Lesekompetenzförderung durch Methoden des

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Lesekompetenzförderung durch Methoden des
„Zu denken, Lesekompetenz entwickele
sich nach dem primären Schriftspracherwerb
quasi automatisch, ist ein Trugschluss.
Eine gezielte Förderung ist auf allen Stufen
des Kompetenzerwerbs notwendig.“
(Anita Schilcher 2012, S. 10.)
Lesekompetenzförderung
durch Methoden des Kooperativen Lernens
Workshop während der Fachtagung
Kooperatives Lernen
und schüleraktivierendes Unterrichten
Mittwoch, 09. April 2014
35037 Marburg
Moderation: Ludger Brüning
Materialien und Konzeption: Tobias Saum und Ludger Brüning
0
Inhalt
1
Lesekompetenzförderung durch Kooperatives Lernen ...................................................... 3
2
Lesen lernen –Überblick .................................................................................................... 4
3
Methoden des Kooperativen Lernens, mit denen die Lesekompetenz gefördert wird ....... 5
4
Die Leseflüssigkeit steigern ............................................................................................... 8
4.1
Mit Lautlese-Tandems die Leseflüssigkeit kooperativ verbessern ............................. 8
4.2
Viellese-Verfahren für schwache Leser? ................................................................... 9
5
Lesestrategie-Verfahren im Kooperativen Lernen .......................................................... 10
5.1
Wechselseitiges Lesen und Zusammenfassen .......................................................... 10
5.2
Reziprokes Lesen ..................................................................................................... 11
5.2.1 Version 1: Variation ............................................................................................. 11
5.2.2 Version 2: Das Original........................................................................................ 14
5.3
Einzelkompetenzen für die Erschließung von Texten fördern ................................. 15
5.4
Individuelle Lesestrategien anregen ......................................................................... 16
5.5
Das Haus des Fragens - selbstständig und kompetent Texte erschließen ................ 18
6
Das Lesepatenmodell in Klasse 5 und seine empirische Untersuchung .......................... 27
7
Übungsvorlagen Lesekompetenz ..................................................................................... 29
8
Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 31
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass dieser Reader für die Fortbildung angelegt ist und zu diesem Zweck fotomechanisch vervielfältigt werden darf. Die fotokopierte Vorlage darf von den Teilnehmerinnen für eigene
Aus- und Fortbildungszwecke verwendet werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass jede digitale
Verbreitung - auch das Einstellen in geschlossenen Netzwerken - untersagt ist.
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Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
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1
Lesekompetenzförderung durch Kooperatives Lernen
Texte lesen und verstehen zu können, ist eine der zentralen Kompetenzen, die die Schule
vermitteln muss. Sie ist notwendig für den Beruf und für eine Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben. Sie versetzt unsere Schülerinnen und Schüler auch in die Lage, selbstbestimmt und
aufgeklärt zu leben, die eigene Persönlichkeit zu bilden und ermöglicht nicht zuletzt auch den
Lesegenuss.
Daher wird der Förderung der Lesekompetenz in der Schule mit Recht viel Aufmerksamkeit
gewidmet. Dennoch - wie in vielen Studien deutlich wird - ist die Leseförderung nicht immer
erfolgreich. Das hat z.B. die PISA-Studie gezeigt: «So können beispielsweise in der Schweiz
17% der Jugendlichen am Ende ihrer Schulzeit nur die sehr einfachen Texte verstehen, ein
Teil von ihnen ist auch dazu nicht imstande. (…) Davon betroffen sind nicht nur Immigrantinnen und Immigranten, sondern auch Menschen, die in der Schweiz aufgewachsen und geschult worden sind» (Bertschi-Kaufmann 2007, S. 8/9). Für den gesamten deutschsprachigen
Raum, kann man „… mit PISA von einem Viertel der Schülerschaft ausgehen, deren Lesefähigkeiten nicht ausreichend sind, um in der gegenwärtigen ‚Informationsgesellschaft’ zu bestehen.“ (Rosebrock/Nix 2010, S. 8)
Besonders besorgniserregend ist, dass diese Schülerinnen und Schüler aufgrund der unzureichenden Lesekompetenz in der Schule insgesamt nicht erfolgreich sein können. Denn ihre
unzureichende Lesekompetenz wird zur Ursache für
schwache schulische Leistungen in allen Fächern, da
nahezu jeder Unterricht in der Sekundarstufe darauf
angewiesen ist, dass die Schülerinnen und Schüler in
der Lage sind, aus Texten Informationen zu entnehmen. Deshalb ist zu betonen, dass die Lesekompetenz
eine Querschnittsaufgabe aller Fächer darstellt und
letztlich den Schüler in allen Fächern wieder zugutekommt.
Die Ergebnisse der aktuellen PISA-Studie (2012) zeigen, dass in den Deutschland und der Schweiz erkennbare Verbesserungen gegenüber der ersten Studie
1999 zu verzeichnen sind. So rangiert die Schweiz mit 509 Punkten(1999: 494), Deutschland
mit 508 (1999: 484) im oberen Mittelfeld und Österreich liegt mit 490 Punkten (1999: 507)
knapp unter dem OECD-Durchschnitt (496 Punkte).
Diese Verbesserungen sind vor allem auf Kompetenzzuwächse im unteren Leistungsbereich
und den Anstrengungen in den entsprechenden Schulen zurückzuführen. Doch selbst wenn im
unteren Leistungsbereich deutliche Verbesserungen feststellbar sind, verfehlen immer noch
14 % der Schülerinnen und Schüler die Lesekompetenzstufe 2. Dies macht deutlich, dass die
Schule nicht nachlassen darf, die Leseförderung weiter zu entwickeln und nach neuen Wegen
suchen muss. Einer dieser neuen Wege kann der verstärkte Einsatz kooperativer Lernformen
sein. Mithilfe des Kooperativen Lernens können die Schülerinnen und Schüler sowohl lernen,
einen Text flüssig zu lesen als auch ihn inhaltlich unter Verwendung von Lesestrategien zu
erschließen. Hinzu kommt, dass das Kooperative Lernen nicht etwa auf den Deutschunterricht
beschränkt ist, auch nicht Gegenstand von isolierten Trainingswochen oder –tagen ist. Daher
wird ist es einfacher, die Lerngelegenheiten für die Schüler breiter zu streuen. Gleichwohl
verstehen sich die mit dem Kooperativen Lernen verbundenen Methoden zu Lesekompetenzförderung als Ergänzung zu den strategischen und methodischen Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler bei der Arbeit mit Texten im schulischen Unterricht bislang schon häufig erwerben.
http://www.oecd.org/pisa/keyfindings/PISA-2012-results-germany-DEU.pdf
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2
Lesen lernen –Überblick
wirksam
Lesen lernen
durch
Visuelle / auditive Wahrnehmung
Schriftspracherwerb
Vorlesen
• Programme,
z.B. „Sehen –
Hören - Lauschen“
• lautorientiertes Lernen –
analytisch
und systematisch
• Vorlesen in
Kleingruppen
Primarstufe
• Buchstaben
lernen
Vorschulische
Trainings
(Kindergarten)
WortschatzTraining
Leseflüssigkeits-Training
LesestrategieTraining
• LautleseVerfahren
• Programme
mit Eltern-/
Vorlesepaten
• systematische Arbeit
mit Grundund Erweiterungswortschatz
• individuelle
LesestrategieMethoden
Kindergarten bis
Sekundarstufe
Primar- und v.a.
Sekundarstufe
Primar- und Sekundarstufe
• VielleseVerfahren
• kooperativen
LesestrategieMethoden
v.a.Sekundarstufe
Übersicht nach Schilcher 2012, S. 10-12
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Methoden des Kooperativen Lernens, mit denen die Lesekompetenz gefördert wird
Kooperative Methoden
zur Texterschließung
und Leseförderung
LeseflüssigkeitsVerfahren
Lautlesetandems
Paarweises
Vorlesen
Lesepatenmodelle
LesestrategieVerfahren
Wechselseitiges
Lesen und
Zusammenfassen
Reziprokes
Lesen
Haus des Fragens
Wechselseitiges
Lehren und
Lernen
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Im Kern wirken die einzelnen Methoden in zwei Bereichen der Lesekompetenz:
• Lautleseverfahren fördern die Leseflüssigkeit
• Lesestrategie-Verfahren stärken die eigentliche Textverstehenskompetenz.
In der folgenden Übersicht werden die Methoden beschrieben und es wird jeweils ausgewiesen,
welche Lesestrategien mit ihnen eingeübt werden können:
Lehrmethode
Kurzbeschreibung der Methode
Kompetenzen, die mit
der Methode eingeübt
werden
ab
1.
LautleseTandems
Chorisches Lesen: Ein besser lesendes
(Trainer) und ein schwächer lesende Kind
(Sportler) bilden ein Paar (Lesetandem).
Beide lesen zunächst einen Text gemeinsam
halblaut. Der Trainer führt den Finger über
den Text und passt sich der Geschwindigkeit
des Sportlers an. Der Trainer verbessert Lesefehler, sofern der Sportler sie nicht selbst
erkennt. Einzelne Abschnitte liest der Sportler allein, aber immer noch halblaut. Der
Trainer setzt nur ein, wenn Lesefehler auftreten. Dann beginnt das gemeinsame Lesen.
Jeder Textabschnitt muss mehrfach gelesen
werden, bis der Textabschnitt vom Sportler
relativ fehlerfrei gelesen werden kann.
• Dekodierfähigkeit und
Leseflüssigkeit
Jg.
2/3
2.
Paarweises
Vorlesen
Wechselseitiges Vorlesen: Ein Schüler liest
einen ersten Abschnitt dem Partner laut vor.
Der Partner greift ein, korrigiert etc. Der
Partner liest den nächsten Abschnitt laut vor.
So wird im Wechsel von Vorlesen und Zuhören ein Text gelesen.
• Dekodierfähigkeit und
Leseflüssigkeit
• fehlerfrei, flüssig betont vorlesen
Jg.
2/3
Vorlesen und zusammenfassen: Ein ein/e
Schüler /-in liest jeweils einen Abschnitt
eines Textes vor und der/die andere muss
den Inhalt wiedergeben. Der Vorleser gibt
eine Rückmeldung zur Zusammenfassung.
Beim nächsten Abschnitt wechseln die Rollen. Am Ende sollte dann jede/r Schüler/-in
noch einmal den gesamten Inhalt des Textes,
der Geschichte wiedergeben.
Wenn die Lehrperson abschnittweise vorliest, und die SuS abwechselnd zusammenfassen, dann kann diese Übung bereits im
Kindergarten eingesetzt werden.
• fehlerfrei, flüssig und
betont vorlesen
Jg. 3
Lesestrategien einüben: Nach der individuellen Lesephase erschließen die Schüler den
Text, indem die Gruppenmitglieder nacheinander folgende Handlungen durchführen:
1. Textverständnis sichern und überwachen:
Dazu (a) Fragen zum Inhalt des Textab-
Lesestrategien:
• Fragen zu einem Text
stellen
• Abschnitte zusammenfassen
3. . Wechselseitiges Lesen
und Zusammenfassen
4. 5 Reziprokes
. Lesen
• Gehörtes zusammenzufassen
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Kindergarten
Jg.
4/5
6
schnittes stellen, (b) Erläuterung von
Textstellen und Worterklärungen einfordern.
2. Textinhalte zusammenfassen
3. Sie fordert zu Reflexionen über den Text
auf: Was von dem haben die anderen
schon einmal gehört? Woran werden sie
erinnert? In welchem Zusammenhang
steht das mit dem Unterricht?“
4. In einem Satz die zentrale Information
angeben.
5.
Haus des
Fragens
Mit dem kooperativen Verfahren „Das Haus
des Fragens“ können die Schüler/-innen einüben, auf den verschiedenen Ebenen des
Textverstehens Fragen an einen Text zu stellen und sich gegenseitig zu beantworten. Je
nach Textebene fordern sie sich gegenseitig
auf, verschiedene Lesestrategien an.
• Mit Vorwissen verknüpfen
•
Lesestrategien:
Jg.
• Fragen zum Inhalt, 3/5
zur Analyse und zur
Reflexion eines Textes stellen
• die Fragen beantworten und dabei verschiedene Lesestrategien anwenden
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7
4
4.1
Die Leseflüssigkeit steigern
Mit Lautlese-Tandems die Leseflüssigkeit kooperativ verbessern
Nach der eigentlichen Entschlüsselung von Buchstaben und Wörtern (Decodierung) wird die Leseflüssigkeit in der Grundschule zum eigentlichen Gegenstand des Unterrichts und auch intensiv
geübt. Trotzdem aber gibt es auch in den höheren Jahrgangsstufen noch relativ viele Schüler und
Schülerinnen, die bezüglich der Leseflüssigkeit einen großen Lernbedarf haben. Sie sind mit Eintritt in die 5. Klasse eben noch nicht in der Lage altersgemäße Texte flüssig zu lesen. Das bedeutet
aber auch, dass diese Kinder, die Texte noch nicht flüssig lesen können, grundsätzlich nicht den
eigentlichen Textinhalt erfassen können. Sie können daher nicht aus und mit (Schulbuch-)Texten
lernen. Die kognitiven Anstrengungen, die sie für das eigentliche Entschlüsseln der Wörter aufwenden, machen ihnen eine Sinnkonstruktion, aufgrund einer Überlastung des Kurzzeitgedächtnisses, unmöglich. Diese Kinder wurden in der Leseförderung „lange Zeit sträflich vernachlässigt“
(Rosebrock u.a. 2011, S. 10). Gleiches gilt aber auch für den schulischen Unterricht allgemein, hat
doch spätestens die PISA-Studie bewiesen, dass die Lehrpersonen diese Kinder nur selten als
schwache Leser identifizieren.
Exkurs: Diese durch die PISA-Studie 2000 belegte nicht immer ausreichende diagnostische
Kompetenz der Lehrpersonen ist aus unserer Sicht kaum verwunderlich, steuert im immer
noch vorherrschenden fragend-entwickelnden Unterricht doch die Lehrperson den Unterricht: Gute Schüler melden sich und tragen die notwendigen Ergebnisse, zum Beispiel aus
einer Textarbeit, im Unterrichtsgespräch vor. Der Unterrichtenden sortiert die Beiträge
und sichert die Ergebnisse an der Tafel. Die schwachen Kinder sind in diesem Unterricht
gar nicht wirklich eingebunden. Sie bleiben über Jahre „Zuschauer“, ohne dass die eigentlichen Ursachen für ihre Passivität diagnostiziert werden. Das ist für den Unterrichtenden
ja auch nicht zwingend notwendig, denn dieser Unterricht funktioniert auch mit wenigen
aktiven Schülern. Leseschwache Schülerinnen und Schüler werden in diesem Unterricht
übersehen.
Die schwachen Leser müssen zunächst ihre Leseflüssigkeitskompetenz auf- oder ausbauen. Andernfalls ist schulisches Versagen vorprogrammiert.
Um bei diesen Schülern die Leseflüssigkeit zu verbessern, bieten sich kooperative Lautleseverfahren an. Empirisch sehr gut untersucht sind Lautlesetandems, in denen das kooperative Paarlesen
mehrmals in der Woche in festgelegter Weise durchgeführt wird (siehe Ablaufbeschreibung nächste Seite).
Ablauf der Lautlese-Tandems 1
Dreimal wöchentlich 15 – 20 Minuten:
1. Die Schülerpaare schauen gemeinsam in ein Exemplar des Textes. Sie zählen an
(eins, zwei, drei) und lesen im Chor (halb)laut los. Der Trainer führt den Finger mit.
2. Wenn ein Lesefehler gemacht wird und keine Selbstkorrektur folgt, verbessert der
Trainer und markiert das Fehlerwort. Sie setzen neu an und lesen gemeinsam weiter.
3. Wenn kein Fehler gemacht wird, lobt der Trainer den Sportler kurz („gut“).
1
nach: Rosebrock/Nix/Rieckmann/Gold 2011, S. 150.
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4. Wenn ein unbekanntes Wort vorkommt, versuchen sie es zu klären oder fragen die
Lehrerin.
5. Wenn sich der Sportler sicher fühlt, gibt er ein „Allein-Lese-Zeichen“. Der Trainer lobt
kurz und führt weiterhin den Finger mit. Wenn ein unkorrigierter Fehler vorkommt, wird
er korrigiert, beide setzen wieder neu an und lesen chorisch weiter.
6. Der Text wird insgesamt viermal im Tandem gelesen. Nach jeder Lesung wird ein
Häkchen gesetzt. (etwa 4 x 4 Minuten = 16 Minuten „Nettolesezeit“)
7. Tandems, die eher fertig sind als andere, dürfen einen vorhergehenden Text noch
einmal fehlerfrei lesen oder sich leise über den Text verständigen.
8. Kurzes Feedback: Die Kinder beurteilen per Handzeichen (Daumen nach oben, waagerecht oder nach unten), wie zufrieden sie mit der Arbeit ihres Partners waren. Die
Lehrerin fragt ggf. nach und klärt Schwierigkeiten.
Dauer insgesamt: ca. 15 – 20 Min.
Wichtig für die Lehrkraft: Immer wieder die Gleichwertigkeit der Rollen betonen!
TIPP:
Bei Rosebrock u.a. (Leseflüssigkeit fördern, 2011) finden sich umfassende methodische
Vorschläge, Diagnoseinstrumente und Hinweise zur Bestimmung von Schwierigkeitsgraden von Texten.
4.2
Viellese-Verfahren für schwache Leser?
Viellese-Verfahren, wie die sehr verbreitete „Leseolympiade“ oder das online-basierte „Antolin“
sind ein wichtiger Baustein im Bereich der Leseförderung.
Aber sie sind für Schüler, die nicht flüssig lesen können, nicht immer lernwirksam. Diesen Schülern fehlen schlicht die Voraussetzungen, die notwendigen Kompetenzen zu erfolgreichen Teilnahme. Nicht selten fragen sich Unterrichtende, warum einzelne Schüler an diesen VielleseVerfahren nicht teilnehmen oder nur mit Mühe zum Lesen animiert werden können. Häufig liegt
die eigentliche Ursache darin, dass die Kinder nicht in der Lage sind, flüssig zu lesen. Alles Lesen
wird dann zur Anstrengung und ruft Misserfolgserfahrungen hervor. Lese-Olympiaden werden für
diese Kinder zur Qual, der sie aus dem Weg zu gehen versuchen (Vgl. Rosebrock u.a. 2011, S.
21f.). Hier sollten Methoden, die die Leseflüssigkeit fördern, vorgeschaltet werden oder in jedem
Fall mit Viellese-Verfahren einhergehen.
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5
5.1
Lesestrategie-Verfahren im Kooperativen Lernen
Wechselseitiges Lesen und Zusammenfassen
Bei dieser Methode liest ein Schüler jeweils einen Abschnitt eines Textes vor und der andere muss
den Inhalt wiedergeben. Beim nächsten Abschnitt wechseln die Rollen. Ziel der Methode ist, dass
die Schüler folgende Kompetenzen schulen: flüssig lesen, betont vorlesen, genau zuhören, Gehörtes zusammenfassen und leise sprechen.
So geht es
Der Lehrer bildet Paare, die gemeinsam einen Text erarbeiten. Jeder muss in der Lage sein, den
Inhalt des Textes richtig wiederzugeben. Dazu gehen die Schüler in mehreren, deutlich strukturierten Schritten vor:
1. Jeder liest den ersten Abschnitt leise für sich.
2. Schüler A liest ersten Abschnitt leise, deutlich und betont vor.
Schüler B liest nicht mit, sondern hört aufmerksam zu. Seine
Aufgabe besteht außerdem darin, behutsam einzugreifen, wenn
der Leser etwas anscheinend falsch oder undeutlich liest. Denn er
muss ja dafür sorgen, dass er alles versteht
2
.
A
B
liest vor
hört zu
3
.
A
B
hört zu und
prüft Zusammenfassung
fasst zusammen
3. Schüler B fasst anschließend das Gehörte mit eigenen Worten
zusammen und Partner A überprüft die Richtigkeit. Die Schüler
können sich jetzt gegenseitig noch Fragen stellen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Was
sie nicht klären können, schreiben sie auf, um es später im Unterricht zu besprechen.
4. Beide lesen dann den 2. Abschnitt leise.
5. Die Rollen wechseln jetzt und Schüler B liest den 2. Abschnitt
laut vor, Schüler A übernimmt die Aufgaben, die eben Schüler
B hatte.
5
.
A
B
hört zu
liest vor
6
.
A
B
6. Schüler A fasst jetzt das Gehörte mit eigenen Worten zusammen und Partner B überprüft die Richtigkeit.
fasst zusammen
hört zu und
prüft Zusammenfassung
7. Die Rollen wechseln so bis zum Ende des Textes.
8. Jeder schreibt jetzt eine Zusammenfassung des Textes. Dabei kann er den Text benutzen.
9. Einige Zusammenfassungen werden im Plenum vorgelesen und besprochen. Ggf. sammelt der
Lehrer noch einige zur Korrektur ein.
Tipps für die Praxis

Bildung der Abschnitte: Wichtig ist, dass die einzelnen Abschnitte des Textes wirklich Sinnabschnitte sind und dass sie nicht zu lang sind. Andernfalls sollten die Schüler eine andere Einteilung der Abschnitte vorgegeben bekommen.

Zur Rolle des Lehrers: Möchte der Unterrichtende die individuelle Verantwortlichkeit unterstreichen, so kann er sich zu einzelnen Paaren setzen und einzelne Schüler auffordern, Abschnitte zusammenzufassen oder das bisherige Textverständnis darzustellen.

Leise lesen und laut vorlesen: Aus der Leseforschung wissen wir, dass Leseanfänger v.a. in
der ersten und zweiten Klasse auf lautes Lesen angewiesen sind, um den Sinn zu verstehen.
Sobald sie aber lesen können, stellt das Laute lesen für den Vorlesenden eine zusätzliche Aufgabe dar, die ihr Sinnverstehen erschwert. Deshalb können die Schüler, die Schwierigkeiten
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beim Vorlesen haben, vor dem lauten Vorlesen zunächst die Gelegenheit erhalten, still zu lesen.
Varianten
•
Der Unterrichtende liest vor: Im Anfangsunterricht liest der Unterrichtende der Klasse laut
vor, und bildet immer wieder Abschnitte. Nach jedem Abschnitt fassen die Schüler dann die
Abschnitte abwechselnd in Partnerarbeit zusammen.
•
Ohne Vorlesen: Die Schüler lesen jeweils einen Abschnitt leise und in Einzelarbeit durch. Das
Vorlesen danach entfällt. Anschließend fasst Schüler A den leise gelesenen Abschnitt mit eigenen Worten zusammen. Schüler B prüft die Zusammenfassung usw.
•
Vorlesen üben: Wenn jüngere Schüler oder Schüler, die anfangen eine Fremdsprache zu erlernen, nur lesen üben sollen, dann kann man es auch dabei bewenden lassen, dass die Schüler
sich nur gegenseitig vorlesen und dabei korrigieren.
•
Den Text mit dem eigenen Wissen verbinden: Man kann die Aufgabe des Zusammenfassens
erweitern, indem zusätzlich Assoziationen entwickelt werden sollen und dem Partner gesagt
wird, womit man das bislang Gehörte bzw. Gelesene in Verbindung bringen kann. Je nach
Schwerpunkt können hier weitere Lesestrategien ergänzt werden, die angewendet werden sollen, z.B. innere Bilder entwickeln, Inhalte umformulieren, reflektieren etc.
•
In Kleingruppen Texte erschließen: Die hier vorgestellten Formen können natürlich auch in
Gruppen aus drei oder vier Schülern durchgeführt werden, wenn die Klasse mit dem Kooperativen Lernen etwas vertraut ist.
•
Differenzierung: Wenn die Paare jeweils aus einem schwächeren und einem stärkeren Schüler
zusammengesetzt werden, dann kann dergestalt differenziert werden, dass der schwächere
Schüler längere Abschnitte und der stärkere kürzere Abschnitte liest. Dann kann der schwächere Leser vorrangig an seiner Leseflüssigkeit arbeiten und der stärkere wird durch das Zusammenfassen längerer Abschnitte herausgefordert.
In welcher Phase des Unterrichts kann die Methode eingesetzt werden?
Das wechselseitiges Lesen und Zusammenfassen eignet es sich vor allem für die Aneignung von
neuen Lerninhalten in der Phase der Erarbeitung und immer dann, wenn es darum geht, erworbene
Kompetenzen zu vertiefen und anzuwenden.
Bei welchen Inhalten könnte die Methode eingesetzt werden?
Das wechselseitiges Lesen und Zusammenfassen kann in allen Fächern eingesetzt werden, in denen
Texte erschlossen werden sollen.
Aufgrund der vielen Varianten, ist die Methode in jeder Altersstufe einsetzbar, wenn es um Texte
geht. Soll der Text laut vorgelesen werden, dann sind erzählende, d.h. narrative Texte sehr vorteilhaft. Viele Zahlen, Statistiken oder Konstruktionsbeschreibungen sind für die Zuhörer sehr problematisch.
5.2
Reziprokes Lesen
5.2.1 Version 1: Variation
Beim reziproken Lesen erschießen die Schülerinnen und Schüler einen Text kooperativ und leiten
dabei ihren Wissenskonstruktionsprozess selbst. Dabei wenden sie systematisch Kompetenzen an,
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die sich für das Verstehen von Texten sowohl in der Forschung als auch im Unterricht als bedeutsam erwiesen haben.
Die kooperative Lesestrategie des reziproken Lesens geht davon aus, dass vor allem der Austausch
über den zunächst individuell erschlossenen Text und die Anwendung von Lesestrategien für die
Entwicklung von Lesekompetenz entscheidend sind.
Dabei werden nach der individuellen Lesephase vier Handlungen in den Mittelpunkt der Kooperation gestellt:
(1) Fragen zum Inhalt des Textabschnittes stellen und schwer verständliche Textstellen klären,
(2) Textinhalte zusammenfassen,
(3) Fragen zur Reflexion über den Textabschnitt stellen,
(4) In einem Satz formulieren, was die zentrale Information des Textabschnittes ist.
Zunächst lesen die Schüler den ersten Textabschnitt in Einzelarbeit. Wenn sie mit weiteren Texterschließungstechniken (z.B. markieren, visualisieren, zusammenfassen) vertraut sind, dann werden
sie diese in dieser Phase bereits anwenden.
Jeder Gruppenmitglied bekommt eine
von vier Aufgaben: (1) Eine Schülerin
ist diejenige, die Fragen zum ersten
Abschnitt stellt, die sich auf die wichtigsten Informationen des Abschnitts
beziehen und die die anderen Gruppenmitglieder beantworten müssen. Sie
kann auch schwierige Formulierungen,
verschachtelte Sätze oder Fremdwörter
erfragen, so dass diese Verstehenshindernisse überbrückt werden. Die Gruppenmitglieder haben die Aufgabe, die
Fragen der ersten Schülerin zu beantworten. Dazu können sie auch Hilfsmittel (Wörterbücher) hinzuziehen. (2) Die
im Uhrzeigersinn nächste Schülerin
fasst den Abschnitt dann mit eigenen
Worten zusammen; die anderen prüfen
die Zusammenfassung. (3) Der dritte Schüler fordert dann zur Reflexion über den Text auf: „Was
von dem haben die anderen schon einmal gehört? Woran werden sie erinnert? In welchem Zusammenhang steht das mit dem Unterricht?“ usw. dies Phase ist sehr bedeutsam, da hier Vorwissen
und neue Informationen miteinander verbunden werden, was für nachhaltiges Lernen unverzichtbar
ist. (4) Der vierte Schüler formuliert in einem Satz, was die zentrale Information in dem gelesenen
Abschnitt ist.
Nach dieser kooperativen Auseinandersetzung mit dem Text lesen die Gruppenmitglieder in Einzelarbeit den nächsten Abschnitt. Die Aufgaben kreisen im Uhrzeigersinn. Zunächst wir die Prognose aus der vorherigen Runde in den Blick genommen: „Wird in diesem Abschnitt die Frage beantwortet?“ Dann beginnt die Besprechung des zweiten Abschnitts. Im Verlauf des reziproken Lesens bekommt so jeder Schüler nach jedem Abschnitt eine andere Aufgabe, während der Text Abschnitt für Abschnitt in einem Wechsel von Einzelarbeit (Konstruktion) und Kooperation (KoKonstruktion) durchgearbeitet wird.
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So geht es
Die Klasse sitzt an Gruppentischen zu vier Schülern sitzen.
Phase der Einzelarbeit
Die Schülerinnen und Schüler lesen still den ersten Abschnitt des Textes.
Phase der Kooperation
Person A: Sie stellt Fragen, zum Inhalt des Textes und zu schwierigen Textstellen. Die anderen Teammitglieder beantworten die Fragen von Person A. Die Schüler klären hier
selbstständig einzelne Aussagen oder Wortbedeutungen. Im Dialog zwischen den Schülern
werden Verstehenslücken geschlossen.
Person B: Sie formuliert und schlägt eine Zusammenfassung des Textabschnitts vor. Jetzt
überlegen die anderen Teammitglieder, ob die Zusammenfassung gelungen ist, oder ob
noch Ergänzungen oder Korrekturen notwendig sind, um die Kernaussagen des Abschnittes
zu erfassen.
Person C: Sie fordert zu Reflexionen über den Text auf: Was von dem haben die anderen
schon einmal gehört? Woran werden sie erinnert? In welchem Zusammenhang steht das mit
dem Unterricht?“ In dieser Phase werden die neuen Informationen mit dem Vorwissen verbunden.
Person D: Formuliert in einem Satz, was die wichtigste Information im bisherigen Abschnitt ist. Die Gruppenmitglieder besprechen die Einschätzung.
Phase der Einzelarbeit
Die Schülerinnen und Schüler lesen still den nächsten Abschnitt des Textes.
Phase der Kooperation
Nach dem Gespräch über den ersten Textabschnitt und dem Lesen des zweiten Abschnitts
werden Aufgaben, dem Uhrzeigersinn folgend, jeweils von einem anderen Gruppenmitglied
übernommen
Person B: Anschließend stellt Person B die Fragen, zum Inhalt des Textes und zu schwierigen Textstellen.
Person C: formuliert und schlägt eine Zusammenfassung des Textabschnitts vor.
Person D fordert zu Reflexionen über den zweiten Abschnitt auf.
Person A „Formuliert in einem Satz, was die wichtigste Information im bisherigen Abschnitt ist.
Usw.
Was hat sich bei der Durchführung bewährt?
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1. Aufgabenverteilung visualisieren: Damit immer deutlich ist, wer gerade welche Aufgabe hat,
ist es hilfreich, den Schülerinnen und Schülern vier verschiedenfarbige Karten zu geben, wobei
jede Karte für eine andere Aufgabe steht. Wenn die Aufgaben rotieren, werden auch die Karten
weitergereicht. So entsteht nie ein Missverständnis darüber, wer welche Aufgabe hat. Wenn Sie
keine farbigen Karten zur Hand haben, kann jeder Schüler einen farbigen Buntstift nehmen.
Notieren Sie an der Tafel, welche Farbe zur entsprechenden Rolle gehört. Die Schüler geben
dann die Stifte im Uhrzeigersinn weiter.
2. Als Unterrichtender zuhören: Sehr aufschlussreich ist es, wenn der Unterrichtende sich in
der Arbeitsphase zu einer Lerngruppe setzt und genau zuhört, wie die Schülerinnen und Schüler über den Text sprechen. Erst so wird sichtbar, ob es den Schülerinnen und Schülern gelingt,
die einzelnen Handlungen des reziproken Lesens angemessen einzusetzen.
3. Als Unterrichtender in einer Gruppe mitarbeiten: Sie können auch in einer Gruppe in die
Rolle eines Schülers schlüpfen und mitarbeiten. Für die Schüle sind Sie hier Modell und nehmen gleichsam aus der Innensicht den Arbeitsprozess wahr. Wenn Sie das reziproke Lesen erst
wenige Male eingesetzt haben, dann möchten wir dies jedem Unterrichtenden ans Herz legen,
da er erst so die mit dem Vorgehen für die Lernenden verbundenen Herausforderungen erfahren kann.
Es geht ab der ersten Klasse!
Die Lesestrategie mutet zunächst sehr komplex an. Sie lässt sich dennoch bereits ab der ersten
Klasse einsetzen. Vielleicht liest der Unterrichtenden eine Geschichte abschnittweise vor und die
Schüler bekommen eine jeweils unterschiedliche Aufgabe, die sie in der Kleingruppe mündlich
beantworten müssen.
5.2.2 Version 2: Das Original
In der ursprünglichen Beschreibung bei Palinscar und Brown sind die Rollen etwas anders beschrieben (Vgl. Brüning/Saum 2006, S. 102):
Person A: Sie stellt Fragen, die aus dem Text heraus beantwortet werden können. Die anderen
Teammitglieder beantworten die Fragen von Person A.
Person B: Sie formuliert eine Zusammenfassung des Textabschnitts. Jetzt überlegen die anderen
Teammitglieder, ob die Zusammenfassung gelungen ist, oder ob noch Ergänzungen oder Korrekturen notwendig sind, um die Kernaussagen des Abschnittes zu erfassen.
Person C: Sie fordert zu Worterklärungen und zur Erläuterung unklarer Textstellen auf. Die Schüler klären hier selbstständig einzelne Aussagen oder Wortbedeutungen. Im Dialog zwischen den
Schülern werden Verstehenslücken geschlossen.
Person D: Sie „wagt“ zum Abschluss eine Vorhersage dessen, was der folgende Textabschnitt
wohl bringen wird, da diese Information noch fehlt.
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5.3
Einzelkompetenzen für die Erschließung von Texten fördern
1. KOMPETENZ: Fragen stellen
„Stelle Fragen, die aus dem Text heraus beantwortet werden können. Du sollst damit überprüfen,
ob das Wichtige im Text auch verstanden worden ist!“
Kriterium für eine gelungene Frage ist: Wird eine wichtige Information des Textes erfragt?
Übungsvorschlag:
Zur Inhaltserschließung kennen die Schülerinnen und Schüler die W–Fragen. Diese können
sie sich zum Beispiel auf die Finger der linken Hand schreiben.
Einzelarbeit: Nachdem ein Abschnitt gelesen worden ist, schreibt jeder zwei W–Fragen
auf, die dem Kriterium entsprechen.
Gruppenarbeit: Der erste Schüler liest seine Fragen vor. Die Teammitglieder überlegen
kurz allein, ob die vorgestellten Fragen etwas Wichtiges zum Text erfragen. Alle diskutieren nun die vorgeschlagenen zwei Fragen. Anschließend lesen die anderen Schüler im Uhrzeigersinn ihre Fragen vor, die dann wieder besprochen werden. Am Ende kann sich das
Team auf die drei besten Fragen einigen.
Tipp: Die Diskussionsphasen können durch Redekärtchen (Talking Chips) strukturiert
werden.
2. KOMPETENZ: Zusammenfassen
„Fasse den Textabschnitt zusammen und frage, was andere ergänzen oder berichtigen möchten!“
Übungsvorschlag:
Jeder schreibt eine Zusammenfassung zu einem Textabschnitt. Dabei werden die zwei Vorgaben gemacht:
• Der erste Satz beginnt mit: „In dem Abschnitt geht es um ...“
• Die Zusammenfassung darf nur eine vorgegebene, d.h. maximale Anzahl von Wörtern
haben. Dadurch müssen die Schülerinnen und Schüler sich auf das Wesentliche beschränken.
3.
KOMPETENZ: schwer verständliche Textstellen klären
„Prüfe, ob es Textstellen gibt, die noch nicht verstanden sind und frage dann die anderen danach“
Übungsvorschlag 1:
Einzelarbeit: Jeder bekommt einen Text, der schwer zu verstehende Stellen hat. Zunächst
soll jeder den Text still lesen und dann bei einem zweiten Lesen sich darüber Rechenschaft
geben, was er von dem Text versteht und was er nicht versteht. Dabei wird ihm folgende
Hilfestellung gegeben: „Bilde beim Lesen kleine Einheiten. Identifiziere unbekannte oder
unklare Ausdrücke. Um zu prüfen, ob du etwas verstehst, frage dich: Kann ich erklären oder umschreiben, was gemeint ist? Kann ich ein Beispiel dafür geben? Oder kommt mir
nichts in den Sinn?
Gruppenarbeit: Die Gruppenmitglieder stellen ihren gedanklichen Prozess einander vor,
indem sie ihn laut denkend wiederholend. So können sie am Modell lernen, wie man prüft,
was man bei einem Text verstanden hat und was nicht.
Übungsvorschlag 2:
Einzelarbeit Die Mitglieder einer Gruppe bekommen einen Text, indem das meiste verständlich, doch eine Passage schwerer verständlich ist. Dann wird ihnen die Kontextstrategie vorgestellt.
Sie sollen nun bei der schwierigen Textpassage verweilen und fragen, was genau ein Wort
oder ein Satz bedeutet und wie er im jeweiligen Kontext zu verstehen ist.
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
15
Gruppenarbeit: Die Gruppenmitglieder stellen ihren gedanklichen Prozess einander vor,
indem sie ihn laut denkend wiederholend. So können sie am Modell lernen, wie man
schwierige Stellen aus de Kontext heraus versteht.
4. KOMPETENZ: Reflektieren /nachdenken
Zum Bereich „Reflektieren“ gehören die Verknüpfung mit Bekanntem, die Beurteilung und das
Finden von Alternativen.
Kriterium für gelungene Reflexionsfragen ist, ob sie Stoff zum Nachdenken bieten oder Anlass von
Diskutieren sind.
Übungsvorschlag:
Zur Reflexion bekommen die Schülerinnen und Schüler folgende Fragen:
• Verknüpfung mit Bekanntem:
Hat jemand Ähnliches gesehen, gelesen oder gehört?
Was hat das mit unserem Leben zu tun?
• Urteilen:
Was denkt ihr zu...?
Was ist gut/schlecht daran...?
Welches Gefühl habt ihr bei...?
Wie findet ihr...?
• Alternativen entwickeln:
Was wäre stattdessen möglich...
Einzelarbeit: Zunächst schreiben alle zwei Fragen zum Nachdenken zu einem Abschnitt
auf. Die Fragen sollten möglichst viel zum Nachdenken und Diskutieren anregen.
Gruppenarbeit: Der erste liest seine Fragen vor und alle diskutieren (Redekärtchen), welche Fragen gelungen sind. Die anderen lesen im Uhrzeigersinn vor. Am Ende soll die
Gruppe sich auf die drei besten Fragen einigen.
5. KOMPETENZ: Sehen, was fehlt:
„Nur wer sieht, was in dem Text noch nicht gesagt worden ist, aber noch gesagt werden müsste,
kann sinnvolle Vermutungen darüber aufstellen, wie der Text weitergehen könnte.“
Übung:
Einzelarbeit: Nach der Erschließung eines Abschnittes soll jeder die noch offenen Fragen
zu dem Thema aufschreiben.
Gruppenarbeit: Dann werden die Fragen nacheinander vorgelesen und entschieden, ob
das, was jeweils erfragt wird, so wichtig ist, dass der Text darauf noch eingehen müsste.
Am Ende kann von den offen gebliebenen Fragen her Textkritik geübt werden: Je weniger
Fragen ein Text zu einem Thema offen lässt, desto besser ist er.
Weiterer Hinweise:
Als erste methodische Übungen zur Förderung der Fragehaltung der Schüler empfehlen sich u.a.
folgende Übungen aus Heinz Klippert, Methodentraining: Fragen beantworten (B 12c, S.99), Fragen zum Text entwickeln (B 12d, S100), Fragelandschaft erstellen (B 16a, S.129). Quizfragen entwickeln (B 16b, S.130), Passende Fragen finden (B 16 c, S.131), Fragestellungen ableiten (B 16d),
Frage-Antwort-Puzzle (B 16e).
5.4
Individuelle Lesestrategien anregen
Sowohl beim „wechselseitigem Lesen und Zusammenfassen“ als auch beim „reziprokem Lesen“
werden die einzelnen Strategien des Textverstehens als Aufgabe oder Rolle gezielt auf die Schüler
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
16
verteilt. So erschließen die Schüler mit diesen Strategien einen Text. Kompetente Leser verfügen
aber über wesentlich mehr Texterschließungsstrategien. In der Leseforschung werden in der Regel
in drei Bereiche unterschieden. Aus diesen drei Bereichen können erfahrene Lehrkräfte weitere
Aufgabe oder Rollen entwickeln, die in den beiden Methoden eingesetzt werden. So ist auch zu
erklären, dass oben zwei unterschiedliche Versionen des reziproken Lesens vorgestellt sind.
1. Elaborieren
•
•
•
•
•
Paraphrasieren
Ersatz- und Umstellproben anwenden...
Vernetzen: Assoziationen notieren, spontane Kommentare, Ähnlichkeiten, Woran werde ich
erinnert? ...
Imaginieren: Kopfkino, zeichnen, skizzieren, beschreiben
Anwendung: ihn szenisch darstellen, Streitgespräche mit Textaussagen führen...
2. Organisieren
•
•
•
•
Gliedern: Abschnitte, Pfeile etc.
Reduzieren: markieren, Randbemerkungen etc.
Strukturieren
Visualisieren: Tabelle, Word-Web, Mind-Map etc.
3. Metakognitive Strategien
•
•
•
Lesen planen
Lesen überwachen: Was verstehe ich nicht? Wie fühle ich mich beim Lesen? Welche Arbeitsweisen empfinde ich als sinnvoll? Was hilft mir weiter?
Verständnisprobleme beseitigen: Kontextstrategien, Wörterbücher, kooperieren
4. Kommunizieren
Methodisch bedeutsam ist es, dass alle drei Strategien im Wechsel aus Einzelarbeit und Kooperation angewendet werden, um die Wirkungsweise des Kooperativen Lernens für die Lesekompetenzförderung fruchtbar zu machen, z.B. Schlüsselworte besprechen, Visualisierungen vergleichen,
Kerngedanken vergleichen usw., nach Unverstandenem fragen.
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
17
5.5
Das Haus des Fragens - selbstständig und kompetent Texte erschließen
In einem kooperativen Prozess lernen, selbstständig Fragen an einen Text zu stellen
Ziel des Lesekompetenz-Unterrichts soll es sein, dass die Schülerinnen und Schüler selbstständig einen Text
in den unterschiedlichen Anforderungsdimensionen 2 erschließen können. Hingeführt werden können sie
dahin mit dem Haus des Fragens. Die Etagen des Hauses sind eine Metapher für die Anforderungsniveaus.
Es hat 3 Stockwerke, jedes steht für eine zentrale Textverstehensdimension: In jedem Stockwerk stehen die
Fragen, die zu der jeweilige Ebene des Textverstehens gehören: Im Erdgeschoss stehen die Fragen, die sich
auf den Inhalt des Textes beziehen. Im 1.Stock stehen die Fragen, mit denen der Text analysiert werden
kann. Im Obergeschoss stehen die Fragen, die sich auf die Reflexion und Beurteilung des Textes beziehen.
Die Fragen sind allgemein formuliert und die Schülerinnen und Schüler müssen sie bei der Erschließung
eines Textes auf den jeweiligen Text bezogen formulieren. Die Fragen für einen fiktionalen Text sind andere als für einen Sachtext, daher werden im Folgenden 2 unterschiedliche Häuser des Fragens vorgestellt.
Der kooperative Prozess der Arbeit mit dem Haus des Fragens
1. Einzelarbeit: Die Schüler bekommen einen Text, den sie lesen. Jeder schreibt dann mind. 3
Fragen des Erdgeschosses zu dem Text auf und schreibt auch die Antworten auf.
2. Gruppenarbeit: Die Schüler stellen reihum jetzt immer eine der Fragen. Die anderen müssen
versuchen, diese richtig zu beantworten. Jeder Schüler hat vier Redekärtchen; bei jeder
Antwort muss er ein Kärtchen in die Mitte legen. Wenn er alle Karten abgelegt hat, muss er
warten, bis auch alle anderen ihre Karten abgelegt haben. Der fragende Schüler ruft auf, die
anderen müssen sich melden. Fragen dürfen nicht doppelt gestellt werden.
3. Einzelarbeit: Jeder schreibt dann mind. 2 Fragen des 1. Stockwerks zu dem Text auf und
schreibt auch die Antworten auf.
4. Gruppenarbeit: Die Schüler stellen reihum jetzt immer eine der Fragen. Die anderen müssen
versuchen, diese richtig zu beantworten. Jeder Schüler hat vier Redekärtchen; bei jeder
Antwort muss er ein Kärtchen in die Mitte legen. Fragen dürfen nicht doppelt gestellt werden.
5. Einzelarbeit: Jeder schreibt dann mind. 1 Frage des Obergeschosses zu dem Text auf und
schreibt auch die Antwort auf.
6. Gruppenarbeit: Die Schüler stellen reihum jetzt immer eine der Fragen. Die anderen müssen
versuchen, diese richtig zu beantworten. Jeder Schüler hat vier Redekärtchen; bei jeder
Antwort muss er ein Kärtchen in die Mitte legen. Fragen dürfen nicht doppelt gestellt werden.
Plenum: Die Gruppen stellen jetzt ihre schwierigsten Fragen auf den 3 Ebenen im Plenum.
2
Vgl. Rosebrock/Nix 2010, S. 18f.
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
18
Sachtexte
Das Haus
des
Fragens
Dachgeschoss
Fragen, bei denen die Mitschüler
urteilen und reflektieren müssen
• Wie beurteilst du den Inhalt des Textes? Gibt es etwas,
dem du nicht zustimmst? Warum? Welchen Gedanken
stimmst du zu? Was denkst du dazu?
• Kennst du das, was in dem Text steht? Hast du es bei dir
oder in deinem Umfeld erlebt?
• Was kann man aus dem lernen, was in dem Text steht?
Welche Konsequenzen könnte man daraus ziehen?
• Wie beurteilst du die Verständlichkeit des Textes? Woran
liegt es, wenn etwas gut oder weniger verständlich ist?
1. Etage: Fragen nach Zusammenhängen, die nicht wörtlich im Text
stehen und über die du nachdenken musst.
•
•
•
•
•
•
•
Was ist die Ursache von…? Wie entsteht...?
Welche Folgen hat...?
Wie hängt … mit … zusammen?
Vergleiche: Wodurch unterscheiden sich...? Was ist das Gemeinsame von…?
Erklärungen: Was bedeutet...?
Wie wird … begründet?
Welches Wissen (z.B. aus dem Unterricht) kannst du mit den neuen Informationen verbinden?
• Woran aus dem bisherigen Unterricht erinnert dich der Text?
Erdgeschoss: Fragen, bei denen die Antworten im Text zu finden
sind. Die Fragen sollten sich auf Wichtiges beziehen.
Frage nach einzelnen
Informationen. Nutze
dazu W-Fragen, zum
Beispiel:
•
•
•
•
•
Was passiert … ?
Wer ist wichtig… ?
Wann … ?
Wo geschieht etwas… ?
Wie kommt es zu … ?
Was steht im
Text? Fordere
die Mitschüler
auf, einzelne Abschnitte mit eigenen Worten zusammen zu fassen.
 Für alle Fragen gilt, dass du sie selbst zum jeweiligen Text passend formulieren musst.
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
19
Literarische Texte
Das Haus
des
Fragens
•
•
Dachgeschoss
Beurteilung
und Reflexi-
•
Urteilen:
Was denkst du zu...?
Was ist gut/schlecht an...?
Welches Gefühl hast du bei...?
Wie findest du...?
Alternativen entwickeln:
Was wäre stattdessen möglich?
Wie sieht ein anderer das aus
einer anderen Perspektive?...
Verknüpfung mit Bekanntem:
Hast du etwas Ähnliches gesehen, gelesen oder gehört?
Was hat das mit deinem Leben zu tun?
1. Etage: Fragen zu Beziehungen innerhalb des Textes
•
•
•
•
•
•
•
•
Motive der Personen: Warum handelt eine Person so?
Charaktere: Was sind typische Eigenschaften von einer Person?
Beziehungen: Welche Beziehung haben zwei Personen?
Ursachen, Wirkungen (Folgen): Was ist die Ursache von…? Welche Folgen hat...?
Weshalb entsteht...?
Zusammenhänge: Wie hängen zwei Geschehnisse zusammen?
Vergleiche: Wodurch unterscheiden sich...? Was ist das Gemeinsame
von…?
Erklärungen: Was bedeutet...?
Erdgeschoss: Fragen, bei denen die Antworten im Text stehen. Die
Fragen sollten sich auf Wichtiges beziehen.
Frage nach einzelnen Informationen
des Abschnitts.
Nutze dazu die WFragen: Wer? Was?
Wann? Wo? Wie?
Warum?
Fasse zusammen, was in dem
jeweiligen Abschnitt steht.
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
20
textes littéraires
une maison
questionnaire
grenier:
Dachboden
Beurteilung/
Reflexion
a) juger qn/qc (etw. beurteilen)



Qu’est-ce que tu penses de…
Tu aimes bien…?
Comment est-ce que tu trouves…?

Et toi, qu’est-ce que tu fais dans la même situation?/ Et
toi, est-ce que tu réagis
autrement dans la même situation?
b) trouver des alternatives
c) comparaison (Bezug zu dir)
 Est-ce que tu connais ça?
 Compare avec ta propre vie!
première étage:
Fragen, die nur durch Nachdenken über den Text beantwortet werden können (Analyse).
 Pourquoi est-ce que Léa fait…/ pense…/ trouve… ?
 Quels sont les traits de caractères de Max/ de Laurent? (Charaktereigenschaften)
 Quelle est la relation entre Max et Laurent?
 Quelle est la raison pour laquelle…?/ Pourquoi…? (Ursache von…)/ Quelles sont les
conséquences de…? (Folgen von…)
 Quelles sont les différences entre Max et Laurent? (Unterschiede)/ Quels sont les
points communs entre…? (Gemeinsamkeiten)
 Qu’est-ce que ça veut dire: ”….“? (Was bedeutet…?)/ Que signifie ...?/ Comment diton en français...?
rez-de-chaussée (Erdgeschoss):
Fragen, bei denen die Antworten im Text stehen.
Die Fragen sollten sich auf Wichtiges beziehen.



Qui est…?/Qui…?
Qu’est-ce que…?
Quand est-ce que …?
Résume…/
Fais le résumé
de la partie ….
du texte !




Où est …?/
Où est-ce que …?
Comment est-ce que
…?
Pourquoi est-ce que
…?
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
21
Sandra Roth (FHG, Herdecke)
English 8a
März 2014
House of Questions
1.
2.
(work on your own): Read the text carefully, look up new words if necessary. Note down questions for each level
of the house. (max. three questions for the ground floor; at least one question for the first and the second floor).
Start on the ground floor, then move on to the first floor and finally finish on the second floor.
(exchange in your group): Take turns; one member of the group asks one question. Somebody else answers the
question. If the answer is correct, he/she (the person who has answered correctly) can lay down a token. The next
member asks a question (clockwise) and so on. …
the text understandable – say why/why not?
1st question:_____________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
extra question(s):_________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
nected? What’s the reason for…? Compare: What have … and … in common?/What’s different?
1st question:_____________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________ extra
question(s):_________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
Why? How?
Résume…/
1st question:_____________________________________________________
Fais le résumé
_______________________________________________________________
nd
de la partie ….
2 question:_____________________________________________________
_______________________________________________________________
du texte !
3rd question:_____________________________________________________
_______________________________________________________________
extra question(s):_________________________________________________
_______________________________________________________________
_______________________________________________________________
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
Ground Floor: Questions about basic
information of the text
example: Questions about certain information of the text. Who? Where? What? When? Where?
First Floor:
Questions to examine the text
examples: What the meaning of…? What are the consequences of …? How are … and … con-
Second Floor: Questions about
your own opinion and evaluation
examples: Do you agree with…? What do we learn from…? Have you ever experienced …? Is
22
Mathematik
Das Haus
des
Fragens
Dachgeschoss:
Fragen, bei denen die Mitschüler urteilen und reflektieren müssen:
• Wie bist du vorgegangen (beschreibe)?
• Wo ist eine schwierige Stelle?
• Was war neu für dich?
• Kannst du die Aufgabe mit anderen Aufgaben aus anderen
• Bereichen verknüpfen (Gemeinsamkeiten/Unterschiede?
• Erkläre den Zusammenhang zwischen … und begründe. Usw.
1. Etage: Fragen, die nur durch Nachdenken über den Text beantwortet
werden können (Analyse):
•
•
•
•
•
Welches Themengebiet der Mathematik wird in der Aufgabe angesprochen?
Wie hängen die gegebenen und die gesuchten Größen zusammen?
Welche Definition oder Regel kannst du anwenden?
Welche Formel wendest du an?
Was fehlt dir, um die Aufgabe lösen zu können? Usw.
Erdgeschoss: Fragen, bei denen sich die Antworten aus dem Text ergeben:
•
•
•
•
•
•
Was ist gegeben? Was ist gesucht?
Welche Einheiten haben die Zahlen?
Müssen Einheiten umgewandelt werden?
Welche Begriffe haben zusätzlich eine mathematische Bedeutung?
Welche Begriffe kannst du dir nicht aus dem Text erschließen?
Welches Problem hindert mich, die Aufgabe zu lösen? Usw..
Alternative bei vorgegebener Lösung:
Welche Formel wurde angewandt?
Welcher Schritt wurde ausgelassen? Usw.
Andreas Otte – Heinrich-Böll-GE, Bochum
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
23
Karikaturen
Das Haus
des
Fragens
Dachgeschoss:
Fragen, bei denen die Mitschüler urteilen und reflektieren müssen:
• Welche Meinung habe ich zu dem gesellschaftlichen Problem?
• Welcher Zusammenhang besteht zwischen Realität und Karikatur?
• Wie beurteile ich die Darstellung des Karikaturisten?
• Kann ich aus der Karikatur etwas lernen?
1. Etage:
Fragen, die nur durch Nachdenken über die Karikatur beantwortet werden
können (Analyse):
•
•
•
•
•
Welches gesellschaftliche Problem greift der Karikaturist auf?
Welche Haltung hat der Karikaturist zu dem Problem?
Welche Ursache hat dieses Problem?
Wodurch unterscheidet sich …?
Wie hängen die Dinge miteinander zusammen?
Erdgeschoss:
Fragen, bei denen sich unmittelbar durch das Betrachten der Karikatur beantworten lassen:
• Was sehe ich?
• Welche Person/en gibt es?
• Was tun die/se Person/en?
• Was sag/t/en die/se Person/en?
• Wann und wo findet die Situation statt?
• Was passiert, bevor / nachdem …?
• Mit welchen Mitteln wurde die Karikatur gezeichnet?
Almut Falge-Schönfeld
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
24
David und Goliath
(Neue Schulbibel, S. 74-76)
Grundschule, Klassenstufe 3,
Religion
Fragen aus dem Dachgeschoss:
1. Was glaubst du, können wir Menschen aus
dieser Geschichte lernen?
2. Überlege, wo du in deinem Leben etwas erlebt
oder mitbekommen hast, wie es in der Geschichte von
David und Goliath erzählt wird.
Bitte überlege dir noch eine weitere Frage.
Was denkst du über ....................................................?
Wie findest du ..............................................................?
Woran erinnert dich .....................................................?
Fragen aus der 1. Etage: Bei diesen Fragen musst du noch etwas ergänzen.
Dadurch werden die Fragen sinnvoll.
• Was erzählen die Menschen im Lager David über ..........................................?
• Wie fühlt sich ....................................................................................................?
• Was für ein Mensch ist................................... ..................................................?
• Bitte vergleiche .............................................. mit ........................................... .
• Warum passiert ............................................................................................... ?
Bitte überlege dir noch eine weitere Frage. Dabei solltest du danach fragen, warum in der Geschichte etwas passiert. Du kannst die anderen fragen, warum ein
Mensch in der Geschichte etwas macht oder sich so verhält?
.................................................................................................................................
.................................................................................................................................
Beispielfragen aus dem Erdgeschoss:
• Was taten die Philister?
• Wie sah Goliath aus?
• Was tut Goliath 40 Tage lang?
Résume…/
Überlege dir bitte eine weitere Frage.
Deine Gruppenmitglieder sollten sie beantworten können, wenn sie die Geschichte
Fais le gut
résumé
gelesen haben. Schreibe deine Frage hier auf:
de la partie ….
du texte !
.................................................................................................................................
.................................................................................................................................
.................................................................................................................................
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
................................................................................................................................
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
25
FRAGEN auf verschiedenen Ebenen (Sachtext)
Stellt die in den einzelnen Spalten stehenden Fragen bzw. formuliert eine entsprechende Frage. Ihr könnt sie auch verändern, wenn sie
dann zu dem Text besser passen. Versucht, möglichst konkrete Aussagen des Textes in die Fragen mit einzubeziehen, z.B. das, was verglichen oder begründet werden soll. Denkt daran, dass ihr den Gruppenmitgliedern Zeit lasst, über eure Frage nachzudenken, wenn ihr sie
gestellt habt.
1. Informationen ermitteln und den Abschnitt 2. Analysieren – einzelne Elemente des Textes
3. Reflektieren und Beurteilen
zusammenfassen
genauer untersuchen und ihre Beziehungen
darstellen
Fragen nach einzelnen Informationen des AbUrsachen und Bedingungen
Fragen nach der Intention des Textes
schnitts mit den W-Fragen.
Für was werden in dem Abschnitt die Ursachen
Was könnte man aus dem Abschnitt bzw. Text
oder Bedingungen dargestellt? Welche Ursachen
lernen? Welche Konsequenzen kann man aus
Wer?
oder Bedingungen werden dargestellt?
dem Abschnitt für das eigene Leben ziehen?
Was?
Was könnte der Abschnitt bzw. Text bewirken?
Wo?
Wann?
Wie?
Warum?
Fragen nach dem Verständnis von schwieriFolgen
Bezug auf die eigene Lebenswelt oder das
gen Wörtern oder Stellen, die bisher noch
Vorwissen
Von was werden in dem Abschnitt die Folgen
nicht berücksichtigt worden sind.
dargestellt?
Kennst du das, was in dem Abschnitt bzw. Text
Welche Folgen werden dargestellt?
steht?
Was heißt eigentlich…?
Wir haben noch gar nicht geklärt …
Zusammenfassung
Vergleiche
Beurteilung
Fasse zusammen, was in dem jeweiligen AbGibt es etwas, was im Text miteinander vergliWie beurteilst du...?
schnitt bzw. dem Text steht.
chen wird? Erläutere die Gemeinsamkeiten und Gibt es etwas, dem du nicht zustimmst? Warum?
Unterschiede dessen, was da verglichen wird.
Welchen Gedanken stimmst du zu?
Einordnung in den Kontext
Begründungen
Verständlichkeit
Was ist vor dem Abschnitt passiert, auf das BeWie werden die Aussagen des Textes begrünWie beurteilst du die Verständlichkeit des Abzug genommen wird?
det?
schnitts? Woran liegt es, wenn etwas weniger
Was kommt danach?
verständlich ist?
Werden die Begründungen mit Beispielen veranschaulicht?
Je mehr man auf eine Frage antworten kann und je interessanter die Antwort ist, desto besser ist sie!
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
26
6
Das Lesepatenmodell 3 in Klasse 5 und seine empirische Untersuchung 4
Kompetenzen, die geschult werden:
1. Fehlerfreies und flüssiges lautes Lesen
2. Wiedergeben eines Abschnitts mit eigenen Worten
Die Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler durch das dreimonatige Training entspricht einem
zu erwartenden Kompetenzzuwachs eines ganzen
Schuljahres.
1. Bildung der Lesepaten
• Test der Schülerinnen und Schüler mit einem Lesescreeningverfahren (z.B. Stolperwörterlesetest, siehe www.lesetest1-4.de).
• Bildung von Lesepatenteams, die aus jeweils zwei Schülern, einem besseren und einem
schwächeren Leser, bestehen. Die Lesepaten sollen unterschiedliche, aber nicht zu stark divergierende Leseleistungen aufweisen.
2. Organisatorische Voraussetzungen
• Zeitraum: 3 Monate, zwei Mal in der Woche lesen die Lesepaten immer zu Beginn der
Deutschstunde für jeweils 20 Minuten.
• Ort: Überall, wo die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler im Auge behalten kann – im
Klassenraum, im Gruppenarbeitsraum, im Flur, vor dem Klassenzimmer.
• Lektüre: Die Schülerinnen und Schüler wählen ihre Lektüre selbst aus einem vorhandenen
Bestand an Büchern aus (z.B. Lesebuch, Klassenbibliothek, Bücherkiste aus der Bücherei).
Wichtig ist, dass die Texte in doppelter Ausfertigung vorhanden sind.
3. Ablauf des gemeinsamen Lesens
a. Partner 1 liest einen Abschnitt aus dem Buch laut vor.
• Partner 2 greift bei Fehlern (Lücken, undeutliche oder falsche Aussprache, falsche Betonung)
des Lesers ein und macht Vorschläge zur Verbesserung.
• Partner 1 liest den betreffenden Satz so oft, bis er flüssig und sinnvoll betont gelesen ist.
• Partner 1 gibt dann den gelesenen Abschnitt mit eigenen Worten wider.
• Partner 2 korrigiert, ergänzt, hilft.
b. Die Rollen wechseln beim nächsten Abschnitt.
4. Aufgabe der Lehrperson
Aufgabe der Lehrpersonen ist es, die Teams aufmerksam zu begleiten, die Teams zu beobachten,
einzugreifen, wenn zu viele Fehler vom Zuhörenden nicht bemerkt oder kommentiert werden, wenn
unsachlich kritisiert wird, wenn auf einen Fehler zwar reagiert, aber keine notwendige Hilfestellung
gegeben wird.
5. Lernerfolgsüberprüfung
Nach 3 Monaten wird erneut der Stolperwörterlesetest durchgeführt. Dadurch kann der Fortschritt
genau festgestellt werden.
6. Der Stolperwörterlesetest
Der Stolperwörterlesetest kann auf der Seite www.lesetest1-4.de kostenlos angefordert werden.
Notwendig ist lediglich die Angabe der Schule und der Kontaktlehrperson.
3
Das methodische Vorgehen bei der Leseübung entspricht dem Wechselseitigen Lesen und Zusammenfassen. Neu sind
hier das systematische Training und der Test zur Messung der Leistungsentwicklung vor und nach dem Training.
4
Der Text wurde zusammengestellt auf der Grundlage von: Voss / Müller / Blatt 2007 und Masanek 2006.
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
27
Den Kindern werden 60 Sätze vorgelegt, bei denen je ein störendes Wort (Stolperwort) in einer Bearbeitungszeit von 4 Minuten zu bestimmen ist. Der Test liefert einen Einblick in die Lesegenauigkeit (Anzahl der fehlerhaft bearbeiteten Sätze) und aufgrund des Zeitdrucks auch Informationen
zum Lesetempo (Anzahl der bearbeiteten bzw. richtigen Sätze). Da in dem Test ein Wort aus dem
Satzkontext als Störer identifiziert werden muss und dafür eine Informationsverarbeitung auf Satzebene zu leisten ist, gibt dieser Test zudem Einblicke in die Fähigkeit zum sinnverstehenden Lesen.
7. Zusammenfassung des Ergebnisses
Der durchschnittliche Leistungszuwachs liegt bei 6,6 Sätzen. Bezogen auf die durchschnittliche
Minutenleistung ergibt sich ein Zuwachs von 1,64 Sätzen (n=318). Das entspricht dem in den Dokumentationen zum Stolperwörterlesetest angegebenen Zuwachs von Jahrgangsstufe drei nach vier
– also der zu erwartenden Leistungsentwicklung eines ganzen Schuljahres in nur drei Monaten.
• Der Zuwachs in den Gesamtschulen fällt mit durchschnittlich 7,1 Sätzen am höchsten aus,
gefolgt vom Gymnasien (6,6 Sätze) und den Haupt- und Realschulen (5,8 Sätze).
• Jungen und Mädchen profitieren vom Lesepatenmodell gleichermaßen (6,5 Sätze). Kinder,
die nicht in Deutschland geboren sind, können sogar stärker profitieren (8,3 Sätze; n=39) als
in Deutschland geborene Kinder (6,3 Sätze; n=274).
• Der Lernzuwachs ist bei den Kindern nichtdeutscher Herkunft, gemessen an den Standardabweichungen in diesen Gruppen, zudem homogener (SD 5 versus 6,3).
• Betrachtet man die mittleren Leistungszuwächse in Abhängigkeit vom Bildungshintergrund,
so zeigen sich die stärksten Zuwächse bei Kindern aus Haushalten mittlerer Bildungsnähe
(7,8; n=132), gefolgt von Kindern aus bildungsfernen Haushalten (6,6 Sätzen; n=103). Der
Zuwachs bei Kindern aus bildungsnahen Haushalten ist mit 4,4 Sätzen (n=71) geringer. Zudem ist die Streuung innerhalb dieser Gruppe mit einer Standardabweichung von 8,1 gegenüber 5,3 bzw. 5,2 in den ersten beiden Gruppen deutlich größer. Das heißt, Kinder aus bildungsnahen Haushalten profitieren unterschiedlich gut vom Lesepatenmodell.
Hinweise 5
• Im Anschluss an einzelne Lesepatenzeiten sollten hin und wieder kurze Auswertungen vorgenommen werden, um Erfahrungen auszutauschen, sich Tipps zu holen oder einfach Eindrücke
loszuwerden.
• Am Anfang sollte die Lehrperson mit einem Schüler demonstrieren, wie man dem Lesenden Rückmeldung und Hilfestellung gibt.
• Als erfolgsbestimmend wurde von den Lehrkräften
hervorgehoben, dass sie trotz der selbständigen Arbeit der Kinder an deren Arbeit durch interessiertes
Nachfragen und Zuhören teilnehmen und die Lektürearbeit im Deutschunterricht aufgreifen (Wortschatz, Grammatik, Textstruktur).
• Die Schülerinnen und Schüler bildeten metakognitive Strategien bezüglich ihres Lern- und Leseverhaltens aus. So sind vielen von ihnen ursprüngliche Schwierigkeiten beim Lesen bewusst geworden, wie z.B., dass sie lange Wörter nicht entziffern konnten, ungenau gelesen und über Unverstandenes hinweggelesen haben.
• Es ist sehr empfehlenswert, dieses Programm zu einem Element des Schulprogramms zu machen.
5
Ein Erfahrungsbericht findet sich in: Nicole Masanek 2007.
Ludger Brüning/ Tobias Saum, Lesekompetenzförderung und Kooperatives Lernen
Workshop während der Fachtagung – Marburg 2014
28
7
Übungsvorlagen Lesekompetenz
Heiko Ernst: Selbstwirksamkeit
1
5
10
15
20
25
30
35
40
Der amerikanische Psychologe Albert Bandura hat das Konzept der „Selbstwirksamkeit“ (self-efficacy) entwickelt. Damit bezeichnet er ein Bündel von Überzeugungen,
die wir über uns selbst – vor allem über unsere Fähigkeiten – entwickeln und pflegen.
Selbstwirksamkeit ist das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und die Überzeugung, einer Aufgabe gewachsen zu sein. Diese „gute Meinung“ über sich selbst hat sich
immer wieder als entscheidender Faktor in Leistungssituationen herausgestellt – selbst
tatsächlich vorhandene Fähigkeiten sind nicht so wichtig wie der Glaube, sie zu besitzen. Immer wieder zeigte sich in der Realität wie in Experimenten, dass Selbstvertrauen
auch mittelmäßig Begabte zu Spitzenleistungen befähigt, während hoch talentierte, gut
ausgebildete und geschulte Menschen häufig versagen, weil sie an sich zweifeln.
Der Schulpsychologe Frank Pajares meint: „Wie Menschen sich in einer bestimmten
Situation verhalten, lässt sich meist besser vorhersagen auf der Basis dessen, was sie
sich zutrauen, als durch das, was sie tatsächlich können.“ Warum ist das so? Albert
Bandura nennt einen wichtigen Grund: „Menschen, die über ein starkes Gefühl der
Selbstwirksamkeit verfügen, widmen ihre Aufmerksamkeit und ihre Energie den Anforderungen der Situation und lassen sich durch Hindernisse eher zu noch größeren Anstrengungen anspornen. Wer sich selbst für kompetent hält, denkt, fühlt und handelt
anders als Menschen, die sich als ineffektiv wahrnehmen. Selbstwirksame erzeugen ihre
eigene Zukunft, sie sagen sie nicht nur voraus.“ Umgekehrt stehen sich wenig Selbstwirksame oft selbst im Wege. Trotz großer Fähigkeiten sind sie sehr anfällig für Selbstzweifel und Unzufriedenheit.
Selbstwirksamkeit kann sich besonders dann entwickeln, wenn wir folgende günstige
Bedingungen antreffen:
• Als Kind, Schüler und auch im Erwachsenenleben müssen wir Gelegenheit zu
Erfolgserlebnissen erhalten. Wir müssen lernen, eigene Leistungserfahrungen
emotional und kognitiv als erfolgreich zu interpretieren.
• Dabei hilft es natürlich, wenn wir Lob, Vertrauen oder Anerkennung von anderen erfahren. Das muss keineswegs im Übermaß erfolgen – übertriebenes Lob
macht Kinder eher misstrauisch.
• Das „stellvertretende Lernen“: Erfolgreiches Agieren lässt sich am besten erlernen, wenn man geeignete Modelle und Vorbilder beobachten kann.
Selbstwirksamkeit beeinflusst unser Verhalten in vierfacher Weise:
Sie lenkt die Auswahl unserer Ziele – wir nehmen uns solche Aufgaben vor, deren
Meisterung wir uns zutrauen. Sie bestimmt das Ausmaß der Energie, die wir in ein Ziel
investieren. Wenn wir an uns glauben, sind wir ausdauernder und energischer, selbst
wenn es einmal zu Rückschlägen kommt. Sie formt unseren Denkstil. Selbstwirksame
schreiben ihre Erfolge dem eigenen Können zu, Misserfolge dagegen den ungünstigen
Umständen. Sie erzeugt eine Aufwärtsspirale des Erfolges. Jedes Erfolgserlebnis verstärkt den Glauben an die eigene Kompetenz und spornt zu neuen Anstrengungen an.
Quelle: Psychologie heute, H. 1, 2001, S. 27
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Brüder Grimm, Prinzessin Mäusehaut
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Ein König hatte drei Töchter; da wollte er wissen, welche ihn am liebsten hätte, ließ
sie vor sich kommen und fragte sie. Die älteste sprach, sie habe ihn lieber als das ganze Königreich; die zweite, als alle Edelsteine und Perlen auf der ganzen Welt; die dritte aber sagte, sie habe ihn lieber als das Salz. Der König war aufgebracht, dass sie ihre
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Liebe zu ihm mit einer so geringen Sache vergleiche, übergab sie einem Diener und
befahl, er solle sie in den Wald führen und töten.
Wie sie in den Wald gekommen waren, bat die Prinzessin den Diener um ihr Leben;
dieser war ihr treu und würde sie doch nicht getötet haben, er sagte auch, er wolle mit
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ihr gehen und ganz nach ihren Befehlen tun. Die Prinzessin verlangte aber nichts als
ein Kleid von Mäusehaut, und als er ihr das geholt, wickelte sie sich hinein und ging
fort. Sie ging geradezu an den Hof eines benachbarten Königs, gab sich für einen
Mann aus und bat den König, dass er sie in seine Dienste nehme. Der König sagte es
zu, und sie solle bei ihm die Aufwartung haben. Abends musste sie ihm die Stiefel
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ausziehen, die warf er ihr allemal an den Kopf.
Einmal fragte er, woher sie sei. „Aus dem Lande, wo man den Leuten die Stiefel nicht
um den Kopf wirft." Der König ward da aufmerksam, endlich brachten ihm die andern
Diener einen Ring; Mäusehaut habe ihn verloren, der sei zu kostbar, den müsse er
gestohlen haben. Der König ließ Mäusehaut vor sich kommen und fragte, woher der
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Ring sei. Da konnte sich Mäusehaut nicht länger verbergen, sie wickelte sich von der
Mäusehaut los, ihre goldgelben Haare quollen hervor, und sie trat heraus, so schön,
aber auch so schön, dass der König gleich die Krone von seinem Kopf abnahm und
ihr aufsetzte und sie für seine Gemahlin erklärte.
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Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der Mäusehaut eingeladen, der glaubte, seine
Tochter sei schon längst tot, und erkannte sie nicht wieder. Auf der Tafel aber waren
alle Speisen, die ihm vorgesetzt wurden, ungesalzen, da ward er ärgerlich und sagte:
„Ich will lieber nicht leben als solche Speise essen!" Wie er das Wort ausgesagt, sprach
die Königin zu ihm: „Jetzt wollt Ihr nicht leben ohne Salz, und doch habt Ihr mich ein-
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mal wollen töten lassen, weil ich sagte, ich hätte Euch lieber als Salz!" Da erkannte er
seine Tochter und küsste sie und bat sie um Verzeihung, und es war ihm lieber als sein
Königreich und alle Edelsteine der Welt, dass er sie wiedergefunden.
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Literaturverzeichnis
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Dies.: Sachtexte verstehen durch grafisches Strukturieren. In: Deutschunterricht, H. 4, 2007, S. 3033.
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Sorbe, Katharina: LESE-Konferenzen – Differenziertes Material zur Leseförderung (Band 1: 1./2.
Klasse), 5. Aufl., Kempen 2012.
Dies.: LESE-Konferenzen – Differenziertes Material zur Leseförderung (Band 2: 3./4. Klasse), 4.
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Voss, Andreas / Müller, Astrid / Blatt, Inge: Schulentwicklung auf Unterrichtsebene. Bericht und
erste Ergebnisse aus einem Leseförderprojekt in Klasse 5. In: schulmanagement, Juni 2007.
Online-Hilfen
Auf den folgenden Homepages finden Sie fast alle Zeitschriften-Beiträge von Brüning / Saum:
http://www.gew-bildungsmacher.de/ (Beiträge + ausgewählte Materialien, alles von Brüning/Saum
ist frei zugänglich; im Aufbau!)
http://wikis.zum.de/vielfalt-lernen/index.php/Artikelsammlung (Nur Zeitschriftenbeiträge, keine
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http://www.iqesonline.net/ (dort in der Bibliothek nachschauen, Zeitschriften frei zugänglich, Materialien nur mit Zugangscode)
Stolperwörterlese-Test: http://www.wilfriedmetze.de/html/stolper.html
Lix-Rechner: http://www.psychometrica.de/lix.html
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