Homers Ilias und Odyssee als Roman
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Homers Ilias und Odyssee als Roman
Homers Ilias und Odyssee als Roman RHOMBOS-VERLAG 1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar Umschlaggestaltung und Satz : Rhombos-Verlag, Bernhard Reiser, Berlin Bildnachweise: Umschlag, vorne: Details aus "Die Prozession des Trojanischen Pferdes in Troja" von Giovanni Domenico Tiepolo (1727-1804), Nationalgalerie London/UK Umschlag, hinten: Ausschnitt aus einem Phantasiebildnis des Homer. Hellenistischer Blinden-Typus. Büste im Britischen Museum, London Innenteil: Seite 9: Eyribates und Talthybios führen Agamenon Briseiis, die Konkubine des Achilleus zu. Freskenmotiv in der Villa Valmarana, Vicenza/Italien. Maler: Giovanni Battista Tiepolo (1696 - 1770) Seite 14: Äneas und Pandaros im Kampf gegen Diomedes. Kupferstich von Tommaso Piroli (1752 – 1824) nach einer Zeichnung von John Flaxman (1755 – 1826). Foto: Antiquariat Dr. Haack Leipzig Seite 31: Menelaos und der tote Patroklos. Abbildung aus der 4. Auflage des Meyers Konversationslexikons (1885-90). Als Vorlage diente eine Marmorstatue (römische Kopie der Flavian Ära nach einer Hellenistischen Vorlage des 3. Jahrhunderts v. Chr.) die Bestandteil der Pasquino Gruppe in der Loggia dei Lanzi am Piazza della Signoria in Florenz/Italien ist. Seite 41: Szene aus der Ilias: Hector' s Leiche wird nach Troja zurückgebracht. Römische Kunstarbeit (circa 180200), Marmorrelief auf einem Sarkophag. Ort: Louvre, Paris/Frankreich. Foto: Jastrow (2005) Seite 65: Odysseus und seine Gefährten blenden Polyphem. Detail einer proto-attischen Amphora, um 650 v. Ch., Museum von Eleusis, Inv. 2630. Foto: Gebruiker:Napoleon Vier (2003) Seite 87: Odysseus im Kampf mit den Freiern. Illustration von Gustav Benjamin Schwab (1792-1850): “Die schönsten Sagen des klassischen Altertums” (1882) RHOMBOS-VERLAG Kurfürstenstr. 17 D-10785 Berlin www.rhombos.de [email protected] VK-Nr. 65 859 © 2008 RHOMBOS-VERLAG, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werkes darf außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Druck: dbusiness.de GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-938807-82-8 Stefan Seckinger Homers Ilias und Odyssee als Roman RHOMBOS-VERLAG 3 4 Inhaltsverzeichnis Ilias 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 7 Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang - Patroklie Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang - Hektors Tod Gesang - Wettkämpfe für Patroklos Gesang 7 9 11 12 13 14 16 18 19 21 23 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 36 37 39 Die Odyssee 43 Prolog - Ratsversammlung der Götter Auf Ithaka Telemachos bei Nestor Telemachos bei Menelaos Auf Ithaka Im Olymp 43 44 50 52 54 56 5 Odysseus` Heimreise von Troja Bei Kalypso Auf See Bei den Phäaken Bei den Kikonen Bei den Lotophagen Bei den Kyklopen Äolos Bei den Lästrygonen Bei Kirke Im Totenreich Kirke Die Sirenen Skylla und Charybdis Die Rinder des Helios 56 56 58 58 63 64 64 66 67 67 68 70 70 70 70 Auf Ithaka Eumaios Die Heimkehr des Telemachos Odysseus kehrt in sein Haus zurück Das Wettschießen Penelope erkennt Odysseus In der Unterwelt Bei Laertes 72 72 75 77 85 88 89 90 6 Ilias 1. Gesang Von Achilles will ich singen, der den Achäern großes Leid zufügte. Warum zerstritt er sich mit Agamemnon, dem Anführer aller Griechen? Es begann damit, dass der Herrscher von Mykene sich weigerte, Chryseis, die Tochter des Priesters Chryses, die er gefangen genommen hatte, wieder an ihren Vater auszuhändigen. Als dieser daraufhin Apollo um Rache anflehte, ließ der Gott im Heer eine Seuche aufkommen. Nach zehn Tagen wurde eine Versammlung einberufen, zu der auch Achilles geladen war. Er wandte sich an die Anwesenden: „Wir können nicht gegen die Pest und die Trojaner zugleich ankämpfen. Lasst uns einen Priester befragen, warum uns die Götter zürnen.“ Kalchas, der Vogelflugdeuter, erwiderte ihm: „Wenn ich euch nun denjenigen nenne, der vor Apollo Schuld auf sich geladen hat, so musst du mich vor seiner Rache schützen, denn kein Geringerer als Agamemnon selbst ist die Ursache von all dem. Er hat den Priester nicht geehrt, der um die Herausgabe seiner Tochter bat. Solange wir sie bei uns festhalten, wird Apollos Rache andauern.“ „Schwarzseher, du warst mir schon immer ein Dorn im Auge!“, fuhr ihn Agamemnon an. „Du hast noch nie etwas Gutes prophezeit, noch daran mitgearbeitet. Lasst euch versichern: Ich ziehe die Priestertochter sogar meiner Gattin Klytemnästra vor! Aber wenn das Heil meines Volkes auf dem Spiel steht, so geschehe der Wille Apollos. Gebt mir ein Geschenk 7 Ilias für die Götter; wir wollen sogleich ein Schiff klarmachen, das zum Tempel Apollos fährt, in dem der Priester dient. Dort wollen wir gemeinsam ein Sühneopfer darbringen und seine Tochter Chryseis freilassen!“ Zornig erwiderte ihm Achilles: „Du Unverschämter, bekommst du den Rachen nicht voll genug? Ich wundere mich, dass die Männer dir überhaupt noch folgen! Ich bin nicht hierhergekommen, weil die Trojaner mir Anlass zum Krieg gaben. Wir alle sind nur auf deinen Befehl hin und wegen deiner Machtgier hier. Was geht uns dein Bruder Menelaos an, um dessen Ehre es in diesem Kampf angeblich geht? Jetzt willst du sogar noch, dass wir die Opfergabe aufbringen für die von dir begangene Schuld? Jeder hier weiß, dass du den größten Anteil der Kriegsbeute für dich einstreichst, obwohl du deine Hände in den Schoß legst, während wir den Sieg blutig erringen! Es reicht mir, ich werde wieder nach Hause fahren. Weshalb sollte ich einem wie dir helfen, seinen Reichtum zu vermehren?“ „Geh nur“, antwortete ihm Agamemnon, „du bist entbehrlich und mir schon seit langem verhasst. Aber dann hole ich mir Briseis aus deinem Zelt! Sie wird an die Stelle des Mädchens treten, das ich wieder fortlassen muss.“ 8 Einen Augenblick überlegte Achilles, ob er Agamemnon töten sollte. Doch die Götter bewahrten ihn vor so einem unüberlegten Schritt. Damit wäre den Griechen und ihrem Vorhaben nicht geholfen. Stattdessen fauchte er: „Du Trunkenbold! Feige wie du bist, hast du noch nie mitgekämpft! Aber du wirst schon noch zu mir gekrochen kommen und mich anflehen zu kämpfen, wenn Hektor einen nach dem anderen von euch ins Jenseits befördert.“ Nestor versuchte die Versammlung wieder zu beruhigen: „Wie wird sich Priamos über euren Streit freuen! Hört auf mich: Bri seis soll bei Achilles bleiben und du, Achilles, ehre deinen König!“ „Du hast recht“, lenkte der König ein, „aber dieser Mann will über alle anderen herrschen und jedem seine Befehle erteilen.“ „Ich wäre feige und bedeutungslos, wenn ich zu allem Ja und Amen sagen würde. Über andere magst du bestimmen, ich diene dir von jetzt an nicht mehr. Briseis kannst du haben, aber wage es nicht, mir irgendetwas sonst von meinem Besitztum wegzunehmen.“ Achilles ging und Agamemnon gab Order, das versprochene Sühneopfer Ilias darzubringen. Dann befahl er, Briseis aus Achilles' Zelt zu holen. Dieser zürnte und bat die Götter um eine Niederlage für die Achäer, während der Priester Chryses, dankbar, seine Tochter wieder bei sich zu haben, Apollo anflehte, die Trojaner mögen den Krieg verlieren. Auf beide gleichzeitig zu hören, war den Göttern unmöglich. ✦✦✦ 2. Gesang Agamemnon träumte immer noch von einem großen Sieg. Gleich am nächsten Morgen trat er vor seine Soldaten: „Ich bin von Zeus betrogen worden. Er hat mir versprochen, Troja zu bezwingen, doch es hat keinen Sinn mehr. Wir sind zu schwach, um den Krieg fortzusetzen, auch wenn wir unserem Feind zahlenmäßig weit 9 Ilias überlegen sind. Lasst uns umkehren, auch wenn künftige Generationen uns dafür verspotten werden. Vor neun Jahren sind wir aufgebrochen, nun endlich sehen wir ein, dass alles vergeblich war.“ Unbeschreiblicher Jubel ertönte da und alle machten sich an die Arbeit, die Schiffe für die Abfahrt klarzumachen. Odysseus aber nahm Agamemnon den Herrscherstab ab und versuchte, die Heerführer zu überzeugen weiterzukämpfen. Nachdem er die Soldaten dazu brachte, sich erneut zu versammeln und den letzten Aufrührer gegen den König zum Verstummen gebracht hatte, sagte er: „Wollen deine Soldaten ihr Versprechen brechen, Agamemnon? Wir gelobten, hier zu kämpfen, bis Troja unser ist! Jetzt aber jammern sie wie Kinder und wollen wieder nach Hause zurück. Ich verstehe jeden Mann, der sich nach seiner Frau sehnt. Wir sind nun schon neun Jahre hier! Aber es wäre eine Schande, jetzt aufzugeben. Sollen all die Jahre vergeblich gewesen sein? Erinnert ihr euch nicht mehr an die Prophezeiung des Sehers Kalchas? Im zehnten Jahr erst werden wir Troja einnehmen; der Sieg ist nahe!“ Da jubelten alle und stimmten lauthals zu, und Nestor sagte: „Keiner soll nach Hause fahren, bevor er nicht mit einer Trojanerin das Bett geteilt hat. Keiner soll nach Hause fahren, bevor er nicht für Helenas Leid Rache genommen hat. Agamemnon, ordne die Männer nach Stämmen! Dann wird sich zeigen, wer sich im Kampf bewährt und wo die Feigen und Schwachen sind.“ „So sei es!”, rief da Agamemnon. „Macht euch zum Kampf bereit. Wer zurückbleibt, ist des Todes!“ Die Begeisterung nahm immer mehr zu. Überall war die Bereitschaft zum Kampf zu spüren. Viele opferten noch den Göttern und baten sie um Schutz in der bevorstehenden Schlacht. Alle außer Achilles und seinen Myrmidonen stellten sich zum Kampf auf. Währenddessen fand in Troja ebenfalls Kriegsrat statt. Man war sich darüber einig, dass die Stadt nie zuvor einem so mächtigen Feind gegenübergestanden hatte. Hektor sollte alles zur Verteidigung vorbereiten. Draußen vor dem Stadttor fand die Heerschau statt; die Trojaner und ihre Verbündeten waren bereit, ihre Stadt zu verteidigen. ✦✦✦ 10 Ilias 3. Gesang Beide Armeen näherten sich dem Schlachtfeld; die Trojaner mit Lärm, die Achäer rückten schweigend heran. In der ersten Linie des Feindes erkannte Menelaos Paris und eilte auf ihn zu. Doch jener floh zurück. Hektor wies seinen Bruder zurecht: „Du feiger Frauenverführer, wärest du doch zeitlebens unvermählt geblieben! Die Achäer lachen über dich, Schwächling. Ist es nicht genug, dass du deine Frau einem fremden Volk stehlen musstest und damit deinen Vater und ganz Troja ins Unglück stürztest? Musst du uns auch jetzt, wo es darum geht, für dich zu kämpfen, Schande bereiten? Das ist der Mann, dessen Frau du entführtest!“ „Du hast Recht, Hektor! Aber für meine Gefühle kann ich nichts. Ich will gegen Menelaos kämpfen, alle anderen sollen dabei zusehen. Wer von uns beiden gewinnt, soll Helena bekommen und dahin zurückkehren, wo er hergekommen ist!“ So geschah es. Hektor trat vor und gebot allen, den Kampf zu unterbrechen. Auch Agamemnon befahl seinem Heer eine Waffenruhe, denn er wollte wissen, was Hektor zu sa gen hatte. „Hört mich alle an“, begann Hektor. „Paris und Menelaos sollen alleine um Helena kämpfen. Der Gewinner dieses Kampfes kehrt mit Helena in sein Haus zurück. Dann soll ein Bündnis zwischen den Griechen und den Trojanern entstehen, das uns allen Frieden bringt.“ Menelaos stimmte zu und forderte dazu auf, zuerst den Göttern zu opfern, wozu auch Priamos kommen sollte. Alle legten ihre Waffen und Rüstungen ab und setzten sich um den Kampfplatz. Bald erfuhr man auch in Troja von dem bevorstehenden Zweikampf. Als Helena benachrichtigt wurde, sehnte sie sich mehr denn je nach Mykene zurück. Priamos ließ sie rufen, damit sie dem Kampf beiwohne: „Jetzt siehst du deinen früheren Gatten. Denke daran: Du bist mir nichts schuldig!“ „Ich danke dir! Im Nachhinein wünschte ich, nie hierhergekommen zu sein. Wie sehr vermisse ich meine Familie!“ Priamos folgte dem Abgesandten der Heere zum Kampfplatz. Dort brachte er zusammen mit Agamemnon das Opfer dar. Der König von Mykene schwor: „Hört mich an, ihr Götter! Wenn Menelaos gewinnt, kehren wir alle 11 Ilias mit Helena wieder nach Hause zurück. Wenn Paris gewinnt, gehört Helena ihm!“ Er durchschnitt den Lämmern die Kehle, und manch einer der Griechen betete zu Zeus, dass alles so kommen möge. Dann wandte sich Priamos an die versammelten Männer: „Ich kehre nach Troja zurück, denn keiner kann von mir verlangen, diesem Kampf meines Sohnes mit Menelaos beizuwohnen. Alles ist gesagt!“ Hektor und Odysseus vermaßen den Kampfplatz und losten dann, wer von beiden zuerst die Lanze auf seinen Gegner werfen sollte. Das Los fiel auf Paris. Beide machten sich jetzt zum Kampf bereit und legten ihre Rüstung an. Paris' Lanzenwurf parierte Menelaos mit seinem Schild. Bevor dieser zum Wurf ansetzte, betete er: „Zeus, schenke mir Vergeltung!“ Seine Lanze fuhr durch den Schild seines Gegners und bohrte sich in Paris' Panzer, jedoch ohne ihn zu verletzen. Dann zog Menelaos sein Schwert und schlug auf den Helm seines Gegners ein, bis dieser zersprang. Es konnte nicht mehr lange dauern und Menelaos musste ihn zur Strecke bringen. Doch mit Hilfe seiner Schutzgöttin Aphrodite gelang dem Prinzen die Flucht nach Troja. Helena eilte ihm entgegen: „Ich dachte, du wärest Menelaos überlegen? Fürchtest du dich jetzt vor ihm? Gegen meinen früheren Gemahl hast du keine Chance!“ Indessen suchte Menelaos Paris in den Reihen der Trojaner beim Kampfplatz, doch er war nirgends zu finden. Daraufhin erklärte Agamemnon Menelaos zum Sieger und forderte die Herausgabe Helenas. ✦✦✦ 4. Gesang Plötzlich schoss aus dem Hinterhalt Pandaros einen Pfeil auf Menelaos, der ihm durch die Rüstung ins Fleisch fuhr. Da rief Agamemnon: „Die Trojaner haben gegen unsere Abmachung verstoßen! Sie sollen es sogleich büßen! Jetzt können wir uns 12 nicht mehr kampflos zurückziehen; die Trojaner würden uns auslachen und Helena bei sich behalten, während mein Bruder hier vor der Stadt liegen bleibt, falls er an diesem Pfeil sterben sollte.“ Er rief einen Arzt herbei, der die Pfeilspitze entfernte und die Wunde versorgte. Währenddessen rüsteten Ilias sich beide Seiten erneut und machten sich zum Kampf bereit. Agamemnon durchschritt die Reihen der Griechen: „Ihr kennt keine Gnade! Zeus steht auf unserer Seite und verachtet die Betrüger! Ihre Körper sind ein willkommener Fraß für die Geier. Wir erobern Troja und nehmen ihre Frauen und Kinder mit in unsere Heimat.“ Nestor ordnete die Reihen. Vorne sollten sich die Streitwagen aufstellen, dahinter das Fußvolk. In ihrer Mitte mussten die weniger Tauglichen und Kleinmütigen Aufstellung nehmen. Allen rief er zu: „Wartet auf den Befehl eures Anführers! Wir werden alle gemeinsam angreifen. Werft zunächst eure Speere, so werden wir ihre Reihen auflösen und sie besiegen!“ Agamemnon ging zu Aias, Idomeneus, Odysseus, Diomedes und den anderen Heerführern, um sie zu ermutigen. Dann rückten sie vor. Die Trojaner kamen ihnen mit lautem Geschrei entgegen. Unzählige Krieger mussten auf beiden Seiten ihr Leben lassen, auch Demokoon, ein Sohn König Priamos', der von Odysseus getötet wurde. ✦✦✦ 5. Gesang Agamemnon, Idomeneus, Menelaos – alle konnten ihre Gegner bezwingen, aber am meisten tat sich Diomedes unter den Griechen hervor. Kein Trojaner hielt ihm stand. Doch ein Pfeil von Pandaros durchbohrte seine Schulter, sodass er einen Kameraden bitten musste, ihn aus dem Fleisch zu ziehen. Er kämpfte weiter wie ein Löwe. Auch zwei Söhne König Priamos' waren unter seinen Opfern. Als Äneas seinen Mut und seine Brutalität sah, eilte er zu Pandaros, damit dieser erneut mit einem Pfeil versuche, Diomedes endlich zur Strecke zu bringen. Beide stiegen auf den Wagen des Äneas und fuhren auf Diomedes los, der nicht nur begierig darauf war, sie zu töten, sondern auch die berühmten Pferde, die den Wagen zogen, erbeuten wollte. Pandaros' Speer durchbohrte den Schild des Diomedes, er selbst blieb aber unverletzt. Da warf der Grieche seinen Speer, der den Kopf seines Gegners traf und ihn durchstieß. Äneas sprang augenblicklich vom Wagen, um die Leiche seines Freundes zu verteidigen. Diomedes schleuderte einen großen Stein auf ihn und zerschlug 13 Ilias damit sein Hüftgelenk. Anchises' Sohn wäre verloren gewesen, wenn ihm nicht Aphrodite, seine Mutter, zu Hilfe gekommen wäre. So konnte er sich vor Diomedes in Sicherheit bringen, der jedoch die Pferde als Beute behielt. Da forderte Sarpedon Hektor auf, endlich etwas gegen Diomedes zu unternehmen. Auch Äneas tauchte wieder auf dem Schlachtfeld auf, was den Trojanern frischen Kampfesmut einflößte. Erneut begann ein blutiger Kampf Mann gegen Mann. Hektor war der größte Kämpfer der Trojaner. Als er sah, dass Sarpedon verletzt wurde, führte er einen Angriff, der die Griechen zurückweichen ließ. Auch die Götter kämpften mit: Hera und Athene auf der Seite der Griechen, Apollo und Ares auf der Seite der Verteidiger. Zeus stand zwischen den Parteien, ist er doch Vater aller Götter und Menschen. ✦✦✦ 6. Gesang Agamemnon und Nestor stachelten die Griechen immer wieder dazu an, keine Gnade walten zu lassen. Doch auf der anderen Seite hielten Hektor und Äneas stand und verhin14 derten so, dass die Trojaner zurück in ihre Stadt flohen. Als Hektor zu seiner Mutter geschickt wurde, um mit ihr der Göttin Athene ein Opfer darzubringen und um Schutz für alle Frauen und Kinder zu bitten, wütete Diomedes weiter – keiner konnte ihn besiegen. Als Glaukos sich mit Ilias ihm zu kämpfen anschickte, fragte Diomedes nach seiner Herkunft und erfuhr dabei, dass ihre Familien befreundet waren, denn Glaukos' Großvater war einst Gast bei Diomedes' Großvater. Da die einmal gewährte Gastfreundschaft auch für die nachfolgenden Generationen gilt, schlug Diomedes vor, auf den Kampf zu verzichten und dafür ihre Rüstungen zu tauschen. So geschah es. Alle sahen, dass die beiden Feinde auf diesem Wege mitten im Kampfgetümmel Freundschaft schlossen. Allerdings war der Waffentausch für Glaukos weniger erfreulich, war seine Rüstung doch ein Vielfaches mehr wert als jene des Diomedes. In Troja bestürmten die Frauen Hektor und wollten von ihm wissen, was mit ihren Männern geschehen sei und ob sie noch am Leben wären. Doch er konnte ihnen nur den Rat geben, zu den Göttern zu beten. In seines Vaters Haus traf er seine Mutter Hekabe und seine Schwester Laodike. Er forderte sie auf, die Frauen zusammenzurufen. Sie sollten Athene anflehen, dass Frauen und Kinder verschont bleiben und es den Griechen niemals gelingt, in Troja einzufallen. Aber die Göttin erhörte sie nicht. Dann ging Hektor zu Paris, auf den er zornig war, und sagte zu ihm: „Begreifst du jetzt, was du angerichtet hast? Wegen dir gehen ganze Völker zugrunde und du sitzt hier tatenlos herum! Was würdest du sagen, wenn sich einer hier feige verkriechen würde, während die Stadt von den Feinden bedroht ist?“ „Du hast wie immer Recht, Hektor! Auch Helena hat mich schon aufgefordert, wieder zu kämpfen. Ich werde meine Rüstung anlegen und dir folgen.“ Auch Helena kam hinzu: „Schwager, ich wünschte, nie geboren worden zu sein, dann wäre euch dieses Unglück erspart geblieben. Aber ich kann es so wenig ändern wie die Feigheit meines Mannes. Er hat keinen Standpunkt und drückt sich vor jeder Entscheidung!“ „Fordere ihn auf, mir in die Schlacht zu folgen! Ich gehe noch zu meiner Frau und meinem kleinen Sohn, dann werden wir zusammen in den Kampf ziehen!“ Hektor traf seine Frau Andromache nicht zu Hause an, fand sie jedoch in der Stadt, wo sie ihm eine Szene machte: „Dich wird dein Mut noch töten! Hab doch Erbarmen mit meinem Sohn und mit mir – oder willst du, dass ich bald Witwe werde? Wenn du tot bist, will ich auch nicht mehr leben. Wer könnte mich hier darüber hinwegtrösten, ohne dich leben 15