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http://mittelhessen.dgb.de Seite 13 Internationales und und Europa Europa Argiro Baduva: »Hadere nicht, sondern kämpfe!« Eigentlich bin ich Optimistin, die unerschütterlich davon träumt, dass diese Welt verändert werden kann und die Menschen eines Tages eine gemeinsame Sprache haben werden. Doch in diesem Sommer spürte ich nun schon zum fünften Mal einen harten Faustschlag in der Magengegend. Jedes Jahr werden in Griechenland zu Beginn der Sommerferien Tausende Lehrkräfte entlassen. Und weil seit Beginn der Krise mehr als 2.500 Schulen geschlossen wurden, bleibt die Wiederbeschäftigung nach Ferienende von Jahr zu Jahr ungewiss. Agiro Baduva Bild: Ulrike Eifler In diesem Sommer traf mich die Faust so schwer, dass es mir egal war, als ich von Claire Kapsachati hörte. Sie war Lehrerin und erlitt einen Herzschlag, nachdem sie von ihrer Entlassung erfahren hatte. Einen Tag nach ihrem Tod kam der Brief vom Ministerium: Die Entlassung war ein Irrtum. Es war mir egal, dass der Gesundheitsminister mit Pharmaunternehmen illegale Geschäfte machte, während Krebskranke starben, weil ihnen das Geld für die Behandlung fehlte. Und es war mir auch egal, dass unter den Augen der Küstenwache afrikanische Flüchtlinge bei dem Versuch, die griechische Küste zu erreichen, jämmerlich ertranken. Stattdessen schaute ich immer wieder verstohlen auf die Homepage des Bildungsministeriums, in der stillen Hoffnung zum Schuljahresbeginn wieder eingestellt zu sein. Irgendwann fielen mir die Worte eines Schriftstellers aus Kreta ein: »Hadere nicht mit der Frage, ob wir gewinnen oder verlieren werden. Sondern kämpfe! Nur wer kämpft, wächst über die eigene Ohnmacht hinaus«. Und so wie Yannis Ritsos und Mikis Theodorakis einst unsere Eltern und Großeltern mit ihren Liedern inspirierten und ermutigten, machte auch dieser Autor mir Mut. Heute weiß ich: Sie werden mir meine Würde nicht nehmen. Denn ich halte nicht still in einem Land, in dem Lehrer, Kinder und chronisch Kranke dem Kürzungsdiktat der Troika geopfert werden. Überall entstehen solidarische Strukturen von unten – Nachbarschaftskomitees, Solidaritätskliniken und Sozialmärkte. Sie entstehen, weil wir kämpfen – ums Überleben und gegen die Kürzungen. Und auf den antifaschistischen Demonstrationen ballen wir unsere Fäuste und rufen laut, dass wir diese Welt verändern werden. Nur dort spüren wir, dass wir nicht allein sind. Der Kampf muss weitergehen. Interview mit Muriel Duenas Muriel, du bist Gewerkschaftssekretärin der CGT für die südfranzösischen Städte Sorgue und Le Pontet. Wie feiert ihr den 1. Mai in Frankreich? von Brücken, die über stark befahrene Straßen führen. Wir versuchen mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. ? Was sind eure Erfahrungen mit der faschistischen Front NatioAuch in Frankreich ist das der Tag der Arbeit. Wir beteiligen uns an nal (FN)? der großen Demonstration in Avignon. Unsere Themen sind Arbeit, Wir sind sehr besorgt. Die FN ist eine undemokratische und antisoLöhne und Renten. ziale Partei, die leider in vielen RePräsident Hollande hat Re- gionen des Landes Zuspruch erhält. formen angekündigt, die an die Die Erfolge der FN und der Abbau Agenda 2010 erinnern. Was sind des Sozialstaates hängen eng zueure Befürchtungen? sammen, denn die FN gedeiht auf Schon 2013 hatte das Parlament ge- dem Boden von Armut und sozialer gen den Widerstand der Gewerk- Angst. Mieten, Strom und Lebensschaften den Kündigungsschutz ge- mittel werden teurer. Viele Menlockert. Begründet wurde das mit schen sind verunsichert. Das macht der Steigerung der Wettbewerbs- es der FN leicht, unzufriedene Wähfähigkeit. Jetzt setzt Hollande auf ler an sich zu binden. milliardenschwere Entlastungen für Der Kampf gegen Rechts ist Unternehmen. Sie sollen sich im Gealso auch ein Kampf für den genzug zur Schaffung von Arbeits- Erhalt von sozialen Errungenplätzen verpflichten. Wir befürchten schaften? ein Anwachsen des Niedriglohnsektors und eine Zunahme von Befri- Unbedingt. Wer verhindern will, stungen. Diese Arbeitsmarktreform dass die FN stärker awird, muss wäre eine Aufkündigung des Sozial- echte soziale Perspektiven schafstaates. fen. Ganz gleich ob Gewerkschafter, Arbeiter, Eltern oder Bürger – wir Was tut ihr gegen des Sozialmüssen uns einmischen. Die sozistaates? alen Errungenschaften, die unsere Wir diskutieren mit den Kolleg-/in- Eltern und Großeltern erkämpft hanen in den Betrieben, verteilen Flug- ben, müssen wir heute entschlossen blätter und hängen Transparente verteidigen. ? ? ? Muriel Duenas Die Sparpolitik entzieht den Menschen in Südeuropa jede materielle Grundlage. Der Verlust von sozialen und gewerkschaftlichen Rechten schwächt zudem ihre Möglichkeiten, sich dagegen zur Wehr zu setzen. In Griechenland wurde auf Druck der Troika der nationale Mindestlohn um 22 Prozent gekürzt und das Arbeitslosengeld auf 12 Monate beschränkt. Gleichzeitig ist die Nachwirkung von Branchentarifverträgen aufgehoben worden, was Lohnsenkungen von 40 Prozent zur Folge hatte, weil Arbeitgeber die Gehälter nach dem Auslaufen der Tarifverträge an dem untersten Lohnniveau orientierten. Gewerkschaften dürfen erst dann wieder Tarifverhandlungen führen, wenn die Arbeitslosigkeit unter 10 Prozent gesunken ist. Zugleich wurden Zulagen im Zusammenhang mit Arbeitsbedingungen, Qualifikationen und Dienstjahren sowie alle automatischen Lohnerhöhungen ausgesetzt. Seit 2010 wurden mehrere Gesetze erlassen, die Tarifverträge einschränkten oder abschafften. Entlassungen wurden vereinfacht, indem die Schwelle für Massenentlassungen aufgehoben und Kündigungsschutzfristen gekürzt wurden. Den Acht-StundenTag gibt es nicht mehr. Arbeitgeber dürfen vereinbarte Branchenmindestlöhne ignorieren. Die von Arbeitgebern einseitig eingeführten Stundenverträge stiegen allein im Zeitraum von 2010 bis 2011 um 4.000 Prozent und führten zu einem Absinken der Löhne um 38 Prozent. Faschisten nutzen die Krise ? Arbeitnehmerrechte abgeschafft Bild: Ulrike Eifler Unter dem Kürzungsdiktat der Troika findet ein Umbau der griechischen Wirtschaft nach neoliberaler Lesart statt. Dazu gehören Sozialkürzungen und Privatisierungen ebenso wie ein noch nie da gewesener Abbau von Arbeitnehmerrechten. Dieser geht einher mit einer Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen Kapital und Arbeit zuungunsten der Arbeitnehmer und mit der Zerstörung gewerkschaftlicher Handlungsmacht.