Rituelle Beschneidung von Minderjährigen – Juristen
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Rituelle Beschneidung von Minderjährigen – Juristen
Politik & Management Medical Tribune · Nr. 4 · November 2013 · Kinder- und Jugendmedizin 15 Rituelle Beschneidung von Minderjährigen – Juristen: Das Kindeswohl ist gefährdet DRESDEN – Die vom Gesetzgeber im vergangenen Jahr in Windeseile geregelte Beschneidung von Knaben (§ 1631d BGB) ist nach Ansicht von Juristen verfassungswidrig. „Bei Beschneidungen im Sinne von § 1631d Abs. 2 BGB gibt es keine signifikante Veränderung der Be schneidungspraxis im Vergleich zum Zeitraum vor Inkrafttreten des Ge setzes.“ Zu diesem Eindruck ist Pro fessor Dr. iur. Holm Putzke, Straf rechtler an der Universität Passau, gelangt. Gemeint ist die Regelung, wonach in den ersten sechs Mona ten nach der Geburt des Kindes auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen medizinisch nicht erforderliche Beschneidungen durchführen dürfen, wenn sie dafür ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, vergleichbar befähigt sind. Beispielsweise werde weiterhin „Emla Creme“ als Lokalanästhe tikum verwendet, berichtete Prof. Putzke beim 2. Medizinrechtssym posium der Dresden International University. Off label. Denn im Bei packzettel heißt es, dass die Creme bei Kindern unter zwölf Jahren auf der genitalen Schleimhaut „nicht an gewendet werden sollte“. Nicht zulässig bzw. zuverlässig sei auch ein betäubungsloses Beschnei den, Vollnarkose bei Säuglingen, ein mit Wein getränktes Tuch, mit dem die Lippen des Säuglings benetzt werden, oder die Verwendung von Paracetamol, Novalgin, Ibuprofen etc., so der Jurist. „Jenseits einer viel zu riskanten Vollnarkose ist eine wirksame Schmerzbehandlung bei der Säug lingsbeschneidung eine Illusion.“ Der Gesetzgeber sei aber in der Begründung der Beschneidungsre gelung davon ausgegangen, dass eine effektive Schmerzbe handlung die Vorausset zung dafür ist, dass Eltern die Berechtigung haben, in den nicht indizierten Eingriff einzuwilligen. Das Problem bei Fäl len nach § 1631d Abs. 2 BGB sei, dass Moha lim (die die männliche Be schneidung nach jüdischer Sitte vollziehen) nicht für wirkungsvolle Schmerzbehandlung ausgebildet seien. „Beschneidungen dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn der Beschneider zugleich die Voraus setzungen der Approbationsordnung für Ärzte erfüllt oder ein Arzt bei der Beschneidung anwesend ist und die Schmerzbehandlung übernimmt“, betonte Prof. Putzke. Wird die Beschneidung von einem Arzt vorgenommen, gehört es zu dessen Aufgaben, die einwil ligenden Sorgeberechtigten vorher umfassend aufzuklären und das zu dokumentieren. Bei medizinisch nicht notwendigen Beschneidungen Fotos: thinkstock (1), wikimedia / Zivya (1) Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit versus elterliches Erziehungsrecht Die rechtliche Zulässigkeit einer religiös motivierten Zirkumzision bei Minderjährigen wird hierzulande weiterhin kontrovers diskutiert. sei auch über seltene Risiken aufzu klären, betonte der Jurist. Die El tern dürften nicht zulasten des Kin des auf die Aufklärung verzichten (§ 630e Abs. 3 BGB). Zum Mindest umfang einer wirksamen Aufklärung zählte der Jurist folgende Punkte auf: n irreversibler Verlust der Penisvor haut n Verlust ihrer schützenden Funk tion vor Schadstoffen, Reibung, Austrocknung und Verletzungen n Verlust antibakterieller und anti viraler Funktionen, Kappung von Verbindungskanälen für zahlreiche bedeutende Venen, ggf. mit der Folge einer erektilen Dysfunktion npsychische Folgen, z.B. Kastra tionsängste bei Jungen, die den Beschneidungsakt bewusst mit erleben Auf zwei Dutzend mögliche Kompli kationen sei ebenfalls hinzuweisen. Wie Prof. Putzke kam auch RA Andreas Manok, Fachanwalt für Medizinrecht in Ravensburg, auf dem Medizinrechtssymposium zu dem Schluss, dass der § 1631d wegen des Verstoßes gegen das Grundrecht der Minderjährigen auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz verfassungswidrig ist. Da Risiken und Folgen des Ein griffs in körperlicher Hinsicht objek tiv schwerwiegend und irreversibel seien, die Vorteile dagegen minimal, liege eine Gefährdung des Kindes wohls vor, so der Anwalt. Der medi zinisch nicht indizierte Eingriff im Kindesalter sei demnach nicht zu rechtfertigen. „Es ist den Sorgeberechtigten zu mutbar, mit dem Eingriff so lange zuzuwarten, bis Minderjährige selbst einwilligungsfähig sind“, so Manok. Der Staat dürfe und müsse religiö sem Handeln Grenzen setzen, wenn dadurch Rechte Dritter in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Durch Freiheitsgrundrechte könne ein erheblicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit Dritter nicht gerechtfertigt werden. Die Juristin Ass. iur. Kathrin Meyer von der Universität Leipzig wies darauf hin, dass der Gesetzge ber die Beschneidung von Mädchen (§ 226a Strafgesetzbuch) und Jungen unterschiedlich behandelt: Männ liche Kinder werden beim Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit schlechter gestellt. Ob und wann sich das Verfas sungsgericht mit dieser Kritik be fassen wird, steht in den Sternen. Es gibt erste Fälle, in denen sich Staatsanwaltschaften mit Beschnei dungen beschäftigen mussten. Diese können allerdings durchaus mit der Einstellung der Ermittlungen enden. Zumal die politische Dimension des Themas unübersehbar ist. REI Was die neue Regierung nun tun soll Delegation an die MFA Die Forderungen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte KBV und Kassen schreiben Beispiele auf BAD ORB – 15 Forderungen an die Bundesregierung hat der Berufsverband der Kinder- und Jugend ärzte (BVKJ) auf dem 41. HerbstSeminarkongress präsentiert. Eine zentrale Forderung lautet, sicherzustellen, dass die Pkw-Anfahrtszeit zu Kinderkliniken und Abteilungen für Kinder- und Jugendliche nicht länger als 45 Minuten beträgt. BERLIN – Der Gesetzgeber wollte Klarheit bei den delegierbaren ärztlichen Leistungen. Nun haben KBV und GKV-Spitzenverband einen Beispielkatalog veröffentlicht. Eine stationäre Versorgung von Kin dern und Jugendlichen muss auch außerhalb von Universitätskliniken und Kliniken der Maximalversor gung in Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin mit qualifizierten Kinder- und Jugendärzten sowie einer entsprechend ausgestatteten Kinderkrankenpflege wohnortnah (maximale Entfernung 50 bis 60 km) gewährleistet sein, betont BVKJ-Prä sident Dr. Wolfram Hartmann. Die Kinder- und Jugendmedizin in der Grundversorgung müsse in maximal 30 Minuten erreichbar bleiben oder dergestalt geschaf fen werden. Dafür kommen neben Einzelpraxen (fachübergreifende) Berufsausübungsgemeinschaften MTD_Paed_2013_04_S15.indd 15 Dr. Wolfram Hartmann Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Foto: MT-Archiv und pädiatrische Versorgungsnetze, Großpraxen mit angestellten Ärzten an unterschiedlichen Standorten, Medizinische Versorgungszentren in freier Trägerschaft und angegliedert an Kinder- und Jugendkliniken so wie an der Struktur von Sozialpäd iatrischen Zentren orientierte Ver sorgungseinrichtungen in Betracht. Dabei wird eine zunehmende Zahl von Ärztinnen und Ärzten als An gestellte und in Teilzeit arbeiten, er wartet Dr. Hartmann. Prävention forcieren und Reglementierungen streichen Zu den politischen Forderungen des BVKJ an die neue Regierung gehö ren unter anderem: Nationales Impfkonzept mit dem n Nachweis vollständiger Imp fungen gemäß aktueller STIKOEmpfehlungen vor Aufnahme in vorwiegend öffentlich finanzierte Gemeinschaftseinrichtungen. nAnspruch auf Früherkennungs untersuchungen bis zum vollen deten 18. Lebensjahr (Änderung § 26 SGB V), mindestens aber das gleiche Recht für GKV- wie für Privatversicherte (jährliche Früherkennungsuntersuchungen bis zum vollendeten 14. Lj.). Kostenübernahme für OTC-Prä n parate mit nachgewiesener Wirk samkeit bis zum vollendeten 18. Lj. (Änderung des § 34 SGB V). n Abschaffung von Budgetregelun gen bei Arznei- und Heilmitteln. nWirksame Präventionskonzepte zur Vermeidung der Adipositas. nFinanzierung interdisziplinärer Netzwerke zur Früherkennung und Vermeidung von Kindesmiss handlung und -vernachlässigung. n Feste bundeseinheitliche Honorie rung aller Arztleistungen in Euro. n Förderung der Weiterbildung in Klinik, Praxis und öffentlichem Gesundheitsdienst nach dem Vor bild der Allgemeinmedizin. REI Im Oktober ist die Vereinbarung zwischen der KBV und dem GKVVerband über die Delegation ärztli cher Leistungen an nicht ärztliches Personal in der ambulanten Ver sorgung in Kraft getreten. Sie stellt „keine abschließende Liste“ dar, so KBV-Chef Dr. Andreas Köhler. Dargestellt würden nur Beispiele für delegierbare Leistungen inklusive der dafür nötigen Mindestqualifika tion der nicht ärztlichen Mitarbeiter. Für viele Fälle der Delegation gilt: Es muss zuvor einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gegeben ha ben. Bei sog. Risikokonstellationen ist stets ein Arzt hinzuzuziehen. Festgeschrieben ist auch, welche Tätigkeiten nicht delegierbar sind. Dazu gehören Anamnese, Indikati on- und Diagnosestellung, Aufklä rung und Beratung sowie invasive Therapien und operative Eingriffe. Dr. Köhler unterstrich, dass ein Arzt bei der Delegation von Leistungen stets in der Verantwortung stehe, denn er entscheide, was an wen de legiert werde. Die Abrechnung dele gierter Leistungen erfolgt als ärztli che Leistung. Die Qualifikation der Mitarbeiter/innen ist über die Tarif verträge zu berücksichtigen. Offizielle Klarstellung bekannter Abläufe Die Fachanwältin für Medizinrecht Stefanie Pranschke-Schade spricht von einer „Klarstellung“, die nicht viel ändern wird. Viele der Leis tungen seien auch bislang an quali fiziertes Personal abgegeben worden. Die Vergütungslage bleibe ebenfalls gleich: Nach wie vor würden viele de legierte Tätigkeiten aus dem Katalog nicht honoriert. Dennoch begrüßt die Wiesbadener Juristin die Klarstel lung: „Sie ermuntert sicherlich Ärzte, in Zeiten überfüllter Praxen mehr Aufgaben durch Personal erbringen zu lassen, um den steigenden Bedarf an Arzt-Patienten-Kontakten erfül len zu können. Und das ist gut.“ kol www.kbv.de/media/sp/24_ Delegation.pdf 08.11.2013 10:00:37