theater fletch bizzel im spiegelzelt am u musik kabarett

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theater fletch bizzel im spiegelzelt am u musik kabarett
www.engels-kultur.de
5.2012
THEATER FLETCH BIZZEL IM SPIEGELZELT AM U
MUSIK KABARETT COMEDY KUNST
DORTMUND 28. JUNI - 13. OKTOBER
www.ruhrhochdeutsch.de
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Nach dem Willen der Bundesregierung, gäbe es nur noch Piraten als Wachsfiguren. Foto: Francis Lauenau
www.engels-kultur.de I Mai 2012
Somalia ist überall
engels-Thema.
Jetzt wird es eng für die Piraten in Wuppertal. Kaum hatten die Demoskopen ihnen landes- und bundesweit Traumwerte prognostiziert, verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf, der der Bundeswehr den Einsatz gegen sie auf eine Distanz von bis zu zwei Kilometern ins Landesinnere
gestatten soll. Wer Wuppertal kennt, weiß, dass alle wichtigen Punkte der
Stadt nah am Wasser gebaut sind. Wo also sollen die Piraten noch hin?
Bleibt ihnen nur noch das Exil in Nächstebreck, Ronsdorf und Katernberg?
Oder lassen es die politischen Freibeuter drauf ankommen und riskieren,
dass die Luftwaffe ihre Infostände beschießt und dabei Kollateralschäden
in Kauf nimmt? Friendly Fire vor dem Historischen Rathaus in Elberfeld?
Oberst Georg Klein hatte in Kunduz 2009 ja ein ähnlich semiprofessionelles
Händchen bewiesen. Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet. Könnte HansChristian Ströbele nicht eine wackere Rede im Bundestag halten? Vielleicht
finden sich auch ein paar Dissidenten in der Regierungskoalition. Wolfgang
Bosbach, übernehmen Sie! Es geht um den Frieden in unserer Stadt.
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Von wegen Frieden. WAHLKAMPF ist das engels-Thema im Monat Mai.
Nach dem Scheitern der rot-gelb-grünen Haushaltskungelei mussten
Neuwahlen angesetzt werden. engels berichtet aus Bergischer Sicht vom
Düsseldorfer Getümmel. Was würde ein erneuter Regierungswechsel zum
Beispiel für die Schul- und Finanzpolitik in unserer Stadt bedeuten? Sogar
bis ins ferne Mexiko reicht der Blick im Rahmen der Reportageserie UNGESCHMINKT. Kinderarbeit ist im Bundesstaat Chiapas an der Tagesordnung.
Wie den Kindern dort auch mit Hilfe aus Wuppertal geholfen werden kann,
berichtet Øle Schmidt. Zwar nicht Schwerter zu Pflugscharen aber doch
Feuerwehrschläuche zu Damenhandtaschen macht SILVIA WERNER in ihrer
OELBERGER MANUFAKTUR. engels portraitiert die Designerin mit dem Fable
für Recycling. Afrikanische Musik erklingt im ganzen Sommer im Skulpturenpark bei der Veranstaltungsreihe KLANGART. Dabei sind durchaus auch
zarte Klänge in dem verwunschenen Wald über den Dächern von Wuppertal
zu hören. Im VON-DER-HEYDT-MUSEUM wird die berühmte Galerie DER
STURM mit gleichnamiger Ausstellung vorgestellt. Der Kristallisationspunkt
moderner Kunst im Berlin zu Beginn des letzten Jahrhunderts wird in einer
sehr sehenswerten Schau gewürdigt.
AUSGERECHNET SIBIRIEN heißt der neue Film, in dem JOACHIM KRÓL neben Katja Riemann und Armin Rohde eine Hauptrolle spielt. engels sprach
mit dem Wahlkölner mit Berliner Zweitwohnung über seinen neuen Film,
über den Tatort-Kommissar Steier und über den Theaterschauspieler Król.
Der neue Streifen mit SACHA BARON COHEN hört auf den Namen DER DIKTATOR. Wie bereits bei Borat und Brüno bekommen es die Amis mit einem
Durchgeknallten zu tun, der sie als Durchgeknallte entlarvt. TOMBOY hingegen ist ein Film aus Frankreich, in dem ein Mädchen ein Junge ist. Wie das
im französischen Film schon mal geschieht, wird die Handlung konsequent
aus Kinderaugen gesehen.
LUTZ DEBUS
LANDTAGS-NEUWAHL: Erwartet uns ein Machtwechsel?
Interviews mit Johannes Slawig, Stadtdirektor der Stadt Wuppertal, und Heide
Koehler vom Ausschuss für Schule und Bildung im Rat der Stadt Wuppertal
Bühne.
10 „Klangart 2012“ in Tony Craggs Skulpturenpark
12 Theater an der Wupper: „Liliom“ im Opernhaus Wuppertal
Tanz NRW: Der Mai – kein Wonnemonat für die Freie Tanzszene
Kino.
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Film des Monats: „Tomboy“
weitere Film-Kritiken
Hintergrund: „Superclassico“
Filmwirtschaft: Urheberrechtsschutz – ein hoch sensibles Thema
Roter Teppich: Joachim Król im Interview
Literatur.
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ComicKultur: Comic-Empfehlungen im Mai
Wortwahl: neue Bucherscheinungen
Musik.
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Kompakt Disk: neue Alben im Mai
Improvisierte Musik in NRW: das Internationale Klangvokal Musikfestival
Klassik in NRW: das Musikfestival Schloss Cappenberg
culture club: Arcadi Volodos auf dem Klavier-Festival Ruhr 2012
Kunst.
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Wupperkunst: Von der Heydt-Museum stellt H. Walden und seine Galerie vor
Kunst-Kalender NRW
Service.
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Intro
Portrait: Silvia Werner Taschen-Manufaktur
Ungeschminkt: Von Jade, 9 Jahre, aus Mexiko
Verlagssonderseiten: engels bildet
Auswahl: Theater-, Konzert-, Kunst- und Literaturtipps für Mai
Impressum
engels zungen
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© Uwe Stratmann
Theater an der Wupper
„Liliom“
Film des Monats
„Tomboy“
Seite 12
Seite 13
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2011
Wupperkunst
„Der Sturm –
Zentrum der Avantgarde“
Seite 24
ungeschminkt
Jade arbeitet nach der Schule auf dem Marktstand ihrer Eltern
Wenig Zeit für Kindheit
Die neunjährige Jade aus Mexiko kennt es nicht anders, als für ihre Familie zu arbeiten
Die leblosen gelben Körper liegen aufgebahrt in einer Reihe, die pockigen
Beine mit den langen Krallen ragen senkrecht in die Luft. Alle Köpfe sind
sauber abgetrennt. „Beat it!“ scheppert es aus überforderten Boxen vom
Nachbarstand, im Hochland von Chiapas ist Michael Jackson noch ziemlich lebendig. Ein kalter Wind wirbelt den Geruch fauliger Lebensmittelabfälle auf. Über die Situation wacht die Jungfrau von Guadalupe. Die
heiligste Heilige des katholischen Mexikos blickt streng von einer Wand,
an der sie unter Glas hängt.
hat auf ihrem dunkelgrünen Pullover Spuren hinterlassen. Sie trägt ihre
Schuluniform schon seit dem Morgengrauen. Doch Jade klagt nicht. Im
Gegenteil. „Es macht mir Spaß, nach der Schule CDs zu verkaufen“, sagte
sie unvermittelt. Warum, frage ich verdutzt. „Weil ich Geld verdiene, dass
ich dann meiner Mutter geben kann“, antwortet sie stolz. Ist sie abends
sehr müde nach solch langen Tagen, möchte Jose wissen. Jade schüttelt
den Kopf, bevor sie ihn etwas verlegen zur Seite legt. Ihre müden Augen
mit den schwarzen Rändern sagen etwas anderes.
Gleich neben dem Hühnchenstand beginnt die Abteilung für Haushaltswaren aller Art, hier auf dem verwinkelten Markt in San Cristóbal. Vorbei
an Pfannenwendern und Haargummis, an Lilien und Koriandersträußen,
dann steht Jade de la Cruz vor mir. Sie blickt mich verstohlen an, ihre
Zahnlücke blitzt in der Sonne. Jade ist neun Jahre alt und hat nicht viel
Zeit, auch nicht für Kindheit. Ihr Wecker klingelt in aller Herrgottsfrühe.
Um acht Uhr besucht sie die zweite Klasse einer Grundschule, „pünktlich!“, wie sie mit ernster Miene sagt. Direkt im Anschluss geht sie arbeiten. Gemeinsam mit ihren Eltern verkauft sie auf dem Markt CDs mexikanischer Musiker. Wenn der überfüllte Stand aus Holzbrettern schließt, ist
die Sonne längst untergegangen. Für Jade hat ein Arbeitstag 14 Stunden.
Melel betreut auf dem Markt arbeitende Kinder im Alter zwischen sechs
und dreizehn Jahren, einige sind an diesem sonnigen Nachmittag gekommen. Den meisten machen die schlechten hygienischen Bedingungen an
ihren Ständen zu schaffen. In der Regenzeit leiden sie an Durchfall und
Magen-Darm-Erkrankungen, im Winter an Fieber und Erkältungen. Jose
ist hier, um die Kinder für ihren Körper zu sensibilisieren. „Wie pflegst
du dich?“, stellt der Pädagoge eine Frage in die Runde und dreht eine
Flasche, die auf der Decke liegt. Als sie stoppt, zeigt sie auf Juan Francisco. „Ich esse Früchte und viel Gemüse“, sagt der Neunjährige nach
einer kurzen Denkpause. „Sehr gut!“, lobt Jose ihn. Die anderen Kinder
beklatschen die Antwort. „Was macht ihr mit euren Händen, um euch zu
schützen?“ Nun ist Jade an der Reihe: „Waschen, wir müssen die Hände ganz oft waschen am Tag!“ Dann erzählt sie den anderen von ihrem
Traum. „Ich will später Lehrerin werden, nein, lieber Ärztin!“
„Wie geht es dir?“, fragt Jose López, der gekommen ist um Jade abzuholen, „hast du Zeit, mit uns zu spielen?“. Jose ist Streetworker von Melel
Xojobal, einem mexikanischen Partner von MISEREOR. Deutsche Spender
finanzieren fern der Heimat ein Projekt mit, das sich an indigene Kinder wie Jade richtet. Ein Drittel der mittlerweile 1.000 Straßenkinder in
San Cristóbal soll unterstützt werden. Deren Zahl ist in den vergangenen
Jahren stark gestiegen, zusammen mit der Zahl der Einwohner der Stadt.
Die meisten der neuen Bürger sind Indígenas, die aus religiösen oder politischen Gründen aus ihren Gemeinden vertrieben worden waren. Diese
Familien sind darauf angewiesen, dass ihre Kinder einen Beitrag zum Lebensunterhalt leisten.
Doch auch fast 500 Jahre nach der Conquista, der blutigen Unterwerfung
und Kolonialisierung durch die Spanier, ist das Leben der mexikanischen
Ureinwohner von Ausgrenzung und Ausbeutung geprägt. „Wir wollen die
Lebensqualität der indigenen Kinderarbeiter verbessern, wir sehen sie
nicht als Opfer“, fasst Jose die Philosophie von Melel zusammen. „Sie sollen ihre Menschenrechte kennen, und diese gegenüber Lehrern, Polizisten
und Behörden selbstbewusst einfordern – nicht mehr bitten und hoffen.“
Melel unterstützt und berät die Kinder in Sachen Bildung, Gesundheit
und politische Rechte. Auf dem Markt und an der Kathedrale mit spielerischer Aufklärung. In ihrem Zentrum mit einer Bibliothek und Lesekreisen. Bedürftige Eltern erhalten Schuluniformen und Unterrichtsmaterialien sowie Hilfe bei der komplizierten Ausstellung von Geburtsurkunden,
der Voraussetzung für einen Schulbesuch. Melel bietet eine Rechtsberatung an, wenn Kinder Gewalt von Lehrern und Polizisten erfahren.
Ich begleite Jose und Jade zu einer Straßenaktion von Melel, neben dem
Markt. Jades karierter Rock wirft mehr Falten als er sollte, die langen
weißen Socken sind längst die Beine heruntergerutscht, das Mittagessen
Wie wichtig die Arbeit von Melel ist, hatte sich erst vor einigen Tagen
wieder gezeigt. Wegen einer internationalen Tourismusmesse in San
Cristóbal übte die Stadtverwaltung großen Druck auf die Ureinwohner
aus. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, die ungepflegten Indígenas
störten das Straßenbild der pittoresken Kolonialstadt, und die Messebesucher sollten ihre Andenken lieber für ein Vielfaches in einem der edlen Touristenläden kaufen. Die indigenen Kunsthandwerker ließen sich
einschüchtern und schlossen ihren Markt für die vier Messetage – ein
schmerzhafter Einnahmeverlust für die Familien. Die Pläne der Verwaltung, arbeitende Straßenkinder während dieser Zeit in einem Haus außerhalb der Stadt zu konzentrieren, konnte Melel mit anderen Organisationen verhindern. Soziale Säuberungen sind nichts Ungewöhnliches in
Mexiko. Thematischer Schwerpunkt der Tourismusmesse, die Präsident
Felipe Calderón eröffnet hatte, war übrigens die indigene Vielfalt im Bundesstaat Chiapas.
Im Angesicht dieser strukturellen Gewalt von Behörden mag die Arbeit
von Melel und MISEREOR klein und fragil erscheinen. Die Kontaktaufnahme mit den anfangs misstrauischen Eltern ist langwierig, das Vertrauen
der Kinder kann nur vorsichtig gewonnen werden. Beides dauert Wochen,
wenn nicht Monate, in denen die soziale Ungleichheit in Mexiko weiter fortschreitet. Sieht er dennoch Erfolge, frage ich den Streetworker.
Jose zögert nicht lange, seine Augen strahlen Zuversicht aus: „Unbedingt.
Wenn die Kinder uns erzählen, dass sie einen Lehrer verdient haben, der
sie ernst nimmt; dass sie sich nicht bedanken müssen, wenn ein Arzt sie
behandelt, dann können sie fühlen, dass ihnen ein Leben in Würde zusteht. So wie allen anderen Menschen auch.“
TEXT/FOTO: ØLE SCHMIDT
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Zwar klare Kante, aber nichts auf der hohen Kante, Foto: Francis Lauenau
Wieder Wahl
In diesem Monat wird über ein neues Landesparlament abgestimmt
Welche Partei wird wohl Peter Jung am 13. Mai Lindner war erst Kronprinz, dann gescheiterter
wählen? Mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Königsmörder, und jetzt ist er Retter der LibeJürgen Rüttgers verband unser Stadtoberhaupt ralen. Shakespeare hätte diese Rolle nicht besser
eine herzliche Parteifeindschaft. Der CDU-Mann kreieren können, Dieter Bohlen auch nicht. Das
in der Staatskanzlei ließ den christdemokratischen Publikum, in diesem Fall das Wahlvolk, prämiert
Oberbürgermeister an der ausgestreckten Hand solch unterhaltsame Raffinesse. Nach der Wahl
verhungern. Immer neue Belastungen bürdeten des neuen Spitzenkandidaten verdoppelten sich
sprunghaft die Werte
er und auch die Bunder FDP auf satte vier
desregierung von CDU
engels-Thema im Mai:
Prozent. Da ist noch Luft
und FDP der Stadt auf.
nach oben.
Die nun zwei Jahre
amtierende rot-grüne
Am 13. Mai werden die wahlberechtigten NRWDie LINKEN hingegen
Regierung
hingegen
BürgerInnen nach aufgelöster Landesregierung
erneut an die Wahlurnen gebeten. Ob nun der von
fallen in den Umfrageentlastete viele klamme
Schwarz-Gelb angestrebte Machtwechsel stattfinwerten auf einen AbKommunen und so auch
det oder die alte Regierung zur Neuen wird, darüber
stiegsplatz jenseits der
Wuppertal. Ausgerechsind Experten wie Umfrageergebnisse uneins.
fünf Prozent. Hin- und
net über den zukünfhergerissen
zwischen
tigen Landeshaushalt,
der weitere Verbesserungen für Städte und Ge- Staatsraison und Revolution pflegten sie in den
meinden bescheren sollte, ist die Regierung nun vergangenen beiden Jahren eine intensive Hassgescheitert. Mehr Schulden wollten CDU und FDP liebe zu der von ihr oft tolerierten Regierung. Die
nicht gestatten. Die LINKEN wiederum wollten ureigensten Themen der LINKEN „Nein zu Hartz
IV“ und „Nein zum Krieg in Afghanistan“ kommen
nicht noch mehr sparen.
bei den Wählerinnen und Wählern, die letztlich
Nach nur zwei Jahren müssen wir also wieder zwischen Kraft und Röttgen entscheiden müssen,
zur Urne, um den Landtag neu zu befüllen. Aber nicht mehr an.
wird die Wahl, die die scheidende Regierung und
die Demoskopen bereits als entschieden anse- Die Grünen indes müssen sich von ihrem Kater
hen, tatsächlich eine Bestätigung von Rot-Grün? nach dem Allzeithoch des vergangenen Jahres
Oft lagen Prognostiker daneben. Demokratie ist erholten. Durch Fukushima und die Wahl in Baschließlich wie Fußball. Man kennt das Ergebnis den-Württemberg wähnte man Jürgen Trittin und
erst nach dem Spiel. Gerade das Abschneiden der Claudia Roth bereits als Doppelspitze im Kanzlerkleineren Parteien kann die bestehenden Verhält- amt. Doch gerade deren Eitelkeiten wurden in den
nisse durcheinanderwirbeln. Gelingt den Piraten letzten Monaten bei den Grün-Wählerinnen und
der Einzug in den Landtag? Und wenn ja, was bei -Wählern nicht gern gesehen. Gut, dass die NRWdem aktuellen Medienhype durchaus zu vermuten Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann nicht so agiert
ist, mit wem werden sie welche Politik machen? wie ein Platzhirsch oder eine Öko-Diva. Insgesamt
Wird der Koalitionsvertrag im Chatroom geschlos- konnten die Grünen in Düsseldorf schon viel von
sen? Wird der Politiker, der die meisten „Gefällt dem umsetzen, was sie vor der letzten Wahl versprochen hatten.
mir“-Klicks bekommt, Ministerpräsident?
Landtags-Neuwahl
Die politische Entscheidungsfindung wird inzwischen aber auch bei anderen Parteien mit der Dramaturgie einer Castingshow zelebriert. Christian
Hannelore Kraft in der Rolle einer
Trümmerfrau
Und die alte Tante SPD? Die sonnt sich in den Um5
fragewerten. Lange Jahre wurde sie gequält von
den Parteisoldaten Clement und Steinbrück. Sozialdemokratie stand für Streichung sozialer Grundversorgung. Clement macht inzwischen Werbung
für die FDP, Steinbrück für Helmut Schmidt. Von
der NRW-SPD haben sich beide meilenweit entfernt. Nachdem die Männer den Karren gegen die
Wand gefahren hatten, musste eine Frau weitermachen. Dass das gelingen kann, weiß der politische Beobachter seit dem Ende der Ära Kohl und
dem kometenhaften Aufstieg einer gewissen Angela Merkel. Hannelore Kraft und Angela Merkel
sind beide Trümmerfrauen, die ihre von Männern
zerbombten Parteien wieder aufbauen mussten.
Hannelore Kraft allerdings gelingt diese Aufgabe
sogar, indem sie dabei gelegentlich lächelt. Auch
der neue Politikstil von Rot-Grün, der auf Moderation und möglichst breitem Konsens beruht, ist
neu und charmant. Etwas anderes blieb der scheidenden Minderheitsregierung allerdings auch
nicht übrig.
Norbert Röttgen, zurzeit Bundesumweltminister
und Landesvorsitzender der CDU, möchte, bis er
Ministerpräsident geworden ist, Berufspendler
bleiben. Sobald er in Düsseldorf Regierungschef
geworden ist, verzichte er, so wird versichert, auf
seinen Platz im Bundeskabinett. Inhaltlich steht
die CDU für einen knallharten Sparkurs, um den
Haushalt des Landes zu sanieren. Zumindest vertritt sie diese Meinung seit genau zwei Jahren.
Noch an der Regierung, zeigte sie sich etwas großzügiger. Sie unterstützte zwar nicht die klammen
Kommunen, vermehrte aber trotzdem wie bislang
alle Regierungen die Schulden.
Das Bergische Land wird übrigens eine wichtige
Rolle in der zukünftigen Landespolitik spielen.
Zwei Spitzenkandidaten kommen von hier. Die
geschäftsführende stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann lebt seit vielen Jahren in
Solingen. Und der gebürtige Wuppertaler Christian
Lindner kandidiert im Rheinisch-Bergischen Kreis.
LUTZ DEBUS
thema
„Ey Norbert, warum guckst du mich denn gar nicht an?", Foto: Francis Lauenau
„Mit der Arbeit der Regierung in Düsseldorf sehr zufrieden“
Johannes Slawig über die Entlastung Wuppertals durch die NRW-Regierung
engels: Herr Slawig, wie erging es dem die im Landeshaushalt für 34 Kommunen zur
Stadtkämmerer von Wuppertal mit der jetzt Verfügung stehen, schon den größten Betrag.
Noch mehr zu wünschen, ist sicherlich unrescheidenden Landesregierung?
alistisch. Der Bund allerdings
Johannes Slawig: Betrachtet
man die Berücksichtigung kom- „Es muss Schluss sein mit muss sich in noch höherem
der Beteiligung an den
Maße an den Sozialleistungen
munaler Interessen, so gab es
Folgekosten
der deutschen beteiligen.
auch bei der rot-grünen LanEinheit“
desregierung Höhen und Tiefen.
Bezüglich des „Stärkungspaktgesetzes“ bin ich aber mit der Arbeit der Regierung in Düsseldorf sehr zufrieden.
Das Gesetz hat Wuppertal geholfen?
Diese Konsolidierungshilfe ist in der Tat eine
historische Chance, zusammen mit eigenen
neuen Anstrengungen 2016 endlich einen ausgeglichenen Haushalt zu bekommen, also keine
neuen Schulden mehr machen zu müssen. Das
ist das letzte Mal 1992 der Fall gewesen.
Wünschen Sie sich noch mehr Unterstützung
vom Land?
Wir bekommen von den 350 Millionen Euro,
Zwei Oppositionsparteien kritisieren, dass die Regierung zu viele Schulden macht. Werden die Schulden also nur
von den Kommunen aufs Land verlagert?
Ich möchte mich im Landtagswahlkampf nicht
parteipolitisch äußern. Trotzdem ist für mich
entscheidend, welche Wirkung die Landespolitik auf den Wuppertaler Haushalt hat. Ohne die
Hilfen vom Land hätte Wuppertal keine Chance, seine Finanzen zu konsolidieren.
Natürlich muss Schluss sein mit der Beteiligung an den Folgekosten der deutschen Einheit, die wir nach wie vor leisten. Seit Anfang
der 1990er Jahre haben wir 300 Millionen Euro
aufgebracht. Zunächst war dieser Transfer
wichtig und richtig. Aber inzwischen ist die Infrastruktur in vielen ostdeutschen Kommunen
deutlich besser als in vielen westdeutschen. Ein
zukünftiger Finanzausgleich müsste sich an dem
Bedarf orientieren und nicht – wie jetzt – nach
der Himmelsrichtung.
INTERVIEW: LUTZ DEBUS
Lesen Sie die Langfassung unter
www.engels-kultur.de/thema
ZUR PERSON
Johannes Slawig (56) ist Stadtdirektor und Kämmerer der
Stadt Wuppertal.
Einige Oberbürgermeister im Ruhrgebiet
fordern einen Solidarpakt West. Was ist davon zu halten?
Ich würde die Forderung anders formulieren.
Foto: Stadt Wuppertal
„Die Vielgliedrigkeit führt zur Spaltung unserer Gesellschaft“
Heide Koehler über die Schulpolitik im Land NRW
engels: Frau Koehler, macht ein dreigliedriges Zielorientierung hinsichtlich des Abiturs bietet.
Schulsystem noch Sinn?
Heide Koehler: Von einem dreigliedrigen Schul- In den 1970er Jahren brachte die SPD die Gesystem zu sprechen, ist unsinnig. Wenn wir die samtschule auf den Weg. Ist die Sekundarschule
Sekundarschule und die Förderschulen hinzuneh- „alter Wein in neuen Schläuchen“?
men, haben wir viele Systeme. Ich
Die Gesamtschule lässt nicht die
„Es gibt Kinder mit
habe erlebt, dass Kinder mit besFrage aufkommen, wo geht mein
besseren Noten, die eine
seren Noten eine RealschulempKind hin. Sie ermöglicht von Anfehlung hatten, während schwä- Realschulempfehlung erhal- fang an ein langes gemeinsames
ten, während schwächere
chere Schüler eine Empfehlung fürs
Lernen. Darüber hinaus hat sie
Schüler eine fürs GymGymnasium hatten. Das macht die
eine etablierte Oberstufe. Eine
nasium bekommen“
Dreigliedrigkeit lächerlich.
Gesamtschule muss Schüler mit
einer gymnasialen Empfehlung
Fungiert die Sekundarschule als Antwort auf das aufnehmen, eine Sekundarschule kann sie aufnehSchulsterben bedingt durch den demografischen men.
Wandel?
Die Sekundarschule soll eine Kombination aus Re- Die schwarz-gelbe Koalition hat in NRW die
alschule und Hauptschule werden. Die Errichtung Schulpolitik reformiert. Hält die SPD am Turboeiner Sekundarschule ist in Regionen mit wenig Po- Abitur fest?
pulation sinnvoll. Sie bietet echte Chancen, wenn Die rot-grüne Minderheitsregierung hat es den
Sie mit einem Gymnasium kooperiert und eine Gymnasien freigestellt, ob sie ihre Schüler nach
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acht oder neun Jahren zum Abitur führen. Dabei
bleiben wir auch.
Das Thema Bildung gilt als Kernkompetenz der
SPD. Was dürfen die Wähler in der Schulpolitik
von den Sozialdemokraten erwarten?
Die Vielgliedrigkeit führt zur Spaltung unserer Gesellschaft. Deshalb fördert die SPD längeres, gemeinsames und ganztägiges Lernen. Die Schüler
regen sich gegenseitig an und können zusammenarbeiten. Gemeinsames Lernen ist eine Basis für
eine Gemeinschaft, die sich anerkennt.
INTERVIEW: ANKE-ELISABETH SCHOEN
ZUR PERSON
Heide Koehler (72) ist
sachkundige Bürgerin im Ausschuss für Schule und Bildung
im Rat der Stadt Wuppertal und
Gesamtschuldirektorin in R.
Foto: privat
thema
Das schafft nur die FDP: Sogar die Partei wird privatisiert, Foto: Francis Lauenau
Die Freiheit, die er meint
Mit Christian Lindner hat die FDP ihren Retter gekürt
Wieder einmal war Christian Lindner zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Am 1. April
wurde er mit 99,7% der Stimmen zum FDPSpitzenkandidaten für die Landtagswahl gewählt. 99,7% – ein Ergebnis wie bei der Wahl
zum Generalsekretär der SED. Für den gebürtigen
Wuppertaler ist dies ein weiterer Schritt in einer
steilen Karriere. 1994, im gleichen Jahr wie der
FDP-Bundesvorsitzende Philipp Rösler und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, trat er als
Schüler in Wermelskirchen den Jungliberalen bei.
„Weil uns die Partei am Herzen lag”, begründet
er den Schritt später. Geschadet hat es ihm nicht.
Mit 21 zieht er im Landtag ein, mit 25 wird er
Generalsekretär der NRW-FDP, mit 30 Generalsekretär der Bundes-FDP. Im Dezember 2011 trat
er davon zurück, jetzt tritt er wieder an. Nicht nur
als Spitzenkandidat, sondern als der intellektuelle
Retter einer unglaubwürdig gewordenen Partei.
Für Christian Lindner ist die Freiheit der
Markenkern der FDP
Von Guido Westerwelle ist bekannt, dass er wäh-
rend einer Grundsatzrede von FDP-Urgestein
Gerhart Baum einmal Umfragewerte studierte.
Lindner dagegen trifft sich mit der „FAS“ zum
Gespräch über den schottischen Moralphilosophen David Hume und schafft es dabei, dessen
Philosophie nur kursorisch zu streifen. Stattdessen sagt er Sätze wie „Bevormundende und
gleichmacherische Gesellschaften sind graue und
statische Gesellschaften.“ Sätze zum Abnicken,
Sätze für Gläubige. Denn für seinen Glauben wird
er gewählt. „Ich würde lieber über das sprechen,
was die Identität meiner Partei ausmacht”, meint
er im Interview mit der „Welt am Sonntag“, als
diese über Wachstum und Steuersenkungen reden will. Eine gute Gelegenheit für den studierten Philosophen Lindner, die großen Namen der
FDP-Geschichte fallen zu lassen: Hans-Dietrich
Genscher, Gerhart Baum und Ralf Dahrendorf.
Sie verkörpern für den Gründer einer Werbeagentur den Markenkern der FDP – die Freiheit. Diese
Freiheit verteidigt er gegen ihre vermeintlichen
Feinde: den Paternalismus der Grünen, die Sozis
und ihre Schuldenpolitik und das Besitzbürger-
tum der CDU. Gelernt hat er diese Rhetorik von
Friedrich von Hayek. Der österreichische Philosoph kämpfte Zeit seines Lebens gegen einen
Strohmann namens „Sozialismus“. Lindners Rhetorik funktioniert dann auch nur deshalb, weil er
sich selbst davon ausnimmt. Während er heute
die „Freiheit des Internet-Nutzers (…) vor der
Sammlung seiner Daten“ schützen will, waren
ihm die Pläne des ehemaligen FDP-Innenministers Ingo Wolf für die Einführung einer Spähsoftware in NRW 2007 keinen innerparteilichen
Konflikt wert. Allzu konkret darf der Markenkern
„Freiheit“ dabei nicht werden, das gilt nicht nur
für ihn, sondern auch für seine Partei. „Mehr
öffentlich-private Partnerschaften“ trügen dazu
bei, „kommunale Strukturen moderner und effizienter zu gestalten”, heißt es im Wahlaufruf
der FDP. Was das bedeutet, haben die Wuppertaler bei der Privatisierung ihres Kanalnetzes und
des Müllheizkraftwerks am eigenen Geldbeutel
erfahren.
CHRISTIAN WERTHSCHULTE
Ahoi auf der Wupper
Die Piraten im Bergischen Land hoffen auf den Einzug ins Landesparlament
Ob im „Hayat“ in Elberfeld oder in der „Loge“ in
Barmen, mit ihren regelmäßigen Stammtischen
für aktuelle und künftige Gleichgesinnte bekämpft die Piraten-Partei auch in Wuppertal
ihren noch hartnäckig verbreiteten Ruf als bloße
Internet-Bewegung. Beim Werben um den politisch interessierten Bürger ragen bei den selbsternannten „Wupperpiraten“ im Bergischen Land
von Radevormwald bis Solingen besonders die
Themen soziale Bildungspolitik sowie Schutz der
Privatsphäre heraus. Dabei sind kreative Köpfe
oder neue Mitglieder herzlich willkommen, werden sofort geduzt und dürfen sich basisdemokratisch einbringen. Wenn am 13. Mai die Stimmen
bei der NRW-Landtagswahl ausgezählt worden
sind, hoffen die drei städtischen Direktkandidaten
Ralf Glörfeld (47), Alexander Reintzsch (33) und
Olaf Wegner (45) auf Abgeordnetenstatus. Diplom-Ingenieur Glörfeld, als Mitglied im „Chaos
Computer Club“ wie im „Deutschen Alpenverein“
thematisch privat breit aufgestellt, betont: „Ich
setze mich für eine transparente Politik und Ver-
waltung ein, weil ich hier aktuell einen großen
Handlungsbedarf sehe.“ Sein Mitstreiter Reintzsch, als politischer Geschäftsführer der NRWPiraten stark gefordert, glaubt: „Der tolle Erfolg
unserer Partei im Saarland ist der beste Rückenwind, den wir uns alle für den laufenden Wahlkampf vorstellen konnten.“
An Initiativen rund um die Wupper mangelt es
jedenfalls nicht. Da wäre beispielsweise das Projekt „Freifunk“, bei dem die Piraten einer möglichst großen Community in der Region einen frei
zugänglichen Datentransfer über das Internet –
gerade für sozial Benachteiligte – schmackhaft
machen wollen. Das Projekt „Vermisst 2.0“ soll
durch Straßenaktionen auf den scheinbar unaufhaltsamen Schwund an Demokratie aufmerksam
machen. Gegen die lästige und diskriminierende
Überwachung von Bürgern und deren Verhalten
richtet sich das Projekt „Kameras im öffentlichen
Raum“, das sich einen Überblick über die steigende Aufzeichnungsflut an Straßenkreuzungen
oder Einkaufspassagen verschaffen möchte. Und
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im Projekt „PEDI“ klären die Piraten speziell Senioren kostenlos über das Internet auf. Außerdem
nimmt der Anfang Januar in Wuppertal gegründete „Arbeitskreis Kommunalpolitik“ mit den Koordinatoren Marcus Brink und Dustin Schmidtberg
die Arbeit der Stadtverwaltung genauer unter die
Lupe. Am klaren Männerüberschuss in den eigenen Reihen wird unterdessen unter Hochdruck
gearbeitet. Zwar mischen für eine Partei mit eindeutigen Wurzeln in der Informationstechnologie
durchaus schon einige Frauen mit, doch bis zu
einer ausgeglichenen 50-Prozent-Quote müssen
sich die typischen Geschlechterrollen noch sehr
wandeln. „Ich will es nicht schönreden: Damals
wie heute haben es politisch engagierte Frauen
nicht leicht, auch nicht bei den Piraten. Doch
unsere spielerische Art mit der Brisanz von Männerdominanz umzugehen, gefällt mir und zeigt
Wirkung“, sagt Heike Wegner, deren Gatte als gelernter Systemadministrator im Wahlkreis Wuppertal II antritt.
FRANK-MICHAEL RALL
portrait
Ökologisch wertvoll, individuell und 100% Handarbeit, so sind Taschen von Silvia Werner
Designerin mit grünem Gewissen
Modische Ambitionen und Recycling schließen einander in Silvia Werners Oelberger Manufaktur nicht aus
Ihr Markenzeichen sind Taschen. „Ich bin eine Frau, allein deshalb liebe
ich Taschen“, sagt Silvia Werner. Aber das Accessoire ist bei der gebürtigen Remscheiderin, die im Kleinmädchenalter nach Ronsdorf umzog und
seitdem Wuppertal inniglich verbunden ist, mehr als nur ein Lieblingsstück. Aus dem modischen Utensil hat sie Stücke gemacht, die Spaß machen und eine Geschichte erzählen. Vielmehr eine Vorgeschichte haben.
Sie kündigten große Theaterinszenierungen an, transportierten lebensrettendes Wasser oder sorgten für rund laufende Autos. Eigentlich zweckentfremdet dürfen alte Plakate, ausrangierte Feuerwehrschläuche oder
ausgemusterte Autoreifen nun Notebooks schützen, Sportsachen tragen
und Einkäufe transportieren.
Recycling mit Design
„Ich komme aus der Modebranche, und für Industriematerialien hatte ich
schon immer ein Faible“, bekennt die studierte Modedesignerin. Am 1.
Juni 2007 gründete sie quasi in ihrem Wohnzimmer die Oelberger Taschenmanufaktur, ihr Startkapital waren neben den sorgfältig gesammelten Materialien eine Nähmaschine und viele Ideen. Schnell etablierte sich
eine feste Kollektion, die von der MiniBar bis zum Big Boss reicht. Bis
heute gehört zum Ensemble der Hingucker der „Rockstar waschbar“, hinter dem sich ein zweckmäßig strukturierter Kulturbeutel verbirgt, jüngster
Zuwachs ist die „Klemm-Else“, eine Clutch. „Die habe ich zur Filmpremiere von Wim Wenders’ ‚Pina’ entworfen.“ Anschließend wurde daraus
die „Schleuder-Else“, Handtaschen in allen Farben des Regenbodens mit
einem Tragegurt, der vormals als Sicherheitsgurt im Auto hing.
„Manchmal dauert es, bis ich mit einem Modell zufrieden bin. Und dann
liege ich entspannt in der Badewanne und hab’ plötzlich die zündende
Idee.“ Für ein nach besonderen Ansprüchen eines Schuljungen entworfenen Modells wurde zum Beispiel lange an einem abnehmbaren Klemmhalter zum Transport der Trinkflasche gefeilt. Die Produkte aus der Oelberger Taschenmanufaktur heben sich von der grauen Einheitsmasse ab,
folgen keinen beliebigen Trends, sondern haben ihren eigenen Stil.
Ihre Taschen bieten vor allem eins: Platz. Doch die Modelle der Wup8
pertalerin zeigen nicht nur wahre Größe – sie sind Lieblingsstücke ihres
jeweiligen Trägers. „Ganz viele Taschen sind Wunschanfertigungen“, erklärt die Mutter eines Teenagers. Anhand von Prototypen kann der Kunde
seine ganz individuelle umhängbare Edelhülle aussuchen Dazu lagern im
Atelier die besonderen Stoffe, die die 48Jährige nach simplen Kriterien
auswählt: Als Banner für den NRW-Tag oder Fußball-Cup haben sie ausgedient oder werden als Cabriolet-Verdeck nicht mehr gebraucht. Andere
haben sie weggeworfen, Silvia Werner gibt ihnen eine zweite Chance. So
auch Böden, auf denen das Ensemble des Tanztheaters Wuppertal seine
berühmten Stücke vollführt hat und die durch manche Inszenierung mit
allen Wassern gewaschen sind. Grundsätzlich bleiben Gebrauchsspuren
wie diese sichtbar, die Macken, Streifen und Abdrücke sind bei diesen
Materialien sozusagen der geschichtsträchtige Teil und eines der Markenzeichen.
Ein Stück Wuppertal für die ganze Welt
Inzwischen kooperiert die One-Woman-Show mit namhaften Unternehmen. Zusammen mit der Firma Güde wurden beispielsweise Messertaschen
entwickelt, und die Materialien sammelt Silvia Werner nicht mehr nur vor
Ort ein. „Über einen Kunden in Freiburg lernte ich Leute am Badischen
Staatstheater kennen.“ Seitdem werden auch deren Banner für theatrale
Vorankündigungen zu Beuteln. Im vergangenen Oktober zog die Manufaktur um. „Jetzt bin ich am höchsten Punkt der Marienstraße und habe ein
offenes Atelier, in dem mir jeder bei der Arbeit zugucken kann.“ Umweltgewissen und Design ergeben nach wie vor eine fantastische Kombination. Und tragen als hundertprozentige Handarbeit und besonderes Unikat
immer ein Stück Wuppertal in die ganze Welt.
Vom 17. bis 20. Mai sind die Produkte der Oelberger Taschenmanufaktur
beim Textilmarkt „Tuchfühlung“ auf Lüntenbeck und am 28. Mai beim
Ölbergfest zu sehen. Info: www.oelberger-taschenmanufaktur.de
VALESKA VON DOLEGA
8
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9
bühne
Am 2.6. im Skulpturenpark: die simbabwische Singer-Songwriterin Chiwoniso Maraire, Foto: Taurai Maduna
Mehr als nur Wohlklang
Bis August findet in Tony Craggs Skulpturenpark das renommierte Musikereignis Klangart statt
„Waldfrieden“, so nennt der britische Bildhauer Tony Cragg seinen Skulpturenpark, den der Akademieprofessor zu Düsseldorf in seiner bergischen
Wahlheimat eröffnet hat. Zum 14 Hektar fassenden Gelände gehört eine
Villa als anthroposophischer Traum in Altrosa, ohne rechte Winkel, dafür mit geschwungenen Terrassen. Auf den Fundamenten des ehemaligen Schwimmbads ist ein gläserner Ausstellungspavillon entstanden, in
dem Konzertreihen und hochkarätige Wechselausstellungen stattfinden.
Mario Merz machte 2008 den Anfang; Chillida, Dubuffet, Richard Long
folgten. Und der Park selbst, mehr als nur eine grüne Lunge, derer es im
Bergischen ja so wunderbar Vielfältige gibt, ist eine Art Zauberwald, in
der sich für Schatzsucher 20 Skulpturen versteckten.
Freiluftspektakel für alle Sinne
„Die Sternmagnolie blüht. Das ist das Zeichen für den Saisonbeginn“,
erklärt der Hausherr den Auftakt einer einzigartigen Konzertreihe. Bereits
zum vierten Mal hat E. Dieter Fränzel als Künstlerischer Leiter die Klangart organisiert, die Tony Cragg als „erstaunliches Ereignis zeitgenössischer Musik“, beschreibt. Sieben Konzerte wird es in diesem Jahr geben,
den Auftakt gestaltet der Senegalese Ablaye Cissoko mit dem in den USA
lebenden Volker Götze am 11. Mai im Pavillon.
Der Schwerpunkt bei der diesjährigen Klangart, die nicht als Festival
missverstanden werden möchte, sondern jedes Konzert als einzelnen
Glanzpunkt herausstellt, liegt auf afrikanischer Musik. Dabei darf auch
gerne mit dem weitläufig gepflegten Vorurteil, Afrika sei ausschließlich
der Kontinent der Trommeln, gebrochen werden. „Die Klangart wird die
Vielfalt anderer Klang- und Rhythmusinstrumente präsentieren“, beschreibt es der Künstlerische Leiter. Dass dieser Akzent gesetzt wird, ist
der Schau „Skulpturen und Masken aus Nigeria“ geschuldet. Diese 35
afrikanischen Objekte (bis zum 15. Juli ausgestellt) „lassen sich gut mit
Konzerten verbinden“. Gemeinsamer Nenner aller Termine ist, absolut
jenseits dessen zu sein, was gemeinhin Mainstream genannt wird. Lange
und sorgfältig recherchiert hört Fränzel sich Musiker und Formationen
an, um zu prüfen, was ins Konzept passt. „Ich orientiere mich am Ort und
seiner Umgebung. Da passt nur Besonderes und Originelles, nie etwas Kopiertes.“ So wie besagtes Auftaktduo Ablaye Cissoko mit Volker Goetze,
die als einzige im Pavillon spielen werden. „Der Pavillon ist eine besondere Herausforderung, weil es ein besonderer Klangkörper ist“, wissen
die Veranstalter, der das Duo an Kora, einer sogenannten Stegharfe, und
Trompete begegnen will. Sie selbst beschreiben ihr Tun wie folgt: „ Aus
unserer Verschiedenheit wächst eine Kraft.“
Interessante Töne, ungehörte Melodien
„Die Zusammenstellung aller Konzerte soll ein Spektrum abbilden“ ist
das erklärte Ziel der Klangart-Organisatoren. War in der Vergangenheit
durchaus eine Jazz-Tendenz ausmachbar, könnte ein übergreifender Titel
diesmal „Weltmusik“ heißen.
Alle Klangart-Teilnehmer hat der Künstlerische Leiter zunächst genau
unter die Lupe genommen, übrigens am liebsten bei Live-Auftritten und
nicht bloß aus der Konserve per CD, ehe er sie für den Sommer verpflichtete. „Als wir vor vier Jahren begonnen haben, hätte ich nicht gedacht,
dass es eine so lang anhaltende Erfolgsgeschichte würde.“ Längst muss
er nicht bei Wunschkünstlern antichambrieren, längst fragen Musiker im
Skulpturenpark an, ob es nicht auch für sie einen Termin zum Konzert
gäbe. Besondere Glanzlichter in dem abwechslungsreichen Aufmarsch
bemerkenswerter Musiker sind in diesem Jahr am Samstag, 14. Juli, Sängerin Ana Moura, einen Tag später gefolgt von der Folk-Poetin Fatoumata
Diawara.
Diese durch die Vorjahre bewährte Mischung aus besonderen Tönen und
hörenswerten Texten hat das Konzept Klangart zu einer renommierten
Veranstaltung gemacht, deren Zuhörer längst aus dem sehr weiten Umkreis ganz NRWs anreisen. Bis zu 650 Gäste wurden 2011 zu den Freiluftveranstaltungen begrüßt. „Und wenn es mal regnet, dann zieht man eben
ein Cape über“, fasst Tony Cragg die Theorie zusammen, es gäbe kein
schlechtes Wetter, sondern bloß unpassende Kleidung. Das Vergnügen an
der Sache würde er sich von ein paar Regentropfen jedenfalls
VALESKA VON DOLEGA
„Klangart 2012“ I alle Konzerte Open Air-Veranstaltungen
das komplette Programm: www.skulpturenpark-waldfrieden.de
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IM MAI
WUPPERTALER BÜHNEN
Oper //// Schauspiel
IM OPERNHAUS //// Kurt-Drees-Str. 4
DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
IM KLEINEN SCHAU SPIEL HAUS //// Bundesallee 260
MOSKAU – PETUSCHKI
Oper von Leoš Janáček
Von der Füchsin Schlaukopf und den Tieren im Wald erzählt
der »tschechische Sommernachtstraum«. Eng verwoben mit der
Tierfabel kämpfen die Menschen gegen ihre Unvollkommenheit.
AM Sa 12. (19:30 Uhr, Premiere, 19:00 Uhr Einführung)
Hochgeistig-Rauschhaftes Reisepoem von Wenedikt Jerofejew
Jerofejews anspielungsreiche und geistvolle Reisebeschreibung
einer vordergründig feuchtfröhlichen Zugfahrt gehört zu
den mondernsten Klassikern der russischen Literatur und
hat Kultstatus.
AM 22. + 23. (jeweils 20:00 Uhr)
LILIOM
HELDEN DEINER KINDHEIT
Eine Vorstadtlegende von Ferenc Molnár
Liliom ist eine Mischung aus Volksstück, berührendem
Sozialdrama und fantastischem Märchen.
AM So 6. (16:00 Uhr mit Kinderbetreuung), Fr 11. (19:30 Uhr) +
So 13. (18:00 Uhr)
Integratives Theaterprojekt
Nachts. Ein Kinderzimmer. Alles ist ruhig. Die Glocke schlägt
zwölf und plötzlich sind sie alle da. Die Helden der Kindheit
verlassen die Bücher und werden lebendig. AM Do 10. (Premiere),
(
),
Fr 11., Di 15. + Mi 16. (jeweils 20:00 Uhr)
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Die Bahn macht mobil.
tanz in NRW
theater an der wupper
„Liliom“, Foto: Uwe Stratmann
Szene aus „every single day”, Ch: Toula Limnaios, Foto: Sabine Wenzel
Das Gerücht von Liebe
Am Tropf der Fördermittel
Infernalische Geräusche. Schummriges Licht. Die Bühne ist leer gefegt,
im Hintergrund nur die schwarzen Fensterlöcher der Mietskasernen. Hierhin kommt kein Sonnenstrahl, hierhin verirrt sich kein Vogel. Es ist das
schmucklose Fegefeuer irgendwo im Berlin der 1920er Jahre. Mittendrin
windet sich ein Homunkulus unter der einzigen Wärmelampe. Das ist Liliom, der pöbelnde Aufschneider vom Rummelplatz, der boshafte Frauenheld, der prügelnde Kleinkriminelle.
Individuen ohne Identität betreten den Kreis des Schreckens, kümmern
sich um den Gepeinigten und brauchen Minuten, um mit Liliom durch den
dunklen Gang zu verschwinden. Endlose Minuten werden das, großartige
Minuten, das ist keine Zeitlupe mehr, das werden No-Theater-Assoziationen, und das hinter der Schwebebahn in der Wuppertaler Oper. Das
Publikum dort stöhnt da bereits lauter, als es Franz Molnárs Protagonist
je ausleben könnte. Und Sybille Fabian zieht im großartigen Paul WeberBühnenbild von Herbert Neubecker die künstlerische Daumenschraube
weiter an. Wie schon bei ihrer Wuppertaler „Lulu“-Inszenierung agieren
die Personen nur noch triebgesteuert, haben die Kontrolle über die Bewegung ihrer Extremitäten längst verloren, die schnuckelige Vorstadtlegende wird zur Groteske einer vom Geist befreiten und dadurch verkrüppelten Gesellschaft. „Da wär‘ ich doch lieber zu Desirée Nick gegangen“
tönt es hinter mir, das Geschehen auf die Bühne spiegelt tatsächlich auch
noch boshaft den Zuschauerraum. Kunst kann eben manchmal wehtun,
mehr als das Fegefeuer für Liliom, in das er wegen einer Liebe gesteckt
wird, die er selbst gar nicht verstehen kann. Mittendrin tauchen dann
Vermummte auf, die mit Schnellfeuerwaffen aufs Publikum schießen. Ein
Break, der eigentlich überflüssig ist auf dem Weg, Dantes Inferno ohne
Kostüme zu zelebrieren.
Liliom, der Rummelplatzprotz hat es doch eigentlich leicht. Der Schwarm
aller Mädchen und Tunichtgut bändelt mit der schüchternen Dienstmagd
Julie an. Dabei kriegt er während des Stücks ohnehin kaum die Hände aus
der Hose, kein Wunder, auch die Frauen vollführen knapp mit Stoff und
Gürteln bekleidet wilde Veitstänze der Wollust. Julie klebt plötzlich wie
ein weiterer Körperteil an Liliom, er heiratet sie, er schwängert sie, doch
selbst sein von Sex und Gewalt umnebeltes Ich merkt, dass es so nicht
weitergehen kann. Gegen den Rat der boshaften Frau Muskat (großartig
wie alle: Gregor Henze) versucht er, sein Schicksal zu wenden, mit einem
genialen Überfall auf den Geldboten, der wegen eines dummen Kartenspiels jedoch misslingt: Man erreicht die Beute erst, als die Aktentasche
bereits leer ist. Liliom kann die Ausweglosigkeit nicht mehr ertragen und
ersticht sich. Immer noch aufsässig kommt er in die göttliche Polizeistation, darf aber ins Fegefeuer, um Julie wiederzusehen.
Hier endet der fulminante Theaterabend, wenn der Geläuterte bei der
exzessiven Geburt seines Kindes anwesend ist. Regisseurin Fabian hat gemeinsam mit einem großartigen Ensemble eine kunstvolle Molnár-Inszenierung geschaffen, die lange im Gedächtnis bleiben wird. Das Stadttheaterpublikum strömt wie zu erwarten lieber verstört zu den Parkplätzen.
Aber wer zum Teufel ist Desirée Nick?
PETER ORTMANN
Von Klaus Keil
Für den Tanz ist der Mai ein typischer Gastspiel-Monat. Die heimische
Tanzszene wartet wie immer auf die Fördermittel für 2012. Das Tanzinteresse wird derweil von auswärtigen Ensembles bedient. Produzieren kann
die heimische Szene erst nach einer verbindlichen Zusage des Landes
oder der Kommune, da man sich ohne
„Nicht alle überstehen
Förderung für seine Arbeit verschulden,
die Durststrecke“
sprich: einen Kredit aufnehmen müsste.
Wenn dann die Mittel doch ausbleiben, hat man für seinen Arbeitsplatz
„bezahlt“ – ohne Aussicht auf künstlerisches Überleben. Übersetzt ins
allgemeine Arbeitsleben heißt das: Ein Arbeitnehmer müsste seinen Arbeitsplatz selbst finanzieren, um dann mit dem Einkommen daraus die
Finanzierung samt Kosten abzutragen. Verrückte freie Kulturwelt.
Gut sind dagegen die institutionalisierten Kultureinrichtungen dran. Das
sind Oper und Schauspiel, einige Freie Theater und auch das Tanzhaus
NRW in Düsseldorf. Wer institutionalisiert ist, hat keine Finanzierungssorgen, denn institutionalisiert sein heißt: Die Fördermittel sind rechtsverbindlich im Etat eingestellt. So kann man sich voll auf seine künstlerische
Arbeit konzentrieren und – hoffentlich – Großes schaffen. Das ist, unter
anderem, auch Sinn und Zweck öffentlicher Kulturförderung.
In der Freien Tanzszene NRW gibt es diese Sorgenfreiheit nicht. Obgleich
noch während der ersten Phase der Spitzenförderung Tanz (2009-2011)
angekündigt wurde, dass mindestens ein Ensemble institutionalisiert
werden soll, steht diese Entscheidung aus. Das Land NRW hält sich bedeckt – und das liegt nicht am fehlenden Haushaltsplan. Und doch ist in
diesem Jahr alles anders. Der Haushalt 2012 ist gescheitert, der Landtag
aufgelöst. Gewählt wird am 13. Mai. Vor Herbst 2012 wird es folglich
keinen Landeshaushalt und keine städtischen Haushalte geben. Für die
„Institutionalisierten“ aber geht die Förderung bis zu 80% weiter. Projekte
und Inszenierungen der Freien Tanzszene aber bleiben auf der Strecke,
denn hier wird nur in Ausnahmefällen vorfinanziert. Diese Durststrecke
werden nicht alle überstehen. Der Zuschauer, dem diese komplizierten Zusammenhänge unbekannt sind, wundert sich allenfalls, dass einE von ihm
geschätzteR ChoreografIn nicht mehr künstlerisch in Erscheinung tritt.
Das ist die Chance der Gastspiele, der Kooperationen und übergreifenden
Koproduktionen fester Einrichtungen. PACT Zollverein in Essen wartet im
Mai gleich mit zwei koproduzierten Uraufführungen auf. Das Tanzhaus
NRW ist mit einer Uraufführung und zwei deutschen Erstaufführungen
dabei. Ein Highlight im Tanzhaus ist das Gastspiel der
Cie. Toula Limnaios aus Berlin, deren künstlerisches
Überleben erst der Erfolg sicherte, die inzwischen 31
abendfüllende Stücke produziert haben und nun zum
ersten Mal (!) ins Tanzhaus NRW eingeladen wurden.
Am 4. und 5. Mai zeigen sie ihr Tanzstück „every single
day“ – frei inspiriert durch den Mythos des Sisyphos –
Klaus Keil
und damit fast eine Metapher für den Freien Tanz in
Journalist, Tanzkritiker
NRW. Unbedingt anschauen.
u. Hochschuldozent
„Liliom“ I So 6.5. 16 Uhr
Opernhaus Wuppertal I 0202 569 44 44
www.tanzhaus-nrw.de
www.pact-zollverein.de
www.halle-tanz-berlin.de
Sybille Fabian inszeniert genialen „Liliom“ in Wuppertal
Der Mai, kein Wonnemonat für die Freie Tanzszene
12
film des monats
Kindliches Spiel mit erotischem Unterton: Laure / Michaël (Zoé Héran) und Lisa (Jeanne Disson)
So oder so
„Tomboy“ von Céline Sciamma
Es sind Sommerferien. Laure ist gerade mit ihrer Familie in eine neue Siedlung gezogen.
Den anderen Kindern stellt sie sich als Michaël vor.
C Ungewöhnlicher Coming-of-Age Film
Michaël und Jeanne sitzen gemeinsam in der Badewanne. Michaël ist zehn
Jahre alt, seine kleine Schwester sechs. Eben hat Michaël noch mit den Jungs
aus der Siedlung gespielt. Fußball natürlich – und er gehört zu den Besten.
Damit hat er sich seit seinem Umzug hierhin bei den anderen Jungs schnell
Respekt verschafft, und auch die gleichaltrige Lisa findet den Neuen interessant. Vor allem, weil er nicht ganz so jungenhaft ist wie die anderen. Weniger
rüpelhaft, einfühlsamer. Auch mit seiner Schwester spielt Michaël ganz liebevoll – auch in der Badewanne: Geduldig lässt er sich von ihr aus seinen kurzen Haaren einen Irokesen formen. Dann ist die Badezeit vorbei. Die Mutter
holt Jeanne aus der Wanne, kurz darauf steigt auch Michaël heraus. Vor uns
steht nass und nackt ein Mädchen.
Ein „Spielfilm“
Michaël heißt eigentlich Laure. Laure hat kurze Haare, zieht gerne
Jungsklamotten an und spielt lieber Fußball als Springseil. Als sich Laure erstmals aus der neuen Wohnung traut und auf Lisa trifft, stellt sie sich als Mikeal
vor. Es ist ihre Chance, in der neuen Umgebung, in der sie niemand kennt,
ihren Drang, sich wie ein Junge zu geben, voll auszuleben. Geschickt hält
Laure die beiden Welten voneinander getrennt. In der Wohnung ist sie Laure,
draußen, auf den Wiesen, in den Wäldern und den Seen der Umgebung ist sie
Michaël. Sogar als Jeanne Laures Geheimnis entdeckt und droht, den Eltern
ihr doppeltes Spiel zu verraten, kann sich Laure weiter als Michaël ausleben.
Denn Jeanne, die nicht im Geringsten versteht, warum ihre große Schwester
sich als Junge ausgibt, will nur eins: dabei sein. Also ziehen sie von nun an
gemeinsam los und hüten ihr Geheimnis vor den Eltern. Erst als Michaël seine
kleine Schwester verteidigen muss und dabei einen anderen Jungen verprügelt, kommt alles raus. Denn der Junge erscheint am nächsten Tag mit seiner
Mutter vor Laures Wohnungstür, um Michaël zur Rede zu stellen.
Céline Sciamma erzählt vom Alltag in diesen wenigen Sommertagen konsequent aus Laures Perspektive. Und das heißt: Wir sehen einen Jungen, wie
er in seiner neuen Umgebung langsam neue Freunde findet. Es ist ein langsames Herantasten, aber nur wenig erscheint daran ungewöhnlich.
Vielleicht ist der enge Kontakt zu Lisa für einen Jungen in seinem Alter
überraschend, vielleicht ist er in einigen Situationen etwas sehr zögerlich.
Aber ansonsten ist Michaël ein Junge wie die anderen. Der Film feiert
Michaëls/Laures kindliches Spiel und seine/ihre emotionalen Entdeckungen.
Erwachsene kommen da fast nicht vor. Die Szenen mit den Eltern in der
Wohnung haben einen gedämpfteren Tonfall. Aber auch hier herrscht eine
13
entspannte Atmosphäre – prekäre oder gar dysfunktionale Familienverhältnisse sind das nicht. „Tomboy“ ist kein Problemfilm.
Ein „Kinderfilm“
Céline Sciamma hat bereits mit ihrem Debüt „Water Lilies“ bewiesen, dass sich
sich darauf versteht, die Perspektive von Kindern bzw. Jugendlichen einzunehmen. Dort sind es pubertierende Mädchen, die ihre Sexualität in der
Umkleidekabine eines Schwimmbads entdecken. Die Fähigkeit, die Perspektive
von Kindern einzunehmen scheint eine Qualität des französischen Kinos zu
ein. Angefangen von François Truffauts Kurzfilm „Die Unverschämten“ und
seinem ersten autobiografischen Langfilm „Sie küssten und sie schlugen ihn“
bis in die Gegenwart. Und das wird honoriert: Mit seinem Film „L’Esquive“ über
ein Theaterprojekt an einer Schule in den Banlieues hat Abdellatif Kechiche
2003 vier Césars gewonnen. „Die Klasse“ von Laurent Cantet hat 2008 die
Goldene Palme in Cannes gewonnen und auch Jean-Pierre und Luc Dardennes
haben für ihre Filme „Der Sohn“ und „Das Kind“ Preise erhalten. Gerade überzeugten sie abermals mit „Der Junge mit dem Fahrrad“, der ähnlich wie
„Tomboy“ zugunsten einer großen Nähe zu den Protagonisten ästhetisch ganz
schlicht erzählt. Die Nähe, die „Tomboy“ zu Laure entwickelt – auf einer
Augenhöhe mit ihr – führt in einer entscheidenden Szene dazu, dass die wohl
meist erwachsenen Zuschauer wie sie fühlen. In jedem anderen Film würde
der Zuschauer sofort die Perspektive der Erwachsenen antizipieren und deren
nachvollziehbares Urteil übernehmen. In diesem „Kinderfilm“ ist man aber
ganz bei Laure, und das Handeln der Erwachsenen ist es, das einen befremdet.
Wo genau Laure – unglaublich gespielt von Zoé Héran – steht, das wissen die
Erwachsenen im Film nicht, und das wissen trotz aller hergestellter Nähe auch
wir Zuschauer nicht. Nicht einmal Laure weiß es. Sie ist in einem Alter, wo das
Spiel mit den Geschlechtern alles sein kann: kindliches Ausprobieren oder
erstes Spüren eines inneren Drangs. Homosexualität oder Transsexualität sind
sehr feste Begriffe für einen 10-jährigen Menschen, der gerade erst sein biologisches Geschlecht entdeckt und lernt, sich dazu zu verhalten. Dieses
Verhalten kann vielfältiger sein als es das binäre Geschlechtermodell
Mann/Frau vermuten lässt. Diesem weiten Feld des Dazwischen begegnet der
Film mit größter Offenheit.
CHRISTIAN MEYER
TOMBOY
Berlinale 2011: Teddy Jury Award
F 2010 - Drama - Regie: Céline Sciamma - Kamera: Crystel Fournier - mit: Zoé Héran,
Malonn Lévana, Jeanne Disson - Verleih: Alamode
Start: 3.5.
engels verlost 3x2 Freikarten.
E-Mail bis 10.5. an [email protected], Kennwort: Tomboy
neue filme
Wie jeder ordentliche Diktator macht auch dieser hier seine eigenen Spielregeln
Bleuel (Joachim Król) verschwindet im Erdreich
Geliebter Unterdrücker
Andere Sitten
„Der Diktator“ von Larry Charles
„Ausgerechnet Sibirien“ von Ralf Huettner
Ein vorlauter Diktator auf Staatsbesuch in den USA. Hinter der Maskerade steckt
„Borat“-Darsteller Sacha Baron Cohen.
C Mockumentary
Auf einer Geschäftsreise nach Sibirien verliebt sich der pedantische Bleuel in die fremde Kultur und eine hübsche Sängerin.
C Anrührender Aussteigertrip
In der Rolle des kasachischen Journalisten Borat Sagdiyev verzeichnete Sacha
Baron Cohen 2006 seinen größten Leinwanderfolg. Borat zog darin durch die
USA und schockierte die Amerikaner mit unbedarft sexistischen und antisemitischen Provokationsgebärden. Provokation, mit der er die Menschen, denen er
begegnete, entlarvte. Geniale Realsatire, infantiler Blödsinn, das Werk ließ viele
Meinungen zu, bot aber vielen Zuschauern vor allem eins: Spaß. Cohen ist Kind
der Mockumentary, das haben seine Filmbeiträge in seiner Fernsehshow „Ali G.“
schon gezeigt. Der Clown ist genial in der Rolle, mit der er den Menschen
begegnet, in der Improvisation, in der Provokation. Als schwuler Modejournalist
Brüno versuchte Cohen 2009 ähnliches mit homosexuellen Motiven, doch
funktionierte die Brüskierung in diesem Fall nur bei homophoben Zeitgenossen
- auf alle anderen wirkte dieser ausgestellt schrille Ausritt schlicht bieder.
In seinem neuesten Streich nun spielt der Komiker aus London einen Diktator.
Als seine Exzellenz Admiral General Shabazz Aladeen, Herrscher über die fiktive Republik von Wadiya, reist er, wie schon Borat und Brüno zuvor, nach
Amerika. Die Amerikaner sind Cohens Lieblingsopfer. Nicht ohne Grund, denn
die Weltmacht mit ihren Macken und Ängsten, zwischen Toleranz und Übermut, als beschädigtes Aushängeschild westlicher Werte lässt sich trefflich vorführen und beleidigen. So auch diesmal, wenn der Diktator dort aufschlägt, um
ungehemmt von seinem Atomprogramm zu schwärmen und seine Diktatur mit
Herzblut gegen politisch korrekte Einwände zu verteidigen. Cohen hat seinen
Streifen bereits im Vorfeld mit publikumswirksamen Auftritten beworben, sei
es, als er in Uniform auf einem Kamel durch New York ritt, sei es während der
diesjährigen Oscarverleihung, als er die vermeintliche Asche seines DiktatorKollegen Kim Jong-il auf dem Anzug eines Moderators verteilte. Im Vorfeld
wetterte er in einem Video gegen die Sanktionen, die die „Academy of Motion
Picture Art and Zionists“ ihm auferlegte, kündigte unvorstellbare Konsequenzen an und drohte: „Tod dem Westen, Tod Amerika!“
Erhellend Biografisches zur Figur gibt es zuhauf auf der liebevoll gestalteten
Homepage des Films, in der sich Shabazz Aladeen als großes Geschenk für die
Menschheit bezeichnet, geboren in Allwissenheit, geschmückt mit 118 Doktortiteln und natürlich schon seit der Kindheit sexuell überaktiv – „geliebter Unterdrücker und rücksichtsloser Beschützer des wertvollen, aber entbehrlichen
Volkes von Wadiya“. Der Spot zielt diesmal nicht nur gegen die „zionistischwestliche“ oder sexuell verklemmte Kultur, sondern ebenso auf die Diktatoren
unserer Zeit. Das unbefangene, nüchterne Selbstverständnis, mit der Cohen
bereits als Borat gegen Frau und Ungläubige lamentierte, die ad absurdum liebevoll gelebte Menschenverachtung, dürften auch in dieser Rolle aufgehen.
HARTMUT ERNST
DER DIKTATOR
Ralf Huettner („Vincent will meer“) lässt in seinen neuen Film unterschiedlichste Aspekte einfließen: Es geht nicht nur um die Wandlung eines konservativen Eigenbrötlers, sondern auch um die wirtschaftlichen und sozialen
Unterschiede zweier Länder, die zerrütteten Beziehungen der Protagonisten,
die Probleme eines jungen russischen Homosexuellen und die schamanischen Rituale des Naturvolks der Schoren. Trotz dieses Schwalls an Ideen
sind die Geschichte selbst und ihre zentralen Figuren stark genug, um das
Interesse der Zuschauer zu wecken. Freunde beeindruckender Landschaftsaufnahmen und Fans des charismatischen Hauptdarstellers Joachim Król
(Aussteiger erprobt u.a. durch „Zugvögel“) werden hier allemal auf ihre Kosten kommen.
FRANK BRENNER
AUSGERECHNET SIBIRIEN
D 2012 - Komödie - Regie: Ralf Huettner - Kamera: Stefan Ciupek - mit: Joachim Król,
Vladimir Burlakov, Yulya Men - Verleih: Majestic
Start: 10.5.
Alles richtig gemacht?
Geduld!
„Die Kunst zu lieben“ von Emmanuel Mouret
Ein amüsanter, französischer Episodenreigen über die Regeln der Liebe und Verführung
in der westlichen Zivilisation.
C Ironisch-frivole Komödie
„Es gibt keine Liebe ohne Musik“, „Schlage nie ein Angebot aus“, und immer
wieder „Geduld“: Zwischentitel wie diese unterteilen diese wundervolle Komödie, die sich zugleich augenzwinkernd als Ratgeber präsentiert zu Dingen, die Sie
schon immer über Sex wissen wollten. Denn dorthin führt am Ende meist die
Liebe, das ahnt auch Regisseur Emmanuel Mouret. Der setzt sich beseelt und
ironisch mit den Spielarten und –regeln von Lust und Liebe auseinander, indem
er Singlefrau Isabelle (Julie Depardieu) samt Umfeld auf den Pfaden gen
Zweisamkeit begleitet. Pointiert kommentiert führt Mouret seine Charaktere vor,
die in den Varianten gegenseitiger Annäherung alles richtig zu machen suchen
– und zumeist genau darüber stolpern.
HARTMUT ERNST
Der Film konnte vor Redaktionsschluss nicht gesehen werden.
USA 2012 - Komödie - Regie: Larry Charles - Kamera: Lawrence Sher mit: Sacha Baron Cohen, Anna Faris, Sir Ben Kingsley - Verleih: Paramount
Start: 17.5.
Eine Rezension folgt online und im kommenden Heft.
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
DIE KUNST ZU LIEBEN
Filmfestival Montréal: Bestes Drehbuch: Emmanuel Mouret
F 2011 - Komödie / Lovestory - Regie: Emmanuel Mouret - Kamera: Laurent Desmet mit: François Cluzet, Frédérique Bel, Julie Dépardieu - Verleih: Camino
Start: 17.5.
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
Komisches Potential: Brite und Scheich beim Angeln
Liebenswerter Feel-Good-Ansatz
Der Fischer und seine Frau
Die Väter der Braut
„Lachsfischen im Jemen“ von Lasse Hallström
„Väter und andere Katastrophen“ von Martin Valente
Wie aus der Zucht von Lachsen ein Politikum, eine Art abendländisch-orientalischer
Kulturkampf und eine Liebesgeschichte entsteht.
C Romantic Comedy
Sowohl der leibliche als auch der Ziehvater einer jungen Frau schleichen sich unerkannt
auf deren Hochzeit und sorgen für Chaos.
C Turbulente Hochzeitskomödie
Ein jemenitischer Scheich und passionierter Angler will in der Wüste einen
künstlichen See anlegen, um dort Lachse anzusiedeln. Helfen soll ihm dabei
der kauzige britische Biologe und Fisch-Experte Dr. Alfred Jones, der von dem
Plan anfangs genauso wenig begeistert ist wie von der Scheich-Mitarbeiterin
Harriet. „Lachsfischen im Jemen“ hat eine hübsche Grundidee, lässt allerdings
einiges von ihrem komischen Potenzial liegen. Regisseur Lasse Hallström lenkt
die Geschichte lieber ins Fahrwasser einer Romantic Comedy, was dank der
Besetzung recht gut funktioniert. Ein Pluspunkt ist Kristin Scott Thomas, die
als gerissene Regierungssprecherin und Multitasking-Mum eine überzeugende
Powerfrau-Parodie liefert.
MICHAEL HERMANN
Die Franzosen haben wirklich ein Händchen für Komödien! Die Story kann noch
so schwachbrüstig, die Figuren holzschnittartig sein – dennoch zimmern sie daraus einen kurzweiligen und beschwingten Film, der sein Publikum verzaubert. So
auch Martin Valente mit dieser turbulenten Farce, die voll gutmütigem Humor
steckt und allein deswegen schon weit über dem Niveau der meisten US-Komödien anzusiedeln ist. Wie unlängst schon bei „Ziemlich beste Freunde“ oder „Und
wenn wir alle zusammenziehen?“ zeichnet sich auch dieser Film durch seinen liebenswerten Feel-Good-Ansatz aus, der perfekt auf die Leinwand gebracht wurde.
Spielerisch werden hier auf gefällige Weise Werte vermittelt, die einem mehr als
nur anderthalb Stunden vergnügliche Unterhaltung bieten.
FRANK BRENNER
LACHSFISCHEN IM JEMEN
VÄTER UND ANDERE KATASTROPHEN
GB 2011 - Komödie / Drama - Regie: Lasse Hallström - Kamera: Terry Stacey mit: Ewan McGregor, Emily Blunt, Kristin Scott Thomas - Verleih: Concorde
Start: 17.5.
F 2011 - Komödie / Lovestory - Regie: Martin Valente - Kamera: Pierre-Yves Bastard mit: Gérard Jugnot, François Berléand, Olivia Ruiz - Verleih: Camino
Start: 3.5.
Vom Regisseur von DARJEELING LIMITED & DIE ROYAL TENENBAUMS
Frances
McDormand
Ein Film von
Wes Anderson
Edward
Norton
Bill
Murray
Bruce
Willis
Tilda
Swinton
Snoopy
(R.I.P.)
Zum Trailer
www.MoonriseKingdom.de
Ab 24. Mai
im Kino
/tobisfilmclub
hintergrund
Wurde soeben höflich ausgeraubt: Christian (Anders W. Berthelsen) in Buenos Aires
Fußball, Wein und Liebe
„Superclassico ... meine Frau will heiraten!“ von Ole Christian Madsen
Rosenkrieg auf Champions-League-Niveau: Der Kopenhagener Weinladen-Besitzer
Christian reist mit seinem 16jährigen Sohn Oscar nach Argentinien, um dort seine als
Fußball-Managerin arbeitende Noch-Ehefrau Anna zurückzuerobern, die den von ihr
betreuten „Fußballgott“ Juan Diaz heiraten will.
C Turbulente Culture-Clash-Beziehungskomödie
Die im November stattfindenden „Nordischen Filmtage Lübeck“ sind mittlerweile das einzige „Schaufenster“ des nordischen Films außerhalb Skandinaviens.
Langsam scheint sich diese Alleinstellung für den Kinogänger auszuzahlen:
Fast die Hälfte der im vorigen Jahr gezeigten 16 Wettbewerbsbeiträge fand
bisher einen deutschen Verleih. Unter ihnen auch die von den Dänen ins
Oscar-Rennen geschickte Komödie „Superclassico“, die in ihrem Heimatland
zu einem der größten Kassenerfolge wurde. Regisseur Ole Christian Madsen,
der einst zu den Dogma-Mitstreitern („Kira“, 2001) gehörte und mit dem
Widerstands-Drama „Tage des Zorns“ (2008, mit Mads Mikkelsen) international Aufsehen erregte, beweist auch als Komödien-Regisseur inszenatorisches
Geschick: Ausgerechnet am Tag des „Superclassico“ zwischen den Boca
Juniors und River Plate landen Christian und Oscar in Buenos Aires – und machen gleich Bekanntschaft mit den heißblütigen Fußballfans. In Annas LuxusVilla treffen sie dann aufeinander: der sich gerne nackt zeigende, muskulöse
Argentinier mit den blendend weißen Zähnen und der trottelige, leicht
depressive Däne mit dem Bauchansatz. Was im ersten Moment wie ein Griff
in die Klischee-Kiste aussieht, erweist sich im weiteren Verlauf der Handlung
als liebevolle, nie denunzierende Zeichnung zweier Charaktere aus unterschiedlichen Kulturkreisen.
Sebastián Estevanez, der ein wenig wie ein Latino-Schwarzenegger wirkt,
gibt seinem Fußballstar eine nie aufdringlich wirkende Authentizität, während Anders W. Berthelsen („Italienisch für Anfänger“) wunderbar den vor
Selbstmitleid zerfließenden Loser spielt, der mit sanftem Druck zum Umdenken gezwungen werden muss: erst fällt er in die Hände höflicher Straßenräuber, dann in die von Annas schon älterer Haushälterin, die ihn nicht nur
sexuell beglückt, sondern auch den Tango lehrt. Derweil stürzt sich Oscar
(berührend pubertär: Jamie Morton) in seine erste Liebe mit der gleichaltrigen Veronica (liebreizend: Dafne Schilling). In den leuchtend-klaren Cinemascope-Bildern von Madsens Haus-Kameramann Jorgen Johansson spielt sich
nun ein Beziehungs-Karussell mit slapstickartigen Einlagen, Dialog-Pointen
und absurden Begegnungen, wie die mit Tango tanzenden Kakerlaken, ab. Die
oft exaltiert wirkende Paprika Steen – schauspielerisches Urgestein der DogmaBewegung („Das Fest“) und dem TV-Zuschauer als Line Anders in der ZDFSerie „Der Kommissar und das Meer“ bekannt – fügt sich dabei kongenial in
das spielfreudige Ensemble ein. Auch wenn eine Stimme aus dem Off ständig nervt, weil sie erklärt, was man ohnehin sieht, geht man doch gut unterhalten und mit einem Ratschlag für den nächsten (Wein-)Einkauf aus dem
Kino: Die Marbet-Traube ist die Königin der Weintrauben. Na dann: Viel
Vergnügen und Prost!
ROLF-RUEDIGER HAMACHER
SUPERCLASSICO … MEINE FRAU WILL HEIRATEN!
DK 2011 - Komödie / Lovestory - Regie: Ole Christian Madsen - Kamera: Jørgen Johansson mit: Anders W. Berthelsen, Paprika Steen, Jamie Morton - Verleih: X Verleih
Start: 3.5.
SUPERCLASSICO – Am Rande
„50 sporting things you must do before you die“ titelte die britische Wochenzeitung „The Observer“. Was im gleichnamigen Film von Ole Christian
Madsen zwischen den Beziehungsturbulenzen schon zur Nebensache gerät,
zählt zu den bekanntesten Sport-Ereignissen weltweit: Der „Superclásico“
(Deutsch: Superderby) bezeichnet die Begegnung zwischen den populären
argentinischen Fußballmannschaften „Boca Juniors“ und „River Plate“.
Deren Aufeinandertreffen ist ebenso brisant und legendär wie das ihrer
Fanlager: Hier wird der Wettstreit zweier Klassen ausgefochten. Während
die Bocas Anfang des 20. Jahrhunderts von Einwanderern und der sogenannten Arbeiterschicht gegründet wurden, gilt River Plate als Verein der
Mittel- bis Oberschicht; die Fans gehören dem betuchteren und vorneh-
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meren Teil der Gesellschaft an. So wird das Derby sozial aufgeladen und
machte sich auch dank rabiater Fans und ihrer zur Schau gestellten
Feindseligkeiten über die Grenzen Argentiniens hinaus einen Namen. Alles
in allem ist der Superclásico eine große Show, eine tumultartige, ekstatische Explosion von Farben, Lärm, Energie. Entsprechend wird von den
Spielern erwartet, dass sie ihren Teil zu dieser Show beitragen, und ihre
Spielweise spiegelt die Unterschiede auf nahezu plakative Weise: Während
man den einen elegante und kultivierte Spielkunst nachsagt, gelten die
anderen als kampfeslustig, setzen auf Kraft. Aus dem Spiel zwischen den
Vereinen wird auch ein Spiel mit Vorurteilen. Der Sport tritt dabei bisweilen in den Hintergrund.
MAREN LUPBERGER
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neue filme
filmwirtschaft
Dark Shadows
USA 2012 - Drama / Horror - Regie: Tim Burton - Verleih: Warner
Tim Burton serviert sein nächstes Gruselmärchen: Barnabas (Johnny Depp)
gelangt Ende des 18. Jahrhunderts in Amerika zu Reichtum, verdreht einer
Hexe die Augen und landet als Vampir in der Gruft. Zweihundert Jahre ersteht
Barnabas wieder auf – es ist 1972, sein Anwesen eine Ruine, seine Angehörigen
geheimnisumwoben. Mit Michelle Pfeiffer und Helena Bonham Carter.
HE
Start: 10.5.
American Pie: Das Klassentreffen
USA 2012 - Komödie - Regie: J. Hurwitz, H. Schlossberg - Verleih: Universal
Über zehn Jahre ist’s inzwischen her, dass die Jungs aus der Highschool um
die Jungfräulichkeit gewettet haben. Inzwischen sind sie verheiratet – oder
getrennt. Vor allem aber sind sie Jungs geblieben. Entsprechend pubertär gestaltet sich ihr Leben auch in den Twentysomethings, und, so das Kinopublikum will, auch noch in den nächsten Jahrzehnten. Hormone forever!
HE
Start: 26.4.
Spy Kids 4D
USA 2011 - Action / Komödie - Regie: Robert Rodriguez - Verleih: Senator
Eigentlich können Rebecca und Cecil ihre Stiefmutter Marissa (Jessica Alba) nicht
leiden. Als allerdings der garstige Zeiträuber Tick Tock an die Tür klopft und sich
Ex-Spionin Marissa ihrer Wurzeln besinnt, finden die beiden Kinder schon bald
Spaß am Familiendasein. Robert Rodriguez („Sin City“) tobt sich auch in der dritten Fortsetzung genüsslich an jugendfreiem Actionspaß aus.
HE
Start: 3.5.
The Lucky One – Für immer der Deine
USA 2012 - Drama - Regie: Scott Hicks - Verleih: Warner
Im Leben drehen sie mitunter durch, in Kinofilmen wie diesen landen sie in den
Armen einer Frau: U.S.-Soldaten wie Sergeant Logan Thibault (Zac Efron, „High
School Musical“), den das Schicksal nach drei Einsätzen im Irak zu Beth führt,
einer Unbekannten, die er nur von einem Foto kennt. Nach anfänglichem Misstrauen öffnet sich Beth dem Landesverteidiger. Romantisches Drama.
HE
Weiter hoch sensibles Thema: Urheberrechtsschutz, Foto: Leyla Jafarian
ACTA, Regener und 51 Tatort-Autoren
Was haben ACTA, Regener und 51 Tatort-Autoren gemein? Richtig, es
geht hier erneut um den Urheberrechtsschutz. Das Anti-Counterfeiting
Trade Agreement dient der Eindämmung des Handels mit gefälschten
Markenprodukten und geistigem Eigentum. Danach hat jeder Staat für
wirksame Strafverfolgung und Abschreckung zu sorgen und soll die Identifizierung der Täter sicherstellen. Betroffen sind damit alle Bereiche der
Produktpiraterie und des illegalen Handels mit materiellen und immateriellen Gütern. Die Kritiker hingegen sagen, dass hier weniger die Urheber,
sondern die Rechteinhaber, also die großen Verlage, Medienkonzerne und
Schutzrechtsorganisationen wie die GEMA begünstigt werden. Tatsache
ist, dass Deutschland dem Abkommen bislang nicht beigetreten ist und
derzeit auch die Perspektive hierfür eher schlecht steht.
In diesem Zusammenhang sind auch die Forderungen der Grünen und der
Piratenpartei zu sehen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und
Informationsbeschaffung höher bewerten als die Rechte von Urhebern
und Rechteverwertern. Unterstützt werden sie dabei von allen IT-Unternehmen, seien es Hersteller von Hardware, Anbieter von Breitbanddiensten oder eben die großen Portale, über die sich die Internetgemeinde mit
legalem und illegalem Content versorgt und prächtig damit verdient wird.
Dieser Umstand hat den Frontmann der deutschen Rock-Band Element
of Crime und Buchautor Sven Regener in einem Interview mit dem bayerischen Rundfunk veranlasst, in einer emotionalen Suada die zunehmende
Geringschätzung von Komponisten, Musiken, Filmemachern, Autoren und
anderen über eine mediale Verbreitung kommunizierenden Künstler zu
beklagen. Das hörenswerte Interview ist unter www.br.de/radio/bayern2
zu verfolgen.
Etwas weniger emotional, dafür mit mehr sachlichen Argumenten gehen
stellvertretend für die Urheber im Fernseh- und Filmbereich insgesamt 51
Tatort-Autoren in einem offenen Brief vor. Das Schreiben, das unter www.
drehbuchautoren.de/nachrichten/2012/03/offener-brief-von-51-tatortautoren nachzulesen ist, ist vor allem an die oben genannten Parteien
und die gesamte Netzgemeinde adressiert. Die Autoren wehren sich vor
allem gegen die Gleichsetzung von freiem und kostenfreiem Zugang und
beklagen die Aufwertung der User-Interessen, die die Umsonst-Kultur als
Grundrecht ansehen.
Eigentum und damit natürlich auch das geistige Eigentum ist nicht nur in
zahlreichen Staaten quasi grundgesetzlich, sondern darüber hinaus auch
durch zahlreiche völkerrechtliche Vereinbarungen geregelt. Weshalb nun
gerade das geistige Eigentum nicht mehr dem Urheber zusteht, sondern
durch ein neu entstandenes Medium nunmehr jedem, der es haben will,
wird nirgendwo richtig begründet. Dass insbesondere medial verbreitete
Güter nicht vom Urheber selbst, sondern von Rechteverwertern wahrgenommen werden müssen, die zugegebenermaßen manchmal auch konzernähnliche Strukturen haben, ändert an dem Eigentumsvorbehalt nichts.
Bedauerlich ist, dass außer dem Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann (CDU) kaum ein Politiker den existierenden Urheberrechtsschutz
auch wirksam zu verteidigen gewillt ist. Insofern ist die Einmischung der
betroffenen Urheber ein wichtiger Beitrag zur Diskussion.
KIM LUDOLF KOCH
Start: 26.4.
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
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neue filme
Visuell reizvolle Reise in die Belle Époque
Turbulent und kunstvoll: Die Kinder nehmen Reißaus
Antiheld
Arthouse-Märchen
Arthausmärchen
„Bel Ami“ von Declan Donnellan und Nick Ormerod
„Moonrise Kingdom“ von Wes Anderson
Ein mittelloser Schönling schläft sich im Fin de Siècle in der feinen Gesellschaft hoch.
C Kostümdrama
Zwei Kinder türmen, die Gemeinde begibt sich auf die Suche. Das verläuft bei Wes
Anderson entsprechend skurril und chaotisch.
C Verschrobenes Abenteuer
Die „Twilight“-Reihe ist abgedreht, und nach seinem Ausflug in den Zirkus
(„Wasser für Elefanten“) stellt sich Teenieschwarm Robert Pattinson neuen
Herausforderungen. Dabei will sich der Brite offensichtlich wandlungsfähig
zeigen, mimt er doch diesmal nicht den Helden, sondern den Antihelden.
Der Literaturverfilmung bleibt er indes treu: Diesmal wurde er für die Hauptrolle in der Neuverfilmung von Guy de Maupassants „Bel Ami“ besetzt.
Pattinson spielt Georges Duroy, einen jungen Offizier, der Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Krieg in Algerien nach Frankreich heimkehrt und versucht, in Paris Fuß zu fassen. Anfangs noch mittellos und ohne Job, gelingt
dem ehrgeizigen Beau schon bald der Einzug in die Pariser Gesellschaft:
Charles Forestier (Philip Glenister), ein alter Kriegskamerad, lädt Georges
zum Essen ein. Forestier verantwortet den Politikteil der Tageszeitung La
Vie Francaise und bietet seinem Freund an, als Journalist für ihn zu arbeiten. Nun ist Georges in sprachlichen Belangen nicht eben talentiert, bekommt
aber Schützenhilfe von Forestiers attraktiver Gattin Madelaine (Uma Thurman),
die von nun an als seine Ghostwriterin fungiert. So hat der junge Charmeur
ausreichend Zeit, sich mit weiteren Damen zu vergnügen und sich so den
Aufstieg in die feine Gesellschaft zu ermöglichen. Eine erste Affäre hat er
mit der jungen, vergnügungssüchtigen Clothilde (Christina Ricci) und auch
die Ehefrau (Kristin Scott Thomas) von Duroys Herausgeber erliegt dem
Charme des egozentrischen Aufsteigers.
Neuengland, Mitte der 1960er: Gerade rüstet Pfadfinderführer Ward das Sommercamp, da nimmt der 12-jährige Sam Reißaus. Der hat nämlich Höheres im
Sinn als Pfade zu finden und Fährten zu suchen. Genauer: die gleichaltrige
Suzy, in die er sich verliebt hat. Gemeinsam verstecken sich die beiden Kinder
an der Küste, während die besorgten Erwachsenen, darunter der Gemeindesheriff, eine Jugendamt-Gesandte und Suzys Eltern, eine Suchaktion starten.
Das endet, dafür bürgt Regisseur Wes Anderson („Tiefseetaucher“, „Darjeeling
Limited“), in einem turbulenten, kunstvoll verschrobenen Arthausmärchen, das
der Filmemacher nostalgisch einfärbt.
HARTMUT ERNST
Dass „Twilight“ mehr Biss hatte, ist nicht nur dem Wortspiel geschuldet, es
gilt auch in zweierlei Hinsicht: Die Adaption des gesellschaftskritischen
Romans von 1885 entbehrt weitestgehend dem Biss und der Ironie der
Vorlage. Die beiden Regisseure Declan Donnellan und Nick Ormerod setzen
weniger auf tiefgründige Gesellschaftskritik, sondern haben sich mit ihrem
ersten abendfüllenden Spielfilm vor allem einer Sache verschrieben: Ein
bombastisches, starbesetztes Historiendrama auf die Leinwand zu werfen,
mit dem sie in opulenten Kulissen und prächtigen Kostümen die Belle Époque wieder auferstehen lassen. Paris ist hier loderndes Zentrum des Aufbruchs, in dem Fortschritt und Aufschwung kulminieren – und Georges will
mitschwimmen. Die Mechanismen der Macht, Vorteilsnahme und Verrat,
Gier und Verlangen, erotisches Taktieren, Opportunismus und die wachsende Bedeutung der Medien sind Themen, derer sich der Leinwand sprengende
Film dankbar bedient. „Bel Ami“ strotzt vor Bildern und Atmosphäre, indem
Maupassants Vorlage zu einer ansehnlichen Postkarte modelliert wird. Eine
Adaption, die als opulentes Kostümdrama Robert Pattinson die Gelegenheit
gibt, sich von einer anderen Seite zu präsentieren. Gemeinsam mit einer
beachtenswerten Riege an weiteren Darstellern ist das Ergebnis vor allem
visuell reizvoll.
CARLA SCHMIDT
MOONRISE KINGDOM
Der Film konnte vor Redaktionsschluss nicht gesehen werden.
USA 2012 - Drama - Regie: Wes Anderson - Kamera: Robert Yeoman - mit: Bruce Willis,
Edward Norton, Bill Murray - Verleih: Tobis
Eine ausführliche Rezension folgt.
Start: 24.5.
Zola (Hubert Koundé) ist mit seinem Sohn in Europa gestrandet
Touristen und Flüchtlinge
„Die Farbe des Ozeans“ von Maggie Peren
Am Strand von Gran Canaria stößt Urlauberin Nathalie auf zwei afrikanische Schiffsbrüchige und trifft eine folgenreiche Entscheidung.
C Hochaktuelles Polit-Drama
Nathalie verlebt einen recht ereignislosen Pauschalurlaub. Als der Senegalese
Zola mit seinem kleinen Sohn vor der Küste angespült wird, gibt sie ihm spontan ihre Telefon-Nummer. Es gelingt den beiden Flüchtlingen aus dem Internierungslager zu entkommen, in welchem ihre Abschiebung beschlossen wird, und in
einem Freizeitpark unterzutauchen. Als sie Nathalie schließlich telefonisch erreichen, will diese Verantwortung übernehmen und löst eine Katastrophe aus.
Man verzeiht Peren, dass einige Nebenfiguren eher holzschnittartig bleiben, da
die von ihr verhandelte Fragestellung brisant ist und dramatisch gelungen
umgesetzt wird. So illustriert sie auf spannende Weise eine komplexe politische
Thematik, vor der Europa nur zu gerne die Augen verschließt.
SILVIA BAHL
BEL AMI
DIE FARBE DES OZEANS
GB 2012 - Drama / Lovestory - Regie: Declan Donnellan, Nick Ormerod Kamera: Stefano Falivene - mit: Robert Pattinson, Uma Thurman, Christina Ricci Verleih: Studio Canal
Start: 26.4.
D/E 2011 - Drama - Regie: Maggie Peren - Kamera: Armin Franzen - mit: Álex González,
Hubert Koundé, Nathalie Poza - Verleih: Movienet
Start: 17.5.
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roter teppich
Ein Pedant in einer ihm fremden Welt: Joachim Król in „Ausgerechnet Sibirien“
„In Köln ist man von allem gleich weit weg“
Joachim Król über „Ausgerechnet Sibirien“, seinen Kölner Standort und den „Tatort“-Karriereschub
In den frühen 90ern wurde der 1957 in Herne Man konnte lesen, dass Ihnen die Rolle digeborene Joachim Król durch seine Rollen in rekt auf den Leib geschrieben wurde. Bezieht
„Wir können auch anders“ und „Der bewegte sich das dann eher auf das Drehbuch, bei dem
Mann“ schlagartig berühmt. In den folgenden Romanautor Michael Ebmeyer dann neben
seinen autobiografischen ErJahren hat er in einer ganzen
„Was mir schon alles
fahrungen auch noch Sie in
Reihe der erfolgreichsten deutauf den Leib geschrieben
die Figur des Matthias Bleuel
schen Filme jener Zeit mitgeworden sein soll …“
einfließen ließ?
wirkt, als „Commissario BrunetWenn dieser Satz mit „auf den
ti“ und „Lutter“ schließlich
auch im Fernsehen für hohe Einschaltquoten Leib geschrieben“ stimmen würde, dann müsste
gesorgt. Seit Mai 2011 ermittelt er als Frank mein Leib mittlerweile voll sein (lacht). Was mir
Steier für den „Tatort“ des Hessischen Rund- alles auf den Leib geschrieben worden sein soll
funks. Im Kino wird er in diesem Monat als Ge- … das ist eine Floskel, die ich nicht mehr hören
schäftsreisender in „Ausgerechnet Sibirien“ zu kann. Ich hatte Ebmeyers Roman gelesen, den
dieser geschrieben hatte, ohne mich zu kennen.
sehen sein.
Es war nur für die Produzentin naheliegend, so
engels: Herr Król, „Ausgerechnet Sibirien“ eine Figur wie Matthias Bleuel, die einigen meiwurde fernab der Zivilisation gedreht, wie ner Figuren aus den frühen 90er Jahren gleicht,
einige Ihrer älteren Filme auch. Ist das über- mir anzubieten. Das war für sie erfolgversprechend.
haupt noch etwas Besonderes für Sie?
Joachim Król: Natürlich, immer wieder! Es sind
ja auch stets ganz andere Ecken, in die man Matthias Bleuel trifft im Film zufällig auf eidabei kommt. Ich kann allerdings nicht leug- nen alten Schulkameraden. Ist das Joachim
nen, dass das hier wahrscheinlich der anstren- Król auch schon einmal passiert?
gendste Dreh war, den ich bis jetzt in meinem Es kann mir passieren, dass ich Leuten begegLeben gemacht habe! Obwohl sich die Produkti- ne, bei denen ich mir ganz gewiss bin, dass ich
on wirklich um die bestmöglichen Bedingungen sie schon einmal getroffen habe. Ich bin ein
gekümmert hat, war das schon kräftezehrend. Namens-Legastheniker, Namen fallen mir überZumal ich, wenn ich das richtig weiß, bis auf haupt nicht ein. Aber so eine konkrete Situatieine Szene, in jeder einzelnen des Films dabei on wie in der Szene mit Armin Rohde im Film
bin. Das war schon ein Pensum, das sich gewa- fällt mir eigentlich nicht ein. Dass Schauspieler
im Privaten auf andere Schauspieler treffen,
schen hatte.
das passiert alle zwei bis drei Tage. Man trifft
Aber ich vermute, dass die Dreharbeiten sich ständig irgendwo am Flughafen, denn wir
trotzdem einen Mehrwert für Sie brachten, Schauspieler sind Reisende, darum macht mir
weil Sie in eine ganz andere Kultur eintau- das auch einen solchen Spaß, diese Aufgaben
zu übernehmen. Wir sind ohnehin Reisende, und
chen konnten …
Das ist für mich daran auch das ganz Wunder- durch Filme wie diesen wird das dann noch verbare, weil man bei solchen Dreharbeiten einen doppelt, weil wir dadurch noch an exotische Orte
ganz anderen Status hat als beispielsweise ein gelangen können.
Tourist. Ein Tourist ist immer ein Betrachter, oder
er wird herumgeführt. Wenn man mit einem Wo ist denn bei den vielen Reisen mittlerweile
Team und einer Aufgabe irgendwo landet, ist Ihr Lebensmittelpunkt? Immer noch in Köln
man sofort integriert. Wir hatten ein gemisch- oder nun auch in Berlin, wie bei den meisten
tes Team mit teilweise russischen Kollegen, da- Filmschauspielern?
raus hat sich dann schnell ein Alltagscharakter Ich teile das mittlerweile auf, ich pendle zwiergeben, weil man dazugehört. Aber leider war schen Berlin und Köln. Das hat sich so ergeben,
bei dieser Belastung viel zu wenig Zeit, um Land Berlin ist für unsere Branche schon sehr, sehr
und Leute kennenzulernen. Alles, was am Ran- wichtig geworden. Aber Köln ist mir persönlich
de passiert, nimmt man dabei natürlich dann als Standort noch wichtig, ich weiß auch nicht,
ob sich das in Zukunft überhaupt ändern wird.
gerne mit.
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
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Das geht nun schon eine ganze Weile so, und
Köln ist für mich ein ganz guter Kompromiss,
man ist hier von allem gleich weit weg (lacht).
Haben Sie festgestellt, dass sich Ihre Popularität, nachdem Sie nun beim „Tatort“ eine
Kommissar-Hauptrolle übernommen haben,
noch weiter gesteigert hat?
Auf jeden Fall! Es gab immer schon Sprünge in
der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit. Das
hat mit den ersten Kinoerfolgen angefangen,
das war mein Einstieg. Nachdem ich mich dann
auch etwas mehr um Fernsehrollen gekümmert
habe, gab es dann solche Popularitätsschübe
mit „Commissario Brunetti“ und mit „Lutter“,
aber mit dem „Tatort“ ist das nun noch einmal
um eine Stufe gestiegen. Diese Veränderung ist
wahrnehmbar, aber nicht unangenehm.
Gibt es bei Ihnen den Wunsch, eine ganz bestimmte Rolle einmal zu spielen, zu der Sie
bislang noch nicht die Gelegenheit hatten?
Meine jahrelange Erfahrung hat mich gelehrt,
dass man auf solche Entscheidungen keinerlei Einfluss hat, es sei denn, man schreibt und/
oder produziert selbst. Aber das ist nicht meine
Neigung, und das ist nicht mein Talent. Daher
muss ich und will ich nach wie vor auf Einladungen und Überraschungen reagieren können.
Rollen verändern sich mit dem zunehmenden
Alter, und ich kann mich nicht erinnern, jemals
auf einen Produzenten zugegangen zu sein und
ihm gesagt zu haben, dass ich diese oder jene
Rolle gerne mal spielen würde. So funktioniert
das auch nicht.
Auf der Theaterbühne sind Sie nach wie vor
immer mal wieder aktiv …
Ende 2011 habe ich in Berlin mit einer wunderbaren Truppe „Der Kirschgarten“ auf die Bühne
gebracht, das spielen wir immer noch, demnächst
sogar in Liechtenstein auf einem Gastspiel und
werden das immer mal wieder reaktivieren. In
Dresden werden wir damit im Juni auftreten. Aus
diesem Zusammenhang hat sich ein Gespräch
ergeben, und wir suchen gerade nach Stücken
für eine Folgeproduktion im nächsten Jahr. Also,
das Theater hat mich wieder!
INTERVIEW: FRANK BRENNER
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comickultur
wortwahl
Konflikt-Comics
Life’s a bitch
Ein Atheist, umgeben von religiösen Auseinandersetzungen: Guy Delisle
hat schon aus China, Nord-Korea und Burma in Comicform berichtet. Jetzt
verschlägt ihn die Arbeit seiner Frau nach Jerusalem. Sie arbeitet in Gaza
für „Ärzte ohne Grenzen“, sein Alltag besteht daraus, sich um die Kinder
zu kümmern. „Aufzeichnungen aus Jerusalem“ umkreist auf 350 Seiten
langsam aus dem Alltag heraus das Palästina-Israel-Problem, ohne die Not,
ein pauschales Urteil fällen zu müssen. Delisle lässt sich von den Ereignissen
überraschen – mal positiv, mal negativ (Reprodukt). Maximilien Le Roy lässt
sich für „Die Mauer“ von seinem palästinensischen Freund Mahmoud Abu
Srour aus dessen Leben erzählen. Bei Le Roy vermengen sich subjektive Sicht
und poetischer Stilwille zu pathetischen Momenten, die mal nachvollziehbar,
in ihrem Erklärungsdrang aber auch arg verdreht (Edition Moderne) sind.
„Alois Nebel“ ist eine komplexe Geschichte um einen Bahnhofsvorsteher
in Tschechien. Mittels der Gedankengänge ihres Protagonisten lösen
die Autoren Jaromir 99 und Jaroslav Rudiš einen Strudel historischer
Begebenheiten durch die letzten Jahrzehnte aus mit fantastischen, surrealen
Momenten. In extremem Schwarzweiß-Kontrast entfalten sie so ein Kapitel
osteuropäischer Geschichte. Der Comic wurde bereits verfilmt (Voland &
Das Leben ist ein zotiges Possenspiel. Und mittendrin: das clowneske
Individuum, das sich verzweifelt gegen sämtliche vermeintlich schicksalhafte
Widrigkeiten zur Wehr zu setzen versucht und doch nicht registriert,
welch entscheidenden Beitrag es selber zum Fortbestand der fast schon
tragikomischen Lebensumstände leistet, respektive wie es höchstpersönlich
durch seine Erkenntnisverweigerung die Potenzierung der Detonationswucht
vermaledeiter Unglücksschläge herauf beschwört. Da kann der Mensch noch
so keilen und treten, die Macht- und Funktionsstrukturen unserer Zivilisation
verhalten sich wie Treibsand. Entsprechend ungeschickt, auf jeden Fall aber
überaus unterhaltsam wirkt die Figur, die wir in unserem Aufbegehren, in
unserer verzweifelt verfolgten Sehnsucht nach dem Großen Glück abgeben.
Life's a bitch, die wir – für einen vorgespielten Orgasmus – aus unserer
eigenen Tasche bezahlen, wie die Literatur in bisweilen genüsslichem
Anschauungsunterricht lehrt: Man ergötze sich zum Beispiel an den Irrungen
und Wirrungen des isländischen Dorfschullehrers Böddi Steingrímsson, der
sich nach seiner Heimkehr aus Berlin in die Kleinöde von „Rokland“ (dtv, 479s,
€ 9,95) in seiner Rolle als ewiger Rebell ach-so-philosophisch eingerichtet
hat. Wäre da nicht seine TV-süchtige Mutter, mit der er sich ein Dach teilen
Quist).
Chester Brown sagt es ganz offen: „Ich bezahle für Sex“. Seine
„Aufzeichnungen eines Freiers“ sind ein soziologisches und psychologisches
Ergründen von Beziehungen im Allgemeinen und der zwischen Freier und
Hure im Speziellen. Auch wenn er einige Probleme bagatellisiert: Erfrischend
offen und klug tritt er für die Entkriminalisierung der Huren in Kanada ein
(Walde & Gaf). Inspiriert von „The Osbournes“ erzählt Carolin Walch in
„Roxanne & George“ eine Geschichte zweier alter, verfeindeter ehemaliger
Bandkollegen und ihrer jugendlichen Kinder. Die sind im Gegensatz zu den
Vätern eng miteinander befreundet und Teil einer Realityshow, in der ihre
Väter als Trottel auftauchen. Denen wird das bald zu blöd. Walch beobachtet
mit ihren kantigen Zeichnungen das innere Gezicke der Alten und das äußere
Gepose der Jungen und spielt mit der zusätzlichen Ebene der medialen
Omnipräsenz. Ein ungewöhnliches deutsches Debüt (Reprodukt).
muss, der stocksteife Schulleiter, der ihn vor die Tür gesetzt hat, und nicht
zuletzt auch noch dessen Tochter, die Böddi zu allem Überfluss geschwängert
hat. Mit geradezu zärtlicher Boshaftigkeit zersetzt Kultautor Hallgrímur
Helgason (u.a. „101 Reykjavík“) die Lebensweisheiten seines Protagonisten.
/ Der amerikanische Wahlberliner Matt Burgess hingegen entfesselt mit die
„Die Prinzen von Queens“ (suhrkamp, 391s, € 14,99) eine Kleinganovenfarce,
die zumindest in puncto Skurrilität und Rasanz den Vergleich nicht scheuen
braucht: Um die mögliche Wut seines Bruders wenigstens ein bisschen zu
dämpfen, weil er ihn bei einem Überfall hat sitzen lassen, stellt Alfredo zu
dessen Freilassung einen Hundekampf auf die Beine. Dummerweise ohne
Hunde, dafür mit einem kleinen Berg Drogen, den er besser nicht geklaut
hätte, und einem Kind im Bauch der Ex seines Geschwisterherz', der sich im
Gefängnis 'weiß-der-Himmel-warum' auch noch in Tariq umbenannt hat.
/ In einer solchen Situation würde man sich vermutlich nichts sehnlicher
wünschen, als bei Time Warner Time eine Zeitreise zu buchen. Frei nach dem
Motto „Legst du diesen Schalter um, landest du in der Vergangenheit, ziehst du
jenen Hebel hoch, in der Zukunft. Du steigst aus und hoffst, dass die Welt sich
verändert hat. Oder zumindest du selbst“ besteigen die Menschen in Charles
Yus „Handbuch für Zeitreisende“ (rowohlt, 267s, € 13,95) scharenweise
die chronogrammatischen Personenfahrzeuge der T-Klasse, um sich via
temporalinguistischen Entertainments im Kleinuniversum 31 ihrer Probleme
zu entledigen, stattdessen aber den Karren zumeist vollends festfahren. Und
dazu zählt auch das Alter Ego des Autors, das als TM-31-Techniker samt seines
weiblichen, mit Minderwertigkeitskomplexen kämpfenden Betriebssystems
sowie einem nur ontologisch existenten Köter eigentlich dafür zuständig sein
sollte, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. / Leider Gottes oder Gottsei-Dank musste Patrick Melrose in seinem Protagonistendasein auf derartige
Flucht-Behelfsmöglichkeiten vier Bände lang verzichten, uwm sich endlich
von seiner übermächtigen Mutter und Grande Dame der Millionärsdynastie
zu befreien. Im fünften und finalen Teil der von britischem Humor triefenden
Pentalogie ist es endlich soweit. Eleanor hat das Zeitliche gesegnet, was dem
armen drangsalierten Sohnemann plötzlich ganz neue Perspektiven eröffnet.
Das Problem ist nur: er selbst. Mit scharfer Feder lässt Edward St. Aubyn das
Psychodrama Familie in seinem (Anti-)Helden kulminieren, denn „Zu guter
Letzt“ (DuMont, 221s, € 17,99) muss ein jeder für sich entscheiden, inwieweit
er als trauriger oder bissiger Clown durchs Leben mäandern will.
LARS ALBAT
Mit „Schönes neues Jahr“ werden drei Kurzgeschichten der 90er Jahre
von Baru zusammengefasst. Zwei gehören zusammen und erzählen von
Apartheids-Verhältnissen in den Banlieues in der nahen Zukunft, die
dritte ist im Nordirland-Konflikt angesiedelt. Gewohnt actionreich geht
es um ethnische Konflikte und Rassismus (Edition 52). Der Schwede Max
Andersson hat seit den 90er Jahren extrem kranke Geschichten auf die
Comicwelt losgelassen: Da gibt es obdachlose Häuser, lebendes Geld, ein
Totenreich mit abgetriebenen Föten, Klone und vieles mehr, was sogar Charles
Burns und Thomas Ott Konkurrenz macht. Deren feiner Ausarbeitung ihrer
Alptraumwelten setzt er schmieriges und schmutziges Gekrakel entgegen,
das der Story perfekt entspricht. „Container“ versammelt Anderssons
bisheriges Gesamtwerk (Reprodukt). Der Finne Ville Ranta erzählt in bunten,
wilden Aquarellzeichnungen von der Vertreibung aus dem „Paradies“. Es ist
die Geschichte einer zaghaften, zögerlichen Emanzipation, zugleich lustvoll
wie angstbesetzt, in der Liebe und Leidenschaft kurzzeitig das Paradies
zurückerobern (Reprodukt).
Zum Schluss zwei Termintipps: Am 5.5. findet in der Köln-Mülheimer Stadthalle
von 10 bis 17 Uhr die 71. Internationale Comic Messe „Intercomic“ statt, am
12.5. findet der 3. Gratis Comic Tag statt: Bei Pin Up, der Buchhandlung
Ludwig, der Mayerschen, dem Djinn Cafe und dem Cöln Comic Haus kann
man sich auf Gratis-Comics und Aktionen freuen.
CHRISTIAN MEYER
20
kompakt disk
Aufreibend auflösen
F.S.K. – über 30 Jahre, zwölf LPs, diverse EPs und Singles: Die Band um
Thomas Meinecke und Michaela Melián ist eine Institution und ausdauerndster Repräsentant bzw. eigentlich Vorbild für den Diskurspop, der
dann später vor allem aus Hamburg kam. Die Münchener verbinden immer
noch ihren charmant-sperrigen Sound mit ebenso charmant-sperrigen
Betrachtungen zu Politik und Popkultur. „Akt, eine Treppe herabsteigend“
heißt das Album nach Duchamp, und das Cover zeigt natürlich weder Akt
noch steigend (Buback). Das Duo AU aus Portland macht experimentellen Pop. Auf dem dritten Album ist wieder der schwelgerische Gesang
zu finden, der über den nervösen, komplexen Songs liegt, die zunächst
wie ein wildes Potpourri aus unterschiedlichsten Instrumenten und Stilen
wirken, bei wiederholtem Hören aber ähnlich wie bei Animal Collective
und verwandten Bands immer mehr ihre innere Logik offenbaren (Leaf).
Popmusik aus Israel weht nur selten bis hierhin. Mir fallen spontan nur
die Klezmer-Surf-Rocker Boom Pam ein. Umlala ist nun state-of-the-art
Indierock mit Electro-Anteilen. Mit obligatorischen New Wave-Anleihen,
aber auch vielen überraschenden Einfällen und klasse Gitarrenläufen
ist ihr kraftvolles Debüt „Stand Go Show Shout“ gewürzt (Snowhite).
Aus Frankreich kommen gleich zwei interessante Neuerscheinungen: Don
Niño spielt bei den auch hier schon bekannteren NLF3. „In the Backyard of my Mind“ ist sein ruhigeres, leichteres, luftigeres und angenehm
verspieltes Solodebüt (Infine). Astrïd ist ein Quartett aus Südfrankreich
und entfaltet auf „High Blues“ lange, getragene, archaisch klingende
Soundscapes mit Akustikgitarre und Jazzelementen (rune grammofon).
Cakewalk ist ein neues norwegisches Trio, das auf seinem Debüt „Wired“
fließende Improvisationen zwischen Krautrock und verzerrtem Noiserock
entwirft, die so organisch wirken, dass man sich in ihrem Fluss entweder
auflösen oder – je nach Grad der Verzerrung – aufreiben möchte (Hubro).
Art Rock im Stile der Canterbury-Szene der 70er Jahre machen Volcano
the Bear. Seit 15 Jahren und unzähligen Veröffentlichungen halten sie
den Sound von Bands wie Henry Cow, Art Bears oder auch This Heat
hoch, soll heißen: neue Musik im Kopf, Jazz in der Hüfte und Rock in den
Beinen (rune grammofon).
Auf seinem 13. Album „Ufabulum“ hat Squarepusher für alle Stücke
gleich eine Lichtkomposition für die Liveshow mit konzipiert. Sein Breakcore stolpert weiterhin mit haarsträubender Geschwindigkeit und gefährlichen Verrenkungen von Romantik über Suspense zu metallischer
Action (Warp). Das Kölner Label Boxer Records feiert sein zehnjähriges
Bestehen mit einer Compilation. Pragmatisch „10 Years of Boxer“ betitelt,
ist der Inhalt aber doch etwas überraschender: Hier findet man nicht nur
die üblichen Nuancen zwischen House und Techno, sondern auch schleppenden Funk von Von Spar, einen Hawaiigitarren-Groove von tOMBo,
taumelnden Disco von Le Dust Sucker oder den Stolperfunk von Robag
Whrume. Eine schöne Geburtstagsfeier!
Fela Kuti, der Erfinder des Afro Beat, war eine zwiespältige Persönlichkeit. Einerseits mutiger Kämpfer für die Rechte der Schwarzen und Antikolonialist, waren viele seiner Äußerungen sexistisch und homophob.
Er starb 1997 an der von ihm geleugneten Krankheit Aids. Seine Musik
hingegen war berauschend. Das belegt die Doppel-CD „Live in Detroit“,
die auf 140 Minuten das Konzert von 1986 veröffentlicht. Nur vier sehr
lange Stücke präsentieren eine bestens aufgelegte Band, die aus dem
Konzert eine beseelte Party macht (Strut).
CHRISTIAN MEYER
21
Improvisierte Musik in NRW
Klassik in NRW
Angelique Kidjo singt Makebas Songs
Schloss Cappenberg hat Musik
Alle sind Afrikaner
Mekka der Kammermusik
Von Olaf Weiden
So wirkt der Titel „Kulturhauptstadt“ angenehm nach: Die Initiative zum
„Internationalen Klangvokal Musikfestival Dortmund“ wurde im Vorfeld
der Ruhrgebietsbewerbung gegründet, um den unglaublich zahlreichen
sängerischen Aktivisten und der überraschend intensiven Liebe der Bevölkerung zum Gesang zu begegnen.
„Miriam Makeba
Dieses Festival kann in seiner facetwurde zu einer Ikone der
tenreichen Arbeitsweise kaum Profil
Menschenrechte“
fassen: Vom barocken Oratorienkonzert
über glamouröse Oper über die Weltmusik bis zum Jazz reicht der Veranstaltungsstoff dieser einzigartigen Aktion, der auch aktuell die Luft nicht
ausgeht. Bei den Jazzgrößen wie Kurt Elling, Curtis Stigers oder der dänischen Jazzqueen Caroline Henderson wird der luxuriöse Jazzclub „Domizil“ einbezogen, in Sachen Weltmusik steht das Konzerthaus Dortmund
zur Verfügung.
Das gilt zum einen für den südafrikanischen A cappella-Chor „Ladysmith
Black Mambazo“, einem seit Jahrzehnten fest etablierten Renner auf allen
Weltmusikfestivals, dessen Mitglieder selbst ständig den Rhythmus mittanzen – Musik afrikanischer Provenienz ist ja immer auch Tanz. Zum anderen gilt dies für die afrikanische Königin des Gesangs Miriam Makeba,
der „Mama Africa“, die 2008 bei einer Zugabe in einem Benefiz-Konzert
in Italien für einen von der Camorra bedrohten Schriftsteller einen Herzinfarkt erlitt – politischer Kampf bis zum letzten Herzschlag. An diese
übergroße Vorkämpferin gegen Apartheid und für die Rechte der Schwarzen knüpft jetzt die aus dem Benin stammende Sängerin Angelique Kidjo,
„Afrikas erste Diva“, wie sie das „Time Magazin“ betitelte. Sie widmet ihr
aktuelles Programm ihrem Vorbild, das natürlich in seiner Zeit noch wie
ein Erdbeben wirkte – Miriam Makeba wurde zu einer Ikone der Menschenrechte.
Solche Heroen können sich in einer multimedial beschossenen und abgestumpften Welt kaum noch bilden, deshalb ist eine Erinnerung an die
große schwarze Sängerin
und ihre Bedeutung mehr als lobenswert. Angelique Kidjo besitzt Stimme
und auch die tänzerische Wucht, Massen in Bewegung zu setzen. Ganz
besonders interessant könnte der Gastsänger wirken, den dieser Weltstar
jetzt präsentiert. Vusi Mahlasela gilt als „The voice“ in Südafrika, ein
Gefolgsmann Nelson Mandelas. Vusis Lieder und seine Lyrik wurden stark von Miriam Makeba beeinflusst.
Mit Kidjo wird dieser sanfte Mann, der die Vergebung
predigt, einen hinreißenden Abend echter Herzensmusik garantieren. Die mehrfach Grammy-gepreiste Angelique Kidjo schwört erfolgreich auf die Klänge ihrer
Heimat, die nicht nur ihr als Wiege diente. Kidjo: „All
Olaf Weiden
the music comes from Africa, because we all come
Musiker und
Musikkritiker in NRW
from Africa!”
Von Olaf Weiden
Es ist nicht einmal zwei Wochen her, da wurde der erste „TÜV-Stempel“
für ein deutsches Orchester verabreicht – es war Concerto Köln, ein Kölner
Ensemble der Alte Musik-Szene. Die erfüllte Norm heißt ISO 9000 und bezieht sich auf den effizienten Einsatz von Ressourcen und die hohe Qualität
innerer Abläufe – also auf die Welt „hin„Ein Ort für Weinliebhaber,
ter der Kunst“. Die Optimierer sind da.
Kunstliebhaber, FreizeithistoDen Orchestern soll dies eine fassbarere
riker und Wanderer“
Qualitätseinordnung für seriöse Partner
aus der Wirtschaft schenken: Stempel da, alles OK! Eine solche Zertifizierung wurde natürlich durch das entsprechende Ministerium des Landes
NRW gefördert. Kleine Prognose: kein Stempel da, nix OK, auf keinen Fall
Fördermittel! Keine Fördermittel sind ja der Normalfall. Beim Stempeln
müsste die Freie Szene trotzdem Pickel kriegen: Optimierung läuft immer
auf Verschlankung der Personaldecke heraus. Aber wenn da nur einer ist,
wer soll dann noch gehen?
Dieser Stempel wird also eine ganz große Rarität darstellen, trotzdem
Glückwunsch an Concerto Köln, die vorher schon ein Erfolgskonzept verfolgten. Realität wird aber weiterhin bleiben, dass sich Ensembles und Einzelkämpfer weiter mit suboptimalen Geschäftspraktiken selbst vermarkten
– wenn sich nicht eine Organisationsgesellschaft dahinterstellt. Das geschieht aber in den letzten Jahren immer häufiger, oft in Zusammenhang
mit neu oder wiederentdeckten Gebäuden oder sogar Landschaften – womit wir nach diesem Exkurs aus aktuellem Anlass zum eigentlichen Thema
kämen.
Ein ehemaliges Prämonstratenserkloster, in dessen langer Geschichte an
einem kurzen Punkt die lebensfrohen Stiftsherren ab 1300 für ihr lasterhaftes Leben ins Gespräch kamen, wurde später im barocken Stil als Dreiflügelanlage neu konzipiert und von der Kirche getrennt. Heute erstrahlt
„Schloss Cappenberg“, ein Ort für Weinliebhaber, Kunstliebhaber, Freizeithistoriker und Wanderer, als Sitz des Hausherrn Sebastian Graf von Kanitz,
der es sich als Musikfreund gefallen lässt, auf seinem wunderschönen Anwesen auch ein kleines Musikfestival zu veranstalten. Zum siebten Mal und
für 7 Tage rund um Pfingsten erklärt sich dieser idyllische Ort nördlich von
Dortmund zu „Westfalens Mekka der Kammermusik“, und er hat einiges zu
bieten. So befindet sich neben der Stiftskirche mit ihren Orgeln sogar ein
akustisch tüchtiger Theatersaal im Ostflügel. Künstlerisch betreut das Fest
seit der Gründung die ECHO-Klassik-Preisträgerin und begnadete Geigerin
Mirijam Contzen, die in einem Satz ihr musikalisches Ziel für das Treffen
außerordentlicher junger Talente aus der ganzen Welt formuliert: „Der Austausch hat hier eine andere Intensität.“
24 Solisten verbürgen sich in ausgefallenen Bearbeitungen wie Tschaikowskys Ouvertüre „Romeo und Julia“ für Klaviersextett, Mozarts Klavierkonzert KV 449 mit Streichquartett oder Messiaens exzentrischem
Quartett-Hit „pour le fin des temps“ für musikalische Erlebnisse. Dazu
zählen auch Erfindungen wie eine Konzertnacht mit kulinarischen Intermezzi, ein Kinderkonzert oder Kammermusiker auf Abwegen: Viele junge
Klassiker jazzen in ihrer Freizeit auch mal gern.
Weltmusik erklingt in Dortmund
24.5., Konzerthaus Dortmund: Angelique Kidjo
Im Domicil: 19.5. Ladysmith Black Mambazo, 17.5.: Kurt Elling
28.5.: Curtis Stigers, 30.5.: Caroline Henderson
www.konzerthaus-dortmund.de
www.domicil-dortmund.de
www.klangvokal-dortmund.de
In Cappenberg spielen noch Musiker ohne TÜV
Musikfestival 22.-28.5. I Schloss Cappenberg
Freiherr-Vom-Stein-Straße 1, Selm
www.musikfestival-schloss-cappenberg.de
22
Klavier-Festival Ruhr
Nicht an der Schnelligkeit der Finger, sondern
am Klang lässt sich wahres Virtuosentum erkennen, meint Arcadi Voldos. Von Konzertprogrammen, die mit Höchstschwierigkeiten aller
Art gespickt sind, hat der Pianist in den letzten
Jahren Abstand genommen. Der Magie der so
entstehenden, hoch differenzierten Interpretationen kann sich kein Zuhörer entziehen.
engels verlost 3x2 Karten. E-Mail bis 23.5. an
[email protected], Kennwort: Klavier
präsentiert: Konzert
culture club
Stadthalle Wuppertal | Johannisberg 40
Karten: 01805 500 80 3
www.klavierfestival.de
Mi, 30.5. um 20 Uhr
MÖNCHENGLADBACH
HERBERT GRÖNEMEYER
29.05.2012 - Schiffsverkehr Tour
GUNS N‘ROSES
08.06.2012 - Einziges Konzert in Deutschland
MÖTLEY CRÜE / SLASH
11.06.2012 - feat. Myles Kennedy & The Conspirators
EINZIGES
KONZER
T IN
NRW!
ROCK THE NATION
16.06.2012 - Bad Company feat. Paul Rodgers - Bachman
& Turner - Blue Öyster Cult - Roger Chapman
THE BEACH BOYS
EINZIGES
KONZER
T IN
NRW!
05.08.2012 - Touring together for the first
time in more than two decades
XAVIER NAIDOO
18.08.2012 - und Quartett
GREEN DAY
EINZIGES
KONZER
T IN
NRW!
EINZIGES
KONZER
T IN
29.08.2012 - Special Guests: NRW!
Angels & Airwaves und All Time Low
LEONARD COHEN
06.09.2012 - Old Ideas World Tour
Tickets unter: www.warsteiner-hockeypark.de und www.westticket.de
oder an allen bekannten VVK-Stellen
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Arcadi Volodos | LZg`ZkdcHX]jWZgi!7gV]bhjcYHX]jbVcc
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BZY^ZceVgicZg
BZY^ZceVgicZg
23
www.art-des-hauses.com
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B^iildX]q(%#BV^q'%J]g
wupperkunst
Robert Delaunay, Die drei Fenster, der Turm und das Rad, 1912, Ausschnitt, The Museum of Modern Art, New York, © L & M Services B.V. The Hague
Avantgarde vor einhundert Jahren
Das Von der Heydt-Museum stellt Herwarth Walden und seine Galerie „Der Sturm“ vor
Auch auf die ersten zwei Jahrzehnte in Deutschland trifft dieser Name
zu: Es stürmte und pfiff durch die Wilhelminische Ära, und die Weimarer
Republik, Armut und Reichtum vollführten Kapriolen, der Erste Weltkrieg
veränderte wieder alles, auf rauschende Feste folgte sozialer Notstand, und
die Bevölkerung verfiel den Demagogen – und die Kunst, die der Zeitschriften-Verleger und Galerist Herwarth Walden den Berlinern zeigte, war nicht
etwa vertraut oder tröstlich, sondern etwas für Eingeweihte: Er präsentierte Fremdes und das Allerneueste. Er widmete sich den Protagonisten der
Künstler-Avantgarde, oft machte erst er sie bekannt. Walden berichtete ab
1910 in seiner „Wochenschrift für Kultur und die Künste“ „Der Sturm“ von
ihnen und stellte sie dann ab 1912 in seiner gleichnamigen Galerie aus, mit
der er einen langen Atem hatte: Sie bestand durch alle Wirren der Zeit bis
1929, ohne dass sich Walden in all den Jahren stilistisch festgelegt hätte.
Aber er wusste, was passierte und was wohin gehörte. So zeigte er inmitten
seines hochmodernen „Herbstsalons“ 1913 eine Gedächtnisausstellung für
den „Naiven“ Henri Rousseau. Und deshalb sind dessen „fröhliche Spaßmacher“ (1906) aus der Sammlung des Philadelphia Museum of Art nun auch
inmitten der Schau in Wuppertal zu sehen.
Überhaupt beeindruckt die Vielzahl der Meisterwerke in der Ausstellung,
die in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität
Düsseldorf im Von der Heydt-Museum eingerichtet ist und von Antje Birthälmer kuratiert wird. Zu den Künstlern, die hier vertreten sind, gehören
Umberto Boccioni, Robert Delaunay, Lyonel Feininger, Alexej von Jawlensky
und Oskar Schlemmer. Schade nur, dass die Ausstellung über die Wandtexte
hinaus nicht dezidierter auf das gesellschaftliche Milieu und das politische
Klima dieser Jahre eingeht. Der Blick auf die zeitgleiche Literatur, die doch
fester Bestandteil der Zeitschrift „Der Sturm“ war, unterbleibt ebenfalls.
Und dabei wäre die Avantgarde so weiter zu verorten gewesen und vielleicht die Konzeption von Herwarth Walden, überhaupt der damalige Stilpluralismus, verständlicher. Um nur die kulturellen Hauptlinien zu nennen:
Herwarth Walden war als Verleger und Galerist besonders engagiert für den
Expressionismus und die Abstraktion, Dada und Konstruktivismus, Orphismus und Futurismus und zwar in der Malerei wie auch der Skulptur – so
darf er als Entdecker von Alexander Archipenko gelten – und gründete 1918
die „Sturm“-Bühne mit Lothar Schreyer als Leiter.
Herwarth Walden, der 1878 unter dem Namen Georg Lewin als Sohn eines
jüdischen Arztes in der Mark Brandenburg geboren wurde und in Berlin aufgewachsen war, hatte bereits bei mehreren Theaterzeitschriften gearbeitet, als er mit einer eigenen Zeitschrift eine Erneuerung der ästhetischen
Wahrnehmung im Sinn hatte. Mitstreiter der ersten Stunde war der Wiener
Publizist Karl Kraus, auf künstlerischer Seite kam Oskar Kokoschka hinzu.
Den Namen „Der Sturm“, den Walden dann auf die Galerie übertrug, soll
übrigens die Lyrikerin Else Lasker-Schüler gefunden haben, die, aus Elberfeld
stammend, mit ihm von 1903 bis 1912 verheiratet war. In der Hauptstadt
Berlin war die Galerie natürlich am rechten Ort. Im März 1912 eröffnete
Walden mit den Künstlern des „Blauen Reiter“, allen voran Kandinsky, Macke
und Marc. Schon seine zweite Ausstellung teilte mit, dass er die Moderne als
internationales Phänomen verstand: Er zeigte nun Werke der italienischen
Futuristen. Auch während des Ersten Weltkriegs fanden Ausstellungen statt,
etwa mit den Bauhauskünstlern (Itten und Muche). Die Ausländer Kandinsky
und Chagall waren selbst in diesen Jahren in der Galerie vertreten. 1919
zeigte Walden als erster die Merz-Arbeiten des Dadaisten Kurt Schwitters,
ehe er sich konstruktiven Tendenzen zuwendete und damit seine Kontakte
zur osteuropäischen Kunst vertiefte.
Engagement in wechselhafter Zeit
Die Künstler wussten das Engagement von Walden in wechselhafter Zeit zu
schätzen; schließlich hatte er etlichen von ihnen die erste Einzelausstellung
ausgerichtet und zeigte wiederholt ihre Werke. Die Verbundenheit zum Galeristen kommt in Wuppertal in den Portraits von Walden und von Else
Lasker-Schüler und seiner zweiten Frau Nell zum Ausdruck. So ist am Ende
der Saalflucht schon von weitem die Portraitplastik von William Wauer zu
sehen: Sie stellt in abstrakter Stilisierung Walden als entschlussfreudigen
und beherrschten Denker vor. Erfreulicherweise zeigt die Ausstellung weitere Plastiken von Wauer, der heute allzu sehr in Vergessenheit geraten ist.
Ein Verdienst der Wuppertaler Ausstellung ist, dass sie gleichberechtigt neben den Berühmtheiten Künstler präsentiert, die nie größere Bekanntheit
erlangt haben. Ein eigener Raum ist den Künstlerinnen in Waldens Galerie
eingerichtet. Außer Gabriele Münter oder Sonja Delaunay gehört dazu auch
die aus Barmen stammende Emmy Klinker.
Freilich, die Geschichte hat kein gutes Ende, nicht für Walden und nicht für
den „Sturm“. 1924 ließen sich Walden und seine Frau Nell scheiden, die Galerie lief in den folgenden Jahren schleppend und endete schließlich. 1932,
kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, emigrierte Walden
nach Moskau, wohin er schon in den zurückliegenden Jahren gereist war.
Dort blieben ihm und seiner dritten Frau nur wenige Jahre. Unter dem Vorwurf der Spionage 1941 verhaftet, starb er im gleichen Jahr im Lager Saratow. Auch das erwähnt die Ausstellung im Von der Heydt-Museum. Vor
allem aber sind hier großartige Bilder zu sehen, welche Walden als erster in
seiner Galerie gezeigt hat und die heute auf rund 40 Museen in der ganzen
Welt verteilt sind: Ein Platz im Olymp der Kunst ist Herwarth Walden sicher.
THOMAS HIRSCH
„Der Sturm – Zentrum der Avantgarde“
bis 10. Juni im Von der Heydt-Museum
www.sturm-ausstellung.de
24
03.05. WDR2 LACHEN LIVE (LCB)
11.05. KONRAD BEIKIRCHER (LCB)
12.05. TOBIAS MANN (LCB)
14.+15.05. VOLLPLAYBACKTHEATER
20.05. WILLY ASTOR (LCB)
24.05. FLORIAN SCHROEDER (LCB)
30.05. FRANK GOOSEN (Barmer Bahnhof)
01.06. ECKART VON HIRSCHHAUSEN (Stadthalle)
19.10. NIGHTWASH LIVE (Börse)
25.10. GLASBLASINGQUINTETT (LCB)
25.10. RICK KAVANIAN (Barmer Bahnhof)
Weitere Termine in Wuppertal, Tickets und Informationen gibt es auf:
www.forum-maximum.de
Veranstaltungen im Zusammenarbeit mit dem Forum Maximum:
LNETL=JPDAKJC=H=
:.1F]dnaL]jpdakj)@]oCnk¢anaecjeo`anGhaejgqjop
Iep6A_g]npr*Deno_dd]qoaj$Ik`an]pekj%(N]ej]h`Cna^a(D]cajNapdan(
LeapGhk_ga(Ejck=llahp(=jgaAjcahga"Bna`Gahhjan>]j`(
?]nkhejGa^agqo(DknopAranoqj`reahajsaepanajGšjophanj
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ej`anKlan>kjjsss*l]jpdakj*`a
YÜKSEL ARSL AN
ARTURES
Kunsthalle seitenlichtsaal
Peter Land. Springtime
Koo Jeong A
21. April – 20. Mai 2012
31. Mai – 24. Juni 2012
ww w.kunsthalle-duesseldorf.de
Die Kunsthalle Düsseldorf wird gefördert durch
Yüksel Arslan, arture 183, 1976, Michel Haberland Collection, Ivry-sur-Seine
DAD O
DANSE MACABRE
CAROL R AMA
BÖSE ZUNGEN
21.4. – 24.6.2012
Ständiger Partner der Kunsthalle Düsseldorf
Die Ausstellung Yüksel Arslan. Artures wird gefördert durch
25
Kunsthalle seitenlichtsaal wird unterstützt durch
kunst-kalender
,Ê/Ê
",<" /
Markus Lüpertz, Das Urteil des Paris, 2010, Mischtechnik auf Lw, 4-teilig,
© M. Lüpertz, courtesy Gal. Michael Werner
Die Kunst-Termine NRW
AACHEN – Suermondt-Ludwig-Museum
www.cornelis-bega.de
ESSEN – Ruhr Museum
www.ruhrmuseum.de
Cornelis Bega bis 10.6.
Virtuose holländische Malerei des 17. Jh.
Mythos Krupp bis 4.11.
Einrichtungsgegenstände, Kunstwerke und Fotos zur Geschichte der Krupp-Dynastie
BOCHUM – Kunstmuseum
www.bochum.de/kunstmuseum
Diethelm Koch bis 13.5.
Einblicke in das Werk des konkreten Bildhauers
BOCHUM – Situation Kunst (für Max Imdahl)
www.situation-kunst.de
Von Thangka bis Manga bis 1.7.
Geschichten von Idolen in verschiedenen Bildgattungen aus Tibet, Indien und Japan
BONN – Kunst- und Ausstellungshalle
www.kah-bonn.de
Romy Schneider bis 24.6.
Eine dokumentarische Ausstellung mit vielen
Zeugnissen vom Filmstar bis zur Privatperson
>ÀŽÕÃÊØ«iÀÌâ\ʹ>˜˜Êˆ“ʘâÕ}ÊqÊ`ˆÌ…ÞÀ>“LˆÃV…ʺ]Ê£™ÇÈ
BONN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-bonn.de
Architekturteilchen 12.5.-19.8.
Eine Geschichte des Bauens mit Modulen
KÖLN – Museum Ludwig
www.museum-ludwig.de
Yvonne Rainer 28.4.-29.7.
Retrospektive der New Yorker PerformanceKünstlerin, Choreographin und Filmemacherin
KREFELD – Museum Haus Esters
www.kunstmuseenkrefeld.de
BRÜHL – Max Ernst Museum des LVR
www.maxernstmuseum.de
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.museum-morsbroich.de
500 Jahre Gerhard Mercator bis 10.6.
Ein Parcours mit Globen und Landkarten
DORTMUND – Museum Ostwall
www.museumostwall.dortmund.de
Michael Schmidt bis 13.5.
Ein konzeptuell angelegtes fotografisches Projekt zur Produktion von Lebensmitteln
LÜDENSCHEID – Städtische Galerie
www.luedenscheid.de
Ida Gerhardi bis 15.7.
Bilder von Ida Gerhardi und acht weiteren
deutschen Künstlerinnen in Paris um 1900
MÜLHEIM/R. – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-mh.de
Heinz Mack: Zwischen den Zeiten 6.5.-29.7.
Der Zero-Künstler seit den 1950er Jahren
Jagd auf die Moderne bis 28.5.
Polnische und deutsche Künstler, Musiker und
Autoren, die im Dritten Reich verfolgt wurden
DÜSSELDORF – K20 Grabbeplatz
www.kunstsammlung.de
NEUSS – Langen Foundation
www.langenfoundation.de
Fresh Widow bis 12.8.
Das Fenster als Motiv der Kunst seit 1912
Jan Albers: parcOurs mOrtale bis 24.6.
Bildobjekte des Düsseldorfer Künstlers (*1971)
DÜSSELDORF – Museum Kunstpalast
www.smkp.de
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
El Greco und die Moderne 28.4.-12.8.
Der berühmte manieristische Maler im Dialog
At Home 13.5.-16.9.
Künstlerische Beschreibungen und Aussagen
zum Leben und Alltag im Ruhrgebiet
DÜSSELDORF – Kunsthalle
www.kunsthalle-duesseldorf.de
Yüksel Arslan: Artures bis 24.6.
Werkschau der Malereien auf Papier
DUISBURG – LehmbruckMuseum
www.lehmbruckmuseum.de
Fabián Marcaccio bis 17.6.
Drastische Malerei-Objekte zur US-amerikanischen Realität
DUISBURG – Museum Küppersmühle
www.museum-kueppersmuehle.de
Ê4 -/ Ê Ê-/
KÖLN – Museum für Angewandte Kunst
www.makk.de
Martin Schwenk bis 19.8.
Fragil vegetative Skulpturen im Raum
DORTMUND – Museum für Kunst und
Kulturgeschichte
www.mkk.dortmund.de
& 1 -</ \ÊÊ]Ê]Ê,Ê£äʇʣÇ]Ê
"Ê£ÎʇÊÓä]ÊÊ-ʳÊ-"Ê££Ê‡Ê£nÊ1,Ê
1-1-*/<Ê£]Êxnä™xÊ Ê
777°"-/1-1-1°
Markus Lüpertz 6.5.-29.7.
Der Protagonist gestisch heftiger Gegenständlichkeit mit Bildern und Plastiken
Lewis Baltz 10.5.-2.9.
Retrospektive des wegweisenden konzeptuellen amerikanischen Fotografen
Niki de Saint Phalle bis 3.6.
Das malerische und plastische Werk der berühmten Avantgarde-Künstlerin
È°ÊÊ-Êә°Ê1ÊÓä£ÓÊ
"-/1-Ê1-1Ê
HAGEN – Osthaus Museum
www.osthausmuseum.de
Per Kirkeby bis 28.5.
Ein umfassender Einblick in das Werk des dänischen Malers und Bildhauers
RECKLINGHAUSEN – Kunsthalle
www.kunst-re.de
Facing China bis 24.6.
16 figurative und abstrakte Maler aus China
REMAGEN – Arp Museum Rolandseck
www.arpmuseum.de
Die Eroberung der Wand bis 9.9.
Zeitgenössische Referenzen an die „Zwölf Apostel“ des Nazareners Johann Schraudolph
WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum
www.von-der-heydt-museum.de
Der Sturm bis 10.6.
Meisterwerke der Avantgarde der 1920er Jahre
Empfehlungen von Thomas Hirsch
26
bildet
Verlagssonderveröffentlichung
Foto: Widar Schule/Presse
„… fürs Leben lernen wir!“
Bildung jetzt!
Seit mehr als 30 Jahren gibt es die Widar Schule in Bochum-Wattenscheid,
die ihre SchülerInnen als klassische Waldorfschule „mit offenen Augen“ in die
Welt entlassen will. Lange wurden Waldorfschulen belächelt, als zu wenig
leistungsfixiert oder zu künstlerisch beschimpft.
In den letzten Jahren haben sich derlei Vorurteile jedoch in Luft aufgelöst.
Im Gegensatz zum regulären Schulbetrieb, der auf Leistungsdruck setzt und
für längst obsolete Kurzzeitkarrieren ausbildet, glauben die Waldorfschulen
an eine Mischung aus Persönlichkeitsbildung und Leistungsforderung, um
AbsolventInnen ganzheitlich aufs Leben vorzubereiten. Patrick Neal von der
Widar Schule: „Leistung muss ein Baustein unter vielen sein. Man darf nicht
vergessen, dass sich die Arbeitswelt komplett verändert hat. Wir müssen
unsere Schülerinnen und Schüler nicht auf eine Industrie-, sondern auf eine
Kreativwirtschaft vorbereiten.“
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstr. 20, Wuppertal I Tel. 0202 43 90 I www.uni-wuppertal.de
Fast 100 Studiengänge in Geistes- und Kulturwissenschaften,
Wirtschaftswissenschaft, Natur- und Ingenieurwissenschaften, Kunst, Design
und Bildungswissenschaften. Studienberatung unter Tel. 0202 439 – 25 95.
Der Herausforderung der staatlichen Stichtagregelung begegnet die Widar
Schule mit dem Konzept der „Brückenklasse“. Eltern, die sich sorgen, ihren
Nachwuchs zu früh einzuschulen, können ihre Kinder in diese „nullte Klasse“
schicken.
Filmhaus Köln
Maybachstr. 111, Köln I Tel. 0221 2 22 71 00 I www.filmhauskoeln.de
Seit 25 Jahren bietet das Kölner Filmhaus für junge und alte Branchenvertreter
Weiterbildungsmaßnahmen und Workshops an. Highlights: „RegieIntensivkurs“ mit Nicole Weegmann (ab 1.6.), „Grundlagen des
Filmschauspiels“ mit Julia Beerhold (ab 16.6.).
Aktuelle Tipps für Bildungshungrige
Die Bochumer Widar Schule setzt nicht nur auf Leistung
Weitere Informationen unter 02327 976 10 oder www.widarschule.de
DA Düsseldorfer Akademie
Harffstr. 51, Düsseldorf I 0211 73 77 96 80 I www.duesseldorfer-akademie.de
Die Bildungseinrichtung vereint ein Therapie und Förderzentrum für
Logopädie – Ergotherapie, Lese- und Rechtschreibtraining, eine renommierte
Schule für Logopädie und ein Weiterbildungs- und Trainingszentrum unter
einem Dach. Ausbildung zur Logopädin/zum Logopäden mit der Möglichkeit
der Doppelqualifikation zum Bachelor.
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Wählen Sie aus über 90 Studiengängen:
www.studieren-mit-perspektive.de
Foto: Jepp/Hänsel
Anna Rebekka, Anthony und Irina studieren
Soziologie an der Uni Wuppertal.
27
bildet
auswahl
Verlagssonderveröffentlichung
IFS – Internationale Filmschule
Köln
Werderstr. 1, Köln I Tel. 0221 9 20
18 80
www.filmschule.de
Hochkarätige
Ausbildung
für
Drehbuchautoren,
Filmregisseure
und -produzenten. Der „Bachelor
of Arts“ wird im Studiengang Film
verliehen.
Do 3.5. | 20 Uhr
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Impulse e.V. – Schule für freie
Gesundheitsberufe
Rubensstr. 20a, Wuppertal
Tel. 0202 73 95 40
www.impulse-schule.de
Vielfältige
Studiengänge
für
Fitnesstrainer,
psychologische
Berater, Heilpraktiker.
Pia Fridhill, Foto: Monique Lorenz
ZIB – Zentrum für Integration und
Bildung
Goerdeler Str. 47, Solingen
Tel. 0212 2 22 94 18 10
www.zib-online.net
Partner für Beratung, Coaching,
Weiterbildung. Integrationskurse,
Förderunterricht, Teilzeitausbildung
für Mütter.
Klar bringt mich ein
Studium vorwärts!
Pia Fridhill hat in Deutschland eine
neue Heimat gefunden, ohne die
alte zu vergessen. So hat sich die
schwedische Jazz- und Bluessängerin das Liedergut ihrer schwedischen
Heimat vorgenommen und Stücke
ausgewählt, die ihr besonders am
Herzen liegen. Herausgekommen
, für engagierte Fachkräfte
mit Berufsausbildung
, Studienförderung auch
berufsbegleitend
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TEXT/ZUSAMMENSTELLUNG: JULES LUX
GRÜN MACHT
DEN UNTERSCHIED.
sind 13 Lieder aus drei Jahrhunderten, die in ihren Geschichten
immer wieder die schwedische Kultur spiegeln. Zusammen mit ihren
deutschen Mitmusikern breitet sie
alle Facetten des skandinavischen
Lebensgefühls aus.
Infos: 0202 24 32 20
Sa 5.5. | 20 Uhr
ROTATIONSTHEATER
Remscheid
SILBERZAHN UND BUBALO – DER
NÄCHSTE BITTE
Silberzahn & Bubalo
Simone Silberzahn und Melitta Bubalo entwickeln Programme ganz
eigener Art und präsentieren zwei
heiß-kalte Geschichten über Schmetterlinge im Bauch und frischen Wind
aus dem Cyberspace. Die Eine kann
sanft und anrührend sein, aber auch
schimpfen und vor Wut Sektgläser
in der Hand zerquetschen. Nun sitzt
sie im Park und wartet auf Max. Die
Andere trifft die anderen. Sie gönnt
BEWÄHRTE QUALITÄT SEIT 2001
IM HERZEN VON ELBERFELD
staatlich anerkannte
Schule für Logopädie
Yoga für alle Stufen:
Modellschule des Landes NRW
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Ausbildung zum Logopäden mit der
Möglichkeit der Doppelqualifikation
zum Bachelor
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Ausbildungsbeginn
jährlich April, Juli
und Oktober
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DURCH DIE GESETZLICHEN KRANKENKASSEN!
Anmeldung und Info´s unter
0211-73779680
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ǧAkademie für Gesundheit und Yoga
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Tel.: 0202 - 979 85 40 · Fax: 0202 - 979 85 41
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sich hin und wieder eine munteres
Spiel im Park. Nächtliche Raubzüge
und das Wissen um den kleinen hirnorganischen Unterschied zwischen
Mann und Frau lassen sie aus voller
Lust wirtschaften. Mit viel Witz und
Charme entfalten die beiden Damen
Geschichten voller Sehnsucht.
Infos: 02191 66 14 22
Do 10.5. I 19.30 Uhr
BAHNHOF VOHWINKEL –
BÜRGERBAHNHOF
Wuppertal
ZEITLUPE – DIE DOKUMENTARFILMREIHE IM BALI: KINDER DER STEINE,
KINDER DER MAUER
Atheistin entspannter? In einem gepfefferten Rundumschlag treffen die
beiden den Nerv der Zeit und liefern
alle Antworten auf die Fragen. Ein
perfekt eingespieltes Team, das die
Gesetze weiblicher Sittsamkeit konsequent ignoriert.
Infos: 02191 - 99 70 90
11. bis 16.5.
DIVERSE ORTE
Wiehl
23. INTERNATIONALE
JAZZTAGE
WIEHLER
Jazzkantine
Kinder der Steine, 1. Intifada Bethlehem 1989, Foto: Ralf Emmerich
1989 drehte Robert Krieg in Bethlehem seinen Dokumentarfilm „Intifada – Auf dem Weg nach Palästina“.
Ein während der Dreharbeiten entstandenes Schwarz-Weiß-Foto zeigt
sechs Jungen um die zehn Jahre alt.
20 Jahre später kehrt er zurück. Die
Gebiete, die damals befreit werden
sollten, sind jetzt von einer Mauer
umschlossen. Wer waren die Kinder auf dem Foto? Leben sie noch?
Mit dem Foto in der Hand kehrt das
Filmteam zurück, um die Jungs zu
suchen und kennenzulernen.
Infos: 0202 974 99 45
Erstklassigen Live-Jazz gibt es vom
11. bis zum 16. Mai in Wiehl zu bestaunen. Und das bereits zum 23. Mal.
Den Auftakt macht dabei das wohl
erstaunlichste Talent des GitarrenJazz der letzten Jahre, Andreas Varady. Ungeachtet seines jugendlichen
Alters verfügt er über eine schier unendliche Kreativität. Für Nostalgiker
präsentiert die Frank Sinatra-TributeBand unvergessliche Hits von „The
Voice“. Ein weiterer Höhepunkt hat
sich dann für den 12. Mai angekündigt. Die Braunschweiger „Jazzkantine“
wird zusammen mit Tom Gaebel das
Publikum begeistern. Der krönende
Abschluss findet dann mit der „Königin der Kirchenorgeln“ Barbara Dennerlein statt.
Infos: 02262 – 99285
Do 10.5. | 20 Uhr
KLOSTERKIRCHE LENNEP
Remscheid
BIGGI WANNINGER / ANNE RIXMANN
– 200% FRAUENQUOTE
Biggi Wanninger, Anne Rixmann,
Foto: Manfred Linke
Rheinische Frohnatur trifft kühle Norddeutsche. Das ungleiche
Damen-Duo präsentiert sein neues
Programm. Während Politik und
Wirtschaft weiterschlafen, fordern die beiden Frauen jetzt schon
200%-Quote für ihr Geschlecht.
Trug Angela Merkel schon bei ihrer Geburt einen Hosenanzug? Was
steht in den geheimen Tagebüchern
von Alice Schwarzer? Lebt es sich als
So 20.5. I 20 Uhr
WUPPERTALER BÜHNEN
Wuppertal
FERIDUN ZAIMOGLU
Feridun Zaimoglu, Foto: dpa
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Feridun Zaimoglu liebt es, mit
Schubladen zu spielen. Die falsche
Schreibweise seines Namens zeigt,
wie er mit Hingabe die personale
Unschärfe zwischen Herkunft und
aktueller Lebensdefinition aufrechterhält. 1964 in der Türkei geboren, lebt er seit 1965 in Deutschland,
wo er als Schriftsteller arbeitet. Mit
seinem Debütroman „Kanak Sprak“
feierte er 1995 große Erfolge und
konnte sich seitdem einen Namen
machen. Im Anschluss an seine mitverfasste Kammeroper „Aufstand“
im Kleinen Schauspielhaus folgt eine
Lesung mit ihm.
Infos: 0202 569 4444
Mo 28.5. I 20 Uhr
BAHNHOF VOHWINKEL
Wuppertal
MAX RAFFERTY
Max Rafferty
Er war Gründungsmitglied, Bassist
und Mit-Songschreiber der britischen
Erfolgsband „The Kooks“. Nach sei-
nem Ausstieg 2008 bummelte er
durch die Weltgeschichte, bevor
er sich wieder der Musik widmete.
Noch in diesem Jahr wird er sein Solodebüt veröffentlichen. Mit seinem
melodischen und ausdrucksstarken
Gitarrenpop ist er jetzt auf den
kleineren Bühnen des Landes unterwegs. In Wohnzimmer-Atmosphäre
präsentiert er seine Solo-AkustikShow.
Infos: 0202 974 99 45
bis 3.6., Di-So 10-17 Uhr
KUNSTMUSEUM
Solingen
OTTO PANKOK: AUF DIE WAHRHEIT
LOSGEHEN
Otto Pankok (1893-1966) gehört
mit seinen Zeichnungen und Druck
graphiken zu den wichtigen expressionistischen Künstlern der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts. Pankok,
ist ein politischer, sozial engagierter
Künstler. Ab 1935 hat er sich in die
Innere Emigration ins Münsterland
zurückgezogen; vor allem in einer
religiösen Motivik klagt er die Völkermorde der NS-Diktatur an den
Juden und den Sinti an – diese Arbeiten bilden nun den Schwerpunkt
der Ausstellung in Solingen.
Infos: 0212 25 81 40
auswahl
bis 17. Juni, Di-So 11-18 Uhr
VON DER HEYDT-MUSEUM
Wuppertal
KARL RÖHRIG
Karl Röhrig, Sonntagsspaziergang,
1932 Holz und Aluminium
Der Münchner Karl Röhrig (18861972) ist mit seiner Kunst ein Einzelgänger. Andererseits erinnern
seine Skulpturen augenblicklich
an die Bilder von Grosz und Dix
und teilweise an das Werk Käthe
Kollwitz. In seinen realistischen Figuren und Figurengruppen in Holz
und Bronze stellt er gesellschaftliche Szenen zwischen Alltag und
Besonderheit dar. Vor allem schildert er soziale Ungerechtigkeiten
und zeigt dabei sein großes Vermögen zur knappen, lakonischen
Verdichtung. Eine posthume Entdeckung!
Infos: 0202 563 62 31
28.6.-13.10
DIV. ORTE
Dortmund
RuhrHOCHdeutsch
zungen
Sprachform, die zum Träger eines
gemeinsamen Identitätsbewusstseins wurde. Weil man diesen
Dialekt schreiben kann, heißt er
eigentlich Ruhrhochdeutsch. Und
diese Sprache kann man vom
28.6.-13.10. im Spiegelzelt vor
dem Dortmunder U erleben. Jeden
Montag sind hier die heimlichen
und unheimlichen Stars der deutschen Kleinkunstbühnen zu sehen.
Immer dienstags „lacht der Bauch
mit“ und donnerstags gibt die Bruno „Günna“ Knust und Hartz-Vegas-Segers-Band ihr Stelldichein.
Echtes Ruhrhochdeutsch spricht
Lokalmatador Frank Goosen, wenn
er aus seinem Roman „Heimat,
Fußball, Rockmusik“ liest. Carsten
Höfer glaubt, ein „Frauenversteher“
zu sein, wie er mit seinem gleichnamigen Programm weiß machen
will. Uta Rotermund fordert dagegen auf zur „Damenwahl“. Das erklärte Ziel: Ruhrhochdeutsch muss
Weltsprache werden!
Tickets unter:
www.ruhrhochdeutsch.de
ZUSAMMENGESTELLT VON
ANKE-ELISABETH SCHOEN,
THOMAS HIRSCH UND SERGEJ MAIER
IMPRESSUM
Frank Goosen,
Foto: philippwente.com
Von der einstigen Industrieromantik des Ruhrgebiets ist heute
nur noch wenig zu spüren, denn
der Strukturwandel macht auch
vor dem kernigen Kohlenpott
nicht Halt. Was eint, ist eine gemeinsame Sprache. In den letzten Jahrzehnten bildete sich aus
der Enklavensprache Ruhrdeutsch
eine in der Region eigenständige
Herausgeber:
engels Verlag
Joachim Berndt, Büro Köln
Maastrichter Str. 6-8, 50672 Köln
E-Mail: [email protected]
Tel. 0221 272 52 60, Fax: -88
Redaktion:
Maren Lupberger, Linda Hoemberg (v.i.S.d.P.)
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Lars Albat, Silvia Bahl, Frank Brenner, Lutz
Debus, Hartmut Ernst, Valeska von Dolega,
Rolf-Ruediger Hamacher, Michael Hermann, Thomas Hirsch, Klaus Keil, Kim Ludolf Koch, Jules Lux, Sergej Maier, Christian
Meyer, Peter Ortmann, Frank-Michael Rall,
Carla Schmidt, Øle Schmidt, Anke-Elisabeth
Schoen, Olaf Weiden, Christian Werthschulte, Andreas Zolper
Grafik: Michael Hennemann, Mira Moroz
Anzeigenverwaltung:
Berndt Media
Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
www.berndt-media.de
Tel. 0234-941910, Fax -9419191
Buchhaltung:
Karin Okniewski
Ab 10.5., 18 Uhr
72 Stunden lang
Nonstop und live.
Online informieren:
WWW.GRUENE-NRW.DE
Druck:
Henke Druck
Verbr. Auflage:
IVW I/2012 14887 Ex.
Alle nicht gesondert gekennzeichneten
Bilder sind Pressefotos.
mit
-zungen
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
Lieber Engels,
Borsdorf-Leipzig, den 2. Mai 1883
Dein Brief traf gerade in dem Moment ein, wo ich an Dich zu schreiben beabsichtigte. Du siehst, er ist ohne „einschreiben“ ans Ziel gekommen, was mich
einigermassen wundert. Die Antwort will ich aber nicht in gleicher Weise laufen lassen, weil ihr Inhalt dritten nicht gleichgültig ist.
Meine Frage, ob Du nicht England verlassen wolltest, war eigentlich mehr
dem Gefühl entsprungen, dass Du Dich nach dem Tode Marx‘ sehr vereinsamt
fühlen möchtest. Die Gründe, die Du für Dein Bleiben anführst, billige ich vollkommen, und ich wünschte, ich wäre in ähnlicher Lage.
[…]
Die Nachricht, dass der II. Band des „Kapital“ fertig ist, ist mir sehr erfreulich
zu hören; Liebknecht hat mir keinen kleinen Schrecken eingejagt mit dem Verdacht, dass er möglicherweise durch M. selbst vernichtet sei. Wie ist denn diese Geheimhaltung bei Deinem intimen Umgang mit M. nur möglich gewesen?
Deine Schilderung eines englischen Friedhofes erinnert mich an das Bild, das
mir kürzlich der Hamburger bot, als ich Yorks und Geibs Grab besuchte; er
sieht einem englischen aufs Haar ähnlich. Ein frostiges Bild.
Wenn die Familie jedes Denkmal ablehnt und auch der Liebknechtsche Vorschlag unmöglich ist – was ich mir auch gesagt habe –, dann ist überhaupt
nichts zu machen. Sorgen wir um so eifriger dafür, dass die Marxschen Ideen
und Lehren immer weiteren Eingang und Verwirklichung finden. Leider hast
Du recht, dass es mit den theoretischen Nachfolgern von Euch schlimm aussieht. Was an Kräften vorhanden ist, ist abgenutzt und verbraucht, und neue
Kräfte können augenblicklich unter dem Druck der Verhältnisse nicht emporkommen. Aber sie kommen, sobald Luft wird, darauf kannst Du Dich verlassen.
Das predige ich allen denen, die, auf die jetzigen schwachen geistigen Kräfte
der Partei hinweisend, an eine siegreiche Zukunft nicht glauben wollen und
pessimistisch auf das Bismarcksche Ausnahmegesetz hinweisen, das uns „vernichte“, wenigstens nicht aufkommen lasse.
[…]
Vom 4. bis 10. bin ich auf der Tour, hernach wieder vom 21. d. Mts. bis
Mitte Juli. Dies zur Notiz.
Dein A. Bebel
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
August Bebel (Holzstich von J. Veth,
1896)
August Bebel (1840-1913) war Mitbegründer und herausragender Vertreter der deutschen Sozialdemokratie. Er stand in engem
persönlichen Kontakt zu Marx und Engels
in London.
Nach Marx‘ Tod im März 1883 hatte Engels
eine Rückkehr von England nach Deutschland ausgeschlossen, obwohl Bebel und
andere ihn dazu angeregt hatten. Engels‘
Begründung: In England lebe er sicher und
könne sich seinen Studien widmen.
30
Quellenangabe: August Bebels Briefwechsel mit Friedrich Engels, hg. von
Werner Blumenberg, London, The
Hague, Paris 1965, S. 154-157; Abb.:
Helmut Hirsch: August Bebel, Reinbek
1988, S. 85
05.2012
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