Der Kampf um die Kaffeebohne
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Der Kampf um die Kaffeebohne
Horst Köhler ist der Vorreiter, und sein Volk hinkt hinterher. Während der Bundespräsident seinen Gästen fairen Kaffee einschenkt, kredenzen die Deutschen lieber billige Standardware – anders als die Schweizer 0der die Briten. A uf der britischen Insel ist es geradezu eine Volksbewegung. Unterhaus und etliche Ministerien tun es. Stadtväter tun es. Geschäftsinhaber und Cafébetreiber tun es – alle servieren Kaffee, der fair gehandelt worden ist. Fair Trade ist „in“. Mit dem Siegel werden mittlerweile ganze Städte und Gemeinden ausgezeichnet. Und das Fair-Trade-Festival trug vergangenes Frühjahr mit mehreren tausend Veranstaltungen dazu bei, die Massen für Fair Trade zu begeistern. Kaffee aus fairem Handel, der den Kleinbauern in den Anbauländern stabile Preise über Weltmarktniveau garantiert und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen soll, schickt sich an, in Großbritannien zum LifestyleProdukt zu werden. Wie die vielen anderen Produkte mit dem TransFairSiegel: Tee aus Indien, Kakao aus der Dominikanischen Republik, Honig aus Mexiko, Bananen aus Ecuador, Mangos von den Philippinen. Allerdings ist das wichtigste FairProdukt auch im Teetrinkerland Großbritannien der Kaffee. Fast 20 44 I NATUR+KOSMOS 12/2005 Prozent des gesamten Kaffeeabsatzes stammen auf der Insel schon aus fairem Handel. Das ist Platz eins in Europa, gefolgt von der Schweiz (sechs Prozent) und Holland (drei Prozent). Alle großen britischen Lebensmittelketten führen Fair-Produkte. Die Coop-Kette hat ihr Kaffeesortiment jüngst sogar ganz auf faire Produkte umgestellt. Auch die großen Player auf dem Weltkaffeemarkt haben ihre Zurückhaltung aufgegeben. Weltkonzern Nestlé bietet in Großbritannien seit kurzem eine „Partners’ Blend“ an, das erste Nestlé-Produkt mit dem schwarz-blau-grünen Fair-Trade-Siegel. Im Vergleich dazu hat Deutschland großen Nachholbedarf. An der Qualität soll es, glaubt man den Fair-Handelshäusern wie der Wuppertaler gepa oder El Puente aus dem niedersächsischen Nordstemmen, nicht mehr liegen, dass deutsche Kaffeetrinker nach wie vor konventionellen Marken den Vorzug geben. Eher schon am Preis: Ein Pfund Kaffee aus fairem Handel kostet im Schnitt etwa fünf Euro und damit rund ein Fünftel mehr als Standardware. „Wenn der Kunde am Regal steht, ist ihm oft der Geldbeutel näher als das Herz“, sagt Winfried Tigges, Chef des Deutschen Kaffeeverbands. Kaffee gilt in Deutschland als Kampfprodukt, mit dem sich vor allem Discounter wie Aldi, Lidl und Plus gegenseitig unterbieten und Kundschaft in die Läden locken. Im Inselreich spielen Discounter bislang keine Rolle. Das gilt auch für die Schweiz, wo ebenfalls deutlich mehr Geld für Lebensmittel ausgegeben wird als in Deutschland. Hier haben sich die Filialisten Coop und Migros schon lange dem Markt für Fair-Produkte geöffnet. Auf dem Weltmarkt ist Kaffee ein ganz besonderer Saft. Nach Erdöl sind die aromatischen Bohnen der zweitwichtigste Exportrohstoff. Weltweit leben 100 Millionen Menschen von der Kaffeeproduktion, viele in bitterer Armut. Denn die Preise befanden sich nach 1989 im freien Fall. Damals brach das internationale Kaffee-Abkommen zusammen, das mit festgeschriebenen Exportquoten den Erlös relativ stabil gehalten hatte. Überschüsse wurden bis dahin zum Teil vernichtet. Weil aber neue Groß- POLITIK+UMWELT Foto: Stockfood Der Kampf um die Kaffeebohne produzenten wie Vietnam den Markt mit Billigbohnen überschwemmten, war das Abkommen nicht länger zu halten. Und die Preise sanken auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren. Ein Pfund Kaffee für 1,99 Euro zum 1. Januar 2005 war der traurige Rekord. Davon blieben nach Abzug von Umsatz- und Kaffeesteuer ruinöse 75 Cent für die gesamte Wertschöpfungskette von Produktion über Röstung bis zum Vertrieb übrig. „Viele Farmer können bei diesen Preisen nicht einmal ihre Kosten decken“, sagt Winfried Tigges vom Deutschen Kaffeeverband. Dramatische Folge: Kleinbauern, die nicht in den Genuss des fairen Handels kamen, gaben ihre Plantagen auf und strömten in die Slums der Großstädte. Mittlerweile hat sich der Markt infolge schlechter Ernteprognosen vor allem in Brasilien, dem größten Kaffeeproduzenten der Welt, etwas gedreht. Der Durchschnittspreis für ein Pfund Kaffee liegt derzeit bei knapp vier Euro. Außerdem steigt die Nachfrage, weil der neue Mittelstand in Osteuropa, Indien und China den Kaffeegenuss entdeckt. Trotzdem bleibt das Thema fairer Handel aktuell. Denn auch tendenziell höhere Weltmarktpreise bringen den Kaffeebauern noch kein auskömmliches Leben. Erst der faire Handel garantiert Kleinbauern stabile Mindestpreise. Darüber hinaus gibt es Prämien für soziale Projekte und einen zusätzlichen Aufschlag für kontrolliert biologischen Anbau. Die international einheitlichen Kriterien sehen darüber hinaus langfristige Lieferbeziehungen vor, das Verbot illegaler Kinderarbeit und eine nachhaltige, umweltschonende Wirtschaftsweise. Bislang profitieren schon rund eine Million Kleinbauern in Lateinamerika, Asien und Afrika vom fairen Handel. Mit Nicaragua-Kaffee hatte alles angefangen. Wer in den 70erJahren seine Solidarität mit den sandinistischen Revolutionären in dem mittelamerikanischen Bürgerkriegsland dokumentieren wollte, POLITIK+UMWELT kredenzte seinen Gästen einen Aufguss der bitteren Bohnen aus „fairem Handel“. Qualität war damals noch kein Thema. „Gesinnung statt Genuss“ lautete die Devise. Seither hat sich manches geändert. Die sandinistische Revolution ist Geschichte, und der Kaffee schmeckt mittlerweile. Die Fair-Trade-Bewegung hat das karge Image aus der Pionierzeit abgeschüttelt. Fair gehandelter Kaffee und viele weitere politisch korrekte Lebensmittel und Handwerkswaren sind nicht nur in den 800 Weltläden im Angebot, sondern auch in 24 000 Supermärkten, Naturkostläden, Kantinen und Hotels (siehe Kasten). Der Absatz steigt, wenn auch auf niedrigem Niveau. Nach einer Delle zu Anfang des Jahrtausends, als Lebensmittelketten faire Produkte noch wegen mangelnder Nachfrage ausgelistet hatten, zog der Verkauf von Fair-Kaffee 2004 um vier Prozent, im ersten Halbjahr 2005 sogar um neun Prozent an. Das ist die höchste Wachstumsrate seit zehn Jahren, wie TransFair bekannt gab. Der gemeinnützige Verein vergibt das TransFairSiegel und sorgt dafür, dass die komplizierten Regeln des fairen Handels eingehalten werden. Der gesamte Markt mit fairen Produkten legte im ersten Halbjahr 2005 um beachtliche 46 Prozent zu, was vor allem dem guten Absatz fairer Bio-Bananen zu verdanken ist. Trotzdem dümpelt der Marktanteil von Fair-Kaffee in Deutschland seit Jahren bei knapp einem Prozent – äußerst mager im Vergleich etwa zu Großbritannien oder der Schweiz. Im europäischen Ranking nimmt Deutschland nur den neunten Platz ein. Der Fair-Trade-Markt in Deutschland liege im Vergleich zum Biomarkt noch um zehn Jahre zurück, könnte aber dessen Erfolgsgeschichte wiederholen, hofft Stefan Bockemühl, Geschäftsführer des Fair-Handelshauses El Puente. Dabei sei es wichtig, neue Vertriebswege zu öffnen. Bei den Discountern muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Dafür führt der Fanshop des Gelsenkirchener Bundesligisten Schalke 04 seit kurzem einen ökologischen „SchalkeKaffee“ von El Puente, der von dem brasilianischen Schalke-Spieler Marcello Bordon („Fair gespielt und fair gehandelt“) beworben wird. Auch die Weltläden „fairwandeln“ sich und streifen das Alternativ-Image der Gründerjahre ab. Unterstützung bekommen sie von höchster Stelle. Bundespräsident Horst Köhler, der vor 30 Jahren im schwäbischen Herrenberg selbst einen Weltladen mit gegründet hat, schenkt seinen Staatsgästen nur fairen Kaffee, Tee und Orangensaft GEORG ETSCHEIT ein. FAIR IM HANDEL Noch ist Kaffee mit dem Fair-Trade-Siegel ein Nischenprodukt, aber immer mehr Anbieter haben ihn im Sortiment. Weltläden: 800 Weltläden in ganz Deutschland bieten fair gehandelte Produkte von der gepa oder El Puente, darunter selbstverständlich auch Kaffee. Eine Suchmaschine auf der Website der gepa zeigt die nächstgelegene Anlaufstelle. Wem das zu weit ist, der kann seine Bestellung direkt bei El Puente oder im Online-Shop der gepa aufgeben. Biomärkte: Die Filialen von Alnatura, basic, Füllhorn und SuperBioMarkt bieten Kaffee nicht nur in Bioqualität, sondern auch mit Fair-Trade-Siegel. Genauso wie die Hofpfisterei in Bayern und die meisten der kleinen Bioläden. Handelsketten: Konventionelle Ketten haben fair gehandelten Kaffee ebenfalls im Sortiment: Feneberg-Kaufmarkt, Globus-SB-Warenhaus, Kaiser’s, Maxus-SB-Warenhaus, Tengelmann, Minimal, Rewe, tegut, Toom. Internet Fairer Handel: www.transfair.org Weltläden: www.gepa3.de/htdocs/ vertrieb Direktbezug: www.el-puente.de www.gepa.de NATUR+KOSMOS 12/2005 I 45