linz kultur (PDF, 877 kB )
Transcrição
linz kultur (PDF, 877 kB )
linz kultur linz kultur 69 70 linz kultur „Oskar Kokoschka – Ein Vagabund in Linz. Wild, verfemt, gefeiert.“ Nina Kirsch Das Lentos Kunstmuseum Linz dokumentiert in seiner Ausstellung „Oskar Kokoschka – Ein Vagabund in Linz. Wild, verfemt, gefeiert.“ den großen österreichischen Maler als unangepassten Künstler und legt einen Schwerpunkt auf seine Kontakte zu Linz. In dieser umfassenden Schau, die noch bis 5. Oktober 2008 läuft, werden 40 Gemälde, 49 Aquarelle und Zeichnungen, 27 Druckgrafiken sowie 36 Fotografien von 20 ausländischen und 10 inländischen Museen, Galerien und Privatsammlern präsentiert. Das Lentos Kunstmuseum und das Stadtmuseum Nordico, die mit fünf Gemälden, 15 Zeichnungen und über 100 Lithografien über die wichtigsten Kokoschka-Kollektionen in Österreich verfügen, zeigen damit erstmals ihre reichen Kokoschka-Bestände versammelt in einer Ausstellung. Persönliche Kontakte und Freundschaften Kokoschkas mit in Linz ansässigen Kunsthistorikern, Galeristen, hochrangigen städtischen Beamten und Politikern hielten die Verbindung zwischen dem aus Pöchlarn stammenden Künstler und der Landeshauptstadt Oberösterreichs aufrecht. Den ersten Kontakt stellte Wolfgang Gurlitt (1888-1965) her, Berliner Kunsthändler und Gründer der Neuen Galerie der Stadt Linz, aus der 2003 das Lentos Kunstmuseum Linz hervorging. Seine Nachfolger Walter Kasten und Peter Baum, sowie der damalige Bürgermeister Ernst Koref, führten über Jahre hinweg den engen künstlerischen Austausch mit Oskar Kokoschka durch Ankäufe, Auftragsarbeiten und zahlreiche Ausstellungen fort. Die bedeutende kunsthistorische Vorreiterrolle der Stadt Linz wird Oskar Kokoschka, Selbstbildnis, 1917. (Foto: Lentos) dadurch ebenso bezeugt wie ihr besonderes Engagement in der Beziehung zu Kokoschka. Kokoschkas erste Werkschau nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich wurde im Sommer 1951 in der Neuen Galerie der Stadt Linz gezeigt. Einige Gemälde dieser sensationellen Ausstellung – Die Freunde (1917), Vater Hirsch (1909), Marcel von Nemes (1929) – und viele Druckgrafiken kamen durch Ankauf 1953 in die Museumssammlung und zählen bis heute zu den internationalen Highlights des Lentos. Diese erfolgreiche und äußerst medienwirksame Präsentation wird anhand von damals in den Räumen am Linzer Hauptplatz gezeigten Werken rekonstruiert sowie durch Presserezensionen und fotografische Dokumente ergänzt. Ein besonderer Schwerpunkt beschäftigt sich mit der nationalsozialistischen Kunstauffassung, die Kokoschka als „entarteten“ Künstler brandmarkte. 417 seiner Werke wurden beschlagnahmt. Neun davon wurden in der Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 in München und an elf weiteren Stationen, darunter in Wien und Salzburg, angeprangert. Erstmals wird ein Teil der „entarteten“ und beschlagnahmten Werke gezeigt. Sämtliche Provenienzen der KokoschkaBestände des Lentos werden im begleitenden Katalog publiziert. Die komplexe Ankaufs- und Herkunftsgeschichte der von Gurlitt bei der Versteigerung des Auktionshauses Fischer in Luzern erstandenen Werke wird offen gelegt. Ein eigener Bereich widmet sich der Fotografie, die im Lentos seit der Eröffnung der Neuen Galerie im Jahr 1946 kontinuierlich gesammelt, präsentiert und wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Das Lentos verfügt in seinen reichen Beständen über Fotografien von Erich Lessing, Franz Hubmann und Peter Baum, die Oskar Kokoschka in Vitalität und künstlerischer Passion zeigen. Oskar Kokoschka, Linzer Landschaft, 1955. (Foto: Lentos) Die Kokoschka-Schau spannt einen weiten Bogen: Präsentiert werden sowohl Arbeiten aus dem umstrittenen Frühwerk, der Dresdner Zeit, den umtriebigen Reisejahren, als auch im britischen Exil entstandene Gemälde, Aquarelle, Farbstiftzeichnungen und Plakate. Eine reiche Auswahl an Exponaten mit wichtigen Gemälden, aufschlussreichen Fotodokumenten sowie erstmals präsentiertem Audiomaterial. Ausstellungskatalog Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog: „Oskar Kokoschka – Ein Vagabund in Linz. Wild, verfemt, gefeiert.“, herausgegeben vom Lentos Kunstmuseum Linz, mit Beiträgen von Nina Kirsch, Elisabeth Nowak-Thaller, Bernadette Reinhold, Stella Rollig, Georg Wacha, Patrick Werkner und Heinz Widauer, 256 Seiten, zahlreichen Farbab bildungen. Bibliothek der Provinz, Weitra, 2008. Preis: 29,– EURO. linz kultur 71 qujOchÖ: Ein Leben im Strafraum Nina Kirsch Von 7. bis 29. Juni 2008 fand die Fußball-Europameisterschaft in der Schweiz und in Österreich statt. Die Ausstellung „Leben im Strafraum“ der Linzer KünstlerInnengruppe qujOchÖ im Lentos Kunstmuseum Linz unternahm in diesem Zusammenhang den Versuch, in diese riesige Fußball-Maschinerie einzugreifen. Auch wenn das Riesenspektakel Euro 08 bis tief in den Alltag eingedrungen ist, hat sich Leben im Strafraum auf die Essenz von Fußball konzentriert: Spielzüge und Strategien – kurz: das, was auf dem Spielfeld abläuft. Video projektionen von wichtigen Spielen wurden mittels ästhetischer Reduktion, minimalistischen Veranschaulichungen von komplexen Spielverläufen und Bewegungsabläufen, Netzwerkanalysen, statistischen Daten und Darstellungen von Verdichtungen erzeugt. Leben im Strafraum war während der Euro 08 in und um das Linzer Kunstmuseum Lentos zu erfahren. Die aus dem Bau des Lentos herausgeschnittene Vorhalle im Freien wurde als Spielfeld adaptiert und als “Strafraum“ definiert. Mit seiner Länge von 60 Metern entspricht dieser Raum der Hälfte eines Fußballfeldes. Einerseits haben in diesem “Strafraum“ performative Inszenierungen stattgefunden, andererseits sahen das Nutzungskonzept und die Raumarchitektur dieses artifiziellen Fußballplatzes eine aktive Nutzung in Form eines einladenden Fußballwohnzimmers für interessierte PassantInnen und BesucherInnen vor. An drei Tagen wurden unter der Vorhalle des Lentos jeweils einige spielentscheidende Szenen von bereits geführten Partien nachgespielt. In einer rund einstündigen Performance wurden dabei Markierungen für die entscheidenden Spielzüge der Vortagspartie von einem Vermessungsteam auf dem Spielfeld angebracht. Mit dem Pfiff des Schiedsrichters be- gann anschließend das Spiel. Ein von einem Platzwart geführter Markier wagen, der im Normalfall zum Ziehen der Spielfeldmarkierungen verwendet wird, zeichnete die Bewegungen des Balles bei spielentscheidenden Zügen auf der Rasenfläche nach. Die Fahrt des Wagens folgte räumlich und zeitlich exakt den Spielzügen der ausgewählten Szenen. Ein abstraktes Bild aus Linien entstand. Die Arbeiten des Vermessungsteams und des Platzwartes wurden dabei von der KünstlerInnengruppe qujOchÖ durchgeführt. Inhaltlich und thematisch verbunden mit dem „Strafraum“ war die Ausstellung im Inneren des Lentos. Hier fanden sich Dokumentationen der performativen Inszenierungen (Visualisierungen) und Einzelarbeiten von KünstlerInnen, Installationen und Videoarbeiten, sowie Experimentelle Kunst. qujOchÖ: Martin Böhm, Johannes Dichtinger, Magnus Hofmüller, Andreas Kurz, Thomas Philipp, Doris Prlic, Andreas Reichl, Lydia Thanner und Andre Zogholy. Die KünstlerInnengruppe qujOchÖ gestaltete die Ausstellung „Leben im Strafraum“ im Kunstmuseum Lentos. (Foto: qujOchÖ) 72 linz kultur Ars Electronica 2008: A NEW CULTURAL ECONOMY Christopher Ruckerbauer Tagtäglich spazieren wir durch das Schlaraffenland des Internet. Pflücken hier einen Song, lassen da ein Video mitgehen, verleiben uns dort einen Text ein. Frei nach dem Motto „Erlaubt ist, was gefällt“, fischen wir Daten aus einem nicht versiegenden Strom von Daten, die streng genommen Eigentum von irgend jemandem sind – und es streng genommen auch bleiben. So unterhaltsam wie informativ unser Herunterladen und Austauschen dieser Daten also auch sein mag – es stößt anderswo auf Unmut. In der Wirtschaft zum Beispiel, die ihre Felle davon schwimmen sieht. Wie die Musikindustrie, die nach fetten Jahren plötzlich auf ihren CDs sitzen bleibt und deshalb fast schon reflexartig gegen immer jüngere Internet-Piraten gerichtlich zu Felde zieht. Unter dem Titel „A NEW CULTURAL ECONOMY“ fragt die diesjährige Ars Electronica nach dem Wert geistigen Eigentums und stellt eine Kernfrage unserer modernen Wissensgesellschaft: Jene nach Informationsfreiheit und Urheberrechten, nach dem großen Geschäft und der Vision einer offenen Wissensgesellschaft, deren Ökonomie auf Kreativität und Innovation aufbaut. Darüber hinaus fragt das Festival nach brauchbaren und tragfähigen Regeln für diese neue Realität. Dezentralisierung des Wissens Der Buchdruck und das Internet bilden die Zäsuren in der Geschichte des Informationswesens. Beides technologische Neuerungen, deren kulturelle wie sozio ökonomische Auswirkungen unsere Gesellschaft maßgeblich veränderten – und es im Fall des Internet immer noch tun. Buchdruck wie Internet katapultierten sowohl die Verbreitung von als auch den Zugang zu Wissen in bis dahin unbekannte Dimensionen. Doch während im Fall des Buchdrucks die nun maschinelle Massenproduktion und Vervielfältigung von Inhalten noch zentralisiert blieb, emanzipiert das Internet jeden Empfänger zum potentiellen Sender. Am Beginn des 21. Jahrhunderts beginnen Themenführerschaft, Produktions hoheit, Vertriebsstrategien und Marktposition etablierter Informationsproduzenten zu bröckeln. Immer stärker und vor allem massenhaft wird die Konkurrenz privater User, die bloggen, chatten und posten, was ihre Breitbandverbindung hergibt. Es tritt eine junge Generation von MeinungsbildnerInnen an, die sich neue Kommunikationsstrukturen erschließen und dabei einen völlig neuen Umgang mit Information durchsetzen. Solange Daten in physisch manifeste Formen wie Schallplatten, Kassetten, CDs und DVDs gegossen waren, konnte deren Verbreitung von zentraler Stelle aus gesteuert und reglementiert werden. Seit all diese Informationen auch oder überhaupt nur noch virtuell herumschwirren, ist dies so gut wie unmöglich. Die globale Wissensgesellschaft Kein technischer Kunstgriff kann heute die chaotische Verbreitung und damit „wider rechtliche Aneignung“ von Informationen wirksam und dauerhaft unterbinden. Bliebe im Falle eines solchen Falles also noch der Rechtsweg – nur allzu oft eine „Mission Impossible“, die schon an der Frage der Zuständigkeiten scheitert, wenn sich KlägerInnen, Beklagte und Server auf unterschiedliche Kontinente, Staaten und Rechtssysteme verteilen. Selbst wenn angestammte Lobbys wie aktuell die Filmindustrie teils erbitterten Widerstand leisten und sich an Regeln klammern, die wie die Patente auf das 15. Jahrhundert zurückgehen, so ist ihr Kampf gegen die veränderte technologische Realität letztlich zum Scheitern verurteilt. Konzipiert für eine gesellschaftliche Realität, die sich im realen Raum vollzieht, greifen unsere Konventionen in virtuellen Sphären nicht mehr. Die technische Struktur des Internet kennt weder Staatsgrenzen noch Hoheitsgebiete oder Einflusszonen – sie verbindet alles mit allem zu einem großen Ganzen. Einer Welt aus Bits und Bytes, in der konsequenterweise andere oder zu wenige Spielregeln gelten und in der sich zwar langsam, aber sicher eine neue Ökonomie breit macht. Eine Ökonomie des Teilens, in der Information nicht länger per Gesetz ein- und abgesperrt wird, sondern ungehindert zirkuliert. Einfach genial – genial einfach Freie Netze, freies Wissen – einst als Credo blauäugiger Idealisten abgetan, ist ein Paradigmenwechsel in Politik und Wirtschaft heute unübersehbar. Vor allem das „good old Europe“ setzt bei der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit alles auf die Karte „Kreativität und Innovation“. Eine Strategie, die zur Zeit leider mehr Absichtserklärung als konkrete Politik ist. Die aber eher früher als später zur ökonomischen Notwendigkeit wird. Damit wird auch die Neuordnung des Schutzes geistigen Eigentums unausweichlich. Bis es soweit ist, bleiben es wohl oder übel ein paar wenige Kommunen, Unternehmen und KünstlerInnen, die nach vorne preschen und zeigen, wie Information in Zukunft vertrieben, rezipiert, gehandelt und von Dritten weiter verarbeitet werden wird. Vorstöße mit Mehrwert, weil damit das Image des Vorreiters generiert wird, neue Vertriebswege erprobt und damit schon heute zukünftige Einnahmequellen erschlossen werden und das, bevor die Konkurrenz dies tut. Hinzu kommt, dass nicht mehr nur idea listische VerfechterInnen einer offenen Wissensdemokratie, sondern eine auf Kreativität und Ideen aufbauende neue Ökonomie flexiblere Lösungen fordert. Freie Netze und freies Wissen sind mittlerweile aber auch zum Anliegen visionärer Kommunen und PolitikerInnen geworden. Öffentliche WLAN-Projekte und die großangelegte Digitalisierung von Bibliotheks- und Archivbeständen zählen mittlerweile zu den Aufgaben einer modernen öffentlichen Verwaltung. Die Neuordnung des Schutzes geistigen Eigentums ist also längst zum gordischen Knoten unserer global vernetzten Wissensgesellschaft geworden. linz kultur Das Ars Electronica Festival 2008 Wenn der künftige Wohlstand des alten Europa tatsächlich auf Kreativität und Innovation gebaut sein soll, dann ist der freie Fluss von Wissen unabdingbar. Dann dürfen neue Geschäftsideen und Vertriebswege nicht im nationalstaatlichen Regulations-Dschungel erstickt oder von Monopolisten verwaltet werden. Unter der Überschrift „A NEW CULTURAL ECONOMY – wenn Eigentum an seine Grenzen stößt“ will das Ars Electronica Festival 2008 an den ersten Kapiteln einer neuen Wissensgesellschaft mitschreiben. Es geht dabei um das Spannungsverhältnis von Informationsfreiheit und Urheberrechten, es geht um das große Geschäft und die Vision einer offenen Wissensgesellschaft und es geht auch um brauchbare und tragfähige Spielregeln für diese neue Realität. Spielregeln, deren Formulierung nicht allein JuristInnen und WirtschaftsexpertInnen überlassen werden sollte. Von 4. bis 9. September 2008 lädt Ars Electronica wieder KünstlerInnen, Netzwerk-NomadInnen, TheoretikerInnen, TechnologInnen und Rechtsgelehrte aus aller Welt nach Linz. Die künstlerischen wie wissenschaftlichen Recherchen werden in Form von Symposien, Ausstellungen, Performances und Interventionen sowie klassischen Konferenzen in die ganze Stadt getragen. Als letztem Testlauf vor dem Kulturhauptstadtjahr 2009 kommt dem Zusammenwirken des lokalen Netzwerks an Kultur- und Bildungseinrichtungen ganz besondere Bedeutung zu. Ars Electronica Symposium 2008 Computer und Internet haben die Produktion und Verbreitung von Information ungeheuer beschleunigt und verbilligt. Inhalte wurden plötzlich weltweit verfügbar. Dies verändert nicht nur unseren Umgang mit Information, sondern unser Wirtschaftssystem insgesamt. Wir sind gezwungen, tradierte Vorstellungen an eine veränderte technologische Realität anzupassen. Manche von uns tun das bereits recht erfolgreich. Andere dagegen wehren sich – und scheitern. Das diesjährige Symposium will AnwenderInnen, KünstlerInnen, UnternehmerInnen, WissenschafterInnen und PolitikerInnen vernetzen und sich gemeinsam auf eine neue Welt einzustellen. 2008 wird das Ars Electronica Symposium von Joichi Ito aus Japan kuratiert. Aktivist, Unternehmer und Investor für Risikokapital, ist Joichi Ito Gründer und Geschäftsführer von NEOTENY, eine auf persönliche Kommunikation und Basistechnologie spezialisierte Risikokapitalfirma. Er gründete zahlreiche Internet-Unternehmen, zu denen etwa PSINet Japan, Digital Garage 73 und Infoseek Japan gehören. 2001 wählte ihn das World Economic Forum unter die 100 „Global Leaders for Tomorrow“. Als Vorstandsvorsitzender von „Creative Commons“ sowie Vorstandsmitglied von ICANN, WITNESS und TECHNORATI ist Joichi Ito aktiv an brandaktuellen Web 2.0-Entwicklungen beteiligt. Nähere Informationen über Joichi Ito und Creative Commons: joi.ito.com/ 74 linz kultur „Tür an Tür“ des Atelierhauses „Dörfl“ im Nordico Birgitta Merl/Reinhard Kren Zum 50-jährigen Bestand des Atelierhauses des Kulturringes der Wirtschaft Oberösterreichs beschlossen die derzeit im „Dörfl“ arbeitenden KünstlerInnen die Organisation einer Ausstellung, bei der alle jemals im Atelierhaus tätigen Kunstschaffenden vertreten sein sollten. Der Kulturring, allen voran Dr. Thomas Richter, zeigte sofort Interes se und sagte finanzielle Unterstützung zu. Die Ausstellungsvorbereitung wurde von Mag.a Birgitta Merl übernommen. Sie zeichnet auch für die Haupttexte des Katalogs verantwortlich, die erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts darstellen: Merl untersucht am Beispiel der KünstlerInnen des Egon-HofmannAtelierhauses die Entwicklung der Kunst und einzelner künstlerischer Positionen in Oberösterreich im internationalen Kontext. Die graphische Gestaltung des Katalogs stammt von Mag. Thomas Strobl. Als Ausstellungsort konnte das Stadtmuseum Nordico gewonnen werden, das damit nach einer umfangreichen Renovierung eine programmatische Eröffnungsausstellung präsentiert. Direktor Dr. Willibald Katzinger und Dr.in Angelika Gillmayer als Ausstellungsleiterin haben das Projekt engagiert und aufmerksam begleitet. Seit der Eröffnung 1957 bildete das Egon-Hofmann-Atelierhaus „Dörfl“ als Wirkstätte von bisher insgesamt 85 KünstlerInnen ein Zentrum der Gegenwartskunst in Oberösterreich. 72 dieser KünstlerInnen nehmen an der Ausstellung „Tür an Tür“ teil. Präsentiert wird eine von ihnen persönlich getroffene Werkauswahl, die nur einer Beschränkung unterlag: es sollte je ein im Atelierhaus entstandenes Werk und eine neuere Arbeit ausgewählt werden. Kein Thema, keine formalen oder stilistischen Kriterien wurden darüber hinaus formuliert – und daher zeigt die Ausstellung vielfältige Stile und Anschauungen, mannigfaltige Inhalte, Techniken, Kon- zepte und Ausführungen. Man begegnet Bildhauerei, Objekt- und Installationskunst, Malerei, Grafik, Keramik, Fotografie, Medienkunst, Performances und Textilkunst und gewinnt – auch wenn bei „Tür an Tür“ nur ein kleines Segment aus dem Arbeitsspektrum der „DörflerInnen“ gezeigt werden kann – einen Überblick über 50 Jahre Kunst in Oberösterreich. 72 beteiligte KünstlerInnen verfügen über unterschiedliche Biographien, unterschiedliche Karrieren, unterschiedliche Bedeutungen für und in der Kunst, regional, national und international. In der Ausstellung zeigt sich die Vielfalt, die das aktuelle Kunstschaffen der „DörflerInnen“ ebenso sichtbar macht wie Entwicklungslinien seit der Gründung des Atelierhauses. Einige KünstlerInnen haben einen kontinuierlich nachvollziehbaren Weg genommen, andere weisen deutliche Brüche in ihrer künstlerischen Entwicklung auf. Manche verharren oder vertiefen sich in einmal gefundenen Ausdrucksformen, wieder andere loten die Möglichkeiten einer Richtung aus oder bewegen sich experimentierend in alle Richtungen. Einige KünstlerInnen wechselten in die Bereiche Musik oder Literatur. Die durchaus intendierten Konfrontationen von zeitlich zum Teil weit auseinander liegenden Arbeiten der KünstlerInnen – manchmal kann man schon von Früh- und Spätwerk sprechen – halten Überraschungen bereit und werfen Fragen auf. Deutlich wird neben dem im „Dörfl“ verorteten kreativen Potential die ausgeprägte Individualität der KünstlerInnen und ihrer Positionen. Jeder Versuch, eine gemeinsame Stilrichtung der „DörflerInnen“ zu konstruieren oder den individuellen Leistungen den Begriff „DörflSchule“ überzustülpen, wäre nur eine künstliche Etikettierung. Die einzigartige gemeinsame Lebens- und Arbeitssituation im „Dörfl“ und der äußerst rege Wechsel der KünstlerInnen haben offenbar bei allen Verbindungen und Querbezügen individuelle Positionierungen noch verstärkt. Der Erfolg dieser durch den Kulturring der Wirtschaft Oberösterreichs ermöglichten freien künstlerischen Arbeit kommt im jetzt gefeierten Jubiläum zum Ausdruck. 72 KünstlerInnen nehmen an der Ausstellung teil: Fritz Aigner, Kurt Augustin, Josef Bauer, Heinz Baumüller, Markus Binder, Walter Breuer, Erwin Bucheder, Peter Dimmel, Norbert Drienko, Richard Eder, Ed Ehmayr, Franz Fischbacher, Alfred Flattinger, Margarete Geffke, Wolfgang Georgsdorf, Anselm Glück, Emilie Goldmann, Ursula Grabner, Walter Gucher, Hermann Haider, Hermann Haslin, Peter Hauenschild, Josef Häupl, Franz Hitz, Karl Hochgatterer, Josef Huber, Charles Kaltenbacher, Kaul Kapil, Adolf Kloska, Gerhard Knogler, Gerlinde Knogler-Grothe, Helmut Kolar, Rudolf Kolbitsch, Peter Kraml, Werner Krausneker, Gabi Kreczi- Mach, Johannes Krejci, Peter Kuba, Peter Kubovsky, Kurt Lackner, Pepi Maier, Birgitta Merl, Veronika Merl, Kurt Moldovan, Gerhard Müllner, Robert Oltay, Margit Palme, Josef Perfler, Andreas Prag, Thomas Pühringer, Beate Rathmayr, Barbara Reisinger, Heinz Ritter, Erich Ruprecht, Johann Ruschak, Ursula Schröcksnadel, Peter Sommerauer, Eckart Sonnleitner, Martin Staufner, Siegfried Strasser, Thomas Strobl, Franz Süss, Elfriede Trautner, Ulrich Waibel, Ewald Walser, Brigitte Wasmeyer, Anton Watzl, Johannes Wegerbauer, Josef Wimmer, Natascha Wöss, Alfred Würl, Martina Zwölfer. linz kultur Nordico in neuem Glanz Sabine Hörschläger Im Hinblick auf 2009 erhielt nun auch das Nordico – Museum der Stadt Linz ein attraktives Ambiente für die Präsentationen seines Ausstellungsprogramms. Die im Herbst 2007 gestartete grundlegende Renovierung erforderte rund 850.000 Euro, weitere 120.000 Euro sind in die Neugestaltung des Vorplatzes investiert worden. Nach der sechsmonatigen Umbauphase konnte das städtische Museum Mitte Mai dieses Jahres mit einem „Tag der offenen Tür“ und der Ausstellung „Tür an Tür“ des Atelierhauses der Wirtschaft Oberösterreich wieder eröffnen. Seiner heutigen Bestimmung als Museum mit künstlerischem, archäologischem und naturkundlichem Schwerpunkt näherte sich das Nordico bereits 1851 mit der ersten Ausstellung des Oberösterreichischen Kunstvereins. Zu den Hauptaufgaben des Museums zählt seit jeher die Sammlung, Dokumentation und Präsentation von Linzer Stadtgeschichte, Kunst und Kunsthandwerk sowie die Organisation von Ausstellungen. Diese drehen sich heute verstärkt um die Themen Stadtgeschichte, heimische Kunst und Fotografie bis zu den frühesten Anfängen. Insgesamt stehen im ersten und zweiten Obergeschoß mehr als 700 Quadratmeter Ausstellungsflächen für Präsentationen zur Verfügung. Bewegte Geschichte Seit seiner Errichtung blickt das Linzer Stadtmuseum auf eine bewegte Geschichte zurück. Das Gebäude wurde von 1607 bis 1610 von dem italienischen Baumeister Francesco Silva als Vorstadtpalais des Klosters Kremsmünster erbaut. 1673 bis 1675 wurde das Gebäude ausgebaut und teilweise umgestaltet. Im Festsaal sind Reste von Fresken aus der Zeit vor dem Umbau zu besichtigen. Von 1710 bis 1786 war das Haus im Besitz der Jesuiten und wurde als Konvikt für Schüler aus Skandinavien – daher auch der Name „Nordico“ – benutzt. Mit der Regentschaft Kaiser Joseph II. wurde es in ein Wohngebäude umgewandelt. Es diente später der Liedertafel Frohsinn unter Chormeister Anton Bruckner als Probestätte. Der Oberösterreichische Kunstverein unter Obmann Adalbert Stifter veranstaltete hier Ausstellungen, und auch der bekannte Mundartdichter Franz Stelzhamer wohnte einige Zeit in diesem Haus. Von 1959 bis 1973 erfolgten etappenweise die Generalsanierung und der Ausbau zum städtischen Museum, das heuer mittlerweile 35 Jahre in diesen Räumlichkeiten untergebracht ist. Neues Foyer Die Kassa und der Museumsshop präsentieren sich nach dem Umbau in neuer Optik. Statt des Holztors führt ein gläsernes Portal in das Foyer des Nordico. Der bisher links vom Eingang angeordnete Kassenbereich liegt nun direkt im Foyer. Dort, wo früher die Museumskasse untergebracht war, ist nun mehr Platz für den Museumsshop. Rechts vom Eingang befinden sich zwei Räume mit 140 Quadratmetern Präsentationsfläche. Cafe mit eigenem Eingang Durch den Shop führt der Weg zum an der Nordseite des Nordico gelegenen Cafe, das durch eine gläserne Schiebewand vom übrigen Gebäude abgetrennt ist. Das Lokal ist nun auch über einen eigenen Eingang vom Vorplatz her erreichbar. Insgesamt 50 Gäste finden hier Platz. Eine neue Möblierung in Schwarz mit roter Polsterung lädt zum Verweilen ein. Neu sind auch der Lift und die drei WCAnlagen. Im Vortragssaal mit neuem Teppichboden wird die Luft nun klimatisiert. Die Stiegenhäuser, Gänge und Ausstellungsräume erhielten ebenfalls einen frischen Anstrich. In den Ausstellungsräumen wurden flexibel einsetzbare Beleuchtungsanlagen für die Exponate montiert. 75 Im Zuge des Umbaus erhielt das Gebäude auch eine neue Fassade. Der hellblaue Farbton wurde nach Ansichten aus dem 18. Jahrhundert ausgewählt. Auf der Fassade wurde der Name Nordico als rund zweieinhalb Meter breiter und 35 Zentimeter hoher Schriftzug mit Hinterleuchtung angebracht. Auch die an drei Ecken des Nordico aufgebrachten Ecksteine prägen das neue Erscheinungsbild des Stadtmuseums wesentlich mit. Die Fenster wurden ebenfalls saniert. Größerer Vorplatz Der rund 700 Quadratmeter große Vorplatz des Museums ist zur Dametzstraße hin um einen zwei Meter breiten Streifen mit Schuhplattenbelag vergrößert worden. Der Platz selbst wurde mit einem Kleinsteinbelag gepflastert. Zwei an der Nordseite gepflanzte Bäume werden im Sommer auch als Schattenspender für den Gastgarten des Cafes dienen. Die schwere Eingangstür ist durch eine einladende Glastür ersetzt worden. (Foto: KOMM) 76 linz kultur Erfolgsbilanz C rossing Europe 2008 Elisabeth Oberlik Ein weiteres Kapitel in der Erfolgsbilanz konnte Festivalleiterin Christine Dollhofer nach Abschluss des Linzer Filmfestivals Crossing Europe 2008 schreiben. Das Interesse der Festivalgäste steigerte sich in der fünften Auflage des Festivals um zwanzig Prozent gegenüber dem Vorjahr. Knapp 16.000 BesucherInnen verzeichneten die Festivalbeiträge, die Nightline und die Ausstellung im OK von Artist in Residence Lida Abdul zwischen 22. und 27. April. Das Filmfestival 2008 präsentierte 150 Filme aus 32 Ländern, die in 132 Programmen zu sehen waren. Fast einhundert RegisseurInnen waren in Linz und standen dem Publikum Rede und Antwort. Hauptpreis an Frankreich Dank Linz09 ist der Crossing-EuropeAward European Competition mit 10.000 Euro dotiert. Die internationale Wettbewerbsjury sprach diesen Preis dem französischen Beitrag von Isild Le Besco zu, die für Regie, Drehbuch und Schnitt des Filmes „Charly“ verantwortlich zeichnet. Charly ist eine junge Gelegenheitsprostituierte, die den 14-jährigen Nicolas aufliest und in ihren Wohnwagen aufnimmt. Nicolas ist der Enge bei seinen greisen Pflegeeltern entflohen und auf einer Reise zum Meer und zu sich selbst. Auslöser war Frank Wedekinds „Frühlingserwachen“. Als er mit Charly das Theaterstück probt, kommt er dem Erwachsenwerden, sich selbst und dem Meer ein wenig näher. Isild Le Besco hat schon vor drei Jahren für ihren Film „Demi-Tarif“ den Linzer Award gewonnen. Eine lobende Erwähnung der Jury gab es für den griechischen Streifen „Diorthosi / Correction“ von Thanos Anastopoulos. wurde. Die grellroten und gelben Linien, die sich in ihrer Animation über die estnischen Landschaften schieben, beruhen auf tatsächlichen Katasterplänen von verkauften oder zum Verkauf stehenden Gründen. Dem euphorischen „market sentiment“ der Investoren steht die melancholische Musik des bekannten estnischen Komponisten Arvo Pärt gegenüber. Über lobende Erwähnungen der Local Artist Jury konnten sich Ernst Spießberger für „Brachland“ und Edith Stauber für „Eintritt zum Paradies um 3 Euro 20“ freuen. als ihr Stanislav, die rechte Hand ihres Freundes, seine Liebe gesteht. Im Kulturhauptstadtjahr gehört das Filmfestival Crossing Europe schon zum fixen Kulturbestand und die enge Zusammenarbeit setzt sich fort. Die um einen Tag länger als bisher dauernde Ausgabe des nächsten Jahres findet von 20. bis 26. April 2009 statt. Crossing Europe wird aber auch nach 2009 FilmfreundInnen aus aller Welt in Linz vereinen. Barbara Musil bekam den Award Local Artist für ihren Film „Market Sentiments“. „Love and other crimes“ Der mit 5.000 Euro dotierte ray-Publikums preis ging an die serbisch-deutsch-österreichisch-slowenische Gemeinschaftspro duktion „Ljubav i drugi zlocini / Love and other crimes“ von Stefan Arsenijevic. Protagonistin des Films ist Anica, die drauf und dran ist, ihre Heimat, eine Neu-Belgrader Hochhaussiedlung und ihren kleinkriminellen Freund Milutin zu verlassen. Alle ihre Pläne geraten durcheinander, „Market Sentiments“ Über den Crossing-Europe-Award Local Artist im Wert von 6.000 Euro konnte sich Barbara Musil freuen, die von der Jury für ihren österreichischen Vier-Minuten-Streifen „Market Sentiments“ ausgezeichnet Den ray-Publikumspreis für den Film „Love and other Crimes“ erhielten Miroslav Mogorovic, Bojan Vuletic, Stefan Arsenijevic, Gabriele Kranzelbinder und Herbert Schwering (v. l. n. r.). (Fotos: Crossing Europe) linz kultur 77 Magistratsmusik– Teil eines P rojektes für Linz09 Elisabeth Oberlik Das Kulturhauptstadtjahr 2009 ist auch für die Linzer Magistratsmusik etwas ganz Besonderes. Nicht nur, weil sich die 25 Musiker und ihre drei Kolleginnen, sowie die zwölf GastmusikerInnen in einem neuen, vom Linzer Modedesigner Gottfried entworfenen Outfit präsentieren: dezentes Grau und rote Weste. Holz und Blech Die Magistratsmusik Linz ist Teil des Projektes „Holz und Blech“ des Blasmusikverbandes Linz Stadt, dem vierzehn Kapellen angehören. Thomas Doss komponiert ein acht Minuten dauerndes Stück für die Linzer BlasmusikerInnen, das im April und Mai des kommenden Jahres je zweimal und im September viermal aufgeführt wird. Aufführungsort für die Magistratsmusik ist der Ursulinenhof. In das Projekt sind weitere fünf Kapellen eingebunden, die an verschiedenen Plätzen musizieren. Das Publikum kann in einer rund eineinhalbstündigen Rundfahrt alle Aufführungsorte besuchen. Abschließend wird ein Konzert auf dem Hauptplatz mit Lichteffekten geboten. Komponist Thomas Doss Thomas Doss, Jahrgang 1966, geboren in Linz, Absolvent des Musikgymnasiums und des damaligen Brucknerkonservatoriums, wo er Posaune, Komposition, Dirigieren und Instrumentalpädagogik studierte, bevor er seine Studien in Wien, am Mozarteum Salzburg, in Los Angeles und Maastricht weiterführte, wird eine besondere Flexibilität in den Stilen nachgesagt. Seine Kompositionen zeichnen sich durch große Farbigkeit, Klangreichtum und intensive Aussagekraft aus. Er hat sich auch schon mit der Magistratsmusik vertraut gemacht und stimmt seine Komposition auf die vorhandene Besetzung ab. Fixtermine Fixtermine für das nächste Jahr sind der Magistratsball am 17. Jänner und der Ball der Oberösterreicher in Wien am 24. Jänner 2009. Von der Marschmusik bis zur symphonischen Blasmusik, vom kleinen Ensemble als Quartett oder Quintett bis zur Bigband – die MagistratsmusikerInnen treffen immer den richtigen Ton und Rhythmus. Ein Höhepunkt ist alljährlich das Frühjahrskon- zert im Brucknerhaus. Um allen musikalischen Anforderungen gewachsen zu sein, werden allwöchentlich am Donnerstag von 13.30 bis 18 Uhr im Probelokal in Kleinmünchen neue Musikstücke erarbeitet. Orchesterleitung Wilhelm Luckeneder, Jahrgang 1957, gehört seit 1981 der Magistratsmusik an, zunächst als Trompeter. Er war seit 1990 stellvertretender Kapellmeis ter. Im Jänner 2000 übernahm er die Orchesterleitung. Er ist auf intensiver Suche nach neuen Mitgliedern. MitarbeiterInnen der Stadt Linz, die ein Blasinstrument, Orgel oder Gitarre spielen, sind herzlich eingeladen, im städtischen Orchester mitzuwirken. Er selbst hat die Kapellmeisterprüfung beim Oberösterreichischen Blasmusikverband abgelegt und zusätzlich zwei Jahre am damaligen Brucknerkonservatorium Orchesterleitung studiert. Anregungen für das Repteroire holt er sich unter „Harmoniemusik“ auch aus dem Internet. 78 linz kultur Videokunst ist Susanne Jirkuffs Ding Elisabeth Oberlik Die Linzerin Susanne Jirkuff schnupperte schon als Vierzehnjährige Bühnenluft. Mit ihrer Schwester Diana und dem Musiker Rudi Pfann war sie als Part der „Jirkuff Sisters“ ein Begriff. Doch die Musik war nicht wirklich ihr Ding. Sie fand im Spannungsfeld von Zeichnung und Film „ihr Ding“. Der Weg ihrer Videoinstallationen geht vom Gefilmten zur Zeichnung, die sie wieder in Bewegung setzt. Von ihren Arbeiten konnte man sich in der HYPO Video Lounge an der Landstraße ein Bild machen. Pro Jahr werden in der Video Lounge zwei bis drei VideokünstlerInnen präsentiert. Dafür stehen insgesamt fünf große Bildschirme zur Verfügung. Drei im Kunden-Center und zwei an der Fassade zur Landstraße, damit die Videos das Publikum auch außerhalb der Bankzeiten erreichen. Susanne Jirkuff nennt ihre Videoanimationen „Choreographies“, Bankschließfächer fungieren als Raster für die Bewegungen des Öffnens. Zusätzlich flimmern über drei hochformatige Monitore Zahlen – Numbers. Susanne Jirkuff wurde 1966 in Linz geboren. Sie besuchte die Hamerlingschule und studierte bei Prof. Gsöllpointner an der damaligen Hochschule für Gestaltung. Von Linz in die Welt Dann führte sie ihr Weg über London nach Los Angeles. 2002 erhielt sie für vier Monate ein Stipendium der Stadt Linz in Los Angeles. Ihre Arbeiten waren in Vilnius, Amsterdam und Frankfurt, in Wien und Bilbao, in Barcelona und Graz, in Taiwan, London, Kairo und Paris zu sehen. Im Vorjahr wurde sie mit dem mit 10.000 Euro dotierten Hilde-Goldschmidt-Preis ausgezeichnet, gleichzeitig erhielt sie ein Staatsstipendium für bildende Kunst. Es sei ein langwieriger Weg als Videokünstlerin in den „Kunstolymp“ vorzudringen, meint die Linzerin mit Wohnsitz in Wien. Doch Qualität spricht sich auch in Kunstkreisen herum und mit großer Vorlaufzeit gelingt es ihr immer wieder, Neues zu konzipieren. Architekturforum: „Gleich und doch verschieden“ Jedes Land hat seine eigenen Methoden und Techniken, die Grundbedürfnisse unserer menschlichen Existenz zu erfüllen. Für ein und denselben Lebenszweck gibt es kulturell unterschiedliche Lösungen. Trotz globalem Einfluss finden wir nach wie vor lokale Techniken, die mit Hilfe von Gebrauchsobjekten und Werkzeugen, zumeist gekauft oder auch selbst gebaut, ihre funktionelle Anwendung finden. Die Ausstellung „GLEICH UND DOCH VERSCHIEDEN“ bietet im Architekturforum Oberösterreich einen Einblick in den normalen Alltag unserer Welt. Die Gegenstände stammen nicht aus privaten Sammlungen oder Museen, sondern wurden auf Märkten, in Geschäften und Warenhäusern gekauft, dokumentiert und gesammelt. Innerhalb von viereinhalb Monaten untersuchten die beiden Oberösterreicher Uli Marchsteiner als Designer und Kurator der Ausstellung sowie Leo Schatzl als Künstler und Fotograf zwischen 2003 und 2004 den Alltag Gleich und doch verschieden / Equally different Die Künstlerin Susanne Jirkuff stellte in der HYPO Video Lounge ihre „Choreographies“ aus. Im Bild (v.l.n.r.): Dr. Martin Hochleitner, Leiter der Landesgalerie, Susanne Jirkuff, Generaldirektor Dr. Andreas Mitterlehner. (Foto: HYPO) •V eranstalter: Architekturforum Oberösterreich • Kurator: Uli Marchsteiner •P hotographien/Videodokumentation: Leo Schatzl • Leihgeber: FAD (Fomento de Artes y Diseño), Barcelona • Grafische Gestaltung: David Torrents • Ausstellungsgestaltung: Uli Marchsteiner, Niall O’Flynn • Ausstellungskoordination: Stephanie Dörper linz kultur in vierzehn Ländern, verteilt auf fünf Erdteile. Sie besuchten Städte, Dörfer und Siedlungen in Kanada, USA, Mexiko, Brasilien, Marokko, Senegal, Kenia, Tansania, Indien, China, Japan, Indonesien, in Neuseeland und auf den Fidschi Inseln. Die gesammelten Gegenstände wurden in ihrer natürlichen Umgebung gefunden und so dokumentiert, wie sie tatsächlich benutzt werden. Trotz der hier gezeigten über 400 Objekte handelt die Ausstellung von den Menschen und ihrem Können, Gegenstände zu entwerfen, zu produzieren und zu benutzen: auf verschiedene Art, aber stets, um die uns allen gemeinsamen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Uli Marchsteiner und Leo Schatzl sammelten in 14 Ländern Gegenstände des Alltags. (Foto: Casanova) Dietmar Brehms Kettenreaktion Elisabeth Oberlik Dietmar Brehm, bekannter und anerkannter Künstler mit Linzer Wurzeln und Wirkungskreis, ist ein markanter Querdenker. „Es ist für mich fast unmöglich, eine Sache mit nur einer Arbeit zu erledigen. Das wuchert immer wieder und es kommt zu einer Kettenreaktion. Oft ist es eine bestimmte Papierwahl, eine bestimmte Blattgröße, eine bestimmte Zeichenart oder die Arbeit mit Filzstiften.“ So erklärt Dietmar Brehm seine Serienbilder, beispielsweise das 18-teilige Werk, das die „Freunde des Lentos“ für das Museum angekauft haben. Es handelt sich um eine Serie von Selbstbildnissen unter dem Titel „Frisuren“. 1.500 Sekundenfallen Eine bestimmte Papierwahl, nämlich Millimeterpapier in A4-Format, ist die Grundlage für seine „Sekundenfalle“. Seit fast dreißig Jahren entstanden 1.500 Zeichnungen, alle auf dem gleichen Bildträger, aber mit ganz unterschiedlichen Motiven. Mit Momentaufnahmen aus der Befindlichkeit des Schöpfers entstanden, Assoziationen zu Augenblicken, Zeichnung 79 gewordene Gedanken. Ein Teil dieser Serie war im Kubin-Haus in Zwickledt zu sehen, ein kleiner Teil in der Landesgalerie, die auch etliche großformatige Malereien Dietmar Brehms bis 22. Juni ausstellte. Medium Film Doch der 1947 in Linz geborene und seiner Heimatstadt treu gebliebene Künstler Dietmar Brehm begnügt sich nicht mit Zeichnung und Malerei. Er hat sich auch international einen Namen als Filmer gemacht. 1974 begann er sich für das Medium Film zu interessieren und machte erste Experimente. Sein jüngstes Werk ist der Trailer für das Linzer Filmfestival Crossing Europe mit dem Titel „Die Fliege“, das dank der finanziellen Unterstützung durch Linz09 zustande gekommen war. Ob Film, Zeichnung oder Malerei, die Handschrift des Professors an der Linzer Kunstuniversität ist unverkennbar. Er reduziert das Dargestellte bis zum Symbol, er lässt den Betrachter nicht gedankenlos konsumieren. Nicht nur als Künstler prägt Dietmar Brehm den Kulturbetrieb. In der Neuprä- sentation „Aufmischen“ der Bestände des Lentos ist er für den dritten Raum verantwortlich, dem er einen ganz persönlichen Stempel aufdrückte. „Aufmischen“ In der bis zum Jahresende gezeigten Ausstellung mit Werken aus der reichhaltigen Sammlung des Lentos wurden sechs KünstlerInnen eingeladen, ihre Sicht der vorhandenen Dinge dem Publikum nahe zu bringen. Dietmar Brehm ist einer von ihnen. Dietmar Brehm, Schwarzensee, 1992. (Foto: Landesgalerie) 80 linz kultur Clemens Koglers Film „Herr Bar“ erhielt Diesel Art Award 2007 Stephen Sokoloff Menschliche Körperteile sammelte Clemens Kogler eifrig, um seinen prämierten Film „Herr Bar“ zu gestalten. Einige lichtete er selbst ab, andere entnahm er Katalogen und Bildarchiven. Dann begann die mühsame Arbeit des Zusammensetzens, die ihn sieben Wochen lang auf Trab hielt. Aus Händen mit verschiedenen Hautfarben formte er dabei Bäume, Beine bildeten flamingoartige Vögel, Lippen ordnete er wie Blütenblätter an, um eine neue bizarre Pflanzenspezies zu kreieren. Fingergelenke fügte er zu einem sich drehenden Riesenrad zusammen. Die Gegenstände und Lebewesen platzierte er in surreale Landschaften, zum Beispiel in eine Wiese aus Menschenhaaren, vor einen Gebirgszug, der sich bei näherer Betrachtung als Hinteransicht einer liegenden Person entpuppt. Als letzten Schritt legte Kogler die Folge der Szenen fest. Beinahe alle Elemente im dreiminütigen Animationsfilm stammen aus Gliedmaßen und anderen Körperpartien – selbst die „Schneeflocken“ bestehen eigentlich aus Zähnen. Das fantasievolle Video wurde mit dem internationalen Diesel Art Award 2007 ausgezeichnet. Das Preisgeld von 10.000 Euro verwendete Kogler, um eine Ausstellung in der New Yorker Diesel-DenimGalerie zu finanzieren. Dort präsentierte er Filmmotive auf Holzplatten. So zeigte er etwa einen Schwarm aus 400 Vögeln, die alle einzeln mit einer Laubsäge ausgeschnitten werden mussten. Eine neue Ästhetik Clemens Kogler studiert Malerei und Grafik im zehnten Semester an der Linzer Kunstuniversität. Er bezeichnet sich selbst als Computerirren, der obszessiv arbeitet und sein Sozialleben vernachlässigt. Als Experimentalfilmer ist er bestrebt, innovative kinematographische Werke statt leichter Unterhaltung zu produzieren. Viel Beachtung erzielte sein gemeinsam mit Karol Szmit produzierter Kurzfilm „Le grand Content“. Der halbphilosophische Streifen versucht, sich satirisch mit existenziellen Fragestellungen in einer bewegten Power-Point-Demonstration auseinanderzusetzen. Darin symbolisieren beispielsweise drei sich überschneidende Kreise das Leben, die Freiheit und die Suche nach dem Glück. „Für diese stehen 471 Kabelfernsehkanäle zur Verfügung“, erklärt der Sprecher auf Englisch. „Zusammen mit Saccharin und Pop-Balladen bieten uns diese Sender künstliche Süße ohne Grenzen.“ Auf der Internet-Seite „YouTube“ wurde das Video 600.000 Mal angeklickt. Goethestraße“ zwei Kurzfilme. Dort fungiert der kranke Hase aus der Grottenbahn als Leitfigur. Er bricht aus seiner Märchenwelt aus und zeigt uns die ober österreichische Landeshauptstadt aus der Perspektive des Verlierers. Der begabte Filmkünstler, Jahrgang 1980, hat sich bereits eine lobende Erwähnung beim Film-Festival „Diagonale“ verdient. Eines seiner Videos mit Szenen aus Linz ging auf Tour mit Hubert von Goisern. Nun sorgt ein spezieller Filmverleih für die Präsentation seiner Werke bei verschiedenen Veranstaltungen. Der Diesel Art Award 2007 ist seine bisher bedeutendste Auszeichnung. Kurzfilm für Linz09 Für Linz09 produziert Kogler in Zusammenarbeit mit der Galerie „Kunstraum Clemens Kogler, Szene aus dem Film „Herr Bar“. (Foto: Sokoloff) linz kultur Erwin Reiters Wellenmenschen Stephen Sokoloff Sein Markenzeichen sind die großen wellenförmigen Skulpturen aus Metall. Erwin Reiter hat ihre Produktion nun eingestellt. Seine ondulierenden Figuren setzen ihr Dasein jedoch auf der Leinwand fort. Offensichtlich sind sie bestrebt, sich zu Menschen zu entwickeln. In einer der Zeichnungen, die der emeritierte Professor in der Linzer Galerie halle zeigte, holt eine Strömungsgestalt mit den Händen hammerartig aus, um seinem „Kumpel“ von hinten auf den Kopf zu schlagen. Ein anderes Bild präsentiert Vater und Sohn, die mit ausgestreckten Armen ihre gegenseitige Zuneigung demonstrieren. Da sie gesichtslos sind, müssen sie Gestik statt Mimik einsetzen, um ihre Gefühle auszudrücken. Offensichtlich spielt sich diese Szene im Freien ab, sind doch ein blauer Himmel und eine grüne Wiese zu erkennen. Reiter meint, dass unsere Körper eigentlich lang gestreckte Wellen sind, denn wirkliche Geraden kommen in der Natur nur äußerst selten vor. Außerdem setzen sich unsere Gedanken elektromagnetisch fort, wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit, was wohl unsere Unsterblichkeit ausmacht. Diebischen Spaß bereitet es dem Künstler, Bibelgeschichten neu zu deuten. So konfrontiert er uns mit einer eigenartigen Heiligen Familie, bestehend aus vier abstrakten Menschenfiguren vor einer Krippe. „Die Brüder Jesu müssen auch Götter gewesen sein“, spekuliert er. Zur Schöpfungsgeschichte meint er, dass wahrscheinlich Außerirdische im Spiel waren. An ihrem „genetischen Versuch“ könnten mehrere Paare beteiligt gewesen sein. Eva betrachtet er als besonders intelligente Frau, die imstande war, Tabus zu brechen und dadurch Fortschritte eingeleitet hat. Nach der „Erbsünde“ wurde die Stammmutter nicht aus dem Garten Eden vertrieben, sondern das Paradies aufgelöst. Auch der Heilige Joseph setzte sich über die Moral seiner Zeit hinweg, indem er seine Frau, die von einem anderen schwanger war, nicht verstieß. Das Werk Erwin Reiters ist wesentlich vielfältiger, als gemeinhin angenommen wird. Es lässt sich keinesfalls lediglich auf Metallwellen reduzieren. Freilichtmuseum Julbach Heute lebt der pensionierte Professor der Linzer Kunstuniversität zurückgezogen in Julbach. Dort bevölkert eine Vielzahl sei- 81 ner Plastiken ein Grundstück in der Nähe seines Wohnsitzes und bildet eine Art Freilichtmuseum. Ursprünglich wollte Reiter sie im Ort verteilt aufstellen, die Einheimischen waren aber mit dem Vorhaben nicht einverstanden. Es hätte zu viel Arbeit bedeutet, immer wieder Gras und Unkraut, das um jede einzelne Figur emporschießt, zu entfernen. In Zukunft will der Plastiker Räumlichkeiten für eine permanente Ausstellung schaffen. Sie sollen vor allem Werke seiner Frau Edda beherbergen. Erwin Reiter, Mary with Gods.(Foto: Sokoloff) 82 linz kultur Kurt Philipp trifft Vincent van Gogh in Afrika Stephen Sokoloff Der Maler Kurt Philipp befand sich jahrzehntelang auf der Suche nach van Gogh, seinem großen Vorbild. Schließlich wurde er, zumindest in seiner Fanta sie, fündig. Es geschah ausgerechnet auf dem Schwarzen Kontinent, wo einst der Reporter Stanley dem Entdecker Livingtons nachspürte, vor einer üppigen grünen Urwaldkulisse. In einem Gemälde, das dieses Ereignis zelebriert, strecken beide seelenverwandten Künstler die Arme zueinander aus, wobei die Gliedmaßen in bunten, pyrotechnisch sprühenden Farben verschmelzen. Auf einem weiteren Bild in der Linzer Galerie halle liegt der große Expressionist in einem Kornfeld. Er ist fast zu einem Skelett abgemagert und sein Körper erscheint genauso rot wie die sengende Sonne über seinem Kopf. Sein Leben geht zur Neige, denn er hat sich eine tödliche Schusswunde zugefügt. Dieses Werk, wie auch die anderen des Zyklus, entstand 1990, im hundertsten Todesjahr des Meisters. Im nächsten Exponat, „Auf dem Weg nach Tarascon“, radeln van Gogh und sein Schatten in entgegengesetzte Richtungen. Der rot-gelbe Längsstreifen, der die Straße symbolisiert, verliert sich in der Unendlichkeit, während die Luft in Form von blauen Flecken die Stämme der Bäume am Rand der Fahrpiste umhüllt. Die gleichnamige Schöpfung des weltberühmten Malgenies gilt als verschollen. Anstatt Formen lediglich einzufärben, hat Philipp diese Gemälde mit Farben gestaltet. Dabei mischte er die Pigmente mit Leinöl direkt auf dem künftigen Bildträger und entwickelte das fertige Werk aus dem so entstandenen Gefüge an bunten Flecken. Kaiserin Elisabeth Auch Sisi und Franz Joseph gehören zum Themenrepertoire des Wiener Malers. Er zeigt die Herrscherin vor einem Fenster, also in einer Pose, die für Figuren des Romantikers Caspar David Friedrich cha- rakteristisch ist. Allerdings ist ihr Kleid durchsichtig und wir erkennen, dass sie innerlich verblutet. Somit ist schon das Ende der Monarchie vorgezeichnet. In einer weiteren, gesellschaftskritischen Bildserie nimmt Philipp den Wiener Opernball und die Fußball-Europameisterschaft aufs Korn. Die Akteure sind fragmentarische Gestalten, oft ohne Köpfe oder Beine. Bereitwillig und ungeniert stellen sie ihre Lächerlichkeit zur Schau, ihr Benehmen ist schlechthin – wie das Urinieren in der Öffentlichkeit – abscheulich. Die Anregungen für diese karikaturhaften Darstellungen holte sich Philipp aus Boulevardzeitungen. Motive aus der Vorstadt Leider eignen sich solche Werke kaum für bürgerliche Wohnzimmer. Wesentlich leichter können GaleristInnen seine Landschaften von San Francisco, New York, Jerusalem und Salzburg absetzen. Begonnen hat der Künstler mit Motiven aus der Wiener Vorstadt, wo er 1928 geboren wurde und unter ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Er verstand es meisterhaft, mit seinem Pinsel die graue Ödnis in ein farbenfreudiges Wunderland zu verwandeln. In seiner Jugend arbeitete Philipp zehn Jahre lang als Jazzmusiker in der „Elite-Band“, einer damals sehr bekannten Gruppe. Er machte Schallplatten-Aufnahmen und trat im Rundfunk und bei Veranstaltungen auf. Leider beendete eine schwere Grippe seine Laufbahn als Saxophonist. Als bildender Künstler errang er einige Auszeichnungen, unter anderem die Silbermedaille des Pariser Stadtrats und den Hauptpreis des Österreichischen Graphikwettbewerbs in Innsbruck. Ausländische Ausstellungen seiner Werke fanden in Frankreich, Polen, der Schweiz und der Slowakei statt. Kurt Philipp, Auf dem Weg nach Tarascon. (Foto: Sokoloff) linz kultur 83 Ingeborg Rauss – im Spannungsfeld der Ordnung (Fotos: Sokoloff) Stephen Sokoloff Ingeborg Rauss, Verzweifelte Frau. Ingeborg Rauss, Angepasste Frau. Ingeborg Rauss, Geordnete Welt. Bunte Gittersysteme spannen sich über die metergroßen Leinwände von Ingeborg Rauss. Mitten in den rechtwinkelig angeordneten Farblinien und Diagonalen stecken Menschen. Sie muten wie Fische an, die in einem Netz gefangen sind. In einem der Bilder entdecken wir eine Frau, die Zufriedenheit ausstrahlt. Sie hat sich mit ihrem Los der Unfreiheit abgefunden. Wie man sich geben muss, weiß sie genau. Sie trägt in jeder Situation das passende Outfit. Routinehaft kann sie ihre Affekte unterdrücken, um langfristige Ziele zu erreichen. Wenn Rauss ein Gemälde konzipiert, entwirft sie zuerst ein System von „Gitterstäben“, dann überlegt sie die Attitude, die ihre Figur in diesem abstrakten Ordnungsgefüge einzunehmen hat. Anregungen dazu gewinnt sie häufig aus Zeitschriften. Die Medien konfrontieren uns mit Vorbildern, die uns unsere gesellschaftlichen Rollen vorführen. Andere Exponate der Künstlerin befassen sich mit Verkehrssystemen. Darin wimmelt es von bunten Linien und farbigen Flächen wie Straßen auf einer Landkarte. Durch Übertreibung möchte uns Rauss die Komplexität plastisch vor Augen führen, die uns bei jeder Fahrt mit dem Auto begegnet. Ingeborg Rauss studierte an der Linzer Kunstuniversität unter Professor Dietmar Brehm. Gleichzeitig belegte sie Kunstwissenschaft und Philosophie an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität. Bei der Biennale 2005 in Florenz, an der 800 MalerInnen teilnahmen, errang sie den begehrten Lorenzo-il-MagnificoPreis. Ausstellungen ihrer Werke fanden in Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Schweden und Tschechien statt. Mehrmals präsentierte sie ihre Gemälde in der oberösterreichischen Hauptstadt: im Jägermayrhof, im Kulturzentrum Hof, im AKh, in der Galerie Generali und zuletzt in der Galerie halle. Bilder der Malerin befinden sich im Besitz der Landesregierung und der Landesgalerie. Von Zellen zu Sozialsystemen Die Struktur der Gesellschaft thematisiert die Künstlerin seit vier Jahren in ihrer Malerei. Vorher befasste sie sich mit dem Zusammenspiel der Zellen und der Tätigkeit des Gehirns. Um Abläufe im Gehirn zu veranschaulichen, übermalte sie einmal ein Bild in der Form, dass alte und neue „Informationen“ miteinander verknüpft sind. Damit verfolgte sie die Absicht, uns die Mechanismen vorzuführen, bei denen angeborenes und erlerntes Wissen miteinander verbunden werden. 84 linz kultur Meilensteine der Stadtentwicklung 1945–1984 Bürgermeister Franz Dobusch und Vizebürgermeister Dr. Erich Watzl eröffneten am 29. April im Brucknerhaus die neue Ausstellung des Archivs der Stadt Linz. Unter dem Titel „Meilensteine der Stadt entwicklung. Linz 1945 – 1984“ skizzierten großformatige Schautafeln die wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Eckdaten in der jüngeren Geschichte der Stadt. Ergänzt wurde die mit interessantem historischen Fotomaterial belegte Ausstellung mit einem Film und Videobeiträgen aus den verschiedenen Jahrzehnten. ORF-Beiträge aus den 70er Jahren gaben Zeugnis vom kultur- und gesellschaftspolitischen Geschehen in der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Ein von der Stadt Linz produzierter Film eröffnete ebenfalls Einblicke in die Zeit zwischen Kriegsende und 1984. Die Ausstellung „Meilensteine der Stadtentwicklung. Linz 1945 – 1984“ war im Linzer Brucknerhaus zu sehen. (Foto: Archiv) Klassengesellschaft im Nationalsozialismus Die Volkshochschule Linz setzte am 26. März 2008 im Wissensturm die Veranstaltungsreihe zum Thema „Anschluss“ und NS-Staat fort, die in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Stadt Linz durchgeführt wird. Rassengesellschaft „Rassen- und Klassengesellschaft im Nationalsozialismus“ lautete der Titel des Vortrags von Prof. Dr. Götz Aly aus Frankfurt. Moderiert hat die Veranstaltung Dr. Walter Schuster, der Leiter des Archivs der Stadt Linz. Gefälligkeitsdiktatur Götz Aly betrachtet den NS-Staat aus einem Blickwinkel, der ihn als Gefälligkeitsdiktatur zeigt. Hitler, die Gauleiter, Minister und Staatssekretäre agierten als klassische Stimmungspolitiker. Sie fragten sich täglich, wie sie die Zufriedenheit der deutschen Mehr- heitsbevölkerung sichern konnten. Auf der Basis von Geben und Nehmen erkauften sie sich deren Zustimmung oder wenigstens Gleichgültigkeit durch eine Fülle von Steuerprivilegien, mit Millionen Tonnen geraubter Lebensmittel und mit der Umverteilung des »arisierten« Eigentums von verfolgten und ermordeten Juden aus ganz Eu ropa. Nationaler Sozialismus Den Deutschen ging es im Zweiten Weltkrieg besser als je zuvor, sie sahen im nationalen Sozialismus die Lebensform der Zukunft – begründet auf Raub, Rassenkrieg und Mord. Die nationalsozialistische Gesellschaft beruhte daher auf der Ausgrenzung und Verfolgung von Minderheiten sowie auf scheinbaren oder tatsächlichen Zuwendungen für Angehörige der NS„Volksgemeinschaft“. Götz Aly Der 1947 geborene Götz Aly besuchte die Deutsche Journalistenschule in München, studierte Geschichte und Politische Wissenschaften in Berlin. Er hat wichtige Veröffentlichungen zur Sozialpolitik und zur Geschichte des Nationalsozialismus vorgelegt. Er war Redakteur bei der taz, bei der Berliner Zeitung und arbeitet heute als freier Autor. 2002 wurde Prof. Dr. Götz Aly mit dem HeinrichMann-Preis ausgezeichnet, 2003 mit dem Marion-Samuel-Preis. Hitlers Volksstaat Der Buch-Tipp zum Vortrag lautet: Götz Aly, „Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus“, S. Fischer Verlag, ISBN 3100004205. 92 linz wirtschaft Gutes Jahr für den Linzer Hafen Der Linzer Hafen – ein Geschäftszweig der zur LINZ AG zählenden LINZ SERVICE GmbH – ist einer der wichtigsten Logistikknoten im oberösterreichischen Zentralraum. Im Jahr 2007 konnte die Gesamtbetriebsleistung um 4,3 Prozent auf 3,134 Millionen Tonnen gesteigert werden. Der Zuwachs ist in erster Linie auf das Landgeschäft zurückzuführen. Wegen des florierenden Kombiverkehrs stieg der Landumschlag um 5,9 Prozent auf 2,086 Millionen Tonnen. Beim Wasserumschlag konnte das Tonnageminus im Handelshafen durch eine kräftige Steigerung des Tankhafenumschlags mehr als kompensiert werden. Es wurden 1,049 Millionen Tonnen umgeschlagen, um 1,2 Prozent mehr als 2006. Das Betriebsergebnis war mit 3,7 Millionen Euro um 9,8 Prozent besser als im vorangegangenen Geschäftsjahr. Der Inves titionsaufwand von 2,2 Millionen Euro diente vor allem für den Ausbau des Containerterminals. wurden umgeschlagen. Der Lagerumschlag lag mit 39.763 Tonnen um 9,4 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Spezialist für Lagerung Die zur Gänze im Eigentum der LINZ AG befindliche österreichische Donaulager GmbH verfügt über eine gedeckte Lagerfläche von rund 95.000 Quadratmetern die voll ausgelastet ist. Ihre Kunden sind Industrie- und Handelsbetriebe aus Österreich und Deutschland. Das Unternehmen zählt zu den führenden Anbietern von Gefahrgutlagerflächen. In vier Hallenwerden derzeit 3.500 Palettenplätze geboten. Eine fünfte Lagerhalle mit 3.500 Paletten plätzen ist in Bau. Sie wird eine im Jänner 2008 ohne Verschulden der Donaulagergesellschaft abgebrannte Halle mit 1.200 Palettenplätzen ersetzen. Gelagert werden vor allem Reinigungs- und Lösungsmittel, Chemikalien zur Entfettung von Metallen, Sprays und Lacke. Ausbaufähig ist auch der Bereich Tiefkühllager. Dabei gewinnt die Lagerung von Spezialfolien sowie Flugzeugkomponenten immer mehr an Bedeutung. Ein neues Tiefkühllager mit 1.900 Palettenplätzen wurde im Juni 2008 in Betrieb genommen. Investitionen 2008 Heuer werden im Hafen rund 6,2 Millionen Euro investiert. Herausragende Ausgabenposten sind neben den Lagerhallenprojekten vor allem Umschlaggeräte, Fahrzeuge und Logistikeinrichtungen sowie die Vorbereitung der Verlandung von Teilen der drei Hafenbecken. Die gewonnene Fläche von mehr als sechs Hektar wird für den Bau eines Logistikparks verwendet. (www.linzag.at) Höherer Wasserumschlag Der Wasserumschlag ging im Handelshafen wegen geringerer Düngemitteltransporte um 17,3 Prozent auf 469.345 Tonnen zurück. Im laufenden Geschäftsjahr zeichnet sich jedoch wieder ein Aufwärts trend ab. Im Tankhafen wurden 579.201 Tonnen Mineralölprodukte umgeschlagen, um 23,6 Prozent mehr als 2006. Der Trend zur Containerfracht ließ den Umschlag im Kombiverkehrszentrum um 6,2 Prozent auf 2,045 Millionen Tonnen steigen. Mehr als 200.000 Container Impressum: linz aktiv Kommunale Vierteljahresschrift der Stadt Linz Herausgegeben von der Landeshauptstadt Linz Chefredakteurin: Dr. Karin Frohner, Leiterin der Stadtkommunikation Linz Redaktion: Der Linzer Hafen wird als Logistikdrehscheibe weiter an Bedeutung gewinnen. (Foto: Stadtplanung Linz/Pertlwieser) Mag. Christian Reiter, Stadtkommunikation Linz, Hauptplatz 1, 4041 Linz Tel. +43 (0) 0732 / 7070 - 1373, Fax: 7070 - 1313 E-Mail: [email protected] Gestaltung: Franz Kostak, Gregor Leutgeb Medieninhaber, Verleger und Drucker: Gutenberg-Werbering Ges. m. b. H., Anastasius-Grün-Straße 6, 4020 Linz Erscheinungsweise: vierteljährlich Jahresabonnement: 7,25 Euro Veröffentlichungen von Beiträgen aus „linz aktiv“ mit Quellenangaben (auch im Falle von auszugsweisen Wieder gaben) gestattet.