenspraxis
kaum auf. Stattdessen werden in vielen
Mobility Centern einzelne Leistungen
von verschiedenen Anbietern scheinbar
wahllos miteinander kombiniert.
McNultys Studie beweist, dass ein
kontinuierliches, ganzheitliches und
nachhaltiges Unterstützungskonzept zur
langfristigen Zufriedenheit im Gastland
ADD-ON
Einen Einblick in das Online-Coaching
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und einen kostenlosen Testzugang für
unsere Leser finden Sie in unserer App.
beiträgt. Und je zufriedener die Angehörigen, desto fokussierter, engagierter
und produktiver die Mitarbeiter. Das bestätigt auch Kai Probst, ehemaliger Sprecher der Geschäftsführung des Tüv Süd:
„Die Zufriedenheit der mitreisenden
Angehörigen im Ausland ist nicht nur
für den entsandten Mitarbeiter, sondern
auch für das Unternehmen erfolgsrelevant. Die Firma, die hier nicht Acht gibt,
spart an der falschen Stelle - im „worst
case“ ist das Projekt gescheitert und der
Mitarbeiter wechselt zum Wettbewerb.“
Coaching- und Trainingsprogramme
müssen passen
Dennoch entscheiden sich noch immer
viele entsendende Unternehmen für
scheinbar bewährte Maßnahmen wie
Sprachkurse und interkulturelle Vorbereitungsseminare. Die helfen den Expats
zwar, sich in ihrem Gastland besser verständigen zu können und geben zumindest einen ersten Einblick in die Gastkultur. Sind die Betroffenen dann aber
vor Ort, stellen sich gerade vorbereitende Seminare und Workshops häufig
als nur begrenzt nützlich heraus. Denn
die gelernten Inhalte sind zum Zeitpunkt der Maßnahme für die meisten
Auslandsreisenden noch nicht relevant.
Kommt es dann später im Gastland zu
kulturell bedingten Stresssituationen,
sind die Informationen nicht abrufbar –
der Praxistransfer fehlt, die Maßnahme
verliert ihre Wirkung.
Einige Unternehmen tragen mittlerweile zumindest den veränderten Familienmodellen Rechnung. Sie bieten den
mitreisenden Partnern auf Wunsch ein
gezieltes Karrierecoaching an oder finanzieren eine Weiterbildung während
der Auslandszeit, die helfen soll, sich
beruflich weiterzuentwickeln oder sich
später wieder nahtlos in den Berufsalltag zu integrieren. Ob und wie wirksam diese Maßnahmen jedoch auf die
Dauer tatsächlich sind, hängt von vielen Faktoren ab. McNultys Studie lässt
zumindest daran zweifeln, dass sie den
Betroffenen in ihrer aktuellen Lebenssituation weiterhilft.
Kontinuität, Nachhaltigkeit und ein
ganzheitlicher Ansatz sind in der heutigen Unternehmenspraxis jedoch immer noch die Ausnahme. Da sich aber
gerade durch eine Auslandsentsendung
alle Lebensbereiche verändern und der
Alltag der Familie manchmal völlig auf
den Kopf gestellt wird, sollten gerade
das Anforderungen an eine moderne und
bedarfsgerechte Betreuung der entsendeten Mitarbeiter und deren Familien sein.
Wer als HR-Verantwortlicher die bestmöglichen Voraussetzungen für gelungene Auslandsprojekte schaffen möchte,
sollte unbedingt die Bedürfnisse der
mitreisenden Angehörigen einbeziehen
– und dann einen kritischen Blick auf
sein aktuelles Unterstützungsangebot
werfen. Stellt sich dabei heraus, dass
interkulturelles Tagestraining und privater Sprachunterricht nicht ganz die
Erwartungen der entsandten Familien
treffen, könnte ein ganzheitliches virtuelles Coachingprogramm für mitreisende Angehörige eine lohnenswerte und
nachhaltige Alternative sein.
CONSTANCE GRUNEWALDPETSCHKE, Geschäftsführerin
der Entsendungsberatung
Abroad in Düsseldorf, ist zertifizierte interkulturelle Trainerin und Coach
und selbst mitreisende Partnerin in Istanbul.
GYÖNGYI VARGA ist transkultureller Coach und arbeitet
als Beraterin und Trainerin für
interkulturelle Kommunikation und Kompetenz unter anderem bei der
Haufe Akademie.
personalmagazin 08 / 15
ORGANISATION_WEITERBILDUNGSSTRATEGIE 53
Experten international stärken
PRAXIS. Tüv Süd hat eine internationale Weiterbildungsstrategie mit Fokus auf der
Expertenentwicklung implementiert – so zentral wie möglich, so lokal wie nötig.
I
n der heutigen Arbeitswelt bedeutet
Wissensverlust sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber
stets einen Wettbewerbsnachteil.
Hier kann ein durchdachtes Bildungsmanagement helfen, Talente gezielt
zu fördern und Mitarbeiter nachhaltig
weiterzubilden. So können sich Unternehmen von der Konkurrenz abheben
und sich als attraktiver Arbeitgeber
positionieren. Für die Tüv Süd AG hat
eine kontinuierliche Weiterbildung und
-entwicklung der Mitarbeiter nicht zuletzt deshalb eine hohe Priorität, weil die
Leistungsfähigkeit des Unternehmens
mit deren Know-how steht und fällt. Der
ursprünglich deutsche Dienstleister,
dessen Leistungsspektrum neben Prüfungen und Gutachten unter anderem
auch die Bereiche Ausbildung und Zertifizierung umfasst, hat sich über die Jahre
hinweg zu einem globalen Konzern entwickelt. Mittlerweile ist über die Hälfte
seiner 22.000 Mitarbeiter im Ausland beschäftigt. Während das Know-how noch
vor ein paar Jahrzehnten ausschließlich
von Deutschland in andere Länder floss,
läuft der Transfer mittlerweile auch in
die andere Richtung ab.
Dieser Entwicklung wollen der Vorstand und der Konzernbereich Personal
bei Tüv Süd Rechnung tragen. Darum sehen sie es bei ihrer globalen Wachstumsstrategie als einen schlüssigen Schritt,
auch die Weiterbildung des Unternehmens stärker zu internationalisieren.
In einem Initialworkshop diskutierte
der Vorstand Anfang 2012 gemeinsam
mit den Human-Resources-Verantwortlichen und den CEOs einzelner Tüv-SüdGesellschaften den aktuellen Stand und
Optimierungsbedarf. Das Ergebnis zeigte,
dass der Konzern in puncto Weiterbildung
bereits engagiert war, die diversen Maßnahmen aber bis dato wenig aufeinander
abgestimmt und regional unterschiedlich
waren. Zudem stellten die Verantwortlichen fest, dass bislang der Fokus auf
der Führungskräfteentwicklung lag und
noch wenig in die internationale Expertenentwicklung investiert wurde. Eine in-
ternationale Weiterbildungsstrategie mit
einem entsprechenden Modell sollte dem
Ganzen deshalb eine konzerneinheitliche
Richtung geben und alle Aktivitäten rund
um die Themen „Lernen und Entwicklung“ unter einem Dach bündeln. Vor
allem aber sollte die neue Strategie die
Entwicklung von Experten stärken, um
hoch motivierten und kompetenten Leistungsträgern im Unternehmen neben der
Laufbahn als Führungskraft eine weitere
Perspektive zu bieten.
Fokus auf der Expertenlaufbahn
Um dieses Ziel zu erreichen, vereinten
HR und die interne Akademie unter dem
Namen „Leadership & Expert Develop-
© FOTOS: TÜV SÜD AG
Von Gabriele Sommer und Erich Hildenbrand
Als Teil der Wachstumsstrategie hat Tüv Süd
die Weiterbildung internationalisiert.
08 / 15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
54 ORGANISATION_WEITERBILDUNGSSTRATEGIE
ment“ (LED) Angebote für Führungskräfte und Experten und bauten dabei
auf bestehenden Angeboten für alle Mitarbeiter wie der Corporate Academy und
der Web Academy auf. Die Grundlage
für dieses Führungs- und Expertenentwicklungsmodell bildeten die Leitlinien
für Führungskräfte und Mitarbeiter,
neu entwickelte Kompetenzmodelle und
die ausgeschriebene Wachstumsstrategie (siehe Grafik).
Für die Implementierung der internationalen Weiterbildungsstrategie begann Tüv Süd 2012 damit, sowohl die
Experten- als auch die Führungskräfteentwicklung anhand bereits bestehender
Blaupausen, sogenannter „Blueprints“,
global auszurollen.
Der Blueprint für die Führungskräfte­
laufbahnen wurde nach dem Baukastenprinzip geregelt: Jeder Mitarbeiter, der
bereits eine Führungsposition besetzt
oder anstrebt, sollte entsprechende Trainings durchlaufen. Diese würden sich
jeweils an Nachwuchsführungskräfte,
das mittlere Management, die oberste
Führungsebene und sogenannte High
Potentials richten, wobei alle Teilnehmer
nominiert werden sollten. Die Programme
für die obersten Führungskräfte sollten
sich aus Mitarbeitern aller Tüv-Süd-Gesellschaften und Regionen zusammensetzen. Die anderen Programme sollten
regional auf Basis eines einheitlichen
Rahmens durchgeführt werden, um länderspezifischen und kulturellen Besonderheiten Rechnung zu tragen.
Im Gegensatz zur Laufbahn der Führungskräfte war die der Experten nicht
so einfach vorzugeben, da es für sie noch
keine klaren Hierarchien gab und gibt.
Wie auch in vielen anderen Betrieben
war die Expertenentwicklung ein recht
junges Thema bei Tüv Süd. Innerhalb
MODELL FÜR WEITERBILDUNG
Tüv Süd
Führungskräfte- und Expertenentwicklung
Leitlinien für Führungskräfte und Mitarbeiter
Corporate und Company
Strategien
Compliance
Kompetenzmodell
Führungskräfteentwicklung und Expertenentwicklung
Programm für die obersten
­Führungskräfte
Maßnahmen für Technologie­
führer
High-Potential-Programm
„Jump“
Programm für das mittlere
Management
Programm für Nachwuchs­
führungskräfte
Senior-Expertenentwicklung
(technisch/nicht-technisch)
High-Potential-Programm
„Chance“
Expertenentwicklung
(technisch/nicht-technisch)
Tüv Süd Business and Leadership School
Wissenstransfer
Tüv Süd Mitarbeiterakademie
Tüv Süd Webakademie
Das Modell „Leadership & Expert Development“ (LED) mit Fokus auf der Führungskräfteund Expertenentwicklung wurde bei Tüv Süd von Deutschland ins Ausland exportiert.
QUELLE: TÜV SÜD AG
des Konzerns kam ihr allerdings immer
mehr Bedeutung zu. Um das technische
Know-how neu eingestellter Experten in
Business-Know-how zu wandeln, sah der
Konzern deren gezielte Entwicklung und
Förderung als essenziell an. Mithilfe von
speziellen Programmen sollte die Personalentwicklung sie nun systematisch
darauf vorbereiten, ihre Fachkompetenz
in übergeordneten und meist internationalen Projekten zu nutzen.
Herausforderungen beim Roll-out
Diese Weiterbildungsprogramme sollten
künftig durchgängig auf allen Ebenen
und in allen Regionen stattfinden, um
so einen Klammereffekt für das Unternehmen zu haben. Die Implementierung
dieser internationalen Weiterbildungsstrategie sollte aber nicht einfach zent­
ral aus Deutschland gesteuert werden,
sondern auch die historisch gewachsenen
Strukturen des nunmehr internationalen
Unternehmens berücksichtigen.
Eine Herausforderung für die Initiatoren war es dabei, dass sie beim Ausrollen
der internationalen Weiterbildungsstrategie vor Ort zunächst erst eine gewisse
Akzeptanz und ein Verständnis für die
Internationalisierung und Vereinheitlichung schaffen mussten. Eine weitere
Herausforderung lag auch darin, das
gesamte Projekt über größere Distanzen
hinweg erfolgreich anzuschieben. Die
Verantwortlichen von HR und der internen Akademie stellten schnell fest, dass
Telefonate und Videokonferenzen allein
für die interkulturelle Kommunikation
nicht ausreichten. Auch wenn aufgrund
der Höhe der Reisekosten und -zeit nicht
alle Termine vor Ort stattfinden konnten, führte das Unternehmen deshalb
regelmäßig persönliche Meetings in den
jeweiligen Regionen ein. So konnten die
Beteiligten mögliche Missverständnisse
und Unklarheiten aus dem Weg räumen
und gemeinsam mit der Abteilung „Strategie und Innovation“ übergeordnete,
teils abstrakte Strategien auf die mittlere oder untere Führungsebene herunterbrechen. Denn gerade kleinere Regionen
personalmagazin 08 / 15
55
und Aufgaben definieren sollen. Die Teilnehmer der Seminare sollen aktiv werden und selbst Lösungen erarbeiten. Ziel
ist immer, dass am Schluss eines Trainings eine Handlungsmaßnahme steht,
die mit dem Vorgesetzten besprochen
wird. Durch diese Einbindung haben
diese einen besseren Überblick über die
Trainings und den Entwicklungsstand
ihrer Mitarbeiter.
Weitere Maßnahmen sind geplant
Von Deutschland (Hauptsitz München) rollte Tüv Süd die Strategie international aus.
oder einzelne Niederlassungen taten
sich anfangs schwer, sich darin wiederzufinden und die Vorgaben für ihr Umfeld anzupassen. So unterschiedlich die
Aufgaben der einzelnen Bereiche sind,
so individuell musste die Strategie angepasst werden, ohne das Ziel aus den
Augen zu verlieren.
besser auf die Teilnehmer eingehen,
zum anderen entfallen zusätzliche Kosten. Im Idealfall arbeitet man mit einer
internationalen Trainingsagentur zusammen, die zum Beispiel neben Europa auch in Asien sitzt. Der große Vorteil
hierbei ist, dass die Verantwortlichen
die Agentur nur einmal briefen müssen.
Blueprints werden lokal angepasst
Mitarbeiter leiten Ziele selbst ab
Um diese lokalen Bedürfnisse einerseits
und den Anspruch an eine einheitliche
Strategie andererseits miteinander zu
vereinen, wurden und werden beim
globalen Ausrollen der Programme, das
2012 begonnen hat und noch bis dato
andauert, die Blueprints regional angepasst. Dabei verfolgt Tüv Süd einen
80-Prozent-Ansatz: Das bedeutet, dass
das Unternehmen bei allen Trainingsmaßnahmen weltweit 80 Prozent der
übergeordneten Konzernvorgaben und
-inhalte umsetzt und 20 Prozent individuell durch die Region gestaltet werden.
So kann es zum Beispiel sein, dass eine
Region in Asien aus lokalen beziehungsweise kulturellen Gründen andere oder
ergänzende Module braucht, damit ein
Führungskräfte- oder Expertenseminar
für sie sinnvoll ist. Haben die Regionen
die Freiheiten, einzelne Features der
Programme selbst zu gestalten, sind die
Maßnahmen meist erfolgreicher. Zudem
ist es wichtig, dass lokale Trainer zum
Einsatz kommen. Zum einen kennen sie
die Gegebenheiten vor Ort und können
Die internationalen Führungskräfteund Expertenentwicklungsprogramme
sind schon erfolgreich angelaufen: Aktuell finden Führungskräftetrainings der
obersten Ebene statt, die größtenteils
voraussichtlich Ende 2015 abgeschlossen sein werden. Die 2013 gestarteten
internationalen Trainings für die mittlere Führungsebene und Nachwuchskräfte haben einen großen Zulauf und
sind ebenfalls nach wie vor in Gang.
Gleichzeitig läuft aktuell ein Expertenentwicklungsprogramm, das aus 19 Teilnehmern aus allen Divisionen besteht.
Dabei setzen wir unter anderem auf
in allen Trainings wiederkehrende Tools
wie einen Parcours, bei dem die Teilnehmer spielerisch Leitlinien reflektieren,
und divisionsübergreifende Maßnahmen. Ein wichtiger Baustein dabei: Tüv
Süd nimmt beim Expertenprogramm wie
auch bei den Führungskräftetrainings
die Teilnehmer selbst in die Pflicht, indem diese die eigene Regions- oder
Unternehmensstrategie mit der des Konzerns abgleichen und daraus ihre Ziele
08 / 15 personalmagazin
Rückblickend betrachtet, wäre es bei der
Implementierung zwar leichter gewesen, alle Maßnahmen bereits zu einem
früheren Zeitpunkt zentral zu steuern
und dabei mehr Mitarbeiter bereichs­
übergreifend einzusetzen – doch wollten
wir dabei auch lokale Gegebenheiten und
gewachsene Strukturen berücksichtigen.
Und die Mühe hat sich gelohnt: Für
Tüv Süd trägt diese ganzheitliche Weiterentwicklung des Weiterbildungssystems
schon erste Früchte; Teilnehmer der Führungskräfte- und Expertenprogramme
äußern sich sehr positiv und haben das
Erlernte bereits in ihren Regionen oder
Divisionen umgesetzt oder die ersten
Schritte dafür eingeleitet. Viele Rückmeldungen aus verschiedenen Bereichen
runden das Konzept Erfolg versprechend
ab und zeigen, dass die Strategie Schritt
für Schritt im Konzern umgesetzt wird.
Bei den bisherigen Maßnahmen rund
um die internationale Weiterbildungs­
strategie soll es nicht bleiben: Der
Konzernbereich Personal wird noch in
diesem Jahr mit dem Vorstand die Entwicklung weiterer Maßnahmen für das
obere Management besprechen.
GABRIELE SOMMER ist Konzernbereichsleiterin Personal
bei Tüv Süd.
ERICH HILDENBRAND ist
Direktor der Business and
Leadership School von Tüv
Süd.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
56 ORGANISATION_PERSONALDIENSTLEISTUNG
Konzepte für den Nachwuchs
SERIE. Rekrutieren, begleiten, abschließen: Das strategische Konzept der „Personal-
dienstleistung 2.0“ schafft neue Lösungsansätze – auch für die Ausbildung.
SERIE PERSONALDIENSTLEISTUNG 2.0
In Zusammenarbeit mit
• Ausgabe 08/2015: Ausbildung als
strategischer Faktor
• Ausgabe 09/2015: High Professionals –
Vielfalt als Herausforderung
• Ausgabe 10/2015: Die Veränderungen
in der Branche der Personaldienstleister
Von Thomas Voß
N
och nie wurden seit der Wiedervereinigung so wenige
Ausbildungsstellen besetzt
wie im Jahr 2014. Nur 522.000
neue Ausbildungsverträge wurden geschlossen, 100.000 weniger als 2007. Die
Zahl der Neuverträge könnte 2015 dem
aktuellen Berufsbildungsbericht des Bundesbildungsministeriums zufolge gar auf
unter 510.000 sinken (mehr zum Thema
Ausbildung lesen Sie auch ab Seite 16).
Abgesehen vom demografischen
Wandel, der in den kommenden Jahren
zunehmend Einfluss auf die Ausbildungszahlen haben wird, ist das Thema
Bildung aktuell ein kritischer Faktor
zwischen Wirtschaft und Politik. Eine
der größten Herausforderungen ist die
Differenz zwischen dem, was Betriebe
suchen, und dem, was viele Jugendliche
mitbringen. Seit Jahren fordern Unternehmer eine Gesamtstrategie für eine
umfassende Bildung von Persönlichkeit und Berufsfähigkeit. Insbesondere
Hauptschulabgänger sind wegen Schwächen in zentralen Bildungsbereichen wie
unzureichender Mathematik- und Kom-
munikationskenntnisse oft nicht ausbildungsfähig. Sie sind dadurch entweder
gar nicht vermittelbar, brechen nach
kurzer Zeit ab oder können aufgrund
mangelhafter Grundfertigkeiten in den
Betrieben kaum eingesetzt werden.
Probleme im Bildungssystem
Schlechte Noten, Widerworte, Unpünktlichkeit – immer häufiger zweifeln Unternehmen an der Durchführbarkeit ihres
Ausbildungsauftrags. Fast ein Viertel
der Betriebe bildet heute gar nicht mehr
aus, weil sie die erhöhten Anforderungen nicht leisten können oder das zu
hohe Abbruchrisiko scheuen. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung betrug die
Vertragslösungsquote bei Auszubildenden ohne Hauptschulabschluss 2013
rund 38 Prozent – nahezu das Dreifache
von Auszubildenden mit Studienberechtigung (2013 knapp 14 Prozent).
Was vielen Betrieben fehlt, sind ganzheitliche Ausbildungskonzepte und die
Kapazität, um sich auch auf Auszubildende mit schwierigen Grundvoraussetzungen einzulassen. Dabei dürfte
feststehen: Auch aus benachteiligten
Jugendlichen können gute Auszubilden-
de werden und sie bleiben es, wenn die
Rahmenbedingungen stimmen.
Neue Strukturen für die Ausbildung
Lösungsansätze kommen auch aus den
Reihen der Personaldienstleister. Als
langfristige strategische Partner im
Sinne der „Personaldienstleistung 2.0“
gehen diese das Thema Ausbildung vor
dem Hintergrund der Bildungsmisere
und der schrumpfenden Anzahl guter
Bewerber ganzheitlich an. Im engen und
auf Dauer angelegten Dialog mit Unternehmen, Verbänden und öffentlichen
Institutionen schaffen sie neue Zugänge
und unterstützende Strukturen für die
Ausbildung: von der Akquise geeigneter
Bewerber über das begleitende Coaching
sowie die pädagogische Begleitung bei
Problemen im Betrieb oder die Beratung
bei persönlichen Themen bis hin zur
Prüfungsvorbereitung und Hilfestellung
für eine erfolgreiche Übernahme. Auch
die Ausbildung im Verbund, bei der der
jeweilige Arbeitgeber als Ausbildungspate mit Übernahmeberechtigung einige Risiken und Verantwortungsbereiche
auslagern kann, ist ein zukunftsweisendes Modell. Während Unternehmen und
Wirtschaftsverbände als Multiplikatoren fungieren, übernehmen Personaldienstleister die oben beschriebene Organisation, Begleitung und inhaltliche
Vorbereitung.
Praxisbeispiel „Reaktiva“
Nachdem die Ausbildungsaktivität in der
Region Ostwestfalen-Lippe 2006 trotz
hohem Lehrstellenbedarf und langfristiger Förderkarrieren von Jugendlichen
personalmagazin 08 / 15
ANZEIGENSONDERVERÖFFENTLICHUNG
AUSBILDUNGSPLATTFORM
Ausbildungspaten
Personaldienstleister
Beratung, Betreuung, Koordination, Organisation
Projekte mit Europäischem
Sozialfonds
Ausbildungsabbrüche
Ausbildungsfähigkeit
Ausbildungs­plattform und
Talentbörse
Matching und Verteilung
Rekrutierung, Einstellung
Auswahl und Pool
Auslandsrekrutierung
Unternehmen
Bewerber
Praktische Ausbildung
Jobgarantie nach
Ausbildung
Ausbildungsentgelt,
Sozialversicherung
Praktikum in Kooperationsunternehmen
Berechtigung zur
Übernahme
Schnittstelle zwischen Bewerber und Unternehmen: Der Personaldienstleister übernimmt mit der Ausbildungsplattform die Beratung, Betreuung und Koordination.
QUELLE: PIENING PERSONAL 2015
ohne Ausbildung stark abgenommen
hatte, suchte der Personaldienstleister
Piening Personal für die öffentlich geförderte Ausbildungsinitiative zur „ReAktivierung“ von Ausbildungsplätzen
gezielt nach Kooperationsbetrieben, die
noch nicht oder nicht mehr ausgebildet
hatten. Das Ziel, 50 Jugendliche erfolgreich zu vermitteln, konnte übertroffen
werden. Insgesamt 70 Bewerber starteten die Verbundausbildung. Die Kooperationsbetriebe, in der die Ausbildungen
durchgeführt wurden, wurden vom Personaldienstleister bürokratisch, fachlich
und sozialpädagogisch entlastet. Die
Brutto-Ausbildungsvergütung übernahmen der Verbundpartner und der Personaldienstleister aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Lediglich eine
Beteiligung an den Ausbildungslehrmitteln und Prüfungskosten war durch die
Betriebe zu tragen. 69 der Jugendlichen
haben ihre Ausbildung erfolgreich beendet und wurden größtenteils von ihren
Ausbildungsbetrieben übernommen.
kontinuierlich zurück. Schulabsolventen mit guten Leistungen finden seltener
den Weg in die klassische Ausbildung.
Umgekehrt sollten aber unter den jährlich rund 100.000 Studienabbrechern
Kandidaten zu finden sein, die sich für
eine Ausbildung begeistern lassen. Das
dürfte namhaften Unternehmen leichter
fallen als weniger bekannten Mittelständlern und „Hidden Champions“. Diese werden trotz guter Ausbildungsbedingungen
und Karrierechancen häufig übersehen.
Ein anderes Problem: Viele Schulabsolventen versteifen sich auf wenige,
sehr begehrte Ausbildungsberufe wie
etwa Industriekauffrau/-mann oder KfzMechatroniker. Unregelmäßige Arbeitszeiten, harte körperliche Arbeit und ein
schlechtes Branchenimage schrecken dagegen ab. So konnten zum Beispiel mehr
als 60 Prozent der Arbeitgeber im Gastgewerbe und rund ein Drittel der Banken
und Versicherungen 2014 nicht alle Ausbildungsplätze besetzen.
Der Wettbewerb um Auszubildende
Im Bemühen um Auszubildende ist es
sinnvoll, dass Unternehmen ihre Kräfte
bündeln und auch Personaldienstleister
als strategische Partner ihre Kompetenz
im Bereich Human Resources einbringen. Ein Beispiel für eine regionale Maßnahme ist die „Bielefelder Ausbildungs-
Neben der mangelnden Ausbildungsfähigkeit ist die „Akademisierung der
Massen“ ein Thema. Weil immer weniger Schulabgänger nach immer höheren
Abschlüssen streben, gehen die Bewerberzahlen in den Ausbildungsberufen
08 / 15 personalmagazin
Personaldienstleister als Schnittstelle
offensive“, die ein umfangreiches Paket
zur Förderung der Ausbildung umfasst.
Dazu zählen unter anderem eine verstärkte Kooperation mit Schulen bei
Information und Praktikum sowie eine
gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für gute Ausbildungsbeispiele aus
der Region. Ergänzende Aktionen wie
das „Speed-Dating“ sollen Unternehmen
und Schulabsolventen auf unkomplizierte Weise einander näherbringen.
Das Modell einer regionalen Ausbildungsplattform für die Beratung,
Betreuung und Koordination sieht den
Personaldienstleister dabei als Schnittstelle zwischen den beteilig­ten Unternehmen und Bewerbern (siehe Grafik).
Zu den Aufgaben zählen unter anderem
Rekrutierung, Auswahl und Einstellung
von Bewerbern. Hinzu kommt die Koordination einer Austauschbörse, über die
stark frequentierte Firmen ihren Überschuss an guten Bewerbern mit deren
Einverständnis unbürokratisch an regionale Wettbewerber weitergeben können.
Ein ganz aktuelles Thema: Seit November 2014 dürfen Flüchtlinge nach drei
Monaten eine Ausbildung beginnen.
Auch hier können Personaldienstleister
durch Sprachvorbereitungskurse und
Ausbildungsbegleitung einen wichtigen
Beitrag zur beruflichen Integration leisten. Laut der Deutschen Presseagentur
sieht Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer
auch in der Zeitarbeit einen Weg, mit
praktischen Fertigkeiten und persönlichen Kompetenzen zu überzeugen. Das
Beschäftigungsverbot für Flüchtlinge
sieht er als nicht mehr zeitgemäß an.
Der zweite Teil der Serie „Personaldienstleistung 2.0“ beleuchtet das Thema „High Professionals“ und diskutiert,
was in diesem Segment die Form der Arbeitnehmerüberlassung für Arbeitnehmer und Unternehmen leisten kann.
THOMAS VOSS verantwortet
als Projektleiter den Bereich
der Aus- und Weiterbildung
bei Piening Personal.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
57
58 SPEZIAL_GESUNDHEITSWESEN
Grenzenlose Qualifikation
TREND. Pflegefachkräfte sind rar. Träger von Kliniken und Pflegeeinrichtungen reagie-
ren auf den Fachkräftemangel und lassen Mitarbeiter im Ausland qualifizieren.
D
urchschnittlich 120 Tage dauert es, eine offene Stelle für Gesundheits- und Krankenpfleger
zu besetzen. Damit liegt die Vakanzzeit um 48 Prozent über dem Mittelwert aller Berufe. Und auf 100 gemeldete
Stellen kommen lediglich 84 Arbeitssuchende, bei Altenpflegekräften sind es
nur noch 44. In den examinierten Pflegeberufen ist der Fachkräftemangel Fakt,
stellt die Bundesagentur für Arbeit fest.
Kein Wunder, dass Klinikchefs und
Betreiber von Pflegeeinrichtungen auf
der Suche nach neuen Mitarbeitern
den Blick seit Längerem auch über die
Landesgrenzen hinaus richten. Hierbei
müssen sie einige Hürden überwinden:
Meist fehlen die erforderlichen Sprachkenntnisse. Die Ausbildungswege und
-inhalte unterscheiden sich von Land
zu Land und der Anerkennungsprozess
kann sich einige Zeit hinziehen. Die Integration der neuen Mitarbeiter hält nicht
nur die Personalabteilung auf Trab, sondern frustriert auch die Fachkräfte, die
während des Anerkennungsprozesses
nur in Helferpositionen arbeiten dürfen.
Träger deutscher Kliniken und Pflegeeinrichtungen gehen seit 2012 in
Kooperation mit der Dekra Akademie einen neuen Weg: Sie lassen Pflegekräfte
direkt in ihrem Heimatland ausbilden.
Beim Start in Deutschland ist die Anerkennung ihres Abschlusses garantiert
und die neuen Mitarbeiter bringen die
erforderlichen Sprachkenntnisse sowie
spezielles Wissen mit, das sie bei ihrem
deutschen Arbeitgeber benötigen.
Ausbildung mit Jobzusage
Aktuell absolvieren in Ungarn 15 Klassen mit je 30 Teilnehmern die dreijährige Ausbildung. Auch in Serbien und
Albanien befinden sich zwölf beziehungsweise zwei Klassen in Ausbildung. Nach ihrem Examen starten 2016
die ersten ungarischen Pflegefachkräfte
in ihrer neuen Heimat. Einer der künftigen Arbeitgeber ist beispielsweise eine
Pflegeschüler in
Ungarn erlernen
parallel Inhalte,
die für eine Tätigkeit in Deutschland nötig sind.
© DEKRA AKADEMIE GMBH
Von Dietmar Metzger und Thomas Bastian
personalmagazin 08 / 15
59
KAMPAGNE
Bundesregierung wirbt um Fachkräfte
Die Bunderegierung hat die Bedeutung der Fachkräftesicherung erkannt und will
Unternehmen bei der Personalgewinnung im In- und Ausland unterstützen.
Ende 2014 ist die Fachkräfte-Offensive des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales,
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und der Bundesagentur für Arbeit
in eine neue Runde gegangen. Mit Informationen zur Weiterbildung, zur Vereinbarkeit
von Familie und Beruf und zur Anwerbung von Fachkräften sollen Unternehmen und Beschäftigte für die Fachkräftesicherung sensibilisiert werden. Fachkräfte aus dem Ausland
erhalten auf dem mehrsprachigen Willkommensportal www.make-it-in-germany.com
www.fachkraefte-offensive.de
Informationen über Leben und Arbeiten in Deutschland. Klinikgruppe mit rund 9.000 Mitarbeitern, die deutschlandweit Standorte
betreibt. Sie lässt in Ungarn gleich eine
ganze Klasse qualifizieren.
Alle Pflegeschüler haben eines gemeinsam: Sie hätten den Beruf trotz einer hohen Affinität zur Pflegetätigkeit
aufgrund der Arbeitsbedingungen in ihrem Heimatland nicht gewählt. Von der
Ausbildung erwarten sie, unter modernen Verhältnissen arbeiten und pflegen
zu können. Für die angehenden Pflegefachkräfte hat die Entscheidung weitreichende Konsequenzen, deshalb wird
jeder einzelne Fall im Vorfeld ausführlich
besprochen und geprüft.
Formale Zugangsvoraussetzung ist
das Abitur. Darüber hinaus bringen die
Teilnehmer bereits unterschiedliche Berufe und Vorerfahrungen mit. Mitarbeiter der Dekra Niederlassungen vor Ort
übernehmen die Vorauswahl auf Basis
der definierten Anforderungsprofile der
Auftraggeber. Sie legen Wert auf Kandidaten mit einer glaubhaften Neigung
zum Pflegeberuf sowie einer starken
Persönlichkeit und einem stabilen Umfeld. Die Pflegeschüler erwartet ein anspruchsvolles Programm, das sie neben
ihrem Beruf abends, an den Wochenenden und im Urlaub absolvieren.
Lokale Inhalte mit Blick auf
­Deutschland
Die Inhalte sind klar geregelt: Die Teilnehmer erwerben den Abschluss in ihrem Heimatland, er muss später dem
deutschen Berufsbild der Examinierten
Pflegefachkraft entsprechen. Zusätzlich
benötigen sie für die Anerkennung in
08 / 15 personalmagazin
Deutschland Sprachkenntnisse auf Niveau B2. Das Curriculum ist an dem des
jeweiligen Landes ausgerichtet. Wo es
Ermessensspielräume gibt, wird es den
deutschen Anforderungen angepasst.
Bei denjenigen, die sich für die Altenpflege entschieden haben, wurden entsprechende Schwerpunkte integriert.
In der berufspraktischen Ausbildung
kooperiert die Dekra Akademie mit Kliniken vor Ort. Daneben besuchen alle
Pflegeschüler einen Sprachkurs, den sie
vor Ausbildungsende mit dem Zertifikat
Telc B2 plus medizinische Fachsprache
Pflege abschließen.
Im letzten Schuljahr ergänzen Spezialmodule für den jeweiligen Arbeitgeber die regulären Ausbildungsinhalte.
Dies können vertiefende Inhalte zu den
medizinischen und pflegefachlichen
Schwerpunkten der Träger sein oder organisatorische Aspekte wie der Umgang
mit dem Krankenhausinformationssystem und der Dokumentation. Hierfür
stehen 200 Unterrichtsstunden zur Verfügung. Die spezifischen Vorkenntnisse
erleichtern den Kandidaten den Start
und verkürzen die Einarbeitungszeit.
Bindung während der Ausbildung
Alle Teilnehmer haben eine feste Jobzusage von einem deutschen Träger,
wenn sie die Ausbildung beginnen.
Außerdem besuchen alle Mitarbeiter
eines künftigen Arbeitgebers dieselbe
Klasse, dadurch entwickeln sich in der
Gruppe schon früh Freundschaften und
ein Teamgefühl. Es ist den Arbeitgebern
auch wichtig, schon in der Ausbildung
eine persönliche Bindung zu den neuen
Mitarbeitern aufzubauen. Die meisten
ermöglichen bei Ausbildungsbeginn ein
persönliches Kennenlernen und eine
Einführung in die Häuser.
Manche Träger bieten ihren Pflegeschülern während der Qualifizierung
einen Besuch in Deutschland an, um
künftige Kollegen, die unterschiedlichen
Einrichtungen und ihre neue Heimatregionen kennenzulernen. Darüber hinaus
stellen einige Praktikumsaufenthalte bereit. Teilnehmer, die diese Möglichkeit
bereits hatten, waren begeistert, da sie
einen realistischen Eindruck bekommen haben, was sie erwartet und sie der
Besuch in ihrer Entscheidung bestärkt
hat. Für die Personalverantwortlichen
ist es ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung, da er die Mitarbeiter motiviert,
Vertrauen aufbaut und mögliche Ängste
schon im Vorfeld beseitigt.
Anerkennung und Integration
Im letzten Halbjahr legen die Arbeitgeber
final fest, an welchem Standort die neuen Mitarbeiter arbeiten werden. Dann
organisiert die Dekra Akademie das
Anerkennungsverfahren, das in jedem
Bundesland unterschiedlich geregelt ist.
Für Personalverantwortliche entfällt damit ein manchmal langwieriger Prozess,
der für neue Fachkräfte aus dem Ausland
sehr frustrierend sein kann.
Auch wenn die Fachkräfte optimal vorbereitet nach Deutschland kommen und
die Sprach- und Anerkennungshürde
wegfällt, ist die Anfangsphase kritisch.
Sie sind mit vielen neuen Erfahrungen
konfrontiert, angefangen bei Behördengängen bis hin zur Wohnungssuche.
Ebenso ist es für Arbeitgeber eine Herausforderung, eine größere Anzahl neuer Mitarbeiter gleichzeitig in ihre Teams
zu integrieren. Deshalb beinhaltet das
Qualifizierungsprogramm auf Wunsch
ein individuelles Integrationskonzept,
das die Personalabteilung und die Teams
unterstützt. Es enthält unter anderem
Weiterbildungen für Integrationsbeauftragte und bei Bedarf stehen externe Ressourcen als „Integrationslotsen“
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
60 SPEZIAL_GESUNDHEITSWESEN
INTERVIEW
Von Architektur zur Altenpflege
Die 25-jährige Karolin Nagy hat in Ungarn Architektur studiert. Da sie in ihrem Beruf
keine Stelle fand, begann sie eine Ausbildung im Bereich Altenpflege.
personalmagazin: Von der Architektur zur
Altenpflege, das ist kein naheliegender
Schritt. Warum haben Sie sich für die
Ausbildung im Bereich Altenpflege
entschieden?
Karolin Nagy: Die Entscheidung war natürlich nicht leicht für mich. Aber als
Architektin habe ich in Ungarn keine
Stelle gefunden, also habe ich mich nach
Alternativen umgesehen. Bei der Stellensuche im Internet bin ich auf diese
Ausbildung gestoßen. Die Möglichkeit,
einen Beruf zu erlernen und gleichzeitig eine Jobgarantie zu haben, hat mich
neugierig gemacht und dann überzeugt.
Und ja, Altenpflege ist etwas völlig anderes als Architektur. Aber meine Mutter
ist auch Pflegerin und so hatte ich schon
eine Vorstellung von dem Beruf und den
Anforderungen. Außerdem arbeite ich
zur Verfügung. Diese kümmern sich um
Details wie die Wohnungssuche, Behördengänge oder unterstützen auch Angehörige bei der Stellensuche.
Alternative Qualifizierung
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in
manchen Ländern Überkapazitäten an
arbeitssuchenden Pflegefachkräften. Hier
bietet die Dekra Akademie ein zweites
Qualifizierungsmodell für Träger, die den
Rekrutierungs- und Integrationsaufwand
bereits examinierter Pflegefachkräfte
selbst nicht leisten können. In Serbien
starteten im vergangenen November 100
Krankenschwestern und -pfleger in ein
Programm, das zwischen einem und eineinhalb Jahre dauert. Hierbei besuchen
sie einen Sprachkurs, der sie auf Niveau
Telc B2 bringt, und erwerben Fachwissen, das für die Anerkennung noch fehlt.
Ein zweiwöchiger Intensivkurs an einer
neben der Ausbildung in einer Einrichtung für Kinder mit körperlichen und
geistigen Behinderungen.
personalmagazin: Würden Sie die Ausbil-
dung noch einmal beginnen?
Nagy: Ja. Aber ich freue mich auch, wenn
ich in zwei Jahren fertig bin. Vor allem
die ersten Monate waren anstrengend,
denn ich bin im Februar in einen Kurs
eingestiegen, der schon im Herbst 2013
begonnen hat. Ich bin froh, dass ich
diese Möglichkeit hatte, doch mit Intensiv-Nachholstunden die ersten Monate
aufzuarbeiten, war dann eben auch besonders belastend. Zum Glück habe ich
schon in der Schule Deutsch gelernt, sodass die bisherigen Teile des Sprachkurses eher eine Auffrischung waren. Meine Lehrer sind sehr motivierend und
Krankenpflegeschule in Deutschland bereitet die Fachkräfte auf die praktische
und mündliche Prüfung zur Berufsanerkennung vor. Dieses Programm ist in
weiteren europanahen Drittstaaten und
ausgewählten Ländern Asiens im Aufbau.
Alle Beteiligten gewinnen
Wie viele neue Mitarbeiter die Arbeitgeber im Ausland qualifizieren lassen,
unterscheidet sich von Fall zu Fall. Die
meisten von ihnen haben das Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramm
jedoch fest in ihrer langfristigen Personalstrategie verankert, da es ihnen
Planungssicherheit bietet. Im Gegensatz zur klassischen Rekrutierung im
Ausland wissen sie nun genau, dass
sie zu einem festen Zeitpunkt mit einer
konkreten Anzahl neuer Pflegefachkräfte rechnen können, die anerkannt und
individuell auf die Arbeit in ihrem Haus
K AROLIN NAGY ist
seit Februar 2014
eine der Teilnehmerinnen der
Altenpflege-Ausbildung in Ungarn.
mir gefällt, dass sie uns sehr unterstützen und auch offen für Probleme sind.
personalmagazin: Was erwarten Sie von der
Arbeit in Deutschland?
Nagy: Mit der Ausbildung kann ich voll in
das Berufsleben und vor allem in einen
erlernten Beruf einsteigen. Die Alternative in Ungarn wäre eine fachfremde Tätigkeit gewesen. Ich war schon mehrmals
als Touristin in Deutschland. Natürlich
ist es etwas anderes, wenn man in einem
anderen Land lebt und arbeitet. Aber es
hilft mir, zumindest eine Vorstellung zu
haben, wohin ich gehe. Außerdem werde ich nicht alleine sein, denn meine 29
Klassenkameraden gehen dann mit mir
zum gleichen Arbeitgeber. Das Interview führte Ulla Laux.
vorbereitet sind. Dies bedeutet Sicherheit, auch für die Bewerber.
Bei der Entwicklung der zwei unterschiedlichen Qualifizierungsansätze
stand der sogenannte Triple-Win-Ansatz
im Vordergrund: Nicht nur die Fachkraft
und der Arbeitgeber beziehungsweise der
deutsche Arbeitsmarkt sollen profitieren,
sondern auch das Herkunftsland. Durch
die Ausbildung und den Abschluss in der
Heimat können Teilnehmer später ohne
Probleme an den dortigen Arbeitsmarkt
zurückkehren und arbeiten. Gleichzeitig
fördert es den Transfer von Know-how
und vermeidet Braindrain in den betroffenen Ländern. DIETMAR METZGER ist Leiter Geschäftsentwicklung International, Dekra Akademie.
THOMAS BASTIAN ist Leiter Gesundheitsund Sozialwesen, Dekra Akademie.
personalmagazin 08 / 15
61
Mehr Qualität in HR
ANSATZ. Gerade kleine Pflegeunternehmen brauchen strategische Personalkonzepte.
Dafür bietet es sich an, das etablierte Qualitätsmanagement auf HR zu übertragen.
Verantwortung
des Personal­
managements
Verantwortung
des QM
Act
Ressourcenmanagement:
• Führung
• Kompetenzen
• Arbeitsfähigkeit
Plan
Maßnahmen/
Produkt
Wirkungskette/Wertschöpfung
Check
Messung/Analyse
(QPM-Kennzahlen)
Do
Information
Interner Kunde/Mitarbeiter
Systematischer Dialog
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess im Personalmanagement
(angelehnt an DIN EN ISO 9001:2008)
Zufriedenheit und Bindung
08 / 15 personalmagazin
gesundheitlichen Beschwerden einher.
Dies belegen zahlreiche Untersuchungen
und ein transformationaler Führungsstil
wirkt gesundheitsförderlich, wie Andreas Zimber und Sabine Gregersen anhand
eines Projekts dazu belegt haben.
Die Arbeitsbewältigungsfähigkeit
bezeichnet das Passungsverhältnis
zwischen den Arbeitsaufgaben und der
Summe der Faktoren, die einen Mitarbeiter in die Lage versetzen, diese Arbeitsaufgabe erfolgreich zu bewältigen,
erklären Juhani Ilmarinen und Jürgen
PROZESS
Anforderungen an die Arbeitsbedingungen
P
flegeunternehmen haben bereits
jetzt in verschiedenen Regionen
Deutschlands Schwierigkeiten,
ausreichend qualifiziertes Pflegepersonal zu finden. Zugleich sind sie
nicht darauf vorbereitet, Pflegekräfte
länger an ihr Unternehmen zu binden beziehungsweise deren Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Die Pflegetätigkeit mit
über 50 oder gar 60 Jahren auszuüben, so
eine häufige Aussage von Geschäftsführern, sei aufgrund der hohen physischen
als auch psychischen Belastungen weitgehend unmöglich. In der Tat sind die Arbeitsbelastungen in der Pflege hoch und
auch der häufigste Grund, ganz aus dem
Beruf auszuscheiden, wie unter anderem
aus den Ergebnissen der europäischen
„Nurses‘ early exit study“ (Next) von 2011
hervorgeht.
Zu den ungünstigen Bedingungen gehört zudem die schlechte Bezahlung, die
maßgeblich von den Kostenträgern auf
Länderebene bestimmt wird. Somit haben
gerade kleine Betriebe geringe materielle
Spielräume, um günstigere Arbeitsbedingungen oder Gehaltsaufstockungen zum
Beispiel durch Leistungsprämien für ihre
Pflegekräfte zu schaffen. Umso mehr sind
sie gefordert, möglichst nachhaltige Personalmanagementkonzepte aufzulegen
sowie schonend mit ihren wertvollen Personalressourcen umzugehen und ihren
Pflegekräften Entwicklungsperspektiven
bis ins höhere Erwerbsalter anzubieten,
wie Manfred Haubrock in seinem Aufsatz
„Sozialökonomische Herausforderungen
für die Pflege“ belegt.
Betrachtet man genauer, welche
Einflussfaktoren für die Bindung der
Pflegekräfte an das Unternehmen von
besonderer Bedeutung sind, rücken
drei Handlungsfelder ins Blickfeld: Führung, Arbeitsbewältigung und Kompetenzentwicklung. Die Führung ist nach
Ergebnissen der Next-Studie einer der
relevantesten Gründe dafür, dass Pflegekräfte das Unternehmen verlassen.
Mitarbeiterorientierte Führungsstile gehen mit einer besseren Gesundheit der
Mitarbeiter, weniger Stresserleben und
Interner Kunde/Mitarbeiter
Von Sabine Nitsche und Veit Hannemann
Ergebnis
Pflegequalität
Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess besteht in vielen Unternehmen bereits zum
Beispiel für die Produktion. Er sollte auch für das HR-Management die Regel werden.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
62 SPEZIAL_GESUNDHEITSWESEN
Tempel in ihrem Buch „Arbeitsfähigkeit
2010“. Aktuelle Untersuchungen zeigen
jedoch, dass die Arbeitsfähigkeit in der
Pflegebranche insbesondere bei älteren
Beschäftigten verhältnismäßig niedrig
ist. Das Passungsverhältnis zwischen
Anforderungen und Leistungsfähigkeit
sollte angesichts steigender Belastungen
für die Pflegekräfte im Fokus des Managements liegen.
Wie oben beschrieben, ist das dritte
wichtige Handlungsfeld für die Mitarbeiterbindung die Kompetenzentwicklung. Auf lange Sicht kommt es dabei
auch auf Kompetenzen der Pflegekräfte
in nichtfachlichen Bereichen an. Es gilt,
diese besser zu erfassen und gezielter zu
fördern. Damit steigt ihre Zufriedenheit,
wenn sie das Gefühl haben, dass sie ihre
verschiedenen Kompetenzen erfolgreich
zum Einsatz bringen können. Umso mehr
kommt es in der Pflege in Zukunft auf eine gezielte Laufbahnentwicklung an.
HR-Management neu ausrichten
Wie lassen sich diese Handlungsfelder
also in das Personalmanagement von
(kleinen) Pflegeunternehmen aufnehmen? Die Übertragung des Grundgedankens des Total-Quality-Managements
(TQM), den Mitarbeiter als Kunden des
Personalmanagements anzusehen, bietet sich auch dafür an (siehe Grafik).
Selbst kleine Betriebe haben entsprechend den gesetzlichen Vorschriften
bereits ein Qualitätsmanagement etab­
liert oder sind zumindest mit dessen
Regularien in der Organisation vertraut.
Entscheidend für das Gelingen ist allerdings das Qualitätsverständnis in
der Organisation: Steht die Qualitätssicherung im Vordergrund, dann liegt es
nahe, dass sich eine Kultur der Kontrolle und Fehlervermeidung herausgebildet hat, in der die Verantwortlichen
dazu neigen, Gestaltungsspielräume
von Mitarbeitern entweder von vorneherein zu begrenzen oder zu ignorieren.
Besteht dagegen bereits ein gelebter, auf
allen Organisationsebenen aktiv unterstützter Kreislauf des „Plan, Do, Check,
Act“ im Sinne einer Qualitätsentwicklung (siehe Grafik), dann bietet sich damit eine gute Ausgangslage, diesen um
mitarbeiterbezogene Kriterien zu erweitern und auf die Personalentwicklung
zu übertragen. Das bestätigt unter ande­
rem Beatrice Piechotta in ihrem Buch
„Qualitätsmanagement für psychotherapeutische Praxen“.
Den systematischen Dialog fördern
Wichtig ist also, einen systematischen
Dialog zwischen Mitarbeitern und Führungskräften zu fördern. Die Themen
Arbeitsbewältigung und Kompetenzen
sollten Bestandteil dieses Dialogs sein
und in verschiedenen Gesprächssituationen wie zum Beispiel in Mitarbeitergesprächen aufgegriffen werden. Damit
auch Führungskräfte der unteren Organisationsebene Verantwortung für einen
solchen systematischen Dialog übernehmen können, müssen sie auf diese
Aufgabe vorbereitet werden: durch informative und sensibilisierende Trainings
auch zu arbeitspsychologischen Themen
und in enger Abstimmung mit den Pflegedienstleitungen.
Zudem muss auch Führungskräften in
der Pflegebranche der Zugang zu Supervision und Coaching geöffnet werden,
damit sie ihre Führungsrolle ausfüllen
und eine Vorbildfunktion einnehmen
können. Investitionen in diesem Bereich zahlen sich aus, denn sie tragen
langfristig dazu bei, dass Pflegekräfte
länger leistungsfähig bleiben und wenn
sie zufriedener mit den Führungskräften sind, auch länger im Unternehmen
bleiben. Kosten durch Fluktuation und
hoher Krankenstand lassen sich so deutlich reduzieren.
Veränderungen – Schritt für Schritt
Angesichts der Vielzahl der in eine solche Dialogstruktur eingebundenen Instrumente dürfte in Pflegeunternehmen
schnell das Gefühl der Überforderung
eintreten. Mit einer gut überlegten,
schrittweise eingeführten Strategie kann
dieses jedoch klein gehalten werden. Mit
Sicherheit sind im Unternehmen bereits
Instrumente in Benutzung beziehungsweise Erfahrungen dazu gesammelt worden. Hier kann angeknüpft werden.
Konkrete Maßnahmen getestet
In dem Forschungsprojekt „Integriertes
Qualitäts- und Personalmanagement in
der Pflege (QPM-Pflege)“ wurden von
Oktober 2012 bis Dezember 2014 in
Kooperation mit zwei Berliner Pflegeunternehmen Bedingungen für die Integ­
ration des Qualitäts- und Personalmanagements analysiert und Ansätze für
eine nachhaltige und demografietaugliche Steuerung entwickelt.
Dazu wurden zunächst die Funktionsbeschreibungen der Führungskräfte
betrachtet, wobei die Analyse der an sie
gestellten Anforderungen im Mittelpunkt
stand. Diese wurde dann durch eine
Selbsteinschätzung der Führungskräfte
ergänzt. Angesichts eines bisher zu unklaren Führungsauftrags erfolgte eine
Neuabgrenzung der Zuständigkeiten
zwischen der zentralen Pflegedienstleitung und der mittleren Führungsebene,
die in den entsprechenden Funktionsbeschreibungen festgehalten wurde.
Überprüft wurde in den am Projekt beteiligten Unternehmen auch, wie regelmäßig Mitarbeitergespräche geführt und
wie sie ausgewertet wurden. Es erfolgte
eine Überarbeitung des Gesprächsleitfadens. Im ambulanten Pflegebetrieb soll
die mittlere Führungsebene (Bereichsleitungen, die mehrere Pflegeteams unter sich haben) gestärkt und zunächst
intensiver auf die erweiterte Führungsverantwortung vorbereitet werden. Dazu
gehören die Nutzung aktualisierter Gesprächsleitfäden und die Berücksichtigung eines wertschätzenden Umgangs.
Ziel ist zudem die stärkere Einbindung
der Mitarbeiter in die Lösung im Pflegealltag auftretender Probleme.
Im ambulanten Pflegeunternehmen
wurde die Kommunikation und Informationsvermittlung zwischen der Einsatzzentrale und den Pflegeteams auf
den Prüfstand gestellt. Dazu wurden in
personalmagazin 08 / 15
63
KONKRETE MASSNAHMEN
Instrumente der
QPM-Pflege
Zielrichtung
Empfohlene Analyse ...
Mitarbeitergespräch
• ergänzende Auswertung für eine bessere
Arbeitsgestaltung
• erweiterte Verantwortlichkeit der unteren
Führungsebene
• z ur bisherigen Fre• den Gesprächsleitfaden
quenz und Qualität der
ergänzen, zum Beispiel
Mitarbeitergespräche
durch Fragen zur Ar• z ur bisherigen Nutzung
beitsbewältigung
des Gesprächsleitfa• die Zuständigkeit für
dens und -protokolls
die Mitarbeitergespräche verlagern zum
Beispiel auf Wohnbereichsleitung (WBL)
Mitarbeiter­
begleitung
• ergänzende Auswertung für eine bessere
Arbeitsgestaltung
• erweiterte Verantwortlichkeit der unteren
Führungsebene
• zur bisherigen Frequenz und Qualität der
Begleitsituationen
• zur Nutzung des Gesprächsleitfadens und
-protokolls mit dem
Ziel der Informationsverwertung
Vorschlags­
wesen/­Ideenmanagement
• Steigerung der Kunden • bisheriger Umgang/
• Hinweise von Mitarbei(Patienten-) und MitarVerfahren mit Vorschlätern zur Prozessoptimiebeiterzufriedenheit
gen von Mitarbeitern
rung nutzen
• kontinuierlichen Verbes- • Bewertung des
• ein Flussdiagramm
serungsprozess stärken
bisherigen Nutzens
erstellen, das Informa­
beziehungsweise des
tionsfluss und ZustänGewinns
digkeiten klar regelt
Qualitätszirkel/
­Gesundheitszirkel
• Anregung von Beteili• zur bisherigen Betei• ein Training für lösungsgung der Pflegekräfte
ligung, Moderation,
orientiertes Handeln im
durch Betroffenheit
Verantwortlichkeit
Pflegeteam
• gesteigerte Lösungs­
• Bewertung des bisheri- • ein Training für Zirkel­
orientierung
gen Outputs
moderatoren
• kontinuierlichen Verbesserungsprozess stärken
Austritts- und
Rückkehr­
gespräche
• frühzeitige Gewinnung
von Anhaltspunkten für
eine bessere Mitarbeiterbindung, zum Beispiel Berücksichtigung
der Work-Life-Balance
nach Elternzeit
• zu bisherigen
Erfahrungen mit der
Gesprächsführung und
den Wiedereinstiegs­
situationen
Mögliche erste
­Maßnahmen
• den Gesprächsleitfaden
ergänzen, zum Beispiel
durch Fragen zur Arbeitsbewältigung
• die Zuständigkeit für die
Mitarbeiterbegleitung
verlagern, zum Beispiel
auf WBL
• die Erarbeitung eines
Konzepts, das Zeitpunkte, Gesprächsleitfaden,
Protokollauswertung
und Zuständigkeiten
berücksichtigt
Auch kleine Pflegeunternehmen können schrittweise einen Wandlungsprozess hin zu
einem integrierten Qualitäts- und Personalmanagement gehen. Die Tabelle stellt dafür
einige Maßnahmen vor. Der Mitarbeiter wird dabei als Kunde betrachtet.
haltigen Management der Personalressourcen, in dem Mitarbeiter ebenfalls als
Kunden verstanden werden. Jeder Zyklus
ständiger Verbesserung schließt mit einer Überprüfung der Zielerreichung ab.
Dafür bedarf es von vorneherein festgelegter Messgrößen.
Im Gegensatz zu den üblichen Indikatoren wie den Krankentagen oder
der Fluktuationsrate erfüllen Indikatoren wie zum Beispiel der Index der
Arbeitsbewältigungsfähigkeit eher den
Anspruch, Frühwarnindikatoren für die
Gesundheit oder die Belastungssituation
der Pflegekräfte zu sein. Das gilt auch
für Beteiligungsquoten an Mitarbeitergesprächen oder für die Umsetzung von
Mitarbeiterideen zur belastungsärmeren
Arbeitsgestaltung. Solche Kennzahlen
sind durchaus mit begrenztem Aufwand
zu erheben. Sie können dazu beitragen,
erfolgreiches Führungskräfteverhalten und gute Mitarbeiterbeteiligung im
Unternehmen zu etablieren. Das wiederum verbessert die Arbeitsfähigkeit und
stärkt­ die Mitarbeiterbindung – auch
und gerade in kleineren Pflegeunternehmen.
ONLINE
Ergebnisse des Forschungsprojekts QPM-Pflege
der Alice Salomon Hochschule und der Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin finden
Sie zusammen mit einem Leitfaden online:
www.qpm-pflege.de
einem Workshop Mitarbeiter aus den
Pflegeteams und der Einsatzzentrale,
die täglich zahlreiche Kontakte zu Angehörigen und Vertretern anderer Berufsgruppen (Ärzte, Apotheker) haben,
zusammengesetzt. Sie analysierten die
in der Kommunikation auftretenden Probleme und entwickelten dafür gemeinsam Lösungsvorschläge. Dies führte
zunächst zu höherem Verständnis für
die Handlungskontexte, im zweiten
Schritt dann zu einigen Verbesserungsmaßnahmen im Ablauf. Für Situationen,
in denen es um mangelnde Wertschät08 / 15 personalmagazin
zung ging, wurden positivere Umgangsformen vorgeschlagen.
In der Tabelle wird beispielhaft zusammengefasst, wie Pflegeunternehmen
solch einen Wandlungsprozess hin zu
einem integrierten Qualitäts- und Personalmanagement gehen können.
Frühwarnindikatoren nutzen
Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (siehe Grafik) sollte auch für das
Personalmanagement die Regel werden.
Die Qualitätsentwicklung in der Pflege
wird dann verknüpft mit einem nach-
PROF. DR. SABINE NITSCHE
ist Professorin für den Studien­
gang Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt
Personal und Organisation an der Hochschule
für Technik und Wirtschaft Berlin.
VEIT HANNEMANN war wissenschaftlicher Mitarbeiter im
Projekt QPM-Pflege und ist
derzeit im BMBF-Forschungsprojekt Compcare tätig.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
64 SPEZIAL_GESUNDHEITSWESEN
Wenig attraktiv für Bewerber
STUDIE. Die Online-Präsenz als Arbeitgeber ist wichtig, um Bewerbungen zu generieren.
Eine Untersuchung macht deutlich: Im Gesundheitswesen ist noch viel Luft nach oben.
Von Ruth Böck und Karl-Heinrich Bruckschen
W
ie sind Krankenhäuser
und Kliniken online aufgestellt? Wie ist es um die
Arbeitgeberauftritte in
einer Branche bestellt, die stark mit der
Herausforderung Fachkräftemangel zu
kämpfen hat? Diese Fragen standen im
Mittelpunkt einer Studie, die die OnlineRecruiting-Praxis von 63 Krankenhäusern
und Kliniken unterschiedlicher Größen
untersuchte. Im Fokus standen Karriereseiten, Online-Stellenanzeigen sowie
weitere Online-Aktivitäten in Arbeitgeber-Bewertungsplattformen und SocialMedia-Netzwerken. Durchgeführt wurde
die Studie von der Recruiting-Beratung
Upo – Bausteine für Rekrutierungserfolg.
Bewertet wurden schwerpunktmäßig
Häuser, die nicht zu Klinikketten gehören. Insgesamt 170 Bewertungskriterien
wurden hierbei zugrunde gelegt.
Wenig Infos auf Karriereseiten
Wie die Untersuchung der Karriereseiten zeigt, besteht dort noch erhebliches
Optimierungspotenzial: Nur 18 Prozent
der Häuser informieren auf ihren Karriereseiten ausführlich über Eckdaten,
die für Bewerber relevant sind. Lediglich drei Prozent der Kliniken geben
umfassend Einblick in die Arbeitsbedingungen. Auskünfte zum Bewerbungsprozess erteilen sechs Prozent der Häuser. Welche Bewerbungsunterlagen sie
erwarten, teilt rund ein Drittel mit. Nur
zwei Prozent der Karrierewebseiten differenzieren nach verschiedenen Bewerbergruppen. Eine Ausnahme gibt es bei
den Azubis: Immerhin drei Viertel der
Seiten halten gesonderte Informationen
für künftige Azubis bereit. Eine Anpassung an mobile Endgeräte ist selten gegeben: Erst 19 Prozent der untersuchten
Karriereseiten sind mobil optimiert.
leistungen. Gut zwei Drittel der Stellenanzeigen haben keine Bilder. 20 Prozent
der Stellenanzeigen sind reine Fließtexte.
Lediglich bei etwas mehr als der Hälfte der Häuser sind die Stellenanzeigen
einheitlich gestaltet. Mobiltauglich sind
13 Prozent der Stellenanzeigen. Positiv
fällt die sehr hohe Zahl der namentlichen
Ansprechpartner in den Stellenanzeigen
auf (86 Prozent). Allerdings fehlen bei 75
Prozent der Anzeigen Verlinkungen zur
Webseite oder Social-Media-Auftritten.
Textlastige Online-Anzeigen
Auch die Analyse der Online-Stellenanzeigen offenbart Verbesserungsbedarf:
Überraschend viele Häuser verzichten
auf zentrale Bestandteile von Stellenanzeigen. Bei 44 Prozent fehlt ein Stellenprofil, 35 Prozent informieren nicht oder
nur sehr knapp über die Anforderungen
und 44 Prozent schreiben nichts oder
nur Allgemeines über die Arbeitgeber-
Weitere Online-Aktivitäten
Auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu und in Social Media sind
die Kliniken wenig präsent: 54 Prozent
VERGLEICH
Inhalte der Karriereseite
– keine Kriterien erfüllt
Information zu
Eckdaten Arbeitgeber
Information zu
Arbeitsbedingungen
Information zu
Bewerbungsprozess
Differenzierung nach
Bewerbergruppen
Emotionale Einblicke
0
10
Kliniken
20
30
40
Mittelstand
50
60
70
80
90
100
Angaben in Prozent
Im Online-Recruiting sind Krankenhäuser und Kliniken im Vergleich mit mittelständischen Unternehmen weniger gut aufgestellt.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
QUELLE: #OREP15, UPO
personalmagazin 08 / 15
65
wurden bisher nicht auf Kununu bewertet, nur acht Prozent haben mehr als zehn
Bewertungen. Keines der Häuser hat auf
Bewertungen reagiert. Ein Social-MediaProfil haben 48 Prozent der untersuchten Einrichtungen. Die meisten Profile
existieren auf Facebook, an zweiter Stelle liegt Xing. In den Profilen sind in den
meisten Fällen wenige bis gar keine Arbeitgeberinformationen zu finden, auch
der Aktivitätsgrad fällt eher gering aus.
Der Mittelstand ist aktiver
Eine identische Untersuchung zum
Online-Recruiting im Mittelstand aus
dem März 2015 macht deutlich, dass die
Gesundheitsbranche auch im direkten
Vergleich weniger gut aufgestellt ist.
Das betrifft insbesondere die Inhalte der
Karriereseiten (siehe Grafik). Bei den
Stellenanzeigen liegen die Kliniken bei
den Kriterien „Firmenprofil“, „Beschreibung Arbeitgeberleistungen“ und „persönlicher Ansprechpartner“ sogar leicht
vor den Mittelständlern.
Daraus lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Kliniken
müssen auf ihren Karriereseiten konkrete Informationen bereitstellen:
Unternehmensinfos, Angaben zu Arbeitsbedingungen sowie Eckpunkte
des Bewerbungsprozesses. Sie sollten
emotionale Einblicke geben und unterschiedliche Bewerbergruppen – Ärzte,
Pflegekräfte, medizinisch-technisches
Personal, Azubis – zielgruppengerecht
informieren. Auch die Nutzerfreundlichkeit muss gesteigert werden, durch
besser lesbare Schriften, besser strukturierte Texte und passende Bilder, Grafiken und Videos. Wichtig ist eine mobil
optimierte Darstellung – das gilt auch
für die Stellenanzeigen. Diese sollten
zudem konkrete und beispielorientierte
Angaben zu Aufgaben und Anforderungen enthalten und in einem zuvor definierten Corporate Design erscheinen.
DR. RUTH BÖCK ist Gesellschafterin von
Upo – Bausteine für Rekrutierungserfolg.
DR. K ARL-HEINRICH BRUCKSCHEN ist
Geschäftsführer von Upo – Bausteine für
Rekrutierungserfolg.
Taugt IT wirklich
dazu, Prozesse zu
verbessern?
Miteinander verknüpfte Prozesse abzubilden, um sie zu unterstützen und sie zu steuern – kurz: sie einfacher, sicherer, effizienter und
kostengünstiger zu machen – ist eine der vornehmsten Aufgaben
der IT. Um das in aller Vollständigkeit zu tun, sind meist mehrere
Lösungen notwendig, die dann zusammenspielen müssen. Häufig
verstecken sie sich hinter drei Buchstaben: ERP, MES, CRM, ECM,
BPM, PLM, … Doch wie wird aus diesen Einzellösungen ein Team?
Die Antwort finden Sie auf der IT & Business 2015.
Part of IT & Business
Fachlicher Träger
Ideeller Träger
Partner
www.itandbusiness.de
66 RECHT_NEWS
Weniger Papierkram
beim Mindestlohn?
Die Ministerin kündigt
Lockerungen an.
NACHGEBESSERT
Kopftuchstreit beendet?
Nur das Nötigste hatte der Landtag in
Nordrhein-Westfalen am Schulgesetz
geändert. Im Zusammenhang mit dem
Kopftuchstreit hatte das Bundesverfassungsgericht einen Absatz des Schulgesetzes für nichtig erklärt, den die
Parlamentarier nun angepasst haben.
Die Karlsruher Richter monierten jedoch
auch das pauschale Kopftuchverbot. Der
Schulfrieden oder die staatliche Neutralität müsse für ein Verbot nicht abstrakt,
sondern hinreichend konkret gefährdet
sein. Das Schulgesetz war in diesem
Punkt nicht zwingend zu ändern, jedoch
verfassungsgemäß auszulegen. Daher
passten die Parlamentarier – trotz Kritik
– die Vorschriften nicht an, zum Beispiel
um Anhaltspunkte für eine konkrete
Gefahr. Das lässt Spielraum für Interpretationen, wobei unabhängig davon der
Streit ums Kopftuch bleiben dürfte. Das
zeigt nicht zuletzt ein Fall der Berliner
Verwaltung, die einer Referendarin erst
nach eingehender Prüfung erlaubte, die
Ausbildungsstation dort abzuleisten.
Weniger Mindestlohn-Bürokratie
E
in halbes Jahr nach Einführung des Mindestlohns lockert Arbeitsministerin Andrea Nahles die umstrittenen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten. Bislang müssen Arbeitgeber – soweit sie zu einer
der neun im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Branchen zählen
– für Arbeitnehmer mit einem Gehalt bis zu 2.958 Euro den Beginn, das Ende
und die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzeichnen. Diese Gehaltsschwelle
soll nun gesenkt werden. Künftig sollen Arbeitgeber bei Arbeitsverhältnissen mit längerem Bestand die Arbeitszeit nicht mehr aufzeichnen, wenn der
Beschäftigte regelmäßig 2.000 Euro
RECHNER
brutto pro Monat verdient und diesen
Lohn die vergangenen zwölf Monate Der Mindestlohnrechner in unserer
auch tatsächlich empfangen hat. Mit App berechnet den Stundenlohn unter
dieser Änderung geht Nahles auf eine Berücksichtigung aller anrechenbaren
wesentliche Forderung der Union ein, Bestandteile Ihrer Mitarbeiter.
die Aufzeichnungspflicht zu mildern.
NEWS DES MONATS
Bestandsprüfung Krankenkassen sollen künftig Meldungen der Arbeitgeber mit ihrem Datenbestand abgleichen und Bestandsprüfungen vornehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers werden ab 2016 Beitragsnachweise, AAG-Anträge und Meldungen abgewiesen, sofern
Abweichungen vorliegen. Statt Aufklärung in der Sachbearbeitung weisen die Kassen die fehlerhaften Meldungen also maschinell zurück.
UV-Jahresmeldung Ab dem Jahr 2016 wird das Meldeverfahren bezüglich der Unfallversicherung modernisiert. Vorbei die Zeit, in der
Arbeitgeber die Daten zur Unfallversicherung in jeder Meldung angeben müssen. Stattdessen wird es eine neue UV-Jahresmeldung geben.
Arbeitgeberdarlehen Die Verwaltung hat ihren Erlass zur steuerlichen Behandlung von Arbeitgeberdarlehen aktualisiert. Berücksichtigt werden dabei insbesondere die neuen Entwicklungen der Rechtsprechung zur Bestimmung des maßgebenden Preises bei Sachbezügen.
Syndikusanwälte Das Bundessozialgericht hatte zuletzt die Praxis zur Rentenbefreiung der in Unternehmen beschäftigten Freiberufler
gerügt. Nun hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der insbesondere für angestellte Rechtsanwälte Klarheit bringen soll.
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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
personalmagazin 08 / 15
67
Freigrenze erhöht
Neue AU-Bescheinigung ab 2016
ntsprechend der Entwicklung des
steuerlichen Grundfreibetrags
gelten seit 1. Juli 2015 auch neue
Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen. Der monatlich unpfändbare
Grundbetrag beträgt künftig 1.073,88
Euro anstatt bislang 1.045,04 Euro. Sind
gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen, erhöht er sich um monatlich 404,16
Euro für die erste und für die zweite bis
fünfte Person um jeweils weitere 225,17
Euro. Die Pfändungsfreigrenzen werden
alle zwei Jahre jeweils zum 1. Juli angepasst. Seit dem letzten Stichtag hat sich
der steuerliche Grundfreibetrag um 2,76
Prozent erhöht.
as gelbe Formular, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, hatte vermutlich
jeder Berufstätige und Personaler
schon in der Hand. Zum Januar
2016 wird dieses Papier nun mit
dem sogenannten Auszahlschein
in einem Muster zusammengefasst.
Bei Arbeitgebern sorgt ein Durchschlag der neuen einheitlichen
Bescheinigung für mehr Klarheit:
Geschwärzte Kopien des Auszahlscheins oder zusätzlich ausgestellte AU-Bescheinigungen während
des Krankengeldbezugs sind so
für den Nachweis der Arbeitsunfä-
E
D
higkeit nicht mehr nötig. Bislang
versenden Krankenkassen an den
Versicherten einen Auszahlschein,
den der Arzt ausfüllen muss, wenn
Krankengeld bezogen werden soll.
Diese Zusatzabfrage kann den
Übergang von Entgeltfortzahlung
– mit AU-Bescheinigung – zu Krankengeld – mit Auszahlschein – verzögern. Künftig wird durchgehend
die neue AU-Bescheinigung genutzt. Durch die neuen Standards
können Ärzte das Formular auch
während des Krankengeldbezugs
leichter und IT-gestützt ausfüllen
und dadurch Fehler vermeiden.
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68 RECHT_URTEILSDIENST
URTEIL DES MONATS
BVerfG: Blutspendedienst muss Mitbestimmung zulassen
nützig registriert und genießt steuerrechtliche Vorzüge, arbeitsrechtlich könne sich die Gesellschaft jedoch nicht auf
eine Sonderstellung als Tendenzbetrieb
berufen, entschied das Bundesarbeits-
In der BAG-Entscheidung ging es darum, einen Wirtschaftsausschuss
im Unternehmen zu bilden. Für Tendenzbetriebe finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zum Wirtschaftsausschuss jedoch keine Anwendung. Auf den Tendenzschutz können
sich nur die Arbeitgeber berufen, die die Voraussetzungen des §
118 BetrVG erfüllen. Das BAG hatte in seiner Entscheidung den in
der Vorschrift enthaltenen Begriff „karitativ“ eng ausgelegt. Ein Unternehmen diene nur dann unmittelbar karitativen Bestimmungen,
wenn der Tendenzzweck in dem Unternehmen selbst verwirklicht
wird. Der Dienst der Organisation müsse danach den leidenden
Menschen direkt zugutekommen.
Diese enge Auslegung verstoße nicht gegen die Verfassung,
entschied nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). So könne
sich der Blutspendedienst nicht auf Artikel 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG
berufen. Zwar werde das Unternehmen von einer übergreifend
karitativ-humanitären Bestimmung geleitet. Eine religiöse oder
weltanschauliche Dimension sei jedoch kein bestimmendes Element
der Tätigkeit, begründeten die Verfassungsrichter ihre Entscheidung.
Das BAG-Urteil beruhe auch nicht auf sachfremden und damit
willkürlichen Erwägungen. Vielmehr folge das BAG anerkannten
Grundsätzen. Nicht zuletzt schränke das BAG-Urteil auch nicht die
BAG FRAGT EUGH
gericht (BAG) bereits 2012. Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Verfassungsbeschwerde gegen das BAG-Urteil
bereits im Vorfeld abgelehnt und nicht
zur Entscheidung angenommen.
© ANDY_Q / THINKSTOCKPHOTOS.DE
Es verstößt nicht gegen die Verfassung,
wenn das oberste deutsche Arbeitsgericht einen Blutspendedienst nicht als
karitativen Tendenzbetrieb anerkennt.
Zwar sei die Organisation als gemein-
Blut abnehmen: Ein entsprechender Dienst ist kein Tendenzbetrieb.
Berufsfreiheit (Art. 12 GG) in unzumutbarer Weise ein. Dem Verfassungsgericht fehlten letztlich auch Anhaltspunkte dafür, dass die
Tätigkeit des Blutspendediensts durch die Bildung eines Wirtschaftsausschusses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde..
Quelle BVerfG, Beschluss vom 30.4.2015, Az. 1 BvR 2274/1
BVERFG ZUM MINDESTLOHN
ZUSAMMENFASSUNG Mit den Auswirkungen einer sogenannten
dynamischen Bezugnahmeklausel beim Betriebsübergang hatte sich
das BAG zu beschäftigen. Ob dessen Auslegung – die Richter sehen
den Erwerber eines Betriebsteils an eine solche Klausel gebunden,
als habe er diese selbst mit dem Arbeitnehmer getroffen – mit EURecht vereinbar ist, muss nun vorab der EuGH klären.
ZUSAMMENFASSUNG Mit zwei anderen Verfassungsbeschwerden
gegen das Mindestlohngesetz wies das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) auch jene von 14 ausländischen Transportunternehmen
als unzulässig ab. Die Betriebe wehrten sich gegen die Pflicht, den
– auch nur kurzfristig – im Inland beschäftigten Arbeitnehmern den
Mindestlohn zu zahlen und Meldungen nachzukommen.
RELEVANZ Spannend ist die Wirkung der dynamischen Bezugnahmeklausel – grob gesagt, des arbeitsvertraglichen Verweises auf einen
Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung – bei einem Betriebsübergang, wenn für den Erwerber andere Tarifwerke gelten. Die
BAG-Rechtsprechung geriet in Konflikt mit der „Alemo-Herron“-Entscheidung des EuGH. Dieser kann nun seine Auslegung präzisieren.
RELEVANZ Die Aufmerksamkeit war der Transportbranche sicher, als
die Mindestlohnpflicht im Transitverkehr sogar auf europäischer Ebene diskutiert wurde. Das BVerfG äußerte sich nun nicht inhaltlich zu
der Beschwerde, da die Fachgerichte vorrangig zuständig sind. Das
BVerfG gab aber schon wichtige Fragen vor, die sich die Fachgerichte
stellen müssen – bevor zuletzt doch wieder das BVerfG entscheidet.
Quelle Quelle BAG, Besschluss vom 17.5.2015, Az. 4 AZR 61/14 (A)
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
BVerfG, Beschluss vom 25.6.2015, Az. 1 BvR 555/15
personalmagazin 08 / 15
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70 RECHT_BETRIEBSRAT
Die Höhe des Anwaltshonorars
PRAXIS. Die Vergütung des Betriebsratsanwalts sorgt häufig für Unmut bei Arbeit­
gebern. Insbesondere beim Gegenstandswert oder Stundensatz bleiben Fragen offen.
Von Bernd Weller A
llein die Tatsache, dass der Ar­
beitgeber die gegen ihn gerich­
tete Beratung des Betriebsrats
zu zahlen hat, sorgt für nega­
tive Emotionen und ist häufig Anlass für
einen Streit zwischen Arbeitgeber und
Betriebsrat. Auch die fehlende Rechtssi­
cherheit, insbesondere zur Höhe des An­
waltshonorars, fördert einen Konflikt. Soll
die Vergütung des Betriebsratsanwalts
jedoch richtig bewertet werden, müssen
Arbeitgeber zwischen der grundsätz­
lichen Erstattungsfähigkeit der Kosten
des Betriebsratsanwalts („ob“) und der
konkreten Höhe („wie viel“) differenzie­
ren. Ferner ist nach der konkreten Rolle
des Anwalts zu unterscheiden.
Beisitzer in Einigungsstelle
Die Vergütung als Beisitzer einer Ei­
nigungsstelle ist eindeutig geregelt
und damit selten Anlass für Streit zwi­
schen Arbeitgeber und Betriebsrat. Der
Betriebs­rat benennt nach § 76 Abs. 2
Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (Be­
trVG) „seine“ Beisitzer in der Einigungs­
stelle selbst. Der Betriebsrat entscheidet
allein und ohne Mitentscheidungsbe­
fugnis des Arbeitgebers, ob betriebsan­
gehörige oder externe Beisitzer benannt
werden. Begrenzt wird dieses Auswahl­
recht nach der Rechtsprechung des BAG
nur, wenn der benannte Beisitzer offen­
kundig nicht für dieses Amt qualifiziert
ist. Da Juristen aber grundsätzlich hier­
für infrage kommen, kann mit diesem
Argument ein Betriebsratsanwalt nur
höchst selten ausgeschlossen werden.
Mit der Auswahl des Beisitzers ist
zugleich die Entscheidung über die Ver­
Am Ende bezahlt der
Arbeitgeber: Häufig ist die
Vergütung des Betriebsratsanwalts Anlass für Streit.
personalmagazin 08 / 15
71
ARBEITSHILFE
Fachbeitrag Die notwendigen Kosten des
Betriebsrats (HI3547060)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
gütungspflicht des Arbeitgebers gefällt.
Der Arbeitgeber hat gemäß § 76a Abs. 1
BetrVG die Kosten der Einigungsstelle
zu tragen. Dazu gehört nach § 76a Abs. 3
BetrVG auch die Vergütung der externen
Beisitzer. In der Praxis erhalten externe
Beisitzer 70 Prozent der Vergütung des
Einigungsstellenvorsitzenden.
Bevollmächtigter in Einigungsstelle
Immer wieder lassen sich Betriebsräte
durch einen Prozessbevollmächtigten
in der Einigungsstelle begleiten, insbe­
sondere wenn die Zahl der Beisitzer so
niedrig bemessen ist, dass nicht genug
Plätze für alle Betriebsratsfraktionen
und den Betriebsratsanwalt existieren.
Allerdings: Die Aufgabe der Einigungs­
stelle ist es, Sachverhalte zu regeln und
nicht Rechtsfragen zu entscheiden. Da­
her ist fraglich, ob die Einbindung eines
Rechtsanwalts zusätzlich zu den Beisit­
zern in der Einigungsstelle erforderlich
ist. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG muss der
Arbeitgeber nur die erforderlichen Kos­
ten der Betriebsratsarbeit übernehmen.
Da die Regelung von Sachverhalten (Be­
triebsvereinbarung zur Arbeitszeit, zum
Rauchverbot et cetera) die Kernaufgabe
des Betriebsrats ist, kann – gerade in
einem Einigungsstellenverfahren, in
dem ein neutraler und juristisch vorge­
bildeter Vorsitzender das Procedere leitet
– über diese Erforderlichkeit gestritten
werden. Sie wird wohl nur in komplexen
Regelungsmaterien anzunehmen sein.
Angenommen, die Begleitung der
Einigungsstelle durch einen Prozess­
bevollmächtigten ist erforderlich, so
bleibt die Frage nach der erforderlichen
Vergütungshöhe. Hier lauert immen­
ses Streitpotenzial. Die Vergütung von
Rechtsanwälten ist im Rechtsanwaltsver­
gütungsgesetz (RVG) geregelt. Danach
bestimmt sich das Honorar anhand des
Gegenstands- oder Streitwerts einer An­
gelegenheit sowie nach der Höhe des
jeweils zulässigen Hebesatzes einer
Gebühr (Geschäftsgebühr, Verfahrens­
gebühr, Terminsgebühr et cetera). Bei
betriebsverfassungsrechtlichen Strei­
08 / 15 personalmagazin
tigkeiten geht es um das (Nicht-)Beste­
hen eines Mitbestimmungsrechts. Als
solches ist dies nicht zu beziffern. Es
handelt sich um eine nichtvermögens­
rechtliche Streitigkeit, für die das RVG
einen Hilfswert von 5.000 Euro vorsieht.
Da dies keine hohe Vergütung für
die Anwälte begründet, werden Wege
gesucht, das Honorar zu erhöhen. So
gehen verschiedene Arbeitsgerichte
davon aus, dass der Wert des Mitbe­
stimmungsrechts steigt, wenn mehr
Mitarbeiter (potenziell) davon betrof­
fen sind, das Betriebsratsgremium also
größer ist. Der Hilfswert von 5.000 Euro
wird dann mit der Anzahl der Betriebs­
ratsmitglieder oder der Zahl der betrof­
fenen Mitarbeiter multipliziert. Das BAG
hingegen vertritt die Auffassung, dass
ein Mitbestimmungsrecht nicht dadurch
wertvoller wird, dass es mehr oder weni­
ger Mitarbeiter betrifft. Zuweilen wurde
auch versucht, zum Beispiel den Streit
über das Sozialplanvolumen, der durch
utopisch hohe Forderungen riesige Di­
mensionen annehmen kann, als Maßstab
für die Anwaltsvergütung zu nehmen.
Das hat sich zu Recht nicht durchgesetzt.
Die Vereinbarung von Stundensät­
zen ist in der Praxis zwar üblich, steht
aber rechtlich auf tönernen Füßen (sie­
he Kasten auf Seite 72). Da das Konzept
der Erforderlichkeit nach § 40 BetrVG
auch größtmögliche Kostenschonung
des Arbeitgebers vorsieht, ist eine
Stundenhonorarvereinbarung nur in
Ausnahmefällen ohne Zustimmung des
Arbeitgebers wirksam.
Vertreter bei Rechtsstreitigkeiten
Natürlich hat der Betriebsratsanwalt
in seiner forensischen Tätigkeit einen
Anspruch auf Vergütung. Die Arbeits­
gerichte sind bei der Frage, ob die
Einschaltung eines Rechtsanwalts im
Zusammenhang mit einem Gerichtsver­
fahren erforderlich ist, großzügig. Nur
in krassen Ausnahmenfällen wird dies
verneint, etwa wenn das vom Betriebs­
rat angestrengte Verfahren offenkundig
keinen Erfolg verspricht.
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
www.haufe.de/hi3547060
Bezüglich der Vergütungshöhe hin­
gegen kann umfänglich auf die Ausfüh­
rungen zum Prozessbevollmächtigten in
der Einigungsstelle verwiesen werden.
Auch hier findet der Streit über die Hö­
he der Vergütung – und den jeweiligen
Gegenstandswert nach RVG – oft statt.
Erstaunlicherweise werden bei Gerichts­
verfahren selten Stundensatzvereinba­
rungen getroffen. Hier ist also nach der
Praxiseinschätzung der Arbeitsgerichte
der Betriebsratsanwalt unabhängig von
der Komplexität der Materie und dem je­
weiligen Gegenstandswert dazu bereit,
auf RVG-Basis tätig zu werden. Warum
dies bei außergerichtlichen Angelegen­
heiten ausgeschlossen sein soll, bleibt
das Geheimnis der Arbeitsgerichte.
Außergerichtliche Beratung
Für den Betriebsrat gibt es – auch nicht
aus dem Gedanken der Waffengleichheit
heraus – kein Recht auf arbeitsrechtliche
Dauerberatung. Das BAG weist darauf
hin, dass Betriebsratsmitglieder nach
§ 36 Abs. 6 und Abs. 7 BetrVG umfang­
reich zur Teilnahme an Schulungen auf
Kosten des Arbeitgebers berechtigt sind.
Diese sind kein Selbstzweck, sondern sol­
len das nötige Wissen vermitteln.
Für die außergerichtliche Tätigkeit
eines Anwaltes gilt § 80 Abs. 3 BetrVG.
Danach kann der Betriebsrat externe
kostenpflichtige Sachverständige (auch
Rechtsanwälte) nur beauftragen, wenn
• das Betriebsratsgremium zuvor durch
Beschluss
• die Zustimmung des Arbeitgebers
• zur Beauftragung eines konkret be­
nannten Rechtsanwalts
• mit der Beantwortung einer konkret
benannten Frage
• und zu einem konkret vorgesehenen
Honorarvolumen erbeten hat und
• der Arbeitgeber seine Zustimmung
erteilt hat.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
72 RECHT_BETRIEBSRAT
Das bedeutet: Ohne Zustimmung des
Arbeitgebers darf der Betriebsrat sei­
nen Anwalt außergerichtlich nicht man­
datieren. Er muss nach der Konzeption
des Gesetzes hingegen ein Verfahren
vor den Arbeitsgerichten führen, in dem
die Verpflichtung des Arbeitgebers zur
Zustimmung zu der Mandatierung des
externen Anwalts erreicht werden soll.
Nach dem Gesetz sollen die Kosten von
Sachverständigen gering gehalten und
dem Arbeitgeber die Möglichkeit ein­
geräumt werden, eigene Erkenntnis­
quellen (Mitarbeiter oder vorliegende
Memoranda eines Anwalts) zu nutzen.
Der Betriebsrat kann dem nicht das Ar­
gument der „Befangenheit“ entgegnen.
Ausschließlich in Fällen der Betriebs­
änderung in Betrieben mit mehr als 300
Arbeitnehmern kann der Betriebsrat auch
ohne Zustimmung des Arbeitgebers exter­
ne Berater hinzuziehen. Auch dann ist er
jedoch an die Grenzen der Erforderlich­
keit im Sinne des § 40 BetrVG gebunden.
Konsequenz: Haftet der Betriebsrat?
Werden die geschilderten Grenzen bei
der Mandatierung vom Betriebsrat nicht
eingehalten, ist es wie sonst im Leben
auch: Wer Grenzen überschreitet, haftet
dafür. Tatsächlich haftet das handeln­
de Betriebsratsmitglied dem externen
Sachverständigen gegenüber für das Ho­
norar, ohne dass damit ein Freistellungs­
anspruch gegen den Arbeitgeber ver­
bunden wäre. Nach Auffassung von BAG
und BGH ist dies der Preis einer freien
Gesellschaft – wer handelt, muss auch
die Konsequenzen tragen. Dies ist kein
Verstoß gegen den Grundsatz, wonach
das Betriebsratsamt nicht mit finanziel­
len Nachteilen oder Vorteilen verbunden
sein darf. Denn dies gewährt keine Nar­
renfreiheit oder Generalfreistellung.
BETRIEBSRATSANWALT
Ist das Stundenhonorar erforderlich?
Die Vereinbarung von Stundensätzen ist in der Praxis zwar üblich, steht aber rechtlich
auf tönernen Füßen. Zumal die vorgebrachten Argumente nicht überzeugen.
In der Praxis werden Stundensätze für Betriebsratsanwälte bisweilen von Arbeitsgerichten mit den folgenden Argumenten gutgeheißen:
• Ein Stundensatz in der konkreten Höhe (200 bis 300 Euro) sei üblich,
• auch der Arbeitgeber zahle seinem anwaltlichen Berater ein Stundenhonorar und
• auf dem Markt sei kein Betriebsratsanwalt bereit, ein Mandat anzunehmen, das nicht
auf Stundenbasis vergütet werde.
Das erste Argument ist bei näherer Betrachtung kein Argument, sondern ein Tatsachenbefund. Er hat allerdings keinerlei Aussagekraft. Dass eine bestimmte Honorarabrede
mit Zustimmung des Arbeitgebers in der Praxis häufig getroffen wird, sagt nichts darüber aus, welche Vergütung das Betriebsratsgremium gegen den Willen des Arbeitgebers
auf dessen Kosten beschließen darf. Das Argument der Waffengleichheit ist sozialromantisch, aber dem BetrVG nicht zu entnehmen. Die Behauptung, es sei doch kein
(guter) Anwalt ohne Stundenhonorar zu finden, wird mantraartig wiederholt; eine Beweisaufnahme dazu findet jedoch nie statt. Die Praxis belegt sehr wohl, dass zahlreiche
Betriebsratsanwälte auch auf Basis des RVG tätig werden. Da die Erforderlichkeit nach
§ 40 BetrVG auch größtmögliche Kostenschonung des Arbeitgebers vorsieht, ist eine
Stundenhonorarvereinbarung nur in Ausnahmen ohne dessen Zustimmung wirksam.
Allerdings kommt die Haftung fast nie
zum Tragen. Zum einen wird der Anwalt
denjenigen, der regelmäßig Mandate
bringt, nicht in Haftung nehmen. Zum
anderen kann sich der Betriebsrat ge­
genüber dem externen Anwalt darauf
berufen, dass für diesen die Unzulässig­
keit der Mandatierung erkennbar war.
Weiche Faktoren sind Teil des Streits
Abschließend sei darauf hingewiesen,
dass häufig auch weiche Faktoren den
Streit über das Honorar des Betriebs­
ratsanwalts bestimmen. So ist der Ar­
beitgeber meist strengen Vorgaben für
die Auftragsvergabe unterworfen. Die
eigenen Anwälte müssen sich also in
„Beauty Contests“ und Vergabeverfah­
ren bewähren. Betriebsratsgremien
entscheiden hingegen freihändig. Die
Unternehmensrichtlinien sind freilich
nicht anwendbar. Die Mandatsentschei­
dung des Betriebsrats ist oft schon des­
halb für den Arbeitgeber ein rotes Tuch.
Hinzu kommt die Geheimniskrämerei,
die manche Betriebsratsanwälte um ihre
Tätigkeit machen. Oft weigern sie sich,
die Honoraransprüche so zu belegen,
wie dies nach der BGH-Rechtsprechung
erforderlich ist. Unter Hinweis auf die
anwaltliche Verschwiegenheitspflicht
werden Angaben zu zeitlichem Umfang
und Inhalt der Beratung selbst bei Stun­
densatzvereinbarungen verweigert. Dies
führt jedoch nur dazu, dass Arbeitgeber
die Rechnung mangels unzureichender
Substanziierung nicht zu zahlen haben.
Letztlich dürfte ein Stundenhonorar
der Betriebsratsanwälte in der Regel
nicht erforderlich sein. Nach RVG gibt es
wiederum viel Raum für Streit. Insofern
wäre eine einheitliche Linie der Gerichte
oder die Aufgabe der gesetzgeberischen
Zurückhaltung angebracht. Ein leidiges
Streitthema würde so beseitigt. BERND WELLER ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und
Partner der Sozietät Heuking
Kühn Lüer Wojtek.
personalmagazin 08 / 15
© MARKUS DEHLZEIT / FOTOLIA.DE
RECHT_TARIFVERTRÄGE 73
Nur für Mitglieder: Tarifverträge differenzieren
Leistungen nach Gewerkschaftszugehörigkeit.
Geschlossene Gesellschaft
URTEIL. Eine neue Praxis kommt auf Unternehmen zu: Tarifverträge enthalten häufig
Klauseln, die bestimmte Leistungen nur für Gewerkschaftsmitglieder vorsehen.
Von Thomas Muschiol M
uss sich unser Unterneh­
men eigentlich zwingend an
einen Tarifvertrag halten?
Diese Frage wird in der Pra­
xis im Ergebnis häufig allein dann schon
bejaht, wenn das Unternehmen einem
Arbeitgeberverband angehört oder am
Abschluss eines Haustarifvertrags mit­
gewirkt hat. Entsprechend wird diese Er­
kenntnis dann meist dadurch umgesetzt,
dass in den Arbeitsverträgen aller Mitar­
beiter auf diese Tarifbindung hingewiesen
08 / 15 personalmagazin
wird, indem etwa folgende Formulierung
auftaucht: „Im Übrigen gilt für das Ar­
beitsverhältnis der Tarifvertrag xy“.
Die arbeitsrechtlich gespaltene
Belegschaft ist Realität
Arbeitsrechtlich gesehen reicht es für
eine exakte Beschreibung der Rechtsla­
ge nicht aus, auf die Tarifbindung des
Unternehmens hinzuweisen. Vielmehr
müsste die Antwort auf die Ausgangs­
frage wie folgt lauten: Da das Unterneh­
men tarifgebunden ist, muss der Tarif­
vertrag zwingend auf alle Mitarbeiter
angewandt werden, die ihrerseits tarif­
gebunden sind, also der Gewerkschaft
angehören, die den Tarifvertrag mit
dem Verband, dem das Unternehmen
angehört, abgeschlossen hat. Für diese
Mitarbei­ter entfaltet der Tarifvertrag in­
soweit sogenannte normative Wirkung.
Das bedeutet, dass das Unternehmen
sich an einen solchen wie an ein Gesetz
halten muss, auch ohne dass im Arbeits­
vertrag ein Wort über die Anwendung
des Tarifvertrags verloren wird. Geht
man davon aus, dass in kaum einem Un­
ternehmen der Organisations­grad bei
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
74 RECHT_TARIFVERTRÄGE
100 Prozent liegen dürfte, heißt das zu­
nächst: Entschließt sich ein Unterneh­
men, einem tarifschließenden Arbeit­
geberverband beizutreten oder Partner
eines Haustarifvertrags zu werden, be­
steht die normative Pflicht, sich an ei­
nen Tarifvertrag zu halten, nur für den
Teil der Belegschaft, die Gewerkschafts­
mitglieder sind. Und nicht nur das: Das
Beispiel der Auseinandersetzung zwi­
schen der Gewerkschaft der Lok­führer
und der Deutschen Bahn zeigt, dass die
Beantwortung der Frage, wann eine nor­
mative Tarifbindung besteht, auch noch
davon abhängen kann, in welcher Ge­
werkschaft der jeweilige Mitarbeiter ist.
Die arbeitsrechtlich gespaltene
Belegschaft ist Realität
Daraus folgt, dass Unternehmen hinsicht­
lich ihres arbeitsrechtlichen Vertrags­
gestaltungsspielraums zwei Gruppen
von Arbeitnehmern gegenüberstehen:
denen, die in der (richtigen) Gewerk­
schaft sind und bei denen auch ohne Hin­
weis im Arbeitsvertrag der Tarifvertrag
normative Wirkung entfaltet, und denen,
die nicht in der (richtigen) Gewerkschaft
sind und bei denen die Arbeitsbedin­
gungen im Rahmen der allgemeinen
arbeitsrechtlichen Vertragsfreiheit ohne
Rücksichtnahme auf die Bestimmungen
des Tarifvertrags frei gestaltet werden
können. So wäre es insoweit durchaus
denkbar, mit Mitarbeitern der letzteren
Gruppe einen über die tarifliche Arbeits­
zeit hinausgehenden Arbeitsvertrag über
eine 40-Stunden-Woche abzuschließen
und dies mit einem erheblichen Lohnzu­
schlag zu kompensieren.
Angenommen, jedem Personalver­
antwortlichen ist bewusst, dass diese
Möglichkeiten der Differenzierung exis­
tieren: Es werden sich wohl – wenn
überhaupt – nur in wenigen Unterneh­
men solche Arbeitsverträge finden, bei
denen von dieser legalen Möglichkeit
Gebrauch gemacht wird. Der Grund liegt
auf der Hand: Jeder nicht tarifgebundene
Mitarbeiter hat es in der Hand, durch
schlichten Beitritt in die Gewerkschaft
HINWEIS
Der Irrtum mit AT-Verträgen
Gerade in höherrangigen Positionen vereinbaren Arbeitgeber und Beschäftigter ein
außertarifliches Arbeitspapier. Dabei ist der Blick auf den Geltungsbereich des Tarifvertrags zu richten.
„Die Parteien schließen folgenden außertariflichen Arbeitsvertrag.“ Wenn tarifgebundene
Unternehmen mit einer solchen Formulierung arbeiten, wollen sie erreichen, dass für
diesen Mitarbeiter ein Tarifvertrag gerade nicht gelten soll. Ist dieser Mitarbeiter in der
Gewerkschaft, so ist ein solcher Vertrag nur sinnvoll, wenn es sich um eine Tätigkeit beziehungsweise Position handelt, die vom Tarifvertrag selbst ausdrücklich aus dem tariflichen
Geltungsbereich ausgeklammert wird. Ist dieser Mitarbeiter nicht in der Gewerkschaft, so
kann mangels normativer Tarifbindung auch bei „normalen“ Tätigkeiten vom Tarifvertrag
abgewichen werden. Dieser Mitarbeiter kann aber durch schlichten Gewerkschaftsbeitritt
die vom Tarifvertrag abweichenden Vertragsbestandteile unwirksam werden lassen.
DISKRIMINIERUNG
Ist die Gewerkschafts-Frage erlaubt?
Das Interesse an der Gewerkschaftszugehörigkeit hat im Bewerbungsverfahren im
Grundsatz nichts zu suchen. Während des Arbeitsverhältnisses kann die Frage jedoch
durchaus notwendig sein.
„Sind Sie Gewerkschaftsmitglied?“ Wenn diese Frage im Rahmen von Einstellungsgesprächen oder in einem Bewerbungsfragebogen gestellt wird, handelt es sich um eine
unzulässige Frage, bei der dem Bewerber ein sogenanntes Recht zur Lüge zugestanden
wird. Anders sieht es jedoch im laufenden Beschäftigungsverhältnis aus. Hier ist die
Frage immer dann erlaubt, wenn dies für die Berechnung des Lohns oder zur Einhaltung
sonstiger Tarifvorschriften notwendig ist. Erst recht dann, wenn in einem Tarifvertrag eine
zulässige Differenzierungsklausel besteht. Völlig neue Bedeutung hat die Frage nach der
Gewerkschaftszugehörigkeit durch die Aufgabe der Rechtsprechung zur Tarifeinheit erlangt. Da es insoweit möglich ist, dass in einem Unternehmen mehrere Tarifverträge gelten, sind unter Umständen auch Angaben zur Frage, welche Gewerkschaftszugehörigkeit
besteht, notwendig. Allerdings wird insoweit ein aktuelles BAG-Urteil zu berücksichtigen
sein (Urteil vom 18.11.2014, Az. 1 AZR 257/13). Darin wurde einem Arbeitgeberverband
untersagt, sein Fragerecht im Vorfeld von Tarifergebnissen schon im Rahmen von Tarifverhandlungen auszuüben. Es muss also ein konkreter objektiver Anlass bestehen.
die normative Wirkung eines Tarifver­
trags herbeizuführen. Nimmt er diese
Möglichkeit wahr, so würde die vormals
legale Abweichung von einem Tarifver­
trag vom Beitritt in die Gewerkschaft an
unwirksam, da eine einzelvertragliche
Abweichung von einem normativ gel­
tenden Tarifvertrag nicht möglich ist.
Die traditionelle Folge dieser Situa­
tion ist: Die meisten Unternehmen, die
sich für eine Tarifbindung entschieden
haben, verhalten sich faktisch gegen­
über allen Mitarbeitern so, als wenn ihr
Tarifvertrag unterschiedslos normative
Wirkung hätte und stellen dies durch
einen entsprechenden Hinweis „auf die
personalmagazin 08 / 15
75
Geltung des Tarifvertrags“ gegenüber
den Arbeitnehmern in den Arbeitsver­
trägen klar.
Exklusive Besserstellung im
Interesse der G
­ ewerkschaft
Dass Unternehmen von der Möglichkeit,
zwischen Mitarbeitern mit und ohne
Gewerkschaftsausweis zu differenzie­
ren, bisher so gut wie keinen Gebrauch
machen wollen, hat aber auch eine un­
ternehmerpolitische Bedeutung. Man
stelle sich vor, ein Unternehmen käme
auf die Idee, eine bestimmte tarifver­
tragliche Leistung nur dann zu gewäh­
ren, wenn es „sein muss“, sprich wenn
der Mitarbeiter in der (richtigen) Ge­
werkschaft ist. Er dürfte sich in einem
solchen Fall über das anschließende An­
steigen des gewerkschaftlichen Organi­
sationsgrads nicht wundern.
Im Gegenzug dürfte nachvollziehbar
sein, dass die Gewerkschaften gerade
ein hohes Interesse daran haben, dass
Unternehmen für ihre Mitglieder eine
exklusive Besserstellung durchführen.
Das wirft jedoch folgende Frage auf:
Können die Gewerkschaften im Wege
von Tarifverhandlungen oder gegebe­
nenfalls durch Streiks durchsetzen,
dass Leistungen eines Tarifvertrags nur
Gewerkschaftsmitgliedern zugutekom­
men?
Die Antwort mag zunächst verblüf­
fend klingen: Selbstverständlich dürfen
sie dies, denn es liegt in der Natur von
Tarifverhandlungen, dass die daran be­
teiligten Gewerkschaften nur Ansprü­
che ihrer Mitglieder begründen können.
Nicht aus der Natur von Tarifverhand­
lungen ergibt sich dagegen ein Verbot,
Tarifverträge auch freiwillig auf nicht ge­
werkschaftlich organisierte Mitarbeiter,
sogenannte Außenseiter, anzuwenden.
Was aber wäre, wenn es einer Gewerk­
schaft gelänge, in einen Tarifvertrag ei­
ne solche Differenzierungsklausel für
Gewerkschaftsmitglieder ausdrücklich
hinein zu verhandeln oder zu erstreiten?
Müssten sich dann die tarifgebundenen
Unternehmen daran halten?
08 / 15 personalmagazin
Die Antwort lautet zunächst: nein. Eine
solche Vereinbarung wäre verfassungs­
widrig, weil es gegen die sogenannte
„negative Koalitionsfreiheit“ verstößt.
Sie würde nämlich die Außenseiter fak­
tisch dazu zwingen, der Gewerkschaft
beizutreten. So musste sich das Bundes­
arbeitsgericht (BAG) im Jahr 2011 (Ur­
teil vom 23.3.2011, Az. 4 AZR 366/09)
mit der Wirksamkeit einer sogenannten
„Spannenklausel“ beschäftigen. Dies
waren Verhandlungsergebnisse, die in
Tarifverträgen absichern sollten, dass
Gewerkschaftsmitglieder immer einen
definierten prozentualen Gehaltsvor­
sprung vor ihren nicht organisierten
Kollegen haben. „Wegen Überschreitung
der Tarifmacht“, so das BAG, seien derar­
tige Klauseln unwirksam.
Konkrete Sonderzahlung für
Gewerkschafter wirksam
Was aber ist, wenn nicht der Tarifvertrag
als Ganzes oder bestimmte Abschnitte
in Tarifverhandlungen als „Exklusiv­
leistung“ bezeichnet werden, sondern
es den Gewerkschaften gelingt, einzelne
Zuwendungen, etwa eine Sonderzah­
lung oder eine „Erholungsbeihilfe“, aus­
schließlich für Gewerkschaftsmitglie­
der in den Tarifvertrag zu bekommen?
An dieser Stelle ist Schluss mit einem
pauschalen Verweis auf die „negative
Koalitionsfreiheit“. Vielmehr ist jede
dieser Leistungen auf ihre Zulässigkeit
abzuklopfen.
Im Jahr 2013 hat das BAG den Weg
für einzelne Fallgestaltungen geöffnet,
bei denen tarifliche Regelungen (im
entschiedenen Fall ging es um eine Son­
derzahlung), die an die Gewerkschafts­
zugehörigkeit anknüpfen, tatsächlich
zulässig sind (Urteil vom 21.8.2013, Az.
4 AZR 861/11). Seitdem vergeht kaum ei­
ne Tarifverhandlung, in der nicht an der
einen oder anderen Stelle eine Leistung
auftaucht, die mit einer Differenzierungs­
klausel ausgestattet ist. Dementspre­
chend sind die Arbeitsgerichte reichlich
mit der Überprüfung im Auftrag der
Unternehmen, die die Unterscheidungen
ARBEITSHILFE
Urteil Das BAG-Urteil vom 23.3.2011, Az. 4
AZR 366/09, im Volltext (HI2727695)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
www.haufe.de/hi2727695
nach der Gewerkschaftszugehörigkeit
scheuen, beschäftigt. Nicht wenige Ar­
beitgeber haben sich inzwischen jedoch
mit dieser ungewohnten Rechtslage ab­
gefunden, was dann allerdings mit einer
Frage nach der Gewerkschaftszugehörig­
keit (siehe Kasten) einhergehen muss.
Ist in diesen Unternehmen damit der
Rechtsfrieden für die Arbeitgeber durch
Nachgeben und Verzicht auf eine Klage
gerettet? Keineswegs, denn in diesen
Fällen müssen die Arbeitgeber damit
rechnen, dass sie mit Klagen derjenigen
Mitarbeiter überzogen werden, die nicht
in der Gewerkschaft sind und auch nicht
gezwungen werden wollen, wegen des
Vorteils einer einzelnen tariflichen Leis­
tung einzutreten.
LAG: Zulässige Differenzierung im
Sozialtarifvertrag
Auch hier gibt es mittlerweile ein rich­
tungsweisendes LAG-Urteil. In dem
konkreten Fall war in einer Differenzie­
rungsklausel festgelegt, dass Gewerk­
schaftsmitglieder aus einem Sozialtarif­
vertrag eine höhere Abfindung als ihren
nichtorganisierten Kollegen zusteht
(LAG München, Urteil vom 10.2.2015,
Az. 9 Sa 662714). Eine zulässige Unter­
scheidung, entschieden die bayrischen
LAG-Richter. Allerdings muss noch das
BAG über die eingelegte Revision ent­
scheiden. THOMAS MUSCHIOL ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht in Freiburg.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
76 PERSÖNLICH_NEWS
Vergütung im Vergleich: Welche
Branchen zahlen wie gut?
Die Karriere planen
N
ur 43 Prozent der Arbeitnehmer
planen ihr Weiterkommen im Job.
Ihnen gegenüber stehen „planlose“
56 Prozent. Dies zeigt eine Forsa-Umfrage
im Auftrag der Deutschen Universität für
Weiterbildung. Diese macht zudem deutlich,
dass sich der Karrierebegriff gewandelt hat:
Den Arbeitnehmern geht es weniger um
Aufstieg, Status und Macht, sondern darum,
dass die Stelle zum Leben passt. Als Maßnahmen für eine bessere Karriereplanung
nennen die Initiatoren der Studie die aktive
Teilnahme in Business-Plattformen, Weiterbildung und das Setzen von Etappenzielen.
Von den Befragten, die ihre Karriere planen,
setzen sich bislang nur 24 Prozent konkrete
Etappenziele. www.duw-berlin.de
I
n welchen Branchen werden HR-Experten am besten bezahlt? Dieser Frage geht der Vergütungs-Check von Compensation-Online
und Personalmagazin in diesem Monat nach. Die Tabelle zeigt den
jeweiligen Branchen-Durchschnittswerts im prozentualen Verhältnis
zum Gesamtdurchschnitt. Ab der Septemberausgabe beginnt der Vergütungs-Check wieder mit den Durchschnittsgehältern zentraler Tätigkeitsfelder im Personalwesen (siehe Übersicht).
WO PERSONALER WIE VIEL VERDIENEN
Durchschnittswerte über 120 Prozent
Halbleiter
Verbände
Sonstige Investitionsgüter
Bau
Luftfahrt
Immobilien
Banken, Finanzdienstleistung
Großhandel, Technik
Sonstige Informationstechnologie
Möbel, Holz
Pharma, Chemie, Verfahrenstechnik
Bildungsinstitutionen
Unternehmensberatung
Großhandel, Sonstiges
Autoindustrie
Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung
Computer (Herstellung Hardware)
Internet- und Versandhandel
Großhandel
Anlagenbau
Telekommunikation
Kultur
Konsum- und Gebrauchsgüter
Sonstige Dienstleistungen
Medizintechnik
Großhandel, Bau und Einrichtung
Maschinenbau
Energie, Wasser, Umwelt, Entsorg.
Software
SEMINARE
Durchschnittswerte 80 bis 90 Prozent
Logistik, Transport, Verkehr
Rechtsberatung
Werbung und PR
Großhandel: Lebensmittel, Bekleidung, Textil
Durchschnittswerte 100 bis 120 Prozent
Gesundheitswesen
3. bis 4. September, Frankfurt
a.M./Oberursel
Optimale Personalprozesse
Tel. 0761 898-4422
www-haufe-akademie.de
Elektrotechnik
Zeitarbeit
Versicherungen
Autohäuser
22. bis 25. September, Hamburg
Führen – Delegieren – Motivieren
Tel. 07551 9368-185
www.die-akademie.de
Biotechnologie
Verändern – aber wie?
Tel. 0228 265004
www.zfm-bonn.de
Schifffahrt
28. bis 29. September, Bonn
ONLINE-SEMINARE
IT-Systemhäuser
Fahrzeugbau, Metall
Feinmechanik, Optik
Kosmetik
Sonstige Industrie
Messebetreiber
Forschungsinstitute
Kunststoff, Gummi, Glas, Keramik
8. September
Mutterschutz und Elternzeit Teil 1
21. September Grundlagenwissen der betrieblichen
Altersversorgung
22. September Mutterschutz und Elternzeit Teil 2
Weitere Informationen zu den Online-Seminaren erhalten
Sie unter Tel. 0180 5050-440 und
www.haufe-online-training.de.
HPO
Für Abonnenten des Haufe ­Personal
Office Premium sind diese Online-­Seminare
inklusive.
Medien, Presse
Bekleidung, Textil
Krankenhäuser
Druck und Papier, Verpackung
Durchschnittswerte bis 80 Prozent
Handwerk
Touristik, Freizeit
Einzelhandel: Technik, Bau und Einrichtung
Einzelhandel: Bekleidung, Textil
Soziale Einrichtungen
Einzelhandel: Lebensmittel, Sonstiges
Hotel und Gaststätten
Call Center
ÜBERSICHT
Sept.: Personalentwickler
Okt.: Fachlicher Trainer
Nov.: Persönlichkeitstrainer
Dez.: Syndikus
Jan.: Lohn und Gehalt
Durchschnittswerte 90 bis 100 Prozent
Lebensmittel, Nahrung, Genuss
Feb.: Personalmarketing
März: Personalleiter
April: Personalreferent
Öffentliche Verwaltung, Behörden
Mai: Personalsachbearbeiter
Personalberatung
Juni: Personalberater
Ingenieurbüro
Juli: Personaldisponent
Aug.: Branchenvergleich
QUELLE: WWW.COMPENSATION-ONLINE.DE, 2015
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
personalmagazin 08 / 15
77
Ausbildung zum
­Change-Manager
„presenting the new colleague“
I
n vielen Unternehmen ist der Change- und Lernbedarf so groß, dass er mit externen Beratern allein
nicht mehr gedeckt werden kann. Für Unternehmen,
die selbst die erforderliche Change-Management-Kompetenz aufbauen wollen, hat das Institut für integrale
Lebens- und Arbeitspraxis in Esslingen, zusammen
mit dem Steinbeis Transferzentrum in Reutlingen, eine
Change-Management-Kompaktausbildung entwickelt.
Diese Inhouse-Ausbildung enthält zwei Module zu
je zwei Tagen und integriert Fallstudien aus dem Betriebsalltag der Teilnehmer. Ab Januar 2016 wird auch
eine offene Change-Management-Ausbildung angeboten, an denen Mitarbeiter verschiedener Unternehmen
teilnehmen können. www.ilea-institut.de
Neue Mitarbeiter stellen Sie so dem internationalen Team vor: „Here is our new colleague
in this department, Mrs XY“ (Hier ist unsere
neue Kollegin in dieser Abteilung, Frau XY).
Geben Sie einige Informationen zur Person: „Mrs XY has a long
history of innovative work in the field of…“ (Frau XY verfügt über
langjährige Erfahrung im Bereich innovativer Tätigkeiten von…),
„She has experience in the areas of…“ (Sie hat Erfahrung in den
Bereichen…), „Our new colleague comes to us after several years
of experience as…“ (Unsere neue Kollegin ist zu uns gekommen,
nachdem sie einige Jahre als… Erfahrung gesammelt hat).
An dieser Stelle stellt Ihnen das Personalmagazin hilfreiche Redewendungen
aus dem Englischen vor. Diese sind dem Haufe Praxisratgeber „Business
English für Personaler“ entnommen.
!$#!%#"
#%$%%
A##%
NZEI GE
HR-NETZWERKE
Unterhalten Sie einen nicht
kommerziellen Personaler-­
Treff und sind offen für neue
­Mitglieder? Dann schreiben
Sie unter dem Stichwort
„HR-Netze“ eine Nachricht
an: redaktion@personal­
magazin.de.
Zukunft Wirtschaft: Faktor Mensch!
Ansprechpartner: Tim-O. Goldmann
&%$&
E-Mail: [email protected]
Mit den Themen HR, Führung und Gesundheit befasst sich das Netzwerk „Zukunft
Wirtschaft: Faktor Mensch!“, das im Juli 2013 startete und heute rund 50 Mitglieder aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zählt. Die
Teilnahme ist kostenfrei. Fünfmal jährlich finden Treffen an verschiedenen Orten in
Hamburg statt. Diese bieten Impulsvorträge und die Möglichkeit zum Netzwerken.
Im Vordergrund stehen neue Impulse und der Austausch im Kollegenkreis, aber auch
das Besprechen erfolgreicher Praxisbeispiele und das Hinterfragen wissenschaftlicher
Ansätze. Der nächste Termin im Oktober befasst sich mit „Stress in Organisationen“.
08 / 15 personalmagazin
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Akademie Koblenz
78 PERSÖNLICH_TRENNUNGSGESPRÄCHE
Mit Empathie und Feingefühl
PRAXIS. Sich von einem Mitarbeiter zu trennen, ist für alle Seiten schwierig und
belastend. Eine gute Vorbereitung hilft beim entscheidenden Gespräch.
Von Anja von Kanitz
D
as Trennungsgespräch gehört
zu den schwierigsten Disziplinen im HR-Management,
denn hier sind nicht nur Fachwissen und Kenntnisse in Gesprächsführung gefragt, sondern die Empathie und
das Feingefühl der Personalmanager. Da
der Verlust eines Arbeitsplatzes immer
ein einschneidendes Erlebnis ist und
die betroffene Person durchaus in eine
persönliche Krise stürzen kann, ist äußerste Sorgfalt bei der Vorbereitung und
Durchführung wichtig, um eine Gefährdung rechtzeitig zu erkennen und gezielte Hilfe anbieten zu können.
Organisatorische Vorbereitung
Voraussetzung für eine Trennung ist die
juristische Prüfung der Rechtmäßigkeit
und der Konditionen der Trennung. Ist
dieser Punkt geklärt, ist viel Organisatorisches zu regeln, zum Beispiel die
zeitliche Planung. Zwischen der Unternehmensentscheidung, sich von einer
Person zu trennen, und dem Gespräch
sollte nicht zu viel Zeit vergehen. Der
Gesprächstermin sollte nicht an besonderen Tagen – wie dem Geburtstag des
Mitarbeiters oder seinem Firmenjubiläum – stattfinden. Das Gespräch sollte in
geschützter Atmosphäre stattfinden –
einem ruhigen Raum, der nicht einsehbar und akustisch gedämmt ist.
Vorab ist zu klären, wer an dem Gespräch teilnimmt. Hier gilt: Das Gespräch
führt die Person, die auch für die Mitarbeitergespräche zuständig war – also
in den meisten Fällen der Vorgesetzte.
Diese Person wird, insbesondere bei
betriebsbedingten Kündigungen, als
„Tandem“ von einem Vertreter der Personalabteilung unterstützt. Ein Betriebsratsmitglied ist dann einzubinden, wenn
der Betroffene diese Begleitung wünscht.
Individuelle Vorbereitung
Bei einem Trennungsgespräch geht es
auch darum, der betroffenen Person
den gehörigen Respekt für die in der
Vergangenheit geleistete Arbeit entgegenzubringen. Die Gesprächsführenden
sollten wissen, wie lange die Person im
Betrieb ist und was sie dort getan hat.
Zur guten Vorbereitung gehört folglich,
dass alle Informationen zur betroffenen Person vorliegen. Weiterhin gehört
dazu, sich im Vorfeld zu überlegen, was
außer der Trennungsnachricht übermit-
telt werden soll. Die Vorbereitung hilft
auch, realistisch einzuschätzen, welche
Folgen die Trennung für den Betroffenen hat, wie er reagieren wird und welche Hilfen das Unternehmen anbieten
kann, um den Übergang möglichst gut
zu gestalten. Zielführend hierbei sind
Fragen wie: Was wissen Sie über seine
persönliche Situation? Wie würden Sie
die Person als Typ beschreiben? Es ist
hilfreich, diese Einschätzung zusammen mit dem Tandem-Partner aus der
Fachabteilung vorzunehmen.
Genauso wichtig ist eine vorherige
Absprache der Tandem-Partner zu den
jeweiligen Gesprächsrollen. Eine bewährte Arbeitsteilung ist, dass der Vorgesetzte das Gespräch führt und der
Personaler sich immer dann einschaltet,
wenn es um rechtliche oder organisatopersonalmagazin 08 / 15
79
rische Aspekte oder konkrete Unterstützungsangebote des Unternehmens geht.
Emotionale Vorbereitung
Die emotionale Vorbereitung betrifft die
eigenen Gefühle und Gedanken rund um
das Trennungsgespräch und mögliche
Strategien, um das Gespräch zu meistern. Auch für die Gesprächsführenden
dazu, die Teilnehmer auf das Gespräch
einzustimmen, eine inhaltliche und zeitliche Orientierung zu geben und für eine
respektvolle Atmosphäre zu sorgen.
In der Kernphase werden alle wesentlichen Inhalte angesprochen. Wichtig
hierbei ist, dass Sie die Trennungsbotschaft klar und verständlich aussprechen und dass Sie dem Gegenüber Zeit
BUCHTIPP
Professionell und konstruktiv
Ein Trennungsgespräch verläuft besser, wenn es gut vorbereitet ist. So können die
Gesprächsführenden meist auch schwierige Situationen souverän meistern.
Im Buch erläutert die Kommunikationsexpertin Anja von Kanitz, wie ein konstruktives Kündigungsgespräch aufgebaut ist.
Sie beschreibt die einzelnen Gesprächsphasen und erläutert,
wie Sprache, Stimme und Körperhaltung dazu beitragen, die
Gesprächsinhalte verständlich zu vermitteln. Auch der Umgang mit Wut, Trauer und persönlichen Vorwürfen ist Inhalt
des Buchs. Darüber hinaus stellt die Autorin Checklisten und
Übungen für alle Gesprächsphasen bereit.
Anja von Kanitz: Trennungsgespräche im Unternehmen. 224 Seiten,
Haufe Verlag, Freiburg, 2015. 39,95 Euro. www.haufe.de/personal
ist es häufig belastend, sich von Mitarbeitern zu trennen, gerade dann, wenn
diese sich nichts haben zu Schulden
kommen lassen und betriebsbedingte
Gründe zu dieser Trennung führen.
Die gründliche Auseinandersetzung
mit den eigenen Gefühlen im Vorfeld
hilft, im Gespräch zugewandt und hilfreich zu agieren, ohne von eigenen
Gefühlen mitgerissen zu werden. Die
emotionale Vorbereitung schützt auch
davor, sich im Gespräch durch Vorwürfe
des Betroffenen provozieren zu lassen.
Strukturierte Durchführung
Das Gespräch selbst sollte gut strukturiert sein. Die drei Phasen – Einstieg,
Kernphase und Abschlussphase – geben
dem Gespräch Halt. Der Einstieg dient
08 / 15 personalmagazin
geben, die Nachricht zu verarbeiten und
darauf zu reagieren. In der Kernphase
erläutern Sie die Gründe für die Trennung, das weitere Vorgehen und stellen
die Angebote des Unternehmens zur
Unterstützung dar. Idealerweise vermitteln Sie dem Betroffenen trotz allem die
Botschaft: „Wir wissen, was Sie für das
Unternehmen geleistet haben.“
Da nicht sicher ist, wie aufnahmefähig der Betroffene nach der Mitteilung
des Trennungswunschs ist, müssen Sie
fallweise entscheiden, welche Informationen auf jeden Fall in diesem Gespräch
übermittelt und verstanden werden sollen und was in einem Folgegespräch geregelt werden kann.
Die Abschlussphase sollten Sie deutlich einleiten: „Alle Punkte, die wir in
diesem ersten Gespräch mit Ihnen behandeln wollten, haben wir jetzt besprochen. Ich denke, Sie benötigen nun Zeit,
um das alles zu verarbeiten. Gibt es von
Ihrer Seite Punkte, die wir unbedingt
noch klären sollten?“ In jedem Fall müssen Sie sich am Ende des Gesprächs den
Empfang der schriftlichen Kündigung
mit Ort, Datum und Unterschrift quittieren lassen. Fassen Sie abschließend das
im Gespräch Vereinbarte zusammen.
Bevor Sie auseinander gehen, sollten Sie
sicher sein, dass die betroffene Person in
der Verfassung ist, allein nach Hause zu
gehen. Haben Sie Zweifel, sorgen Sie für
Unterstützung und Begleitung.
Das Gespräch nachbereiten
Mit dem Trennungsgespräch ist der
Trennungsprozess noch nicht beendet.
Eine sorgfältige Nachbereitung ist Voraussetzung dafür, dass alle Beteiligten
den Prozess fachlich und persönlich abschließen – und positiv in die Zukunft
schauen können. Deshalb sollten Sie
nach dem Gespräch eine kurze Reflexion vornehmen, in der Sie für sich Ihren
Eindruck vom Gesprächsverlauf klären.
Dies wird Ihnen helfen, die Situation
klarer zu sehen und – gerade auch im
Austausch mit dem Fachvorgesetzten –
ein realistisches Bild von Ihrem eigenen
Auftreten zu bekommen.
Zur organisatorischen Nachbereitung
gehört das Erstellen eines Ergebnisprotokolls, in dem Sie Absprachen und
Vereinbarungen sowie weitere geplante
Termine festhalten. Notieren Sie, was
zu klären ist, wer sich darum kümmert
und bis wann das geschehen soll. Mit
verbindlicher Kommunikation zwischen
den unternehmensinternen Stellen verhindern Sie ein Informations- und Planungschaos in der Trennungsphase. ANJA VON K ANITZ ist
selbstständige Trainerin,
Beraterin und Coach mit den
Schwerpunkten Rhetorik,
Kommunikation und Moderation.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
80 PERSÖNLICH_BUCHTIPPS
Die Büroarbeit neu organisieren
ORGANISATION. Die Schlagworte „Ar-
beiten 4.0“ und „New Work“ prägten
schon weit vor dem Start der Offensive
zur Arbeit 4.0 von Arbeitsministerin
Andrea Nahles die öffentliche Diskussion. Erstaunlich bei der Debatte um
die Arbeit der Zukunft ist aber, dass
der Wandel in der Arbeitswelt mit Rezepten der Vergangenheit gemeistert
werden soll, schreiben die MicrosoftManager Elke Frank und Thorsten
Hübschen im Vorwort. Ihr Credo: Wir brauchen ein grundlegend neues Bild von Arbeit. Voraussetzung für ein Gelingen
des neuen Arbeitens ist das konsequente Führen nach Zielen.
Ohne konkrete, individuell ausgehandelte und messbare Ziele
wird das flexible Arbeiten scheitern. Darin steckt die eigent-
Mehr Professionalität für das
Recruiting und die Recruiter
AUS UNSEREM VERLAG. Was müssen
liche Herausforderung beim Wandel der Arbeitswelt. Weitere
Voraussetzungen sind Vertrauen und Wertschätzung. Mit ihrem Buch wollen die Autoren einen Reiseführer in die (Büro-)
Arbeitswelt von Morgen bereitstellen. Nach einer Einführung
in die Thematik und Herausforderungen beschreiben Frank
und Hübschen die neue Arbeitswelt anhand von drei Aspekten,
die auch bei Microsoft im Fokus stehen: Menschen, Orte und
Technologien. Nur wem es gelinge, diese drei Faktoren sinnvoll
und mitarbeitergerecht zu verbinden, könne die nächste Station auf dem Weg in die neue Arbeitswelt in Angriff nehmen.
BEWERTUNG: Das Buch beschreibt vornehmlich die Arbeitswelt
der Wissensarbeiter – aus einem einfachen Grund: In Büros
kennen sich die Buchautoren aus. Sie liefern zahlreiche Beispiele aus dem eigenen, aber auch aus anderen Unternehmen. (dfu)
Elke Frank, Thorsten Hübschen: Out of Office. 269 Seiten, Redline Verlag,
München, 2015. 19,99 Euro. www.m-vg.de
Die Art und Weise der
Zusammenarbeit neu erfinden
Recruiter heute können, um auf enger
werdenden Arbeitsmärkten qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen? Diese
Frage steht im Mittelpunkt der Ausführungen von Robindro Ullah und Michael Witte, die langjährige Erfahrung im
operativen Recruiting, Employer Branding und HR-Marketing mitbringen.
Sie plädieren für eine systemische Professionalisierung des Recruitings, das
auf top ausgebildete Recruiting-Mitarbeiter setzt: Recruiting
besteht aus grundsoliden Fähigkeiten, die aufgebaut und regelmäßig nachjustiert und verfeinert werden müssen. Im Buch beschreiben sie alle Aspekte der Personalgewinnung ausführlich
und prozessorientiert – angefangen bei der Bedarfsplanung
über die Stellenausschreibung bis zur Bewerberauswahl und
zum Onboarding. Sie gehen auf einzelne Recruiting-Tools ein
und räumen dem Social Media Recruiting umfangreichen Raum
ein. Und sie erläutern, welche Kennzahlen wichtig sind, um die
Wirksamkeit der eingesetzten Maßnahmen zu messen. Im Anhang liefern sie ein Glossar sowie eine Übersicht über HR-Blogs
in Deutschland. (dfu)
ORGANISATION. Die meisten Organisationen haben zahlreiche ChangeProgramme, Zentralisierungen und
Dezentralisierungen, neue IT- und
Prämiensysteme, neue Leitbilder und
strategische Managementsysteme erfahren. Was bleibt, ist die Sehnsucht
nach einer radikal anderen Weise der
Zusammenarbeit. Wie können Organisationen aussehen, die ein Mehr des
menschlichen Potenzials zugänglich
machen? Wie können solche evolutionären Organisationen
verwirklicht werden? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der
Überlegungen von Frederic Laloux – nicht auf rein akademischer Ebene, sondern stark praxisorientiert. Er präsentiert
seine Erkenntnisse aus einer Untersuchung von zwölf Unternehmen und erarbeitet einen Leitfaden für den Weg zu einer
ganzheitlich orientierten und sinnstiftenden Organisation.
BEWERTUNG: Mit seinen Forschungsergebnissen liefert der Unternehmensberater Frederic Laloux zukunftsweisende Erkenntnisse für die Organisationsentwicklung. Zahlreiche Praxistipps
helfen bei der Entwicklung einer evolutionären Firma, in der
sich die Mitarbeiter selbst organisieren. (dfu)
Robindro Ullah, Michael Witt: Praxishandbuch Recruiting. 282 Seiten,
Frederic Laloux: Reinventing Organizations. 356 Seiten, Verlag Franz
Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 2015. 49,95 Euro. www.schaeffer-poeschel.de
Vahlen, München, 2015. 39,80 Euro.
www.vahlen.de
personalmagazin 08 / 15
PERSÖNLICH_RÜCKBLICK 81
Auswahl im Team selten
IMPRESSUM
Personalmagazin, Ausgabe 06/2015, Seite 30
Unter dem Titel „Mehr als Mitmachtheater“ hatten Ruth Lemmer und Pia
Weber über den Ansatz berichtet, Neueinstellungen im Team entscheiden zu
lassen. Über die App-Version konnten unsere Leser ihre eigenen Überlegungen
dazu mitteilen. Hier das Ergebnis der Umfrage.
Wissenschaftler, Personalexperten und Praktiker sehen den Sinn einer
Personalauswahl durch einige der späteren Teammitglieder oder auch
durch das komplette Team sehr differenziert. Teilweise wird bezweifelt,
dass die künftigen Teammitglieder genügend Fachkompetenz und Weitsicht für die Anforderungen des Unternehmens auch im Hinblick auf
die Personalentwicklung haben, andere schwören auf weitere Synergieeffekte durch eine demokratische Mitarbeiterauswahl und eine erhöhte
Verantwortungsbereitschaft.
Zwar ist es, so das Ergebnis unserer Umfrage, bereits in 16 Prozent der
befragten Unternehmen üblich, das Team bei der Auswahl gelegentlich
dazuzuholen, doch gab es keinen einzigen Praktiker, der das Team bereits standardmäßig bei der Personalrekrutierung und Mitarbeiterauswahl einbezieht. 50 Prozent der Befragten lehnen dieses Vorgehen
generell ab. Personalverantwortliche, die die Expertise der zukünftigen Kollegen einholen, machen dies in erster Linie bei der Erstellung
des Jobprofils (66 Prozent) oder bei der Probearbeit (ebenfalls 66
Prozent). Zur Erstellung der Stellenanzeige werden nur in 33 Prozent
der befragten Unternehmen potenzielle Kollegen mit einbezogen.
Jeder zweite nimmt dagegen ein oder mehrere Teammitglieder vereinzelt zum Auswahlgespräch dazu. Bei anderen Auswahlverfahren wie
Assessmentcenter oder Tests sind die künftigen Kollegen jedoch nur
ausnahmsweise dabei – lediglich 16 Prozent haben das schon ein- oder
mehrmals praktiziert. Wenig genutzt scheint das Netzwerk des Teams
bei der Suche nach Kandidaten: Nur die Hälfte der Befragten setzt hier
auf die Mithilfe der Mitarbeiter.
ERGEBNIS DER UMFRAGE
Beim Erstellen des Jobprofils
66
Beim Probearbeiten
66
Bei der Ansprache potenzieller Kandidaten
50
Beim Auswahlgespräch
50
Beim Erstellen der Stellenanzeige
33
Bei der Bewertung der Bewerbungsunterlagen
33
Bei der finalen Entscheidung
33
Im Zuge eines bisher nicht genannten Auswahlverfahrens (Assessment Center, Test usw.)
16
ABONNENTEN-SERVICE UND VERTRIEB
Tel.: 0800 / 7234 253 (kostenlos)
Fax: 0800 / 5050 446 (kostenlos)
E-Mail: [email protected]
VERLAGSLEITUNG / HERAUSGEBER
Reiner Straub, Randolf Jessl
ERSCHEINUNGSWEISE
Monatlich, in der Regel am letzten Freitag eines Monats, 16. Jahrgang
REDAKTION
Reiner Straub (str) (v.i.S.d.P.)
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Daniela Furkel (dfu) (Chefreporterin)
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Katharina Schmitt (ks)
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Melanie Rößler (mer)
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Michael Miller (mim)
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Andrea Sattler (ak)
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REDAKTIONSASSISTENZ
Brigitte Pelka, Tel.: 07 61/8 98-3921,
Telefax 07 61/8 98-99-3921,
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AUTOREN UND MITARBEITER DIESER AUSGABE
Thomas Bastian, Dr. Ruth Böck, Dr. Karl-Heinrich Bruckschen, Martin Claßen,
Melanie Feistauer, Dr. Christian Gärtner, Winfried Gertz, Constanze Grune­
wald-Petschke, Veit Hannemann, Ulrike Hasbargen, Dr. Luisa Sabine Heß,
Erich Hildenbrand, Uwe Döring-Katerkamp, Anja von Kunitz, Ulla Laux,
Dietmar Metzger, Thomas Muschiol, Prof. Dr. Sabine Nitsche, David J. Rooney,
Bärbel Schwertfeger, Gabriele Sommer, Gyöngyi Varga, Thomas Voß, Bernd
Weller
GRAFIK / LAYOUT Ruth Großer
ANZEIGEN Gültige Anzeigenpreisliste vom 1.1.2015
Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Niederlassung
Würzburg, Unternehmensbereich Media Sales,
Im Kreuz 9, D-97076 Würzburg
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MwSt., Porto- und Versandkosten; Bestell-Nummer: 04062-0001, ISSN:
1438-4558. Bezieher des Loseblattwerks „Das Personalbüro in Recht und
Praxis“ und der CD-ROM „Haufe Personal Office“ sowie „Haufe Steuer Office
Premium“ erhalten das Personalmagazin im Rahmen ihres Abonnements.
DRUCK Konradin Druck GmbH, Kohlhammerstraße 1-15, 70771 LeinfeldenEchterdingen
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einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt
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Angaben in Prozent;
Mehrfachantworten möglich
Frage: Wenn Sie oder ein Mitarbeiter Ihres Unternehmens das eigene Team
bei der Personalauswahl einbezieht: Inwiefern geschieht dies?
08 / 15 personalmagazin
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Registergericht Freiburg, HRA 4408
Komplementäre: Haufe-Lexware Verwaltungs GmbH, Sitz Freiburg, Registergericht Freiburg, HRB 5557, Martin Laqua
Geschäftsführung: Isabel Blank, Markus Dränert, Jörg Frey, Birte Hackenjos,
Randolf Jessl, Markus Reithwiesner, Joachim Rotzinger, Dr. Carsten Thies
Beiratsvorsitzende: Andrea Haufe
Steuernummer: 06392/11008
Umsatzsteuer-Identifikations­nummer: DE 812398835
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82 PERSÖNLICH_FRAGEBOGEN
Ganz persönlich
Was sind Ihre aktuellen Herausforderungen in HR?
Die existierenden HR-Organisationen von drei Ländern unter
einem Dach zu vereinen und gleichzeitig so aufzustellen, dass
wir den steigenden Ansprüchen unserer nationalen und internationalen Kunden weiterhin gerecht werden und zudem die Kollegen im operativen Geschäft täglich in ihrer Arbeit unterstützen.
Welches Projekt würden Sie gern umsetzen, wenn Ihnen ein
verdoppeltes HR-Budget zur Verfügung stünde?
Wir führen bereits seit Jahren erfolgreich Engagement Surveys
durch. Ich würde die Aktivitäten rund um dieses Thema gern
noch weiter steigern.
Eine wichtige Tugend für einen Personalmanager ist…?
Authentizität, Verlässlichkeit und „vor Ort sein“.
Was war Ihr bislang schönstes Projekt?
Ich habe ein deutsches mittelständisches Unternehmen erfolgreich in einen globalen Konzern integriert. Dabei erkannte der
Betriebsrat die Chancen für die Mitarbeiter. Er akzeptierte die
Neuerungen wie den „Code of Business Conduct“ oder die Jahreszielgespräche nicht nur, sondern unterstützte sie bewusst.
Wie halten Sie es selbst mit der Work-Life-Balance?
Für mich ist es besonders wichtig, die manchmal limitierte Zeit
bewusst qualitativ mit meinen Kindern zu verbringen. Mit dem
Kleinsten im Sandkasten zu sitzen oder mit den anderen eine
Radtour zu machen, beansprucht mich, macht aber gleichzeitig
den Kopf frei.
Wann haben Sie im Job zum letzten Mal geschwänzt?
Ich weiß nicht, ob man es wirklich schwänzen nennen kann:
Vor einigen Wochen startete mein Flieger aus Krakau mit deutlicher Verspätung, weshalb ich ein Meeting mit unserer Kanzlei nicht mehr wahrnehmen konnte. Da ich an der Situation
nichts ändern konnte, entschied ich mich fürs „Chillen“. Ich
habe die gewonnene Zeit ein wenig genossen, Kaffee getrunken, die Menschen beobachtet und in Ruhe ein Automagazin
gelesen. Von diesem habe ich allerdings nur die Bilder verstanden – der Text war in Polnisch verfasst…
ANDREAS TENKMANN ist seit 1. April 2015 Vice President HR
DACH bei Sodexo. Der Diplom-Kaufmann blickt auf langjährige
Erfahrungen in verschiedenen HR-Führungspositionen zurück. Seit
2012 war er als HR-Director bei Foot Locker tätig. Erfahrungen aus
dem Facility-Management und Catering-Markt sammelte er von
2007 bis 2012 als HR-Director bei Aramark. Davor arbeitete er in
verschiedenen HR-Positionen für KPMG Consulting/BearingPoint.
Wie kamen Sie zur HR-Laufbahn?
Ich habe keine klassische HR-Laufbahn eingeschlagen, sondern mir die Aufgaben über viele Schritte vom Consultant
und Prozessberater erschlossen. Die Übernahme einer HRLeitung war dabei eine logische Konsequenz.
Wer inspiriert Sie?
Beruflich inspirieren mich meine Mitarbeiter und natürlich das operative Geschäft. Privat meine Kinder, da sie
mir helfen, die Themen des Tages aus einem ganz anderen
Blickwinkel zu betrachten.
Wofür hätten Sie gern mehr Zeit?
Wir haben ein kleines altes Bauernhaus in der Ortenau.
Hier würde ich gern mehr Zeit mit der Familie verbringen.
VORSCHAU AUSGABE 09/15
TITEL MANAGEMENT ORGANISATION RECHT
PERSÖNLICH Die 40 führenden Köpfe im Personalwesen
Persönlichkeitstests richtig interpretieren
Digitales Gesundheitsmanagement
Neues zur Verdachtskündigung
Erfolgreich netzwerken
Das nächste Personalmagazin erscheint am 25. August 2015
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
personalmagazin 08 / 15
Leadership Revolution!
tio
on!
Führung im Umbruch gestalten
SIND SIE
DABEI?!
DGFP // lab
24. – 25. September 2015
Berlin
Die Zukunftsplattform für
onalss
HR-Professionals & Young Professionals
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Selbstorganisierende Netzwerke, partizipative Unternehmensstrukturen, agile
Projektführung, ergebnisoffene Prozesse,
der Mut zum lösungsorientierten Ausprobieren und ein flexibles Arbeitsplatz- und
Zeitverständnis:
Sieht so das Unternehmen der Zukunft
aus? Und wenn ja, was bedeutet dies für
die Unternehmens- und Mitarbeiterführung? Schon heute ist klar: Führungsprinzipien von gestern funktionieren in der
globalen, digitalisierten Wissenswelt mit
jungen, selbstbewussten Mitarbeitern von
heute nicht mehr.
Auf dem DGFP // lab diskutieren wir mit
renommierten Experten, Querdenkern und
Visionären. Mit dabei sind u.a.
// Prof. Dr. Heike Bruch, Universität
St. Gallen
// Heiko Fischer, Resourceful Humans
// Prof. Dr. Stephan Jansen, Zeppelin
Universität
// Uwe Lübbermann, Premium-Getränkekollektiv
// Prof. Dr. Jan Mayer, Deutscher Olympischer Sportbund
// Anna Ott, hub:raum Start-up Inkubator
der Deutschen Telekom
Informationen unter
www.lab.dgfp.de
Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. // Niederkasseler Lohweg 16 // 40547 Düsseldorf // Fon 0211 5978-175 // [email protected] // www.lab.dgfp.de
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