Neugestaltung der Dauerausstellung Konzentrationslager

Transcrição

Neugestaltung der Dauerausstellung Konzentrationslager
Neugestaltung der Dauerausstellung
Konzentrationslager Buchenwald
1937–1945
Befreite Häftlinge bei der ersten Gedenkfeier für die Toten des KZ Buchenwald. Im Hintergrund ist das provisorische Mahnmal für die Toten zu erkennen, 19. April 1945.
Donald R. Ornitz, U. S. Signal Corps. National Archives Washington
Neugestaltung der Dauerausstellung
Konzentrationslager Buchenwald
1937–1945
4
Bertrand Herz
Essenzielle pädagogische Ziele
6
Floréal Barrier
Die dunklen Tage der Vergangenheit zurückweisen!
Die Zukunftslichter der Menschheit zum Leuchten bringen!
8
Monika Grütters
Ein Lackmustest unserer Demokratie
10
Benjamin-Immanuel Hoff
Bildung eines reflexiven Geschichtsbewußtseins
12
Norbert Frei
Dramatische Veränderung visueller
Darstellungs- und Wahrnehmungsformen
14
Das historische Kammergebäude des Konzentrationslagers
16
Die Ausstellung 1995–2015
18
Besucherrundgang
20
Volkhard Knigge
Zur Konzeption der Ausstellung
22
Beispiele neuer Befunde und Erkenntnisse seit 1995
33
Floréal Barrier
Eine Ausstellung für die Zukunft des Lebens
35
Impressum
Essenzielle
pädagogische Ziele
Bertrand Herz
Jüdischer Häftling im
KZ Buchenwald, Präsident des
Internationalen Komitees
Buchenwald-Dora & Kommandos
Die neue Dauerausstellung, wie sie der
Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Professor
Volkhard Knigge, den Mitgliedern des
Häftlingsbeirats vorgestellt hat, verfolgt
essenzielle pädagogische Ziele.
Die Konzentrationslager sind nicht aus dem
„Nichts“ entstanden, sondern waren eine der
mörderischsten Folgen rassistischer Gesetzgebung: Diese Gesetzgebung war aber nicht
nur die Konsequenz eines politischen Bruchs,
sondern sie folgte dem Ziel der Erschaffung
einer neuen Gesellschaft, ja sogar einer
neuen Menschenordnung. Diese neue Ordnung behauptete die Vormachtstellung einer
angeblichen Herrenrasse sowie die Existenz
sogenannter minderwertiger Sklavenvölker.
Diese Weltanschauung in der Tradition der
Rassentheorien von Gobineau, Rosenberg
u. a. beeinflusste die erste Phase der Errichtung der Lager ab 1933.
4 / 5
Das Vorhaben, eine Gesellschaft von
„Herrenmenschen“ zu erschaffen und
sogenannte minderwertige Rassen zu unterwerfen, fand im Krieg seine Vollendung.
In der zweiten Phase, nach der Besetzung
der europäischen Länder, wurden die Bevölkerungen der okkupierten Länder Europas,
an erster Stelle die Häftlinge in den Lagern,
zu Sklaven für den totalen Krieg des „Großdeutschen Reiches“.
Die deutsche Gesellschaft hat
die Existenz der Lager in ihrer
Mitte akzeptiert, ohne daran
Anstoß zu nehmen. Ohne Vorbehalt hat sie sich der absoluten
Zäsur, die der von den Nazis aufgezwungene Gesellschaftswandel
bedeutete, gefügt und gleichzeitig das Erbe der Klassik und der
Weimarer Demokratie in einer
neuen Gesellschaft aufgehoben,
die auf Rassenideologie, Ausländerfeindlichkeit und Führerkult
basierte.
Die Erinnerung an dieses Verhalten der
Bürger einer der kulturell am höchsten
stehenden Nationen Europas mahnt uns zu
äußerster Wachsamkeit. Denn die Keime zur
Wiederbelebung rassistischen Gedankengutes existieren nach wie vor: die Löschung
des Gedächtnisses der Vergangenheit, Indifferenz gegenüber Anderen und ein übertriebener Individualismus sowie wirtschaftliche und soziale Probleme.
Mit Gewehren bewaffnete Häftlinge nehmen wenige Stunden nach der Befreiung des Lagers SS-Männer
gefangen. Paul Bodot, 3. US-Armee, 11. April 1945. Association Française Buchenwald-Dora et Kommandos
Und schließlich sollen diejenigen gewürdigt
werden, die – der Gleichgültigkeit und
dem Konformismus trotzend – „Nein“ zum
Nationalsozialismus gesagt haben: die Widerstandskämpfer in und aus den besetzten
Ländern und mehr noch die Minderheit der
antifaschistischen Deutschen, die sich gegen
Hitler gewendet haben. Ihnen ist es zu einem
großen Teil zu verdanken, dass durch täglichen Widerstand gegen die SS, dann auch
durch eine bewaffnete Erhebung, versucht
wurde, das Leben ihrer Kameraden zu schützen. Sie widersetzten sich der Unterwerfung
unter den Nazismus, sie widersetzten sich
der Unterwerfung unter das Ziel, den Einzelnen zu entmenschlichen. Sich Diktatur und
Ungerechtigkeit zu widersetzen, sollte man
immer versuchen.
Ein vom Internationalen Lagerkomitee verfasstes Informationsblatt für die Besucher aus der Stadt Weimar,
die ab dem 16. April 1945 das befreite Lager besichtigen mussten. Sammlung Gedenkstätte Buchenwald
Die dunklen Tage der Vergangenheit
zurückweisen!
Die Zukunftslichter der Menschheit
zum Leuchten bringen!
Floréal Barrier
Politischer Häftling im
KZ Buchenwald, Vorsitzender
des Häftlingsbeirats
Konzentrationslager Buchenwald
der Stiftung Gedenkstätten
Buchenwald und Mittelbau-Dora
Seit der Befreiung hat das Konzentrationslager von Buchenwald seine Geschichte bewahrt. Das Lager ist am 15. Juli 1937 eröffnet
worden, um zunächst deutsche Nazigegner
gefangen zu halten. Schon 1933 hatten die
Nazis andere Lager errichtet. Dachau war das
erste davon. Hunderttausende Menschen
aus allen Gegenden Europas sind hinter den
Stacheldrahtzäunen dieser Hölle auf Erden
auf dem Ettersberg verschwunden. Sie galten
als Sklaven und waren dazu verdammt, durch
Hunger, Kälte, Krankheiten und alle Arten
von Torturen ausgelöscht zu werden.
Buchenwald, ein Männerlager, beging seine
Kriegsverbrechen in Gestalt von Außenkommandos und hitlerischen Zwangsarbeitsfabriken auch an deportierten Frauen aller
Nationalitäten, die aus Lagern wie Ravensbrück und Auschwitz in die Außenlager
kamen.
Aber der Mensch bleibt MENSCHLICH. In seiner Mehrheit hat
er den Nazismus abgelehnt, sich seiner Entmenschlichung in
den während des Zweiten Weltkrieges besetzten Ländern
widersetzt. Mit seinen geringen Mitteln weigerte er sich,
Sklave der Kriegsmaschinerie zu werden, setzte er seinen
ebenso geheimen wie gefährlichen Widerstand fort.
Bei der Zwangsarbeit ging es um die Sabotage der Produktion. Im Block ging es um
fortwährende Solidarität, um das Teilen der
knappen Nahrung mit einem Geschwächten.
Es ging um medizinische Hilfe. Hier vollbrachten inhaftierte Ärzte Wunder.
6 / 7
Menschlich bleibend, bemühte er sich zu leben – durch den Geist, seine Haltung, durch
ein Gedicht, das an gestern erinnerte, an
die Seinen, durch Musik. Unsere Lehrer, ihre
Gespräche, ihre Vorträge. Das alles war verboten von den SS-Wächtern. Aber der kleine
Fetzen Papier, der organisierte Bleistift
erlaubten dem Freund, der ein Zeichner war,
demjenigen etwas Leben zurückzugeben, der
bereits verlöschte. Viele sind gefallen. Die
anderen rächten sie in diesem so geheimen,
lange vorbereiteten Widerstandskampf,
machten die Tore auf am 11. April 1945. Sie
empfingen – frei – die alliierten Truppen,
die sich von da an um unsere Sicherheit
kümmerten.
Am 19. April 1945 errichteten die Überlebenden auf dem Appellplatz ein Kenotaph
für die Zehntausenden unserer Kameraden,
die nicht überlebt hatten. Die Lagerkapelle
spielte die Nationalhymnen, eine nach der
anderen, die Überlebenden reihten sich ein,
um ihre Kameraden zu ehren, und trugen
diesen „Schwur“ vor, den sie nicht vergessen
können, dem sie treu bleiben:
„Heute sind wir frei!
[…] Unsere Sache ist gerecht –
Der Sieg muss unser sein!“
Bald wird ein neues Gedenkkonzept die
Buchenwalder ehren. Es wird an die Worte
des „Schwures“ erinnern und die neuen
Generationen ermahnen, jegliches Abbild
der damals erlebten Gefahr abzulehnen.
Es wird sie dazu einladen, einer glücklichen
Menschheit entgegenzugehen, in Freiheit,
in Frieden, in der Pflicht zu LEBEN!
Ein Lackmustest
unserer
Demokratie
Prof. Monika Grütters
Staatsministerin für Kultur und
Medien bei der Bundeskanzlerin
der Bundesrepublik Deutschland
„Geschichte ist das Medium, in dem die
vergangenen Generationen ihre Hoffnung
auf Befreiung an die Nachgeborenen
weitergeben“, so schreibt Walter Benjamin.
Es sind diese Hoffnung der Überlebenden
und ihr ungebrochenes Vertrauen in die
Menschlichkeit, die in unserem Land so oft
am Anfang des Gedenkens an die Opfer und
des Erinnerns an die Verbrechen unter der
Herrschaft der Nationalsozialisten stehen.
Noch befinden wir uns in der
glücklichen Lage, die Stimmen
der Zeitzeugen hören zu können;
sie sind unsere Brücke in die Vergangenheit. Bald jedoch werden
die authentischen Orte der Verfolgung und Vernichtung allein
die „steinernen Zeugen“ sein.
Deshalb ist es für die Bundesregierung von
zentraler Bedeutung, diese Orte zu erhalten
und die wichtige Arbeit der acht großen
KZ-Gedenkstätten in Deutschland dauerhaft
zu fördern. Die neue Dauerausstellung der
Gedenkstätte Buchenwald, die der Bund
maßgeblich unterstützt, wird das Zeugnis
der Überlebenden von Buchenwald mit den
neuesten Erkenntnissen in Forschung und
Didaktik verbinden.
8 / 9
Erinnerungskultur ist keine Konstante, sie ist
ein komplexes und dynamisches Phänomen,
das von der Bereitschaft der Gesellschaft
lebt, sich der eigenen Vergangenheit zu
stellen. Dieser Erkenntnis folgt die Neukonzeption der Dauerausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald ein Vierteljahrhundert
nach der deutschen Einheit. Die Auseinandersetzung mit den Menschheitsverbrechen
des Nationalsozialismus steht gerade an
diesem Ort, in unmittelbarer Nähe zum Hort
der deutschen Klassik, zu Weimar, im Spannungsfeld der deutschen Geschichte. Ihre
Vermittlung und Rezeption sind ein untrüglicher Lackmustest unserer Demokratie.
Für den Mut und die Kraft, sich durch die
Mitarbeit an der derzeit entstehenden
Dauerausstellung noch einmal der Hölle
zu stellen, die sie persönlich durchlebt
haben, gebühren den Überlebenden des
KZ Buchenwald unser aller Dank und unser
tiefer Respekt. Erst ihre Mitwirkung gibt
derartigen Projekten die Wahrhaftigkeit und
die emotionale Tiefe, die uns, die Nachgeborenen, auch in Zukunft auf die Hoffnung auf
Befreiung verpflichtet.
Bildung eines reflexiven
Geschichtsbewußtseins
Prof. Dr.
Benjamin-Immanuel Hoff
Chef der Staatskanzlei und
Minister für Kultur, Bundesund Europaangelegenheiten
Vorsitzender des Stiftungsrates
Den Zeitläuften Rechnung tragen müssend,
steht die Arbeit der Gedenkstätten vor einer
tiefgreifenden Herausforderung. Die Epoche,
in der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
authentisch aus ihren Erfahrungen berichtend, Wissen über den Nationalsozialismus
vermittelten, nähert sich Schritt für Schritt
dem Ende.
Neben die Bewahrung der Erinnerung
früherer Häftlinge, die aus politischen,
religiösen oder rassistischen Gründen
den Terror nationalsozialistischer Lager
erdulden mussten, tritt die Aufgabe, aus der
Gegenwart heraus verständlich zu machen,
wie eine Gesellschaft verfasst war, die Franz
Neumann in seinem Werk „Behemoth“ als
Willkür eines „Unstaats“, der zusammengehalten wurde von „Praktikern der Gewalt“,
bezeichnet hat.
Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald
und Mittelbau-Dora hat diese zusätzliche
Aufgabenstellung – neben einem in den
letzten Jahren maßgeblich erweiterten
Forschungsstand – dazu bewogen, eine
neue Dauerausstellung zur Geschichte des
Konzentrationslagers zu erarbeiten.
Die deutsche Vergangenheit
führt uns bis heute vor Augen,
in welch menschenfeindliche
Logik eine Gesellschaft verfallen
kann. Dafür steht symbolisch die
Inschrift des Lagertores, in der
der römische Gleichheitsgrundsatz „Jedem das Seine“ – in sein
zynisches Gegenteil verkehrend –
menschenverachtend interpretiert wurde.
Die neue Ausstellung wird sich nicht nur mit
dem Konzentrationslager selbst befassen,
sondern ihren Blick auch darauf richten, wie
das Regime der Konzentrationslager und
die Ausbeutung durch Zwangsarbeit z. B.
der SS, NS-Kommunalpolitikern, Ärzten,
Wirtschaftsunternehmen und anderen zum
Vorteil gereichte, wie Menschen ihrer Würde
und Humanität beraubt, ausgebeutet und
erniedrigt wurden.
Die neue Dauerausstellung will damit zur
Bildung eines reflexiven Geschichtsbewusstseins anregen und dafür Sorge tragen, den
Schutz und die Bewahrung unserer demokratischen Grundordnung als stete Aufgabe
aller zu verstehen.
10 / 11
Während der Todesmärsche im April 1945 gingen sie verloren, im Sommer 2012 tauchten sie völlig überraschend wieder auf. 200 Häftlingsporträts und Aufzeichnungen aus dem
Außenlager Holzen des KZ Buchenwald. In vielen Fällen handelt es sich um das letzte Lebenszeichen der Porträtierten. Mehr als die Hälfte der von Camille Delétang im Lager
gezeichneten Häftlinge hat die Deportation nicht überlebt. Sammlung KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora
Dramatische Veränderung
visueller Darstellungsund Wahrnehmungsformen
Prof. Dr. Norbert Frei
Vorsitzender des
Wissenschaftlichen Kuratoriums
der Stiftung Gedenkstätten
Buchenwald und Mittelbau-Dora
Als wir in einer Sitzung des Wissenschaftlichen Kuratoriums vor ein paar Jahren das
erste Mal darüber sprachen, dass die Dauerausstellung im ehemaligen Kammergebäude
überarbeitet werden müsse, kam das für
viele von uns, weil mit musealen „Standzeiten“ nicht vertraut, ein wenig überraschend. Schnell war man sich einig, die
notwendigen Renovierungsarbeiten zum
Anlass zu nehmen, einige inzwischen neu
entdeckte Dokumente einzubauen und
den einen oder anderen Erläuterungstext
im Lichte aktueller Forschungsergebnisse
vielleicht ein wenig anders zu akzentuieren.
Ansonsten aber: Warum sollte man eine
Ausstellung erneuern, die doch erst 1995
eröffnet worden war? Ein gemeinsamer
Rundgang des Kuratoriums durch die –
eigentlich ja allen gut bekannten – Ausstellungsräume brachte dann aber rasch
eine klare Erkenntnis: Die Präsentation der
Exponate, die ganz bewusst nicht auf
Überwältigung, sondern auf Erkennen
und Verstehen setzt, erscheint einerseits
noch immer gültig und angemessen – und
andererseits auf eigentümliche Weise nicht
mehr recht zeitgemäß. Nicht nur haben sich
die visuellen Darstellungs- und Wahrnehmungsformen in den vergangenen beiden
Jahrzehnten dramatisch verändert.
Die zurückhaltende Intellektualität, die bei der Konzipierung der
Ausstellung Anfang der 1990er Jahre richtig und wichtig war, lässt
die heutigen und künftigen jungen Besucher – Menschen, die um das
Jahr 2000 geboren sind und deren Vorwissen oft sehr karg ist – wohl
doch zu sehr auf sich gestellt. Eine stärkere Kontextualisierung der
Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald ist also nötig.
12 / 13
Hinzu kommt, dass die zeitgeschichtliche
Forschung, namentlich die Erforschung des
Lagersystems, weiter kräftig vorangeschritten ist. Vor allem aber gilt es, den
unausweichlichen Abschied von den letzten
Zeitzeugen und Zeitgenossen der NS-Zeit
zu berücksichtigen, der neue Perspektiven
eröffnet, aber gleichsam auch erzwingt.
Deshalb war und ist das Wissenschaftliche
Kuratorium der Stiftung froh und dankbar,
dass es in intensiven, vertrauensvollen
Gesprächen gerade mit den alt gewordenen
Überlebenden und ihren noch immer in
bewundernswerter Weise engagierten
Repräsentanten gelungen ist, eine gemeinsame Grundidee für das jetzt Nötige und
Mögliche zu entwickeln. Namens des
gesamten Kuratoriums möchte ich dafür
vor allem zwei Unermüdlichen danken,
nämlich M. Floréal Barrier, dem Vorsitzenden
des Häftlingsbeirats KZ Buchenwald, und
M. Bertrand Herz, dem Präsidenten des
Comité International Buchenwald-Dora et
Kommandos.
14 / 15
Das historische Kammergebäude
des Konzentrationslagers
Das größte Gebäude des Lagers war seit 1939 Häftlingskleidungskammer und ein Magazin für den Besitz der Häftlinge, den ihnen die
SS abgenommen hatte. Neu ankommende Häftlinge mussten hier
alles zurücklassen, was sie bei sich trugen. Sie erhielten Häftlingskleidung. An die Stelle ihres Namens trat eine Häftlingsnummer.
Verschiedenfarbige Stoffwinkel markierten die Häftlingskategorie,
in die sie von der SS eingeordnet wurden.
Die aus einem Album des zweiten Lagerkommandanten Hermann
Pister stammenden Aufnahmen bezeugen indirekt zwar die hohe
Zahl der Häftlinge, sie täuschen jedoch einen Zustand vor, dem das
Lager nie entsprach.
Nach 1950 nutzte eine Produktionsgenossenschaft das Gebäude als
Getreidelager. Erst 1985 ließ das Kulturministerium der DDR hier ein
„Museum des antifaschistischen Widerstandskampfes“ einrichten.
Die Ausstellung
1995–2015
Am 50. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers im April 1995 weihten Gedenkstätte
und Häftlingsbeirat am ehemaligen Standort des ersten Denkmals von 1945 ein neues Denkmal für alle Häftlinge des KZ Buchenwald ein.
Gleichzeitig eröffnete die Gedenkstätte eine neue Dauerausstellung mit dem Ziel, alle Formen von Verfolgung und die Geschichten aller Opfergruppen darzustellen. Auf zwei Etagen
wurde erstmals ein breites Spektrum überlieferter originaler Zeugnisse präsentiert: Von
Dokumenten, über Zeitzeugenberichte, historische Fotos bis hin zu Sachzeugnissen. Dafür
wurden auch zahlreiche Archive und Sammlungen erschlossen, die die DDR ignoriert hatte.
16 / 17
Besucherrundgang
Die neue Ausstellung wird sich über alle drei
Etagen des Kammergebäudes erstrecken.
Das Erdgeschoss wird als Ankunfts- und
Orientierungsbereich für die Besucher
gestaltet. Über die Geschichte der Verfolgten
hinaus steht die Einbindung des Lagers in
die deutsche Gesellschaft im Mittelpunkt
der Ausstellung.
18 / 19
Abbildung: Holzer Kobler Architekturen
2. Obergeschoss
Das Lager im totalen Krieg
Das Lager in der Kriegsendphase
Gedächtnisse und Orientierungen:
Buchenwald nach 1945
1. Obergeschoss
Lagergründung
und Kriegsvorbereitung
Das Lager in den
ersten Kriegsjahren
Erdgeschoss
Prolog
„Jedem das Seine“
Abbildungen: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald
Zur Konzeption der
Ausstellung
Prof. Dr. Volkhard Knigge
Direktor der Stiftung
Gedenkstätten Buchenwald
und Mittelbau-Dora
Die derzeitige Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald ist zum 50. Jahrestag der Befreiung des Lagers im
April 1995 eröffnet worden. 1995 handelte es sich um die größte und
vielschichtigste Ausstellung zur Geschichte eines Konzentrationslagers in der Bundesrepublik. Jorge Semprún hat damals gesagt, sie
sei „beispielgebend für Europa.“
Möglich geworden war die Ausstellung durch den Untergang der
DDR und ihrer, das Geschichtsbild normierenden Politik fünf Jahre
zuvor. Die Möglichkeit, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine umfassende Ausstellung zur Geschichte eines KZ machen
zu können, entstand aber auch in Folge des mit der Vereinigung
verbundenen Zwangs, die Nationalen Mahn- und Gedenkstätten der
DDR neu zu konzipieren. Ein weiteres Moment ihrer Verwirklichung
war die keineswegs geradlinig, sondern eher in heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik gewachsene
Bereitschaft, sich historisch konkret und selbstkritisch mit der
Geschichte des nationalsozialistischen Deutschland auseinanderzusetzen.
Die Ausstellung setzte nicht auf Pathos oder vordergründiges Mitleid. Gestaltet als offenes Archiv vertraute sie auf die Beweis- und
Aussagekraft von Dokumenten und Realien, die in unmittelbarer
Verbindung zur Geschichte der Verfolgten und Ausgegrenzten bzw.
zur Geschichte des Lagers, seiner Funktionen und seiner Entwicklung
von 1937 bis 1945 standen. Unumstößliche Sachbeweise gegen
Verharmlosung und Verleugnung, umfassende Dokumentation und
Anerkennung aller Opfer und Opfergruppen, ungeschönte Auseinandersetzung mit den politisch-weltanschaulichen Gründen der
Ausgrenzung und Ermordung sogenannter Gemeinschaftsfremder
aus der „deutschen Volksgemeinschaft“, uneingeschränkte Konfrontation mit der Verschränkung von Lager und Krieg, von Lager und
politischer, sozialer und rassistischer Verfolgung bis hin zum Massenmord, Erinnerung an Widerstand in Europa und Deutschland bis in
das Lager hinein – so ließen sich die wichtigsten Ziele der Ausstellung
umreißen. Dass die Verbrechen nicht irgendwo abseits, sondern „…
mitten im deutschen Volke“ (Jean Améry) stattgefunden hatten, sollte gerade auch an der Geschichte der reibungslosen Nachbarschaft
von Weimar und Buchenwald deutlich werden.
20 / 21
Wenn die Ausstellung nun nach einer Standzeit von 19 Jahren mit
Unterstützung von Bund und Freistaat erneuert wird, heißt das nicht,
dass die oben umrissenen Prinzipien und Ziele über Bord geworfen
werden. Vielmehr geht es darum, sie weiterzuentwickeln; und zwar
sowohl im Licht von mit der bisherigen Ausstellung gewonnenen Erfahrungen, als auch im Licht weiterentwickelter didaktischer Ansätze
in Bezug auf das Lernen aus menschenfeindlicher Geschichte, neuer
medialer Möglichkeiten und der enormen Forschungsfortschritte seit
1995. Zudem stehen uns heute weitaus mehr einschlägige Quellen
zur Verfügung als 1995. Beispielsweise war das Archiv des Internationalen Suchdienstes (ITS) in Bad Arolsen, in dem sich etwa 90% der
Akten der Administration des KZ Buchenwald befinden, seinerzeit
für die Forschung gesperrt. Enorm angewachsen ist auch, infolge der
mit der Neukonzeption der Gedenkstätte Buchenwald verbundenen
großen Vertrauensgewinne bei Überlebenden und Angehörigen,
der Bestand an übergebenen Nachlässen wie auch an einzelnen
Objekten und Dokumenten zur Lagergeschichte aus persönlichem
Besitz. Gleiches gilt für den Bestand an lege artis geführten lebensgeschichtlichen Interviews, an Fotos, Filmmaterial, Realien und
künstlerischen Arbeiten aus Häftlingshand, viele davon versteckt
angefertigt noch vor der Befreiung.
Allerdings soll die erneuerte Ausstellung deshalb nicht automatisch
umfangreicher als die bisherige werden. Statt um quantitative
Ausweitung geht es um Prägnanz und für Besucher nachvollziehbare
Relevanz. An konkreter historischer Erfahrung noch plastischer
begreifbar zu machen, was man besser nicht tut – im Feld des
Politischen, Sozialen, Kulturellen oder des Rechts –, damit Staat und
Gesellschaft nicht inhuman umkippen, ist ein elementares Ziel der
Ausstellung. Zudem ist den Ausstellungsmachern bewusst, dass sie
sich an Besucher jenseits der Zeitgenossenschaft wendet und dass
Nationalsozialismus und Holocaust kaum mehr verdrängt, dafür
aber durch Banalisierungen, Klischees und unzutreffende Analogien
verstellt werden.
In ausdrücklicher Absetzung von einem Trend der Erinnerungskultur –
nämlich sich in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus
auf das entkontextualisierte Grauen der Lager zu beschränken – soll
die Ausstellung nicht nur eine über das KZ Buchenwald sein, sondern
zugleich auch eine über die deutsche Gesellschaft im Nationalsozi-
alismus; eine Gesellschaft, die die Lager überwiegend akzeptierte,
für gerechtfertigt und notwendig hielt und die schließlich, mit dem
„totalen Krieg“, von Lagern beinahe flächendeckend durchsetzt war.
Der Gefahr des oben angesprochenen erkenntnisarmen Positivismus
des Grauens wird die Ausstellung über prägnante Kontextualisierungen hinaus auch mit der Gegenüberstellung der Perspektiven von
„deutschen Volksgenossen“ und Häftlingen begegnen.
Anhand von exemplarischen Biografien, Zeugnissen und Fallgeschichten wird nicht nur die Wirklichkeit des Lagers beleuchtet, sondern erschlossen werden auch die politischen und gesellschaftlichen Gründe
für dessen Entstehung und Akzeptanz. Besonderes Augenmerk
liegt in diesem Zusammenhang auf den Handlungsspielräumen und
Entscheidungsmöglichkeiten der Akteure wie auf den Rahmenbedingungen und konkreten Formen von Selbstbehauptung, Solidarität
und Widerstand im Lager, aber auch zuvor in Deutschland und den
von NS-Deutschland besetzten Ländern.
Thematisch wird die Ausstellung einen Bogen von der Lagergründung
1937 im Kontext der Kriegsvorbereitung bis hin zur Nachgeschichte
Buchenwalds und den Wirkungen Buchenwalds nach 1945 spannen.
Die Vergegenwärtigung der Verarbeitung der Buchenwald-Erfahrung
durch Überlebende, die Vergegenwärtigung der Konsequenzen, die
sie daraus politisch, moralisch oder sozio-kulturell für Gegenwart und
Zukunft gezogen haben, bildet ein elementares Kapitel am Schluss
der Ausstellung. Buchenwald war trotz aller Leiden und nationalsozialistisch praktizierter Gegenmenschlichkeit auch ein Ort elementarer
Impulse für eine gerechtere und mitmenschlichere Welt.
Vermutlich handelt es sich bei diesem Ausstellungsvorhaben um das
letzte große in der Bundesrepublik zum Nationalsozialismus, das gemeinsam von Überlebenden, Historikern und Geschichtsdidaktikern
auf den Weg gebracht worden ist und verwirklicht wird. Dies festzustellen bedeutet nicht, gleichsam im Umkehrschluss, einer absoluten
Historisierung des Nationalsozialismus und der deutschen Menschheitsverbrechen das Wort zu reden. Vielmehr steht die Ausstellung
mittels ihrer Entstehungsgeschichte ermutigend dafür, dass selbst
staatlich legitimierte Menschenfeindlichkeit nicht das letzte Wort
behalten muss und elementar orientierende historische Erfahrungen
wachgehalten werden können, wenn man es will.
Beispiele neuer Befunde und
Erkenntnisse seit 1995
Seit Anfang der 1990er Jahre konnte die Gedenkstätte Buchenwald die erhaltenen Gebäude des KZ – von der Desinfektion über das Lagertor bis zum Krematorium – restaurieren.
Die dabei erfolgten bauarchäologischen Untersuchungen und historischen Recherchen erbrachten zahlreiche wichtige Erkenntnisse zur baulichen Entwicklung des KZ sowie zu seiner räumlichen und funktionalen Ausdifferenzierung. Wieder erfahrbar gemacht wurden
zudem Schauplätze besonderer Geschehnisse – von Mordaktionen bis hin zum Widerstand
– als auch Orte, die besonders eng mit der Geschichte einzelner Opfergruppen verbunden
sind. Hierzu gehören das Kleine Lager ebenso, wie das Krematorium, der Arrestzellenbau,
das Lagertor oder die sogenannte Isolierbaracke für Angehörige der Hitler-Attentäter.
22 / 23
Abbildungen: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald
Die nationalsozialistische Zerschlagung der
Rechtsgleichheit und Menschenwürde manifestiert sich prägnant in der Inschrift des Tores des KZ Buchenwald: „Jedem das Seine“.
In römischer Rechtstradition ursprünglich
auf Gerechtigkeit abzielend, behauptete der
Grundsatz – nun in sein Gegenteil verkehrt
– die angeblich aus politischen, sozialen
oder biologisch-rassistischen Gründen gebotene brutale Aussonderung von sogenannten Gemeinschaftsfremden. Dieses Weltbild
führte die SS verhöhnend den Häftlingen jeden Tag aufs Neue vor Augen. Denn der Satz
ist nicht nur nach innen, zum Appellplatz
gerichtet, in das Lagertor eingelassen. Der
Satz war, wie neueste Restaurierungsbefunde belegen, gut lesbar in Rot gehalten.
Die SS ließ den roten Anstrich lagerseitig bis
zur Befreiung jährlich auffrischen, während
die nach außen gerichtete Seite nur einmal
gestrichen wurde. Die Gestaltung der Buchstaben durch den dafür vom Lagerkommandanten Karl Koch beauftragten Häftling und
Bauhausschüler Franz Ehrlich vermittelt aber
auch Widerstandswillen, denn sie enthält
einen Hintersinn. Indem Franz Ehrlich die
Buchstaben nach typographischen Vorlagen
seiner Bauhaus-Lehrer Herbert Bayer und
Joost Schmidt formte, schmuggelte er die
von den Nationalsozialisten als „entartete
Kunst“ verfemte Bauhaus-Moderne in
das entwürdigend gemeinte Motto ein.
So verteidigte er auf seine Weise dessen
ursprünglichen Sinn:
„Iuris praecepta sunt haec:
Bei der Restaurierung des Krematoriums
fanden Handwerker 1997 in einem Verschlag
unter dem Dach Hunderte von Aschekapseln
und mehrere Dutzend mit Namen versehene
Deckel. Die SS nutzte solche Kapseln, um,
etwa gegenüber Angehörigen, einen ordnungsgemäßen Umgang mit den Ermordeten
vorzutäuschen. Geliefert wurden die Kapseln
von der Erfurter Firma Topf & Söhne, den
Ofenbauern von Auschwitz.
Die infolge des ersten Massensterbens
in Buchenwald 1939/40 entwickelten
Leichenverbrennungsöfen basierten allerdings auf Techniken der Tierkadaver- und
Müllverbrennung und ließen die Trennung
der Asche einzelner Menschen gar nicht zu.
Die vorbehaltlose Zusammenarbeit von
Topf & Söhne mit der SS steht beispielhaft
für die Mittäterschaft von Zivilisten am
Massenmord.
honeste vivere, alterum non laedere, suum
cuique tribuere“
„Die Gebote des Rechts sind folgende:
Ehrenhaft leben, niemanden verletzen,
jedem das Seine gewähren.“
Der in der Torinschrift zum Ausdruck kommende
Bruch mit politischen und moralischen Grundwerten, wie er in Deutschland von 1933 bis 1945
zur Norm wurde, ist der elementare Ausgangspunkt für die Ausstellung. Die reibungslose
Nachbarschaft von Weimar und Buchenwald bildet dafür ein exemplarisches Untersuchungsfeld.
In den vergangenen 20 Jahren haben zahlreiche ehemalige Häftlinge oder deren
Angehörige der Gedenkstätte Dokumente und Objekte in Erinnerung an Deportation
und Lagerhaft übergeben. Die Briefe, Fotos und Sachzeugnisse begleiteten sie nach der
Rückkehr aus dem Lager oft ein Leben lang. In der Ausstellung zeugen sie in besonderer
Weise davon, welche Bedeutung die Lagererfahrung für die Überlebenden hat.
Zugleich eröffnen die persönlichen Erinnerungsstücke dem Besucher einen
biografischen Zugang zur Lagerwirklichkeit.
Bei der Errichtung des Lagers hatte die
SS eine unter Naturschutz stehende alte
Eiche nicht fällen lassen. Den Häftlingen
galt sie nachweislich ab 1938 in Erinnerung
an die häufigen Besuche Goethes auf dem
Ettersberg als „Goethe-Eiche“. Als die SS
den Baum 1944 fällen ließ, barg der niederländische Häftling und Widerstandskämpfer
Nico Pols einen kleinen Splitter. Zeit seines
Lebens stand er auf seinem Schreibtisch.
Seine Frau übergab den Splitter der „GoetheEiche“ 2006 zusammen mit weiteren
Erinnerungsstücken der Gedenkstätte.
Als Stefan von Dobrzynski Anfang 1945 als
„Mischling 1. Grades“ denunziert und nach
Buchenwald eingeliefert wurde, hatte er
nur einen Koffer bei sich. Die zahlreichen
Aufkleber zeugen von seiner früheren Arbeit
als kaufmännischer Direktor einer Dresdner
Firma, die Fotopapier herstellte. Bei seiner
Ankunft im Lager musste er den Koffer
abgeben. Er wurde im Kammergebäude
eingelagert. Erst nach der Befreiung konnte
er ihn wieder an sich nehmen. Seine Tochter
übergab ihn zusammen mit weiteren Hinterlassenschaften 2003 der Gedenkstätte.
24 / 25
Die gesamte Familie von Rolf Kralovitz,
einem deutschen jüdischen Häftling aus
Leipzig, war ebenfalls in Konzentrationslager
eingeliefert worden. Seine einzige Möglichkeit, Kontakt mit den Angehörigen zu halten,
waren von der SS zensierte Briefe, die sie
sich einmal im Monat schreiben durften.
Rolf Kralovitz hat die Lager als Einziger
überlebt. Die Briefe, die alles sind, was ihm
von seiner Mutter, seiner Schwester und
den anderen blieb, hat er in einem Album
zusammengebunden. Er übergab es 2014 der
Gedenkstätte.
Otto Roth, seit 1939 deutscher politischer
Häftling im KZ Buchenwald, fertigte mithilfe
der Häftlingstischlerei Anfang der 1940er
Jahre einen Bauernhof für seinen Sohn Arthur
an. Ein SS-Mann, der aus der Nähe seiner Heimatstadt Frankfurt a. M. kam, schmuggelte
das Spielzeug hinaus und übergab es an Roths
Frau. Arthur Roth war zu diesem Zeitpunkt
bereits ein Jugendlicher und nicht mehr so
jung wie sein Vater ihn vor der Haftzeit in
Erinnerung hatte. Er spielte deshalb nicht
mit dem Bauernhof, bewahrte ihn aber stets
sorgfältig auf. Im November 2013 übergab er
ihn an die Gedenkstätte Buchenwald.
Zu seinem 34. Geburtstag gestalteten Mithäftlinge von Karl Barthel im März 1941 eine
aufwändige, mehrseitige Glückwunschkarte.
Der deutsche Kommunist Karl Barthel war zu
dieser Zeit Blockältester in der Baracke 45.
Zusammen mit weiteren Stücken aus seinem
Nachlass übergab seine Tochter 2011 die
Zeichnungen der Gedenkstätte.
Als das Illegale Lagerkomitee im Frühjahr
1945 davon ausgehen musste, dass die SS die
Häftlinge vor der Ankunft der Amerikaner
eliminieren würde, bereitete es sich darauf
vor, bewaffneten Widerstand zu leisten.
Hierfür legte es im Häftlingskrankenbau
einen Vorrat mit Verbandsmaterial an. Nach
der Befreiung nahm der österreichische
Kommunist Franz Meixner einige Päckchen
davon zur Erinnerung an sich. Sein Sohn
übergab sie 2013 der Gedenkstätte.
Die ungarische Jüdin Rosa Deutsch wurde
Anfang 1945 in das Buchenwalder Außenlager Penig (Sachsen) verschleppt, das sie
nur knapp überlebte. Im Krankenhaus von
Altenburg begann sie nach der Befreiung
ein Tagebuch, in dem sie ihren Weg über
Zwickau und Karlsbad zurück nach Budapest
beschreibt. Rosa Deutsch hat ihr Tagebuch
2001 der Gedenkstätte übergeben.
Die junge polnische Widerstandskämpferin Maria Kosk (geb. Brzęcka) zeichnete
Anfang 1945 im Buchenwalder Außenlager
Meuselwitz auf der Rückseite sogenannter
Kontrollzettel Situationen aus dem Lager
und Phantasiebilder. Sie erinnert sich: „Aus
Anlass des Saubermachens verfasste unsere
Lagerpoetin ein Gedicht, das ich sofort
illustrierte. Außer einem Stück Bleistift hatte
ich auch Stücke eines gelben und eines roten
Farbstifts.“ Maria Kosk übergab der Gedenkstätte 2000 ein Konvolut von 94 Blättern.
Abbildungen: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald
Martin Hamburger, als Jude verfolgt, wurde
1938 in das KZ Buchenwald eingeliefert. 1939
konnte er mit seiner Frau nach Shanghai
emigrieren. Dort blieb er bis 1946. Sein
Fotoalbum dokumentiert die Emigration.
Auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald befinden
sich Halden, die zu Lagerzeiten oder im
Zusammenhang mit dem Abriss des Lagers
Anfang der 1950er Jahre entstanden sind.
Einige dieser Halden werden seit Mitte
der 1990er Jahre systematisch ergraben.
Im Rahmen eines durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten
Projektes wurden die dabei geborgenen
Fundstücke erschlossen und digital
inventarisiert. Die Stiftung verfügt heute
über eine Sammlung von mehr als 10.000
solcher Fundstücke.
Es handelt sich dabei überwiegend um
einfache, von Häftlingen häufig aus
Aus einer Schüssel geformtes Bügeleisen,
das zur Bekämpfung von Läusen diente, die
sich in der Häftlingskleidung eingenistet
hatten.
26 / 27
Materialresten selbst angefertigte, improvisierte und mehrfach genutzte Gegenstände des Lageralltags: behelfsmäßige
Hygieneartikel, Besteck- und Geschirrteile
– oft mit Initialen, Häftlingsnummern oder
Gravuren versehen – sowie Werks- und
Erkennungsmarken, aber auch Schmuckund Spielgegenstände oder religiöse
Objekte sowie Zeugnisse für den Zwangsarbeitseinsatz und die Rüstungsproduktion.
In der Ausstellung werden solche Sachzeugnisse unter geeigneten Fragestellungen zusammengeführt, präsentiert und auf
die in ihnen steckenden oder mit ihnen
verbundenen Ereignisse und Geschichten
hin verstehbar gemacht.
Marke der französischen Armee. Villy Ernest
Henri Herz (geb. 1883), Offizier der französischen Armee, wurde wegen seiner jüdischen
Abstammung 1944 von der Gestapo in Toulouse verhaftet. Zusammen mit seinem Sohn
Bertrand Herz, dem heutigen Präsidenten
des Internationalen Kommitees BuchenwaldDora & Kommandos, lieferte man ihn am
6. August 1944 in das KZ Buchenwald ein.
Er kam am 27. Januar 1945 im Außenlager
Niederorschel um.
Fundort: Halde II
Abbildungen: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald
Handgeschnitzter Springer eines
Schachspiels.
Den kleinen handgefertigten Grabstein hat
vermutlich der slowenische Häftling Bernard
Smrtnik in Erinnerung an seine beiden
ermordeten Brüder angefertigt und in das
KZ Buchenwald mitgebracht.
Aus einem Aluminiumschild gefertigter
Dominostein.
Der Stiel des Löffels ist seitlich angeschliffen,
um ihn auch als Messer nutzen zu können.
Ausgebesserte Zahnbürste.
Aus einem Lineal angefertigter Kamm.
Aus Materialresten hergestellter
Tauchsieder.
In den Jahren nach der Eröffnung der Ausstellung 1995 konnten Mitarbeiter der Gedenkstätte im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte weitere, bis dahin weitgehend unbekannte Facetten der Geschichte des KZ Buchenwald erschließen. Andere Projekte, wie die Inventarisierung und Digitalisierung der fotografischen Überlieferung zum KZ Buchenwald,
schufen Grundlagen für die weitere Forschung.
Auf Veranlassung der Stadt Weimar und
des Goethe-Nationalmuseums mussten im
April 1942 Häftlinge in der Schreinerei des
KZ Buchenwald Kopien der Möbel aus dem
Arbeits- und Sterbezimmer Friedrich
Schillers herstellen. Dazu wurden die
Originalmöbel aus dem Schillerhaus in das
Konzentrationslager gebracht und dort
unter Anleitung des Schreiners Willy Werth,
Häftling seit 1937, nachgebaut.
Im Schillerhaus, das auch während des
Krieges der Bevölkerung zugänglich bleiben
sollte, teilte eine Tafel an einem Türpfosten
mit: „Die Möbel in Schillers Arbeits- und
Sterbezimmer sind getreue Nachbildungen
der in Sicherheit gebrachten Originale.“
1999 übergab die Klassik Stiftung Weimar
die Nachbildungen der Sammlung der
Gedenkstätte Buchenwald.
Im Kontext des Kriegsbeginns 1939 ließ die
Wiener Gauleitung zu Staatenlosen erklärte
Juden im Praterstadion internieren. Von
dort deportierte man sie nach Buchenwald.
Zuvor jedoch wurden sie von Mitarbeitern
der anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums unter rassistischen
Gesichtspunkten erfasst und untersucht.
28 / 29
Hunderte von Fotos und Lebendmasken aus
Gips zeugen vom Willen, Menschen anhand
äußerlicher Merkmale rassistisch zu klassifizieren. Viele dieser Menschen fielen im Winter 1939/40 in Buchenwald dem ersten vorsätzlich verursachten Massensterben in einem
deutschen Konzentrationslager zum Opfer.
Naturhistorisches Museum Wien
Noch im befreiten Lager stellten sich 177
ehemalige Häftlinge als Zeugen für künftige
Kriegsverbrecherprozesse zur Verfügung.
Es waren vor allem Überlebende mit langjähriger Haftzeit in Buchenwald, die aufgrund ihrer Erfahrungen in der Lage waren,
einzelne SS-Leute konkret zu belasten.
Für die Ausstellung werden die Zeugenaussagen der US-Army Europe War Crimes
Branch erstmals wissenschaftlich ausgewertet.
National Archives Washington
Das Archiv der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora verfügt über
einen Bestand von über 10.000 historischen Fotografien. Im Rahmen eines im August
2004 begonnenen und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten
Projektes wurde dieser bislang nur in Teilen erfasste und weitgehend ungeordnete Bestand
historiographisch umfassend nach dem Provenienzprinzip erschlossen und verzeichnet.
Gefragt wurde u. a. nach den Urhebern der Fotos, der Situation, den abgebildeten Personen und der Überlieferungsgeschichte. Die Präsentation der Aufnahmen in Gestalt einer
dynamisch ergänzbaren, digitalen und über das Internet zugänglichen Datenbank führte zu
zahlreichen neuen Kontakten und Erkenntnissen.
Private Fotoalben ehemaliger SS-Männer aus Buchenwald bezeugen nicht nur, wie
Angehörige der SS ihren Alltag sahen, sie dokumentieren auch die alltägliche Präsenz
der SS im Weimarer Straßenbild.
SS-Rekruten bei der Ausbildung am Maschinengewehr unterhalb des Bismarckturmes
auf dem Ettersberg, Sommer 1940.
SS-Mann Georg Brendle vor dem
Carl-August-Denkmal auf dem Weimarer
Fürstenplatz, Sommer 1940.
Abbildungen: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald
Angehörige der 3. SS-Totenkopfstandarte
„Thüringen“ während des Vorbeimarsches
an Adolf Hitler in Weimar, 6.11.1938.
Die Ausstellung fokussiert nicht nur das KZ Buchenwald selbst, sondern auch die das
Lager umgebende Gesellschaft. Intensive Recherchen und neue Aktenfunde ermöglichen
die Darstellung von Geschehnissen und Situationen, in denen Einstellung, Handlungsspielräume und Verhalten von Deutschen gegenüber den Verfolgten und Ausgegrenzten
erkennbar werden.
1942 ermordete die Buchenwalder SS in Poppenhausen als vorgebliche „Sühnemaßnahme“
mit ihrem transportablen Galgen 19 polnische KZ-Häftlinge. Zuvor im Lager ausgewählt,
wurden sie vor den Augen von Zwangsarbeitern, Vertretern deutscher Behörden und zahlreichen Schaulustigen erhängt. Der Pfarrer des nahen Ortes Autenhausen berichtet davon
in seiner Chronik. In Washington konnten in der Sammlung von Lorenz Schmuhl, dem ersten
US-amerikanischen Leiter des befreiten Lagers Buchenwald, Fotos von der Erhängung gefunden werden, die der Erkennungsdienst der SS gemacht hatte.
Erhängung Buchenwalder Häftlinge bei Poppenhausen (Thüringen), 11.5.1942. Lorenz Schmuhl Collection, National Archives Washington
Pfarrchronik von Autenhausen (Thüringen)
„Aus dem ganzen weiten Umkreis wurden alle Polen hingeführt. [...] Ununterbrochen fahren
von 9–11 Uhr Autos durch Lindenau, drin braune (SA), schwarze (SS) und feldgraue Uniformen.
In Einöd ein großer Autopark, eine Unmenge von Fahrrädern [...]. Am Wege lagern neugierige
Frauen u. Mädchen, die nicht weiter vorgelassen werden. [...] Von Einöd ist auf der Straße
nach Poppenhausen bis zum Tatort etwa 1 km. Die reinste Wallfahrt [...]. Frauen, die sich
durch den Wald neugierig vorgedrängt hatten u. zurückgewiesen worden waren, kommen
uns entgegen. ‚Es hat schon begonnen!‘ ‚Die ersten hängen schon!‘ rufen sie uns roh und
gefühllos zu. [...] Schon sehen wir die Menschenmenge 500, 700 Mann! Auch einige Frauen u.
Mädchen! [...] Gleich gefaßt und mutig und stumm sterben alle zwanzig. Zuletzt der Mörder.
Einige rufen ihm zu: ‚Sauhund! An den Füßen hängen! Langsam hängen!‘ Und die Henker tuns
langsam. Nicht gleich senken sie das Brett unter seinen Füßen in die Tiefe. Ganz langsam
ziehen sie am Strick an, langsam schnürt es ihn um den Hals zusammen, langsam zieht es den
Mörder in die Höhe. – Noch eine kurze Ansprache: ‚Ein Verbrechen hat seine gerechte Sühne
gefunden. Einer war ein Mörder! Die anderen haben sich vergangen an deutschen Frauen
u. Mädchen. Genau so wie heute wird verfahren, wenn sich wieder so etwas ereignet.’ (Ein
Dolmetscher übersetzt es für die Polen). Die anderen 19 waren nicht Polen aus der Umgebung, sondern aus dem Lager Buchenwalde bei Weimar. 20 Polen aufgehängt in einer Reihe!“
Archiv des Erzbistums Bamberg
30 / 31
Im Oktober 1944, nach einer Bombardierung der Rüstungsfabriken in
Meuselwitz, zwang man weibliche
Häftlinge des KZ-Außenlagers, drei
Blindgänger auszugraben. Ein deutsches Sprengkommando entschärfte sie, danach wurden die Bomben
abtransportiert. Ein Revierleiter der
örtlichen Schutzpolizei dokumentierte die Aktion.
Stadtarchiv Meuselwitz
Mit dem Aufbau und der Ausweitung der Außenlager wurden KZ-Häftlinge im Alltag
der Deutschen immer präsenter. Mehr als die Hälfte der Buchenwaldhäftlinge befand
sich schließlich nicht mehr im Stammlager. Sie mussten Zwangsarbeit in Fabriken und
Ortschaften mitten unter der deutschen Bevölkerung leisten. Vor allem die lebensgefährliche Arbeit mobiler Häftlingsbaubrigaden in den Trümmern bombardierter
Städte war für jedermann sichtbar.
Josef Fischer fotografierte heimlich Buchenwalder Häftlinge der SS-Baubrigade III in
Köln. Seine originale Bildunterschrift lautet:
„Blick aus unserem Küchenfenster. Eine
Arbeitskolonne macht Feierabend. Es sind
Insassen eines Konzentrationslagers, das in
der Messe eingerichtet ist“, Oktober 1943.
NS-Dokumentationszentrum Köln
Buchenwalder Häftlinge der SS-Baubrigade
III bei Aufräumarbeiten nach einem
Bombenangriff in Duisburg, 1943.
Ruhr Museum Essen
Häftlinge des KZ Buchenwald bei der
Beseitigung von Trümmern am Weimarer
Marktplatz, Februar/März 1945.
Privatarchiv Constantin Beyer, Weimar
Aus der Auswertung der Bestände der US-amerikanischen Ermittlungsbehörden –
gerade auch in Bezug auf Ermittlungen, die nicht zu Prozessen führten – ergaben sich
zu den Außenlagern des KZ Buchenwald eine Fülle von Hinweisen über die Arbeitsbedingungen der KZ Häftlinge in der deutschen Rüstungsindustrie.
Baracke des Außenlagers
Magdeburg-Polte, 27.5.1945.
Lagerzaun des Außenlagers
Magdeburg-Polte, 27.5.1945.
Provisorisch hergestellter Sargdeckel für die
Bestattung des jüdischen Häftlings Benno
Sameitschik, der nach der Ankunft der US-Armee im Buchenwalder Außenlager MagdeburgPolte an den Folgen seiner Haft verstarb. Die
Inschrift in hebräischer und deutscher Sprache
lautet: „Hier ruht ein Kamerad, der vom Deutschen Nazi ermordet wurde“, 27.5.1945.
Vom befreiten Lager wurde eine Serie von 13
Farbdias wiederentdeckt. Sie stammt von
Ardean R. Miller, einem der vier Farbfotografen der Amerikaner auf dem europäischen
Kriegsschauplatz. Miller sagte, dass der Auftrag, Buchenwald zu fotografieren, sein
schlimmster gewesen sei. Die Bilder hätten
ihn ein Leben lang verfolgt.
Abbildungen: National Archives Washington
32 / 33
Eine Ausstellung
für die Zukunft des Lebens
Kuratoriumssitzung 30. März 2012
Aus dem Statement des Vorsitzenden des Häftlingsbeirats Konzentrationslager Buchenwald an der Stiftung
Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Floréal Barrier, zur Erneuerung der Dauerausstellung:
Liebe Freunde,
dieses Treffen ist für mich sehr positiv als Instrument des Nachdenkens zur Vorbereitung des Projektes, das auf einen Beschluss des
Häftlingsbeirats vom 5. November 2010 zurückgeht und den Überlegungen des Kuratoriums vom 7. Oktober 2005 folgt.
[...]
Nach einem sehr positiven Treffen mit dem Vorsitzenden des
Kuratoriums im September 2011 und nach den Kontakten mit den
Kulturministern der Bundesregierung und des Freistaates Thüringen,
soll dieses Treffen nicht nur ermöglichen, uns dem Ziel anzunähern,
sondern es soll uns helfen, dieses neue Werkzeug der Vermittlung
der Vergangenheit und der Reflexion über die Zukunft, nämlich diese
neue Ausstellung zur Geschichte des KZ Buchenwald, auf den Weg zu
bringen.
[...]
Auf dem Hügel des Ettersberges steht – neben den vielen Erinnerungen der kulturellen Vergangenheit Deutschlands – das nationalsozialistische Konzentrationslager Buchenwald für die furchtbare Anwendung der nationalsozialistischen Ideologie, für die Negierung aller
Rechte des Menschen. Die Inschrift „Jedem das Seine“ am Lagertor
charakterisiert treffend diesen Ort:
– Die Solidarität in all ihren Ausprägungen, die Schaffung von
Möglichkeiten, sich zu pflegen, die gegenseitige Unterstützung,
die Sabotage der Zwangsarbeit …
– Der Kampf um die Aufrechterhaltung des menschlichen
Geistes, die Zeichnungen, die Gedichte, die Musik,
die Konzerte und Lesungen ...
– Die Rettung von Kindern, die Rettung von über 20.000 Über lebenden im Lager, bevor die amerikanischen Truppen am
11. April 1945 ankamen ...
– Ihr Schwur vom 19. April 1945: eine Welt des Friedens und
der Solidarität ...
So viele Ausdrucksweisen eines solchen Willens, zunächst durch die
antifaschistischen deutschen Häftlinge zum Ausdruck gebracht und
später durch alle Kämpfer, die sich gegen die Unterdrücker ihrer Nationen gewandt hatten. Sie alle Opfer des Nationalsozialismus, seiner
Ideologie und der Kollaboration.
Zwei Themen können in der Ausstellung nicht ausgelassen
werden:
– Die Sklaverei, den Mangel an Nahrung und Hygiene.
– Die Zwangsarbeit in den Arbeitskommandos, im Lager und in den
Außenlagern, wo die SS die Häftlinge an die Rüstungsindustrie
auslieh, der Arbeitskräfte fehlten.
– Die furchtbare Angst vor dem Tod.
– Das Außenlager Dora, das zum Konzentrationslager Mittelbau Dora wurde und das Opfer von Tausenden Häftlingen in diesem
Lagerkomplex.
– Unsere Freundinnen, die Frauen, die als Häftlinge zunächst im
Lager Ravensbrück oder Auschwitz waren, dann unter die
Verwaltung der SS von Buchenwald kamen und zur Zwangsarbeit
in der Kriegsindustrie Hitlers gezwungen wurden.
Ein Ort des Todes, mit all seinem Schrecken an dieser Stelle errichtet,
der heute so friedlich erscheint. Aber auch ein Ort, der – oh, wie
sehr – beweist, dass der Mensch – trotz der unmenschlichen Bedingungen, die er dort erleiden musste – sich geweigert hat, sich zu
unterwerfen.
Auch müssen wir darauf achten, dass die Ausstellung Emotionen
nicht verbirgt. Die Didaktik der Ausstellung soll den jungen Generationen entgegenkommen. In meinen Augen sollte sie den Besucher
vor allem dazu bringen, eine ernsthafte Reflexion für die Zukunft des
Lebens zu führen.
Und dass er durch seinen Willen trotzdem Mensch bleiben kann:
Zu viele Beispiele zeigen, dass die Propaganda von Neonazis immer
noch wirksam ist, nicht zuletzt im Internet. Wenn wir weiter wachsam sein wollen, wird eine moderne Ausstellung auch hier für ihre
Besucher Angebote schaffen müssen.
Für die neue Ausstellung erfolgen – über die Sammlungen der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora hinaus – Recherchen in Archiven in ganz Europa, den USA und
Israel. Ausgewertet werden zudem Privatsammlungen, Museumsdepots und Gedenkstättenbestände. Darüber hinaus werden Hunderte von Interviews, die in den letzten Jahren mit ehemaligen KZ-Häftlingen von unterschiedlichen Organisationen geführt wurden, erschlossen.
Dazu gehören u. a.:
Archiv des Erzbistums Bamberg
Archiv des Internationalen Strafgerichtshofes, Den Haag
Archiv des Internationalen Suchdienstes (ITS), Bad Arolsen
Bundesarchiv Berlin
Centre d’ Études et de Documentation Guerre et Sociétés Contemporaines, Brüssel
Deutsche Dienststelle (WASt), Berlin
Deutsches Historisches Museum, Berlin
Dokumentation des österreichischen Widerstandes, Wien
Fondazione Memoria della Deportazione, Mailand
Instituut vor Oorlogs-, Holocaust- en Genociedestudies, Amsterdam
Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam
Instytut Pamięci Narodowej (IPN), Warschau
Joods Historisch Museum, Amsterdam
Library of Congress, Washington
Mémorial de l'Internement et de la Déportation, Camp de Royallieu
Musée de la Résistance et de la Déportation, Besançon
Musée de la Résistance nationale à Champigny-sur-Marne
Nationaal Archief, Amsterdam
National Archives, Washington
Naturhistorisches Museum Wien
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Österreichisches Staatsarchiv, Wien
Panstwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau
Stadtarchiv Meuselwitz
Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar
US Holocaust Memorial Museum (USHMM), Washington
Verzetsmuseum, Amsterdam
Yad Vashem, Jerusalem
Zentralnyj dershawnyj archiw wyschtschich organiw wlady ta uprawlinnja Ukrajiny, Kiew
Zydowski Instytut Historyczny, Warschau
34 / 35
Zur Erarbeitung der Ausstellung hat die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald
und Mittelbau-Dora ein eigenes Projektteam gebildet.
Prof. Dr. Volkhard Knigge, Gesamtleitung
Rikola-Gunnar Lüttgenau, Kurator
Dr. Harry Stein, Kurator
Dr. Michael Löffelsender, Koordinator und Historiker
Dr. Jens Binner, Historiker
Holm Kirsten, Sammlungsleiter
Sabine Stein, Archivarin
Georg Wamhof, Historiker
Sven Löhr, wissenschaftlicher Volontär
Clara Mansfeld, wissenschaftliche Volontärin
Cornelia Raßloff, Projektsekretärin
Eine Informationsbroschüre der Stiftung
Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
Konzept Rikola-Gunnar Lüttgenau
Redaktion Clara Mansfeld Mitarbeit Dr. Jens Binner, Holm Kirsten,
Dr. Michael Löffelsender, Dr. Philipp Neumann-Thein,
Dr. Harry Stein, Sabine Stein, Georg Wamhof
Gestaltung Frieder Kraft, www.werkraum-media.de
Fotos (soweit nicht anders angegeben)
Claus Bach S. 9; S. 13; S. 20; S. 34–35/B1, B3, B5
Katharina Brand Titelblatt; S. 19/B11; S. 22; S. 24/B1, B3,
B4; S. 25/B1 | Andreas Froese-Karow S. 11
Peter Hansen S. 4; S. 6; S. 23; S. 24/B2; S. 26–27
Peter Hansen und Barbara Rauch S. 19/B1–B10, Rückseite Gabriele Krynitzki S. 16/B2
Philipp Neumann-Thein S. 34–35/B2, B4 | Jürgen M.
Pietsch S. 16/B3–B6 | Louisa Reichstetter S. 12 Christof Rieken S. 8 | Naomi Tereza Salmon S. 16/B1
Thüringer Staatskanzlei / U. Koch S. 10
© Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und
Mittelbau-Dora, Weimar 2015
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses
des Deutschen Bundestages sowie vom Thüringer
Kultusministerium.
Die Entwicklung der Ausstellung wird vom Häftlingsbeirat Konzentrationslager Buchenwald
und dem wissenschaftlichen Kuratorium der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und
Mittelbau-Dora begleitet.
Mitglieder des Häftlingsbeirats KZ Buchenwald
Floréal Barrier (Vorsitzender), Frankreich; Prof. Dr. Robert Bardfeld, Tschechien;
Georg Naftali Fürst, Israel; Éva Pusztai, Ungarn; Ottomar Rothmann, Deutschland;
Gert Schramm, Deutschland
Mitglieder des wissenschaftlichen Kuratoriums
Prof. Dr. Norbert Frei (Vorsitzender), Jena; Prof. Dr. José Brunner, Frankfurt a. M.;
Prof. Dr. Rainer Eisfeld, Osnabrück; Prof. Dr. Mary Fulbrook, London;
Prof. Dr. Wolfgang Holler, Weimar; Cilly Kugelmann, Berlin;
Prof. Dr. Lutz Niethammer, Jena; Prof. Dr. Henry Rousso, Paris;
Prof. Dr. Thomas Sandkühler, Berlin; Dr. Irina Scherbakowa, Moskau;
Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Wien; ArchD Dr. Simone Walther, Koblenz;
Prof. Dr. Bernd Weisbrod, Göttingen; Prof. Dr. Hermann Wentker, Potsdam;
Prof. Dr. Wolfgang Wippermann, Berlin
Nach einem eingeladenen Ideenwettbewerb im Dezember 2013 wurde das Büro
Holzer Kobler Architekturen GmbH aus Zürich damit beauftragt, in enger Zusammenarbeit
mit der Gedenkstätte die Gestaltung der neuen Ausstellung zu übernehmen.
„Wir stellen den Kampf erst ein,
wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“
Aus dem Schwur von Buchenwald, 19. April 1945
Die französischen Widerstandsgruppen stellten diese Fahne vor der Befreiung 1945 illegal im Lager
her. Sie wurde von der Association Française Buchenwald Dora et Kommandos
an die Gedenkstätte übergeben. Sammlung Gedenkstätte Buchenwald

Documentos relacionados