Vom Freihandel zur tiefen Integration: Perspektiven
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Vom Freihandel zur tiefen Integration: Perspektiven
2. April 2007 Beiträge zur europäischen Integration Perspektiven für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und USA Ein breiteres politisches Fundament der liberalen Ordnung! Die trans- atlantische Zusammenarbeit in der Politik kann mit der tatsächlichen Verflechtung der Wirtschaftsregionen Nordamerika und Europa nicht mehr Schritt halten. Letztlich nutzlose bilaterale Barrieren im Wirtschaftsverkehr sollten zügig abgebaut werden; die multilaterale Liberalisierung in der WTO könnte hier vielfach Hilfestellung bieten. Vertrauen und gegenseitige Anerkennung: Schlüssel zur Integration. Wichtiger als die Liberalisierung ist die Öffnung der Märkte durch die wechselseitige Anerkennung von Regulierungsstandards. Dies sollte gelten in Feldern wie Corporate Governance, Börsenzulassung und Rechnungslegung; bei Finanzdienstleistungen sowie in der Kraftfahrzeug- oder der Arzneimittelbranche ist diese Konzeption besonders wichtig. Auf dem Gipfeltreffen von EU und USA am 30. April sollte ein mehrjähriges Arbeitsprogramm zur Umsetzung beschlossen werden. Gemeinsames Vorgehen, nicht industriepolitischer Egoismus. Chancen für vertiefte Beziehungen eröffnen zahlreiche weitere Handlungsfelder: Gemeinsame Forschungsvorhaben zu neuen Energieträgern, die Beteiligung von US-Gebietskörperschaften am Emissionshandelssystem der EU und ein abgestimmtes Vorgehen zur Erhöhung der Sicherheit im internationalen Wirtschaftsverkehr sind einige Beispiele dafür, dass Vorbehalte durch kluge Politik überwunden werden können. Finanzdienstleistungen bieten großes Potenzial für vertiefte Beziehungen. Mit dem US-EU Finanzmarktregulierungsdialog ist ein erfolgreiches Forum etabliert worden: Jetzt gilt es, die Ergebnisse weiter zu entwickeln. Der Schlüssel zur Integration ist auch hier die gegenseitige Anerkennung und daneben die gezielte Rechtsangleichung. Künftig sollte die Agenda weit über die Behebung unmittelbar drängender Regulierungsthemen hinausgehen. Ein Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zwischen den USA und der EU ist ein realistisches Ziel mit hohem Potenzial für beide Seiten und die Weltwirtschaft. Im Interesse von Marktteilnehmern und Verbrauchern sollten daher beide Seiten rasch mit der Verwirklichung beginnen. Bestand an europ. Direktinvestitionen in den USA Bestand an US-Direktinvestitionen in Europa nach Herkunftsland 2005, Mrd. USD nach Zielländern 2005, Mrd. USD 300 Publikationsassistenz Martina Ebling Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland Internet: www.dbresearch.de E-Mail: [email protected] Fax: +49 69 910-31877 350 250 300 200 250 200 150 150 100 DB Research Management Norbert Walter 100 50 50 0 0 FI CZ RU PO AT NO IT SE BE ES FR IE LU CH DE NL GB Editoren Barbara Böttcher Klaus Deutsch AT FI DK ES IT BE IE SE LU CH FR NL DE GB EU-Monitor 45 Vom Freihandel zur tiefen Integration Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis EU-Monitor 45 Executive Summary.....................................................................................................................................3 I. Einführung ..................................................................................................................... 5 - Das neue Interesse an transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen ..................................................5 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) - Die Wirtschaftsbeziehungen EU-USA...................................................................................................5 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) - Transatlantische Marktöffnung im historischen Abriss .....................................................................6 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) - Konzeptionelle Ansätze: Vom Freihandel zur tiefen Integration .......................................................8 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) II. Querschnittsprobleme des Marktzugangs .................................................................10 - Corporate Governance, Übernahme- und Wettbewerbsrecht ........................................................10 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) - Rechnungslegung ................................................................................................................................ 11 Dr. Wolfgang Weber, Group Accounting Policy (+49 69 910-36791, [email protected]) - Konvergenz der Regulierung geistigen Eigentums .........................................................................13 Dr. Jan Hofmann (+49 69 910-31752, [email protected]) - Durchsetzen geistiger Eigentumsrechte ..........................................................................................15 Dr. Jan Hofmann (+49 69 910-31752, [email protected]) - Transatlantische Kooperation in Forschung und Entwicklung ......................................................17 Dr. Jan Hofmann (+49 69 910-31752, [email protected]) - Nationale Sicherheitspolitik und Marktzugang ................................................................................19 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) III. Marktzugangsschwierigkeiten in Sektoren und Branchen................................................20 - Dienstleistungen allgemein ................................................................................................................20 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) - Finanzdienstleistungen ......................................................................................................................21 Dr. Steffen Kern (+49 69 910-31889, [email protected]) - Bildungsdienstleistungen – Bildung in Bewegung .........................................................................25 Ingo Rollwagen (+49 69 910-31814; [email protected]) - Produktstandards ................................................................................................................................27 Dr. Klaus Günter Deutsch (+49 30 3407-3682, [email protected]) - Luftverkehr ...........................................................................................................................................27 Eric Heymann (+49 69 910.31730, [email protected]) - Ziviler Flugzeugbau .............................................................................................................................29 Eric Heymann (+49 69 910.31730, [email protected]) - Chemie, Pharma und Biotechnologie ................................................................................................30 Dr. Uwe Perlitz (+49 69 910-31875, [email protected]) - Umwelt- und Klimapolitik ....................................................................................................................32 Eric Heymann (+49 69 910.31730, [email protected]) - Kraftstoffe: Harmonisierung sinnvoll .................................................................................................33 Eric Heymann (+49 69 910-31730, [email protected]) - Energie und Energieforschung ..........................................................................................................34 Dr. Josef Auer (+49 69 910-31878, [email protected]) - Kommunikationsbranche ...................................................................................................................35 Dr. Stefan Heng (+49 69 910-31774, [email protected]), Manuel Kallies Literaturverzeichnis ...........................................................................................................38 2 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Executive Summary Die politischen Pfeiler der transatlantischen Wirtschaftsintegration bedürfen der Stärkung. Neben der stärkeren Einbeziehung von Parlamenten sollte die Agenda aus dem bisherigen Klein-Klein auf größere Vorhaben mit klar erkennbarem Vorteil neu ausgerichtet und mit einem Fahrplan versehen werden. Das EU-US-Gipfeltreffen am 30.4.2007 bietet dazu eine gute Gelegenheit. Kein falscher Bilateralismus: Die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und den USA (evtl. mit Kanada und Mexiko) oder gar eines echten Binnenmarkts mit gemeinsamem Außenzoll, einheitlicher Regulierung und Aufsicht ist nicht zielführend, findet keine politische Unterstützung und wäre weltwirtschaftlich und außenpolitisch auch außerordentlich explosiv. Weder Europa noch die USA benötigen dies. Von der Handelsliberalisierung zum neuen Regulierungsansatz: Zwar schlummern noch erhebliche Liberalisierungspotenziale bei Handel und Investitionen – etwa im Luftverkehr, der Schifffahrt, der Landwirtschaft und der Telekommunikation –, doch die größere Herausforderung ist, einen neuen Ansatz zur Konvergenz der in den Zielsetzungen und Instrumenten sehr ähnlichen inländischen Regulierungssysteme zu formulieren. Gefordert ist die tiefe Integration im Zuge der Abgleichung oder Anerkennung innenpolitisch motivierter Standards des Verbraucher-, Anleger- oder Umweltschutzes. Regelungen zur Corporate Governance, zu Übernahmen und zur Fusionskontrolle sind keine gravierenden Barrieren für die transatlantische Investitionstätigkeit. Ähnliche Regelwerke und eine enge Zusammenarbeit der öffentlichen Stellen lassen das Geschäft florieren. Ein neuer, strategisch und sicherheitspolitisch motivierter Investitionsprotektionismus gefährdet das Erreichte allerdings leichtfertig. Rechnungslegung: Im Dienste einer transparenten Kommunikation der Kapitalgesellschaften mit ihren Eigentümern sowie zur Vermeidung unnötiger Doppelarbeiten braucht der transatlantische Wirtschaftsraum konvergente Standards im Rechnungswesen auf hohem Niveau. Nur mit höchster politischer Flankierung kann diese Aufgabe rasch erfüllt werden. Geistiges Eigentum: Der Handel mit Wissen und der Schutz geistigen Eigentums wird durch unterschiedliche Regulierungstraditionen behindert. Eine transatlantische Annäherung im Patentrecht und weitere, ausgewogene Bemühungen um die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte in Drittstaaten und den eigenen Märkten(Urheberrecht/Copyright) böten beiden Seiten erhebliche langfristige Vorteile. Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung: Die Internationalisierung von FuE in Wirtschaft und Wissenschaft spiegelt sich bereits in zahlreichen bilateralen Abkommen sowie in der neuen Ausrichtung des 7. EU-Rahmenprogramms der EU. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Förderung der mittelständischen FuE bedürfen jedoch noch der Verbesserung. Belange der nationalen Sicherheit wirken sich seit den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 verstärkt auf den transatlantischen Wirtschaftsverkehr aus. Erforderlich ist eine ebenso zielführende wie kostenorientierte Herangehensweise in enger Abstimmung mit den Wirtschaftsverbänden und Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks, um den freien Wirtschaftsverkehr sicherer zu machen. 2. April 2007 3 EU-Monitor 45 Materielle und prozedurale Barrieren im transatlantischen Dienstleistungshandel sind nach wie vor hoch. Freiberufler, Filmhersteller, Handelskonzerne, Verkehrs-, Post- und Versorgungsdienstleister leben noch nicht in einer Freihandelswelt. Immerhin wird mit der Dienstleistungsrichtlinie der EU der Austausch mit den USA ab 2010 erleichtert. Die Finanzdienstleistungen bieten ein großes Potenzial für vertiefte Beziehungen. Mit dem US-EU Finanzmarktregulierungsdialog wurde ein erfolgreiches Gesprächsforum etabliert. Der Schlüssel zur Integration liegt in der gegenseitigen Anerkennung und der gezielten Rechtsangleichung. Künftig sollte die Agenda jedoch weit über das Beheben unmittelbar drängender Regulierungsthemen hinausgehen. Ein Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zwischen den USA und der EU ist ein realistisches Ziel mit hohem Potenzial für beide Seiten und die Weltwirtschaft, dessen Verwirklichung im Interesse von Marktteilnehmern und Verbrauchern rasch beginnen sollte. Bildungsdienstleistungen. Die zunehmende internationale Mobilität von Studierenden, die Aktivität einiger Bildungsdienstleister sowie die Initiativen einiger politischer Akteure bringen Bewegung in die Bildungslandschaft; es kommt zum Umbau von Bildungsmärkten. Die EU und die USA sollten daher weiter Schritt für Schritt – auch bilateral – die Zusammenarbeit vertiefen, Bildungsdienstleistungen genauer definieren, mit einer größeren Zahl von gesellschaftlichen Akteuren zusammenarbeiten und vor allem ihre Aufgaben mit Augenmaß wahrnehmen. Standards für Produkte und Dienste sowie die Verfahren ihrer Setzung unterscheiden sich grundlegend. Nur bei einer Reform des US-Verfahrens sowie bei der besseren Umsetzung von Standards in der EU bestehen gute Chancen, international einheitliche Standards zu etablieren und Marktbarrieren abzubauen. Mit einer Liberalisierung des transatlantischen Luftverkehrs würden die Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks in großem Umfang gewinnen. Ebenso sollten die Investitionsbarrieren abgeschafft werden, um die Konsolidierung voranzutreiben. Im zivilen Flugzeugbau ist eine Verhandlungslösung zum Subventionsstreit erforderlich. Im Chemikalienhandel sind noch zahlreiche Handelshemmnisse abzubauen. Zudem sollte die Produktregulierung besser abgestimmt werden. Die Liberalisierung der europäischen Pharmamärkte käme auch dem Handel zugute. Barrieren im Bereich der gentechnischen Erzeugnisse sollten ebenfalls beseitigt werden. Im Umweltschutz bietet vor allem das europäische Emissionshandelssystem Chancen für die Einbeziehung von US-Gebietskörperschaften. Auch bei den Kraftstoffen und in Umwelttechnologien kann mit vergleichsweise geringem regulatorischen Aufwand leicht eine neue Segmentierung der Märkte vermieden werden. In der Energiewirtschaft stehen die Zeichen vor allem für erneuerbare Energien und neue Technologien auf Expansion. Gemeinsame Forschung und einheitliche Standards für neue Produkte und Verfahren könnten beiden Seiten große Vorteile verschaffen. Für die Kommunikationsbranche sind zwei Ergebnisse zentral: Erstens verhindern stark unterschiedliche Marktgegebenheiten und regulatorische Ansätze mittelfristig eine einheitliche Regulierung in den USA und der EU. Zweitens sollten Harmonisierungsbestrebungen nicht nur zentral vom Staat, sondern auch von der Privatwirtschaft ausgehen. Doch unabhängig vom Initiator erfordert internationale Harmonisierung immer einen langen Atem. 4 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration I. Einführung Das neue Interesse an transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen Im Oktober 2006 überraschte die deutsche Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Öffentlichkeit mit kolportierten Äußerungen, sie halte eine transatlantische Freihandelszone für eine faszinierende Idee. Im Herbst bestätigte sie ihre Vorstellungen und schlug eine Initiative für ein Rahmenabkommen der EU mit den USA zur vertieften wirtschaftlichen Zusammenarbeit vor. Nach ersten verhaltenen bis kritischen Reaktionen aus Washington und Brüssel hat sich die Bundesregierung in der EU um konkrete Arbeitsschritte bis zum nächsten US-EU-Gipfeltreffen am 30. April 2007 in Washington bemüht. Kanzlerin Merkel hat herausgestellt, dass es nicht nur um den Abbau von Zöllen und Investitionshemmnissen geht: „Binnenmarkt1 ähnliche Strukturen sollten unser Ziel sein.“ Güterhandel der EU-25 mit den USA, 2005 Mrd. EUR 300 251,3 250 200 162,9 150 88,4 100 50 0 Importe Exporte Saldo Quelle: Eurostat 1 Die neue Aufmerksamkeit für die transatlantischen Beziehungen kann nicht überraschen. Die wachsende Bedeutung Chinas und Indiens vor allem in den weltweiten Produktionsnetzwerken und im Wettbewerb um Direktinvestitionen, im Außenhandel, im Weltwährungssystem und im Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte hat in den politischen Eliten in den USA und in Europa in den letzten Jahren große Diskussionen um die Wettbewerbsstärke der Standorte ausgelöst. Hinzu kommt, dass auch die großen Wirtschaftsverbände und Unternehmen beidseits des Atlantiks sich in letzter Zeit verstärkt für einen Durchbruch in der wechselseitigen Öffnung der Märkte ausgesprochen haben und entsprechende Forderungen an ihre jeweiligen Regierungen formuliert haben. Die Wirtschaftsbeziehungen EU-USA Außenhandel der EU mit den USA nach Branchen Bevor im Einzelnen auf die bisherigen Bemühungen, die konzeptionellen Fragen sowie die vielen Querschnitt- und Sektorprobleme eingegangen wird, lohnt ein Blick auf die wesentlichen Fakten und Wirtschaftsphänomene, die die Wirtschaftsbeziehungen zwischen 2 EU und USA prägen: 2005, Mrd. EUR Eisen und Stahl Die Europäische Union ist mit heute 488 Mio. Einwohnern in 27 Mitgliedstaaten und einem Inlandsprodukt von rund EUR 11 Bio. der größte integrierte Wirtschaftsraum der Welt, gefolgt von den USA mit 297 Mio. Einwohnern und einem Inlandsprodukt von umgerechnet über EUR 10 Bio. Die beiden Wirtschaftsräume vereinigen 57% der Wirtschaftsleistung der Welt und rund 40% des Welthandels auf sich. Die Räume sind füreinander die jeweils wichtigsten Wirtschaftspartner im Handel, bei den Direktinvestitionen und den Verkäufen ausländischer Töchter im jeweiligen Partnermarkt. Textilien und Bekleidung Chemie Transportausrüstungen Maschinen und Turbinen Telekommunikation Energie Landwirtschaft 0 20 40 60 80 Exporte nach USA Importe von USA Quelle: Eurostat 2 Handel. Die Ein- und Ausfuhr von Gütern der EU (EU-25, 2005) erreichte mit über 2,2 Bio. EUR einen Anteil von 17,5% am Welthandel, diejenige der USA in Höhe von knapp 2,1 Bio. EUR einen Anteil von 16,2%. Die EU bezog dabei 14% der Importe aus den USA, lieferte ihrerseits wiederum 24% der Exporte in die USA; umgekehrt nahm die EU 21% der US-Exporte auf und hatte einen Anteil von knapp 19% der Importe der USA. Die Vereinigten Staaten sind mit weitem Abstand vor China, Russland und der Schweiz der größte Handelspartner der EU. Als wichtigster Handelspartner der 1 2 2. April 2007 Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim World Economic Forum am 24.1.2007, verfügbar unter http://www.regierungonline.de. In umfassender Hinsicht siehe Hamilton/Quinlan 2005 und 2004. 5 EU-Monitor 45 Handel der EU-25 mit den USA in Dienstleistungen 2004, Mrd. EUR 120 100 80 60 40 20 0 Importe Exporte Saldo Quelle: Eurostat 3 Direktinvestitionen. Auch die wechselseitigen Kapitalverflechtungen in Form von ausländischen Direktinvestitionen sind sehr eng: Der Bestand an US-Investitionen in der EU lag 2005 bei rund 968 Mrd. USD, während sich der Bestand der Investitionen von Unternehmen aus der EU in den USA auf rund 1,022 Bio. USD summier3 te. Bestand an europ. Direktinvestitionen in den USA nach Herkunftsland 2005, Mrd. USD 300 250 200 150 100 50 AT FI DK ES IT BE IE SE LU CH FR NL DE GB 0 Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis 4 Bestand an US-Direktinvestitionen in Europa nach Zielländern 2005, Mrd. USD 350 300 250 200 150 100 50 FI CZ RU PO AT NO IT SE BE ES FR IE LU CH DE NL GB 0 Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis USA lag Europa dagegen ungefähr gleichauf mit Kanada, aber mit deutlichem Abstand vor China und Mexiko. Die Güterstruktur der EU-Ausfuhren und Einfuhren weist hohe Anteile von Maschinen, Transportausrüstungen (Pkw und Flugzeuge v.a.) und Chemikalien auf. Die USA sind zudem der größte Dienstleistungsexporteur der Welt und verkauften 2004 rund 93 Mrd. EUR Dienstleistungen in die EU, während die EU sogar auf knapp 109 Mrd. EUR Exporte nur in die USA kam; dies entsprach rund 35% der EU-Exporte. Über längere Zeiträume betrachtet verlieren die Wirtschaftsbeziehungen der transatlantischen Partner untereinander jedoch an Gewicht – zugunsten der jeweiligen Beziehungen zu Asien und anderen Weltregionen. Dies spiegelt sich auch in der Handelspolitik beider Wirtschaftsräume wider, da in den letzten Jahren Bemühungen um bilaterale oder interregionale Abkommen mit anderen Weltregionen verstärkt und solche Abkommen vereinzelt auch abgeschlossen wurden. 5 Rund die Hälfte der Auslandsinvestitionen von US-Unternehmen entfielen in diesem Jahrzehnt auf die EU-Staaten, während Unternehmen aus Europa rund drei Viertel ihrer Auslandsinvestitionen in den USA tätigten. US-Unternehmen investierten in diesem Zeitraum zwischen 65 und 100 Mrd. USD p.a. in Europa (mit der Ausnahme 4 des Jahres 2005: Abfluss von 37 Mrd. USD ). Von den insgesamt gut 372 Mrd. USD in den Jahren 2000 bis 2005 entfielen 116 Mrd. USD auf das Vereinigte Königreich und über 38 Mrd. USD auf Deutschland als den zwei wichtigsten Zielländern (Grafik 5). Umgekehrt investierten europäische Unternehmen 595 Mrd. USD in den USA (siehe Grafik 4). US-Unternehmen erzielten im sechsjährigen Jahresmittel (2000-2005) 79 Mrd. USD, EU-Unternehmen 67 Mrd. USD an Einkünften im jeweiligen Partnerraum (Grafik 8, S. 7). Die Verkäufe in Europa nur von Tochtergesellschaften im Mehrheitsbesitz von US-Eigentümern beliefen sich auf 1,7 Bio. USD und auf rund 1,3 Bio. USD für die Tochtergesellschaften europäischer Muttergesellschaften in den USA. Für US-Firmen war Europa mit einem Anteil von über der Hälfte der weitaus wichtigste Absatzmarkt der Welt, und umgekehrt. Transatlantische Marktöffnung in historischem Abriss Die Bemühungen um eine Verbesserung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen haben eine lange Geschichte, die jedoch erst im letzten Jahrzehnt an Substanz gewann. Zwar verfolgte schon Präsident Kennedy 1962 zu Beginn der europäischen Integration große bilaterale Pläne, doch spielte die Musik fast ausschließlich im GATT, in dem die beiden Wirtschaftsmächte ihre Märkte multilateral öffneten. Erst mit dem Fall der Berliner Mauer und US-Außenminister James Bakers Berliner Rede im Dezember 1989 setzte eine neue Phase direkter bilateraler Diplomatie ein, die in die Transatlantische Erklärung vom 23.11.1990 mündete. Einen Fahrplan für Wirtschaftsthemen enthielt diese jedoch nicht. 3 4 6 Alle weitere Angaben nach den Statistiken des US Department of Commerce, Bureau of Economic Analysis. Dies hing mit steuerrechtlichen Änderungen der USA, insbesondere dem Auslaufen der FSC-Regelungen, zusammen. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Zielländer von US-Investitionen in Europa 2000-2005 in Mrd. USD 140 120 100 80 60 40 20 0 DE IE LU NL CH GB Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis 6 Herkunftsstaaten von europäischen FDI in den USA 2000-2005 in Mrd. USD 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 FR DE LU NL CH GB Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis 7 Einkünfte von Unternehmen im Partnermarkt 2000-2005 in Mrd. USD 120 US-Gewinne aus FDI in Europa 100 EU-Gewinne aus FDI in USA 80 60 40 20 0 FR DE LU NL SE CH GB Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis 8 Ernsthafte Aktivitäten kamen erst zustande, als US-Präsident Clinton, Kommissionspräsident Delors und die spanische Regierung von Felipe Gonzáles in ihrer Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 1995 die Neue Transatlantische Agenda (NTA) vereinbarten, die bewusst weniger ambitioniert ausgelegt war als die damaligen Forderungen nach einer transatlantischen Freihandelszone (TAFTA), für die es auf beiden Seiten mehr innenpolitischen Widerstand als 5 Unterstützung gab. Im Rahmen des Wirtschaftsdossiers dieser NTA konnten zum Ende des Jahrzehnts Übereinkünfte über die wechselseitige Anerkennung von Test- und Zertifizierungsverfahren bei der Produktzulassung, über die Äquivalenz veterinärrechtlicher Bestimmungen, über die Auslegung des Wettbewerbsrechts, über Zollfragen sowie über die Datensicherheit erzielt werden. Die NTA schuf auch einige Gremien – Dialoge genannt –, in denen Unternehmen, Verbraucher, Arbeitnehmervertreter und Parlamentarier miteinander regelmäßig gemeinsame Belange diskutieren können, u.a. auch den 6 Transatlantic Business Dialogue. 1998 suchte die Europäische Kommission unter Führung von Kommissar Leon Brittan beim Rat nach, um ein umfassendes Mandat für eine weitreichende bilaterale Öffnung der Märkte von EG und USA zu erreichen; scheiterte jedoch am Widerstand einiger Mitgliedstaaten. Immerhin vereinbarte man 1998 die „Transatlantische Wirtschaftliche Partnerschaft“ nebst einem Aktionsplan. Neuer Schwung in die transatlantische Wirtschaftsdiplomatie kam erst 2004 auf dem Gipfeltreffen von EU und USA im irischen Dromoland, auf dem ein Arbeitsprogramm avisiert wurde, welches auf einem Treffen der Wirtschaftsminister im November 2005 auch für zahlreiche Themenfelder konkretisiert wurde (siehe Box S. 8). Bei den Themen Energiesicherheit, Verbraucherschutz und Pharmazie erzielte man erste Ergebnisse. Zudem wurde ein hochrangiges Gremium für die regulatorische Zusammenarbeit institutionalisiert, in dem grundlegende Fragen der Regulierung von Güter- und Dienstleistungsmärkten erörtern werden sollen. Weitere Dialogforen wurden ebenfalls auf den Weg gebracht, u.a. zu Finanzmärkten, Transportsicherheit und zum Klimawandel. Auf dem Wiener Gipfeltreffen 2006 konnten bereits eine gemeinsame Strategie zum Schutz geistigen Eigentums auf Drittmärkten mit Fokus auf China und Russland verabschiedet und mehrere Initiativen zur Zusammenarbeit in den Themenfeldern Energiesicherheit, Offenheit für ausländische Direktinvestitionen und Klimawandel auf den Weg gebracht werden. Mit einer neuen Initiative seitens der deutschen Bundeskanzlerin Merkel im Zeitraum der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird nun für den EU-US Gipfel am 20.4.2007 in Washington, D.C., die Agenda erneut erweitert und vertieft. Die Kanzlerin strebt konkrete Fortschritte in den Themenfeldern Schutz des geistigen Eigentums, Finanzmärkte, Energieeffizienz und Standardsetzung an. Neben konkreten Fortschritten wird jedoch vor allem an einer breiter fundierten politischen Verankerung durch eine explizite Befassung der Parlamente mit den Perspektiven und Prinzipien der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen gearbeitet. Dies ist gerade angesichts der großen Bedeutung des US-Kongresses in der Gesetzgebung allgemein sowie in der Budgetierung von Regulierungsbehörden (und der Erteilung von Mandaten, die überhaupt erst internatio5 6 2. April 2007 Zum politischen Hintergrund Falke 1997, zu den ökonomischen Aspekten Siebert 2005, Langhammer et al. 2002, Barfield 1998. Ein guter Abriss findet sich bei van Scherpenberg 2006, Stevenson 2005. 7 EU-Monitor 45 Die Arbeitsfelder des Gemeinsamen EU-US-Arbeitsprogramms des Gipfels von 2005 — Regulierungskooperation in 15 Sachgebieten (siehe nächste Box) nale Aspekte einbeziehen würden) angemessen und trägt der wichtigen Rolle des Europäischen Parlaments in der Gesetzgebung in Europa Rechnung. Das Hinzufügen weiterer politischer Spieler auf der grundsätzlichen Ebene wird das Geschäft aber nicht unbedingt leichter machen. — Globale Kapitalmärkte incl. Rechnungslegung und Bankenaufsicht Konzeptionelle Ansätze: Vom Freihandel zur tiefen Integration — Geldwäschebestimmungen und Finanzierung von Terroristen Die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und den USA verlaufen seit vielen Jahren in sehr liberalem Rahmen. Generell sind die Barrieren heutzutage auf niedrigem Niveau. Gleichwohl ist ein harter Kern an Zugangshindernissen festzustel7 len , die den Bemühungen um eine Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen im Wege stehen. — Förderung von Innovation und Technologie — Sicherheit im Handel und im grenzüberschreitenden Personenverkehr — Energieeffizienz — Schutz geistigen Eigentums auf Drittmärkten — Liberalisierung der AuslandsDirektinvestitionen — Wettbewerbspolitik — Öffentliches Beschaffungswesen — Tätigkeitsbestimmungen für freiberufliche Dienstleistungen Sektorale Ziele der Regulierungskooperation seit 2005 — Pharma: Zulassung von Medikamenten — Veterinärmedizin: Harmonisierung der Standards — Automobilsicherheitsregeln — Information und Kommunikationstechnologie — Kosmetika: Testverfahren — Verbraucherschutz und seine internationale Durchsetzung — Unfaire Geschäftspraktiken — Lebensmittelinformationspflichten — Lebensmittelsicherheit — Schiffsausrüstungen — Öko-Design — Chemikalien — Energieeffizienz für Büroausrüstungen — Telekomausrüstungen — Medizinische Geräte Zölle und Abgaben sind nach den zahlreichen, in diesen Punkten erfolgreichen, Verhandlungsrunden im GATT inzwischen auf ein generelles Niveau von rund vier Prozent gesunken. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse sind vor allem im Zollwesen, bei der Standardsetzung für industrielle Waren und im öffentlichen Beschaffungswesen noch von großer Bedeutung. Zudem stellen Handelsbarrieren der Mitgliedstaaten in Bereichen gemischter Kompetenz der EG oder der US-Einzelstaaten oftmals noch eine sehr wirksame Barriere gegen Einfuhren dar. Beschränkungen der Investitionstätigkeit sind auf beiden Seiten des Atlantiks ebenfalls noch zur Genüge festzustellen. Während die USA auch weiterhin noch die Märkte für bestimmte Transportdienstleistungen in der Schiff- und Luftfahrt, in der Telekommunikation und in Bereichen mit nationalem Sicherheitsbelang durch komplette Verbote oder quantitative Restriktionen ausländischer Übernahmen von US-Anbietern schützen, limitiert die EU ebenfalls im Bereich des Luftverkehrs und in manchen Mitgliedstaaten auch im Schiffverkehr die Niederlassungsfreiheit von Anbietern aus Drittstaaten. Tatsächlich jedoch spielen Marktzugangsbarrieren, die durch Außenhandels- oder Investitionspolitik geprägte Regulierungen von Gütern und Dienstleistungen den Marktzugang für Ausländer erheblich erschweren oder eine Geschäftstätigkeit nur in Form einer Niederlassung im Partnermarkt zulassen, eine immer geringere Rolle. In vielen Industriebranchen kommt es dagegen bei strukturell ähnlich angelegten Zulassungsverfahren für Produkte auf beiden Seiten des Atlantiks zu Kosten des Marktzugangs, die sachlich kaum zu begründen sind. Die klassischen Handels- und Investitionsbarrieren können je nach Kompetenzebene (EU oder Mitgliedstaat oder beide; US-Regierung oder Einzelstaat) entweder im Rahmen multilateraler Institutionen oder direkt bilateral zwischen den USA und der EU im Rahmen relativ einfacher gesetzlicher oder administrativer Änderungen abgebaut werden. Dagegen erfordern die heute dominanten Probleme in der Regel entweder komplexe gesetzliche und regulatorische Änderungen auf beiden Seiten des Atlantiks mit dem Ziel der Konvergenz, oder aber eine bewusste politische Entscheidung über die wechselseitige Anerkennung bzw. die Äquivalenz des Regelwerks auf der anderen Seite. Solche Entscheidungen involvieren auf beiden Seiten des Atlantiks in der Regel viele staatliche Institutionen (Regierung, Parlament, nachgeordnete Regulierungsbehörden, in Europa zusätzlich die Kommission und ggf. auch das Europäische Parla7 8 Umfangreiche, aber nicht umfassende Auflistungen der vornehmlich bilateralen Marktzugangsbarrieren finden sich in EU 2006b sowie USTR 2006. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration ment), die aus unterschiedlichen sachlichen und institutionellen Motiven heraus in der Vergangenheit äußerst zögerlich in diesen Fragen waren. Schon die Tokyo-Runde des GATT (1973-1979) wäre beinahe daran gescheitert. MRAs mit begrenzten Erfolgen Auch die 1998 vereinbarten MRAs (Mutual Recognition Agreements; Abkommen der wechselseitigen Anerkennung) für die Testverfahren, die Zertifizierungsanforderungen und die Inspektion der konformen Produktion von Gütern und Diensten (medizinische Geräte; Arzneimittel; Ausrüstungsgegenstände der Telekommunikation; Elektronik; elektromagnetische Kompatibilität und Sportboote) mit einem Handelsvolumen von damals etwa 50 Mrd. USD gingen aus vierjährigen Verhandlungen hervor, erforderten ebenfalls komplexe mehrjährige Umsetzungsphasen und hochrangigen Einsatz seitens der politischen Institutionen und wichtiger Unternehmen der betroffenen Branchen und erwiesen sich in der Folge nicht in jedem Fall als erfolgreich (Probleme gab es bei medizinischen Geräten, Arzneimit8 teln und elektrischer Sicherheit). Fahrplan für klassische Marktöffnung sinnvoll Insgesamt ist auf beiden Seiten des Atlantiks die klassische Liberalisierungspolitik in Handels- und Investitionsfragen sukzessive abgelöst worden von Bemühungen um Ko-Regulierung in der Spannweite von wechselseitiger Anerkennung internen Rechts bis hin zur vollständigen Harmonisierung. Eine Fortsetzung der klassischen Liberalisierungspolitik im bilateralen Verhältnis könnte auf der Basis eines herkömmlichen Fahrplans zum schrittweisen Abbau gemeinsam definierter Hürden etwa innerhalb eines Fünf- oder Zehnjahresplans abgearbeitet werden. Die multilateralen Themen – Zölle etwa – stehen oder fallen mit den Verhandlungen in der DohaRunde der WTO und sind nur sehr eingeschränkt im bilateralen Kontext zu lösen. Ohne wechselseitige Anerkennung kein Durchbruch möglich Die Ko-Regulierungsthemen sind dagegen von solch sperriger politischer Natur, dass erst nach genauem Prüfen der Lösungswege und der politischen Widerstände überhaupt ein Fahrplan denkbar ist. Einige Industrieverbände auf beiden Seiten des Atlantiks haben insofern auch noch keine gemeinsame Position gefunden und schwanken zwischen den Wünschen nach klaren Prinzipien und einer Vorgehensweise in der abgestimmten Rechtsetzung und nach Roadmaps zur Lösung von Sachfragen hin und her. Ohne eine klare Orientierung an wechselseitiger Anerkennung wird es jedoch kaum Fortschritte geben. 8 2. April 2007 Siehe die umfassende Analyse in Devereaux, Lawrence, Watkins (2006) und Stevenson (2005). 9 EU-Monitor 45 II. Querschnittsprobleme des Marktzugangs Corporate Governance, Übernahme- und Wettbewerbsrecht im transatlantischen Verhältnis Bilanzskandale führten zu schärferen Kapitalmarktregeln… Die materiellen Regelungen für die Corporate Governance, die Übernahme börsennotierter Kapitalgesellschaften und die wettbewerbsrechtliche Prüfung von Fusionen und Zusammenschlüssen zwischen Unternehmen mit Niederlassung in den USA und der EU waren zu Beginn dieses Jahrzehnts mehrfach Gegenstand harter transatlantischer Auseinandersetzungen. Bilanzskandale großer Unternehmen auf beiden Seiten (Enron, WorldCom, Parmalat) lösten weitreichende politische Reaktionen bis hin zu korrigierender Gesetzgebung aus. Die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmensübernahmen in Europa wiederum verunsicherte US-Unternehmen, obwohl doch die Schaffung liberaler Rahmenbedingungen auf der europäischen Agenda stand. … mit Folgen für viele EUUnternehmen Im Zuge der Verschärfung der Kapitalmarktregeln in den USA durch den Sarbanes Oxley Act von 2002, der Schaffung einer Aufsichtsbehörde für die Wirtschaftsprüfer – PCAOB – sowie einiger Regelanpassungen der Börsen gerieten Unternehmen der EU, die direkt an einer US-Börse registriert und gelistet waren, bzw. Wirtschaftsprüfer, die auch nur anteilig an der Rechnungslegung von US-Unternehmen beteiligt waren, unmittelbar unter den Einfluss der strengen US-Regelungen und mussten sich entsprechend anpassen. Dabei bedurfte es an mancher Stelle einer flexiblen Auslegung der Gesetzgebung durch die US-Aufsichtsbehörden, da das Unternehmensrecht einiger EU-Staaten nicht unmittelbar im Einklang mit den neuen Regeln zu bringen war, z.B. im Hinblick auf die Unabhängkeitsanforderung für Mitglieder des Aufsichtsrats in mitbestimmten Unternehmen in Deutschland. Letztlich ließen sich freilich die meisten Probleme lösen. Europäisches Übernahmerecht heute sehr liberal… Mit leichter Verzögerung legte auch die EU 2003 ein Arbeitsprogramm zur Stärkung der Corporate Governance und zur Sicherstellung der Qualität der Rechnungslegung vor, von dem einzelne Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht wurden. Die größte Bedeutung für US-Unternehmen mit Interesse an Akquisitionen in der EU hatte freilich die Entwicklung des Übernahmerechts in Europa, das in mehreren Mitgliedstaaten seit Mitte der neunziger Jahre überarbeitet worden war und sich – mit Abstrichen – am liberalen britischen Vorbild orientierte. Die EU selbst beschloss eine ebenfalls marktorientierte Übernahmerichtlinie mit einigen Wahlrechten in 9 Bezug auf Verteidigungsmaßnahmen , die in der Folge jedoch fast durchweg in restriktiver Weise national umgesetzt wurde. Zwar bleibt der Markt für Unternehmensübernahmen in der EU auch danach noch weitaus liberaler als der durch zahlreiche gesetzliche Maßnahmen der US-Einzelstaaten stark an Schutzinteressen der Zielgesellschaften orientierte US-Markt, aber auch die EU-Mitglied10 staaten verhalten sich diesbezüglich nicht vorbildlich. Rechtliche Barrieren haben in letzter Zeit aber generell im Vergleich zu unmit- … aber Investitionsprotektionismus auf dem Vormarsch 9 10 10 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Text von Bedeutung für den EWR), Amtsblatt Nr. L 142 vom 30/04/2004 S. 0012 – 0023, Europäische Kommission 2007a sowie zur Analyse Wagner 2004, Deutsch 2000. Siehe Europäische Kommission 2007b.. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration telbar politischer Einflussnahme auf Fusionsvorhaben auf beiden 11 Seiten des Atlantiks keine große Rolle gespielt. Fusionskontrolle bereits eng abgestimmt Von großer Bedeutung sind zudem die Anforderungen der Wettbewerbsbehörden an Übernahmen von transatlantischem Zuschnitt mit gelegentlich doppelter Prüfung auf US- und EU-Seite. In dieser Hinsicht kann man zumindest nach der Reform der EU-Wettbewerbspolitik, die den Fokus von der Marktstruktur auf den Konsumentenschutz legte, in letzter Zeit von einer gewissen Annäherung der Zielsetzung, der Prüfkriterien sowie der rechtlichen Rahmenbedingungen auf beiden Seiten des Atlantiks sprechen. Schon seit 1991 bestand trotz vereinzelter und wichtiger Streitfälle eine enge Zusammenarbeit der Kartellbehörden der EU und der USA, die sich in einem „best practice“-Papier widerspiegelt. Dieses sieht im Rahmen der jeweiligen Rechtsordnungen ein hohes Maß an prozeduraler und inhaltlicher Koordinierung vor. Zudem wird die Konsistenz der Beurteilung und etwaiger Auflagen für die Transaktion für die jeweiligen Märkte geprüft; dies entspricht insofern den Anforderun12 gen tiefer Integration bereits besonders gut. Rechnungslegung Konvergenzprogramm der Standardsetzer zielt auf Vergleichbarkeit… … und hohes Niveau Abschaffung von Überleitungsrechnungen wichtiges Ziel… Mit der Verpflichtung kapitalmarktorientierter Unternehmen zur Aufstellung der Konzernabschlüsse nach den International Financial Accounting Standards (IFRS) ab dem Jahr 2005 hat die Europäische Union einen weiteren integralen Schritt zur Schaffung eines europäischen Finanzmarktes gemacht. Aufgrund des NorwalkAgreements vom Oktober 2002, mit dem sich der US-amerikanische Standardsetzer, das Financial Accounting Standards Board (FASB), und das International Accounting Standards Board (IASB) auf ein Konvergenzprogramm mit konkreten Arbeitsschritten geeinigt haben, existiert darüber hinaus ein Programm, das der Integration der internationalen Kapitalmärkte dient. Der gemeinsame Arbeitsplan, der im Februar 2006 im Rahmen eines Memorandum of Understanding beschlossen wurde, beinhaltet sowohl Projekte zur Erzielung kurzfristiger Konvergenzfortschritte (z.B. im Bereich der Bilanzierung von Ertragsteuern und der Segmentberichterstattung) als auch langfristige Projekte (z.B. zur Bilanzierung von Leasingverträgen und immateriellen Vermögensgegenständen), wodurch eine Vergleichbarkeit nicht nur erreicht, sondern auch kontinuierlich sichergestellt werden soll. Konvergenz bedeutet dabei nicht notwendigerweise Identität, aber die Unterschiede sollten so gering werden, dass Investoren die unter beiden Regelwerken erstellten Abschlüsse leicht verstehen und vergleichen können, so dass ihre Entscheidungen nicht vom für die Erstellung gewählten Regelwerk abhängen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Konvergenz nicht als Einbahnstraße verstanden wird. Um die Etablierung qualitativ hochwertiger Standards zu erreichen, sind deswegen gerade auch die europäischen und deutschen Marktteilnehmer und Institutionen gefordert, ihren Einfluss beim IASB geltend zu machen, um europäischen Stärken eine Stimme zu verschaffen. Beide Standardsetzer sind sich bewusst, dass der gemeinsame Projektplan entscheidend dafür ist, die Abschaffung einer Überleitungsrechnung des Jahresüberschusses sowie des Eigenkapitals von IFRS nach US GAAP zu ermöglichen. Diese zusätzliche Belastung betrifft alle Anwender der IFRS, die den US-amerikanischen Kapitalmarkt nutzen und deswegen bei der Börsenaufsichtsbehörde SEC registriert sind. Für europäische Unternehmen wird es wichtig sein, eine kontinuierliche Unterstützung durch die EU zu erhalten. 11 12 2. April 2007 Siehe Böttcher/Wruuck (2006). EU-Monitor Nr. 25. Siehe Europäische Kommission 2007c. 11 EU-Monitor 45 Diese manifestiert sich in einer im April 2005 zwischen Vertretern der EU-Kommission und der SEC getroffenen Übereinkunft zu einer „Roadmap“. Dabei handelt es sich um einen Fahrplan, der die notwendigen Schritte enthält, um den nach IFRS bilanzierenden Unternehmen zu ermöglichen, keine Anpassung ihrer Abschlüsse auf US GAAP mehr vornehmen zu müssen. Nach dieser Absichtserklärung soll die Überleitungsrechnung frühestens 2007, spätestens aber 2009 entfallen. Dies hätte für die bilanzierenden Unternehmen praktische wie auch finanzielle Vorteile: Die Erstellung von Überleitungsrechnungen erfordert eine aufwändige Datenerhebung, deren Qualität durch entsprechende Kontrollen sicherzustellen ist. … enge Zusammenarbeit soll dies bis spätestens 2009 erreichen Um die Akzeptanz von IFRS durch die SEC zu erleichtern, hat die EU einen „Roundtable for the consistent application of IFRS“ eingerichtet. Es ist Aufgabe des Gremiums, Interpretationsbedürfnisse festzustellen und diese bei der dafür zuständigen Institution des IASB, dem International Financial Interpretations Committee (IFRIC) zu adressieren. Als weiteren Baustein der transatlantischen Kooperation haben das Committee of European Securities Regulators (CESR) und die SEC im August 2006 einen gemeinsamen Arbeitsplan beschlossen, der die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden erleichtern und gerade auch die konsistente Anwendung der IFRS fördern soll. Im Auftrag der EU-Kommission hat CESR zum 1. Juli 2008 zu entscheiden, welche Rechnungslegungsstandards von Drittländern als äquivalent zu den IFRS gelten können. Derzeit sind US-amerikanische Unternehmen, die an einer EU-Börse notiert sind, von einer Überleitung nach IFRS befreit. Hier zeigt sich, dass auch die EU die liberalere Seite dieser Partnerschaft sein kann. In den Vereinigten Staaten erfahren die Konvergenzbemühungen Unterstützung durch den nach den Sponsoren benannten sog. 13 Bloomberg-Schumer-Report , der ebenfalls die Konvergenz der Rechnungslegungsstandards sowie einen stärker an Prinzipien orientierten Ansatz in der Kapitalmarktregulierung fordert. Dabei nimmt die Anerkennung von IFRS ohne Überleitungsrechnung einen wichtigen Platz ein. Im Rahmen eines „Best-of-both Approach“ wird als Ziel gesehen, das Beste beider Welten zu vereinen, wobei die Kosten für die Bilanzersteller reduziert würden, ohne den Schutz der Investoren zu gefährden oder die Qualität der dem Markt zur Verfügung gestellten Informationen zu mindern. Nach Ansicht der Autoren würden der US-Kapitalmarkt und die dortigen Investoren insgesamt profitieren, wenn der Markt aufgrund der Beseitigung bürokratischer Hemmnisse für ausländische Unternehmen attraktiver würde. Es kann derzeit allerdings nicht als sicher gelten, dass die SEC tatsächlich ab dem Jahr 2009 auf Überleitungsrechnungen nach US GAAP verzichten wird. Jüngste Äußerungen von Vertretern der Behörde lassen zunächst einmal erkennen, dass die US-amerikanische Börsenaufsicht sich dem Fahrplan gegenüber verpflichtet fühlt. Eingereichte IFRS-Abschlüsse werden intensiv geprüft, und ein Dialog mit den Bilanzerstellern ist im Gang. Dabei steht naturgemäß die Analyse der sachgerechten und konsistenten Anwendung und Interpretation der IFRS im Mittelpunkt. Stellungnahmen zu Einzelthemen beschränken sich jedoch im Wesentlichen auf die Ergebnisse bezüglich der Umsetzung der Offenlegungsvorschriften unter IFRS und zeigen, dass die SEC eine durchaus kritische Haltung einnimmt. So berichtete Julie Erhardt, Deputy Chief Accountant der SEC, im Dezember 2006 von verschiedenen Comment Lettern an Ersteller. Diese bezogen sich darauf, dass wesentliche Offenlegungsinformationen fehlten, schwer verständlich waren oder nur oberflächlich umgesetzt wurden, ohne damit den Geist der Anforde13 12 Bloomberg/Schumer 2007. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration rung in den IFRS zu erfüllen. Auch wurde bereits klargestellt, dass sich der Fahrplan nur darauf bezieht, die Überleitungsrechnung für solche Unternehmen abzuschaffen, die „IFRS so anwenden wie sie das IASB bekannt macht und vertritt“ – ein deutlicher Hinweis darauf, dass die SEC keinen Raum für nationale Sonder- oder Ausnahmeregelungen sieht, wie sie zum Beispiel aufgrund von EURegeln derzeit beim sog. Hedge Accounting möglich sind. Reger Handel mit Wissen* in % des BIP 0,6 (a) Einnahmen 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0,6 (b) Ausgaben 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 80 83 86 89 92 95 98 01 04 GB CA DE FR US JP IT * (a) Einnahmen durch und (b) Ausgaben für Patente und Lizenzen im internationalen Zahlungsverkehr inkl. grenzüberschreitender Zahlungen innerhalb von Unternehmensverbünden Quellen: IWF, DB Research 2007 9 Anfang März 2007 fand in Washington eine Gesprächsrunde zum Thema Konvergenz statt. In dieser Veranstaltung wiesen verschiedene Analysten und Vertreter von Ratingagenturen darauf hin, dass das Erfordernis einer Überleitungsrechnung wenig bringt, nicht zuletzt, da die Zahlen erst mit Verspätung vorliegen. Dies deckt sich mit der Erfahrung verschiedener Emittenten, die nur sehr selten Fragen bezüglich der Inhalte der Überleitungsrechnung erhalten. Zudem ergeben sich zwar immer noch Unterschiede in verschiedensten Einzelpositionen der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung. Typischerweise weichen aber weder das Nettoergebnis noch das Eigenkapital unter beiden Standards signifikant voneinander ab. Den Analysten wäre eher daran gelegen, das IFRS– Zahlenwerk früher zu erhalten, und dies wäre leichter möglich, wenn die zeit- und kostenintensive Überleitungsrechnung entfiele. Verständlich ist die Forderung, dass IASB und FASB weiterhin intensiv am Ziel der Konvergenz arbeiten, auch über den Termin des Wegfalls einer Überleitungsrechnung hinaus. Unterm Strich macht der laufende Konvergenzprozess zwischen IFRS und US GAAP gute Fortschrittet. Um das überaus wichtige Ziel der Abschaffung der Überleitungsrechnung zu erreichen, wird es wichtig sein, dass die EU darauf drängt, die mit der SEC bzw. von der SEC und CESR beschlossenen Arbeitspläne in die Realität umzusetzen. Gleichzeitig sollte die EU keinen Sonderweg beschreiten und neue IFRS-Standards vollständig sowie zeitnah in europäisches Recht umsetzen. Konvergenz der Regulierung geistigen Eigentums Wissen ist zum wichtigsten Produktionsfaktor der entwickelten Länder geworden. Auch machen einige Schwellenländer schnelle Fortschritte auf dem Weg zur Wissensgesellschaft. Um handelbar zu sein, muss dieses Wissen in Gestalt geistigen Eigentums – Patente, Urheberrechte, Marken etc. – geschützt werden. Um auch international handelbar zu sein, müssen die Rechtssysteme beider Handelspartner zudem eine zumindest vergleichbare Regulierung geistigen Eigentums vorsehen. Diese Grundvoraussetzung besteht in vielen Ländern seit Dekaden, was sich vielerorts im rapiden Wachstum grenzüberschreitenden Handels mit Wissen niederschlägt. Um ihre Regulierung geistigen Eigentums weiter anzugleichen, einigten sich die Länder der EU, die USA und viele andere Staaten im Rahmen multilateraler Verträge auf verbindliche Mindeststandards: Sie schlossen 1995 in der WTO die TRIPS-Vereinbarung (TradeRelated Aspects of Intellectual Property Rights) sowie 1996 zwei Verträge unter dem Dach der WIPO (World Intellectual Property Rights Organisation) ab. Bis Ende 2005 mussten alle Unterzeichner14 länder die TRIPS-Vereinbarung in nationales Recht umsetzen , die WIPO-Verträge traten 2002 in Kraft. 14 2. April 2007 Ausnahmeregelungen sind möglich, zudem müssen die Regeln im Fall pharmazeutischer Patente von einigen Entwicklungsländern erst bis Ende 2015 umgesetzt werden. 13 EU-Monitor 45 Transatlantische Unterschiede im Patentwesen Trotz dieser Verträge bestehen bis heute jedoch substantielle Unterschiede zwischen den Patent- und Urheberrechtssystemen vieler Staaten – so auch zwischen denen der europäischen Länder und der USA. Die Situation im Patentwesen stellt sich folgendermaßen dar: US-Sonderweg im Patentwesen — Status Quo in den USA. In den USA sind neben technischen Neuerungen auch Software und Geschäftsmethoden patentierbar. Die Zahl erteilter Softwarepatente ist seit den 1980er Jahren exponentiell gestiegen, das US-Patentamt ist überlastet. Mehrere Hunderttausend Anmeldungen warten auf Bearbeitung. Ein Patent erhält, wer nachweist, die Idee als erster gehabt zu haben (first-to-invent). Der Erfinder kann seine Idee noch bis zu zwölf Monate nach ihrer Veröffentlichung zum Patent anmelden (grace period) – gerade für Wissenschaftler ein wichtiger Aspekt. — Status Quo in Europa. Gemäß dem Europäischen Patentüber15 einkommen sind in den Unterzeichnerländern nur technische Neuerungen patentierbar, Geschäftsmethoden und reine Software jedoch nicht. (Für Computerprogramme in Verbindung mit 16 einem technischen Gerät werden jedoch auch in Europa viele Patente vergeben). Ein Patent erhält, wer es als erster beim nationalen oder europäischen Patentamt anmeldet (first-to-file; dieses Prinzip schafft mehr Rechtssicherheit als first-to-invent und gilt in allen Ländern außer den USA). Eine Patentanmeldung nach der Veröffentlichung der Idee ist in Europa ausgeschlossen. Gute Gründe für Harmonisierung Zudem wird der Neuheitsgrad einer Erfindung, ein entscheidendes Kriterium der Patenterteilung, auf unterschiedliche Arten ermittelt. Es gibt also viel Spielraum für eine stärkere bilaterale Harmonisierung – und gute Gründe: (1) Die Schutzniveaus (z. B. Anfechtungshürden) und damit die Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg würden, über die obigen Mindeststandards hinaus, weiter 17, 18 ; (2) die Barrieren zur Anmeldung im jeweils andeangeglichen ren Rechtsgebiet lägen näher beieinander; (3) die Kosten für (oft notwendige) Anmeldungen in mehreren Ländern sänken; (4) eine Verschärfung der in den USA nach Ansicht einiger Experten vergleichsweise freigebigen Patenterteilungspraxis könnte die Aktivität der so genannten „Patent-Trolle“ eindämmen. Der Geschäftszweck dieser Unternehmen ist das Aufkaufen und (oft sehr einträgliche) Durchsetzen von Patentrechten. Ihnen wird von Wirtschaft und Politik vorgeworfen, ohne eigene innovatorische Leistung das Patentsystem auszunutzen. (Einige Experten halten die freigebige Patenterteilungspraxis darüber hinaus für eine generelle Bedrohung der Innovationskapazität der USA.) Dynamik hüben wie drüben – Konvergenz jedoch ungewiss Reformbestrebungen in den USA… Und tatsächlich sind die Patentsysteme auf beiden Seiten des Atlantiks in Bewegung: — Dynamik in den USA. In Repräsentantenhaus und Senat sind in den letzten Jahren mehrere (bislang erfolglose) Gesetzesvorschläge zur Verbesserung des Patentsystems eingebracht wor15 16 17 18 14 Unterzeichnet 1973, zuletzt revidiert 2000. So genannte „computerimplementierte Erfindungen“ wie z. B. die Steuerungssoftware und zugehörige IT-Hardware und Mechanik eines Antiblockiersystems für Fahrzeugbremsen. Die EU-Kommission argumentiert, die USA hätten bis heute einige TRIPSRegelungen nicht in nationales Recht umgesetzt, vgl. EU-Kommission 2006. In sowohl der EU als auch in den USA ist ein Patent für 20 Jahre ab der ersten Einreichung gültig. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration den. Zur Diskussion stehen höhere Hürden in Patentprüfung und 19, 20 , eine leichtere Anfechtbarkeit von Patenten und die -erteilung Beschränkung von Schadensersatzansprüchen und Verkaufsstopps bei Patentverletzungen. Treiber hierfür sind weniger internationale Harmonisierungspläne als vielmehr die „Patent-Trolle“. Explizit auf Harmonisierung zielen dagegen Bemühungen ab, zum weltweit üblichen first-to-file-Prinzip überzugehen. … aber fehlender Durchbruch in der EU — Dynamik in Europa. In Europa wird seit Jahren kontrovers über das Spektrum des Patentierbaren selbst diskutiert. Im Fokus steht die Frage, ob die Patentierung von Software in Verbindung mit einem technischen Gerät in die Patentgesetze übernommen – und damit u.U. erleichtert – werden soll. Das wäre zwar ein Schritt in Richtung EU-USA-Harmonisierung, die Vorteile sind jedoch mit Blick auf die Erfahrungen in den USA umstritten. Darüber hinaus versucht die EU-Kommission, im Sinne einer EUinternen Harmonisierung ein europäisches „Gemeinschaftspatent“ einzuführen – bislang jedoch erfolglos (schon der Streitpunkt der Patent-Pflichtsprachen erwies sich als unüberwindlich). Multilaterale Harmonisierung strittig Insgesamt würden diese – aktuell stockenden – Entwicklungen zu einer deutlich stärkeren bilateralen Harmonisierung führen. Daneben streben insbesondere Europa, die USA und Japan eine verstärkte multilaterale Harmonisierung des Patentrechts über die WIPO an. Kernziel ist ein besserer Patentschutz für die eigenen Unternehmen in Drittländern. Einige Schwellenländer leisten jedoch massiven Widerstand. Sie fürchten u.a. die Patentierung ihres traditionellen Wissens durch Unternehmen aus Industrieländern. Sie fordern zudem, humanitäre und entwicklungspolitische Aspekte zu integrieren. Ein Beispiel ist der für sie bezahlbare Zugang zu patentierten Medikamenten gegen epidemische Krankheiten. Kompromiss wäre nützlich Hier sollte zügig ein fairer und aus beidseitiger Wohlfahrtsperspektive befriedigender Kompromiss gefunden werden. Ein wirklich zukunftssicheres System geistigen Eigentums sollte zudem berücksichtigen, dass auch in den entwickelten Ländern selbst ein behutsamer Ausgleich zwischen verlässlichem Innovatorenschutz und rascher Wissensdiffusion immer wichtiger wird. Die Formel „rigiderer Schutz + ein breiteres Spektrum des Schützbaren = mehr Innovation“ sollte in Zeiten immer offenerer und kooperativerer Innovationsprozesse kritisch hinterfragt werden. Einige große IT-Unternehmen handeln bereits in diesem Sinn: Sie engagieren sich im Kampf gegen Trivialpatente, bauen clevere Geschäftsmodelle um Open Source Software, und überlassen eigene Patente jedem zur freien Nutzung. Und Weitsicht sollte schließlich auch den Umgang mit den „PatentTrollen“ prägen: Vielleicht werden ihre Nachfahren, gemäßigt durch intelligente Patentrefomen, in 20 Jahren als integrale Bestandteile effizienter Märkte für geistiges Eigentum allseits geschätzt. Durchsetzen geistiger Eigentumsrechte Neben Reformen der Regulierung geistiger Eigentumsrechte steht heute deren Durchsetzen im Zentrum des Interesses vieler Unternehmen und Regierungen entwickelter Länder. Das gilt sowohl im 19 20 2. April 2007 Auch vom obersten US-Gerichtshof wird in 2007 ein entsprechendes Urteil erwartet (KSR International vs. Teleflex). IT-Konzerne haben sich im Rahmen dieses Verfahrens für höhere Hürden, andere Konzerne (sowie Mittelständler) dagegen für das Beibehalten des Status Quo engagiert. Zudem experimentiert das US Patent and Trademark Office mit einem offenen, dem Online-Lexikon Wikipedia ähnlichen Ansatz zur Sammlung und Bewertung externen Expertenwissens zum Stand der Technik bei einer Patentprüfung. 15 EU-Monitor 45 jeweils eigenen Land – so z.B. im Fall der Urheberrechte in der Musikbranche – als insbesondere auch im Ausland, allen voran in den Schwellenländern. Asien fälscht Herkunftsländer gefälschter und raubkopierter Güter, weltweit, in % China (ohne H. K.) andere Taiwan Hong Kong (H. K.) Thailand Korea Quelle: OECD 2007 10 Und nicht ohne Grund: Die OECD schätzte Anfang 2007 den Wert der jährlich grenzüberschreitend gehandelten Waren, die gefälscht oder raubkopiert wurden, auf USD 176 Mrd. Das entspricht ca. 2% des Weltwarenhandels. Und dieser Wert ist konservativ ermittelt: Er vernachlässigt den teils umfangreichen inländischen Handel mit Fälschungen und Raubkopien ebenso wie Handel über digitale Ka21 näle und mögliche Folgekosten. Ca. 30% der heute von den Zollbehörden beschlagnahmten Güter sind Textilien, 17% Maschinen und Geräte – insgesamt decken sie jedoch ein breites Güterspektrum ab. Knapp 32% der beschlagnahmten Güter stammen aus China (siehe Abbildung 11). Neben den direkten Umsatz- bzw. Lizenz22 verlusten der Rechtehalter entstehen den betroffenen Volkswirtschaften potentiell eine Reihe weiterer Schäden: — Unternehmen. Investitionen in Innovation könnten aufgrund mangelnder Rückflüsse zurückgefahren werden, was künftige Erträge reduzieren könnte. Die Fälschungen und Raubkopien können die Preise im legalen Markt drücken. Und die kopierte Marke kann Kundenvertrauen und damit Wert verlieren. — Konsumenten/Bürger. Konsumenten sind mangelhaften Produkten und entsprechenden Sicherheitsrisiken ausgesetzt, die den Preisvorteil des gefälschten Gutes kompensieren können. Bürgern entgehen Beschäftigungschancen, zudem kann ihre Umwelt unnötig belastet werden. — Staat. Dem Staat entgehen Steuereinnahmen und entstehen Kosten, u.a. in der Kriminalitätsbekämpfung. Globale Durchsetzung stockt Die Fälschungen und Raubkopien exportierenden Volkswirtschaften gewinnen auf den ersten Blick. Auf den zweiten verlieren sie jedoch: Ressourcen werden von legalen (insbesondere innovativen) Vorhaben abgelenkt, die mittelfristig gewinnbringender wären; ausländische Direktinvestitionen werden abgeschreckt; und die in anderen Teilen der Wirtschaft – und späteren Entwicklungsphasen generell – benötigte gesellschaftliche Einstellung zu geistigem Eigentum als etwas Schützenswertem wird unzureichend entwickelt. Abkommen mit China China, einerseits heute bedeutendste Quelle gefälschter Waren, andererseits im Aufbau eigener Forschung und Entwicklung aktiv, scheint diese Nachteile zu erkennen. So hat China mit Deutschland seit Herbst 2006 bereits zwei Kooperationsabkommen unterzeichnet, in deren Rahmen das chinesische Patentsystem und der Schutz ausländischer Patente in China verbessert werden sollen. Ein Abkommen zwischen China und der EU vom Herbst 2006 zielt in dieselbe Richtung. Auf multilateraler Ebene hat die EU gemeinsam mit den USA, Japan und der Schweiz 2006 einen Vorschlag zur Kontrolle der internationalen Umsetzung des TRIPS-Abkommens (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) in die WTO eingebracht. TRIPS schreibt seinen Unterzeichnerländern nicht nur Mindeststandards im 21 22 16 Dryden, John (2007). Counting the Cost: The Economic Impacts of Counterfeiting and Piracy. Third Global Congress on Combating Counterfeiting and Piracy, 30.31. Januar 2007, Genf. Die obige Summe von USD 176 Mrd. schätzt den Wert der gefälschten und raubkopierten Waren selbst, nicht den entsprechenden (wesentlich höheren) Wert der kopierten Originalprodukte. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Umsetzung des TRIPS-Abkommen noch lückenhaft Patent- und Urheberrecht selbst vor, sondern auch Maßnahmen zu deren Durchsetzung (Verfahren, Strafen etc.). Die Implementierung dieser Maßnahmen wollen die EU, die USA, Japan und die Schweiz nun vom TRIPS-Rat überwachen lassen. Bislang scheiterte ihr Vorschlag jedoch am Widerstand einiger Entwicklungsländer. Die deutsche Bundesregierung plant nun, im Rahmen ihrer G8-Präsidentschaft den internationalen Schutz geistigen Eigentums auf die Agenda des G8-Treffens 2007 in Deutschland zu setzen. Im eigenen Binnenmarkt haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union bereits 2004 gehandelt: Sie haben eine Richtlinie zur zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte erlassen. Eine weitere, strafrechtliche EU-Richtlinie wird zurzeit kontrovers diskutiert. Die Konsumenten nicht vergessen In dieser und ähnlichen aktuellen Diskussionen – z.B. im US23 Repräsentantenhaus über die Durchsetzung von Copyrights – darf jedoch eine Partei nicht aus dem Blick geraten: die Konsumenten. Das Durchsetzen von Patent- und Markenrechten ist meist in ihrem 24 Sinn (siehe oben). Im Bereich des Urheberrechts bzw. Copyright müssen jedoch die Interessen der Rechteinhaber und Nutzer mit Bedacht abgewogen werden. So schadet sich z.B. die Musikindustrie mit zu streng ausgelegten Rechten auf ihre Produkte selbst, weil 25, 26 Ähnliches gilt für wissenschaftmittelfristig Kundenverlust droht. liche Veröffentlichungen. Wird ihre rasche Verbreitung rechtlich zu stark eingeschränkt, leiden zuerst Wissenschaft(ler) und Innovation, und bald die Verlage als Rechteinhaber: Die Wissenschaft findet schnell andere Kommunikationskanäle. Transatlantische Kooperation in Forschung und Entwicklung Kooperative Patentanmeldungen in Europa Anteil der EPO*-Patente (in %) mit mind. einem ausländischen Ko-Anmelder aus... 9 … allen nicht-EU-Ländern 8 7 6 ... den USA 5 4 3 2 ... Japan 1 0 1977 1982 1987 1992 1997 2002 * European Patent Office Quelle: OECD 2007 11 Kooperation in Forschung und Entwicklung (FuE) wird immer wichtiger – sei es innerhalb der Wirtschaft, innerhalb der Wissenschaft oder zwischen beiden Welten. Denn auf der einen Seite wächst die für erfolgreiche Produkte (sowie Forschungsvorhaben) nötige „Wissensbreite“, auf der anderen Seite spezialisieren sich FuE-Akteure zunehmend. Kooperation bringt die benötigten Kompetenzen zusammen und hilft gleichzeitig, Kosten und Risiken auf mehr Schultern zu verteilen. Zudem werden diese Kooperationen immer internationaler. Die Wissenschaft hat seit je her international zusammen gearbeitet. Nur so konnte die kritische Menge an Köpfen in den meist hochspezialisierten Feldern erreicht werden. Ihre globale Vernetzung wächst mit ihren Kommunikations- und Reisemöglichkeiten – sowie mit der zunehmenden Globalisierung der FuE der Wirtschaft. Die Unternehmen wiederum verstärken ihre eigene FuE in anderen Ländern oder kooperieren mit dortigen FuE-Akteuren, um besser auf dortiges Fach-, Markt- und Kundenwissen zugreifen zu können. (In den letzten Jahren kamen verstärkt Kostenmotive hinzu.) Grenzüberschreitende Unternehmenskäufe und Fusionen (M&A) waren hierfür gerade in den 1990er Jahren oft das Mittel der Wahl. 23 24 25 26 2. April 2007 Das im angelsächsischen Raum verwendete Copyright ist veräußerbar und unterscheidet sich daher grundlegend vom europäischen Urheberrecht, das fest an den Urheber gebunden ist. Das gilt für Patente auf Software u.U. nur bedingt, siehe den Abschnitt Konvergenz der Regulierung geistigen Eigentums. Kernpunkt der Diskussion ist hier die Möglichkeit der Kunden, ungestraft „Privatkopien“ ihrer einmal gekauften Musik anzufertigen. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2006. 17 EU-Monitor 45 Transatlantische FuE-Zusammenarbeit ist eng… Kooperative Patentanmeldungen in den USA Anteil der USPTO*-Patente (in %) mit mind. einem ausländischen Ko-Anmelder 7 … allen anderen Ländern 6 5 4 ... EU-25 3 2 ... DE ... JP 1 0 1974 1979 1984 1989 1994 1999 * US Patent and Trademark Office Quelle: OECD 2007 12 Stärkere internationale Öffnung von Forschungsvorhaben wichtiges Ziel In diesem Geflecht internationaler FuE-Kooperationen sind die Verbindungen zwischen Europa und den USA traditionell besonders stark, in Wissenschaft wie Wirtschaft. Das zeigt sich u. a. am Anteil der Patentanmeldungen, an denen ausländische Forscher oder Entwickler beteiligt sind. Der ist sowohl am europäischen als auch am US-Patentamt nicht nur generell rapide gewachsen (was die obigen Ausführungen bestätigt) – an beiden Ämtern stellt der transatlantische Partner auch jeweils ungefähr die Hälfte der „ausländischen Ko-Erfinder“. Im Fall der Wirtschaft kann diese enge Beziehung zudem daran abgelesen werden, dass europäische Unternehmen die höchsten Auslands-FuE-Investitionen in den USA leisten. Deutsche und britische Unternehmen investierten in 2003 jeweils rund USD 6 Mrd., auf den Plätzen folgten Frankreich, die Schweiz (und Japan) mit 27 jeweils USD 3-4 Mrd. Umgekehrt sind Großbritannien und Deutschland die bedeutendsten Standorte für Tochtergesellschaften von US-Unternehmen. Im Fall der Wissenschaft wurde die transatlantische Forschungszusammenarbeit zwischen 1996 und 2001 durch drei Grundsatzvereinbarungen zwischen der EU und den USA gestärkt (bzgl. genereller FuE sowie Kernforschung). Daneben wurden in den letzten Dekaden eine Vielzahl bilateraler Forschungsabkommen zwischen den USA und einzelnen europäischen Ländern geschlossen. Allein mit Deutschland wurden über 50 solche Vereinbarungen getroffen. Und mit ihrem Forschungsrahmenprogramm für die Jahre 2007-2013 (Framework Programme 7) will die EU die Kooperation mit NichtEU-Ländern generell auf ein neues Fundament stellen. Zum einen soll internationale Kooperation sehr viel breiter im Spektrum der Forschungsfelder verankert werden, zum anderen sollen Partner aus Nicht-EU-Ländern fairere Chancen zur Teilnahme an den För28 derprogrammen erhalten. … aber trotzdem noch zu optimieren Ist also alles nötige getan? Sicher nicht. Um die transatlantische FuE-Kooperation nachhaltig zu stärken, sollten insbesondere folgende Stellschrauben bedient werden: — Harmonisierung der Regulierung geistigen Eigentums. Eine ähnliche Patent- und Urheberrechtsregulierung erleichtert FuEKooperationen massiv. Hier gibt es noch viel Spielraum für weitere Annäherung (siehe den Abschnitt Konvergenz der Regulierung geistigen Eigentums). — Harmonisierung von Industriestandards und -richtlinien. Ein engerer Abgleich auf diesem Feld unterstützt die frühzeitige Marktorientierung internationaler FuE-Vorhaben. Differieren die Standards zu stark, muss das FuE-Projekt zu lange anwendungsfern bleiben (oder früh in landesspezifische Projekte aufgespalten werden). — Förderung der transatlantischen Kooperation von KmU. Kleine und mittelgroße Unternehmen (KmU) haben häufig weder die nötigen Ressourcen noch das nötige Netzwerk, um international kooperieren zu können. Intensivere öffentliche Förderung solcher Zusammenarbeit – z.B. im Framework Programme 7 der EU – wäre sinnvoll. 27 28 18 Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2006. EU-Kommission 2007. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration In diesen Themenfeldern sollte schnell gehandelt werden. Denn schon heute investiert die europäische und US-amerikanische Wirtschaft (noch vorwiegend aus Kostengründen) verstärkt in asiatische sowie mittel- und osteuropäische FuE-Kapazitäten. Und dieser Trend wird sich verstärken – auch zu Lasten der transatlantischen FuE-Kooperation. Nationale Sicherheitspolitik und Marktzugang Sanktionspolitik, Prüfung von Direktinvestitionen und Sicherheit im Handel belasten Wirtschaftsbeziehungen Sicherheitspolitisch motivierte Gesetze, Regelungen und Maßnahmen der USA haben sich immer auf die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen ausgewirkt, während umgekehrt bislang europäische Sicherheitsbelange kaum Barrieren für US-Wirtschaftsaktivitäten dargestellt haben. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben sich zudem in einer Reihe von Feldern die Auswirkungen US-amerikanischer Sicherheitspolitik auf die Wirtschaftsbeziehungen verstärkt. — die Sanktionspolitik der USA gegenüber Kuba („Helms-Burton Act“) von 1996 und gegenüber Iran und Libyen durch den Iran and Libya Sanctions Act (ILSA) von 1996, die auch Maßnahmen gegen EU-Unternehmen, die in diesen Staaten Geschäfte machen, vorsieht; allerdings gibt es eine Übereinkunft, nach der der US-Präsident die strittigen Bestimmungen nicht ausübt; — die Sicherheitsüberprüfung ausländischer Direktinvestitionen im Rahmen des CFIUS-Prozesses auf der Grundlage des ExonFlorio Amendments von 1988; die gelegentlich eintretende Politisierung der vorgesehenen Transaktion, die in einigen Fällen zum 29 Abbruch des Investitionsvorhabens führte; im 109. USKongress sind Gesetzesinitiativen zur weiteren Verschärfung der Bestimmungen anhängig gewesen und können jederzeit wieder eingeführt werden; — Sicherheitsmaßnahmen im Bereich des Luft- und Seeverkehrs, insbesondere zur Containerschifffahrt, sowie im Hinblick auf die Einfuhr von Lebensmitteln auf Grundlage des Bioterrorism Act von 2002. Neben den altbekannten Problemen der beabsichtigten extraterritorialen Anwendung von US-Gesetzes auf Unternehmen aus Drittstaaten sowie der Reaktionen der EU auf diese (WTO-Verfahren, politische Kompromisse zur Nicht-Anwendung etc.) spielen somit in jüngster Zeit insbesondere wachsende diskretionäre Spielräume der Administration bei der Prüfung des Marktzugangs, höhere Sicherheitsanforderungen für die Wirtschaftsteilnehmer und Konflikte über die Behandlung von Handelspartnern, die sicherheitspolitisch unterschiedlich eingeschätzt werden – Bsp. China –, eine wachsende Rolle. 29 2. April 2007 Siehe zum Komplex Graham, Marchick 2006. 19 EU-Monitor 45 III. Marktzugangsschwierigkeiten in Sektoren und Branchen Überblick Streitigkeiten über Marktzugang Bevor im Folgenden einige gravierende Zugangsprobleme näher erläutert werden, sei zumindest erwähnt, dass US-Unternehmen nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten mit den uneinheitlichen Zollverfahren der EU-Mitgliedstaaten haben. Auch eine einvernehmliche Lösung der Streitigkeiten um die Einfuhr von Bananen aus Lateinamerika, von Wein mit geographischen Herkunftsbezeichnungen sowie von hormonbehandeltem Rindfleisch steht noch aus. Bislang untersagen die EU-Mitgliedstaaten die Einfuhr gentechnisch veränderter Lebensmittel und die Einfuhr von Kosmetika, für deren Zulassung Tierversuche unternommen wurden. Marktzugang in EU in vielen Branchen schwierig Darüber hinaus sieht die EU im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe in den Branchen Wasser, Gas und Heizung, öffentlicher Nahverkehr und Postdienste einen EU-Wertschöpfungsanteil von mindestens 50 Prozent bei der Abgabe von Angeboten in Ausschreibungsverfahren vor. Frankreich und das Vereinigte Königreich halten auch ihren Markt für Rüstungsgüter unter enger nationaler Kontrolle. US-Markt durch selektive Protektion geprägt Umgekehrt stehen Unternehmen aus der EU vor einer ebenso langen Liste von Zugangsbarrieren. Im Bereich der klassischen Handelsbarrieren bestehen auf US-Seite vor allem noch Zollspitzen bei Textilien, Bekleidung, Schuhen und Nahrungsmitteln, Glas, Keramik, Lastwagen (25% Einfuhrzoll für Fahrzeuge mit Transportfähigkeit für 5-20 Tonnen) und Schienenfahrzeugen. Die Einfuhr von Rindfleisch aus der EU wird über tiergesundheitliche Bestimmungen weitgehend verhindert; der Milchproduktemarkt und die Zuckerindustrie sind durch hohe Zölle geschützt. Exportseitige Maßnahmen sind außerhalb der Landwirtschaft und sicherheitsrelevanter Branchen weitgehend vom Tableau verschwunden, aber die staatlichen Stützungen für Fluggesellschaften verzerren den Wettbewerb. Im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe behindern zahlreiche Präferenzregeln (Buy America-Bestimmungen) den Wettbewerb aus der EU, insbesondere im wichtigen Rüstungsmarkt. Dienstleistungen allgemein Der grenzüberschreitende Handel mit Dienstleistungen – sowie ausländische Direktinvestitionen, die Nutzung im Ausland und die Entsendung von Arbeitskräften zur Erbringung solcher Leistungen vor Ort – wurde mit dem Abschluss der Uruguay-Runde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens im GATS 1993 neu geregelt. Sowohl die EU wie die USA haben damals ihre Marktzugangsregelungen für Dienstleistungen liberalisiert und seither im Rahmen der Doha-Runde neue Offerten unterbreitet. Regulatorische Barrieren bei Dienstleistungen wichtig 20 Generell bestehen jedoch in vielen Dienstleistungsbranchen nach wie vor erhebliche regulatorisch bedingte Markteintrittsbarrieren für Anbieter aus dem jeweils anderen Wirtschaftsraum. So sind z.B. für freiberufliche Dienstleistungen noch zahlreiche Registrierungs- und Genehmigungsverfahren der US-Einzelstaaten oder der EU-Mitgliedstaaten in Kraft. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Architekten sind wiederum durch höchst heterogene nationale Bestimmungen in der EU wirksam vor allzu rauem Wettbewerb durch größere US-Anbieter geschützt. Auch im Groß- und Einzelhandel bestehen Barrieren fort. Im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen (in einer restriktiven Anwendung der Richtlinie über Fernsehen ohne 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Grenzen) halten wiederum Belgien, Frankreich und Italien mit Sendequoten in Funk und Fernsehen die Hollywood-Anbieter auf Distanz. Die USA hingegen schützen ebenfalls ihre Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten und Wirtschaftsprüfer und haben sich insbesondere im Bereich der Schifffahrt und aller um diese herum angesiedelten Dienstleistungen ganz besonders stark von ausländischem Wettbewerb abgeschottet. Unterschiedliche Profile der Protektion Auf beiden Seiten des Atlantiks bestehen zudem wettbewerbseinschränkende Regulierungen des Schienenverkehrs, im Gas- und Strommarkt und bei Post-, Kurier- und Expressdienstleistungen. Die Barrieren liegen v.a. bei letzteren in den USA höher als in der EU, während z.B. der Verkehr und die Stromerzeugung in der EU stärker 30 abgeschottet sind. EU-Dienstleistungsrichtlinie wird Marktzugang erleichtern Immerhin wird ein wichtiger Integrationsschritt in der EU sich auch positiv auf das transatlantische Geschäft auswirken: mit der Umset31 zung der Dienstleistungsrichtlinie der EU (bis zum 28.12.2009) wird der Marktzugang für US-Anbieter zum Binnenmarkt für Dienstleistungen der EU substantiell vereinheitlicht und erleichtert werden. Neben der materiellrechtlichen Beseitigung zahlreicher Marktzugangshürden, die bislang vertragswidrig bestehen, werden Verfahrensabläufe auch für Anbieter aus Drittstaaten durch die Schaffung einheitlicher Ansprechpartner wesentlich erleichtert werden. Zudem wird das grenzüberschreitende Geschäft europäischer Töchter von US-Firmen in der EU erleichtert werden. Finanzdienstleistungen Dem Finanzdienstleistungssektor kommt bei den aktuellen Bemühungen um eine stärkere Integration der Wirtschaftsräume der EU und der USA eine besondere Bedeutung zu. Er ist ein Wachstumsmarkt mit einem Anteil von derzeit 8% bzw. 5% der Wirtschaftsleistung in den USA und der EU, und die Bedeutung der beiden Finanzmärkte geht weit über die beiden Wirtschaftsräume hinaus: Sie sind zentrale Schauplätze der globalen Finanzindustrie und produzieren über 80% der Finanzdienstleistungen weltweit. Börsenkapitalisierung in % von weltweiter Börsenkapitalisierung, Ende Januar 2007 Andere 35% USA 39% EU 26% Quelle: World Federation of Exchange 13 Allerdings handelt es sich um zwei weitgehend voneinander getrennte Marktplätze. Zwar haben gegenseitige Portfolio- und Direktinvestitionen sowie Kreditbeziehungen traditionell einen vergleichsweise hohen Anteil, der auf die enge gesamtwirtschaftliche Verknüp32 fung zurückgeht . Nichts desto weniger werden Finanztransaktionen zwischen den USA und der EU durch Unterschiede im Regulierungsrahmen und der Aufsichtspraxis auf beiden Seiten behindert. Eine Eliminierung dieser Hürden verspricht substantielle Effizienzsteigerungen, Kostensenkungen und eine Stärkung der beiden Wirtschaftsräume im globalen Wettbewerb. So wird von einer Integration der beiden Finanzmärkte ein Rückgang der Eigenkapitalkosten für börsennotierte Unternehmen von 9% und eine Reduzierung der Transaktionskosten um 60% erwartet. Finanzmarktregulierungsdialog – aktuelle Prioritäten Intensiver Regulierungsdialog Mit dem Ziel einer Annäherung der beiden Regulierungsrahmen sowie eines besseren gegenseitigen Verständnisses über die jeweiligen Regulierungsvorhaben wurde 2002 ein informeller Regulie- 30 31 32 2. April 2007 OECD 2005 sowie Hamilton und Quinlan 2005b. Europäische Union 2006a; Deutsch, Frank, Gornig 2006. Siehe Speyer 2006. 21 EU-Monitor 45 33 rungsdialog zwischen der Europäischen Kommission auf europäischer und dem US-Schatzamt, der Wertpapieraufsichtsbehörde 34 SEC und des Federal Reserve Board auf US-Seite etabliert . Die Themen dieses Dialogs erstrecken sich über die gesamte Bandbreite der Finanzmarktgesetzgebung und konzentrieren sich derzeit auf sechs Themen: Internationale Anleiheemissionen in % des weltweiten Bestandes, Ende Juni 2006 Andere 22% 1. Die gegenseitige Anerkennung der Äquivalenz der Bilanzierungsstandards US GAAP und IFRS sowie eine weitgehende Konvergenz abweichender Regeln sind eine dringend notwendige Voraussetzung für eine effizientere Unternehmensbewertung und für weitere Fortschritte in anderen Regulierungsfeldern im Bereich der Finanzmarktpolitik und der Corporate Governance. Im Rahmen des FMRD haben beide Seiten ihre Absicht bekräftigt, eine Anerkennung der Äquivalenz ab spätestens 2009 35 zu erreichen. Dieser Zeitplan muss nun umgesetzt werden . EU 54% US 24% Quelle: BIZ 14 2. in % des weltweiten Bestandes, Ende Juni 2006 EU 25% US 44% Quelle: BIZ Mit Blick auf die Beendigung der Börsennotierung und der damit zusammenhängenden De-Registrierung ist in den USA eine Lösung erreicht worden. Die SEC hat beschlossen, bestehende Restriktionen abzuschaffen und eine De-Registrierung auf Basis eines Schwellenwerts für das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen eines Wertpapiers zuzulassen. Mit der Regelung, die eine deutliche Erleichterung beim Rückzug ausländischer Unternehmen von US-Börsen verspricht, kommt die SEC einer seit Langem von europäischer Seite vorgetragenen Forderung nach. 15 3. Bankkredite 16 33 34 35 22 Wertpapierhandel Trotz der mittlerweile globalen Dimension der Wertpapiermärkte bestehen zwischen den USA und der EU als den beiden größten Finanzmärkten der Welt nach wie vor Hürden, die den grenzüberschreitenden Handel behindern. Zum einen ist es Betreibern aus der EU seitens der SEC nicht erlaubt, direkten Zugang zu ihren Handelssysteme in den USA anzubieten, sodass es US-Brokern nicht möglich ist, direkt in Aktien zu handeln, die in der EU gelistet sind. Die Ungleichbehandlung seitens der amerikanischen Behörden wird seit längerem zwischen den beiden Seiten besprochen. Eine Lösung des Problems – wie auch zahlreicher anderer Fragen bezüglich Orderstandards, Behandlung von Kundengeldern, Definition of Kundensegmenten, Zuteilungsverfahren sowie der Verteilung von ResearchMaterial – wurde bislang jedoch nicht erreicht. Ausstehendes Volumen in Billionen EUR, Ende 2005 16,4 18 16 14 12 10,1 10 8 5,6 6 4 2 0 EU US JP Quelle: Europäische Zentralbank Börsenzulassung und De-Registrierung Die Vorschriften für die Notierung von Wertpapieren an Börsen in den USA und der EU weichen deutlich voneinander ab, was die Kosten transatlantischer Börsennotierungen erhöht. Seitens der EU ist eine weitgehende Gleichbehandlung durch entsprechende Drittstaatenregelungen erreicht worden. Für Unternehmen aus der EU bestehen hinsichtlich einer Börsenzulassung in den USA jedoch nach wie vor deutliche Marktzutrittsbarrieren. Nationale Anleiheemissionen Andere 31% Äquivalenz der Bilanzierungsstandards US GAAP und IFRS Financial Markets Regulatory Dialogue, FMRD. Neben diesen vier Behörden können Vertreter weiterer relevanter Institutionen zum Dialog eingeladen werden. Für Details zu diesem Thema siehe Beitrag auf Seite 11. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Finanzmarktregulierungsdialog (FMRD) 4. Ziel des zweiten Baseler Akkords ist die Schaffung globaler Standards für risikoadäquate Eigenkapitalanforderungen an Finanzinstitute. Mit den neuen Eigenkapitalrichtlinien hat die EU den Basel II-Akkord vollständig in europäisches Recht umgesetzt. In den USA ist eine solche Implementierung nicht vor 2009 zu erwarten. Zudem wird Basel II nur für eine Handvoll international tätiger Großbanken Anwendung finden. Wichtige Fragen, wie die genaue Form der Umsetzung, Regeln für ausländische Tochtergesellschaften in den USA sowie der zu erwartende zeitliche Ablauf, sind noch nicht geklärt. Dies nährt Befürchtungen auf beiden Seiten, dass es in naher Zukunft nicht gelingen könnte, Wettbewerbsverzerrungen sowie eine einseitige Belastung global agierender Unternehmen auszuräumen. Sowohl die EU als auch Marktteilnehmer haben die US-Seite daher aufgefordert, die noch ausstehenden Ungewissheiten rasch und im Sinne eines wettbewerbsneutralen Regulierungsumfelds zu klären. — Teilnehmer: EU Kommission, USSchatzamt, Securities and Exchange Commission, Federal Reserve Board — Ziele: Vermeiden von Konflikten, Förderung des gegenseitigen Verständnisses, Konvergenz von Regulierung und Aufsichtspraxis Dialoge anderer Regulierungsbehörden — Wertpapiere: Dialog zwischen CESR und SEC bzw. Fed — Derivate: Dialog zwischen CESR und CTFC — Bankensektor: Dialog zwischen CEBS und US-Bankenaufsehern — Versicherungen: Dialog zwischen CEIOPS und NAIC Parlamentarischer Dialog — Dialog zwischen den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments und des US-Kongresses Kapitalanforderungen und Basel II 5. Hedge Funds Im Rahmen des FMRD wird auch der Bedarf an einer intensiveren Beaufsichtigung der Hedge Fund-Industrie diskutiert, wie sie auf politischer Eben sowohl in der EU als auch in den USA von einigen Seiten gefordert wird. Nachdem die Bundesregierung im Rahmen ihrer Initiative zur EU-Ratspräsidentschaft stärkere Anforderungen an die Transparenz von Hedge Funds gefordert hatte, einigten sich die Finanzminister der G7-Staaten im Februar 2007 darauf, das Thema auf G7-Ebene weiter zu verfolgen. Privatsektor — Transatlantic Business Dialogue (TABD) — EU-US Coalition on Financial Regulation Dass dieses Thema auf internationaler Ebene behandelt wird, ist zu begrüßen, da eine Beaufsichtigung dieser Industrie alleine auf nationaler Ebene angesichts ihrer globalen Aktivitäten wenig zweckmäßig erscheint. Auf keinen Fall sollte die positive Wirkung von Hedge Funds mit Blick auf erhöhte Marktliquidität, Produktvielfalt, Markteffizienz und Erleichterung von Risikotransfers geschmälert werden. Vielmehr gilt es, die Debatte auf global relevante systemische Fragen zu konzentrieren. 6. Gemeinsame Ziele bei Geldwäschebekämpfung Mit dem Patriot Act und der Dritten Anti-Geldwäsche-Richtlinie verfolgen die USA und die EU gemeinsame Ziele bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Finanzierung terroristischer Aktivitäten und Betrug auf internationaler Ebene. Bei der Durchsetzung der beiden Rechtsrahmen sollten die Behörden auf beiden Seiten eine möglichst enge Abstimmung im Einklang mit den internationalen Standards der Financial Action Task Force (FATF) suchen, um zu verhindern, dass rechtlich unbedenkliche Kapitalströme behindert und durch inkonsistentes Vorgehen Compliance-Kosten der Unternehmen unnötig erhöht werden. 7. Erleichterung des Marktzutritts 2. April 2007 Geldwäsche und Betrug Andere Barrieren Zudem gibt es im Bereich der Rückversicherungen die Anforderung an die volle Kollateralisierung des Geschäftsrisikos in den USA, die über Treuhandfonds zu gewährleisten ist. Überhöhte Eigenkapitalanforderungen im Bankenbereich seitens Einzelstaaten und des Office of the Comptroller of the Currency widersprechen dem Inländerprinzip. Zudem haben regulatorsiche Hürden der Wertpapieraufsicht (Securities and Exchange Com- 23 EU-Monitor 45 mission) bislang den Marktzutritt europäischer Investmentfondsgesellschaften vereitelt. FMRD ist hilfreiches Gesprächsforum Mit Blick auf diese Themen hat sich der FMRD als hilfreiches Gesprächsforum bewährt. Eine Fortführung und Intensivierung des Dialogs ist daher wünschenswert, insbesondere im Licht des zunehmenden Koordinierungsbedarfs mit dem Ziel einer möglichst konsistenten Durchsetzung der Finanzmarktregulierung auf beiden Seiten. Der lange Weg zum integrierten Finanzmarkt Systematische Marktintegration… Zukünftig dürfte und sollte die Agenda des FMRD jedoch weit über die Behebung unmittelbar drängender Regulierungsthemen und punktuelle Abstimmungen hinausgehen. Immerhin sind – nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Initiative der Bundesregierung für eine „Neue Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft“ – die Rufe nach einer systematischen Integration der beiden Finanzmärkte 36 lauter geworden. Einflussreiche Interessengruppen befürworten sogar, auf lange Sicht einen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zwischen den USA und der EU anzustreben. … erfordert gemeinsame Regulierungsprinzipien Die Schritte hin zu einem integrierten Finanzmarkt müssten von einer stärkeren Kohärenz und Systematik der Regulierungs- und Deregulierungsaktivitäten auf beiden Seiten des Atlantiks geprägt sein. Hierzu ist es notwendig, dass sich beide Seiten auf gemeinsame Prinzipien der Finanzmarktpolitik einigen. Zentrale Punkte eines solchen Katalogs wären: — Regulatorische Äquivalenz: Eine gegenseitige Anerkennung bestehender und zukünftiger Finanzmarktregeln sollte als Grundprinzip über die relevanten Regulierungsbereiche hinweg eingeführt werden. — Regulatorische Konvergenz: Über eine gegenseitige Anerkennung hinaus sollte im Sinne eines möglichst harmonisierten Rechtsrahmens eine Angleichung der Rechtsbestände angestrebt werden. — Deregulierung: Im Vordergrund der Aktivitäten sollte der Abbau bestehender Hindernisse stehen, nicht etwa ein Aufbau zusätzlicher Regulierungswerke. Neue Regelungen sollten einer angemessenen Prüfung auf potenzielle Kosten und Nutzen unterzogen werden. — Freier Marktzugang: Der freie Fluss von Kapital zwischen den USA and der EU sollte die Zielvorgabe aller neuen Finanzmarktregeln sein. — Extraterritoriale Effekte: Auswirkungen nationaler Finanzmarktregeln auf Drittstaaten sollten im Sinne ungehinderter Kapitalflüsse vermieden werden. — Finanzmarktdialog: Der FMRD sollte als Forum für die Diskussion von Regulierungsfragen weiterentwickelt werden, sich die Expertise von Finanzmarktteilnehmern zunutze machen und diese systematisch in die Diskussion einbeziehen. Gegenseitige Anerkennung als Grundregel… Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung zu: Eine stärkere Integration der Finanzmärkte wird zwangsläufig eine Anpassung bestehender und entsprechende Formulierung zukünftiger Finanzmarktgesetze und -regeln erfordern. 36 24 So fordern der Transatlantic Business Dialogue (TABD) und das Transatlantic Policy Network (TPN) die Vollendung eines gemeinsamen, einheitlichen transatlantischen Marktes bis 2015. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration … ergänzt durch Rechtsangleichung Dabei dürfte sich eine weitgehende Angleichung der beiden in ihrer Systematik und ihren Inhalten sehr unterschiedlichen Rechtsbestände als in der Praxis zu aufwändig und politisch nicht durchsetzbar erweisen. Dagegen verspricht eine Marktliberalisierung auf Basis gegenseitiger Anerkennung der Regelwerke – gestützt auf Rechtsangleichungen bei deutlichen Divergenzen der Rechtsbestände – schneller und unbürokratischer die erwünschte Erleichterung des Marktzugangs. Dies legen nicht zuletzt die grundsätzlich positiven Erfahrungen der EU mit dem Binnenmarktprinzip nahe. Auch die Finanzminister der G7-Staaten haben jüngst die Bedeutung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung für eine Integrati37 on der Finanzmärkte hervorgehoben . Unmittelbarer Handlungsbedarf Eine Integration der beiden Finanzmärkte wird der amerikanischen und der europäischen Politik Entschlossenheit und einen langen Atem abverlangen. So wird die Verankerung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung die Abänderung zahlreicher wichtiger Regelwerke erfordern und sensible Themen wie die Zulassung von Banken, Wertpapierdienstleistern und Fondsgesellschaften sowie deren Produkte betreffen. Trotz der damit verbundenen politischen Anstrengungen steht jedoch fest, dass ein gemeinsamer Finanzmarkt zwischen USA und EU deutliche Effizienzgewinne auf beiden Seiten bringen wird, die entsprechenden Maßnahmen sich also langfristig mehr als auszahlen werden. Die USA und die EU sollten daher kurzfristig eine systematische Bestandsaufnahme Erfolg versprechender Regulierungsfelder initiieren und möglichst rasch einen Zeitplan zur sukzessiven Umsetzung der nötigen Maßnahmen erstellen. Internationale Studentenmobilität mobile Studenten nach Herkunft (in Tsd.) 700 600 500 400 300 1. 100 Immer mehr Studenten sind weltweit in Bewegung. Vor allem das Erstarken von China und Indien, aber auch Studenten aus dem Mittleren und Nahen Osten lassen den internationalen Strom an Studen38 ten anschwellen. Wie Schätzungen zeigen, wird die Zahl der international mobilen Studenten von 2 Millionen im Jahr 2004 auf etwa 8 39 Millionen in 2025 ansteigen . Nicht nur Studenten, auch Bildungsinstitutionen werden über nationale Grenzen hinweg aktiv und bringen so Bewegung in die internationale Bildungslandschaft. So sind In den letzten fünf Jahren neue Anbieter von Bildungsdienstleistungen aktiv geworden, die elektronisch gestützt oder auf Basis der Zusammenarbeit mit anderen Bildungsinstitutionen Lernmöglichkeiten 40 für Studenten bieten und dies oft gegen Geld. Ostasien unbekannte Herk. Westeurope Sub Sahara Süd- West Asien Osteuropa Arab. Staaten Lateinamerika Zentralasien Mehr Aufmerksamkeit für Bildungsdienstleistungsmärkte erforderlich 200 0 Nordamerika Bildung in Bewegung Quelle: UNESCO (2006) Global Education Digest, S.38 17 Bildung als Exportschlager US-Bildungsexporte in Mio. USD 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 Bildungslandschaft durch Globalisierung in Bewegung Vor allem amerikanische Bildungseinrichtungen – profitorientierte Unternehmen, Ausgründungen und Tochterunternehmen staatlicher Hochschulen bis hin zu IT-Unternehmen – tragen dazu bei, dass die Exporte von Bildungsdienstleistungen steigen (Grafik 18). Die USA liegen dabei mittlerweile mit ca. 12-13 Mrd. USD an jährlichen Bildungsexporten weltweit an der Spitze. In dieser Bewegung entste- 0 1995 1997 1999 2001 2003 Quelle: OECD (2005) Statistics on Trade in Services 18 37 38 39 40 2. April 2007 „To further liberalize cross-border capital markets, we agreed to explore within the G7 free trade in securities based on mutual recognition of regulatory regimes.“ Statement, G7 2007 Finance Ministers Meeting, Essen, 9.-10. Februar 2007. Altbach/Knight 2006. S. 30-31. Powar 2005. S. 62. Altbach/Knight 2006. S. 30. 25 EU-Monitor 45 hen in Zukunft auch neue Märkte, vor allem für Lernmittel, Lehrma41 terialien und Bildungsmanagement. Exporteure von Bildungsleistungen 2. Anteil an Gesamtzahl der im Ausland Studierenden nach Gastland Und auch viele Regierungen sind nicht untätig geblieben. Vor allem die amerikanische Regierung und die Europäische Union verhandeln bi- und multilaterale Handelsabkommen und arbeiten seit mehreren Jahren zusammen. Sie treiben so den Umbau ihrer Bildungssysteme voran, um im globalen Wettbewerb um Talente und damit auch zahlende Kunden für Bildungsdienstleistungen nicht ins Hinter42 treffen zu geraten . 10% 6% 10% 33% 4% 6% 4% 3% 3% 2% 1% 7% 32% 2000 2004 9% 12% 25% 11% 22% Deutschl. Russ. Fed. UK Australien Spanien USA Japan Frankreich andere Quelle: OECD EAG (2006), S. 288 19 Zu klein, um Wirkung zu entfalten 80000 70000 60000 50000 40000 30000 20000 10000 0 Europäer in USA anderweitig Amerikaner in EU mit EU-US Programm Quelle: EURODATA (2005) und OECD (2006) Initiativen bedingen Umbau von Bildungsmärkten 20 Bildung: öffentliche oder private Finanzierung? tertiäre Bildung 100% 80% 60% 40% Dabei verfolgen die amerikanische Regierung und die Regierungen 43 innerhalb der Europäischen Union unterschiedliche Ziele: Europäische Regierungen setzen eher auf gegenseitige Verständigung und sind bestrebt durch Kooperation möglichst viele qualifizierte Studenten anzuziehen. Die US-amerikanische Regierung hingegen setzt eher darauf, Umsätze mit Bildungsdienstleistungen zu generieren und dringt deswegen auf eine Abschaffung von Handelsschranken, um so die Exportmöglichkeiten ihrer Bildungsdienstleister zu verbessern. Innerhalb der GATS-Verhandlungen ergibt sich so eine interessante Gemengelage: Die Europäische Union setzt sich zwar für die Schaffung eines „Europäischen Hochschulbildungsraums“ und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulbildung (Bologna-Prozess) ein. Doch gleichzeitig machte die Europäische Kommission 2005 auf Druck aus einigen Mitgliedsstaaten deutlich, dass es keine weiteren Veränderungen an den bestehenden Handelsregimes im Bereich der Bildungsdienstleistun44 gen geben sollte. Um aber trotzdem weiter Impulse zu geben, setzt Europa durch Programme wie Erasmus Mundus verstärkt auf Zusammenarbeit. Dabei spielt auch das transatlantisch-orientierte EU-US Kooperationsprogramm eine Rolle. So werden in den nächsten 8 Jahren jährlich jeweils 2 Millionen Euro von der EU und den USA aufgewendet, um die Zusammenarbeit von Bildungsinstitutio45 nen zu verbessern. Allerdings ist dieses Kooperationsprogramm zu klein, um eine systematische Wirkung zu erzielen – zu wenige 46 Studenten und Institutionen werden unterstützt. 3. Mehr Aufmerksamkeit für Bildungsmärkte erforderlich Die Bewegung in der Bildungslandschaft und die Zunahme von grenzüberschreitenden Bildungsangeboten fordern die Bildungspolitik heraus: Die Qualität, der Zugang zu und die Kosten von Bildungsdienstleistungen müssen abgesichert werden (Larsen 2004, S. 4). Da der Umbau von Bildungssystemen nicht unumstritten ist, sollten die US-amerikanische Regierung und politisch Verantwortliche in der EU dem Umbau von Bildungsmärkten mehr Aufmerksamkeit widmen. Um unnötige Widerstände zu vermeiden, sollten sie weiter Schritt für Schritt – auch bilateral – die Zusammenarbeit vertiefen. Im Rahmenwerk des GATS sollte geklärt werden, was öffentliche Dienstleistungen und „other educational services“ sind und 47 inwieweit diese Dienstleistungen handelbar sind. Vor allem Europa, in dem Bildung oft durch den Staat finanziert wird, sollte genauer definieren, was die kulturellen und gesellschaftspolitischen Beiträge 20% 41 0% 42 EU-19 Deutschl. Durchschn. privat öffentlich USA Quelle: OECD EAG (2006) 26 43 44 45 21 46 47 Bassett 2006. S. 156. Robertson 2006. Larsen 2004. S. 4. Europäische Kommission 2005. Europäischer Rat 2006. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005. Education International 2004. S. 18. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Bildungsleistungen gewinnen durch: — noch mehr Zusammenarbeit; — mehr gesellschafts- und bildungspolitische Akteure; — hörere Transparenz, bessere Datengrundlage und bessere Verfahren; — definierte Qualitätsstandards und Anforderungen an Dienstleister im Bildungsbereich; — eine mit Augenmaß definierte Rolle des Staates. Wichtigste Relationen im globalen Luftverkehr 2006, Anteile in % Innerhalb Nordamerikas 23,2 Sonstige 44,9 NordamerikaEuropa; 9,9 Innerhalb Asiens/ Pazifik 13,7 Innerhalb Europas 8,3 Quellen: Rolls-Royce, DB Research 22 von Bildung sind. Europa muss dabei auch klären, durch welche Aufgabenteilung zwischen öffentlichen und profitorientierten Dienstleistern ein möglichst gutes Angebot an Bildung für alle gesichert werden kann. Produktstandards In der EU und in den USA werden Standards für die Sicherheit, den Schutz der Verbraucher und die Umweltverträglichkeit von Gütern 48 sehr unterschiedlich festgelegt. Während in der EU vor allem nationale Einrichtungen, zunehmend aber auch EU-Institutionen einheitliche Standards mit quasi öffentlichem Charakter in großer Marktnähe mit öffentlicher Unterstützung und Regulierung festlegen, sind in den USA eine Vielzahl konkurrierender, privater Organisationen sowie die Bundesbehörden mit dem Standardisierungs- und Zertifizierungsprozess befasst. Die für den Handel wichtigen privaten USStandards haben in weitaus geringerem Umfang den Charakter öffentlicher Güter und werden auch nicht mit öffentlicher Unterstützung und Überwachung ausgearbeitet und beschlossen. Zudem agieren Gebietskörperschaften und Versicherungsgesellschaften mit zusätzlichen Anforderungen zur Produkthaftung auf diesem Gebiet, was de facto zu einer starken Fragmentierung des US-Markts beigetragen hat. Die EU-Institutionen wiederum arbeiten eng in internationalen Standardisierungsgremien mit und prägen diese somit, während die US-Einrichtungen dies nicht tun. Zwar werden einzelne USStandards auch international angewendet, aber in der Mehrheit geschieht dies nicht. Die Divergenz von vielen US-Standards von international akzeptierten Standards dürfte mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit von US-Anbietern unterminieren. Ohne eine fundamentale Kehrtwende in der gesamten Herangehensweise der USA an die Standardsetzung dürfte es jedoch kaum einen Durchbruch geben. Insbesondere in den bereits durch viele Standards geprägten Branchen des Maschinenbaus, der Kraftfahrzeuge und der Elektrotechnik müssten sich die US-Einrichtungen an internationalen Standards ausrichten, das Abkommen über technische Handelsbarrieren mit Leben füllen und das MRA über elektrische Sicherheit umsetzen. Die EU wiederum sitzt v.a. bei der Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmitteln von US-Firmen auf der Anklagebank, da es keine einheitliche Umsetzung entsprechender Regelwerke gibt. Im transatlantischen Verhältnis wären wohl am ehesten neue Verfahren und abgestimmte Standardsetzung für sich erst entwickelnde Branchen und Produkte denkbar, etwa auf dem Gebiet des Umweltschutzes, der Kraftstoffe oder der Energiewirtschaft im weiteren Sinne. Marktöffnung im transatlantischen Luftverkehr ante portas? Die Luftverkehrsmärkte innerhalb der USA und innerhalb der EU sind schon seit vielen Jahren vollständig liberalisiert. Die Verhandlungen über eine Öffnung des transatlantischen Luftverkehrsmarktes zur Schaffung eines so genannten Open Sky, die im Sommer 2003 begannen, verliefen aufgrund verschiedener Widerstände seither 49 jedoch schleppend. Im Wesentlichen geht und ging es bei den Verhandlungen über eine bilaterale Marktöffnung um zwei Aspekte: Zum einen soll es europäischen Airlines erlaubt sein, von jedem beliebigen Flughafen in der 48 49 2. April 2007 Einen sehr guten Überblick über das Thema bieten Büthe und Witte 2004. Heymann, Eric (2004). Überfällige Konsolidierung im Luftverkehr ante portas? Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen Nr. 291. Frankfurt am Main. 27 EU-Monitor 45 EU Flüge zu jedem US-Airport und letztlich auch Inlandsflüge innerhalb der USA anzubieten; dies muss umgekehrt natürlich auch für amerikanische Fluggesellschaften gelten. Derzeit ist der gegenseitige Marktzutritt noch stark eingeschränkt. So dürfen heute vom größten europäischen Flughafen London-Heathrow nur vier Fluggesellschaften Verbindungen in die USA anbieten. Zum anderen sollen künftig finanzielle (Mehrheits-)Beteiligungen und Übernahmen von Airlines durch ausländische Investoren (z.B. direkte Wettbewerber) erlaubt sein. Die größten Fluggesellschaften der Welt Mrd. Personenkilometer im Linienverkehr* 2005 American United Airlines Delta Eine größere Beteiligung ausländischer Fluggesellschaften an amerikanischen Konkurrenten wurde in den vergangenen Jahren von Seiten der US-Regierung stets abgelehnt. Gründe hierfür sind strategische Bedenken, da die Fluggesellschaften im militärischen Bedarfsfall zivile Flugzeuge für den Truppentransport abstellen müssen. Ferner wollte die US-Regierung die nationalen Fluggesellschaften schützen, nachdem sie u.a. in Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 in wirtschaftliche Turbulenzen geraten waren, von denen sie sich bis heute zum Teil noch nicht erholt haben. Northwest Air France Lufthansa British Airways Continental JAL Singapore Airlines Geplantes Open-Sky-Abkommen Schritt in richtige Richtung 0 100 200 300 * Inlands- und internationale Flüge Quelle: IATA 23 Die 15 größten Flughäfen der Welt Mio. Passagiere 2006 Atlanta Chicago London (LHR) Tokio Los Angeles Dallas Paris (CDG) Frankfurt Peking Denver Las Vegas Amsterdam Madrid Hongkong Bangkok 0 50 Quelle: Airports Council International 28 100 24 Im März 2007 einigten sich die USA und die EU auf eine umfangreichere Öffnung des transatlantischen Luftverkehrsmarktes. Ein wesentliches Element der Einigung ist der leichtere Marktzugang für Fluggesellschaften. Grundsätzlich sollen künftig europäische Airlines alle Flughäfen in den USA ansteuern und von dort Weiterflüge in Drittstaaten anbieten dürfen, was natürlich auch umgekehrt gelten soll. Die vielen bilateralen Luftverkehrsabkommen der EU-Länder mit den USA würden dann obsolet. Flüge europäischer Anbieter innerhalb des US-Marktes, dem größten Luftverkehrsmarkt der Welt, sind jedoch weiterhin nicht möglich (und umgekehrt). In der Frage zum Eigentum ausländischer Investoren an US-amerikanischen Fluggesellschaften zeichnet sich nur eine marginale Liberalisierung ab, da der Auslandsanteil an den Stimmrechtsaktien der US-Airlines auf 25% begrenzt bleiben soll. Dies stößt in vielen EU-Ländern, vor allem in Großbritannien, auf Kritik. Nachdem der EU-Verkehrsministerrat dem Entwurf zugestimmt hat, kann das Abkommen von beiden Seiten unterzeichnet werden und im März 2008 in Kraft treten. Ursprünglich war ein früherer Starttermin Anfang Oktober 2007 geplant; die Verschiebung ist als Zugeständnis an Großbritannien zu werten, das um die starke Marktposition von British Airways am Flughafen London-Heathrow fürchtet und die restriktive Regelung in puncto Mehrheitsbeteiligungen kritisiert. Die Einigung ist ein Schritt in die richtige Richtung, sie kann jedoch nur der Anfang sein. Denn eine vollständige Liberalisierung des transatlantischen Luftverkehrsmarktes, die eine Öffnung der jeweiligen Inlandsmärkte einschließt, würde der gesamten Branche einen Wachstumsschub verleihen und sollte daher das Langfristziel bleiben. Das Routenangebot würde steigen, und aufgrund des vermehrten Wettbewerbs würden die Ticketpreise unter Druck geraten. Konsequenterweise müssen die beteiligten Regierungen aber auch Mehrheitsbeteiligungen an heimischen Fluggesellschaften durch Wettbewerber aus Übersee zulassen; denn solche transatlantischen Übernahmen und Fusionen sind in vielen anderen Branchen schon heute gängige Praxis. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Ziviler Flugzeugbau Subventionsstreit derzeit festgefahren Auftragsboom in der Flugzeugindustrie 1.200 1.000 800 Im Oktober 2004 kündigten die USA das Agreement on Trade in Large Civil Aircraft von 1992 mit der EU. Dieses Abkommen regelte die Formen der staatlichen Unterstützungen für die zivile Flugzeugindustrie (Anschubfinanzierungen in Europa, indirekte Beihilfen in den USA). Parallel dazu leiteten die USA eine Untersuchung bei der WTO zu den Subventionen für die europäische Flugzeugindustrie ein. Die EU beantragte daraufhin ihrerseits die Einleitung eines entsprechenden WTO-Verfahrens. 600 400 200 0 74 78 82 86 90 94 98 02 06 Bestellungen Airbus Bestellungen Boeing Quellen: Airbus, Boing Seit Jahrzehnten schwelt der Streit zwischen den USA und der EU über unzulässige Subventionen für die beiden weltweit dominieren50 den Hersteller ziviler Flugzeuge, Boeing und Airbus. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, durch verschiedene Beihilfen den Wettbewerb in der Branche zu verzerren. 25 Seither scheiterten sämtliche Versuche, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Gleichwohl betonten beide Seiten stets die Präferenz für eine Lösung außerhalb der WTO. Die derzeitigen Marktmachtverhältnisse zwischen den beiden Kontrahenten, die Diskussion um höhere Staatsbeteiligungen an EADS sowie die Unsicherheit über die Finanzierung der neuen A350 von Airbus lassen eine rasche Verhandlungslösung unwahrscheinlich erscheinen. Alles in allem ist die Situation im transatlantischen Handelskonflikt festgefahren. Viele Gründe für Rückkehr an Verhandlungstisch Flugzeugauslieferungen Boeing und Airbus 700 600 500 400 300 200 100 0 74 78 82 86 90 94 98 02 06 Airbus Boeing Quellen: Boeing, Airbus 26 Dennoch sprechen gute Gründe für die Wiederaufnahme von Gesprächen: So ist es unwahrscheinlich, dass aus dem Disput ein eindeutiger Gewinner hervorgeht, denn beide Seiten werden massiv durch Subventionen unterstützt; zwei Pyrrhussiege sind wahrscheinlicher. Zudem ist fraglich, ob ein WTO-Urteil eine gravierende Änderung der gängigen Subventionspraxis bewirken würde. Ferner sind die zwei Kontrahenten aufgrund der internationalen Arbeitsteilung schon lange keine reinen „nationalen Champions“ mehr. Beide Flugzeugbauer beziehen einen steigenden Anteil von Zulieferteilen von Unternehmen, die auf der jeweils anderen Seite des Atlantiks angesiedelt sind. Damit schadet ein WTO-Verfahren indirekt auch der heimischen Industrie. Ferner schätzen viele Marktbeobachter diesen Fall als zu komplex ein, als dass er von der WTO abschließend gelöst werden könnte. Daher ist auch die Gefahr einer Beschädigung der WTO groß. Nicht zuletzt belastet ein Streit dieses Ausmaßes die Beziehungen der zwei wichtigsten Handelsmächte der Welt und bindet knappe Managementkapazitäten. Um die Wiederaufnahme von Verhandlungen und einvernehmliche Lösungen zu ermöglichen, müssten sich beide Parteien bewegen. Zu hohe Vorbedingungen einer Seite machen eine Verhandlungslösung unmöglich, da sie die andere Seite, würde sie die Bedingungen akzeptieren, von Beginn zum Verlierer stempeln würde. Es ist daher zu überlegen, neue Verhandlungen beim „Punkt Null“ zu beginnen, d.h. alle gegenseitigen Vorwürfe der Vergangenheit außen vor zu lassen und das Verhandlungsziel auf die Zukunft zu richten. Als wichtigstes inhaltliches Ziel einer Lösung außerhalb der WTO müsste die dauerhafte Reduktion von Subventionen in der Flug- 50 2. April 2007 Vgl. Heymann, Eric (2006). Boeing und Airbus vor WTO: Keiner wird gewinnen. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen Nr. 373. Frankfurt am Main. 29 EU-Monitor 45 zeugindustrie angestrebt werden. Der Fehler des 1992er Abkommens, Subventionen zu legitimieren, darf sich nicht wiederholen. Hohe Direktinvestitionen in der Chemieindustrie Hohe Kapitalverflechtung in der Chemieindustrie In der Chemieindustrie sind die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den USA schon seit längerem sehr intensiv. 2005 exportierte die EU-25 Chemikalien im Wert von EUR 48 Mrd. in die USA, was einem Anteil von einem Zehntel der gesamten Chemieexporte der EU (inklusive Intra-EU-Exporte) entspricht. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die europäische Chemie in den USA mit einer Reihe eigener Produktionsstätten vertreten ist. Die Direktinvestitionen der deutschen Chemie – mit einem Anteil von etwa einem Viertel größter Hersteller in der EU-25 – kamen in den USA zuletzt auf ein Volumen von EUR 11 Mrd.; dies sind 15% an allen Investitionen der deutschen Industrie in den USA. Mit einem Anteil von knapp 30% stehen die USA an der Spitze der gesamten Auslandsinvestitionen der deutschen Chemie, gefolgt von Frankreich und der Schweiz, die zusammen nur die Hälfte erreichen. Insgesamt betreiben die deutschen Hersteller in den USA ca. 140 Tochterunternehmen, in denen über 100.000 Beschäftigte tätig sind. Lebhafter Handel mit Chemikalien und Arzneimittel Die Chemie-Importe der EU-25 aus den USA hatten 2005 ein Volumen von EUR 31 Mrd., wobei knapp zwei Fünftel auf Pharmazeutika entfielen. Die Direktinvestitionen der US-Chemie in Deutschland lagen zuletzt nur bei knapp EUR 4 Mrd. was einem Anteil von 15% an allen Direktinvestitionen ausländischer Chemie-Unternehmen in Deutschland entspricht. Dennoch investierten die USA in Deutschland am meisten in der Chemiebranche (13%), während die Anteile in anderen Sparten des Verarbeitenden Gewerbes darunter lagen (z.B. Maschinenbau 10%; Gummi- und Kunststoffwaren 7%). Abgestimmte Regulierung wäre wünschenswert Der transatlantische Handel im Chemiebereich könnte noch deutlich höher ausfallen, wenn zahlreiche Handelshemmnisse abgebaut würden. Die OECD spricht von einem zusätzlichen Potenzial in Höhe von EUR 8 Mrd. Anzustreben ist vor allem eine engere Zusammenarbeit zwischen der US- und der EU-Regulierungsbehörde. Hilfreich wäre dies vor allem im Bereich gefährlicher Stoffe, wo eine Bewertung nach einheitlichen Kriterien angezeigt ist. Nützlich wäre dabei eine Einrichtung wie der Trans Atlantic Business Dialogue (TABD) in der EU, die der Industrie die nötigen Informationen zur Verfügung stellt. Neue EU-Chemikalienverordnung wirkt bremsend REACH schafft hohe Hürden 30 Mitte 2007 tritt in der EU die neue Chemikalienverordnung REACH in Kraft (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals). Damit wird der Umgang mit Chemikalien in Europa auf eine neue Grundlage gestellt, da viele Chemikalien Umwelt- und Gesundheitsschäden verursachen. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollte die Chemikalienpolitik in der Union sowohl ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gewährleisten als auch die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie sichern. Allerdings wird die Umstellung wegen der großen Menge an Stoffen schrittweise geschehen und erst 2018 abgeschlossen sein. 30.000 Substanzen sollen von der neuen Europäischen Chemikalienagentur (EChA) in Helsinki erfasst und registriert werden. Mit der Umsetzung des Chemikalienrechts kommen auf die Chemieunternehmen und Importeure zusätzliche Kosten zu. Für US-Firmen, die in die EU exportieren wollen, ist dies mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden, was die Exportdynamik etwas bremsen dürfte. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Dynamisches Außenhandelswachstum in Pharmaindustrie Pharmaaußenhandel EU-USA expandiert Mrd. EUR 20 15 10 5 0 95 97 99 01 03 05 EU-Export in die USA EU-Import aus den USA 27 Quellen: Eurostat, VCI Chemieaußenhandel EU-USA stark gestiegen Mrd. EUR 60 50 40 30 20 10 0 95 97 99 01 03 05 EU-Export in die USA EU-Import aus den USA Quelle: Eurostat, VCI 28 Auch die Pharmaindustrie in der EU und den USA ist stark miteinander verflochten. Die Handelsbeziehungen haben in den letzten Jahren deutlich an Dynamik zugelegt. Zwischen 2000 und 2005 stiegen die Ex- und Importe um durchschnittlich je etwa 15% p.a. auf knapp EUR 20 Mrd. bzw. 12 Mrd. Während in den europäischen Ländern die Ausgaben für Arzneimittel zu einem großen Teil über die gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden, ist die Bevölkerung in den USA mehrheitlich privat krankenversichert. Staatliche Preisregulierung für Medikamente wie in europäischen Ländern kennen die USA bisher nicht. Infolge der relativ hohen amerikanischen Arzneimittelpreise verwundert es nicht, dass die europäischen Pharmariesen ihre Aktivitäten verstärkt in Richtung USA lenken. Der US-Markt ist weltweit der größte, und das Umsatzwachstum ist erheblich stärker als in Europa. Zudem bieten die USA ein günstigeres Forschungsumfeld als in europäischen Ländern – z.B. eine enge Verzahnung zwischen Industrie und Wissenschaft. Von den ca. 130 weltweiten Forschungsstätten, die die 30 führenden Pharmaunternehmen unterhalten, befinden sich nach Angaben des deutschen Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) etwa 50 in den USA, 15 in Großbritannien und nur je 10 in Frankreich und Deutschland. Mittlerweile stammen etwa zwei Drittel aller neu entwickelten Medikamente aus den USA und nur noch ein Fünftel aus Europa. Darüber hinaus ist der US-Markt weit weniger durch rechtliche Restriktionen eingeschränkt als der europäische. Allein in Deutschland bilden rd. 60 Gesetze, Verordnungen und Richtlinien die Rechtsgrundlage für die Herstellung und den Umgang mit Arzneimitteln. Die EU ist von einem einheitlichen Pharma-Binnenmarkt noch weit entfernt. Zwar haben einerseits die Zulassungsverfahren für Arzneimittel in den einzelnen Mitgliedstaaten den Marktzugang für Medikamente erleichtert. Andererseits gibt es jedoch unterschiedliche Regelungen zur Preisbildung und Erstattung von Medikamenten durch die Krankenkassen. Der Handel mit Pharmazeutika zwischen der EU-25 und den USA könnte noch deutlich höher ausfallen, wenn in Europa die Potenziale zur Liberalisierung ausgeschöpft würden. Stark reglementierte grüne Biotechnologie in EU Im Bereich der Biotechnologie haben Lebensmittel mit genveränderten Inhaltsstoffen aufgrund umfangreicher Reglementierungen in der EU gegenwärtig kaum eine Chance, und es besteht ein erheblicher Rückstand gegenüber Amerika. Eine Rolle spielt auch, dass die Konsumenten „Gen-Food“ mehrheitlich ablehnen. In den USA, wo Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen schon seit etwa zehn Jahren auf dem Markt und weitgehend akzeptiert sind, konnten bis heute keine gravierenden gesundheitlichen Probleme bei den Konsumenten nachgewiesen werden. Größter Anbau von Gen-Pflanzen in USA Flächenanteil BR 13% AR 22% US 65% Quelle: ISAAA 2. April 2007 29 Der weltweite Anbau transgener Pflanzen (grüne Biotechnologie) begann bereits Mitte der 90er Jahre. Vorteile der Genpflanzen gegenüber dem traditionellen Anbau bestehen vor allem in höheren Erträgen und einer verbesserten Erntequalität, Nachteile könnten in noch nicht absehbaren ökologischen und gesundheitlichen Risiken liegen. Die größten Anbauflächen lagen 2006 mit rd. 55 Mio. Hektar in den USA. In der EU wurde lediglich auf 68.000 Hektar gentechnisch veränderter Mais angebaut, der ausschließlich als Futtermittel verwertet wird (lediglich 1% der gesamten Maisanbaufläche in der EU). 31 EU-Monitor 45 Umwelt- und Klimapolitik: Chance für Annäherung gegeben In kaum einem Politikfeld sind die Unterschiede zwischen den USA und der EU so offensichtlich wie in der Umwelt- und Klimapolitik. Die USA dienten vielen europäischen Politikern über Jahre hinweg als „liebstes Feindbild“ in Umweltfragen. In der Tat ist der Energie- und Ressourcenverbrauch in den USA erheblich höher als in Europa. Beispielsweise liegen die CO2-Emissionen pro Kopf in den USA mehr als doppelt so hoch wie in der EU – bei nur etwas höherem Wohlstandsniveau. Die aufgrund der geringeren steuerlichen Belastung traditionell deutlich niedrigeren Energiepreise sowie gewisse Mentalitätsunterschiede in der Bevölkerung tragen zu dieser Diskrepanz bei. CO2-Emissionen pro Kopf: USA vorne 2004 US OECD RU DE JP UK IT ES CN BR IN 0 10 20 30 Quelle: IEA 30 Viele EU-Länder von KyotoZielen noch weit entfernt DE GB DK SE FI FR BE NL LU IT AT GR Daher ist es nicht überraschend, dass die EU in Sachen Klimaschutz sehr viel ehrgeizigere Ziele als die USA formuliert hat und deren Erfüllung auch konsequenter verfolgt. So war es die EU, die sich auf internationaler Ebene stark für eine Ratifizierung des KyotoProtokolls eingesetzt hat. Dagegen lehnten die USA, der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen, eine solche Ratifizierung mit Verweis auf mögliche Beeinträchtigungen für die US-Wirtschaft ab. Unter den Industrieländern nehmen die USA zusammen mit Australien damit eine Außenseiterposition ein. Mit dem Start des EU-Emissionshandels Anfang 2005 werden zum ersten Mal in großem Stil und auf internationaler Ebene die Ziele des Kyoto-Protokolls durch konkrete Maßnahmen mit Leben erfüllt. Dies ist ein Signal sowohl für die Länder, die sich ebenfalls einen stärkeren Klimaschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben als auch für die Staaten, die hier bislang noch zurückhaltender sind. Der Symbolcharakter des EU-Emissionshandels ist nicht zu unterschätzen. Das Handelssystem hat trotz einiger Kinderkrankheiten das Potenzial zu einem der weltweit wichtigsten klimapolitischen Instrumente. Dazu muss es freilich offen für interessierte Drittstaaten ausgestaltet sein und von bürokratischen Lasten befreit werden. Aus unserer Sicht wäre eine Versteigerung der Zertifikate anstelle einer kostenlosen Zuteilung vorteilhaft. So würde der Marktmechanismus schon im Vergabeprozess seine positive Wirkung entfalten. Ferner wäre ein schnellerer Umstieg auf Energieträger mit weniger Emissionen zu erwarten, da Kohlendioxid bei einer Versteigerung ein ech51 ter Kostenfaktor für die Unternehmen wäre. Neuorientierung der US-Umweltpolitik IE PT ES EU-15 -50 0 50 100 Veränderung der CO2-Emissionen 2005 gg. 1990 in % Geplante CO2-Emissionen nach KyotoProtokoll (2008/12 gg. 1990 in %) Quelle: DIW 31 In letzter Zeit mehren sich die Signale, dass ein Umdenken in der amerikanischen Umweltpolitik stattfindet. Kürzlich hat Präsident Bush zum ersten Mal die Existenz des Klimawandels anerkannt. Er kündigte u.a. umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz oder zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs an. Fraglich bleibt, ob das Umdenken in erster Linie ökologisch motiviert ist oder ob nicht das Ziel, die Abhängigkeit von teuren Öl- und Gasimporten aus politischen instabilen Regionen zu reduzieren, im Vordergrund steht. Einige US-Bundesstaaten waren im Bereich der Umweltgesetzgebung schon immer progressiver als die Bundesregierung. Dies gilt z.B. für Kalifornien, wo schon in den 1990er Jahren erfolgreich ein Handel mit Emissionszertifikaten für Schwefeldioxid installiert wurde. Auch im Bereich erneuerbare Energien nimmt Kalifornien innerhalb 51 32 Vgl. Heymann, Eric (2007). EU-Emissionshandel: Verteilungskämpfe werden härter. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen Nr. 377. Frankfurt am Main. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration Treibhausgase*: Schere zw. USA und EU öffnet sich 1990=100 120 USA 115 110 105 EU-15 100 95 1990 1995 2000 2005 * Emmission in CO2-Äquivalente Quelle: DIW 32 der USA eine Führungsrolle ein. Neben Kalifornien haben noch andere Bundesstaaten Interesse an einem CO2-Emissionshandel bekundet und wollen sich freiwillig Obergrenzen für ihre Treibhausgasemissionen setzen. Warum sollten sich diese Bundesstaaten nicht an das europäische Handelssystem anschließen können? Auch in vielen US-Unternehmen findet ein Umdenken statt. So setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass energetisch ineffiziente Produktionsverfahren zu teuer sind und Energie fressende Produkte im Wettbewerb nicht bestehen können. Die US-Autoindustrie kann ein Lied davon singen. In der United States Climate Action Partnership (USCAP) haben sich führende US-Unternehmen (z.B. General Electric, Alcoa) und Umweltverbände zusammengeschlossen. Die Vereinigung setzt sich u.a. für eine Begrenzung bzw. Reduzierung der Treibhausgasemissionen ein – auch gegenüber der US-Regierung. Es ist zu erwarten, dass Umweltaspekten im Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2008 ein nennenswerter Platz eingeräumt wird. Eine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch die USA zeichnet sich bisher aber nicht ab. Grundsätzlich zeigt sich in den USA derzeit eine starke Präferenz für technologische Lösungen zum Klimawandel. Die Europäer sollten sich daher nicht zu sicher sein, dass sie ihren aktuellen Vorsprung im Bereich der Umwelttechnologie vor den USA halten werden. Zwar wird nicht in allen Fällen das ökologische Gewissen zu einem Umdenken in der US-Industrie führen. Aber Gewinnchancen, die aus energieeffizienten Technologien resultieren, wird sie sich in der mittleren Frist nur ungern entgehen lassen. Kraftstoffe: Harmonisierung sinnvoll Bei der Bekämpfung der steigenden Emissionen im Straßenverkehr vertrauen die USA und die EU auf ähnliche Instrumente. So soll der Anteil der Biokraftstoffe deutlich erhöht werden. In diesem Zusammenhang wäre eine möglichst weitgehende Harmonisierung der technischen Standards wichtig (Kompatibilität der Kraftstoffe mit der gängigen Motorentechnologie dies- und jenseits des Atlantiks). Diesel-Anteil in Westeuropa* erreicht 50% Anteil der Diesel-PKW an Neuzulassungen 60 50 40 30 20 10 0 90 92 94 96 98 00 02 04 06 * EU-15 + EFTA Quelle: ACEA 2. April 2007 33 Vor allem für deutsche (Premium-)Autohersteller ist der US-Markt von großer Bedeutung, gelang ihnen doch in den letzten Jahren ein stetiger Ausbau ihrer Marktanteile. Dies lag auch daran, dass die in Europa zuletzt in die Kritik geratenen deutschen Oberklassefahrzeuge beim Kraftstoffverbrauch im Vergleich zu den amerikanischen Konkurrenzmodellen deutlich Vorteile aufweisen. Große Hoffnungen ruhen auch auf einer stärkeren Marktdurchdringung des Diesel-Pkw. Die deutschen Hersteller starteten hier eine Offensive (BlueTec, BlueMotion), um das Segment, das in den USA traditionell unter Imageproblemen zu leiden hat, auf Wachstumskurs zu bringen. Hilfreich ist dabei die flächendeckende Einführung von schwefelarmem Dieselkraftstoff in den USA seit Herbst 2006. Dies ist eine Voraussetzung für den Einsatz moderner deutscher Dieselmotoren. Nun können die Abgasnormen in den USA auch mit Diesel-Fahrzeugen erfüllt werden. Wir sehen ein großes Potenzial für DieselPkw in den USA, auch aufgrund des im Vergleich zu Benzinern geringeren Verbrauchs. Nach unserer Prognose könnte der Marktanteil von Diesel-Pkw an den Autoverkäufen in den USA bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts von heute etwa 3% auf deutlich über 10% steigen (EU-15 derzeit gut 50%). Zudem erwarten wir, dass der Marktanteil des Diesel-Pkw dauerhaft höher bleibt als der von Hybrid-Fahrzeugen. 33 EU-Monitor 45 Wende in der US-Energiepolitik52 US-Administration möchte Abhängigkeit von Öleinfuhren reduzieren Präsident Bush sprach sich in seiner jüngsten Rede „Zur Lage der Nation“ für einen Kurswechsel in der Energiepolitik aus. So soll zur Reduzierung der Abhängigkeit von ausländischen Öllieferungen der Benzinverbrauch bis 2017 um 20% durch neue, saubere Kraftstoffe und Techniken reduziert werden (twenty in ten goal). Neuausrichtung der Klimapolitik von unten Die Rede ist ein starkes Zeichen für eine tatsächliche Wende in der US-Energiepolitik. Zwar hatte der Präsident die steigende Abhängigkeit der USA von Energieimporten bereits vor einem Jahr thematisiert, aber er blieb Lösungsvorschläge schuldig. In den letzten Monaten nun machen in den USA Bürgerbewegungen, Kommunen, Bundesstaaten und Unternehmen vor, dass die Themen Klimaschutz und neue Energiepolitik in den USA angekommen und nicht mehr aufzuhalten sind. Damit scheint die Wende in der US-Energiepolitik wohl von unten und nicht von oben zu kommen. Positiv ist nun z.B. der Vorschlag des Präsidenten, mittels der Expansion der Biokraftstoffe den Energiehunger der US-Autoflotte stärker abzudecken. Gleichwohl sind nicht die Einzelmaßnahmen entscheidend für die Energiewende, sondern die Bereitschaft zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Klima- und Energiepolitik. Wenn nun selbst die bisherigen Gegner einer Neuausrichtung zu Wegbereitern für das Neue werden, könnte die Energiewende sehr viel schneller kommen als ursprünglich gedacht. Damit bieten sich in den kommenden Jahren erhebliche neue Geschäftspotenziale für die Hersteller alternativer Energien (z.B. Photovoltaik, Wind und Bioenergien) und moderner Umwelttechnologien – nicht zuletzt aus Deutschland, das frühzeitig auf diese neuen Technologien setzte. Allerdings sieht es noch nicht danach aus, dass die USA das KyotoAbkommen bald ratifizieren werden. Neue Technologien sind wichtiger Ansatz Forschung und Grassroots geben Impulse Wesentliche Impulse zur Umweltorientierung und Effizienzsteigerung in den USA kommen aus der Wissenschaft und von Grassroots-Bewegungen: Dem 1993 gegründeten US Green Building Council12 (USGBC) gehören mittlerweile 5.500 Organisationen an, u.a. aus Wissenschaft, nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), Bau- und Energiewirtschaft. Ziel ist eine ganzheitliche Bewertung insbesondere von Geschäfts-, Büro- und größeren Wohngebäuden über den ganzen Lebenszyklus. Kriterien für die Zertifizierung der Gebäude sind Energieeffizienz, Schonung von Ressourcen, nachhaltige Landschaftsplanung, günstige Raumluft und Ökonomie des Wasserhaushalts. Ein LEED-Zertifikat (Leadership in Energy and Environmental Design) erhalten nur Gebäude, die den Grundbedingungen des energiesparenden und ökologischen Bauens genügen. Die steigende Nachfrage nach LEED-Zertifikaten verbessert die klassische Immobilienbewertung. Letztlich zahlen sich Energiesparen, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit stärker aus. Kooperation in technischen Fragen denkbar Die Fülle innovativer Technikansätze in der neuen Energiegesetzgebung der USA, sind positive Kennzeichen der Neuorientierung der US-Energiepolitik. Maßnahmen wie die Förderung von CO2freien Kohlekraftwerken, Bio-Kraftstoffen, Hybridantrieben, Wasserstoffautos, erneuerbaren Energien und auch Effizienzinitiativen reflektieren den amerikanischen Fokus auf Technik zur Lösung von Energie- und Umweltproblemen. Da hier ähnliche Lösungswege wie 52 34 Auer, Josef (2005). Die neue Energiepolitik der USA – Nicht mehr als ein Anfang. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen Nr. 340. Frankfurt am Main. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration in Europa eingeschlagen werden, bieten sich prinzipiell viele Chancen für eine enge transatlantische Zusammenarbeit. Harmonisierung der Kommunikationsbranche: Ambitionierter Ansatz für wichtigen Bereich Kommunikation entscheidend für volkswirtschaftliche Entwicklung Lange schon ist die Bedeutung der Kommunikationsbranche für die Entwicklung der Volkswirtschaft erkannt. Die Bestrebungen der Politik, den Handel zwischen den USA und der EU zu fördern, zielen daher auch auf die Kommunikationsbranche. Ziel ist es, gemeinsam konsistente Regulierungsvorgaben zu entwickeln, die sowohl den transatlantischen Handel als auch den Wettbewerb und die Innovation in dieser Branche fördern. Ist dieses Ziel ein konkreter Schritt hin zu einem transatlantischen Wirtschaftsraum oder eher eine abstrakte politische Absichtserklärung für eine ferne Zukunft? Um diese Frage zu beantworten, vergleichen wir die staatlichen Regulierungsansätze dies- und jenseits des Atlantiks und betrachten einen privatwirtschaftlich organisierten alternativen Ansatz der transatlantischen Zusammenarbeit. Ko-Regulierung in der Telekommunikation: Gegebenheiten berücksichtigen! Rahmenregelwerk fordert Marktanalyse Mit dem Rahmenregelwerk zum Wettbewerb bei elektronischen Kommunikationsnetzen und Kommunikationsdiensten aus dem Jahr 2002 hat die EU-Kommission (EUK) eine Rechtsgrundlage für die Telekommunikation (TK) formal verankert. Dieses Rahmenregelwerk sieht vor, dass der Bedarf für regulatorische Eingriffe im Vorhinein über eine Marktanalyse geprüft werden muss. USA schützt Investor Demgegenüber verfolgte die USA in ihrem 1996 verabschiedeten Telecommunication Act (TCA), speziell für die „letzte Meile“ zum Endkunden, zunächst einen ganz anderen Ansatz. Das TCA sollte neuen Anbietern von TK-Diensten den entbündelten Zugang zum TK-Netz des ehemaligen Monopolisten gewährleisten. Dahinter stand die Idee, dass sich neue Unternehmen zunächst als Diensteanbieter schnell im TK-Markt etablieren können, um später dann – gemäß des Investitionsleiter-Modells – eine eigene TK-Infrastruktur aufzubauen. Dabei setzte der TCA keine Marktanalyse voraus, sah stattdessen einen grundsätzlichen Bedarf für Regulierung in der TKBranche und begriff die ex-ante Regulierung somit als Regelfall. Der fehlende empirische Beleg für die Notwendigkeit von ex-anteregulatorischen Eingriffen, den eine fundierte Marktanalyse hätte liefern können, erwies sich schnell als entscheidender Malus des ursprünglichen US-amerikanischen Regulierungsansatzes. So wurde der US-amerikanische TK-Regulierer, Federal Communications Commission (FCC), mit juristischen Prozessen überzogen und entschied sich 2002 schließlich zu einem grundsätzlichen Kurswechsel. Seitdem beschränkt sich die FCC heute weitgehend auf sparsame ex-post-regulatorische Eingriffe. Über den Kurswechsel mit der stärkeren Betonung des Investitionsschutzes will die FCC neue Anreize für Innovationen setzen und die Entwicklung hin zu den TK-Netzen der nächsten Generation (Next Generation Networks, NGN) auf Basis der Internet Protokolls (IP) forcieren. USA nun anhaltend vor Europa TK-Markt, Wachstum gg. Vj., % Europa USA 0 2007* 1 2006* 2 3 2005 *Prognose Quelle: EITO, 2006 2. April 2007 4 Beim Umgang mit dem Zielkonflikt zwischen der Förderung des Wettbewerbs und der Förderung der Innovation sind die Unterschiede der beiden abweichenden Ansätze in den USA und der EU gut zu erkennen. Bei der Bewertung verschiedenen Ansätze müssen wir die unterschiedlichen Gegebenheiten der TK-Märkte in den beiden 34 35 EU-Monitor 45 53 Regionen berücksichtigen (siehe Grafik 35). So ist in weiten Teilen der EU der Infrastrukturwettbewerb wenig ausgeprägt. Während Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL) die Szenerie in der EU bestimmt, ist in den USA ein intensiver Infrastrukturwettbewerb zwischen ADSL und dem TV-Kabel zu beobachten. Kaum Konkurrenz für DSL in Europa Breittbandanschlüsse pro 100 Einwohner, 2005 CH DE FR IT JP UK US W. Europa Welt 0 ADSL 4 8 12 16 20 TV-Kabel Quelle: DB Reseach, 2006 35 Regulierung sieht sich oft in der Zwickmühle Untersuchen wir dagegen die Wettbewerbsverhältnisse bei den TKDiensten, sehen wir uns völlig anderen Marktstrukturen als bei der TK-Infrastruktur gegenüber. Bei den TK-Diensten ist die Wettbewerbsintensität in der EU deutlich höher als in den USA. Dabei nutzen die Diensteanbieter in der EU zumeist die bestehende Infrastruktur des ehemaligen Monopolisten. Ein deutlicher Trend hin zum Aufbau eigener TK-Infrastruktur – wie es das InvestitionsleiterModell vorher sagt – zeichnet sich in der EU bislang nicht ab. In den USA entwickelt sich der Dienstewettbewerb dagegen nur schleppend. Da Diensteanbieter – genau wie die Betreiber überregionaler TK-Netze – nicht qua Regulierung sondern qua bilateraler privatwirtschaftlicher Verhandlung einen Zugang zur letzten Meile zum Endkunden erhalten, fällt es diesen Unternehmen ungleich schwerer, ohne enge Kooperationen mit den Betreibern der lokalen TK-Netze im Geschäft mit dem US-amerikanischen Endkunden zu reüssieren. Unsere Gegenüberstellung der existierenden Ansätze weist auf die wesentlichen Herausforderungen der Regulierung hin. Greift der Regulierer zu stark in den TK-Markt ein, fördert dies zwar den Dienstewettbewerb, die Infrastrukturinvestition jedoch wird tendenziell behindert und der TK-Markt entwickelt sich langsamer. Neigt der Regulierer dagegen eher zu einer Politik des Laissez-faire, fördert dies zwar die Infrastrukturinvestition und damit die Dynamik des TK-Markts, der Dienstewettbewerb jedoch wird tendenziell erschwert. Das EU-Rahmenregelwerk stellt sich grundsätzlich dieser Herausforderung. Dabei sieht sich der im EU-Rahmenregelwerk formulierte Anspruch, die Regulierung auf ökonomisch notwendige Bereiche zu begrenzen, allerdings immer wieder im Spannungsverhältnis einer regulatorischen Praxis, die leicht zum Übersteuern neigt. TK-Branche an kapitalintensives physisches Netzwerk gekoppelt Letztlich ist die TK-Branche jedoch eine an ein kapitalintensives physisches Netzwerk gekoppelte Dienstleistung. Wegen dieser Kopplung an die innerhalb nationaler Grenzen gewachsene Infrastruktur wird die Telekommunikation auch weiterhin ein national orientiertes Geschäft bleiben. Marktunvollkommenheiten bei internationalen TK-Diensten gehen daher weniger auf fehlende internationale Handelsabkommen oder Beschränkungen bei den ausländischen Direktinvestitionen als auf die stark voneinander abweichenden Marktgegebenheiten zurück. Wegen dieser unterschiedlichen Gegebenheiten wird sich die transatlantische Kooperation weitgehend auf die Identifizierung von Stärken und Schwächen in der praktischen Umsetzung beschränken müssen. Streit um Regulierungsferien verweist auf das große Konfliktpotenzial Beim Aufbau des Very high data rate Digital Subscriber Line (VDSL) TK-Netzes in Deutschland entbrannte 2006 zwischen der EUK und der deutschen Bundesregierung ein heftiger Streit. Dieser Streit rankte sich um die Frage, ob der Betreiber eines neuen Netzes befristet von der ex-ante Regulierung ausgenommen werden soll (Regulierungsferien). Bereits innerhalb der EU wird also sehr kontrovers um die Harmonisierung der Regulierung gestritten. Angesichts der recht unterschiedlichen Marktstrukturen und Regulierungsansätze sind daher die Verlautbarungen zur Harmonisierung zwischen der 53 36 Siehe Heng, Stefan (2005). Breitband: Europa braucht mehr als DSL. Deutsche Bank Research, E-conomics Nr. 54. Frankfurt am Main. 2. April 2007 Vom Freihandel zur tiefen Integration EU und den USA eher als politische Absichtserklärung für einen längeren Zeithorizont zu verstehen. Es ist also weniger der große transatlantische Ansatz, als das an den jeweiligen Gegebenheiten orientierte regionale Konzept, das in der Praxis die Förderung des Wettbewerbs und der Innovation in Übereinstimmung bringen muss. Zentrale Vorgaben sind nicht der einzige Weg bei der Harmonisierung: Fallbeispiel RFID-Funkchips Privatwirtschaft bei Harmonisierungsbestrebungen in der Pflicht Weltmarkt prosperiert kräftig RFID-Umsatz, Mrd. EUR 25 durchschnittl. Wachstum +57% p.a. 20 15 10 5 0 2004 2007 2010 Quelle: DB Research, 2006 36 Neben den Marktverzerrungen ist die Standardisierung im weiten Umfeld der Übertragungstechnologien, insbesondere wegen der enormen Effizienzpotenziale, ein überaus wichtiges Thema. Dementsprechend wird die Standardisierung auch immer wieder im Kontext der Ko-Regulierung genannt. Dabei muss die Initiative zur Standardisierung per se nicht zentral von staatlicher Seite ausgehen, sondern kann auch privatwirtschaftlich vorangetrieben werden. Die Praxis zeigt allerdings, dass Bestrebungen zur internationalen Standardisierung – unabhängig vom Initiator – meist nur schleppend vorankamen. Neben dem Mobilfunk der zweiten und dritten Genera54 tion (z.B. GSM bzw. UMTS) bietet die Funk-Chip-Technologie (Radio Frequency Identification, RFID) hier gute Beispiele für die Komplexität eines Einigungsprozesses mit vielen Interessengruppen. Im äußerst dynamischen Feld der RFID-Funkchips leistet die von der Privatwirtschaft getragene gemeinnützige Organisation EPCglobal (Electronic Product Code) wichtige Arbeit (siehe Grafik 36). EPCglobal macht deutlich, dass bei weltweit akzeptierten Standards eine Einigung zwischen der EU und der USA nicht genügt. Andere Regionen müssen bei der Suche nach harmonisierten Lösungen eingebunden werden. Folgerichtig kommen heute in der EPCglobal Vertreter aus Europa, Amerika und Asien zusammen, um gemeinsame Standards bei der Software, der Funkleistung und dem Frequenzbereichen festzulegen. Dieser Blickwinkel legt nahe, da das Geschäftspotenzial des RFID-Systems direkt von der Funkleistung und dem Frequenzbereich abhängt. Doch während die technische Entwicklung im Bereich RFID rasend schnell voranschreitet, konnten die in der EPCglobal organisierten Parteien bis heute keinen weltweit gül55 tigen Standard finden. Zwischen abstrakter Formulierung und konkreter Umsetzung klafft noch eine große Lücke Unsere Analyse der Harmonisierungsanstrengungen der Kommunikationsbranche in den USA und der EU führt zwei Ergebnisse deutlich vor Augen: Zum einen verhindern die stark unterschiedlichen Marktgegebenheiten in den USA und der EU eine einheitliche Regulierung des TK-Marktes. Zum anderen zeigt das Beispiel der privatwirtschaftlich organisierten Standardisierung der RFID-Funkchips, dass Harmonisierung auf der einen Seite per se nicht zentral vom Staat ausgehen muss, dass sie aber auf der anderen Seite – unabhängig vom Initiator – immer einen langen Atem erfordert. Dieser lange Atem muss dabei weit über das Denken in politischen Legislaturperioden hinausgehen. 54 55 2. April 2007 Siehe Heng, Stefan (2006). Entgegen vielen Erwartungen! Mobilfunktechnologie UMTS ist Realität. Deutsche Bank Research. E-conomics Nr. 57. Frankfurt am Main. Siehe Heng, Stefan (2006). RFID-Funkchips: Zukunftstechnologie in aller Munde. Deutsche Bank Research. E-conomics Nr. 55. Frankfurt am Main. 37 EU-Monitor 45 Literaturverzeichnis Altbach, P. und J. Knight (2006). The Internationalization of Higher Education: Motivations and Realities. In NEA Almanac of Higher Education. National Education Association. Washington, D.C. Auer, Josef (2005). 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