Flughafen Frankfurt am Main: Das Terminal 1 wird um

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Flughafen Frankfurt am Main: Das Terminal 1 wird um
Flughafen Frankfurt am Main:
Das Terminal 1 wird um den
Flugsteig­A-Plus erweitert
© Fraport AG
Der Ausbau bzw. die Erweiterung des Terminals 1 in westlicher
vor allem Funktionen der Gepäckverladung, aber auch Wartungs-
Richtung ist aufgrund der umfangreichen Modernisierungs-
und Technikbereiche. Unterirdisch erstreckt sich unsichtbar
und Ausbaumaßnahmen der Fraport AG ein wesentlicher Meilen­
für den Passagier, quasi über die gesamte Flugsteiglänge, ein
stein. Allein über den neu geplanten Flugsteig sollen jährlich
komplexes­vollautomatisiertes Beförderungssystem für die
ca. sechs Millionen Passagiere der Deutschen Lufthansa abge-
Zwischenspeicherung, Sortierung und den Transport der Gepäck­
fertigt werden.
stücke­.
Das Projekt A-Plus umfasst die Errichtung eines 790 Meter langen
Das Brandschutzkonzept
Flugsteigs sowie die Vergrößerung des Wurzelgebäudes, welches
die Bestandshalle A des Terminals 1 und den so genannten
hhpberlin ist Teil der Planungsarbeitsgemeinschaft, in der wir
A-Bestandsfinger mit dem Neubau verbindet (siehe Lageplan).
gemeinsam mit den Architekten gmp von Gerkan, Marg und
Südlich des neuen Flugsteiggebäudes schließen sieben Brücken-
Partner, dem Ingenieurbüro Weber-Poll und VSU Ingenieure für
bauwerke mit insgesamt sieben bis elf Flugzeugpositionen an.
Verkehr Städtebau Umweltschutz GmbH den Bau des Flugsteigs
Vier Brückenbauwerke können künftig als Positionen für die
A-Plus realisieren. Die brandschutztechnische Konzipierung und
Airbus A 380 der Lufthansa genutzt werden.
Begleitung des Bauvorhabens übernimmt hhpberlin für alle
neun Leistungsphasen der HOAI.
Im Wurzelgebäude entstehen zudem neue Lounge-, Retail-
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und Gastrobereiche. Der Gebäudekomplex des Neubaus setzt
Von hhpberlin ist ein sehr individuelles Brandschutzkonzept
sich aus vier oberirdischen und zwei unterirdischen Geschossen
ent­wickelt worden. Dieses musste der Komplexität und der
zusammen. In den Obergeschossen zeichnen sich die vorab
Nutzung­des Gebäudes als Flughafenterminal ohne eigene bau-
beschriebenen öffentlich zugänglichen, von Passagierströmen
ordnungsrechtlich eingeführte Sonderbauvorschrift gerecht
durchflossenen Bereiche ab. Auf Vorfeldniveau befinden sich
werden. Darüber­hinaus lag die besondere Schwierigkeit und
Projekte
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Der Flughafen Frankfurt am Main ist als größter deutscher Flughafen auch einer der
bedeutendsten­Luftverkehrsknoten Europas. Pro Jahr werden gegenwärtig am Flughafen
FRA über 50 Millionen Passagiere abgefertigt. Damit rangiert der Flughafen hinter London
und Paris auf Platz 3 in Europa. Um dem wachsenden Anstieg der Passagierzahlen auch
künftig gerecht zu werden und den Standort
attraktiv zu halten, sind umfangreiche
Modernisierungs­- und Ausbaumaßnahmen
von der Fraport AG, als Eigentümer und
Betreiber des Flughafens, geplant.
Herausforderung darin, dass die Anbindung des Neubaus an
– z. B. hinsichtlich des Systems der Rauchableitung sowie des
einem im fortlaufenden Betrieb befindlichen Bestandsflughafen-
Abschottungsprinzips abweichend von den Fraport-Richtlinien.
terminal erfolgt. Auf Grundlage § 13 HBO wurde ein schutzziel­
Dadurch gelingt es, ein aus der Sicht des Brandschutzes
orientiertes Brandschutzkonzept erarbeitet, in dem wesentliche
sicheres­, effektives aber auch innovatives und wirtschaftliches
brandschutztechnische Nachweise mithilfe von Ingenieur­
Gebäude zu planen.
methoden geführt wurden. Hierbei sind insbesondere die Nachweise der Personenevakuierung (Dimensionierung der Rettungs-
Rettungswege
wege), der Rauchableitung mit raucharmen Schichtungen sowie
Bauteilnachweise der Spannbetonträger und der Verhinderung
Eine besondere Herausforderung bei der Konzeptionierung des
eines vertikalen Brandüberschlags über die Geschosse im Bereich
Gebäudes stellte die Sicherstellung der Rettungswege im Ge-
von Deckendurchbrüchen in der Wurzel zu nennen.
bäude dar. Um die Lauflängen bis zum Erreichen eines notwendigen Treppenraumes von jeder Stelle im Gebäude auf ein
Das Brandschutzkonzept wurde in enger Zusammenarbeit mit
akzeptables Maß zu beschränken, wurden im Flugsteig 20 neue
der Flughafenfeuerwehr, der Branddirektion, der Bauaufsichts­
Treppenräume und im Wurzelgebäude 16 neue bzw. vorhandene
behörde, der Fraport AG sowie den Architekten und Fachplanern
Treppenräume und Außentreppen als vertikale Rettungswege
entwickelt. Dabei wurden einerseits die am Flughafen etablierten
ausgewiesen. Zudem wird im zentralen Bereich des Unterge-
Konzepte für einen Löschangriff und die erforderliche Infra-
schosses über einen knapp 100 Meter langen Rettungs­tunnel
struktur für die Einsatzkräfte im Brandfall berücksichtigt, aber
der Rettungsweg sichergestellt.
auch die Fraport-eigenen Richtlinien, z. B. für die erforderlichen
Entrauchungsmaßnahmen von Shops/Technikräumen, flossen
Das Rettungskonzept zielt auf die Einhaltung der in § 30 (4)
in das Konzept ein. Andererseits wurden mit dem Projekt in
und § 32 (2) HBO formulierten Schutzziele. Dies ist notwendig,
Abstimmung mit allen Beteiligten auch neue Wege beschritten
um den besonderen örtlichen Gegebenheiten, der großen
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Gebäude­ausdehnung sowie der Nutzung des Gebäudes als offenes
Terminalgebäude gebührend Rechnung zu tragen. Hiernach
müssen die Rettungswege so angeordnet und ausgebildet werden,
dass ihre Benutzbarkeit im Brandfall für einen ausreichend
langen Zeitraum möglich ist. Die Rettungswege müssen so dimensioniert sein, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr
ausreichen. Für den Nachweis der ausreichendenden Dimensionierung der Rettungswege (Länge und Breite der Rettungswege)
wurden Personenstromsimulationen und Rauchgassimulationen
angestellt. Die Personenstromsimulationen wurden mit dem
Programm BuildingExodus durchgeführt. Für die Rauchgassimulationen wurde das CFD-Programm FDS angewendet.
Bei den Simulationen wurden die anlagentechnische Ausstattung
des Gebäudes sowie das Vorhandensein einer leistungsstarken
Werkfeuerwehr berücksichtigt. Die Ausbildung sämtlicher
Rettungs­wegbreiten in allen öffentlichen Bereichen orientiert
sich dabei am Rettungswegbreitenmodul der MVStättV. Die vor­
handenen Rettungsweglängen betragen im Flugsteig bis zu
60 Meter.
Als Ergebnis der Simulationen konnte festgestellt werden, dass
eine vollständige Evakuierung des Bereiches A-Plus über die
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notwendigen Treppenräume weniger als 15 Minuten erfordert.
Mittels Rauchgassimulation konnte die Einhaltung einer rauch-
ausgestatteten Spannbetonträger erfüllen die Anforderungen
armen Schichtung von mindestens 2,50 Meter in den öffent­
an Mindestachsabstände der Spannlitzen vom beflammten
lichen Verkehrsbereichen stationär nachgewiesen werden. Die
Querschnittsrand. In einer thermischen Analyse nach Eurocode 2
vergleichsweise lange Evakuierungszeit ist somit auch unter
Teil 1-2 konnte nachgewiesen werden, dass die Spannlitzen sich
Berücksichtigung der großen Gebäudeausdehnung und der in
nicht auf kritische Temperaturen erwärmen und die Träger
der Simulation nicht berücksichtigten möglichen horizontalen
in der Feuerwiderstandsklasse F 90 eingestuft werden können.
Evakuierung in benachbarte Brandabschnitte akzeptabel.
Innerhalb des Gebäudes sind mehrere offene Deckendurch­
Baulicher Brandschutz
brüche für die Aufnahme offener Treppenanlagen o. Ä. vor­
handen. Im Wurzelbereich ist ein Lichtkegel geplant, der die
Die Anforderungen an die Brennbarkeit von Baustoffen und die
Ebenen 02, 03 und 04 miteinander verbindet. Der Lichtkegel
Feuerwiderstandsdauer von Bauteilen entspricht im Grundsatz
soll Tageslicht über das Dach in den Kernbereich der Ebenen
den Vorgaben der HBO. Unter Berücksichtigung der vollflächigen
02 – 04 transportieren.
Sprinklerung des gesamten Gebäudes werden Brandabschnittsgrößen (z. T. mit Deckendurchbrüchen) von bis zu 9.000 m2 pro
Ebene zugelassen. Eine klare bauliche Trennung zwischen
Neubau­A-Plus und Bestand – und damit eine unabhängige brandschutztechnische Bewertung durch die Anordnung von Brandwänden – konnte nutzungsbedingt nicht in allen Teilen umgesetzt
werden.
Das Tragwerk wird feuerbeständig und aus nichtbrennbaren
Baustoffen in Massivbauweise errichtet. Abweichend davon wird
die Decke oberhalb der Ebene 04 (oberstes Geschoss) zum
großen Teil in Stahlbauweise ausgeführt. Das Dachtragwerk kann
grundsätzlich ohne Feuerwiderstandsanforderungen ausgeführt
werden. Ausnahmen gelten z. B. für Träger, die zur Stabilisierung
bzw. Auflagerung von Wänden mit Feuerwiderstand dienen
oder an denen L 90-Leitungen befestigt werden. Diese müssen
entsprechend bekleidet werden. Für die Nebenträger in den
Ebenen 02 und 03 werden Spannbetonträger mit schlankeren Ab­messungen ausgeführt. Die mit Hohlräumen für TGA-Führungen
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Projekte
© gmp Architekten
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Über die Autoren…
Dipl.-Ing. Christian
Gambke (links) ist
erfahrener Ingenieur
für Brandschutz und
bei hhpberlin ins­
besondere im Bereich
Brandschutzkonzepte
tätig. Hier betreut er die Konzipierung und Realisierung von
Großflug­häfen. Als Projektingenieur wirkt er erfolgreich bei der
Planung des neuen Hauptstadt-Airports BBI und der Erweiterung
des Frankfurter Flughafens mit.
Dr.-Ing. Jochen Zehfuß (rechts) betreut als Führungskraft und
leitender Wissenschaftler von hhpberlin ebenfalls das renomierte
Frankfurter Großprojekt. Seine umfangreichen Erfahrungen vor
allem in der Arbeit für bedeutende Infrastukturprojekte bieten
einen entscheidenden Vorteil in der Durchführung der Flughafenerweiterung sowie in der Findung optimaler Lösungen.
Die Geschosstrennung im Bereich des Lichtkegels wird durch
Anlagentechnischer Brandschutz
VSG-Verglasungen realisiert. Mittels Handrechenverfahren nach
vfdb-Leitfaden (Plumemodell) wurde nachgewiesen, dass eine
Der Bereich A-Plus wird mit einer flächendeckenden Brand­
Brandausbreitung bzw. -übertragung zwischen den Geschossen
melde- und Alarmierungseinrichtung ausgestattet. Neben opti-
im Kegelbereich auch bei Einsatz einer VSG-Verglasung als
schen Linearmeldern werden Multisensormelder sowie RAS
Geschossabtrennung bei einem Brand in Ebene 02 nicht zu
(Rauch­ansaugsysteme) zur Branddetektion eingesetzt. Die interne
be­fürchten ist. Zusätzlich zur vorhandenen Sprinklerung wird
Alarmierung der Personen über die ELA-Anlage erfolgt aus­
kegelaußenseitig und kegelinnenseitig eine schnellauslösende
schließlich­durch die Werkfeuerwehr. Innerhalb des Gebäudes wird
Sprühflutanlage zur Kühlung der Verglasung in den Ebenen
ein vollflächiger Sprinklerschutz mit definierten Ausnahmen
03 und 04 installiert, um die Geschosstrennung auch für den
geplant.
Fall des Einbringens von Brandlasten (wie Werbebanner etc.)
und den im Nahbereich der VSG-Verglasung in Verkehrsflächen
Weitere anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen sind u. a.
Ebenen­03 und 04 Rechnung zu tragen.
die Ausstattung der Aufzüge mit einer Brandfallsteuerung, die
Vorhaltung einer Sicherheitsbeleuchtung und einer Sicherheitsstromversorgung für sicherheitsrelevante Anlagen.
Der Rauchableitung kommt im Zusammenhang mit dem Nachweis
der Rettungswege eine besondere Bedeutung zu. Jedes Geschoss bzw. jeder Brandabschnitt ist in mehrere Rauchabschnitte
unterteilt worden. Für sämtliche den Fluggästen öffentlich zugänglichen Bereiche wurde eine raucharme Schichtung von
mindestens 2,50 Meter nachgewiesen. Der Nachweis erfolgte für
Rauch­abschnitte bis 1.600 m2 mit der DIN 18232. Für größere
Rauchabschnitte bzw. Rauchabschnitte mit komplexer Geometrie
wurden Rauchgassimulationen durchgeführt. Hierbei mussten die
im Anschluss an den Bestand entstehenden Schnittstellen mit
berücksichtigt werden. Im Flugsteig sollte aus gestalterischen
und ökonomischen Gründen möglichst auf Rauchschutzvorhänge
verzichtet werden. Das Entrauchungskonzept sieht hier die
Nutzung der sich im Deckenhohlraum befindlichen Unterzüge
als Rauchschürzen vor, sodass eine raucharme Schicht von
3,65 Meter (UK Unterzüge) nachgewiesen werden musste.
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Voraus­setzung hierfür ist eine rauchoffene Ausbildung der
Zwischendecke.
In aller Kürze…
Für die Bereiche Wurzelgebäude und Flugsteig wurden auf
Wunsch der Branddirektion die Rauchgassimulationen mithilfe
Objekt
Flughafen Frankfurt am Main,
von Modellversuchen im Maßstab 1:15 validiert. Die Modell­
Terminal 1 – Flugsteig A-Plus
versuche bestätigten die rechnerischen Nachweise der Rauch-
ableitung.
BauprojektNeubau des Flugsteigs A-Plus und
Erweiterung des Terminals 1
brandschutztechnischen Verknüpfungen ist durch hhpberlin
Bauherr
Fraport AG
eine umfassende Grobmatrix erarbeitet worden, die die Vorgaben
Architekten
von Gerkan, Marg und Partner
für die Erstellung einer Brandfall-Steuermatrix durch den TGA-
Brandschutzbüro hhpberlin
Über die im Brandschutzkonzept aufgeführten erforderlichen
Planer genau definiert.
Fazit
Baukosten
500 Millionen Euro
Fertigstellung
Frühjahr 2012
Das Projekt Erweiterung des Terminals 1 – A-Plus – ist ein sehr
interessantes und vor allem komplexes Bauvorhaben mit einem
hohen Schwierigkeitsgrad. Die Herausforderungen bezüglich des
von Sicherheitsaspekten und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten
Brandschutzes resultieren aus den Gebäudeabmessungen, der
ein brandschutztechnisch optimiertes Gebäude.
Nutzung als Flughafengebäude für eine Vielzahl von Personen,
der Schnittstellen Neubau–Bestand sowie der Integration des Neu-
Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg dorthin war die Erteilung
baus während des Weiterbetriebes des bestehenden Terminals 1.
der Baugenehmigung Ende März 2010.
Um diesen Anforderungen und Randbedingungen gerecht
Bis zur Fertigstellung im Frühjahr 2012 dürfen unsere Ingenieure
zu werden, hat hhpberlin ein schutzzielorientiertes Brandschutz-
für Brandschutz den Neubau A-Plus begleiten und den schutz-
konzept mit einer Vielzahl ingenieurmäßiger Nachweise erstellt.
zielorientierten Brandschutz realisieren.
Das Brandschutzkonzept ermöglicht unter der Berücksichtigung
Christian Gambke und Dr. Jochen Zehfuß
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