Telekommunikation: DSL-Wettbewerb in Gefahr - FAZ.NET
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Telekommunikation: DSL-Wettbewerb in Gefahr - FAZ.NET - Wirtschaft http://www.faz.net/s/RubE2C6E0BCC2F04DD787CDC274993E94C1... 1 von 3 Schließen Aktuell Wirtschaft Drucken Netzwirtschaft, IT & Medien Telekommunikation DSL-Wettbewerb in Gefahr Von Holger Schmidt und Johannes Winkelhage 20. März 2006 Der gerade erst in Gang gekommene Wettbewerb auf dem deutschen DSL-Markt scheint ernsthaft in Gefahr zu sein. Seit Jahresanfang gibt die Deutsche Telekom großen Wiederverkäufern ihrer DSL-Internetanschlüsse so günstige Einkaufskonditionen, daß Konkurrenten kaum noch mithalten können. Jetzt wollen die Konkurrenten der Telekom gegen die hohen Rabatte vorgehen, die der Marktführer großen Wiederverkäufern von DSL-Zugängen einräumt. „Der Bundesverband Breitbandkommunikation Breko und sein Mitgliedsunternehmen Versatel haben parallel bei der Bundesnetzagentur ein Verfahren gegen die Deutsche Telekom beantragt”, teilte der kürzlich in Breko umbenannte Verband am Montag mit. Die Bundesnetzagentur solle überprüfen, ob die Telekom ihre Marktführerschaft ausnutze. Hauptprofiteure des neuen Net-Rental-Vertrages der Telekom sind die Tochtergesellschaft T-Online und United Internet: Statt bisher rund 11,5 Prozent Abschlag auf den Endkundenpreis eines DSL-Anschlusses erhalten beide in Ballungszentren jetzt mehr als 50 Prozent Rabatt und sichern sich damit hohe Kostenvorteile gegenüber der Konkurrenz. „Deutschland steuert im DSL-Markt auf ein Duopol der Anbieter T-Online und United Internet zu”, sagt ein Branchenkenner. In dieser Situation könnte die Telekom die Preise fast nach Belieben diktieren. AOL: Ernsthafte Verhandlungen mit der Telekom” Nach Angaben aus Branchenkreisen haben T-Online und United Internet den neuen Vertrag unterschrieben. Auch der drittgrößte Wiederverkäufer (Reseller) AOL könnte nach Einschätzung von Branchenkennern unterzeichnet haben. Auffallend ist auch der Zusammenhang zwischen dem Net-Rental-Vertrag und dem Zugang zum neuen VDSL-Hochgeschwindigkeitsnetz der Deutschen Telekom: Neben T-Online sprechen noch United Internet und AOL mit der Telekom über den Zugang zum VDSL-Netz. United Internet hatte bereits auf der Computermesse Cebit entsprechende Gespräche angekündigt (siehe dazu: 1&1 ins Hochgeschwindigkeitsnetz). Nun zieht AOL nach: „Wir stehen in ernsthaften Verhandlungen mit der Telekom über den Zugang zum VDSL-Netz. Wir hoffen, noch in diesem Jahr VDSL als Wiederverkäufer anbieten zu können”, sagte AOL-Deutschland-Chef Charles Fränkl dieser Zeitung. Für Freenet-Chef Eckhard Spoerr ist dieser Zusammenhang aber kein Zufall: „Wer den Net-Rental-Vertrag unterschreibt, wird von der Telekom mit VDSL belohnt”, vermutet Spoerr ebenso wie viele andere in der Branche. Der Net-Rental-Vertrag ist aus Sicht der Telekom fein austariert: DSL-Wiederverkäufer können in jedem den rund 7500 Anschlußgebiete des Telekom-Netzes in den Genuß der Vorzugskonditionen des neuen Vertrages kommen, wenn sie dort jeweils eine Mindestmenge an Kunden aufweisen und dafür 192 sogenannter Ports für den Anschluß ihrer Kunden mieten. „Um die echten Größeneffekte des Net-Rental-Vertrages auszunutzen, sind mindestens eine halbe Million Resale-Kunden notwendig. Da es dieses Geschäftsmodell noch nicht so lange gibt, kommen bisher nur T-Online und United Internet in den Genuß der verbesserten Konditionen. Als Ergebnis wird sich die Marge dieser beiden Unternehmen im DSL-Geschäft wohl schon im ersten Quartal 2006 deutlich verbessern”, sagt ein Branchenkenner. Preisvorteile im Wettbewerb Diese Mindestmenge können die großen Anbieter vor allem in den Ballungszentren leicht überspringen. Nach Berechnungen von Kepler Equities liegt T-Online in 90 Prozent der relevanten Anschlußgebiete über dieser kritischen Masse, United Internet kommt auf 80 Prozent, aber Freenet nur noch in 30 Prozent. T-Online und United Internet bekommen die Vorzugskonditionen also genau dort, wo der Wettbewerb um die DSL-Kunden besonders hart ist und wo die Telekom zur Zeit besonders viele Kunden an die Anbieter mit eigener Infrastruktur verliert. Mit Hilfe der Vorzugskonditionen können T-Online und United Internet so günstige Angebote machen, daß die weitere Abwanderung der Kunden zu den Infrastrukturanbietern gebremst werden 22.03.2006 21:21 Telekommunikation: DSL-Wettbewerb in Gefahr - FAZ.NET - Wirtschaft http://www.faz.net/s/RubE2C6E0BCC2F04DD787CDC274993E94C1... 2 von 3 kann. Erste Angebote von United Internet wie der kostenlose DSL-Pauschaltarif oder kostenlose Internet-Telefonie scheinen auf der Grundlage des Net-Rental-Vertrages kalkuliert zu sein. Der Vertrag treibt auch einen Keil zwischen die DSL-Wiederverkäufer, denn kleine Anbieter wie Tiscali, Tele 2 oder Lycos haben kaum eine Chance, diese Größe zu erreichen, wenn die großen Konkurrenten ihre Preisvorteile im Wettbewerb ausspielen. Wer die Mindestmenge in einem Anschlußbereich nicht erreicht, kann hier natürlich weiter als Wiederverkäufer unter den Bedingungen des alten Resale-Vertrages auftreten, zahlt allerdings für den DSL-Anschluß deutlich mehr an die Telekom als sein großer Konkurrent. Zusätzlich haben die Net-Rental-Kunden klare Preisvorteile bei den Einmalentgelten, die sie für den Anschluß eines Kunden oder den Wechsel des Anbieters an die Telekom zahlen müssen. Obwohl diese Transaktionen über die gleiche Schnittstelle wie bisher bei der Telekom abgewickelt werden, kostet der Wechsel zu einem anderen Anbieter mit einem gleichzeitigen Bandbreitenwechsel im alten Vertrag rund 76 Euro. Im Net-Rental-Vertrag muß der Anbieter gar nichts mehr für diese Leistungen an die Telekom zahlen. Freenet: Beschwerde bei der Bundesnetzagentur Am Ende könnten Infrastrukturanbieter ebenso wie kleine DSL-Anbieter aus dem Markt gedrängt werden; weitere Investitionen in den deutschen Breitbandmarkt könnten gedrosselt werden oder ganz unterbleiben. Denn die Gesamtkosten, welche die Anbieter mit eigener Infrastruktur für einen DSL-Anschluß aufbieten müssen, können inzwischen höher als die Kosten der Wiederverkäufer sein. Damit lohnen sich für viele Wettbewerber der Telekom weder neue Investitionen in eigene Infrastruktur noch die Fortführung des bestehenden Geschäftsmodells. Diese Unternehmen fürchten daher nicht nur Umsatzeinbußen. Für viele Gesellschaften mit eigener Infrastruktur geht es dabei um ihr Überleben. Vor allem die Infrastrukturanbieter wie Netcologne, die nur lokal begrenzt anbieten, hätten keine Chance mehr, sagt ein Branchenkenner. Selbst große Infrastrukturanbieter wie Arcor rechnen jetzt, ob die Telekom-Konditionen günstiger sind als weitere Investitionen in die eigene Infrastruktur: „Der Arcor vorliegende Vertragsentwurf hat Schlagseite; er bevorteilt eindeutig das Wiederverkaufsgeschäft. Insofern gibt es unsererseits jede Menge Verhandlungsbedarf”, sagte Arcor-Sprecher Stephan Albers. Während die großen Anbieter unterschreiben oder verhandeln, laufen die kleineren DSL-Wiederverkäufer Sturm gegen den Vertrag. Freenet hat sich bei der Bundesnetzagentur und beim Bundeskartellamt beschwert und eine Zivilklage auf Unterlassung beim Landgericht Köln eingereicht. Auch Tele2 hat sich beim Bundeskartellamt beschwert und die Regulierungsbehörde eingeschaltet. Kartellamt und die Netzagentur prüfen zur Zeit, ob der Vertrag zu einer unerlaubten Wettbewerbsverzerrung führt. Vorwurf des Dumpings An diesem Montag liegt zudem ein Antrag von Versatel und dem Bundesverband Breitbandkommunikation, der die Stadtnetzbetreiber vertritt, auf dem Tisch der Netzagentur. Darin wird diese zur Einleitung eines Verfahrens gegen die Telekom aufgefordert, da das Unternehmen seine Marktmacht mißbrauche. Auch der Vorwurf des Dumpings steht im Raum. „Das Modell ist darauf ausgerichtet, Wettbewerbsstrukturen kaputtzumachen”, ärgert sich Spoerr. Die Aufregung um den Vertrag steht vor dem Hintergrund des inzwischen pulsierenden Wettbewerbs um die DSL-Kunden. Dieser Wettbewerb basiert bisher auf zwei Modellen: Investitionen in eine eigene Infrastruktur, wie es Arcor, Hansenet oder Netcologne getan haben, oder der Wiederverkauf von DSL-Anschlüssen der Telekom unter eigenem Namen. Im Infrastrukturmodell mieten die Telekom-Konkurrenten die gesamte Teilnehmeranschlußleitung - auch als letzte Meile oder TAL bezeichnet - von der Telekom. Auf dieser Basis können Arcor oder Hansenet dann Telefon- und DSL-Anschluß aus einer Hand anbieten. In diesem Modell geht der Telekom der größte Umsatz verloren, da sie je Kunde nur noch 10,65 Euro für die monatliche Miete für die TAL erhält. Beim Modell des Wiederverkaufs mieten die Unternehmen wie United Internet, AOL oder Freenet den DSL-Anschluß von der Telekom mit einem Abschlag auf den Endkundenpreis, um den Anschluß unter eigenem Namen weiterzuverkaufen. Dieser Abschlag betrug bisher meist 11,5 Prozent, was den Wiederverkäufern keine große Gewinnmarge ließ. Das Modell ist für die Telekom wesentlich attraktiver als das Infrastrukturmodell, denn die Kunden lassen nicht nur ihren Telefonanschluß bei der Telekom, sondern die Wiederverkäufer müssen auch noch jeden Monat rund 88,5 Prozent des DSL-Anschlußpreises an die Telekom weiterreichen. Kostenvorteile In den vergangenen 18 Monaten hatten die Infrastrukturanbieter aufgrund ihrer Kostenvorteile vor allem in den Ballungszentren erhebliche Marktanteile gewinnen können. Die Wiederverkäufer hatten daraufhin bessere Konditionen von der Telekom in den Ballungszentren gefordert, um den Infrastrukturanbietern Paroli bieten 22.03.2006 21:21 Telekommunikation: DSL-Wettbewerb in Gefahr - FAZ.NET - Wirtschaft http://www.faz.net/s/RubE2C6E0BCC2F04DD787CDC274993E94C1... 3 von 3 zu können. „Wichtig für Marktteilnehmer war dabei auch, daß sie durch neue Netzkapazitätsangebote in die Lage versetzt werden, sich auch im regionalen Wettbewerb positionieren zu können”, bestätigt Achim Berg, der zuständige Vorstand der Telekom-Festnetzsparte T-Com. T-Online hatte am meisten unter dem Wettbewerbsdruck gelitten: 400 Millionen Euro Umsatzausfall mußte die Telekom-Tochtergesellschaft im vergangenen Jahr in Kauf nehmen, da sie ihre DSL-Tarife kräftig senken mußte, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit der Änderung des Wiederverkaufsmodells könnte die Telekom aber die Oberhand im Wettbewerb zurückgewinnen: In den wettbewerbsintensiven Ballungszentren müssen die großen Wiederverkäufer statt 13 bis 19 Euro künftig nur noch etwa 10 Euro je DSL-Anschluß an die Telekom zahlen - und zwar unabhängig von der Geschwindigkeit des Anschlusses. Unliebsame Konkurrenten fernhalten Je höher die Geschwindigkeit, desto größer ist also der Vorteil der Anbieter mit Net-Rental-Vertrag, da die Endkunden für höhere Geschwindigkeit mehr zahlen und die Kosten für den Einkauf gleich bleiben. T-Online genießt noch einen Vorteil: Das Unternehmen erhält nicht nur den größten Abschlag aller Wiederverkäufer, sondern kann nach der geplanten Verschmelzung mit der Telekom alle Kunden, die auf dem Papier noch einen DSL-Anschluß der T-Com besitzen, mit einem Federstrich zu T-Online-Kunden machen und dann nochmals höhere Abschläge erhalten. Prinzipiell könnten die kleinen Wiederverkäufer auf andere DSL-Anschlußanbieter wie QSC oder Telefonica ausweichen. Allerdings kommt hier wieder der Zugang zum VDSL-Hochgeschwindigkeitsnetz ins Spiel. Sollte die Telekom die Konditionen für den Zugang zum neuen Netz ohne den Regulierer festlegen dürfen, kann sie unliebsame Konkurrenten fernhalten. QSC oder Telefonica können ein solches Netz aber nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten selbst bauen. Sollte der Net-Rental-Vertrag auf das VDSL-Netz ausgedehnt werden, steigen die Vorteile für T-Online und United Internet nochmals an. Text: F.A.Z., 20.03.2006, Nr. 67 / Seite 21; Reuters Bildmaterial: F.A.Z. Zum Thema Netzagentur beharrt auf Regulierung Attacke gegen deutsche Telekommunikationspolitik Technikfans verlassen T-Online © F.A.Z. Electronic Media GmbH 2001 - 2006 Dies ist ein Ausdruck aus www.faz.net 22.03.2006 21:21