Montessori-Campus in Friedberg

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Montessori-Campus in Friedberg
Montessori Campus Friedberg
Campus Aktuell
27.06.2014
Vortragsreihe der Fördervereine
Der nächste Vortrag wird im Herbst 2014
stattfinden!
Vortragsreihe zeigt Kinofilm "alphabet,
Angst oder Liebe" im Kinocenter Friedberg
Eine Reise in die Welt der Bildung. Erwin Wagenhofers
letzter Film "alphabet" noch bis Ende Juni 2014 in
Friedberg zu sehen.
Kürzlich war der kontrovers diskutierte Film "alphabet" auf Initiative des Montessori-Campus
Friedberg in Kooperation mit dem Bildungsforum Friedberg im Roxy gezeigt worden.
Wagenhofers Dokumentarfilm kritisiert die Fokussierung weltweiter Bildungssysteme auf
Leistungsdruck und Konkurrenzdenken und stellt dem ein Konzept von Lernen entgegen, das
auf die Entfaltung individueller Fähigkeiten setzt. Dabei führt eine ruhige Kamera den
Zuschauer vom glücklichen Leben im Mutterleib in die Welt eines gestressten chinesischen
Musterschülers, der sich über seine Auszeichnungen nicht zu freuen vermag.
Im Musterland der PISA-Studien, so nüchterne Bilanz des Films, ist die Suizidrate unter
Schülern die höchste in der Welt. Gerald Hüther, Neurobiologe an der Universität Göttingen
erklärt die Motivation, Kinder einem solchen Bildungssystem zu unterwerfen, mit einer
tradierten Angst, dass aus einem Kind nichts werden könne. Diese wiederum rühre daher,
dass die Geschichte der Menschheit eine von Krieg, Elend und Vertreibung sei.
Die heutige Gesellschaft wird als eine Verkürzung des Lebens auf die Ökonomie präsentiert,
deren Repräsentanten Teilnehmer eines Assessment Centers bei Mc Kinsey sind, die alle
Stereotypen bedienen, die man vom klassischen Berater hat. Das Thema "Vertreibung aus
dem Paradies" bedient Wagenhofer mit einem nicht näher erläuterten Zitat einer Studie, nach
der 98% aller Menschen hochbegabt zur Welt kämen, aber im Erwachsenenalter nur noch 2%
hochbegabt seien.
Eine zentrale These des Films ist, dass die Schule Kindern ihre Kreativität und Spontanität
nimmt und mit ihrem nicht mehr zeitgemäßen Bildungsansatz Menschen hervorbringt, die
angepasst und unglücklich sind. Repräsentiert werden diese durch einen chinesischen Jungen
und eine hamburger Schülerin. Dem werden glückliche Individuen entgegengestellt, die sich
selbst verwirklichen konnten. André Stern musste gar niemals eine Schule besuchen.
Vorgestellt wird uns auch ein junger Mann, der als erster Mensch mit Down-Syndrom einen
Universitätsabschluss erreichen konnte.
Der Film gibt interssante Denkanstöße, sich mit den eigenen Vorstellungen von Bildung und
individueller Entfaltung auseinanderzusetzten. Er verkennt jedoch die Bedeutung eines
Bildungssystems, in dem Wissen akkumuliert und auch weitergegeben wird. Dass ein Mensch
mit Down-Syndrom heutzutage ganz anders wahrgenommen und gefördert werden kann, ist
Verdienst von Fortschritt in Wissenschaft und Forschung, die ohne Akkumulation und
Ausbau von Wissen nicht denkbar ist. Dass André Stern sich auch ohne formale Schulbildung
seinen Lebensunterhalt verdienen kann, ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass
seine Eltern seine Bildung begleiten konnten. Der Film suggeriert ein wenig, dass die
Gesellschaft besser wäre, wenn Menschen nicht zur Schule gehen müssten. Er verkennt dabei
den dramatischen Fortschritt, der beispielsweise in Deutschland mit der Durchsetzung der
allgemeinen Schulpflicht 1919 einhergegangen ist. Für Kinder nichtdeutscher Staatsbürger
wurde der Schulbesuch erst Ende der 60er Jahre Pflicht. Garantierter Zugang zu Bildung für
alle Mitglieder der Gesellschaft ist eine soziale Errungenschaft, die bei aller Kritik an der
Ausgestaltung nicht aus den Augen verloren werden sollte.
Auch dass sich die Lebensumstände von Menschen in der westlichen Welt, die der Film ja
doch letztlich schwerpunktmäßig zeigt, in Bezug auf Hygiene, Alltagskomfort und soziale
Absicherung maßgeblich verbessert haben, ist auf Kummulation von Wissen zurückzuführen,
die letztlich auch durch das Schulsystem weitergegeben wird. Bei aller berechtigten Kritik an
einer einseitigen Ausrichtung der Gesellschaft auf das Diktat der Ökonomie sollte nicht
übersehen werden, dass eben diese westliche Gesellschaft in ihrer demokratischen
Ausprägung trotz Konkurrenzdenken und Leistungsdruck dem Individuum Raum zur freien
Entfaltung lässt. Auch im traditionellen Schulsystem bestehen Gestaltungsspielräume für
modernen Unterricht, ganz zu schweigen davon, dass insbesondere alternative Schulformen
wie Montessori- oder Waldorfschulen im Rahmen des bestehenden Bildungssystems
alternative Schulansätze anbieten dürfen, ausgehend von der Erkenntnis, dass sich Kinder
auch anders und womöglich besser als nach tradierter Auffassung bilden können, ohne aber
Schule als solches in Frage zu stellen.
Wagenhofers Film "alphabet" suggeriert, dass dem globalen Diktat der Ökonomie ein
globales Bildungskonzept zugrunde liegt, das auf Leistungsdruck und Konkurrenzkampf
geruht und letztlich inhuman ist. Dafür stellt er dem chinesischen Schulalltag die persönlichen
Befindlichkeiten einzelner Individuen der westlichen Welt gegenüber. Er sieht dabei darüber
hinweg, dass Schulsysteme global gesehen in ihrer konkreten Ausgestaltung sehr eng mit den
jeweiligen Gesellschaftssytemen verbunden sind. Diese bieten in sehr unterschiedlichem
Maße Raum für die Entfaltung des Individuums. Ihre Schulen ebenso. Wagenhofer schlägt
Alarm, es darf kontrovers diskutiert werden! Gerade für Schüler, Lehrer und Eltern bietet sein
Film viele Anregungen und verdient es daher unbedingt, noch bis Ende Juni 2014 im Roxy
angeschaut zu werden. Terminanfragen für eine Filmvorführung bitte über
[email protected]!
Respektiere dein Kind - und du wirst
respektiert
Vortragsreihe am Montessori Campus Friedberg
thematisiert die Beziehung zwischen Erwachsenen und
Kindern.
Am 20. November 2013 demonstrierten die Pädagogin Dorothea Schlegel-Hentrich und der
sechsfache Karateweltmeister Mohammed Talbi in der Sporthalle des Montessori Campus
Friedberg gemeinsam, wie Eltern und Kinder zu mehr Respekt im Umgang miteinander
kommen. Wie lässt sich asiatische Kampfkunst mit dem Thema Respekt im Umgang mit
Kindern und Jugendlichen vereinbaren? Für Dorothea Schlegel-Hentrich und Mohammed
Talbi offenbar kein Problem. Erstmalig wurde dabei im Rahmen der Vortragsreihe am
Campus auch eine praktische Trainingseinheit angeboten, in der die anwesenden Zuhörer
verschiedenste Techniken aus Iai Jutsu, Aikido, Karate, Kickboxen, Tai Chi und Yoga selbst
erproben durften, "denn durch die Selbstwahrnehmung und Disziplin während der Übungen
kommen wir zu mehr Respekt im Umgang mit uns selbst und mit Anderen," so Talbi. Diese
Erfahrung konnte Schlegel-Hentrich aus ihrer beruflichen Praxis bestätigen: "Überall wo ich
mit meinen Worten an Grenzen stoße, öffnet die körperliche und mentale Herangehensweise
durch Talbis Training ganz neue Türen."
Weil Respekt keine Einbahnstraße ist, fand am 30. November von 14.00 bis 18.00 Uhr auf
dem Montessori Campus der 2. Teil der Veranstaltung statt. Kinder und Jugendliche im Alter
zwischen 6 und 16 Jahren erhielten in einem 4-stündigen Workshop von dem sechsfachen
Karateweltmeister und aktuellen Weltrekordhalter im Zerschlagen von Ytongsteinen
Mohammed Talbi einen praktischen Einblick in fernöstliche Kampfsportarten. Dabei flossen
auch Erkenntnisse zu der Verbindung von Körper und Geist, dem respektvollen Umgang mit
sich selbst und Anderen sowie die Steigerung der Motivation mit ein.
Während ihres 45minütigen Vortrags zum Thema "Respekt bekommen und verdienen - aber
wie?" sind die Worte der Diplom-Pädagogin nicht ohne Wirkung geblieben. Vertrauen sei die
Grundlage von Respekt, Respektlosigkeit erfolge immer dann, wenn die Beziehung gestört
sei, so die Kernaussage der Referentin. Es lohne sich deshalb, zu hinterfragen, was der
Auslöser für den Vertrauensverlust der eigenen Kinder gewesen sein könne und wie deren
Vertrauen wieder herzustellen sei. Im Rahmen ihres Vortrages zählte Schlegel-Hentrich eine
ganze Reihe von Respektlosigkeiten auf, die Eltern im Erziehungsalltag unterliefen.
Kontrollieren statt vertrauen, unangenehme Erfahrungen nicht zulassen und Standpauken, bei
denen die Kinder auf Standby-Modus wechseln, waren einige Beispiele hierfür. Die
Erziehungsexpertin forderte die anwesenden Eltern dazu auf, lieber mit überraschenden und
humorvollen Reaktionen auf unerwünschtes Verhalten zu reagieren.
Dr. med Heike Schuhmacher referiert über
visuelle Wahrnehmungsstörungen
"Keinen Durchblick"
"Keinen Durchblick" lautete salopp der Titel des Vortrags, den Dr. med Heike Schuhmacher
am 23. April 2013 auf dem Montessori Campus gehalten hat. Vor über 100 Zuhörern sprach
die Allgemeindmedizinerin und in den USA ausgebildete Spezialistin für
Funktionaloptometrie über in Deutschland weitgehend unbekannte Erkenntnisse zum Thema
visuelle Wahrnehmungsstörungen und deren Folgen für betroffene Schüler.
"Ich will nicht in die Schule! Ich hasse lesen! Ich kann einfach nicht schreiben", dies oder
ähnliche Statements hört Schumacher von ihren jungen Patienten immer wieder, wenn diese
das erste Mal ihre Praxisräume betreten. Die Not der Kinder zusammen mit der Unwissenheit
der Pädagogen und Eltern ergeben einen schier unermesslichen Leidensdruck, dem Kinder
häufig bereits ab dem 1. Schuljahr ausgesetzt sind.
Weil visuelle Wahrnehmungsstörungen i.d.R. nicht vom Augenarzt diagnostiziert werden
können, glauben Eltern und Lehrer häufig, dass die betroffenen Schüler entweder zu faul oder
nicht intelligent genug seien, um den Schulalltag erfolgreich zu meistern. Ein fatalter Irrtum,
wie Heike Schuhmacher immer wieder erlebt. "Schule ist ein visuelles Hochleistungsystem,
in dem 80 Prozent aller Lernprozesse visuell erfolgen. Wer hier aufgrund von
Beeinträchtigungen nicht mithalten kann, verbaut sich Bildungschancen mit Folgen für das
ganze Leben", so die Referentin.
Dabei sind visuelle Wahrnehmungsstörungen therapierbar. Sehen in seinen komplexen
Funktionen ist eine erlernte Gehirnfunktion und ist, wie andere neuropsychologische
Funktionen auch, z.B. ein Gedächtnistraining, trainierbar. Diese Erfahrung macht die
renommierte Ärztin, die in den vergagenen 25 Jahren mehrere Tausend Schülerinnen und
Schüler entsprechend therapiert hat, immer wieder.
Mit einem Ausflug in die Wissenschaft machte Schuhmacher während ihres Vortrags
deutlich, dass Sehen die komplexeste aller Hirnfunktionen sei. "35 Hirnareale sind primär
oder sekundär mit der visuellen Großhirnrinde verbunden, 80 Prozent aller Nervenfasern mit
dem Sehen verschaltet. Sieben der insgesamt zwölf Hirnnerven steuern direkt oder indirekt
visuelle Funktionen."
Bei einer visuellen Wahrnehmungsstörung handelt es sich deshalb um mehr als nur ein
Sehproblem durch schlechte Sehschärfe. "Damit man richtig sieht, muss das komplexe
Zusammenspiel zwischen Sehschärfe, binokularem Sehen, Augenbewegungen und visueller
Informationsverarbeitung funktionieren. Gibt es auch nur in ein oder zwei Teilbereichen
dieser vernetzten visuellen Funktionen Probleme, hat das Konsequenzen für die gesamte
Schullaufbahn", so Schuhmacher.
In ihrem Vortrag demonstrierte die Ärztin ganz praxisnah, wie sich solche Beeinträchtigungen
äußern und welche Auswirkungen sie haben. Anhand von Diktaten und Aufsätzen
verdeutlichte sie, dass diese Funktionsstörungen, obwohl selten diagnostiziert, dennoch nicht
unsichtbar sind. Auf ihrer Homepage hat die Medizinierin die häufigsten Symptome visueller
Wahrnehmungsstörungen gesammelt und zum Download bereitgestellt.
Erste Indizien können unter anderem phonetisches Schreiben, unsauberes Schriftbild,
anhaltend schlechte Lesekompetenz, Weglassen von Buchstaben, unmögliche
Schreibhaltungen sowie Kopfschmerzen, Erschöpfungszustände, Unkonzentriertheit oder
tränende Augen sein. Wenn Eltern oder Lehrer diese oder ähnliche Symptome bei Kindern
entdecken, empfliehlt die Expertin in Sachen Sehen genauer hinzuschauen. "Häufig werden
dahinter fälschlicherweise ADS oder Leserechtschreibschwächen vermutet, was letztendlich
zu einer ergebnislosen Behandlung der Symptome führt", so Schuhmacher.
Bereits im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Heidelberger Universitätsaugenklinik belegte
Schuhmacher, dass von dieser Symptomatik ein hoher Prozentsatz an Kindern mit
diagnostizierten Teilleistungsstörungen betroffen ist.
In ihrer Not helfen sich die betroffenen Kinder, indem sie mit Tricks, oft vergeblich,
versuchen, das Defizit auszugleichen. Phonetisches Schreiben oder das Zuhalten eines Auges
sind nach Angaben von Schuhmacher Beispiele hierfür. Um erfolgreich von der Welt der
gesprochenen Sprache in die Welt der geschriebenen Sprache zu kommen, braucht es Hören,
Sehen und Gedächtnis, "denn nur selten identifizieren wir Schreibfehler aufgrund erlernter
Rechtschreibregeln". Vielmehr helfe uns dabei unser innerhalb von Millisekunden präzise
abgleichendes Wortbildgedächtnis.
Diese und andere Störungen, die die visuelle Kompetenz beeinträchtigen, kann Heike
Schuhmacher anhand modernster Diagnostikverfahren erkennen und behandeln. Kern der
Therapie ist ein orthoptisch-optometrisches Visualtraining. Die Therapie muss mit täglichen
etwa 15-minütigen Übungssequenzen kombiniert werden, damit sich binnen weniger Monate
nachhaltige und messbare Erfolge zeigen. Ihr Know-how sowie Diagnostik- und
Übungsmaterialien bezieht Schuhmacher weitgehend aus den USA, da in Deutschland dieser
Problematik wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird und weder Lehrer noch Eltern
betroffener Kinder wissen, dass es solche Wahrnehmungsstörungen gibt. Für die Schulleiterin
der Montessori-Grundschule, Silke Marquard, war dieser Abend allein schon deshalb sehr
erhellend. Bei der Verabschiedung von Dr. Schuhmacher erklärte sie, dass sie endliche eine
Erklärung für einige Phänomäne in ihrem Schulalltag habe und entsprechend reagieren könne.

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