Programmheft
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Mehr Licht! DIE EUROPÄISCHE AUFKLÄRUNG WEITER GEDACHT Lesungen ∞ Gespräche von September bis November 2010 www.mehrlicht.info www.literaturbuero-ruhr.de Mehr Licht! – Die europäische Aufklärung weiter gedacht Ein Kooperationsprojekt der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 mit dem Literaturbüro Ruhr e. V. Veranstalter und Herausgeber Literaturbüro Ruhr e. V. Projektleitung Gerd Herholz (v. i. S. d. P.) Projektassistenz Verena Geiger Literaturbüro Ruhr e. V. Friedrich-Ebert-Straße 8, 45964 Gladbeck www.mehrlicht.info www.literaturbuero-ruhr.de Kooperationspartner RUHR.2010 Künstlerische Direktorin Stadt der Kulturen RUHR.2010 Aslı Sevindim Projektkoordination RUHR.2010 Ria Jansenberger Dr. Michael Paaß Team Stadt der Kulturen Mehr Licht! DIE EUROPÄISCHE AUFKLÄRUNG WEITER GEDACHT Lesungen ∞ Gespräche von September bis November 2010 www.mehrlicht.info www.literaturbuero-ruhr.de Redaktionsschluss 28. Juni 2010 Änderungen vorbehalten Programmaktualisierungen unter www.mehrlicht.info Das Literaturbüro Ruhr wird gefördert durch den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen den Regionalverband Ruhr und die Stadt Gladbeck Info-Hotline RUHR.2010 Tel. +49 (0) 18 05. 45 20 10* Buchungs-Hotline für Tickets Fotos siehe Bildränder Gestaltung www.bensanto.com Druck Druckerei Schmidt, Lünen Papier Fly® extraweiß, FSC zertifiziert, Papierfabrik Schleipen, Bad Dürkheim Schrift FF Clifford Pro von Akira Kobayashi /Akkurat von Laurenz Brunner Illustrationsvorlagen Natural History Museum, London Cover: Trachypithecus vetulus von Pieter Cornelius de Bevere (1722 – 1781) Vorwort: Le Sajou Brun, Femelle von Nicholas Marechal (1753–1803) Logoleiste: Lemur catta von Jean-Baptiste Audebert (1759–1800) Apfel: Malus sp von William King (c. 1750) Tel. +49 (0) 18 05. 15 20 10* www.ruhr2010.de/tickets & lokale Ansprechpartner im Heft-Innenteil Veranstaltungskalender RUHR.2010 www.ruhr2010.de/veranstaltungen Unterkünfte und Reiseangebote der Ruhr Tourismus GmbH Tel. +49 (0) 18 05. 18 16 10* *Festnetzpreis 0,14 EUR/Minute, Mobilfunk abweichend Ranjit Hoskoté, Ilija Trojanow ∞ Hubert Winkels 1 Mittwoch, 15. September 2010, 20 Uhr, Bochum Gert Scobel ∞ Hubert Winkels 2 Freitag, 17. September 2010, 20 Uhr, Gladbeck Günter Grass 12 Donnerstag, 28. Oktober 2010, 20 Uhr, Duisburg Vincent Klink ∞ Denis Scheck 13 Sonntag, 31. Oktober 2010, 20 Uhr, Gladbeck Wiglaf Droste ∞ Danny Dziuk 3 Mina Ahadi, Fiona Lorenz, Marit Rullmann ∞ Prof. Ulla Wessels 14 Donnerstag, 23. September 2010, 20 Uhr, Gladbeck Mittwoch, 3. November 2010, 20 Uhr, Duisburg Wiglaf Droste ∞ Danny Dziuk 4 Prof. Christoph Butterwegge ∞ Marco Bülow 15 Freitag, 24. September 2010, 20 Uhr, Hattingen Roger Willemsen ∞ Gabriele von Arnim 5 Donnerstag, 4. November 2010, 20 Uhr, Dortmund Robert Menasse ∞ Gerd Herholz 16 Dienstag, 28. September 2010, 20 Uhr, Recklinghausen Freitag, 5. November 2010, 20 Uhr, Essen Thomas Kapielski ∞ Eckard Koltermann 6 Wilhelm Schmid ∞ Gabriele von Arnim 17 Mittwoch, 29. September 2010, 20 Uhr, Essen Richard David Precht, Karen Duve ∞ Denis Scheck 7 Donnerstag, 30. September 2010, 20 Uhr, Duisburg Karen Duve, Hamed Abdel-Samad, Michael Schmidt-Salomon, Prof. Franz Wuketits ∞ Prof. Ulla Wessels 8 Freitag, 1. Oktober 2010, 20 Uhr, Oberhausen Prof. Richard Dawkins 9 Donnerstag, 21. Oktober 2010, 20 Uhr, Mülheim Mario Levi ∞ Barbara YurtdaS 10 Dienstag, 26. Oktober 2010, 20 Uhr, Dortmund Mittwoch, 10. November 2010, 20 Uhr, Bochum Michael Schmidt-Salomon ∞ Gerd Herholz 18 Donnerstag, 11. November 2010, 20 Uhr, Oberhausen Wilhelm Schmid ∞ Gert Scobel 19 Freitag, 12. November 2010, 20 Uhr, Duisburg Tahar Ben Jelloun ∞ Christiane Kayser 20 Mittwoch, 17. November 2010, 20 Uhr, Mülheim Sabine Küchler, Raoul Schrott ∞ Denis Scheck 21 Donnerstag, 18. November 2010, 20 Uhr, Recklinghausen Günter Grass 11 Prof. Jörn Rüsen, Prof. Hans Jörg Sandkühler ∞ Rainer Weichelt 22 Mittwoch, 27. Oktober 2010, 20 Uhr, Bochum Mittwoch, 24. November 2010, 19.30 Uhr, Gladbeck GruSSwort ›Nur noch in Schulden sich mehrendes Geld. Aufgüsse ausgelaugter Ideen. Diese Unfähigkeit, wenn nicht aus neuen, dann aus alten Wunschwörtern, die Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit hätten heißen können, ein wenig späte Erkenntnis zu saugen‹, heißt es in Günter Grass’ Roman ›Die Rättin‹ aus dem Jahre 1986. Foto: U. KAUFMANN © RUHR.2010 Humanistische Inspirationen der europäischen Auf klärung wie die Suche nach Formen von Freiheit sowie das Streben nach universellen Menschenrechten sind heute mehr denn je infrage gestellt. Die gefährdete Auf klärung steht im Herbst 2010 im Mittelpunkt der prominent besetzten literarisch-philosophischen Reihe ›Mehr Licht! – Die europäische Auf klärung weiter gedacht‹, die im Rahmen des Programms der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 in Kooperation mit dem Literaturbüro Ruhr e. V. stattfindet. Durch großes Engagement, mit Fachkompetenz, originellen Konzepten und Findigkeit gelingt es dem Literaturbüro Ruhr seit Jahren, die bekannten und unbekannten Großen und Tiefgründigen der Weltliteratur bei Themenfestivals, Reihen und Einzelveranstaltungen als Gäste in die Metropole Ruhr zu holen. Mit ›Mehr Licht!‹ wird das Team des Literaturbüros Ruhr um Gerd Herholz im Kulturhauptstadtjahr dies alles auf die literarische ›Spitze‹ treiben. Beeindruckend ist die Zahl namhafter Persönlichkeiten aus den Bereichen Literatur, Wissenschaft und verschiedenen anderen Disziplinen, die sich mit spannenden Lesungen und Diskussionsrunden an ›Mehr Licht!‹ beteiligen werden. Wir freuen uns sehr, im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms zusammen mit dem Literaturbüro Ruhr e. V. ein so anspruchsvolles Literaturprojekt präsentieren zu können, das beharrliches öffentliches Nachdenken, Esprit und gute Unterhaltung verbindet. Dem Projekt ›Mehr Licht!‹ wünschen wir breite Resonanz beim Publikum und viel Erfolg beim Versuch, auf klärerisches Denken lebendig und anregend auf die Bühnen zu bringen. Aslı Sevindim Künstlerische Direktorin RUHR.2010 und das Team Stadt der Kulturen Vorwort ›Mehr Licht!‹ – Goethes letzte Worte auf dem Sterbebett scheinen Ihnen abgenutzt? Einer von vielen Germanisten-Kalauern behauptet zudem, dass Goethe auch eher ›Mehr nicht!‹ genuschelt habe. Sicher, es wäre naiv, allein ›Mehr Licht!‹ herbeizusehnen und dabei zu versäumen, wohltuenden und kühlen Schatten zu loben. Andererseits wirft aktuell ein ungezügeltes Geld- statt Weltbürgertum so viele düstere Schatten, dass jede Aussicht auf menschenwürdiges Zusammenleben sich darin verliert. ›Man spricht viel von Auf klärung und wünscht mehr Licht. Mein Gott, was hilft aber alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben, oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen‹, schrieb Georg Christoph Lichtenberg in seinen Sudelbüchern. Doch selbst im Bewusstsein einer Dialektik der Auf klärung, ihrer gescheiterten Hoffnungen und ihres Elends, muss heute dennoch auf einer zweiten, einer sich selbst aufklärenden Auf klärung bestanden werden – daher der Versuch dieses Projektes, die europäische Auf klärung zumindest in Ansätzen neu, weiter, offener zu denken. Eine Zeit lang war es très chic, vom Ende der Geschichte zu sprechen und vom Verlust der Utopien, die allesamt versagt hätten. Die letzten Jahre und Jahrzehnte zeigen jedoch deutlich, dass es vielmehr die Praxis von Ideologien ist, die knirschend auf Grund läuft: die von Neoliberalismus und Marktfetischismus, die Praxis eines sklerotischen Staatssozialismus und die von religiösen Fundamentalismen. Statt versetzt in fantastische Nicht-Orte humaner Zukunft finden sich immer mehr Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit eingezwängt, verfangen sich in geschlossenen Systemen und der medialen Allgegenwärtigkeit ihrer Parolen. Über Aspekte der Zukunft einer sich selbst auf klärenden Aufklärung, die von menschlichem Mitgefühl inspiriert bleiben muss, diskutieren deshalb im Herbst 2010 bei 22 Veranstaltungen 38 namhafte Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler und Persönlichkeiten aus anderen Bereichen. Das Ver- schwinden von Freiräumen als Räumen der Freiheit, die Themen und Leitmotive des Projektes haben unmittelbar zu tun mit dem Leben und Zusammenleben der Menschen in der Region, ihren Perspektiven auch im europäischen bzw. globalen Kontext. Das Projekt ›Mehr Licht!‹ thematisiert die gefährdete Auf klärung als zentrales Erbe eines humanistischen Europas. Die Gefährdung betrifft Menschen-, Frauen- und Arbeitnehmerrechte, führt zu Denkverboten, Verlust von Bildung und historischer Erinnerung, großen Defiziten bei der Schreib- und Lesekultur. Es bleibt also an der Zeit, sich Gedanken zu machen über die Werte und Visionen eines toleranten Kosmopolitismus jenseits der Wagenburg Europa, über Lebenskunst als Selbstbehauptung mündiger Individuen, die nicht aufgeben wollen, zumindest einen Winkel dieser Welt zu erhellen. Es darf ruhig sehr viel mehr Licht geworfen werden auf einen bemerkenswert schnell neu erstarkten Marktfundamentalismus ohne Moral, auf universelle Menschenrechte, die nicht bloß eurozentrisch oder religiös (›Weltethos‹) geprägt sind, und auf gelassene Religionenkritik wie auch auf Gelassenheit gegenüber der Religionenkritik. Gerd Herholz Wissenschaftlicher Leiter Literaturbüro Ruhr e. V. 1 Kampfabsage. Ilija Trojanow, in Sofia geboren, aufgewachsen in Nairobi, Kulturen bekämpfen sich nicht – sie flieSSen zusammen Ilija Trojanow und Ranjit Hoskoté im Gespräch mit Hubert Winkels. Ein Abend in deutscher und englischer Sprache, gedolmetscht von Nadine Dönike In Kooperation mit der Literarischen Gesellschaft Bochum und dem Museum Bochum Eine eigene Identität vor allem durch Abgrenzung definieren zu wollen, ist unsinnig, weil unmöglich. Der Versuch, kulturelle Scheinreinheit zu bewahren, indem man ›schädliche‹ Einflüsse von außen unterdrückt, muss scheitern. In ihrem Buch ›Kampfabsage‹ zeigen Ilija Trojanow und Ranjit Hoskoté, dass das Zusammenfließen von Kulturen ein historisches ›Naturgesetz‹ ist. Es ist ein dynamischer Prozess, der kulturelle Identität und Zivilisation überhaupt erst ermöglicht. Die Autoren behaupten nicht, dass das Zusammenfließen von Kulturen als stets friedliche Vereinigung geschehe, bei der die eine Kultur die andere freudig umarme. Aber sie werden zusammenfließen, ob uns das passt oder nicht. ›Denn das Trennende ist eine momentane Differenz, eine Flüchtigkeit der Geschichte‹, dieser Text scheint auf, wenn man unter der Adresse www.ilija-trojanow.de dessen Homepage aufruft. Ranjit Hoskoté wurde 1969 in Mumbai (Bombay) geboren. Nach Stipendien an der Universität von Iowa und in der Villa Waldberta, München, veröffentlichte er in Zeitungen und Magazinen, darunter Poetry Review (London), The New Strait Times (Kuala Lumpur). Er ist u. a. Träger des Sanskriti Award for Literature. Hoskoté arbeitet als ein in Englisch schreibender Dichter und Schriftsteller, als Kunst-Kurator, Kulturjournalist und Sekretär des indischen P.E.N.-Clubs. Bei Hanser erschienen seine Gedichte ›Die Ankunft der Vögel‹. Mehr unter specials.hanser.de/lyrikkabinett/ Die Lesung moderiert Dr. Hubert Winkels. Seine bio-bibliographischen Daten finden Sie in diesem Heft unter dem Datum des 17. September. Nadine Dönike ist Diplomdolmetscherin für Englisch und Foto: Ilija Trojanow Foto: Thomas Dorn Französisch. Infos zu ihr finden Sie unter dem Datum des 21. September. Mittwoch, 15. September 2010, 20 Uhr Museum Bochum, Kortumstraße 147, 44787 Bochum Eintritt: 5/9 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 34. 32 22 56 7 (Lit. Gesellschaft) www.bochum.de/kunstmuseum Foto: Brigitte Friedrich studierte ›Jura, Ethnologie und Havarie‹ in München. 1989 Gründung des Marino Verlags für Bücher über Afrika. Autor, Übersetzer und Publizist. Trojanow lebte in Bombay und Kapstadt. Heute ist er in Wien zu Hause. Er erhielt u. a. den Würth-Preis für Europäische Literatur. Zuletzt erschienen von ihm ›Der Weltensammler‹, ›Nomade auf vier Kontinenten‹, ›Der entfesselte Globus‹ und zusammen mit Juli Zeh ›Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte‹. 2 Weisheit. Über das, was uns fehlt Gert Scobel liest und spricht mit Hubert Winkels Gert Scobel folgt diesen Traditionen bis zu ihren Ursprüngen, In Kooperation mit der Neuen Galerie und der Stadt Gladbeck ins Mittelalter und in den fernen Osten. Im Gespräch mit Hubert Winkels bringt er den Gästen dieses Abends auch neue Erkenntnisse zur Weisheit aus Psychologie, Neurowissenschaften, Biologie, Glücks- und Komplexitätsforschung nahe. Gert Scobel, 1959 in Aachen geboren, studierte Philosophie und katholische Theologie an der Jesuiten-Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main und an der University of California sowie Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie in Frankfurt a. M. Zweimal erhielt er das EICOS-Stipendium. Nach seiner Arbeit als freier Journalist sowie als Dokumentarfilmer moderierte er als Anchorman die 3sat-Sendung ›Kulturzeit‹. Außerdem war er Moderator des ARD-Morgenmagazins, der Sendung ›delta‹ und hat seit 2008 seine eigene Sendung: ›scobel‹. 2005 wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet und das Mediummagazin kürte ihn zum ›Kulturjournalisten des Jahres‹. Mehr unter www.3sat.de/scobel Die Lesung moderiert Dr. Hubert Winkels. Er ist seit 1988 als Literaturkritiker für die ZEIT tätig. Seit 1997 arbeitet er als Literaturredakteur im Deutschlandfunk und ist ein sehr gern gesehener Gast des Literaturbüros Ruhr. Hubert Winkels veröffentlichte zuletzt ›Der Stimmen Ordnung. Über Thomas Kling‹ und in diesen Tagen ›Kann man Bücher lieben? Vom Umgang mit neuer Literatur‹. 2007 wurde Winkels mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet. Freitag, 17. September 2010, 20 Uhr Neue Galerie Gladbeck Bottroper Straße 17, 45964 Gladbeck www.neue-galerie-gladbeck.de Foto: Klaus Weddig Eintritt: 5/9 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 0 20 43. 99 26 58 oder zahlen per eCash unter www.stadtbuecherei-gladbeck.de Foto: Brigitte Friedrich Der Mensch, der den Berg abtrug, war derselbe, der anfing, kleine Steine wegzutragen. Schon wahr, aber es ist nicht leicht, so viel konfuzianische Weisheit im Alltag nach- und vorzuleben. Kaum etwas fehlt den Menschen heute so sehr wie Weisheit: im Umgang mit der Welt, mit anderen und mit uns selbst. Dabei geht es um etwas Fundamentales: um den Sinn des Lebens, um Glück – und unsere Haltung zur eigenen Endlichkeit, zur festen Aussicht auf den Tod. Verstärkt wird dieser Mangel durch die Herausforderungen einer komplexer werdenden Umwelt. Während das Faktenwissen zunimmt, sehen wir uns mit immer mehr Widersprüchen konfrontiert. Doch Weisheit stellt sich dummerweise nicht von allein ein – auch im Alter nicht. Die gute Nachricht aber lautet: Wir können sie kultivieren und trainieren. Die Weisheitstraditionen bieten dabei nicht nur Anhaltspunkte für ein glücklicheres Leben, sondern auch Orientierung diesseits von Moral, Wissenschaft und Religion. In Kooperation mit der Stadtbücherei Gladbeck, dem Stadtmuseum Hattingen und dem Deutschen Aphorismus-Archiv ›Der Mensch kommt unter allen Tieren in der Welt dem Affen am nächsten.‹ Der Schriftsteller, Mathematiker und Experimentalphysiker Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) war ein scharfsinniger Welterklärer, dessen Beobachtungsgabe sich nicht nur auf naturwissenschaftliche Erscheinungen konzentrierte, sondern insbesondere seine Umwelt und die Eigenheiten des Menschen im Blick hatte. Seine Fähigkeit zur skeptischen Betrachtung und ironischen Formulierung schlägt sich auch in seinen Aphorismen nieder. Als Auf klärer setzte Lichtenberg sich kritisch mit Obrigkeit und Fremdbestimmung auseinander, plädierte für den Gebrauch der eigenen Vernunft, auch auf die Gefahr hin, unbequem zu werden: ›Es ist unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.‹ Um Lichtenberg zu ehren, hat das Literaturbüro Ruhr Wiglaf Droste und Danny Dziuk gebeten, eine eigene LichtenbergProduktion auf die Bühne zu bringen. Wer wäre besser geeignet, dessen Gratwanderung zwischen Poesie und Essayistik vorzustellen, als Droste, publizistischer Poltergeist und scharfzüngiger Satiriker. Droste über die Aktualität des titelgebenden Lichtenberg-Aphorismus: › … ich habe ja Vergnügen an Vernunft und halte beides, Vernunft wie Vergnügen, nicht notwendigerweise für Gegensätze. Während das meiste von dem, was ich in der Zeitung lese, mir tatsächlich erscheint wie aus dem Kaffeesatz gepopelt – radikal ahnungslos, aber dafür mit frecher Blender-Attitüde samt entsprechender Glattlackvisage präsentiert.‹ Musikalisch begleitet wird Droste von Danny Dziuk. 1956 in Duisburg geboren, schmiss er nach dem Abitur das Konservatorium und machte sich auf den Weg durch Europa. Er war nicht allein: Wissensdurst, Talent und Musik begleiteten ihn. Er konnte singen, Klavier und Gitarre spielen und schlug sich als Straßenmusiker durch, aber auch als Erntehelfer, Straßenbauer und Hafenarbeiter. Auf dem Dresdner Theaterkahn wurde Dziuk mit dem Liederpreis 2009 ausgezeichnet. Mehr unter www.dziuks-kueche.de Donnerstag, 23. September 2010, 20 Uhr Stadtbücherei Gladbeck Friedrich-Ebert-Str. 8, 45964 Gladbeck www.stadtbuecherei-gladbeck.de Eintritt: 8/12 Euro (ermäßigt/Abendkasse ∞ Foto:Ingo Pertramer Wiglaf Droste und Danny Dziuk lesen und singen Georg Christoph Lichtenberg ∞ Eigenes 1961 in Herford/Westfalen geboren, war Wiglaf Droste in seiner Jugend Redakteur der ›taz‹ und der ›Titanic‹ und veröffentlicht heute regelmäßig im Funk, in der Zeitschrift ›Das Magazin‹ und vor allem in der vierteljährlich erscheinenden kulinarischen Kampfschrift ›Häuptling Eigener Herd‹, die er seit 1999 gemeinsam mit dem Stuttgarter Meisterkoch Vincent Klink herausgibt. Für seine Arbeit wurde Droste u. a. mit dem Annette von Droste Hülshoff-Preis ausgezeichnet. Von März bis Juli 2009 war er Stadtschreiber zu Rheinsberg. Mehr unter www.tomprodukt.de/wiglaf-droste Vorverkauf) Karten-Tel. 0 20 43. 99 26 58 oder zahlen per eCash unter www.stadtbuecherei-gladbeck.de Freitag, 24. September 2010, 20 Uhr Stadtmuseum Hattingen-Blankenstein Marktplatz 1-3, 45527 Hattingen Eintritt: 8/12 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 0 23 24. 68 16 10 oder unter [email protected] www.stadtmuseum.hattingen.de www.aphorismen-archiv.de Foto:Privat 3 / 4 Vom Wahrsagen lässt sich’s wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheit sagen 5 Reisen als Lebenskunst: den Dalai Lama. Willemsen wurde u. a. ausgezeichnet mit dem Grimme-Preis in Gold. Inzwischen steht er mit Stand UpProgrammen auf deutschen Bühnen. Zuletzt erschienen ›Hier spricht Guantánamo‹, das mit dem Rinke-Preis ausgezeichnete Buch ›Der Knacks‹ und ›Bangkok noir‹. Mehr unter www. roger-willemsen.de Die Enden der Welt Roger Willemsen im Gespräch mit Gabriele von Arnim In Kooperation mit Stadtbücherei und Auf fünf Erdteilen war Willemsen unterwegs, um seine ganz persönlichen Enden der Welt zu finden. Manchmal waren es die großen geographischen: das Kap von Südafrika, Patagonien, der Himalaja, die Südseeinseln von Tonga, der Nordpol. Manchmal waren es aber auch ganz einzigartige, individuelle Endpunkte: ein Bordellflur in Bombay, ein Bett in Minsk, ein Fresko des Jüngsten Gerichts in Orvieto, eine Behörde im kriegszerrütteten Kongo, eine Bahnstation in Birma. Willemsen bestieg einen sibirischen Vulkan und besuchte ein chilenisches Gefängnis, reiste mit einem russischen Eisbrecher und entkam auf einer pazifischen Insel einem Schiffsunglück, besuchte das Exil der Tuaregs in der Sahara und den Ort der Scheintoten in Katmandu. An diesen Orten kam es zu außergewöhnlichen Ereignissen und existentiellen Wendungen, zu rätselhaften Todesfällen und mysteriösen Verstrickungen und immer wieder auch zu Begegnungen, die sich zu Geschichten verdichteten. In Willemsens literarischen Reisebildern von den Enden der Welt geht es auch um ein Enden in anderem Sinn: um ein Ende der Liebe und des Begehrens, der Illusionen, der Ordnung und Verständigung. Um das Ende des Lebens – und um den Neubeginn. Oder um es mit Goethe zu sagen: ›Eine Reise gleicht einem Spiel. Es ist immer etwas Gewinn und Verlust dabei – meist von der unerwarteten Seite.‹ Foto: Privat Stadt Recklinghausen Das Gespräch führt Dr. Gabriele von Arnim. Die Journalistin und Moderatorin arbeitete u. a. als US-Korrespondentin für die Kunstzeitschrift ›art‹, schrieb für den ndr, wdr, die zeit und die Süddeutsche Zeitung und arbeitete beim deutschen und Schweizer Fernsehen. Als passionierte Reisende veröffentlichte sie u. a. bei DuMont den Reiseführer ›Richtig Reisen‹. Dienstag, 28. September 2010, 20 Uhr Ruhrfestspielhaus Otto-Burrmeister-Allee 1, 45657 Recklinghausen Eintritt: 8/12 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 09. 14 77 99 9 oder unter www.imvorverkauf.de / www.vccre.de ren gut zweitausend Interviews führte, Kultursendungen produzierte, Filme drehte. Er interviewte u. a. Audrey Hepburn, Yassir Arafat, Madonna, Pierre Boulez, Margaret Thatcher, Foto: Jörg Steinmetz Roger Willemsen kam 1991 zum Fernsehen, wo er in 15 Jah- 6 Kapielski und Koltermann klären auf Ein abgeklärt improvisierter Abend mit Thomas Kapielski und Eckard Koltermann Foto: Brigitte Kraemer Thomas Kapielski erhielt 2010 den Preis der Literaturhäuser. Der ›arme Mann von Charlottenburg‹, wie sich Kapielski selbst einmal nannte, zählt zu den künstlerischen Mehrfachbegabungen. Abgesehen von seinem Wirken als Nasenflötist, arbeitet er als bildender Künstler und hatte eine Professur an der Braunschweiger Hochschule für Bildende Künste inne. Dass ihn diese Einrichtung 2006 für tot erklärte, beeindruckte Kapielski wenig und hielt ihn nicht davon ab, sein literarisches Werk fortzuschreiben. Diese – mit Lichtenbergs Sudelbüchern verglichenen – Arbeiten nehmen sich alle Freiheiten, das sinnliche Gewirr der Gegenwart zu ertasten. Unerschrocken legt Kapielski einleuchtende ›Gottesbeweise‹ vor, dringt in den bundesdeutschen ›Mischwald‹ ein und begibt sich auf ›Ortskunde‹ in abseitige Landgemeinden. Kapielskis Notate mischen Text- und Bildformen und betrachten die Welt mit dem nötigem Ernst und der unverzichtbaren Komik. Ganz nebenbei gelingen Thomas Kapielski dabei Sentenzen wie ›Ein Tag ohne Bier ist wie ein Tag ohne Wein‹. Bei seinen Lesungen versteht es der engagierte Biertrinker Kapielski, die Offenheit seiner Texte auch in der Art seines Vortrags transparent zu machen. Wo sich alle Welt der ›Comedy‹ hingibt, zeigt Kapielski, wie wichtig es ist, die Gedanken springen zu lassen, ehe man sie formuliert, und wie man nach Helmut Schön und Helmut Schmidt eine Schirmmütze auf elegante Weise trägt. Foto: Privat In Kooperation mit dem Maschinenhaus Essen Eckard Koltermann wurde in Herne geboren, wo er bis heute lebt und arbeitet. Nach Studien der Musikethnologie in Berlin und einem Instrumentalstudium auf der Bassklarinette in Amsterdam wandte er sich autodidaktisch der Komposition zu und schrieb Kammeropern, Big Band Jazz sowie Musik für Theater, zeitgenössisches Tanztheater und Film. Er spielte mit eigenen Ensembles auf Konzerten und Festivals. Das Wechselspiel aus der rhythmischen und emotionalen Kraft des Jazz und Kompositionstechniken europäischer Prägung sieht er als Basis seiner Arbeit und seines individuellen Stils. Mehr unter www.eckard-koltermann.de Mittwoch, 29. September 2010, 20 Uhr Maschinenhaus Essen (Zeche Carl) Wilhelm-Nieswandt-Allee 100, 45326 Essen Thomas Kapielski, geboren 1951 in Berlin-Charlottenburg; Eintritt: 5/9 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Studium der Philologie, Physischen Geographie, Philosophie. Er arbeitet als Schriftsteller, Künstler, Musiker und Dozent und lebt in Berlin. Mehr unter www.kapielski.de oder unter [email protected] Karten-Tel. 02 01. 83 78 42 4 (bitte auf Band sprechen) www.maschinenhaus-essen.de 7 Alle Tiere werden Brüder? Eine Diskussion über Tierethik und Tierrechte Karen Duve, Richard David Precht und Denis Scheck Foto: Helmut Postel Massentierhaltung, bse, Klonschaf Dolly, Pelztierfarmen auf der einen Seite – dramatisches Artensterben und Animal Liberation auf der anderen: Zu keiner Zeit war der industrielle (und individuelle?) Umgang mit dem Tier so grausam wie heute, war das Wissen so groß, dass der Mensch selbstzerstörerisch mit der Natur umgeht, auch mit der eigenen. Dabei sind die Übergänge zwischen Mensch und Tier fließend: Ist doch der Mensch innerhalb der biologischen Systematik ein höheres Säugetier aus der Ordnung der Primaten, gehört zur Unterordnung der Trockennasenaffen und dort zur Familie der Menschenaffen. Vor diesem Hintergrund stellt sich unweigerlich die Frage nach universellen Tierrechten und nach einer Ethik im Umgang mit Tieren. Foto: Jens Komossa In Kooperation mit der Stadtbibliothek Duisburg Der Philosoph Richard David Precht hat sich bereits in seinem Buch ›Noahs Erbe‹ mit dem Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen auseinandergesetzt. Die Schriftstellerin Karen Duve verlässt das Feld der Theorie und wagt den Selbstversuch: Sie ging 2010 für vier mal zwei Monate zunächst den Weg der biologisch-organischen Ernährung, wurde dann Vegetarierin, Veganerin und wird zuletzt Frutarierin, auf deren Speiseplan ausschließlich Produkte stehen, die die Pflanzen freiwillig spenden. Analytisch, beharrlich, mitfühlend und mit erfrischend trockener Komik setzt sich Duve jenseits aller Ideologien mit der Frage auseinander: Wie viel gönne ich mir auf Kosten anderer? Über diese Erfahrung sowie die unterschiedlichen Denkmodelle und Weltbilder, die hinter einem Einsatz für Tierrechte stehen, spricht Denis Scheck mit den beiden Gästen. Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, arbeitete u. a. drei- Foto: ARD zehn Jahre lang als Taxifahrerin, diese Erfahrungen ver- und bearbeitete Duve für ihren Bestseller-Roman ›Taxi‹, der in viele Sprachen übersetzt wurde. Sie veröffentlicht Kurzgeschichten und Romane, so z. B. ›Regenroman‹, ›Weihnachten mit Thomas Müller‹ und ›Die entführte Prinzessin‹. Die Autorin lebt in der Märkischen Schweiz mit einem Maultier, einem Pferd, einem Esel, zwei Katzen und zwei Hühnern. Für Januar 2011 ist ihr neues Buch angekündigt: ›Anständig essen. Wie ich versuchte ein besserer Mensch zu werden. Ein Selbstversuch‹. Richard David Precht, Jahrgang 1964, ist Philosoph, Publi- Denis Scheck, geboren 1964 in Stuttgart, studierte Germanis- zist und Bestseller-Autor und bekannte einmal mit charmantem Understatement: ›Philosophie ist ein Abfallprodukt der Langeweile.‹ Er studierte Philosophie, Kunstgeschichte sowie Germanistik und promovierte an der Universität Köln. Seitdem arbeitet Precht für nahezu alle großen deutschen Zeitungen und Sendeanstalten, u. a. Frankfurter Allgemeine Zeitung, die ZEIT und Literaturen. Zum Bestseller-Autor wurde er durch seinen amüsant-schrägen Titel ›Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?‹. 2009 ist das Buch ›Liebe. Ein unordentliches Gefühl‹ erschienen. Precht lebt mit seiner Familie in Köln und Luxemburg. tik, Zeitgeschichte und Politikwissenschaft in Tübingen, Düsseldorf und Dallas. Er arbeitete als literarischer Agent, Übersetzer und freier Kritiker, seit 1996 ist er Literaturredakteur im Deutschlandfunk; außerdem Herausgeber der ›Mare-Bibliothek‹ und von ›Arche Paradies‹ sowie Moderator des ARDLiteraturmagazins ›Druckfrisch‹. 2000 – 2002 Mitglied der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises, 2004/2005 Gastprofessor für Literaturkritik an der Georg-August-Universität Göttingen, 2006 Mitglied in der Jury des Deutschen Buchpreises. Er lebt in Köln. Mehr unter www.daserste.de/druckfrisch/ Donnerstag, 30. September 2010, 20 Uhr Stadtbibliothek Duisburg Düsseldorfer Str. 5–7, 47049 Duisburg Eintritt: 9/13 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 03. 28 34 21 8 oder unter [email protected] www.stadtbibliothek.duisburg.de 8 Abschiede von Himmeln und Höllen – eine humanistische Freiheitsübung Mit Karen Duve und Prof. Ulla Wessels, mit Michael SchmidtSalomon, Hamed Abdel-Samad und Prof. Franz Wuketits In Kooperation mit der Giordano Bruno Stiftung und der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen Foto: Privat Nicht nur angesichts exzessiv ausgelebter Konsum-Egos und Spekulanten-Gier ist die Forderung nach Selbstrelativierung und bewusster Einordnung in eine humanistische Ethik, die die Wünsche jedes einzelnen übersteigt, dringend geboten. Eine solche Ethik kann verantwortungsvoll begründet werden, ohne die (Hilfs-)Konstruktion eines ›Gottes‹ oder einer Gottesidee weiterhin zu bemühen. Dass menschenfreundliche Ideen auch in religiöser Form in Erscheinung traten, spricht zunächst nicht für Religionen, sondern nur für die Tatsache, dass eben auch die Entwicklung von Ethik und Moral sich in historischen Formen ausdrückte und diese schließlich dialektisch sprengt. Selbstauf klärung, Selbstkultivierung (nie ohne Nächstenliebe) – dies ist notwendig, um die Not vieler zu wenden. Selbst einem Egoisten kann man verständlich machen, dass es in seinem wohlverstandenen Eigeninteresse ist, zumindest in gewissem Umfang moralisch zu sein. Philosophie, Mitleidsethik und Evolutionsbiologie erhellen, dass wir, so wie wir einen Grund haben, gegen unser eigenes Leiden vorzugehen, auch einen Grund haben, etwas gegen das Leiden anderer zu unternehmen. Kantianer haben gezeigt, dass wir in dem Maße, in dem wir vernünftig sind, auch moralisch sind. Es gibt viele Arten, Himmeln und Höllen den Abschied zu geben. Der heutige Abend thematisiert völlig unterschiedliche Lebenserfahrungen und Wege, z. B. aus christlicher und islamischer Sicht, thematisiert die neuen Positionen, die sich daraus ergeben. Einer wird Humanist /›Atheist‹, ein anderer Agnostiker oder aufgeklärter Moslem bzw. Christ oder Jude, der sich von bestimmten Gottesbildern, patriarchalen Traditionen und dem Diktat Heiliger Schriften verabschiedet. So oder so beginnen heute viele, darüber nachzudenken, wie Ethik oder Spiritualität gelebt werden können, wenn man sich von religiösen Vorstellungen löst und doch weit davon entfernt ist, sich den modischen Vorwürfen von ›Auf klärungsfundamentalismus‹ oder ›Islamophobie‹ auszusetzen. Humanistische Freiheitsübungen schaffen einen Grund für und zur Freiheit, vielleicht auch einen Abgrund im Sinne Camus’, der nach bewusster Sinngebung verlangt. Humanismus als Praxis eröffnet Spiel- und Denkräume für die Befreiung von überholten Denkmustern, von oft menschenfeindlichen Phantasien. Was bleibt: großer Reichtum an Gefühlen, Erfahrungen und Einsichten, an Selbstkultivierung und Selbstverantwortung, an Verantwortung für andere und mit anderen. Die Moderation dieses Abends hat Prof. Dr. Ulla Wessels von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, wo sie derzeit eine Professur für Praktische Philosophie innehat. Vernunft, Wohlergehen und der Begriff des Wollens, die Logik des Sollens, die Begründung und die Währung der Moral, die Gerechtigkeit von Verteilungen, der Sinn und der Wert des Lebens – das sind Themen, zu denen sie arbeitet. Aktuell schreibt sie ein Buch über das Gute. Sie hat an zahlreichen Universitäten im In- und Ausland gelehrt und geforscht, u. a. in Leipzig und Göttingen, an der University of California in Berkeley und an der Australian National University in Canberra. Zu ihren Veröffentlichungen gehören u. a. ›Der Sinn des Lebens‹, ›Die gute Samariterin‹, ›Handeln mit Bedeutung und Handeln mit Gewalt‹. Mehr unter www.uwessels.de Hamed Abdel-Samad wurde 1972 in Gizeh/Ägypten gebo- Foto: Thomas Müller ren. Er studierte Englisch und Französisch in Kairo, Politikwissenschaften in Augsburg und Japanisch an der Universität Kwansei Gakuin in Japan. Er war für die unesco in Genf tätig und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Islamwissenschaft an der Universität Erfurt. Seit 2008 forscht und lehrt er am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München. Seit März 2010 ist Hamed Abdel-Samad Gremiumsmitglied der deutschen Islamkonferenz. Für kon troverse Diskussionen sorgte sein 2009 erschienenes Buch ›Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland‹, in dem er die drei großen Tabus der islamischen Welt auf bricht: Religion, Sexualität und Politik. Dieser Text regte den Titel des Abends an. Prof. Dr. Franz Wuketits, geboren 1955, studierte Zoologie, Paläontologie und Philosophie an der Universität Wien. Neben einer Lehrtätigkeit ebendort hatte er Lehraufträge und Gastprofessuren an diversen anderen Universitäten inne, da runter Universität Graz und Universität der Balearen (Palma de Mallorca). Er ist u. a. Vorstandsmitglied des Konrad Lorenz Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung und Wissenschaftlicher Beirat der Giordano Bruno Stiftung. Im Herbst erscheint neu von ihm: ›Wie viel Moral verträgt der Mensch?‹ Mehr unter www.univie.ac.at/ethik/person/wuketits_franz Die bio-bibliografischen Daten von Dr. Michael SchmidtSalomon finden Sie unter der Veranstaltung vom 11. November 2010. Freitag, 1. Oktober 2010, 20 Uhr Schloss Oberhausen Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen Eintritt: 5/8 € (ermäßigt/Abendkasse Foto: Privat Foto: Udo Ungar Foto: Dr. Richard Kiridus-Göller Karen Duve veröffentlichte im spiegel einen Essay unter dem Titel ›Welt ohne Gott. Ein Plädoyer wider den Glauben‹ (www.spiegel.de/thema/karen_duve). Mehr Infos zu ihr unter dem Datum des 30. September. ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 08. 41 24 92 8 www.ludwiggalerie.de 9 Richard Dawkins: Die Schöpfungslüge. Warum Darwin Recht hat Ein Vortrag zur Evolutionstheorie Ein Abend vor allem in englischer Sprache; gedolmetscht von Nadine Dönike. In Kooperation mit der Giordano Bruno Stiftung Oxford inne. Sein erstes Buch, ›Das egoistische Gen‹, 1978 auf Deutsch erschienen, gilt als Standardwerk der Evolutionsbiologie. Dawkins’ Streitschrift ›Der Gotteswahn‹ (Ullstein 2007) ist international ein Bestseller und hat eine lebhafte Debatte ausgelöst. Mehr unter www.richarddawkins.net und dem Ringlokschuppen Mülheim loge. Bis 2008 hatte er den eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl für Public Understanding of Science an der Universität Ringlokschuppen Am Schloss Broich 38, 45479 Mülheim an der Ruhr Eintritt: 9/13 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 08. 99 31 60, unter [email protected], unter www.ringlokschuppen.de/spielplan oder unter www.ruhrticket.de/ringlokschuppen Foto: Lalla Ward Richard Dawkins, 1941 in Nairobi geboren, ist Evolutionsbio- Donnerstag, 21. Oktober 2010, 20 Uhr Foto: Jennifer Robionek Die darwinistische Entdeckung der Verwandtschaft von Mensch und Affe war und ist für viele gläubige Menschen eine kaum zu überwindende Kränkung. Insbesondere die Kreationisten sind mit ihrem Glauben, dass das Eingreifen eines Schöpfergottes Himmel und Erde erschaffen hat, weltweit in Diskussionen vertreten. Trotz der wissenschaftlichen Beweise, dass die Evolution das Leben in all seinen Facetten hervorgebracht hat, glaubt allein ein Drittel aller Deutschen an eine göttlich gesteuerte Schöpfung. In den USA ist die Zahl derer, die vom sogenannten ›Intelligent Design‹ und einer Schöpfung aus dem Nichts (creatio ex nihilo) überzeugt sind, ungleich höher. Wie geht ein aufgeklärter Humanismus mit einer solchen Entwicklung um? Richard Dawkins hat sich bereits in seinem Bestseller ›Der Gotteswahn‹ mit den theistischen Religionen und insbesondere mit den drei abrahamitischen Weltreligionen auseinandergesetzt und gegen sie argumentiert. In seinem neuen Werk ›Die Schöpfungslüge. Warum Darwin Recht hat‹ (›The Greatest Show on Earth‹) tritt er den Beweis an, dass die Evolutionstheorie keine bloße Hypothese oder gar Glaubenssache ist, sondern dass sie schlicht und ergreifend stimmt. In einer verständlichen Sprache legt er dar, was Darwins Theorie wirklich besagt und wie sie begründet ist. Er erklärt, worauf Fossilien hindeuten, warum Rehpinscher und Rosenkohl Belege für experimentelle Evolution sind und warum Wale Hinterbeine haben. Nadine Dönike ist Diplomdolmetscherin für Englisch und Französisch und seit 2006 freiberufliche Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin mit Spezialisierung auf Öffentlichkeitsarbeit, Kultur, Medien/Film, Marketing und Werbung. Als ehrenamtliches Redaktionsmitglied der Zeitschriften ›BDÜ info NRW‹ und ›VKD Kurier‹ veröffentlicht sie branchenrelevante Beiträge. Mehr unter www.nadine-doenike.com 10 Mario Levi und Barbara Yurtdas Buchmesse Ruhr Mario Levi ist in Istanbul aufgewachsen. Sein Buch ›Istanbul war ein Märchen‹ beschreibt die Stadt seiner Kindheit. Seit mehr als 500 Jahren haben Juden aus aller Welt am Bosporus eine neue Heimat gefunden. Ausgehend von seiner eigenen Familie und deren Geschichte entwirft Levi ein Kaleidoskop menschlicher Schicksale. Es sind Geschichten von gelebten und ungelebten Träumen, von erfüllten und unerfüllten Hoffnungen, von Frauen, die aus ihrem Schweigen Kraft gewinnen, und von jungen Leuten, die sich der Tradition entziehen und auswandern. ›Es waren Stimmen aus einem sehr authentischen, ziemlich ramponierten und irgendwo verloren gegangenen Istanbul. Mir war, als würde mich jemand berühren. Von irgendwoher in weit zurückgebliebener Ferne.‹ In Levis neuestem Roman ›Wo warst du, als die Finsternis hereinbrach‹ bildet das jüdische Leben erneut den Hintergrund für die Auseinandersetzung mit den Folgen der 80er Jahre, d.h. mit einer Dekade in der Türkei, die geprägt war von Kämpfen zwischen linken und rechten Extremistengruppen, dem Militärputsch von 1980 und der darauffolgenden Zeit des Ausnahmezustands. Mario Levi erzählt die Geschichte von Izak, der sich auf seine revolutionäre Jugendzeit besinnt und versucht, seinen weit verstreuten Freundeskreis wieder zu versammeln, um das einst gemeinsam verfasste Theaterstück ›Istanbul ist mein Leben‹ noch einmal auf die Bühne zu bringen. Im Laufe der gemeinsamen Arbeit wird immer deutlicher, wie viele Verletzungen unter der glatten Oberfläche liegen, welche persönliche Zerstörung die politischen Ereignisse nach sich ziehen. Und doch, so Levi, heißt ›verlieren zu können (…) nicht, sich selbst zu gewinnen und zu befreien?‹ ren und lehrt an der Yeditepe-Universität in Istanbul Kommunikationswissenschaften. Für ›Istanbul war ein Märchen‹ erhielt er im Jahr 2000 den angesehenen Yunus-Nadi-Literatur preis. Mehr unter www.suhrkamp.de/autoren/ Das Gespräch führt die Autorin und Übersetzerin Barbara Yurtdas. Sie ist als Sachbuchautorin für Türkei-Themen und durch ihre literarischen Übersetzungen aus dem Türkischen bekannt, hat mehrere Romane über deutsch-türkische Beziehungen geschrieben und zwei Lyrikbände herausgebracht. Mehr unter www.suhrkamp.de/autoren/ Foto: Nermin Mollaoglu In Kooperation mit der Deutsch-Türkischen Mario Levi wurde 1957 als türkischer Jude in Istanbul gebo- Foto: PriVAT über Istanbul, die Stadt der tausend Seelen, der tausend Schicksale, der tausend Sprachen Dienstag, 26. Oktober 2010, 20 Uhr Auslandsgesellschaft NRW e. V. Steinstraße 48, 44147 Dortmund Eintritt: 3/6 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 01. 86 34 94 1 oder unter [email protected] www.buchmesse-ruhr.de www.auslandsgesellschaft.de 11 Eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache: Günter Grass liest aus ›Grimms Wörter‹ In Kooperation mit der Literarischen Gesellschaft Bochum Die Brüder Grimm erhalten im Jahr 1838 einen ehrenvollen Auftrag: Ein Wörterbuch der deutschen Sprache sollen sie erstellen. Voller Eifer machen sie sich ans Werk. Aberwitz, Angesicht, Atemkraft – fleißig sammeln sie Wörter und Zitate, in wenigen Jahren sollte es zu schaffen sein. Barfuß, Bettelbrief, Biermörder – sie erforschen Herkommen und Verwendung, sie verzetteln sich gründlich. Capriolen, Comödie, Creatur – am Ende ihres Lebens haben Jacob und Wilhelm Grimm nur wenige Buchstaben bewältigt. Günter Grass erzählt das Leben der Brüder Grimm auf einzigartige Weise als Liebeserklärung an die deutsche Sprache und die Wörter, aus denen sie gefügt ist. Er schreibt über die Lebensstationen der Märchen-Brüder, über ihre uferlose Aufgabe und die Zeitgenossen an ihrer Seite: Familie und Verleger, Freunde, Verehrer und Verächter. Spielerisch-virtuos spürt ›Grimms Wörter‹ dem Reichtum der deutschen Sprache nach und durchstreift die deutsche Geschichte seit der Fürstenherrschaft und den ersten Gehver suchen der Demokratie. Von der Vergangenheit mit ihren politischen Kämpfen und ganz alltäglichen Sorgen schlägt Günter Grass manche Brücke in seine eigene Zeit. Günter Grass, 1927 in Danzig geboren, Schriftsteller, Bildhauer, Grafiker, wurde 1999 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Sein Gesamtwerk erscheint im Steidl Verlag. Foto: Hans Grunert und dem Schauspielhaus Bochum buch abschreiben, drucken, heften, binden, verlegen, verkaufen‹. Um am Ende hoffentlich sagen zu können: ›das buch ist gut gegangen, schon vergriffen‹. ›Grimms Wörter‹, das neue Buch von Günter Grass, nimmt Sie mit in eine Zeit, in der Bücher noch handwerklich produziert wurden. In dieser Tradition der Manufakturarbeit entstand unsere Ausgabe. Für sie wurden die besten Komponenten gewählt, die die moderne Buchherstellung bietet. Das iPad soll ruhig kommen, niemand wird die unauf haltsame Entwicklung ausbremsen. Aber als Verlag bleiben wir gelassen: Wir wollen – jetzt erst recht! – Bücher für Leser machen, die mit ›Buch‹ etwas anderes verbinden als ein vermeintlich anachronistisches Trägermedium. Damit neben dem Geist auch die Sinne ihr Leseerlebnis haben. Mittwoch, 27. Oktober 2010, 20 Uhr Schauspielhaus Bochum Über die Gestaltung von ›Grimms Wörter‹ schreibt der Steidl Verlag: Im berühmten Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm zeigt das Stichwort ›Buch‹ die ganze Fülle seiner Verwendung. So kann man ›bücher kaufen, sammeln, aufstellen, schichten, ordnen, abstäuben‹. Doch zuvor muss man ›das Königsallee 15, 44789 Bochum Eintritt: 9/14 € ( ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf ) Karten-Tel. 02 34. 33 33 55 55 oder unter [email protected] www.schauspielhausbochum.de 12 Eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache: Günter Grass liest aus ›Grimms Wörter‹ In Kooperation mit dem Landschaftspark Duisburg-Nord Die Brüder Grimm erhalten im Jahr 1838 einen ehrenvollen Auftrag: Ein Wörterbuch der deutschen Sprache sollen sie erstellen. Voller Eifer machen sie sich ans Werk. Aberwitz, Angesicht, Atemkraft – fleißig sammeln sie Wörter und Zitate, in wenigen Jahren sollte es zu schaffen sein. Barfuß, Bettelbrief, Biermörder – sie erforschen Herkommen und Verwendung, sie verzetteln sich gründlich. Capriolen, Comödie, Creatur – am Ende ihres Lebens haben Jacob und Wilhelm Grimm nur wenige Buchstaben bewältigt. Günter Grass erzählt das Leben der Brüder Grimm auf einzigartige Weise als Liebeserklärung an die deutsche Sprache und die Wörter, aus denen sie gefügt ist. Er schreibt über die Lebensstationen der Märchen-Brüder, über ihre uferlose Aufgabe und die Zeitgenossen an ihrer Seite: Familie und Verleger, Freunde, Verehrer und Verächter. Spielerisch-virtuos spürt ›Grimms Wörter‹ dem Reichtum der deutschen Sprache nach und durchstreift die deutsche Geschichte seit der Fürstenherrschaft und den ersten Gehver suchen der Demokratie. Von der Vergangenheit mit ihren politischen Kämpfen und ganz alltäglichen Sorgen schlägt Günter Grass manche Brücke in seine eigene Zeit. Zwei Liebeserklärungen (von Gerhard Steidl) Als Bücherfreund hat man sie vor Augen: den trommelnden Oskar, den Butt, der etwas in ein Ohr flüstert, die Krebse bei ihrem seltsamen Gang. Zu allen Büchern, die Günter Grass geschrieben hat, hat er auch die Umschläge gestaltet. Zu allen. Und niemand hätte sie besser hinbekommen. Dass Günter Grass sein eigener Gestalter ist, ist ein Glücksfall: für das visuelle Erscheinungsbild wie für das lange Nachwirken der erzählten Geschichten im Gedächtnis seiner Leser. Und zwar weltweit, denn auch die internationalen Ausgaben haben seine Motive auf dem Cover. Wenn wir mit den Vorbereitungen für ein neues Buch beginnen, hat Günter Grass meist schon Ideen für den Umschlag ausgearbeitet. Mit denen kommt er dann zu uns in den Verlag, und gemeinsam überlegen und probieren wir so lange, bis alle zufrieden sind: mit dem Motiv, dem Ausschnitt, den Farben, der Typografie. Im Fall von ›Grimms Wörter‹ lag nahe, welches ›Baumaterial‹ für den Umschlag verwendet werden sollte: die Buchstaben, die die Brüder Grimm zu ihren Lebzeiten selbst für ihr großes Wörterbuch bearbeitet haben (und noch ein paar weitere). Von A wie Adebar bis Z wie Zettelkram. Sie sind gleichsam angetreten zu ihrem Dienst an der deutschen Sprache. Für die Typografie haben wir die Schrift gewählt, in der bereits das Deutsche Wörterbuch seit 1852 gesetzt wurde. Und weil ›Grimms Wörter‹ Günter Grass’ Liebeserklärung an die deutsche Sprache ist, habe ich mir vorgenommen, die Ausgabe zu meiner Liebeserklärung an das schöne Buch zu machen. Foto: Hans Grunert © Steidl Verlag Donnerstag, 28. Oktober 2010, 20 Uhr Gebläsehalle im Landschaftspark Duisburg-Nord Emscherstraße 71, 47137 Duisburg Eintritt: 9/14 € (ermäßigt/ Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 03. 28 54 40 oder unter [email protected] www.landschaftspark.de Zubereitet von Sternekoch Vincent Klink und Denis Scheck In Kooperation mit der Neuen Galerie, der Stadt Gladbeck und der Sparkasse Gladbeck Das Zeitalter der Auf klärung war auch – zumindest in privilegierten Kreisen – eine Zeit der kulinarischen Genüsse: Die Saucen wurden fetter, es wurden verstärkt einheimische Kräuter sowie Pilze, unter anderem auch Trüffel, verwendet. Die Eliten der europäischen Auf klärung schätzten Süßes ganz besonders. Süßigkeiten, Marmeladen, Fruchtkonfekt, Marzipan und Sirup standen hoch im Kurs und passten vorzüglich zur Vorliebe für exotische Getränke wie Kaffee, Kakao oder Tee. In den Kochbüchern des 18. Jahrhunderts fanden sich jedoch zunehmend auch Angaben über die Qualität der Lebensmittel, die wohlhabenden Feinschmecker der Zeit scheuten sich nicht, die gefragtesten Produkte auch von weit her kommen zu lassen. Die neue Philosophie des Kochens war vor allem auf eine ›harmonische Abstimmung der Gerichte bedacht‹, löste jedoch auch Kopfschütteln aus: ›So viel Lärm um einen Pfannkuchen!‹ wunderte sich bereits Voltaire. Und heute? Das, was wir essen, erfüllt viele Funktionen: Es hält uns am Leben und im Idealfall gesund, verschafft uns Genuss und oftmals Völlegefühl, erweitert den Horizont und kann uns in die Fremde entführen. Sternekoch Vincent Klink meint dazu: ›Mit Essen kann man Menschen sehr gut auf das Leben vorbereiten (…). Denn in dem Moment, wo das Kind gut essen lernt, lernt es zu entscheiden. Zwischen dem, was schmeckt, und dem, was nicht schmeckt. Zwischen gut und schlecht. Das ist ein kleines Stück Freiheit.‹ Vincent Klink lebt und arbeitet in Stuttgart. Sein Restaurant ›Wielandshöhe‹ trägt seit 1978 einen Michelinstern. Zusammen mit seinem Freund Wiglaf Droste gibt Klink die kulinarische Kampfschrift ›Häuptling Eigener Herd‹ heraus, ein vierteljähriges Periodikum in Buchform und inzwischen wohl bekannter Schrecken der Nahrungsmittelindustrie. Wenn Klink nicht gerade die drei Bienenvölker in seinem Garten pflegt oder mit einem englischen Langbogen Pfeile verschießt, ist er an seinen freien Tagen als versierter Dilettant mit seiner Basstrompete und dem Pianisten Patrick Bebelaar unterwegs. Außerdem ist Klink mit seinen eigenen Kochsendungen in der ard und im swr zu bewundern. Mehr unter www.wielandshoehe.com, www.haeuptling-eigener-herd.de Ausführliche Informationen zu seinem Gesprächspartner Denis Scheck entnehmen Sie bitte dem Programmtext zum 30. September. Sonntag, 31. Oktober 2010, 20 Uhr Neue Galerie Gladbeck Foto: Privat am Beispiel des Hummers Bottroper Straße 17, 45964 Gladbeck Eintritt: 7/11 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 0 20 43. 99 26 58 oder zahlen per eCash unter www.stadtbuecherei-gladbeck.de www.neue-galerie-gladbeck.de Foto: ARD 13 Die kulinarische Aufklärung 14 Frauen ∞ Religionenkritik – eine humanistische Freiheitsübung Mit Prof. Ulla Wessels, Mina Ahadi, Fiona Lorenz und Marit Rullmann In Kooperation mit der Giordano Bruno Stiftung und dem Hamed Abdel-Samad hat in der swr-Sendung ›Literatur im Foyer‹ über den Koran gesagt, dass dies natürlich ein Buch sei, das von Männern zu Männern spreche. Man darf getrost hinzufügen: Alle großen monotheistischen Religionen errichteten – mit der Behauptung, ihre Schriften seien von Gott gegeben – immer auch männlich geprägte Phantasiemonopole, Sprach- und Denk-Hegemonien. Natürlich hat Religionenkritik als solche ausreichend Argumente, unabhängig von jeder Geschlechtszugehörigkeit. Aber dennoch gibt es Aspekte von Männerphantasien / Patriarchat / Herrschaft / Sprache /struktureller Gewalt / Frauenverachtung und -glorifizierung, die religiöse Weltanschauungen historisch spezifisch inhuman erscheinen lassen – ob nun in der konkreten Ausformung einer Gottesidee, ob in religiösen Mythen oder ganz konkret im Alltagsbetrieb der kirchlichen Organisationen. Angesichts der Vorherrschaft der Vater- und Bruderschaften des Klerus weltweit ist es geradezu verblüffend, dass Frauen in Religionen/Kirchen überhaupt eine Heimat fanden und finden (wollen), obwohl historisch gesehen von ›Gott‹ über ›Messias‹/›Propheten‹ und auch ›Buddhas‹ … meist heroische Männerfiguren die religiösen Erzählungen dominieren und in den Kirchen überholtes Patriarchat weiterlebt in Leibfeindlichkeit, Verhinderung weiblicher Teilhabe an Theorie und Praxis des Glaubens. Wohin also geht weibliche Religionenkritik in ihren unterschiedlichen Facetten? Löst sie sich auf in philosophische Kritik der Religionen allgemein und geht den Weg humanistischer Reflexion und Praxis? Oder versucht sie, religiöse Männerphantasien mit weiblichen Utopien und einer Wiederent- Foto: Flashfotos Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg deckung der Göttinnen zu konterkarieren? Oder stellt sie – wie die feministische Theologie – Glauben gar nicht infrage, sondern umfasst ein breites Spektrum gegensätzlicher Denkbewegungen, denen vielleicht noch gemeinsam ist, traditionelle Gottesbilder, religiöse Institutionen und Praktiken unter feministischer Perspektive kritisch zu betrachten? Mina Ahadi, geboren 1956 im Iran, ist eine politische Aktivis- tin, die sich für Frauen- und Menschenrechte einsetzt. Nach der islamischen Revolution 1979 wurde sie als linke Oppositionelle verfolgt. Sie lebte zehn Jahre lang als Partisanin im kurdischen Grenzgebiet zwischen Iran und Irak, bevor sie nach einem längeren Aufenthalt in Österreich nach Deutschland kam. 2001 rief sie das ›Komitee gegen Steinigung‹ ins Leben, 2007 gründete sie den ›Zentralrat der Ex-Muslime‹ mit, dessen erste Vorsitzende sie ist. Zusammen mit der ehemaligen Pressesprecherin von amnesty international, Sina Vogt, verfasste sie die Streitschrift ›Ich habe abgeschworen. Warum ich für die Freiheit und gegen den Islam kämpfe‹. www.minaahadi.com Foto: Evelin Frerk Dr. Fiona Lorenz, geboren 1962, promovierte im Fach Erziehungswissenschaften an der Universität Trier. Sie ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Giordano Bruno Stiftung, engagiert sich im Humanistischen Verband Deutschlands (HVD), verfasst regelmäßig Beiträge für den Humanistischen Pressedienst, hpd.de, und ist seit Juli 2009 dessen stellvertretende Redaktionsleiterin. Bei Rowohlt erschien ihr Buch ›Wozu brauche ich einen Gott? Gespräche mit Abtrünnigen und Ungläubigen‹, illustriert von Ralf König. Mehr unter www.fionalorenz.de Foto: PRIVAT Informationen zur Moderatorin des Abends, Frau Prof. Ulla Wessels, finden Sie im Programmtext zum 1. Oktober 2010. Marit Rullmann, geboren 1953 in Gelsenkirchen, studierte Philosophie, Alt- und Neugermanistik und arbeitet als Dozentin für Philosophie, Autorin und Bildungsreferentin sowie Leiterin Philosophischer Cafés. Zahlreiche Vorträge und Lesungen an Universitäten, in Buchhandlungen und (Frauen-) Akademien in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Von ihr erschienen u. a. das zweibändige Werk ›Philosophinnen‹ (Suhrkamp) sowie ›Was Philosophinnen über die Göttin denken‹ (zusammen mit A. Stopczyk und H. Göttner-Abendroth). Die Autorin lebt in Gelsenkirchen. Mehr unter www.rullmann. kulturserver-nrw.de Mittwoch, 3. November 2010, 20 Uhr Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg Johannes-Corputius-Platz 1, 47051 Duisburg Eintritt: 4/ 7 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 0 20 43. 99 26 44 oder unter [email protected] Foto: Werner Schlegel www.stadtmuseum-duisburg.de 15 Armut in Deutschland? Und lokal? Gelder für Soziales, Bildung und Kultur werden gestrichen, soziale Einrichtungen werden abgewickelt oder darben chronisch unterfinanziert, die von ihnen abhängigen gesellschaftlich Ausgegrenzten bleiben immer öfter perspektivlos. Wohin führt in Deutschland die neue Apartheid von Reich und Arm, nachdem der schlanke Staat sich immer mehr als hilfloser Staat entpuppt? Perspektiven einer Kritik des Neoliberalismus Vortrag und Gespräch mit Prof. Christoph Butterwegge und Marco Bülow In Kooperation mit der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur Prof. Dr. Christoph Butterwegge, geboren 1951 in Albersloh/ Westfalen, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte der Sozialdemokratie, mit Fragen der Staatstheorie sowie mit den Themen Friedensbewegung, ( Jugend-)Gewalt und Migration und Integrationspolitik. Er lehrt Politikwissenschaften an der Universität zu Köln und ist gleichzeitig Mitglied der Forschungsstelle für interkulturelle Studien. 2009 erschien u. a. ›Armut in einem reichen Land. Wie das Problem verharmlost und verdrängt wird‹. Mehr unter www.christophbutterwegge.de.vu Marco Bülow studierte Journalistik, Geschichte und Politikwissenschaft. Er arbeitete als freier Journalist und ist Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2009 stellvertretender Energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Von Marco Bülow erschien bei ECON das Sachbuch ›Wir Abnicker. Über Macht und Ohnmacht der Volksvertreter‹. Donnerstag, 4. November 2010, 20 Uhr Kokerei Hansa, Waschkaue Emscherallee 11 44369 Dortmund-Huckarde Eintritt: 3/ 7 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 31. 93 11 22 33 oder unter [email protected] www.industriedenkmal-stiftung.de Foto: Markus J. Feger Foto: Büro Marco Bülow ›Neoliberalismus‹ steht für eine seit den 1930er-Jahren entstandene Lehre, die den Markt als Regulierungsmechanismus gesellschaftlicher Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse verabsolutiert. (…) Das gesellschaftspolitische Projekt des Neoliberalismus strebt nach einem Kapitalismus ohne wohlfahrtsstaatliche Begrenzungen. (…) Das neoliberale Denken ist in fast alle Lebensbereiche eingedrungen und seine Hegemonie, d.h. öffentliche Meinungsführerschaft des Marktradikalismus, deshalb nur schwer zu durchbrechen.‹ Das schreiben Prof. Christoph Butterwegge und seine Ko-Autoren Lösch und Ptak 2007 in ihrem Buch ›Kritik des Neoliberalismus‹. Der Marktfundamentalismus, auch als politische Praxis, flankiert ungebrochen asoziale Marktwirtschaft und duldet selbst nach dem Finanz-Crash und der Spekulation gegen den griechischen Staat kaum öffentlichen Widerspruch. Fakt ist: Neben den Bilanzen triumphieren hierzulande die Lobbyisten und Ideologen. Auf vielen Ebenen erzeugen sie ›strukturelle Gewalt‹, manipulieren Biografien, an denen abzulesen ist, dass den meisten Bürgern einer Gesellschaft genau die sozialen, kulturellen, geistigen und körperlichen Möglichkeiten vorenthalten werden, derer es bedarf, um sich als Persönlichkeiten zu entfalten. So schrieb die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (waz) bereits am 13.3.09: ›Kindersterben durch Finanzkrise. Die Weltgesundheitsorganisation (who) befürchtet, dass bis 2015 bis zu 2,8 Millionen Kinder wegen der Auswirkungen der Finanzkrise sterben werden. Die Krise verursache dramatische Engpässe in den Gesundheitssystemen armer Länder (…).‹ 16 Robert Menasse liest aus ›Permanente Revolution der Begriffe – Vorträge zur Kritik der Abklärung‹ Bühnengespräch mit Gerd Herholz Foto: Privat In seiner ›Kritik der Sonntagsrede‹, einem Text aus dem neuen Band ›Permanente Revolution der Begriffe‹, schreibt Robert Menasse: ›Ich versuche jeden Tag nichts anderes, als laut, das heißt eben öffentlich nachzudenken, worüber nachgedacht werden muss, und zu erzählen, was ich erzählen kann.‹ Menasses Essays sind immer messerscharfe politische Analysen, wohl recherchiert, sprachlich virtuos und polemisch im besten Sinne. Dialektische Analysen, die zunächst versuchen zu erkennen, wie die Welt ist, in der ein Autor schreibt, bevor er sie ›verarbeitet‹, bevor er die unbeschriebene Welt in Bilder und Sprache übersetzt: sie wieder sichtbar macht, die in verordneter Sprache und desinformierenden Medien unterdrückten Erfahrungen, Träume und Phantasien. Doch wie kann man die Realität begreifen, wenn schon ihre Begriffe nicht mehr begriffen werden? Das Eigentümliche an großen Begriffen wie ›Demokratie‹, ›Arbeit‹, ›Religion‹, ›Kultur‹ oder ›Europa‹ ist, dass sie einer ständigen Banalisierung unterworfen sind: Sie wurden zu bloßen Worten, die jeder im Munde führt, die aber nichts mehr bedeuten. Robert Menasse unternimmt dagegen eine permanente Revolution der Begriffe und zeigt: Die Welt steht auf dem Kopf, wenn wir die Begriffe wieder auf die Füße stellen. Die Begriffe haben Recht – wir wissen es nicht, aber wir verwenden sie … Foto: Brigitte Friedrich In Kooperation mit dem Schauspiel Essen Literaturtheorie – an der Universität São Paulo. Dort hielt er vor allem Lehrveranstaltungen über philosophische und ästhetische Theorien ab, u. a. über Hegel, Lukács, Benjamin und Adorno. Heute lebt er als Romancier, Essayist und Dramatiker in Amsterdam und Wien. Menasse veröffentlichte u. a. die Romane ›Die Vertreibung aus der Hölle‹ und ›Don Juan de la Mancha‹. 2006 erschien ›Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung. Frankfurter Poetikvorlesungen‹, 2009 dann ›Ich kann ja jeder sagen, Erzählungen vom Ende der Nachkriegsordnung‹. Informationen zu Gerd Herholz finden Sie unter dem Datum des 11. November 2010. Freitag, 5. November 2010, 20 Uhr Schauspiel Essen Robert Menasse, geboren 1954 in Wien, studierte Germanis- Grillo, Café Central, Theaterplatz 11, 45127 Essen tik, Philosophie und Politikwissenschaft. Er promovierte mit einer Arbeit über den ›Typus des Außenseiters im Literaturbetrieb‹. Menasse lehrte sechs Jahre – zunächst als Lektor für österreichische Literatur, dann als Gastdozent am Institut für Eintritt: 5/8 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 0 20 43. 99 26 44 oder 0 18 05. 15 20 10 oder unter [email protected] www.theater-essen.de 17 Über Liebe und Lebenskunst in einer anderen Moderne Wilhelm Schmid im Gespräch mit Gabriele von Arnim In Kooperation mit der Literarischen Gesellschaft Die Liebe ist schwierig geworden. Alles soll sie leisten: uns unendliche Glücksgefühle, unbändige Leidenschaft und ewige Lust bescheren – allerdings ohne uns in unserer Freiheit einzuschränken. Kein Wunder also, dass sie diesem Erwartungsdruck kaum noch standhält: Die Liebe erstickt, wenn sie immer nur Liebe sein muss. Manche sprechen daher schon verzweifelt vom ›Ende der Liebe‹, viele arrangieren sich mit der alltäglichen Tristesse dessen, was doch einmal Liebe war, und wieder andere wollen eine neue ›Nüchternheit‹, aber die wird die Herzen nicht wärmen. Die Liebe ist kompliziert geworden, aber ist das etwa ein Grund, von ihr zu lassen? Wohl eher nicht, denn die Liebe ist sinnstiftend wie kaum etwas sonst. Nach dem Ende der Liebe liegt daher ein Neuanfang nahe, eine Renaissance der Liebe unter veränderten Vorzeichen. Es ist Zeit, die Romantik zu retten, sie auf neue Weise lebbar zu machen, die Liebe also neu zu erfinden: als atmende Liebe, die zu einer pragmatischen Romantik in der Lage ist. Der Bestseller-Autor und Lebenskunst-Philosoph Wilhelm Schmid fragt in seinem neuen Buch danach, warum die Liebe in unserer Zeit so selten glückt, und zeigt Wege auf, wie sie dennoch gelingen kann. Seine ›Kunst des Liebens‹ zielt durch alle Schwierigkeiten hindurch auf eine neue Leichtigkeit der Liebe und des Lebens. Foto: Benno Kraehahn Bochum und dem Bahnhof Langendreer Lebenskunst im Umgang mit sich selbst‹ und ›Glück – Alles, was Sie darüber wissen müssen und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist‹. Mehr unter www.lebenskunstphilosophie.de Das Gespräch mit Wilhelm Schmid führt Dr. Gabriele von Arnim. 1946 in Hamburg geboren, arbeitete sie nach ihrer Promotion u. a. als freiberufliche Journalistin in New York, war US-Korrespondentin für die Kunstzeitschrift ›art‹, für diverse deutsche Zeitungen, für den Hörfunk und arbeitete als Moderatorin u. a. für ARTE, den SWR und das Schweizer Fernsehen. 1992 initiierte sie eine Bürgerinitiative gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit und gründete 1994 den Verein ›Memento – Initiative KZ-Gedenkstätte Dachau‹. Mittwoch, 10. November 2010, 20 Uhr Bahnhof Langendreer Wilhelm Schmid, geboren 1953, lebt als freier Philosoph in Wallbaumweg 108, 44894 Bochum Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt. Viele Jahre lang war er u. a. als ›philosophischer Seelsorger‹ in einem Krankenhaus bei Zürich/ Schweiz tätig. Schmid prägte den Begriff der ›Lebenskunst‹ u. a. mit Werken wie ›Mit sich selbst befreundet sein. Von der Eintritt: 4/8 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 34. 68 71 6-10/ -30 unter [email protected] oder im Kino-Café des Bahnhofs von 19.00 bis 22.30 Uhr www.bahnhof-langendreer.de Michael Schmidt-Salomon liest und spricht über sein Buch mit Gerd Herholz In Kooperation mit der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen und der Giordano Bruno Stiftung Die Moral ist es, die uns zu zivilisierten Menschen macht – so die gängige Überzeugung. Aber was wäre, wenn uns gerade die Unterscheidung von Gut und Böse ins Unglück stürzte? Wenn wir ohne (religiös gebundene) Moral die ›besseren‹ Menschen wären? Und wenn wir uns von der Idee der Willensfreiheit lösen müssten, um den ›blinden Instinkt der Rache‹ zu überwinden? Wo Friedrich Nietzsches ›Umwertung aller Werte‹ einst endete, setzt Michael Schmidt-Salomon neu an. Er mutet uns die Ungeheuerlichkeit des Gedankens zu, dass die Idee ›des Bösen‹ ›Böses‹ überhaupt erst ermöglicht. Aber nicht, um uns von jeder Verantwortung freizusprechen, sondern vielmehr um zu zeigen, wie befreiend wahres ethisches Verhalten sein kann. Michael Schmidt-Salomon plädiert für eine aufgeklärte Selbstund Weltsicht, deren Humanität sich ohne Gott begründen lässt, denn › (…) was Gläubige tagaus, tagein in ihren Gebeten erflehen, die ›Erlösung von dem Bösen‹, liefert uns eine humanistische, rational-wissenschaftliche Weltsicht gewissermaßen ›frei Haus‹. Zu dieser ›Erlösung‹ bedarf es nämlich keiner göttlichen Gnade, keines wie auch immer gearteten Beistands von oben, sondern lediglich einer kritischen Überprüfung unserer Annahmen über die Welt.‹ Michael Schmidt-Salomon, Dr. phil., geboren 1967, ist frei- schaffender Philosoph und Schriftsteller, Musiker und Sozialwissenschaftler, außerdem Mitbegründer und Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung. Zu seinen Veröffentlichungen zählen u. a. das ›Manifest des evolutionären Humanismus – Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur‹ und das stark diskutierte Kinderbuch ›Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel‹. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt durch die Leitung öffentlichkeitswirksamer Aktionen, u. a. die ›Religionsfreie Zone: Heidenspaß statt Höllenqual!‹ zum katholischen Weltjugendtag in Köln. Schmidt-Salomon erhielt u. a. den Topitsch-Preis der Kellermann Stiftung für Humanismus und Auf klärung. Mehr unter www.schmidt-salomon.de und www.giordano-bruno-stiftung.de Gerd Herholz ist Leiter des Literaturbüros Ruhr. U. a. veröf- fentlichte er mit Bettina Mosler einen Longseller zum Kreativen Schreiben: ›Die Musenkussmischmaschine. 132 Schreibspiele‹. Zuletzt gab er 2010 ›Stimmenwechsel. Poesie längs der Ruhr‹ heraus. Mehr unter www.kulturserver-nrw.de/-/user Donnerstag, 11. November 2010, 20 Uhr Schloss Oberhausen Konrad-Adenauer-Allee 46 46049 Oberhausen Eintritt: 4/6 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 08. 41 24 92 8 www.ludwiggalerie.de Foto: Jörg Salomon 18 ›Jenseits von Gut und Böse. Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind‹ 19 Die Liebe neu erfinden. Von der Lebenskunst im Umgang mit Anderen Wilhelm Schmid spricht mit Gert Scobel über die Kunst der Liebe In Kooperation mit der Stadtbibliothek Duisburg Immer nur glücklich sein, die wahre, romantische Liebe finden und das Leben positiv denkend genießen… Wer würde das nicht wollen? Der Lebenskunst-Philosoph Wilhelm Schmid beleuchtet diese Wünsche und stellt fest, dass die ›reflektierte Lebenskunst‹ darin besteht, sich selbst wahrzunehmen, zu orientieren und zu entwickeln, ohne beziehungslos zu werden oder sich anderweitig zu verengen. Das individuelle Lebensglück, die Erfahrung des eigenen Sinns und Wohlbefindens ergibt sich laut Schmid eben nicht daraus, dass man vorübergehend ›Glück hat‹, sondern dass man seine realen Möglichkeiten erkennt und unter diesen selbstbestimmt und klug wählt. Zur ›Selbstmächtigkeit‹ erlangt der Mensch nur durch einen bewussten Umgang mit den eigenen Gefühlen und Lüsten, der auch das Hinnehmen von vorübergehenden Schmerzund Unlustgefühlen einschließt. Was ist nun der Schlüssel zu einem guten Leben? Wie findet man die Balance zwischen dem fremdgesteuerten Außen und dem eigenen Innen? Über diese und andere Fragen der Liebe und der Lebenskunst diskutiert Wilhelm Schmid mit Gert Scobel, der sich in seinem Buch ›Weisheit‹ ebenfalls mit den Voraussetzungen für ein erfülltes Leben auseinandersetzt. Wilhelm Schmid prägte den Begriff der ›Lebenskunst‹ u. a. mit Werken wie ›Mit sich selbst befreundet sein. Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst‹ (Suhrkamp 2004) und ›Glück – Alles, was Sie darüber wissen müssen und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist‹ (Insel Verlag 2007). Mehr unter www.lebenskunstphilosophie.de Weitere Informationen zu Gert Scobel finden Sie unter dem Datum des 17. September in diesem Programmheft und unter www.3sat.de/scobel Freitag, 12. November 2010, 20 Uhr Stadtbibliothek Duisburg Düsseldorfer Str. 5 – 7, 47049 Duisburg Eintritt: 4/8 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 03. 28 34 21 8 oder unter [email protected] Foto: Klaus Weddig Foto: Suhrkamp Verlag www.stadtbibliothek.duisburg.de 20 Wagenburg Europa Tahar Ben Jelloun wurde 1944 in Fès, Marokko, geboren und Tahar Ben Jelloun und seine Übersetzerin gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur des Maghreb. 1987 wurde er für seinen Roman ›Die Nacht der Unschuld‹ mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Er ist außerdem Träger des Prix Méditerranée, des IMPAC-Literaturpreises und des Prix de la Paix de l’Association des Nations Unies en Espagne. Er lebt in Paris und Tanger. Mehr unter www.taharbenjelloun.org In Kooperation mit dem Centre Culturel Franco-Allemand (Essen) und dem Ringlokschuppen Der Traum von einem Europa, in dem es sich menschenwürdig leben und arbeiten lässt, ist die Triebfeder für die lebensgefährliche Flucht tausender Menschen aus Nordafrika. Und doch warten nach der Überfahrt nicht selten Einsamkeit und der Verlust der Würde in der Emigration. In seinem 2006 erschienenen Roman ›Verlassen‹ gibt Tahar Ben Jelloun dem massenhaften Exodus ein figuren- und facettenreiches Gesicht. Tanger, 1995. Abhauen – das ist die Obsession in den Köpfen einer ganzen Generation. Unter ihnen Azel, arbeitslos nach einem Jurastudium, ohne jede Aussicht auf einen Job. Sein Cousin Noureddin ist gerade mit zwanzig anderen ertrunken bei dem Versuch, in die ›Festung Europa‹ hinüberzukommen. Azel selbst glaubt aber, einen sicheren Weg gefunden zu haben: Doch die Hölle aus Armut, Korruption und Demütigung, die er in Marokko hinter sich lässt, ist nur das Spiegelbild einer anderen Hölle, die ihn erwartet. Im März 2010 erschien das Pendant dazu: ›Zurückkehren‹. Mohamed ist Muslim, Familienvater und Marokkaner – und ein vorbildlicher Arbeiter. Jetzt steht ihm die Rente bevor, und er zieht Bilanz: Wie er 1962 sein Dorf in Marokko verlässt, nur den Koran in der Hand; die Heirat mit seiner Cousine; seine tiefe Religiosität, die keine Assimilierung an die französischen Sitten gestattet, seine Abscheu aber auch vor den Fanatikern; seine fünf Kinder, die sich ihm entfremdet haben. Halt findet er nur in einem alten Traum: nach Marokko zurückkehren, um das ›Haus des Glücks und des Friedens‹ zu bauen, in dem er seine ganze Familie versammeln kann … Seine Gesprächspartnerin Christiane Kayser ist geboren in Luxemburg. Sie sagt von sich selbst, dass sie ihre Zeit mit Literaturübersetzungen für Ben Jelloun, Vautrin und Benacquista und regelmäßigen Arbeitsaufenthalten in Zentral- und Westafrika verbringe. Foto: Peter Peitsch Romane ›Verlassen‹ und ›Zurückkehren‹ Foto: Privat Christiane Kayser lesen und sprechen über die Mittwoch, 17. November 2010, 20 Uhr Ringlokschuppen Am Schloss Broich 38, 45479 Mülheim an der Ruhr Eintritt: 4/ 7 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 08. 99 31 60, unter [email protected], unter www.ringlokschuppen.de/spielplan oder unter www.ruhrticket.de/ringlokschuppen 21 Expeditionen ins Licht und die Düsternis Die Moderation des Abends übernimmt Denis Scheck, der im Arche Verlag die Reihe ›Arche Paradies‹ herausgibt. Mit Denis Scheck, Raoul Schrott und Sabine Küchler Raoul Schrott wurde 1964 in Landeck/Tirol geboren. Sein Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft führte ihn nach Norwich, Paris, Berlin und Innsbruck. Er war Sekretär des französischen Philosophen Philippe Soupault, Lektor am Istituto Orientale in Neapel und Gastprofessor an der Freien Universität Berlin. Neben Romanen und Gedichten profilierte sich Schrott vor allem mit Anthologien, Dramen, Reiseprosa und Übersetzungen. Er ist Preisträger u. a. des Österreichischen Förderungspreises für Literatur und des Tiroler Landespreises für Kunst. Zuletzt erschien von ihm ›Die Blüte des nackten Körpers. Liebesgedichte aus dem Alten Ägypten‹. Donnerstag, 18. November 2010, 20 Uhr Kunsthalle Recklinghausen Foto: ARD Eine Reise beinhaltet immer auch ein dialektisches Moment. Den Illusionen über das, was man erwartet, steht nicht selten die Enttäuschung über die Realität des Vorgefundenen gegenüber. Und sei das Ziel auch noch so weit entfernt, nicht zu leugnen ist die Tatsache, dass man das eigene Ich stets mit im Gepäck hat – das Reisen als Flucht auch vor sich selbst ist immer nur bedingt möglich. Die Wucht der (Selbst-)Erkenntnis kann einen in Hamminkeln genauso treffen wie im Himalaya. Die hohe Kunst und auch der Gewinn einer Reise bestehen in der Balance zwischen dem Inneren und dem Äußeren. Eine Reise ist immer eine Gratwanderung zwischen dem Sammeln von Erfahrungen, Horizonterweiterung und Glücksmomenten auf der einen Seite, Abgründen und Konfrontationen mit den eigenen Grenzen auf der anderen: eine Reise als eine Expedition nicht nur in das Licht, sondern immer auch in die Düsternis. Im Frühjahr 2009 erhält die Schriftstellerin Sabine Küchler ein Angebot: Eine wohlbeleumundete Kulturinstitution fragt an, ob sie zusammen mit einer Photographin und einem Philosophen eine Expedition in den argentinischen Nebelwald unternehmen und dort nach den Überresten der einheimischen Waldgötter suchen möchte. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann, denkt sich Küchler und macht sich auf den Weg in den Wald nach Argentinien. Längst zurückgekehrt von dort, ist sie an diesem Abend im Gespräch mit Raoul Schrott, Schriftsteller und Kenner der Antike und ihrer Sprachen, der sich in seinen Werken mit Expeditionen der Menschheit im weitesten Sinne auseinandersetzt: ›Homers Heimat‹ und die Neuübertragung der ›Ilias‹ führen ins antike Griechenland, sein Roman ›Tristan da Cunha‹ sogar in die Mitte der Welt, den entlegensten Ort dieser Erde. Sabine Küchler, geboren 1965 in Bremen, studierte Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitet als Redakteurin beim Deutschlandfunk in Köln. Sie verfasst Gedichte, Erzählungen, Essays und Hörspiele. Darüber hinaus ist sie mehr fache Literatur-Preisträgerin, u. a. des Förderpreises des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler 1995, und war Teilnehmerin am deutsch-türkischen Stadtschreiberprojekt ›Yakin Bakis‹ des Goethe-Instituts und des Netzwerkes der Literaturhäuser 2008 sowie am deutsch-argentinischen Projekt ›Seelenlandschaften‹ des Goethe-Instituts Cordoba/Argentinien. Foto: Privat Kunsthalle Recklinghausen Große-Perdekamp-Straße 25– 27 45657 Recklinghausen Eintritt: 5/8 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 02 09. 14 77 99 9 oder unter www.imvorverkauf.de www.kunst-in-recklinghausen.de Foto: P.-A. Hassiepen In Kooperation mit der Stadtbücherei und der im Gespräch mit Rainer Weichelt In Kooperation mit der Stadt Gladbeck Arabische Erklärungen stellen Menschenrechte unter den Vorbehalt der Scharia, westliche Politik der Doppelmoral verheißt Dritte-Welt-Ländern die Einfuhr von Menschenrechten und führt de facto ihre Rohstoffe aus. Kulturrelativismen bezweifeln die Universalität der Menschenrechte insgesamt. Wie also kann die Zukunft der Menschenrechte aussehen? Die Auf klärung habe wesentliche Elemente zur Kultur einer säkularen Zivilgesellschaft beigetragen, die für die westlichdemokratische Lebensform konstitutiv ist. Und nur in einer solchen Lebensform scheine ein friedliches Verhältnis verschiedener oder gar einander ausschließender religiöser oder ideologischer Strömungen möglich, meint Jörn Rüsen. Diese Leistung der Auf klärung stehe nicht zur Disposition, sondern im Gegenteil bedürfe sie einer entschiedenen Verteidigung gegen jede Form eines kulturellen Relativismus und eines schrankenlosen Pluralismus. Hans-Jörg Sandkühler fordert ›Engagement für Verhältnisse, in denen (…) jeder seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie seine politischen und Bürgerrechte genießen kann. Derartige Verhältnisse setzen den Staat als demokratischen, menschenrechtlich verfassten Rechts- und Sozialstaat voraus und gründen auch auf der Beherrschung nichtstaatlicher – vor allem ökonomischer – Macht und Gewalt durch das Recht und einer verwirklichten transnationalen Gerechtigkeit. Der interkulturelle Diskurs über die Aushandlung des mit Kulturen Verträglichen ist eine ständige Aufgabe: Das Ziel ist die Stärkung und weitere Entwicklung transkulturell anerkannter Normen und die Verteidigung der Menschenrechte gegen Verletzungen – wo auch immer, vor allem im eigenen Land‹. Prof. Dr. Jörn Rüsen leitete bis 2007 das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen und ein vierjähriges Forschungsprojekt über den Humanismus in der Epoche der Globalisierung. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. Menschen- und Bürgerrechte sowie Humanismus im Kulturvergleich. Mehr unter www.joern-ruesen.de Rainer Weichelt, Studium der Neueren Geschichte, Politikwissenschaft und Deutschen Philologie an der Universität Münster (M. A.). Seit 1984 als Historiker bei der Stadt Gladbeck. Veröffentlichungen zur Stadt-, Regional- und Umweltgeschichte, u. a. ›Glabotki is nich! Zur Geschichte der Kommunalen Neugliederung im Ruhrgebiet am Beispiel des Raums Gladbeck/Bottrop/Kirchhellen‹. Seit 2010 Erster Beigeordneter der Stadt Gladbeck. Mittwoch, 24. November 2010, 19.30 Uhr Ratssaal im Alten Rathaus Willy-Brandt-Platz 2, 45964 Gladbeck Eintritt: 3/6 € (ermäßigt/Abendkasse ∞ Vorverkauf) Karten-Tel. 0 20 43. 99 26 58 oder zahlen per eCash unter www.stadtbuecherei-gladbeck.de Foto: Tim Deffte Prof. Jörn Rüsen und Prof. Hans-Jörg Sandkühler Prof. Dr. Hans Jörg Sandkühler war Professor für Philosophie an der Universität Bremen. 2003 dort Gründung und Leitung der Deutschen Abteilung ›Menschenrechte und Kulturen‹ des europäischen UNESCO-Lehrstuhls für Philosophie/Paris. Herausgeber u. a. von: ›Menschenrechte in die Zukunft denken. 60 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte‹. Foto: Privat Zukunft denken Foto: PRIVAT 22 Menschenrechte in die Gesellschafter ∞ Öffentliche Partner von RUHR.2010 Hauptsponsoren von RUHR.2010