Wikisnow – Interface for decision makers in snow

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Wikisnow – Interface for decision makers in snow
Wikisnow – Interface for decision makers in snow
Martin Berner und Martin Schuster
Berg-und Skiführer, Alpincenter, Lech-Arlberg, Austria
ABSTRACT: The coordination of decision makers that provides customers with a great choice of
offpiste guiding and ski tours in the ski resort Arlberg/Austria, poses a considerable challenge. The
involvement of all decision makers, ranging from the avalanche warning service, the area guides to the
avalanche blasters and snow groomers, makes a comprehensive picture of the current snow situation
possible. With the WIKISNOW infoplatform and a comprehensive database, we attempt to process
and pass on all information. An important feature is the real-time update of events, such as a relevant
avalanche, as short-info for rescue missions or ski guides in the area. These real-time updates are
composed and sent with smartphones via App. The daily data record of snow conditions, weather and
movements in the terrain (offpiste runs) are the core of the database. The records provide, among
others, an insight into the relationships between the condition (degree of tracks) of a run after a fall of
fresh snow, the avalanche triggering and the actual skied altitude meters of offpiste skiers.
Through the interface, in the optimal case, with additional documentation of action basis/decision, a
safe offpiste skiing in best snow quality without avalanches should be achieved. We present a way of
uniting many local snow experts to a versatile user platform.
KEYWORDS: Avalanche, coordination decision makers, Wikisnow-infoplatform, App-real time update
of events, safe offpiste skiing, Arlberg/Austria
Somit wird ein Gewinn an Sicherheit für die
geführten Gruppen im freien Gelände erzielt.
1
INTRODUCTION
Das Bergführerbüro Alpincenter Lech
entwickelt seit 2006 ein anwendbares Info- und
Sicherheitswerkzeug für Berg- und Skiführer.
Die gesetzlichen Anforderungen der Dokumentation und der Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen beim Führen im Schnee verlangen eine
genaue Dokumentation aller Beobachtungen
und Tätigkeiten.
Die Motivation, eigenständige Berg- und Skiführer zum Sammeln und Offenlegen von „geheimen“ Erfahrungen und Beobachtungen zu bewegen, führte am Beginn des Projektes über
den Nutzen eines gegenseitigen Austausches
der Schneequalitäten von Offpiste Abfahrten.
Die Einbindung von zusätzlichen Usern, wie zB.
den Lawinenwarndiensten Tirol und Vorarlberg,
die Betreiber der Bergbahnen, den Rettungsdienst sowie externen Berg-u. Skiführern führte
bei den Beteiligten zu einem Umdenken bezüglich gemeinschaftlicher Zusammenarbeit außerhalb der eigenen Strukturen (eigener Betrieb).
Jeder Berg- und Skiführer verfasst einen OnlineTagesbericht mit Parametern der Schneequalität, des Wetters, der gefahrenen Touren, und
der persönlichen Einschätzung der Lawinensituation. Nach dem Motto je mehr subjektive UserMeinungen und Beobachtungen abgegeben
werden, umso genauer kann ein Bild der realen
Situation gezeichnet werden.
Das Betätigungsfeld eines Entscheidungsträgers bzw. Users kann auch Pistenraupenfahrer,
Lawinensprenger, Lawinenkommissions Mitglied, Skischulleiter, Bergretter oder Alpin Polizist sein. Obwohl alle Nutzer im gleichen Gebiet
mit denselben Themen konfrontiert sind, braucht
jede Gruppe eine spezifische Informationsbereitstellung.
Als erster Stelle als Userwunsch steht oft ein
aktueller und schneller Informationsaustausch
über die Schneebeschaffenheit und die Lawinensituation mit anderen Kollegen. Dieser Echtzeit Informationsaustausch hilft dem Entscheidungsträger wesentlich beim Einschätzen der
allgemeinen Situation.
Grundsätzlich gliedert sich die Informationsbereitstellung in folgende Bereiche:
Ereignismeldungen, reduziert, zeitlich
sehr aktuell (max. 0,5 – 1 Stunde alt) via
App oder SMS.
Tägliche Zusammenfassungen, umfangreich, mit einer Prognose für den kommenden Tag, versendet per email.
______________________
Corresponding author adress: Martin Berner,
Alpincenter Lech, Dorf 443, 6764 Lech, Austria;
Tel: +43 664 99 62 737;
email: [email protected]
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Die Zielsetzung ist ein offener Erfahrungsaustausch in einer Experten- oder Usergruppe über
die täglichen Erlebnisse (Geländeabfahrten,
Lawinenauslösungen, Beobachtungen, Sprengungen etc.) in Form eines Tagesprotokolls das
jedem Nutzer zur Verfügung gestellt wird. Die
höchste Anforderung, Menschenleben zu schützen, erfordert eine präzise Zielsetzung welche
die Grundlage des Risikomanagements bei Wikisnow bildet.
Diese Erfahrungen und das daraus erlangte
Wissen werden in einem künstlichen Gedächtnis
gespeichert und stehen somit für zukünftige
Anwendungen zur Verfügung.
alle Tagesberichte inkl. Datenaufbereitung und Statistik, detailliert, online, mit
ID und Zugang zu sehen.
Das Funktionsprinzip von Wikisnow besteht im
Wesentlichen aus Geben und Nehmen. Jeder
Teilnehmer liefert aus seinem Bereich Informationen an Wikisnow. Dieser hat über seinen Onlinezugang das Recht, Einsicht in ausgewählte
Bereiche der Daten und Meldungen zu nehmen.
Eines der Hauptziele von Wikisnow ist es, die
große Menge an subjektiven und objektiven
Daten, Messwerten, Erfahrungen und persönlichem Wissen zu klassifizieren und zu sortieren.
Den Entscheidungsträgern im Schnee soll der
bestmögliche Überblick zur Vermeidung von
Lawinenunfällen gegeben werden.
Wikisnow versucht möglichst viele Profis in einer
Region nachhaltig zu vereinen und zu koordinieren.
4
STRATEGIE, STRUKTUR UND
FUNKTIONSWEISE
4.1 Strategie
Die Strategie bei Wikisnow baut auf dem Prinzip
des Grid-Computing auf. Hier werden typischen
Aufgaben, die die Leistung einzelner Computer
überfordert, durch koordinierte Nutzung von
Ressourcen und der gemeinsamen Lösung von
Problemen innerhalb dynamischer, institutionsübergreifender Organisationen gelöst. Eine sogenannte virtuelle Organisation, ein dynamischer Zusammenschluss von Individuen, Betrieben, Vereinen oder Institutionen, verfolgt ein
gemeinsames Ziel bei der Nutzung des Grids.
Der Gemeinschaft wird nach Festlegung verschiedener Richtlinien wie z.B. welche Informationen werden geteilt, wem ist die Nutzung erlaubt, welche Rechte und Pflichten haben die
Nutzer, der direkte Zugang zu Daten, Anwendungen, Messwerten und Ressourcen erlaubt
(I.Foster, C.Kesselman, 2004).
2
GESCHICHTE
Als 2002 das Alpincenter gegründet wurde war
die Arbeitsweise und das Wissen um das sogenannte „Führen“ im Gelände, die Informationen
über Schneequalität und die schönsten Abfahrten, nur einem kleinen erlesenen Kreis zugänglich. Die Erfahrungen von beinahe Unfällen oder
besonderen Erlebnissen im Schnee wurden
nicht mit anderen geteilt. Neulinge mussten Ihre
eigenen persönlichen Erfahrungen machen und
konnten selten auf das wertvolle Wissen der
„Alten“ zurückgreifen.
Aufgrund dieser vergangenen Erfahrungen wurden Strategien wie die des Grid Computing
übernommen und Verknüpfungen zu den Arbeiten von Galton F. und Surowiecki J. erstellt. Das
analoge Wikisnow entstand.
4.2 Struktur
Bei Wikisnow werden die einzelnen Computer
von Beobachtern (Berg-und Skiführern, Pistenraupenfahrern und Lawinensprengern) dargestellt. Das freiwillige abgeben von Erfahrungen
und Daten nach jedem Tag im Gelände ermöglicht hier einen Pooling Effekt (gemeinsames
Nutzen von Ressourcen).
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IDEE UND ZIELSETZUNG
Die Idee, ein möglichst genaues Abbild der
Wirklichen Situation (bei Wikisnow von Schnee)
durch viele subjektive Einschätzungen zu erlangen, ist nicht neu. Der englische Forscher und
Wissenschaftler Francis Galton untersuchte
1906 eine Schätzung von 800 Menschen über
das Gewicht eines Ochsen, um die Dummheit
der Masse zu beweisen. Er scheiterte, der Mittelwert der Schätzungen kam dem tatsächlichen
Gewicht des Ochsen erstaunlich nahe. Die Erkenntnis daraus nannte er Vox Populi. (Galton,
F., 1907). Diesen Ansatz behandelte auch der
amerikanische Journalist James Surowiecki in
seinem Buch „Die Weisheit der Vielen- weshalb
Gruppen klüger sind als Einzelne“ (Surowiecki,
J., 2004)
400
Sobald die ersten Tagesprotokolle online auf der
Plattform erscheinen kann sich jeder Berg- und
Skiführer über den aktuellen und detaillierten
Wissensstand zur Gefahrensituation im Gebiet
Arlberg informieren.
Tageszeitlich sehr früh erscheinen die Berichte
der Pistenraupenfahrer und Lawinensprenger
auf der Plattform. Vor Tour Beginn können hier
schon die ersten wirklichen Schneeinformationen gelesen werden. Ein Messdatenserver liefert die aktuellen Wetterwerte der umliegenden
Messstationen.
Während des Tages können relevante Ereignisse via Wikisnow App dokumentiert und an alle
User gesendet werden. Ein Ereignis kann eine
Lawine oder eine Beobachtung sein. Nach öffnen der App kann ein Foto gemacht werden,
diesem können Ortsname, Exposition, Höhenlage, Lawinengröße oder z.B. bei Beobachtungen,
andere fertige Textblöcke, in sehr kurzer Zeit
angefügt werden. Die GPS Position des Fotografen kann ebenfalls mitgeschickt und beim
Empfänger auf Google Maps gesehen werden.
Dieses Feature kann im Notfall bei Lawinenereignissen eine schnelle Ortung und Rettungsorganisation einleiten.
Figure 1. Struktur von Wikisnow
4.3 Funktionsweise
Die Beobachter und Informanten füllen im Idealfall nach jeder Tour oder Exkursion ins Gelände
ein mit Ihrer ID gekennzeichnetes Tagesprotokoll aus. Dieses enthält z.B. in der Anwendung
des Alpincenter Lech die lokale Gebietsangabe
und Informationen über allgemeine Verhältnisse,
Einschätzung zur Lawinengefahr, Einflüsse auf
die Schneequalität, Neuschneezuwachs der
letzten 24h, Angaben über frischen Triebschnee, beobachtete Lawinen, WummGeräusche, der gefahrenen Abfahrten je mit
Name-Höhenmeter-Exposition-SchneequalitätVerspurung und Anmerkungen zu Gefahrenstellen etc.
Position
Figure 3. Ereignis App (Lawine) mit Google
earth Anzeige.
Die Informationsbereitstellung für Usergruppen
wie Organisationen oder Betriebe mit eingeschränkten Rechten erfolgt je nach Wunsch
individuell angepasst. Das folgende angeführte
Beispiel ist für den Lawinenwarndienst in (Bulletin) Tirol und Vorarlberg. In einer detaillierten
Arlberg Zusammenfassung werden alle wichtigen Daten und Ereignisse aus vorgefilterten
Tagesberichten grafisch aufbereitet. Hier werden auch fertige Textmodule zur Beschreibung
der Situation verwendet (z.B. neue Gefahrenmuster).
Andere Nutzer erhalten Berichte die weniger ins
Detail gehen und den Schwerpunkt ev. in einem
lokal begrenzten Raum haben z.B. Gemeinde-
Figure 2. Screenshot Tagesprotokoll
401
alle User von einer zentralen Stelle (Admin) per
SMS versendet.
Ein weiteres Tool ist die Schwachschichtenwarnung. Hier können die wichtigsten Parameter
wie Höhenlage, Exposition, Lage und Ausprägung der Schicht etc. eingetragen werden. Ab
einem gewählten Alarmzeitpunkt (z.B. Anstieg
der Lawinengefahr auf Stufe 4) erscheint die
Schwachschichtenwarnung in allen Tagesprotokollen.
gebiet von Lech oder örtlicher Bereich einer
Straßen- Lawinenkommission. Durch die flächenmäßig sehr dichte Abdeckung von dokumentierten Abfahrten und Informationen berücksichtigt Wikisnow die örtlich lokalen Gegebenheiten im Gegensatz zu einer offiziellen Prognose des regionalen Lawinenlageberichtes (Bulletin).
4.4 Weitere Erläuterungen
Durch den losen Zusammenschluss zu einer
Plattform konnten auch gemeinsame Vereinbarungen getroffen werden. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist die „Tabuliste aller
Abfahrten ab Lawinengefahrenstufe 4“. Diese
Liste wurde lanciert um den Gruppendruck von
Berg- und Skiführern an heiklen Tagen zu reduzieren. Die Guides verzichten an solchen Tagen
auf Abfahrten die hier aufgelistet sind. Wenn
nun noch leader Persönlichkeiten auf solche
Abfahrten verzichten, beeinflussen diese mit
Ihrer Vorbildfunktion das Denken und Handeln
vieler anderer.
Weiteres strebt die Plattform eine optimale Zusammenarbeit und Vernetzung mit den offiziellen Behörden und den Erstellern des Lawinenlageberichtes an. Die gesammelten Daten helfen eine wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit zu
betreiben. Der Vergleich von gefahrenen
Höhenmetern zur Unfallhäufigkeit in einem Skigebiet liefert z.B. für die Presse sehr gute Argumente und kann den Wintersport in ein anderes Licht rücken.
5.2 Notwendigkeiten
Die Rechteverwaltung, die Kontrolle über das
Einhalten von Richtlinien, das erstellen von Benutzergruppen sowie die Datenbearbeitung obliegt dem Administrator.
Eine weitere Notwendigkeit ist die dynamische
Struktur der Plattform. Anpassungen an neue
Entwicklungen (z.B. Einbindung der neuen Gefahrenmuster, Entwicklungen von App´s) und
Änderungswünsche der User machen die Plattform lebendig und verbessern die Benutzerfreundlichkeit.
5.3 Qualitätssicherung
Die Qualitätssicherung der abgegebenen Informationen erfolgt über Filterung und Bearbeitung
vor jeder täglichen Veröffentlichung. Diese Aufgabe wird von einem neutralen Subadministrator
übernommen. Ähnlich einem Metrologen der
Wetterberichte erstellt, achtet der Subadministrator während des Filterns auf Datenobjekte die
nicht zum Cluster gehören, sogenannte Ausreißer oder Outlier.
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WERKZEUGE UND NOTWENDIGKEITEN
Wikisnow kommt mit einer relativ einfachen
Infrastruktur aus. Die Nutzung ist lediglich an
leicht erfüllbare Bedingungen geknüpft.
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NACHTEILE UND RISIKEN
Ein Nachteil von Wikisnow ist die direkte Abhängigkeit von freiwilligen Informanten. Da diese
nicht bezahlt werden steht und fällt der ganze
Informationsfluss mit der Motivation der Beobachter. Das macht sich in längeren Schönwetter Perioden mit konstanten Schneeverhältnissen bemerkbar, das Interesse am Austausch
und die Zahl der abgegebenen Tagesprotokolle
sinken hier markant.
5.1 Technik und Tools
Die Anwendung ist Plattformunabhängig, läuft
auf allen gängigen Browsern und der User muss
keine Software installieren.
Da viele Elemente selbsterklärend sind (Benutzergruppen gerecht) ist die Einschulungszeit
sehr gering. Die Tagesprotokolle werden über
einen Login Zugang aufgerufen, bearbeitet und
gelesen. Die Echtzeit Auswertung der Daten
erfolgt mittels Tabellen und Diagrammen. Entwicklungen und Tendenzen können so schneller
erkannt werden.
Die Wikisnow App, zum Versenden von Ereignissen im Gelände, läuft auf einem Smartphone
ab IOS4 und Android 2.1. Diese Echtzeit Ereignisse werden per Email versendet. Bei einem
Netzverlust werden die Daten dann lokal auf
dem Mobile Device gespeichert. Tages Informationen für eingeschränkte Usergruppen ohne
Login-Zugang werden per Email bereitgestellt.
Alarm Meldungen (Lawineneinsatz) werden an
Ein erheblicher Aufwand muss bei der Qualitätskontrolle der Informationen und der Kontrolle
zur Einhaltung der Richtlinien erbracht werden.
Es kann vorkommen dass einzelne User nur
Berichte und Daten lesen und keine Informationen selbst abgeben. Die Folge davon wäre eine
Zugangssperre.
Ein nicht unerheblicher Faktor ist das Ausüben
einer Vorbildfunktion von leader Persönlichkeiten. Deren Einschätzung wird fallweise ohne
hinterfragen der eigenen Meinung übernommen
und in das Tagesprotokoll eingetragen.
402
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AUSWERTUNG UND STATISTIK
Durch eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten bei der Datenauswertung wird unter anderem versucht das Verhalten von Menschen beim
Freizeitsport Offpiste Skifahren besser zu verstehen. Vergleiche von Neuschneezuwachs, der
Anzahl an Befahrungen von Standardrouten und
den Lawinenabgängen in diesen Hängen belegen Rückschlüsse auf die Hangstabilität in Zahlen.
Diese Abfahrt wird regelmäßig unmittelbar nach
Neuschneefällen (blaue Balken) flächendeckend
verspurt (grüne Balken), die roten Balken markieren spontane Lawinenereignisse, die rosa
Balken solche von Skifahrern ausgelöste.
Die spontanen Schneebrettlawinen ereigneten
sich immer bei kritischen Neuschneebedingungen (Ausnahme Lockerschneelawine am 19.12)
in den Größen 2 und 3. Die Auslösungen durch
New snow accumulation cm
60
50
40
30
20
10
0
16.
23.
30.
Dez.
Dez.
Dez.
Snowgrowth
6. Jan. 13. Jan. 20. Jan. 27. Jan. 3. Feb. 10. Feb. 17. Feb.
Avalanche trigger skier
Avalanche self triggerd
tracked up
Personen fanden an Tagen mit vorangegangenen mehrtägigen Perioden ohne Verspurung
statt.
Von 28 Tagen mit Neuschneezuwachs zwischen
10 und 50 cm wurde die Gamsroute 11 Mal
kurz danach flächendeckend verspurt. An diesen Tagen der häufigen Befahrungen fanden
keine Lawinenereignisse statt.
Figure 4. Observed run: Gamsroute Southeast,
30-40°, 2400-1570m, Zürs-Arlberg, Austria,
2012/13
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick der aufgezeichneten Daten von 2005 bis 2013 gegeben:
Die Datenbank enthält über 200 definierte Abfahrten mit dazugehörigen Flurnamen, pro Wintersaison werden durchschnittlich 850 Tagesprotokolle ausgewertet, die Dokumentation aller
jemals gefahrenen Abfahrten beläuft sich bis
April 2013 auf 6.130.619 Höhenmeter, die
Übereinstimmung der Gefahrenstufe des Lawinenlageberichtes Vorarlberg mit der Einschätzung der Lawinengefahr nach eigenen Ermessen aller Informanten beträgt durchschnittlich
zwischen 96% und 98%.
Figure 5. Gamsroute
In Figure 4. Ist der Zusammenhang von Neuschneezuwachs, der flächendeckenden Verspurung durch Skifahrer innerhalb ca.2-3 Stunden
und den Lawinenabgängen (Auslösungen spontan und von Skifahrern) von Mitte Dezember bis
Mitte Februar zu sehen.
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TREND UND FRAGEN ZUR ZUKUNFT
Der allgemeine Zugang zu jeder Art von Informationen außerhalb des „Büros“ wird über
Smartphones immer mehr erleichtert. Soziale
Netzwerke könnten sich nicht nur auf privatpersönlichen Ebenen abspielen sondern auch
für Informationen zur Unterstützung von Entscheidungen im Risikomanagement genutzt
werden. Die Voraussetzung hierfür ist natürlich
ein geschlossenes System wie es unter Kapt.4.1
Strategie beschrieben wird.
Der Faktor Mensch ist sich schon seit einigen
Jahren in zahlreichen Risikomanagement Strategien ein fixer Bestandteil. Wikisnow versucht
in den Tagesprotokollen diesen Faktor zu berücksichtigen. Die gefühlte Einschätzung der
allgemeinen Verhältnisse, die Einschätzung von
Auslösewahrscheinlichkeiten des frischen Triebschnees und die Einschätzung der Lawinengefahr werden zahlenmäßig erfasst.
Der Schwerpunkt liegt bei der subjektiven
Wahrnehmung jedes Beobachters. Diese Wahrnehmung deckt sich nicht immer mit der Zahl
der offiziellen Warnstufe und kann sich auch
während des Tages verändern. Ein Beobachter
fühlt sich z.B. bei Lagebericht Stufe 3 relativ
sicher und schätzt die Auslösewahrscheinlichkeit als gering ein. Am Tag zuvor protokolliert
die gleiche Person bei Stufe 3 schlechte Verhältnisse, hohe Auslösewahrscheinlichkeit und
schwierig zu erkennenden Triebschnee. Also
zwei grundverschiedene Wahrnehmungen bei
derselben Gefahrenstufe.
Durch diesen Aspekt werden lokale Gegebenheiten der Gefahrensituation berücksichtigt.
Andere Entscheidungsträger können sich beim
Lesen der Tagesprotokolle in Ihrer Einschätzung
zu anderen Beobachtern einordnen und demnach handeln. Gleichzeitig übt die Wahrnehmung der kollektiven Gruppe, durch die tägliche
Rückmeldung, ihren Einfluss auf die offizielle
Gefahrenstufe aus.
Figure 6. Variationen an Abfahrten
Anhand des Diagrammes in Figure 6. lässt sich
das Abfahrtsverhalten eines Informanten (Bergführer) ersehen.
Das untersuchte rote Kreissegment stellt die
Variation an Abfahrten im Sektor Nord und Ost
in der Saison 2012 dar. Im Sektor Nord fuhr der
Informant Nr.3 7% aller gesamt aufgezeichneten Nord-Abfahrten von 2012 (Σ 481.009 Hm)
das sind 33.670 Höhenmeter. Dabei entschied
er sich für 30 verschiedene Abfahrten.
Im Sektor Ost fuhr dieser ebenfalls 7% aller
gesamt aufgezeichneten Ostabfahrten mit einer
Variation von 22 verschiedenen Runs (dunkelblauer Sektor Nr.3). In den Sektoren Süd und
West fällt der Informant aus dem Raster da er
weniger als 3% aller Abfahrten dort fuhr. Es
lässt sich sagen dass dieser Bergführer 2012
weit über der Hälfte aller seiner Abfahrten in
Schattenhängen machte. Er kann in diesen Sektoren als Spezialist bezeichnet werden und besitzt hier wahrscheinlich bessere Kenntnisse
über die Schneebeschaffenheit als andere Informanten. Weiters müssen seine Kunden gute
Skifahrer sein, zumindest mit einem ausreichend sicheren Fahrkönnen für Pulverschneeabfahrten. Die Anzahl der Abfahrten in diesen
Bereichen lassen darauf schließen dass sich der
Informant immer in ähnlichen, Ihm bekannten,
Sektoren aufhält. Durch das pointierte Wissen in
diesen Bereichen könnte er sich sicherer als in
anderen Sektoren fühlen.
Die Nischentrends Freeriden und Skitourengehen boomen, die Befahrungsfrequenz von frisch
verschneiten Hängen steigt immer mehr an,
Sicherheitsausrüstungen gegen Lawinenverschüttung werden so zahlreich wie noch nie
verkauft.
Das Topthema Risikomanagement wird trendgemäß in vielen Artikeln behandelt. Wie schon
oft stellt sich die Frage, reicht das bisher erlangte Wissen aus oder können wir noch etwas verbessern? Wikisnow versucht ein erweitertes
Tool zur praktischen Anwendung für Profis und
Entscheidungsträger im Schnee zu sein. Profis
und leader Persönlichkeiten sollten mit gutem
Beispiel vorangehen und das richtige Verhalten
im freien Gelände abseits der Pisten vorzeigen.
Die Möglichkeiten an Zusammenhängen sind
bei weitem noch nicht ausgeschöpft und können
in Zukunft interessante Erkenntnisse bringen.
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REFERENCES
Foster, I., Kesselman, C., 2004. The Grid: Blueprint for a New Computing Infrastructure,
2. Auflage. Morgan Kaufmann P.Inc. San
Francisco, USA, pp.38-41.
Galton, F., 1907 March 17. Vox Populi, International weekly journal of science NATURE
75., pp 450-451.
Surowiecki, J., 2005. Die Weisheit der Vielenweshalb Gruppen klüger sind als Einzelne. C.Bertelsmann, München, pp 2.
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